Fraunhofer IAO, IAT Universität Stuttgart GDP I: Produkthaftung 1 / 40 Grundzüge der Produktentwicklung GDP I: „Methoden in der Produktentwicklung“ (WS) Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath Betreuer: Dipl.-Ing. Alfons Albiez Datum: 10.01.20078 „Produkthaftung“
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Sicherheitstechnik (Wiederholung)Die Sicherheitstechnik befasst sich allgemein mit denRisiken, die beim Umgang mit der Technik auftretenund denen der Mensch und seine Umwelt ausgesetzt sind.
Aspekte der Sicherheitstechnik:
• technische Maßnahmen zur Erhöhung der Betriebssicherheit und Lebensdauer von Produkten, Maschinen und Anlagen. (Beachte: Gefahr durch „versteckte Nutzung“ wie Reinigung oder
Wartung)
• Anwendung von Erkenntnissen zur Vermeidung von Unfällen und Berufskrankheiten (siehe Vorlesung AW)• Schutz der Umwelt vor den Auswirkungen der Technik
Sondergebiete wie Arbeitssicherheit, Verkehrssicherheit, Brand- und Explosionsschutz und Technischer Umweltschutz etc. betonen die gesellschaftliche Relevanz.
Betriebsanleitung (Wiederholung)Jeder Maschine ist eine Betriebsanleitung beizufügen!
Bei anderen Produkten wird empfohlen eine Betriebsanleitungbeizufügen!In der Betriebsanleitung sind u. a. die Restgefahren beschrieben, dieetwa beim Betrieb oder bei der Instandsetzung auftreten können unddurch technisch-konstruktive Maßnahmen nicht zu verhindern sind.Die Betriebsanleitung enthält z.B. Angaben:
• zur Montage und Demontage• zur Installation• zur bestimmungswidrigen Verwendung• zur sachwidrigen Verwendung• zur Inbetriebnahme• zur Instandsetzung einschließlich Wartung und Beseitigung von Störungen bei der Verwendung des Produktes (bzw. im Arbeitsablauf einer Maschine)
Technische Dokumentation (Wdh.)Enthält Unterlagen, in denen die einzelnen Schritte derEntwicklung und Konstruktion einer Maschine oder einesProduktes dokumentiert sind.
= Liste der bei der Entwicklung und Konstruktion desProduktes (bzw. der Maschine) berücksichtigtengrundlegenden Anforderungen der relevantenRichtlinien (Maschinenrichtlinie etc.) undangewandten Normen bzw. anderen technischenSpezifikationen, sowie eine Beschreibung der gewähltenLösungen zur Verhütung der von dem Produkt(bzw. der Maschine) ausgehenden Gefahren.
Die vertragliche Haftung kommt grundsätzlichnur zwischen Vertragspartnern in Betracht!
Beispiel:
A kauft bei V ein Produkt, dass sich als nicht einwandfrei herausstellt.Klar ist, dass V die vertragliche Haftung gegenüber A übernehmen muss.
B leiht sich bei A ein Produkt und es kommt bei dessen Verwendung zueinem Unfall.V kann gegenüber B nicht zur vertraglichen Haftung herangezogenwerden, da er das Produkt nicht bei V gekauft hat!
Die vertragliche Haftung kommt grundsätzlichnur zwischen Vertragspartnern in Betracht!
Achtung:Grundsätzlich besteht keine vertragliche Haftung des Herstellers einesProduktes gegenüber durch einen Fehler dieses Produktes Geschädigten!
Üblicherweise werden Produkte nicht vom Hersteller selber vertrieben,sondern diese gelangen über die Lieferkette in die Hände des Produkt-nutzers bzw. Endverbrauchers.
Ausnahme: der Hersteller übernimmt im Rahmen einerHersteller-Garantie eine eigene vertragliche Verpflichtung gegenüberdem Erwerber des Produktes!
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper,die Gesundheit, das Eigentum oder ein sonstiges Rechteines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderenzum Ersatz des daraus entstandenen Schadensverpflichtet“
Dieses Zitat aus dem § 823 erfasst auch die Haftung fürSchäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt bei einemKäufer, einem Produktbenutzer oder sonstigen Drittenentstanden sind.
