3Medizinische Diagnostik und Therapie ˘ 3.3Lebenserhaltende Maßnahmen / Abwendung v. Schäden 464 3.3.10 Muster- Algorithmen / SOP Ulrich Atzbach und Andreas Flemming Die nachfolgenden Algorithmen sollen ei- ne einheitliche Schulungsgrundlage für Notfallsanitäter darstellen. Bei Medikationen und Besonderheiten sind immer die regionalen Protokolle (SOP, Algorithmen etc.) des zuständigen ÄLRD verbindlich, nur hierdurch lässt sich die Aktualität und regionale Anpassung gewährleisten. Die pharmakologischen Grundlagen müssen bekannt sein und be- achtet werden. Alle Algorithmen basieren auf dem Algorithmus „Ersteintreffen und ABCDE- Schema“. Grundsätzlich sind Leitlinieninhalte eingearbeitet worden. Algorithmen müssen regelmäßig auf Aktualität geprüft und angepasst werden. Vor Einsatz „erweiterter Techniken“ und „Medikationen“ ist der aufklärungsfähige Patient situationsbezogen aufzuklären. Alle gelben Felder enthalten Medika- mentenbeispiele bzw. invasive (erwei- terte) Techniken. Schraffierte gelbe Feld- er unterliegen weiteren Besonderheiten (BtM etc.), welche regional definiert und beachtet werden müssen. Die Notarztnachalarmierung bei Not- wendigkeit erweiterter Maßnahmen un- terliegt regionalen Vorgaben sowie der Verfügbarkeit im Einsatzfall. Die unterlas- sene NA-Nachalarmierung bedarf einer sinnvollen Begründung basierend auf ei- ner kritischen Einzelfallabwägung. Einige Bundesländer haben bereits Exper- tengruppen eingesetzt, die eigene Rah- men-SOP erstellen sollen. Stellvertretend sei hier neben Niedersachsen das Bun- desland Hessen genannt. Die dort erarbei- teten Algorithmen sind Bestandteil des Rahmenlehrplans und dienen als Grund- lage für die Aus- und Fortbildung erwei- terter und heilkundlicher Maßnahmen durch den Notfallsanitäter. Diese können sich sowohl in Art als auch Umfang von den hier abgebildeten Algorithmen un- terscheiden. Die Umsetzung der aktuellen notfallmedizinischen Leitlinien und die Strukturierung des Managements nach dem ABCDE-Schema haben jedoch grund- sätzlich alle Algorithmen gemein. Die Algorithmen bzw. Rahmenlehr- pläne in den Bundesländern können, so- bald sie von den zuständigen Stellen frei- gegeben wurden, über das Online-Portal dieses Buches abgerufen werden. Wir empfehlen allen Lesern, sich anhand der regionalen SOP bzw. Länder-Algorithmen vorzubereiten. Dies beinhaltet gegebe- nenfalls auch eine Anpassung der heil- kundlichen Maßnahmen, wie sie in den internistischen und traumatologischen Fallbeispielen beschrieben sind.
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3 Medizinische Diagnostik und Therapie ˘ 3.3 Lebenserhaltende Maßnahmen / Abwendung v. Schäden
464
3.3.10Muster-Algorithmen/SOP
Ulrich Atzbach und Andreas Flemming
Die nachfolgenden Algorithmen sollen ei-ne einheitliche Schulungsgrundlage für Notfallsanitäter darstellen.
Bei Medikationen und Besonderheiten sind immer die regionalen Protokolle (SOP, Algorithmen etc.) des zuständigen ÄLRD verbindlich, nur hierdurch lässt sich die Aktualität und regionale Anpassung gewährleisten. Die pharmakologischen Grundlagen müssen bekannt sein und be-achtet werden.
Alle Algorithmen basieren auf dem Algorithmus „Ersteintreffen und ABCDE-Schema“.
Grundsätzlich sind Leitlinieninhalte eingearbeitet worden.
Algorithmen müssen regelmäßig auf Aktualität geprüft und angepasst werden. Vor Einsatz „erweiterter Techniken“ und „Medikationen“ ist der aufklärungsfähige Patient situationsbezogen aufzuklären.
Alle gelben Felder enthalten Medika-mentenbeispiele bzw. invasive (erwei-terte) Techniken. Schraffierte gelbe Feld-er unterliegen weiteren Besonderheiten (BtM etc.), welche regional definiert und beachtet werden müssen.
Die Notarztnachalarmierung bei Not-wendigkeit erweiterter Maßnahmen un-terliegt regionalen Vorgaben sowie der Verfügbarkeit im Einsatzfall. Die unterlas-sene NA-Nachalarmierung bedarf einer sinnvollen Begründung basierend auf ei-ner kritischen Einzelfallabwägung.
Einige Bundesländer haben bereits Exper-tengruppen eingesetzt, die eigene Rah-men-SOP erstellen sollen. Stellvertretend
sei hier neben Niedersachsen das Bun-desland Hessen genannt. Die dort erarbei-teten Algorithmen sind Bestandteil des Rahmenlehrplans und dienen als Grund-lage für die Aus- und Fortbildung erwei-terter und heilkundlicher Maßnahmen durch den Notfallsanitäter. Diese können sich sowohl in Art als auch Umfang von den hier abgebildeten Algorithmen un-terscheiden. Die Umsetzung der aktuellen notfallmedizinischen Leitlinien und die Strukturierung des Managements nach dem ABCDE-Schema haben jedoch grund-sätzlich alle Algorithmen gemein.
Die Algorithmen bzw. Rahmenlehr-pläne in den Bundesländern können, so-bald sie von den zuständigen Stellen frei-gegeben wurden, über das Online-Portal dieses Buches abgerufen werden. Wir empfehlen allen Lesern, sich anhand der regionalen SOP bzw. Länder-Algorithmen vorzubereiten. Dies beinhaltet gegebe-nenfalls auch eine Anpassung der heil-kundlichen Maßnahmen, wie sie in den internistischen und traumatologischen Fallbeispielen beschrieben sind.
3 Medizinische Diagnostik und Therapie ˘ 3.3 Lebenserhaltende Maßnahmen / Abwendung v. Schäden Ersteindruck und standardisierte Erstuntersuchung (ABCDE-Schema)
Sicherheit und Beurteilung der Einsatzstelle– Persönliche Schutzausrüstung ausreichend?– Gefahren an der Einsatzstelle?– Entsprechen Lage und Patientenanzahl dem Alarmierungsbild?– Weitere Kräfte oder Ausrüstung erforderlich?
* Beachte Zeitfenster: Notintubation bei CPR: maximal 10 sec Unterbrechung der Thoraxkompressionen.Bei CPR: Falls Bolusgeschehen unwahrscheinlich ist, sofortiger EGA-Einsatz möglich, sonst initial BMV mit manuellen einfachen Techniken.
** Lagekontrolle: Auskultation und Kapnometrie / Kapnografie bei jeder invasiven Atemwegssicherung*** Nach zweimaligem Versagen erweiterter Techniken zur Atemwegssicherung: BMV fortführen, bis weitere qualifizier-
te Hilfe (NA) verfügbar.
ja
nein
Beurteilung Belüftung
* Klinische Anzeichen für Spannungspneu + erfüllte Entlastungskriterien (mind. 2 von 3):
˘ Atemnot / Zyanose˘ Bewusstseinsstörungen durch Hypoxie˘ Fehlender Radialispuls.
Indikationsabhängige O2-Gabe, Ziel 97-98 %.
Bei ABC-Problemen grundsätzlich hochdosiert
(Maske mit Reservoir).
Kein B-Problem
Algorithmus Obstruktive Atemnot
Ass. normofrequente Be-atmung mit hoher FiO2
Neubeurteilung der Belüftung
Ass. normofrequente Beatmung mit hoher FiO2; ggf. regionales CPAP / NIV-Protokoll
Bei Instabilität: Algorithmus Lebensbe-drohliche Bradykardie
Bei Instabilität:Algorithmus Tachykardie
Algorithmus Hypertensiver Notfall
Algorithmus ACS oder LAE
Relevante äußere Blutung?
Gut tastbarer normofrequenter
Puls?
Patient puls- los; oder keine aus-
reichende Zir- kulation?
Bradykardie?
Tachykardie?
Arterielle Hypertonie?
Zeichen für C-Problem im Ersteindruck:˘ Blässe ˘ schnelle Atmung˘ Verwirrtheit ˘ Kaltschweißigkeit˘ zunehmender VigilanzabfallC
Algorithmus: C-Problem
nein
ja
ja
ja
ja
ja
ja
Kardiale Genese?
ja
nein
nein
nein
nein
nein
nein
Wenn noch nicht erfolgt: Blutstillung!
