Dr. Christof Kuhbandner - LMU München · Dr. Christof Kuhbandner, WS 2009/2010Dr. Christof Kuhbandner, WS 2010/2011 1 Dr. Christof Kuhbandner Vorlesung WS 2010/2011 Grundlagen der
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Dr. Christof Kuhbandner, WS 2009/2010Dr. Christof Kuhbandner, WS 2010/2011 1
Dr. Christof Kuhbandner
Vorlesung WS 2010/2011
Grundlagen der Differentiellen- und Persönlichkeitspsychologie
Termin 9:
Motivation
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Überblick
Überblick über die heutige Sitzung
• Bedürfnisse und Motive
• Ziele
• Selbst
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„Motivation“, was ist das?
Eine Frage zum Einstieg…
Warum seit Ihr heute um 14.15 hier in diesen Raum gegangen?
Motivation
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Bedürfnisse, Motive, Ziele… Unterschiede?
Bedürfnisse, Motive & Ziele
Die fünf Ebenen der Verhaltenssteuerung
(1) Reflexe und Instinkte: Auslösereize aktivieren in fixer Weise Reaktionsprogramme
Anpassung an invariante Umweltbedingungen
(2) Assoziatives Lernen: Erfahrungsabhängige Veränderung von Reiz-Reaktions-Assoziationen
Anpassung an veränderliche Umweltbedingungen
(3) Motiviertes Verhalten: Modulation von Reaktions-dispositionen durch angeregte Bedürfnisse und Motive
Anpassung an zeitweise Veränderungen der Bedürfnis-und Motivlage
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Bedürfnisse, Motive & Ziele
Hintergrund: Die fünf Ebenen der Verhaltenssteuerung
(4) Intentionale Handlungen: Modulation von Reaktions-dispositionen durch bewusste Repräsentation von Handlungseffekten
Unabhängigkeit von aktuellen Bedürfnissen durch Antizipation zukünftiger Bedürfnisse
(5) Volitionale Selbststeuerung: Metakognitive Strategien der Selbstkontrolle
Selbstreflexive Beeinflussung der eigenen Funktionsweise„Die Freiheit des Willens“
Bedürfnisse, Motive, Ziele… Unterschiede?
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Motivation: Ein Rahmenmodell
Situation
Handlung
ZielzustandÜbergeordnetes Ziel:„Wohlbefinden“
Motivation
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Motivation: Ein Rahmenmodell
Situation
Affekt-abschätzung
Motivationstendenz
Handlung
(Zielzustand)
Bedürfnisse & Motive
Übergeordnetes Ziel:„Wohlbefinden“
Motivation
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Motivation
Motivation
• Motive als „Affektgeneratoren“: Latente Bereitschaft, emotional auf Reize und Ereignisse zu reagieren, die die Annäherung an einen Zielzustand signalisieren
• Motivation: Zusammenspiel von Organismus und Situation
OrganismusMotiveMotive
SituationAnreizeAnreize
MotivationMotivation: Richtung, Intensität und Dauer des Verhaltens
Motive beeinflussen welche Zielzustände wir anstreben, indem sie beeinflussen, welche Umweltreize zu Anreizen werden!
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Arten von Motiven?
Motivation
• Grundannahme: Wir reagieren recht konsistent auf thematisch ähnliche Zielzustände
Zusammenfassung thematisch ähnlicher Ziele zu InhaltsklassenÖkonomische Vorhersage menschlichen Verhaltens
• Arten von Motiven?Biogene Motive: Starke genetische Basis, z.B. Hunger, Durst, SexualitätSoziogene Motive: Formung durch Lernprozesse, z.B. Anschluss, Macht, Leistung
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Affektabschätzung
• Übergeordnetes Ziel: Wohlbefinden
• Mittel: Maximierung der Affektbilanz
Strategie I: Herbeiführung von Ereignisse, die positive Affekte anregen Appetitives Motivationssystem(„Annäherung“)
Strategie II: Vermeidung von Ereignissen, die negativen Affekt anregen Aversives Motivationssystem(„Vermeidung“)
Motivation
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Grundbedürfnisse• Beschreibung durch Regelkreismodelle: Verhaltensmotivation
durch Vergleich von Ist-Zustand mit vorgegebenen Soll-Zustand Abweichung: Motivation von Verhalten zum AusgleichRegulation physiologischer und grundlegender sozialer Grundbedürfnisse
Motivation
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Wachstumsbedürfnisse
Grundbedürfnisse nach Maslow (1954)
Mangelbedürfnisse
Bedürfnis auf höherer Stufe erst vorhanden, wenn Bedürfnisse auf
niedrigeren Stufen erfüllt sind!