Dabei ist folgende Prüfungsreihenfolge zwingendnotwendig:
1. Handlung oder Unterlassung des Täters („wer … verletzt“)
2. Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Eigentumoder einem sonstigem Recht (so genannte Rechtsgutverletzung)
3. Ursächlichkeit der Haftung oder Unterlassung für dieRechtsgutverletzung
4. Rechtswidrigkeit („widerrechtlich“)
5. Verschulden („vorsätzlich oder fahrlässig“)
6. Rechtsfolge: Schadensersatz
1. Inverkehrbringen eines fehlerbehafteten Produktes2. Körper- oder Gesundheitsverletzung3. Haftungsbegründete Kausalität:
Verletzung wurde durch fehlerhaftes Produkt verursacht4. Rechtswidrigkeit liegt vor5. Verschulden liegt vor (kleinste Fahrlässigkeit genügt!)6. Rechtsfolge: Anspruch auf Schadensersatz
„ Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen,welcher gegen ein den Schutz eines anderenbezweckenden Gesetzes verstößt.Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen diesesauch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflichtnur im Falle des Verschuldens ein.“
Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten.
Fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt außeracht lässt.
Vorsatz ist Handeln mit Wissen und Wollen desrechtswidrigen Erfolges.
„Wird nur durch den Fehler eines Produktes jemandgetötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt odereine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produktesverpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstandenenSchaden zu ersetzen“
„Im Fall der Sachbeschädigung gilt das nur, wenn eineandere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wirdund diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für denprivaten Verbrauch bestimmt und hierzu von dem
In § 1 Abs. 2 ProdHaftG sind eine Reihe vonHaftungsausschlüssen vorgesehen.
Danach tritt keine Haftung des Herstellers ein, wenn
• er das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat• er das Produkt nicht für den Vertrieb hergestellt hat• das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als es in den Verkehr gebracht wurde• der Fehler auf zwingende Rechtsvorschriften beruht (Achtung! Rechtsvorschriften sind aber nicht technische Normungen wie VDI-, VDE- oder DIN-Vorgaben)• das Produkt einen Fehler aufweißt, der nach Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkannt werden konnte
Die Rechtssprechung hat unterschiedliche Fallgruppenentwickelt, wann ein Produkt fehlerhaft ist und einemögliche Haftung für hierdurch ausgelöste Schädenausgelöst werden kann:
Fehlerhaftes Produkt: BeispieleDefinition „Entwicklungsfehler“Dabei handelt es sich aus juristischer Sicht um einen Fehler, der zum Zeitpunktder In-Verkehrbringens des Produktes nach dem damaligen Stand derWissenschaft und Technik nicht erkannt und damit vermieden werden konnte.Zur Klärung ist stets ein Sachverständiger notwendig.Lassen sich die Fragen nicht klären, geht dies zu Lasten des Herstellers!
Beispiele Konstruktionsfehler:• mangelhafte Befestigung eines Öl-Einfüllstutzens.• Bedienungsfehler durch un-ergonomische Gestaltung.• gefährliches Gerät ohne ausreichende Schutzvorrichtung.• ein Sportgerät (z.B. Expander) bricht weil zu schwach ausgelegt.
Beispiele Fabrikationsfehler:• Bakterien oder Fäkalien in Molkereiprodukten etc.• salmonellenvergiftetes Essen in der Mensa.• fehlerhafte Montage von Fahrradlenkern.• explodierende Bierflaschen wegen Haar-Rissen im Glas.• Bruch eines Skalpells wegen Materialfehlern.
Fragen bei der ProduktentwicklungBei der Entwicklung eines Produktes müssen somit folgendeFragen gestellt werden:
• Gibt es funktionell vergleichbare Produkte?• Welche Risiken gehen vom eigenen Produkt aus?• Welche Risiken gehen von vergleichbaren Produkten aus?
Gibt es keine vergleichbaren Produkte,stellen sich folgende Fragen:
• Was sind die Vorteile des neuen Produktes?• Welche Risiken sind zu erwarten?• Wird der Kunde die potentiell mit dem Produkt verbundenen Risiken akzeptieren?
Bei der Entwicklung eines Produktes können der zuberücksichtigende erwartungsgemäße Gebrauch und dernahe liegende Fehlgebrauch des Produktes sehr nahebei einander liegen.
Stellen Sie sich also folgende Fragen:
• Ist das Produkt für alle zu erwartenden Einsatzbedingungen geeignet?• Wie leicht muss ein Verschleißteil ausgetauscht werden können?• Ist der Kreis der potentiellen Nutzer richtig erfasst?• Sind die vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen selbsterklärend oder besser noch automatisch wirksam?• Liegen Erfahrungen oder Rückmeldungen aus dem Markt mit vergleichbaren Produkten vor?