Beginn einer forcierten Volumengabe**
Boli: 20 ml/kg KG
Volumen- bedingte Bedarfs-
tachykardie?
Weitere Ursachensuche /Neubeurteilung der
Zirkulation
* Lebensbedrohliche externe Blutungen werden mit Priorität initial gestillt (Erstein-schätzung!).
** Infusionstherapie mittels balancierter kristalloider Lösungen (z. B. Ionosteril® oder Ringer-Acetat) durchführen, bis Zeichen einer adäquaten Gewebeperfusion erkennbar; ggf. Katecholamingabe (Ultima Ratio) durch NA oder im Rahmen separater regionaler Protokolle.
*** Ziel: niedrig-stabiles Niveau ~ 90 mmHg sys.; Ausnahmen für permissive Hypoten-sion: SHT (GCS ≤ 9), Hypertonie und Schwangerschaft – hier Normotension.
Bei nicht kontrollier-barer Blutung: schnelle Transporteinleitung / situationsangepasste
Volumengabe***
ja
nein
E
Zeichen für D-Problem im Ersteindruck:˘ fehlende oder vegetativ gesteuerte Reaktionen
(z. B. Krampfanfall) ˘ motorische / sensible und / oder Sprach- / Sprech-
störungenD
Algorithmus: D-Problem
(1) Ziel der Infusionstherapie: Sicherstellung eines ausreichend hohen MAD. Steuerung über systolischen Druck (beim Kind: Alter × 2 + 90)
(2) Nach Atemwegssicherung: Milde Hyperventilation bei Erwachsenen 20 / min, bei Kinder 30 / min.
(1) Wärmeerhalt erzielen durch Verhinderung einer weiteren Auskühlung sowie durch Gabe vorgewärmter Infusions- lösungen und – wenn möglich – durch Applikation von vorgewärmtem Sauerstoff.
(2) Die Behandlung von lebensbedrohlichen Verbrennungen oder Verbrühungen erfolgt entsprechend der jeweiligen Symptomatik in den Phasen A, B und C.
Beachte: Keine Nitrat-Gabe bei:- Anzeichen einer Rechtsherzbelastung / InsuffizienzGrenzwerte regionales Protokoll:- RR systolisch < 120 mmHg- HF < 60 oder > 120 / min- Einnahme lang wirksamer Vasodilatatoren < 24 h: bspw.
Sildenafil (Viagra®), Tadalafil (Cialis®), Vardenafil (Levitra®)Beachte Kontraindikationen:- Allergie oder Asthma auf Wirkstoff,- akute nicht kontrollierte Blutung (z. B. Ulcus),- Vorbehandlung mit Gerinnungshemmerpräparaten- ggf. Aspisol 500 mg i. v. (regionales Protokoll)- ggf. Heparin 5 000 I.E. i. v. (regionales Protokoll)Beachte (regionales Protokoll):- Ziel VAS < 3 bzw. Halbierung VAS- BtM-Medikation oder Sedierung nur im Rahmen
Beachte:- Kühlmaßnahme der Laienhilfe beenden- keine Kühlung durch RD bei > 5 – 10% VKOF- konsequenter Wärmeerhalt- Wundversorgung trocken und keimfrei
Beachte:- ohne NA: nächste geeignete chirurgische Klinik- Primärtransport in SBVZ** nur nach Rücksprache mit NA
und ZV HH*** und Transportzeit < 45 min- Voranmeldung (Ankunftsuhrzeit)
Anhalt Parklandformel: - (4 ml × % VKOF ≥ II°) × Körpergewicht- davon die Hälfte über die ersten 8 h!- Vermeiden einer Überinfusion!Beachte:C- Problem: Ursachensuche?
Spasmoanalgesiez. B. 20 – 40 mg Butylscopolamin und 1 g
Metamizol per Infusion (RDE)
C-Problem /Schockzeichen?
E-Problem / Kolikschmerz?
E-Problem / Schmerzen
VAS ≥ 6?
ja
ja
ja
nein
nein
nein
*RDE = Richtdosis Erwachsene
Zielblutdruck bei Verdacht auf innere Blutung(beachte regionale Protokolle):- permissive Hypotension (regionale Protokolle)- ggf. Boli à 500 ml wiederholen (20 ml / kg KG)- Frühzeitiger Transportbeginn
˘ Adrenalin / Suprarenin®ZusammensetzungDie Dosis beträgt 1 mg Adrenalin pro ml. Die Gesamtmenge in verschiedenen han-delsüblichen Abpackungen ist unter-schiedlich:– Ampulle mit 1 mg in 1 ml– Stechampulle mit 25 mg in 25 ml– in der Schweiz auch Ampullen
mit 10 mg in 10 ml.VerabreichungsformenAdrenalin kann bei verschiedenen Indika-tionen grundsätzlich – intramuskulär (i.m.), – intravenös (i.v.), – inraossär (i.o.) und – inhalativ über eine Verneblermaske appliziert werden.Indikation / Wirkung Adrenalin ist ein Katecholamin/Sym-pathomimetikum und gehört unter an-derem bei der Reanimation und beim anaphylaktischen Schock zur elementaren Therapie. Es sollte ab Grad II einer anaphy-laktischen Reaktion gegeben werden. Es wirkt vasokonstriktorisch (α1-Wirkung), bronchodilatatorisch (β2-Wirkung) sowie positiv inotrop, positiv chronotrop, posi-tiv dromotrop und positiv bathmotrop (β1-Wirkung). Zudem vermindert es die Histaminausschüttung. Außerdem kann Adrenalin bei bradykarden Herzrhythmus-störungen eingesetzt werden.
Da Adrenalin sowohl auf α- als auch auf β-Rezeptoren wirkt, ist der Effekt un-
terschiedlich: Bei der Reanimation ist die α-adrenerge Stimulation durch das Ka-techolamin von großer Bedeutung. Die Er-höhung des peripheren Widerstandes und des diastolischen Blutdrucks führt zu einer gesteigerten Koronarperfus ion (Durch-blutung der Herzkranzgefäße). Eine Un-terstützung des venösen Rückstroms zum Herzen findet durch eine periphere Veno-konstriktion statt. Durch die verbesserte Herzfüllung ist der Effekt der Thoraxkom-pression größer. Die Wirkung von Adrena-lin setzt nach 30 – 60 Sekunden ein.DosierungReanimation Erwachsene:– bei Asystolie und PEA (nicht defibril-
lierbar) 1 mg i.v. oder i.o. sofort, wenn Zugang vorhanden (+ 20 ml Flüssig-keitsbolus z.B. VEL), Repetition alle 3 – 5 Minuten
– bei VF oder PVT (defibrillierbar) 1 mg i.v. oder i.o. nach der 3. Defibrillation (+ 20 ml Flüssigkeitsbolus z.B. VEL), Repe-tition alle 3 – 5 Minuten.
Reanimation Kinder:– 0,01 mg/kg KG i.v. oder i.o. (+ 20 ml
Flüssigkeitsbolus z.B. VEL), Repetition alle 3 – 5 Minuten.
Anaphylaktische Reaktion mit Atemnot und Stridor (kein Schock!) bei Kindern und Erwachsenen:– 3 mg + 6 Liter O2/min inhalativ.Anaphylaxie Erwachsene:– initial 0,5 mg (500 μg) i.m.– wenn Zugang (i.v./i.o.) vorhanden und
Anaphylaxie Kinder:– 6 bis 12 Jahre: 0,3 mg i.m.– < 6 Jahre: 0,15 mg i.m.– wenn Zugang (i.v./i.o.) vorhanden
und persistierender Schock (RRsys
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< 70 mmHg), 1 µg/kg KG titriert, bis RRsys ≥ 70 mmHg erreicht.
Bradykarde Rhythmusstörungen: – 0,01 mg titrieren, bis die gewünschte
Wirkung erreicht ist.NebenwirkungenTachykardie, Extrasystolie, Zittern, An-stieg des Blutzuckerspiegels.KontraindikationenBei Reanimation keine; Tachykardie, ta-chykarde Rhythmusstörungen.
˘ Amiodaron / Cordarex®Zusammensetzung1 Ampulle mit 3 ml enthält 150 mg Amio-daronhydrochlorid.IndikationTherapieresistente supraventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien, Vorhofflattern und Vorhofflimmern, AV-Knoten-Tachy-kardien, Re-entry-Tachykardien, WPW-Syndrom, Herzstillstand nach Kammer-flimmern nach erfolgloser Adrenalingabe und Defibrillation, Vorbeugung von er-neuten Tachykardien nach primär erfolg-reicher Defibrillation.Wirkung Amiodaron greift an Ionenkanälen, Re-zeptoren und Membranen an und be-sitzt antiarrhythmische Eigenschaften aller vier Antiarrhythmika-Klassen nach Vaughan Williams.
Es verzögert den repolarisierenden Kalium-Auswärtsstrom, verlängert die Dauer des Aktionspotenzials und die Re-fraktärstrecke, unterbricht kreisende Erre-gungen und senkt die Herzfrequenz und geringfügig auch die Herzkraft.
Amiodaron hat nach den aktuellen Leitlinien einen festen Stellenwert in der CPR bei Kammerflimmern/-flattern und pulsloser VT. Zurzeit gibt es noch keine
Hinweise auf eine Überlebenssteigerung bis zur Krankenhausentlassung, aller-dings wurde das Kurzzeitüberleben ge-steigert. Die ALIVE-Studie verglich 2002 beide Antiarrhythmika miteinander, un-ter Gabe von Amiodaron erreichten etwa doppelt so viele Patienten lebend die Kli-nik wie unter Gabe von Lidocain.
Wirkungseintritt: 2 – 5 Minuten.DosierungBei Reanimation: 300 mg Bolus i.v./i.o. (nach 3. erfolgloser Defibrillation), ggf. Re-petition von 150 mg bei persistierendem KF/PVT; Kinderdosis: 5 mg/kg KG, ggf. er-neut 5 mg/kg KG nach 5. erfolgloser Defi-brillation.
Zur antiarrhythmischen Therapie: 300 mg in Glucose 5% über 10 – 20 Minu-ten applizieren; ggf. Repetition: 150 mg; ggf. Dauertherapie. Keine zweite Injektion früher als 15 Minuten nach der ersten In-jektion, auch wenn beim ersten Mal nicht die maximale Dosis gegeben wurde.
Bei der Dauerinfusion ist Lichtschutz erforderlich. Das Pharmakon sollte grund-sätzlich nicht mit anderen Lösungen ge-mischt werden. Halbwertzeit ist nicht mit Wirkdauer zu verwechseln! Das Antiar-rhythmikum wirkt trotz einer Halbwert-zeit von 100 Tagen nur 3 – 8 Minuten.NebenwirkungenBlutdrucksenkung, AV-Blockierung (be-schränkt auf die parenterale Einmalgabe). Hat kaum negativ inotrope und nur we-nig proarrhythmische Nebenwirkungen, kann aber eine Torsade-de-pointes-Tachy-kardie auslösen (QT-Verlängerung). Wei-terhin sind Hyper- und Hypothyreosen sowie thyreotoxische Krisen schon nach Einmalgabe beschrieben.KontraindikationenBekannte Unverträglichkeit, Sinusbra-dykardie, alle Formen einer Leitungsver-
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zögerung, AV-Block II. und III. Grades, Kreislaufkollaps, Hypotonie, schwere Atem insuffizienz, Kardiomyopathie, Herz-insuffizienz, Neugeborene.Achtung!Bei gleichzeitiger Verabreichung mit Kal-ziumantagonisten vom Verapamil- und Diltiazem-Typ oder β-Blockern kann es zu einer exzessiven Bradykardie, zu hö-hergradigen atrioventrikulären Überlei-tungsstörungen und zu einer verstärkten kardiodepressiven Wirkung kommen.
˘ Antiemetika: Dimenhydrinat – Vomacur®, Vomex A®
Antiemetika sind Medikamente, die bei Symptomen wie starker Übelkeit, Erbre-chen und Kinetosen eingesetzt werden. Zur Gruppe der Antiemetika zählen Wirk-stoffe bzw. Medikamente wie:– Dimenhydrinat: Vomacur®, Vomex A®– Metoclopramid: MCP®, Paspertin®.
Die Zusammensetzungen/Verpackungs-größen sind für die einzelnen Wirkstoffe unterschiedlich und müssen je nach Me-dikament (Handelsname) individuell nachgesehen werden.
WirkungDimenhydrinat ist ein H1-Rezeptor-Anta-gonist und blockiert direkt die Rezeptoren im emetischen System. Wirkungseintritt: 3 – 5 Minuten.IndikationÜbelkeit, Erbrechen, Morbus Menière, ze-rebraler Schwindel.Dosierung1 – 2 mg/kg KG i.v.NebenwirkungenMüdigkeit, Tachykardie, paradoxe Reakti-onen, Mundtrockenheit, Sehstörungen.
KontraindikationenBekannte Unverträglichkeit, Asthma bronchiale, Krampfanfälle, letztes Trime-non der Schwangerschaft, Früh- und Neu-geborene, gleichzeitige Behandlung mit Monoaminooxidase-Hemmern, bestehen-de Therapie mit Aminoglykosiden.
WirkungDer antiemetische Effekt von Metoclopra-mid wird durch die Blockade der D2-Re-zeptoren im emetischen System, die Stei-gerung der Acetylcholin Freisetzung und Sensibilisierung der muskarinergen Ace-tylcholin-Rezeptoren im Magen-Darm-Trakt erreicht. Wirkungseintritt: 1 – 3 Mi-nuten.IndikationÜbelkeit, Erbrechen, Schluckauf (Singul-tus).Dosierung0,1 – 0,2 mg/kg KG langsam i.v.NebenwirkungenMüdigkeit, Kopfschmerzen, RR-Abfall, Urtikaria, Durchfall, Herzrhythmusstö-rungen (selten).KontraindikationenBekannte Unverträglichkeiten, Blutungen und Perforationen im Magen-Darm-Trakt, Epilepsie, mechanischer Ileus, erstes Tri-menon der Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder < 2 Jahre.Achtung!Metoclopramid vermindert die Wirkung von Dopamin und verstärkt bzw. verlän-gert die Wirkung von Succinylcholin. Me-toclopramid kann auch bei Injektion zu extrapyramidalen Symptomen (Tremor, Zittern, Ataxie usw.) führen.
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ZusammensetzungEine Injektionsflasche enthält als Tro-ckensubstanz 0,5 g Acetylsalicylsäure.IndikationenLeichte bis mittlere Schmerzzustände, be-sonders bei Myokardinfarkt, koronarer Herzerkrankung sowie Entzündungszu-ständen, akutes Koronarsyndrom (STE-MI, NSTEMI, instabile Angina pectoris), Thromboseprophylaxe, wenn andere Möglichkeiten kontraindiziert, Migräne.WirkungDurch Hemmung der Prostaglandinbio-synthese wirkt der Stoff analgetisch, an-tiphlogistisch (entzündungshemmend), antipyretisch (fiebersenkend) und hemmt die Thrombozytenaggregation (Blutgerin-nung). Wirkungseintritt: Analgesie: 4 – 10 Minuten, Maximum nach 20 Minuten, Wirkdauer: 3 – 4 Stunden. Sofortige und für mehrere Tage irreversible Thrombo-zytenaggregationshemmung.Dosierung Erwachsene: eine Injektionsflasche = 0,5 g langsam i.v., bei starken Schmerzen die doppelte Dosis. Nebenwirkungen Magenbeschwerden, allergische Reakti-onen, Asthmaanfall.Kontraindikationen Magen- und indikationsabhängig auch Zwölffingerdarmgeschwüre (relativ), er-höhte Blutungsneigung, Asthma.Interaktionen Die Kombination mit anderen gerin-nungshemmenden Pharmaka wie Mar-cumar® kann zu lebensgefährlichen Blu-tungssituationen führen, da dann sowohl die plasmatische als auch die thrombozy-täre Gerinnung gehemmt wird.
˘ AtropinZusammensetzungAmpullen mit 0,5, 1,0 und 2,0 mg/ml At-ropin (Hochdosis als Antidot: 50- und 100-mg-Ampullen).IndikationenVagolyse vor therapeutischen oder dia-gnostischen Eingriffen, Krämpfe und Ko-liken der inneren Organe, bradykarde Rhythmusstörungen, Antidot in hoher Dosierung bei Vergiftungen mit Parasym-pathomimetika und Pflanzenschutzmit-teln (Alkylphosphaten).WirkungDas Parasympatholytikum hemmt die Aktivität des parasympathischen Nervensys tems. Da dieser Teil des Ner-vensystems unterschiedliche Organfunk-tionen beeinflusst, besitzt Atropin eine Vielzahl von erwünschten und auch uner-wünschten Wirkungen: – Steigerung der Herzfrequenz durch
Hemmung der Wirkung des Vagus-nerves am Herzen
– Verbesserung der Reizleitung von den Vorhöfen in die Kammern
– Hemmung der Speichel- und Schleim-sekretion
– Erschlaffung der Bronchialmuskulatur (Bronchospasmolyse).