Gleichzeitig müssen sicherheitstechnische Anforderungenerfüllt werden:• Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz• Verbraucherschutz• Umweltschutz
Dazu müssen Gefahren erkannt und beseitigt werden!
Gefahrenbeseitigung am ProduktDie Gefahrenbeseitigung am Produkt erfolgt in 3 Schritten:
1. Eigensichere KonstruktionGefahren werden schon durch die Konstruktion selbst ausgeschlossen.Gefährdungen werden durch konstruktive Maßnahmenvermieden.
Beispiel:Das Quetschen eines Körperteiles kann von vornhereinvermieden werden, indem der Mindestabstand zwischensich bewegenden Teilen ausreichend groß gestaltet wird,oder die wirkenden Kräfte auf unkritische Größen reduziertwerden.
Gefahrenbeseitigung am ProduktDie Gefahrenbeseitigung am Produkt erfolgt in 3 Schritten:
3. BenutzerinformationenJedes noch so sicher konstruierte Produkt kann Risikenaufweisen („Restrisiko“)!
Der Benutzer muss durch Sicherheitshinweise auf dieRestrisiken aufmerksam gemacht werden und zu einemschadensverhütenden Gebrauch des Produktes angeleitetwerden.
Die Sicherheitshinweise können sich in den Produkt-Begleitunterlagenoder falls notwendig am Produkt selbst angebracht befinden.Das ist vor allem vom Zeitpunkt abhängig, an dem die Informationzur Verfügung stehen muss.
Selbst wenn ein Produkt fehlerfrei konstruiert wurde,besteht die Gefahr dass es durch fehlerhafte Bedienungzu einer Gefahr für Leib und Leben werden kann!
Dafür ist im Normalfall eine Gebrauchsanweisung underkennbare (lesbare!) Warnhinweise notwendig.Die Instruktionspflicht ist nur dann deutlich reduziert,wenn das Produkt nur von Fachleuten verwendet wird.
Denken Sie dabei z.B. daran, dass heute viele Produkte ausHeimwerker- bzw. Gartenmärkten von „Laien“ verwendetwerden, die eigentlich für Profis entwickelt wurden.
Die Instruktion muss dabei auf die Kenntnis desvoraussichtlichen Produktverwenders sowie dessen(technisches) Erfahrungswissen abgestimmt sein.Der voraussichtliche Anwender des Produktes mussdaher sowohl die Gebrauchsanleitung als auch dieGefahrenhinweise verstehen können!
• Aus welchen Personen setzt sich der künftige Verwenderkreis des Produktes zusammen?• Welche Vorbildung haben diese?• Welche Sprachen beherrscht der zukünftige Anwender?• Kann der Anwender lesen?
ProduktbeobachtungVerpflichtung des Hersteller, das Produkt nacherfolgreicher Inverkehrnahme bezüglich dessenVerhalten im Markt zu beobachten.
Das trifft natürlich auf die Verwendung des Produktesdurch den Verbraucher zu, aber auch auf gemeldeteGefahren aus dem Markt im Zusammenhang mit derProduktverwendung (Rückrufaktionen Pkw etc.).
Mögliche Konsequenzen:• die bisherige Konstruktion muss geändert werden• zusätzliche Gefahrenhinweise sind notwendig• eine Rückrufaktion muss dringend organisiert werden
Einbeziehung von LieferantenUm bei fehlerhaften Zulieferteilen einem möglichenspäteren Produkthaftungsvorwurf entgehen zu können,ist es wichtig, das Zusammenspiel sämtlicher Zulieferteileim Produkt durch Untersuchungen und Erprobungenzu gewährleisten.
• nicht nur Qualitätssicherungsvereinbarung klären• Zertifizierung des Zulieferers gewährleisten und fördern• regelmäßige Audits zur Sicherung des KVP*• Nachweis einer ausreichenden Versicherungsdeckung fordern
RückrufaktionenJede Rückrufaktion hat außer großen finanziellen Folgenauch nicht absehbare Konsequenzen für den Ruf einerFirma und den Wert des Produktes auf dem Markt!Außerdem beeinflussen Rückrufaktionen die Aktienstände.