Wirkungseintritt: 1 – 3 Minuten; Wirkdau-er: bis zu 2 Stunden.DosierungBradykardie, Bradyarrhythmie: 0,5 mg i.v. alle 3 – 5 Minuten, ggf. Steigerung auf ins-gesamt 3 mg möglich. Cave: Gaben unter 0,5 mg können paradoxe Reaktionen aus-lösen. Ebenfalls möglich ist die subkutane oder endobronchiale Applikation (Dosis-erhöhung). Als Antidot (bei Alkylphosphaten): initial 0,03 – 0,06 g/kg KG (bis 100 mg/Tag).
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NebenwirkungenTachykardie, Glaukomanfall bei entspre-chend disponierten Patienten, Pupillen-erweiterung, psychische Veränderungen, Wärmestau.Kontraindikationen Bekannte Unverträglichkeit; Vorsicht bei Patienten mit koronaren Herzerkran-kungen, Schilddrüsenüberfunktion, Vor-hofflimmern und absoluter Arrhythmie.
˘ Benzodiazepine Benzodiazepine gehören zur Gruppe der Antikonvulsiva. Die im Rettungsdienst am häufigsten verwendeten Wirkstoffe und Medikamente sind:– Diazepam: Diazepam®, Faustan®,
Valium®– Midazolam: Dormicum®, Midazolam®.Indikationen– Angst- und Erregungszustände– akut lebensbedrohliche Stresssituati-
onen (Herzinfarkt, Traumen)– Prämedikation und Einleitung einer
Narkose– Tetanus- und Epilepsiebehandlung – pädiatrische Notfälle wie Epiglottitis
oder Kruppsyndrom; cave: zu starke Se-dierung
– Status epilepticus. Dosierung– Diazepam: (Beispiel: anhaltender Krampfanfall) Erwachsene: 0,1 mg/kg KG i.v. Kinder bis 15 kg: 5 mg rektal Kinder > 15 kg: 10 mg rektal.– Midazolam: 0,05 – 0,1 mg/kg KG i.v.; Buccolam® oral nach Alter:
10 – 18 LJ 10 mg; nasal (off label) MAD®: 0,2 mg kg/ KG; Erwachsene > 50 kg 10 mg.WirkungBenzodiazepine gehören zur Gruppe der Tranquilizer. Der Begriff leitet sich vom Englischen „tranquilize“ ab, was soviel be-deutet wie „beruhigen“. Diese Stoffe grei-fen in Hirnregionen an, in denen Antrieb, Stimmung und Affektivität reguliert wer-den (zerebrales limbisches System). Der Wirkmechanismus von Tranquilizern ist noch nicht vollständig geklärt. Benzo-diazepine lagern sich im Körper an be-stimmten Bindungsstellen (Benzodiaze-pin-Rezeptoren) an und bewirken so eine Dämpfung des zentralen Nervensystems. Die Regulierung erfolgt dabei über die Überträgersubstanz GABA (Gammaami-nobuttersäure). Benzodiazepine besitzen ein breites pharmakologisches Profil. Do-sisabhängig wirken sie:– sedativ– hypnotisch– antikonvulsiv (zentrale Heraufsetzung
der Krampfschwelle)– muskelrelaxierend– anxiolytisch (angstlösend)– amnestisch.Weitere Einsatzgebiete sind Erkran-kungen, bei denen eine Herabsetzung des Sauerstoffbedarfs sinnvoll ist oder der Teufelskreis „Angst – Spannung – Schmerz“ durchbrochen werden muss. Traumen, Herzinfarkte und bestimmte Atemstörungen sind deshalb erweiterte Indikationsgebiete von Benzodiazepinen.
Benzodiazepine gelten als sehr sichere Arzneimittel, da sie über eine große thera-peutische Breite verfügen. Als Antidot bei Vergiftungen steht der, allerdings nur sehr kurz wirkende, Benzodiazepin-Antagonist Flumazenil (Anexate®) zur Verfügung.
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˘ FlumazenilWirkung Anexate® ist ein Benzodiazepinantago-nist. Er bindet als kompetitiver Antago-nist an der GABA-Bindungsstelle (der Benzodiazepine).IndikationÜberdosierung bzw. Intoxikation von Benzodiazepinen und Aufheben der Se-dierung. Kritische Indikationsstellung, ggf. bei Intoxikationen mit unbekannter Menge/Art Rücksprache mit GIZ. Cave: Entzugssymptomatik. Aufgrund kurzer Wirkdauer(< 2 h) ist eine Rückkehr der Symptomatik möglich und eine klinische Überwachung erforderlich.Dosierung0,1 – 0,2 mg bis zum gewünschten Erfolg (max. 1 mg); Wirkeintritt nach 3 – 5 min.
˘ β2-SympathomimetikaBei den am häufigsten im Rettungsdienst verwendeten β2-selektiven Sympathomi-metika handelt es sich um folgende Me-dikamente:– Fenoterol: Partusisten®, Berotec®– Reproterol: Bronchospasmin®– Terbutalin: Bricanyl®– Salbutamol: Salbutamol®.Wirkungβ2-Sympathomimetika sind bronchiener-weiternde Arzneimittel, die hauptsächlich
zur Behandlung von Asthma, COPD und chronischer Bronchitis eingesetzt werden. Sie stimulieren selektiv die adrenergen β2-Rezeptoren der Bronchialmuskulatur und relaxieren die Uterusmuskulatur. Die Applikation der Medikamente kann i.v. oder inhalativ über entsprechende Dosier-systeme bzw. handelsfertige Dosieraero-sole erfolgen.– bronchospasmolytisch: entspannen
die glatte Muskulatur der Bronchien– bronchienerweiternd– entzündungshemmend– stimulieren die Ausschüttung von In-
sulin und fördern die Aufnahme von Kalium in die Zellen
von Kalium in die Zellen)– Wehenhemmung.Indikation, Dosierung, Kontra-indikationen, NebenwirkungenFenoterol: Partusisten®Indikation:Tokolyse (Wehenhemmung).Dosierung:titriert nach Wirkung bis zu 4 µg/min i.v.Kontraindikationen:bekannte Unverträglichkeit, tachykarde Rhythmusstörungen, WPW-Syndrom, fri-scher Herzinfarkt.Nebenwirkungen:Tachykardie, Kopfschmerzen, Schwindel, Palpitationen, Übelkeit.
3 Medizinische Diagnostik und Therapie ˘ 3.3 Lebenserhaltende Maßnahmen / Abwendung v. Schäden 3 Medizinische Diagnostik und Therapie ˘ 3.3 Lebenserhaltende Maßnahmen / Abwendung v. Schäden
˘ Ipratropium – Atrovent®WirkungIpratropium gehört zur Gruppe der Para-sympatholytika und hat einen bronchodi-latativen sowie einen antitussiven Effekt.IndikationenAsthma bronchiale, COPD, allergische Re-aktionen mit Atemnot.Dosierung0,1 – 0,5 mg (= 1 – 2 Sprühstöße Dosiera-erosol) inhalativ; Verneblermaske: 1 – 2 Fertig ampullen (2 ml = 0,25 bzw. 0,5 mg).NebenwirkungenKopfschmerzen, Schwindel, Tachykardie, Urtikaria, Juckreiz, Übelkeit, Erbrechen, allergische Reaktion.KontraindikationenBekannte Unverträglichkeit, Glaukom.
AllgemeinesPräparate dieser Gruppe werden auch als β-Sympatholytika oder Beta-Blocker bezeichnet. Sie gehören zu den Antiar-rhythmika der Gruppe II nach Vaughan Williams und heben die Wirkung der Ka-techolamine an β1- und β2-Rezeptoren durch kompetitiven Antagonismus auf. Die Folge ist am Herzen und im Stoff-wechsel ein hemmender und in der glatten Muskulatur ein stimulierender Effekt. β-Blocker wirken unterschied-lich selektiv, d. h. die Besetzung der β-Rezeptortypen unterscheidet sich quan-titativ. Bei kardialer Indikation setzt man solche Beta-Blocker ein, die spezifisch an den β1-Rezeptoren angreifen. Die Selek-tivität ist immer nur relativ, auch die β2-Rezeptoren in der Bronchialmuskulatur werden beeinflusst, was die Kontraindika-
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tion beim Asthma bronchiale erklärt. Al-le Wirkstoffnamen dieser Gruppe sind an der Endung „-olol“ zu erkennen.WirkungSenkung der Herzfrequenz, Verminde-rung der Kontraktilität, Herabsetzung der Erregbarkeit, Verlangsamung der Erre-gungsleitung, Senkung des systolischen Blutdrucks, Reduktion des myokardialen Sauerstoffverbrauchs, (relativ) selektive β1-Wirkung. Wirkungseintritt: 2 Minuten, Halbwertzeit: 9 Minuten (Esmolol). Esmo-lol ist somit gut steuerbar.ZusammensetzungEsmolol:10 ml Infusionslösung enthalten 100 mg, 10 ml Infusionslösungskonzentrat 2,5 g Esmolol.Metoprolol:1 Ampulle = 5 mg in 5 ml.IndikationenSupraventrikuläre Tachykardien, soweit diese nicht durch eine vorzeitige Erre-gung des Herzens aufgrund atypischer Leitungsbahnen bedingt sind (Re-entry-Mechanismen), therapiebedürftige, nicht-kompensatorische Sinustachykardie, hy-perkinetisches Herzsyndrom.DosierungEsmolol: initial: 500 – 1 000 µg/kg KG über eine Minute i.v./; Perfusor (Erhaltungsdosis): 50 µg/kg KG/min.Metoprolol:0,05 – 0,1 mg/kg KG langsam i.v.NebenwirkungenBronchospasmus (selten, bei empfind-lichen Patienten), Blutdruckabfall, Bra-dykardie, AV-Block (selten), Übelkeit, Erbrechen, übermäßiger Anstieg der Herzfrequenz ca. 30 Minuten nach Infu-sionsende (Rebound-Effekt, nur bei Es-molol).
KontraindikationenBradykardie, Nutzen-Risiko-Abwägung und gegebenenfalls Dosisreduktion bei bronchospastischen Erkrankungen, kom-pensatorische Herzinsuffizienz.
˘ N-Butylscopolamin / Buscopan®ZusammensetzungEine Ampulle Buscopan® zu 1 ml ent-hält 20 mg, eine Stechampulle zu 10 ml 200 mg N-Butylscopolamin.IndikationenSpasmen von Harnwegen, Gallengängen und Darm.WirkungButylscopolamin wirkt, ähnlich wie das verwandte Atropin, als Antagonist an den Rezeptoren des parasympathischen Ner-vensystems. Das Parasympatholytikum verhindert die Bindung von Acetylcholin an den postganglionären Rezeptoren. Die Erregungsübertragung der Nervenreize wird vermindert und so der Tonus und die Peristaltik der glatten Muskulatur der abdominalen Hohlorgane verringert. Als Nebenwirkung wird die Speichel-, Bron-chial- und Schweißdrüsensekretion redu-ziert. Verglichen mit Atropin überwindet Butylscopolamin in erheblich geringerem Maße die Blut-Hirn-Schranke. Die zentra-len Nebenwirkungen sind deshalb deut-lich geringer ausgeprägt. Wirkungsein-tritt: 2 – 4 Minuten, Wirkdauer: mehrere Stunden.Dosierung1 ml = 20 mg Butylscopolamin langsam i. v., ggf. Wiederholung. NebenwirkungenTachykardie, Erhöhung des Augeninnen-druckes, Mundtrockenheit. Hemmung der Schweißsekretion mit Wärmestau, Mik-tionsbeschwerden.
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KontraindikationenTachyarrhythmien, Engwinkelglaukom, Prostataadenom mit Restharnbildung, Stenosen im Magen-Darm-Trakt.
˘ Furosemid / Lasix®ZusammensetzungEine Ampulle zu 2 ml (4 ml) enthält 20 mg (40 mg) Furosemid. IndikationenLungenödem, Ödembildung, Steigerung der renalen Giftauswaschung bei be-stimmten Toxinen.WirkungFurosemid hemmt die Rückresorption von Natrium und damit sekundär auch die von Chlorid im aufsteigenden Teil der Henle-Schleife. Die Ausscheidung von Ka-lium, Kalzium und Magnesium nimmt als Folge der gesteigerten Natriumkonzen-tration zu. Die Elektrolyte binden osmo-tisch Wasser an sich, sodass es bei ihrer Ausscheidung zum gewünschten diure-tischen Effekt kommt.
Furosemid besitzt eine starke Wir-kung, je nach Dosis können bis zu 60 Li-ter Flüssigkeit in 24 Stunden ausgeschie-den werden. Durch die Weitstellung der Kapazitätsgefäße vor dem rechten Her-zen kommt es zu einem „inneren Ader-lass“ (venöses Pooling) mit Reduktion der Herzarbeit durch Abnahme des links-ventrikulären Füllungsdruckes. Der Pul-monalarteriendruck nimmt ebenfalls ab. Wirkungseintritt: in 2 Minuten an den Ge-fäßen und in ca. 20 Minuten diuretisch, Wirkdauer: ca. 2 Stunden.DosierungInitial: 20 – 40 mg langsam i.v. (max. 4 mg/min). Säuglinge und Kleinkinder: 0,4 – 0,6 mg/kg KG.
NebenwirkungenStörungen des Wasser- und Elektrolyt-haushaltes, Hypokaliämie, Hypomag-nesämie, Hyponatriämie und Hypo-chlorämie bei längerer Anwendung, Harnsäureanstieg, reversible Hörverluste nach schneller intravenöser Applikation hoher Dosen.KontraindikationenNierenversagen mit Anurie, Überemp-findlichkeit auf Antibiotika der Sulfo-namidgruppe; Schwangerschaft: stren-ge Indikationsstellung. Cave: Nicht als Mischspritze verabreichen, Gefahr von In-kompatibilitäten.
˘ Glukoselösung / Glucose 20 / 40%®ZusammensetzungEine Ampulle Glucose 20% zu 10 ml ent-hält 2 g Glukose. Eine Ampulle Glucose 40%® zu 10 ml enthält 4 g Glukose. IndikationenHypoglykämie.WirkungSteigerung der Blutzuckerkonzentration.DosierungInitial 20 ml Glucose 40%® = 8 g i.v. Bei Fortbestehen der Symptomatik weitere 8 g in Trägerlösung. Cave: Konzentrierte Glukoselösung nie unverdünnt geben (Verdünnung 1 : 1 [auf 20%] mit NaCl 0,9% wegen starker Venenreizung notwendig).NebenwirkungenVenenreizung. Glukoselösung muss streng intravenös gegeben werden, bei ei-ner paravenösen Gabe sind Gewebeschä-den bis hin zur Nekrose möglich.
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˘ H1- und H2-Blocker H1- und H2-Blocker gehören zu den Grup-pen der Antihistaminika und der Antie-metika. Die im Rettungsdienst gebräuch-lichsten Wirkstoffe und Medikamente dieser Gruppe sind:– Clemastin: Tavegil® (H1-Blocker)– Dimenhydrinat: Vomex A® (H1-Blocker)
(s. Antiemetika)– Dimetinden: Fenistil® (H1-Blocker)– Ranitidin: Ranitiv®, Ranitidin-ratio-
pharm® (H2-Blocker).Indikation, Dosierung, Kontra-indikationen, NebenwirkungenClemastin: Tavegil®Indikation:allergische Reaktionen.Kontraindikationen:bekannte Unverträglichkeit, Kinder < 1 Jahr, akute Porphyrie.Dosierung:0,03 mg/kg KG i.v.Nebenwirkungen:Müdigkeit, Sedierung, Kopfschmerzen, Ta-chykardie, Übelkeit.Dimetinden: Fenistil®Indikation:allergische Reaktionen.Kontraindikationen:bekannte Unverträglichkeit, Kinder < 1 Jahr, akute Porphyrie.Dosierung:0,03 mg/kg KG i.v.Nebenwirkungen:Müdigkeit, Sedierung, Kopfschmerzen, Tachykardie, Übelkeit.
˘ Heparin – Heparin®, Liquemin®WirkungHeparin gehört zur Gruppe der Gerin-nungshemmer (Fibrinolytika) und ist ein körpereigener Stoff, der von Lunge, Le-
ber, Milz sowie den basophilen Granulo-zyten gebildet wird. Heparin hemmt in der Gerinnungskaskade die Wirkung von Thrombin auf Fibrinogen sowie die Um-wandlung von Prothrombin zu Throm-bin. Zusätzlich verhindert Heparin die Thrombozytenaggregation und somit die Thrombenbildung, es fördert dadurch aber die Blutungsneigung bzw. Stärke und Dauer bestehender Blutungen.IndikationenAkuter Herzinfarkt, ACS.KontraindikationenBekannte Unverträglichkeiten, akute Blu-tungen, Heparin-induzierte Thrombozy-topenie (HIT-Syndrom).Dosierung5 000 I.E. i.v.
˘ IbuprofenIbuprofen wird meist lediglich als Schmerztablette eingesetzt (Aktren®, An-algien®, Dolormin®, Migränin® usw.) und wird im Rettungsdienst/als Notfallme-dikament nicht (mehr) eingesetzt. Daher wird an dieser Stelle auf eine ausführliche Darstellung verzichtet.