Rückrufaktionen werden laut Urteil Bundesgerichthof gefordert, wenn
• es sich um Massenprodukten handelt• eine ernst zu nehmende Gefahr für die Gesundheit einer unbestimmten Anzahl von Verwendern auftreten kann• weniger einschneidende Verfahren (z.B. ergänzende Warnhinweise) nicht möglich sind
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass vor allem im Kontaktmit außereuropäischen Märkten Aspekte hinsichtlichProdukthaftung verstärkt beachtet werden müssen!
Arten des RückrufsEs gibt im wesentlichen zwei Arten des Rückrufs:
a) Stiller Rückrufb) Öffentlicher Rückruf
Stiller Rückruf: ohne Nutzung von öffentlichen Medien.Wird verwendet, wenn die Benutzer durch Anschreibenüber die Vertriebspartner oder direkte Information übereine potentielle Gefahr informiert werden können.
Ist dies nicht der Fall oder müssen die Kunden dringendüber mögliche Gefahren informiert werden, ist derHersteller verpflichtet einen öffentlichen Rückruf mit Hilfe der Medien durchzuführen (Printmedien, Radio …)
RückrufmanagementGemäß dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (siehenächste Folien) gilt bezüglich des Rückrufmanagements:
„Sie (die Hersteller) haben Vorkehrungen zu treffen,die den Eigenschaften des von ihnen in den Verkehrgebrachten Verbraucherprodukts angemessen sind,damit sie imstande sind, zur Vermeidung von Gefahrengeeignete Maßnahmen zu veranlassen, bis zur Rücknahmedes Verbraucherprodukts, der angemessenen und wirksamen Warnung und dem Rückruf.“
Es handelt sich also um einen vorausplanenden Auftrag,eine Sicherstellung all dessen was unter Notfallplanungbzw. Rückrufmanagement zu verstehen ist!
Eine für Deutschland zentrale Vorschriftist seit dem 01. Mai 2004 dasGeräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG)
Dieses Gesetz gilt grundsätzlich für das „Inverkehrbringen“von Produkten (engl.: placing on the market).In § 2 Abs. 8 GPSG wird Inverkehrbringen definiert:
„… jedes Überlassen von Produkten an andere, unabhängigdavon, ob das Produkt neu, gebraucht, wiederaufgearbeitetoder wesentlich verändert worden ist.Die Einfuhr (=Import) in den Europäischen Wirtschaftsraumsteht dem Inverkehrbringen eines neuen Produktes gleich“
VerbraucherprodukteLaut Gesetz zählen hierzu nicht nur sämtlicheGebrauchsgegenstände und sonstige Produkte für denEinsatz beim Verwender, sondern ausdrücklich auch solcheProdukte, die unter vernünftigerweise vorhersehbarenBedingungen von Verbrauchern benutzt werden können!(Beispiel Baumarkt: Profimaschinen in den Händen von Heimwerkern)
Es werden auch solche Produkte mitgezählt, die demVerbraucher im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden.
Bei der Entwicklung von Produkten ist es wichtig, denAspekt der Definition gemäß GPSG zu beachten!
Einige Beispiele von Produktgruppen für die eineRechtsverordnung nach GPSG existiert – diese müssenlaut Gesetz mit einem CE-Kennzeichen versehen werden:
• Verordnung über elektrische Betriebsmittel (73/23/EWG)• Die Spielzeugverordnung / EG-Spielzeugrichtlinie (88/378/EWG)• Die Lärmschutzverordnung / EG-Lärmschutzrichtlinie (86/188/EWG)• Die Maschinenverordnung / EG-Maschinenrichtlinie (98/37/EG)• Die Aufzugsverordnung / EG-Aufzugsrichtlinie (95/16/EG)• Die Sportbooteverordnung / EG-Sportbooterichtlinie (94/25/EG)• …
Das deutsche GS-Zeichen wird voneiner Zertifizierungsstelle auf Antragdes Herstellers zuerkannt.
Dabei muss der Hersteller einen Nachweißder Übereinstimmung des zu prüfendenBaumusters mit allen Sicherheitsanforderungennach deutschem und europäischem Recht vorweisen.Dieses bezieht sich nicht nur auf die Geräte- undVerbrauchersicherheit, sondern auch auf weitere Aspektewie die z.B. die elektro-magnetische Verträglichkeitgemäß EMV-Gesetz oder hygienerechtlichen Vorschriften.
Es gibt eine Vielzahlen von Merkmalen die dieProduktqualität umschreiben – nicht alle müssen ständigerfüllt werden, aber es ist wichtig sich Gedanken zu machen,ob und wie sie sich auf den Verbraucher auswirken!