˘ Paracetamol / Ben-u-ron®ZusammensetzungSuppositorien mit 125, 250, 500 oder 1 000 mg Paracetamol. Tabletten und Kap-seln mit 500 und 1 000 mg, Saft.IndikationenLeichte bis mittelstarke, nicht-entzünd-liche Schmerzzustände, Fieber, (Fieber-)Krämpfe in der Pädiatrie.WirkungParacetamol hemmt die Prostaglandin-synthese auf zerebraler Ebene stärker als Acetylsalicylsäure, in der Periphe-
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rie jedoch schwächer. Im Hypothalamus hemmt es die Bildung von fiebererzeu-genden Stoffen (Pyrogenen) und wirkt so fiebersenkend. Im Gegensatz zur Acetyl-salicylsäure wirkt es nahezu nicht ent-zündungshemmend. Paracetamol besitzt keine direkte antikonvulsive oder spas-molytische Wirkung, ist bei Fieberkrämp-fen jedoch wegen seines antipyretischen Effektes wirksam.DosierungErwachsene: 500 – 1 000 mg oral, Wieder-holung bis zur vierfachen Einzeldosis; Kinder von 6 – 12 Jahren: 500 mg rektal oder 250 mg oral; Kinder von 1 – 5 Jahren: 250 mg rektal oder 60 bis 120 mg oral; Kinder unter 1 Jahr: 125 mg rektal oder 60 mg oral. Als injizierbare Infusionslö-sungen existieren Perfalgan® oder Da-falgan®. Diese spielen allerdings bei der Notwendigkeit einer hochpotenten not-fallmedizinischen Analgesie keine Rolle.NebenwirkungenAllergische Hautreaktionen, reversible Niereninsuffizienz (gelegentlich bzw. sehr selten). Bei Einhaltung der Höchstdosen ist Paracetamol ein nebenwirkungsarmes Arzneimittel. Bedingt durch seine geringe therapeutische Breite kann es bei Über-dosierung jedoch zu lebensbedrohlichen Intoxikationen kommen. Bereits 140 mg/kg KG können zu Lebernekrosen führen (dies entspricht dem Inhalt einer 10er-Pa-ckung Paracetamoltabletten!), Dosen um 25 g sind tödlich.
Als Antidot gibt man in der Klinik N-Acetylcystein i.v., das den endogenen Ab-bau des giftigen Metaboliten unterstützt.KontraindikationenSchwere Nieren- und Leberfunktionsstö-rungen.
ZusammensetzungEs stehen Darreichungsformen (Ampul-len, Stechflaschen) mit 10 mg/ml und mit 50 mg/ml zur Verfügung.
Ketanest® S in 5 ml/25 mg (1 ml/5 mg), 10 ml/250 mg und 2 ml/50 mg (1 ml/25 mg).IndikationenKurznarkotikum für diagnostische und therapeutische Eingriffe, z.B. zur Rettung eingeklemmter Personen, Narkoseeinlei-tung, Analgetikum, Near Fatal Asthma.
Als Narkosemittel mit analgetischer Potenz soll es hierzu durch Ärzte mit ent-sprechender Erfahrung eingesetzt wer-den. Eine unbeabsichtigte Narkose durch „Überdosierung“ muss bei fachgerechter Formulierung und Anwendung einer An-algesie-SOP durch Rettungsfachpersonal ausgeschlossen werden. Häufig wird die Kombination mit Benzodiazepinen emp-fohlen, dies muss dann entsprechend in der SOP dargestellt sein.WirkungKetamin wirkt dosisabhängig stark anal-getisch bis mäßig narkotisch und ruft eine Amnesie hervor. An Opiatrezeptoren wirkt es agonistisch, am NMDA-Rezeptor (N-Me-thyl-D-Aspartat) als Antagonist. Die Re-flexe bleiben erhalten, der Sympathikoto-nus wird gesteigert. Ketanest® S ist stärker wirksam. Wirkungseintritt: sofort; Wirk-dauer: Anästhesie: 10 – 15 Minuten, Analge-sie: 40 Minuten, Amnesie: 1 – 2 Stunden.DosierungAnalgesie: 0,25 – 0,5 mg/kg KG i.v., Nar-koseeinleitung: 1 – 2 mg/kg KG langsam i.v. (rektale, orale und i.m. Gabe möglich), Near Fatal Asthma: bis 7 mg/kg KG. Bei der Verwendung von Ketanest® S als An-algetikum und Narkotikum halbiert sich
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Tab. 42 ˘ Guidelines für die präklinische Behandlung des Asthma bronchialeLeichter bis mittelschwerer Anfall
– 2 - 4 Hübe Salbutamol (Wiederholung alle 15 Minuten), alternativ: kontinuierliche Gabe von SABA (kurz wirksame β2-Agonisten) über Verneblermaske
– stationäre Überwachung initial unter Monitor über mindestens 12 - 24 h
Lebensbedrohlicher Asthmaanfall
– 10 - 15 l/min O2 über Maske mit Reservoir
– Prednisolon 50 - 100 mg i. v. alle 4 - 6 h
– kontinuierliche Gabe von kurzwirksamen β2-Agonisten über Vernebler in Kombination mit einem Parasympathikolytikum (Ventolin®/Atrovent®)
– falls inhalative β2-Sympatikomimetika nicht ausreichend: Beta-2-Sympatikomimetika (Reproterol 0,09 mg) langsam i. v.
– Cave: Auslösung von Herzrhythmusstörungen
– bei Bedarf alle 4 - 6 h wiederholen
– Magnesiumsulfat (2 000 mg i. v.)
– stationäre Überwachung initial unter Monitor über mindestens 24 h
– ausreichende Flüssigkeitszufuhr
Weitere therapeutische Maßnahmen
– Ipratropiumbromid 0,5 mg durch Vernebelung
– Beta-2-Sympathomimetikum parenteral: z.B. Terbutalin 0,25 - 0,5 mg s. c. (ggf. Wiederholung in 4 Stunden)
– oder Reproterol 0,09 mg (= 1 ml Amp.) langsam i. v. (Wiederholung nach 10 min möglich); Perfusor: 5 Amp. Reproterol auf 50 ml (Geschwindigkeit 2 - 10 ml pro Stunde = 0,018 - 0,09 mg Reproterol pro Stunde)
– oder Salbutamol 0,25 - 0,5 mg langsam i. v.; Perfusor: 5 Amp. Salbutamol-Infusionskonzentrat (1 Amp. = 5 mg Salbutamol) auf 50 ml, Geschwindigkeit 2 - 10 ml pro Stunde = 1 - 5 mg Salbutamol pro Stunde)
Cave
– Hydratation mit großen Flüssigkeitsvolumina (vor allem bei älteren Patienten)
– Mukopharmaka (Zunahme des Hustens möglich)
– Sedativa (Atemdepression; vermindertes Dyspnoe-Empfinden ohne objektive Besserung)
– Physikalische Therapie, Physiotherapie (zusätzliche Belastung) (nach National Heart, Lung and Blood Institute, 2007; Global Initiative for Asthma, 2008)
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aufgrund der höheren Potenz der Sub-stanz die Dosierung.NebenwirkungenErhöhter Muskeltonus, Steigerung des Hirndruckes bei unzureichender Beat-mung, Halluzinationen, Aufwachreakti-onen (lassen sich durch die gleichzeitige Gabe von Benzodiazepinen reduzieren), langer Nachschlaf, selten Atemdepression (vor allem bei zu rascher Injektion), sym-pathomimetische Nebenwirkungen (Blut-druck-, Herzfrequenzanstieg, Bronchialer-weiterung).KontraindikationenFehlende Beatmungsmöglichkeit, schwe-re Hypertonie, Krampfneigung, Apoplex, Herzinfarkt. Bei einem schweren SHT mit kontrollierter Beatmung ist Ketamin ein-setzbar, insbesondere, wenn der arterielle Mitteldruck niedrig ist.
˘ KortisonKortikoide werden auch als Glukokortiko-ide oder Kortisonderivate bezeichnet. Kor-tisol ist ein Hormon der Nebennierenrinde und reguliert eine Vielzahl von Vorgängen. Die unterschiedlichen Präparate haben qualitativ die gleichen pharmakologischen Effekte, unterscheiden sich jedoch in ihrer antiphlogistischen Wirkstärke. IndikationenAnaphylaktische Reaktionen, Near Fatal Asthma, toxisches Lungenödem, Krupp-syndrom.Wirkung– Entzündungshemmend– membranstabilisierend– immunsuppressiv (die Immunreaktion
abschwächend)– Förderung der Glukoneogenese und
der Glykogenbildung (Zucker- bzw. Stärkebildung)
– Beeinflussung des Elektrolythaus-haltes
– Herabsetzung der Krampfschwelle.Nebenwirkungen– Erhöhung des Blutzuckerspiegels– Pilzbesiedlung der Lunge (inhalativ –
PräparateAmpullen, Stechampullen, Infusionsfla-schen, Plastikflaschen und Infusionsbeu-tel stehen zur Verfügung.Zusammensetzung1 000 ml enthalten 9 g Natriumchlorid (3,54 g Natrium, 5,46 g Chlorid).IndikationenTrägerlösung, Flüssigkeitsersatz, Anfeuch-ten von Verbänden, kaliumfreie Elektro-lytlösung für Patienten mit Hyperkaliä-miegefahr (z.B. Dialysepatienten).NebenwirkungenHypernatriämie, Hyperchlorämie.KontraindikationenAzidose, hypertone Hydratation (Über-wässerung), Hypokaliämie, Hypernatri-ämie.
˘ Kristalloide Infusion: Vollelektrolytlösung
Diese Lösungen enthalten nicht nur Na-trium und Chlorid, sondern zusätzlich Kalium, Kalzium, teilweise Magnesium, Azetat und Laktat in unterschiedlicher Konzentration. Für Kinder stehen beson-dere Zubereitungsformen zur Verfügung, die aber in der Notfallmedizin entbehr-lich sind.IndikationenExtrazelluläre Flüssigkeitssubstitution.
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Volumenersatzmittel verbleiben länger im Körper und im Gefäßsystem als die Elektrolytlösungen. Durch den Zusatz von künstlichen Kolloiden, die die Gefäß-wände nicht wie die Elektrolyte einfach überwinden können, erreicht man eine längere Verweildauer im Gefäßsystem. Durch die Änderung der Molekülstruktur (Substitutionsgrad) kann die intravasale Verweildauer von HAES-Lösungen erhöht werden. Einige dieser Lösungen können auch einen „wasseranziehenden“ Effekt im Gefäßsystem aufweisen. Die Flüssig-keit wird hierbei hauptsächlich aus dem Interstitium mobilisiert und erhöht somit den Volumeneffekt über die direkt infun-dierte Menge hinaus. Diesen Effekt nennt man Plasmaexpandereffekt.
Aufgrund aktueller Studienergebnisse sind kolloidale Stärkelösungen (HAES) nur noch empfohlen, wenn mit kristallinen VEL keine ausreichende Stabilisierung er-reicht werden kann. Im Einzelfall kann der Einsatz von kolloiden Lösungen beim hämorrhagischen Schock deshalb zusätz-lich erwogen werden.
Eine Sonderstellung nehmen die hyper onkotischen/hyperosmolaren Vo-lumenersatzmittel (z.B. HyperHAES®) im Rahmen der Small Volume Resuscitation ein. Diese Infusionslösungen enthalten eine höher konzentrierte (7,2 – 7,5%) NaCl-Lösung und ein kolloides Volumenersatz-
mittel. Durch die hohe Natriumkonzen-tration entsteht hierbei ein zusätzlicher starker und schneller Volumeneffekt, der durch den Zusatz eines Kolloids stabili-siert werden kann.
Die infundierte Menge muss streng begrenzt werden, damit keine schweren Nebenwirkungen durch die hyperosmo-lare Lösung auftreten. Somit lässt sich auch die Bezeichnung „Small Volume Re-suscitation“ nachvollziehen, denn mit ei-ner kleinen Infusionsmenge (4 ml/kg KG) lässt sich ein größeres Volumen mobili-sieren, allerdings nur, wenn extravaskulär mobilisierbares Volumen vorhanden ist.
Anschließend muss ein entspre-chender normaler Volumenersatz zeit-gerecht fortgeführt werden, um eine erneute Verschlechterung der bereits sta-bilisierten Kreislaufsituation zu verhin-dern. Diese Substanz unterliegt folglich einer strengen notärztlichen Indikations-stellung.
Das Produkt HyperHAES® ist im März 2014 vom Hersteller zurückgezogen wor-den, inwiefern Ersatzpräparate zugelas-sen werden bzw. verfügbar sind, ist frag-lich.IndikationSchwerer hämorrhagischer Schock.Dosierung250 ml (max. 4 ml/kg KG) über 2 – 5 min. Anschließend kalkulierten Volumenersatz fortführen!NebenwirkungenHypernatriämie, Hypervolämie, aller-gische Reaktion.KontraindikationenFür Säuglinge und Kleinkinder nicht zu-gelassen.
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˘ Lidocain / Xylocain®ZusammensetzungEine Ampulle 2% zu 5 ml enthält 100 mg Lidocain, 10% zu 3 ml 300 mg.IndikationenVentrikuläre Extrasystolen, Kammer-tachykardie (bei Patienten mit aku-tem Koronarsyndrom sowie Kreislauf-stabilität), Digitalisintoxikationen, Kammerflimmern/-flattern (wenn Amio-daron nicht verfügbar ist). Denn bei nicht erfolgreicher Defibrillation ist Amiodaron (Cordarex®, Cordarone® [CH]) angezeigt.WirkungDie antiarrhythmische Wirkung beruht auf einem direkten Angriff an der Herz-muskelmembran. Die Schrittmacher-aktivität wird besonders am Ventrikel gehemmt und ist abhängig vom Aus-gangsruhepotenzial. Der Natriumein-strom während der Depolarisation wird verhindert und die Durchlässigkeit für Kalium und Natrium auch in der Diasto-le gehemmt. Die Dauer des Aktionspoten-zials und die Refraktärzeit (Ruhephase) nehmen zu, und die Freisetzung von Nor-adrenalin aus seinen Speichern wird ge-hemmt. Wirkungseintritt: 1 – 2 Minuten; Wirkungsdauer: 15 – 20 Minuten. DosierungBei Kammerflimmern nur, wenn Amioda-ron nicht verfügbar ist; nach erfolgloser primärer Defibrillation 1,5 mg/kg KG i.v., Dosisreduktion um 50% bei Leberinsuffi-zienz.NebenwirkungenVentrikuläre Extrasystolen, Kammerflim-mern, AV-Block, Verschlechterung des De-fibrillationserfolges, zentralnervöse Aus-wirkungen.
KontraindikationenAV-Block III. Grades, Bradykardie, AV-Dis-soziation, Schock und schwere Herzinsuf-fizienz.
Zusammensetzung1 Ampulle zu 2 ml enthält 1 g Metamizol, Dragees zu 500 mg.IndikationenMittelstarke bis starke Schmerzen, Krämpfe der Hohlorgane, therapie-resistentes Fieber.WirkungMetamizol hemmt die Prostaglandinbil-dung und aktiviert vermutlich Neuronen der zentralen Schmerzhemmung. Seine schmerzlindernde und fiebersenkende Wirkung ist stärker als die von Acetylsa-licylsäure oder Paracetamol. Durch seine spasmolytische Wirkung ist es bei Krämp-fen der Hohlorgane indiziert. Wirkeintritt: 1 – 8 Minuten, Maximum nach 60 Minu-ten; Wirkdauer: 2 – 6 Stunden.Dosierung0,5 – 1,0 mg Metamizol = 1 – 2 ml Lösung = 10 – 20 mg/kg KG langsam über 1 – 2 Mi-nuten i.v., nach 4 Stunden gegebenenfalls Wiederholung.NebenwirkungenBlutdruckabfall, Blutbildschäden (Agranu-lozytose, sehr selten), allergische Reaktion bis hin zum Schock (sehr selten).KontraindikationenRisikoabschätzung bei Hypotonie.InkompatibilitätenNicht mit Lösungen mit saurem pH-Wert mischen (Ausfällung).
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˘ Naloxon – Naloxon®, Narcanti®WirkungNaloxon wirkt als direkter Antagonist an den Opiatrezeptoren und wird im Ret-tungsdienst als Antidot eingesetzt. Es ver-drängt nahezu alle Opiate aus der Rezep-torbindung.IndikationenIntoxikationen mit Opioiden/Opiaten, Drogenintoxikationen (Heroin), Überdo-sierung von Opioiden/Opiaten im Rah-men der Schmerztherapie.DosierungSiehe Tabelle 43.NebenwirkungenRR-Anstieg, Tachykardie, Entzugssympto-matik.KontraindikationenBekannte Unverträglichkeiten.Achtung!Durch die meist hervorgerufene Entzugs-symptomatik kommt es bei der Gabe von Naloxon bei Drogenintoxikationen oft zu Aggressionen und gewalttätigen Hand-lungen der Patienten gegenüber dem Ret-tungsdienstpersonal.
˘ Nitrate WirkungNitrate gehören zur Gruppe der Antihy-pertensiva. Der im Rettungsdienst am häufigsten verwendete Wirkstoff ist Gly-ceroltrinitrat (Nitrangin®, Nitrolingual®). Glyceroltrinitrat setzt Stickstoffmonoxid (NO) im Organismus frei, was zur Dilata-tion der großen venösen Gefäße sowie der Herzkranzgefäße mit resultierender Senkung der Vorlast und Verbesserung der Koronardurchblutung führt. Außer-dem wird dadurch der Sauerstoffver-brauch des Herzens herabgesetzt.
Gleichzeitig führt die Dilatation der Gefäße in den meisten Fällen aber auch zu einem nennenswerten RR-Abfall und einer daraus resultierenden reflekto-rischen Tachykardie.IndikationenAngina pectoris, Herzinfarkt, Linksherz-insuffizienz mit kardialem Lungenödem, hypertensiver Notfall.KontraindikationenBekannte Unverträglichkeit, Hypoto-nie 100 – 120 mmHg (bzw. deutlich unter Normwert des Patienten), Bradykardie als möglicher Hinweis auf eine „Rechtsherz-beteiligung“, Schock, Einnahme von Me-dikamenten gegen erektile Dysfunktion < 24 h (z.B. Viagra®/Sildenafil) oder pul-monale Hypertonie (z.B. Revatio®/Silden-afil), akuter Rechtsherzinfarkt, Lungenem-bolie.Dosierung– 0,4 – 0,8 mg (= 1 – 2 Hübe) sublingual– 1 – 6 ml/h i.v. (über Perfusor
50 mg/50 ml) unter engmaschiger RR-Kontrolle
– handelsübliche Ampullen: 1 Ampulle = 5, 25 oder 50 ml. Pro ml ist in allen Ver-packungseinheiten jeweils 1 mg Wirk-stoff enthalten.
Tab. 43 ˘ Dosierung von NaloxonPatient/Indikation Dosis
Erwachsener (Notfall)
Drogennotfall
0,4 - 2,0 mg i.v. (i.m./s.c.) in 3 - 5-min-Intervallen bis 10 mg oderWegtitrieren mit 40 μg jede min i.v.;0,4 - 0,8 mg i.v. (0,8 mg i.m.)
Kind (Notfall) 0,1 mg/kg KG i.v. (i.m./s.c.) alle 10 min
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Achtung!Bei der Verabreichung von Glyceroltrini-trat ist als Kontraindikation besonders die Einnahme von Medikamenten gegen erektile Dysfunktion < 24 h (z.B. Viagra®/Sildenafil) zu beachten. Außerdem müs-sen vor der Applikation immer der RR ge-messen und die Grenzwerte (SOP) zur Ap-plikation beachtet werden.
˘ Opiate: Morphin (BtM)ZusammensetzungEine Ampulle Morphinum hydrochlori-cum zu 1 ml enthält 10 bzw. 20 mg Mor-phinhydrochlorid, eine Tablette MST Mundipharma® 10, 30, 60 oder 100 mg.WirkungWirkungseintritt: 5 Minuten, Wirkmaxi-mum nach 20 Minuten; Wirkdauer: 3 – 5 Stunden.DosierungIntravenös fraktioniert, bis ausreichende Analgesie erreicht; in Kombination mit Antiemetika, Neuroleptika oder Sedativa. KontraindikationCave: Asthma bronchiale (Histaminfrei-setzung).
˘ Opiate: Pethidin / Dolantin® (BtM)ZusammensetzungEine Ampulle zu 2 ml enthält 50 mg Pethidin.WirkungMorphinähnliches Wirkprofil, an Gal-le, Darm und Harnblase jedoch weniger spasmogen (krampferzeugend). Es besitzt einen Ceiling-Effekt, d.h. wenn alle Opi-atrezeptoren besetzt sind, kommt es trotz Dosissteigerung zu keiner Wirkungs-zunahme und zu keiner Steigerung der Atemdepression. Dieser Effekt tritt bei ei-
ner Dosis ab etwa 200 mg ein. Wirkstär-ke: ein Zehntel so wirksam wie Morphin; Wirkungseintritt: 5 Minuten, Maximum nach ungefähr 15 Minuten; Wirkdauer: 2 – 3 Stunden.Dosierung50 – 100 mg i.v. verdünnt nach Wirkung; Gabe s.c. oder i.m.: 1 – 2 ml unverdünnt.NebenwirkungenBradykardie, Tachykardie, Hypotonie, Bronchospasmen, Übelkeit, Überempfind-lichkeitsreaktionen.
˘ Opiate: Fentanyl / Fentanyl®-Janssen (BtM)
ZusammensetzungEine Ampulle zu 2 ml enthält 0,1 mg Fentanyl, zu 10 ml 0,5 mg.WirkungFentanyl (i.v.) ist ein Analgetikum zum Einsatz als analgetischer Zusatz während der Allgemeinanästhesie. Es soll deshalb nur in Situationen angewendet werden, die ggf. auch eine Beatmung ermöglichen (materiell und personell). Der Einsatz zur Mono analgesie wird abweichend von der Herstellerempfehlung im Notarztdienst beobachtet. Das potentere Sufentanil er-setzt in vielen Kliniken und RD-Bezirken das Fentanyl.Wirkstärke: 100 – 200 im Vergleich zu Morphin, Wirkungseintritt: 20 Sekunden, Maximum nach ca. 2 Minuten; Wirkdauer: 20 Minuten, kein Ceiling- Effekt.DosierungInitialdosis zur Anästhesie: 5,0 µg/kg KG i.v.NebenwirkungenAusgeprägte Atemdepression, Kreis-laufwirkungen wie bei Morphin, initiale Blutdrucksenkung, Übelkeit und Erbre-chen.
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KontraindikationenVorsicht bei Asthmatikern (geringe Hista-minfreisetzung, aber Erhöhung der Tho-raxrigidität, Tonusverlust der Bronchial-muskulatur).
˘ Opiate: Tramadol / Tramal®ZusammensetzungEine Ampulle zu 1 ml enthält 50 mg, zu 2 ml 100 mg Tramadol. WirkungWirkstärke: ca. 0,1 von Morphin; Wir-kungseintritt: 5 – 8 Minuten, Maximum nach 20 Minuten; Wirkdauer: 3 – 4 Stun-den.DosierungInitialdosis: 1,0 – 1,5 mg/kg KG langsam i.v., gegebenenfalls Wiederholung.NebenwirkungenÜbelkeit (verglichen mit anderen Opio-iden stärker ausgeprägt), Schwitzen, Se-dierung. Der Einsatz von Tramal® im Rettungsdienst ist wegen der geringen Wirkstärke fragwürdig. Opioid ohne BtM-Pflicht.
ZusammensetzungEine Kapsel Nifedipin enthält 10 mg Ni-fedipin. Eine Phiole Nitrendipin enthält 5 mg.IndikationenHypertensiver Notfall, jedoch nicht Mittel der 1. Wahl.WirkungDer Wirkstoff Nifedipin gehört zur Grup-pe der Kalziumantagonisten des Dihydro-pyridintyps. Am Herzen kommt es durch eine Hemmung des Kalziumkanals zu ei-ner Verringerung der intrazellulären Kal-
ziumkonzentration. Die Folgen sind eine Abschwächung der Kontraktionskraft, ei-ne Reduzierung der Herzfrequenz und ei-ne Verzögerung der Überleitung. Das er-wünschte Ergebnis ist eine Senkung des Sauerstoffbedarfs und des Blutdruckes.
Im Gegensatz zu anderen Kalziuman-tagonisten (z.B. Verapamil) beeinflusst Nifedipin die kardiale Erregungsbildung und -leitung nicht und hat somit keine antiarrhythmische Wirkung.Dosierung1 – 2 Kapseln. Adalat® wird oral verab-reicht! Die beste und schnellste Resorp-tion ist dann gegeben, wenn eine Kapsel zerbissen und anschließend mit Restin-halt geschluckt wird. Bei Beißschwierig-keiten kann die Gelatinekapsel mit einer Kanüle angestochen werden.NebenwirkungenKopfschmerzen, Wärmegefühl, Blutan-sammlung im Gesicht (Flush), initiale starke Blutdrucksenkung, pektanginöse Beschwerden.KontraindikationenSchwere Hypotonie (cave: Überdosierung), Schock, Herzinfarkt; cave: Die Gabe von kurzwirksamen Kalziumantagonisten wie Nifedipin und Nitrendipin (Bayoten-sin akut®) beim Herzinfarkt verschlech-tert die Prognose des Patienten deutlich und ist somit strikt kontraindiziert.