Motivation
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Motivation: Ein Rahmenmodell
Situation
Affekt-abschätzung
Motivationstendenz
Handlung
Motivation
Erwartung Bewertung
Zielzustand
FRAGE: Mensch… „höhere“ Formen?
Bedürfnisse & Motive
Motive
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„Höhere“ Motive
• Neuere Motivationspsychologie: „Kognitive Wende“Erwartungs-mal-Wert-Modelle: Handlung richtet sich nach einer Bewertung der erwarteten Handlungsfolgen
• Häufig: Unterteilung in Anlehnung an die Maximierung der Affektbilanz
(1) Erwartung annäherungsorientiert ausgeprägt„Welches positive Ergebnis kann ich erreichen?“
(2) Erwartung vermeidensorientiert ausgeprägt
„Welches negative Ergebnis muss ich verhindern?“
Motivation
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Beispiel 1: Anschlussmotiv• Anschlussmotiv: Streben nach Aufbau, Aufrechterhaltung oder
Wiederherstellung freundschaftlicher Kontakte zu anderen PersonenAnnäherungskomponente: Hoffnung auf AnschlussVermeidungskomponente: Furcht vor Zurückweisung
• Vier Typen in Abhängigkeit von der Stärke beider Komponenten (Asendorpf, 1989)
Beide Komponenten sind relativ unabhängig voneinanderMeist simultane Anregung beider Komponenten in konkreten Situationen
Motivation
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Beispiel 2: Leistungsmotivation• Leistungsmotiv: Auseinandersetzung mit einem
GütemaßstabVergleich mit eigenen früheren Leistungen oder der Leistungen Anderer
• Angestrebte Zielzustände:Streben nach Erfolg: Erreichen positiver Emotionen, die daraus resultieren, dass man sich selbst oder andere übertreffen konnte oder eine schwierige Aufgabe gemeistert hat
Annäherungsorientiertes Motivationssystem
Vermeiden von Misserfolg: Vermeiden negativer Emotionen die daraus resultieren, dass ein Leistungsmaßstab nicht erreicht wird
Vermeidungsorientiertes Motivationssystem
Motivation
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Leistungsmotivation: Ein Modell
Situation Handlung Ergebnis
Aufgabe AufgabenbearbeitungErfolg/
Misserfolg
Erwartung
Bewertung
Wahrschein-lichkeit W
Motivation
Erfolgsmotiv Me & Misserfolgsmotiv Mm
Leistungsmotiv M
Motivation
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Umformung
Leistungsmotivation: Ein Modell• Grundannahme: Leistungsmotivation L als Funktion des Leistungs-
motivs M und der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit W
Wertkomponente
Attraktivität eines Erfolgs
Erwartungskomponente
• Erweiterung: Einbezug des Erfolgs- und MisserfolgsmotivsBeide Komponenten lassen sich durch obige Gleichung beschreiben!Leistungsmotivation: Differenz zwischen Stärke der Erfolgs- und Misserfolgsmotivation
Erfolgsmotivation Misserfolgsmotivation
Misserfolgs-wahrscheinlichkeit
Motivation
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Leistungsmotivation: Persönlichkeitsunterschiede• Persönlichkeitspsychologische Annahme: Interindividuelle
Variation in der Stärke des Erfolgs- und Misserfolgsmotivs
Misserfolgemotivierte PersonenMinimale Motivierung durch Aufgaben
mittlerer Schwierigkeit
Erfolgsmotivierte PersonenMaximale Motivierung durch Aufgaben
mittlerer Schwierigkeit
Motivation
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Motivation: Ein Rahmenmodell
Situation
Affekt-abschätzung
Motivationstendenz
Handlung
Motivation
Erwartung Bewertung
Zielzustand
FRAGE: Mensch… Noch „höhere“ Formen?
Bedürfnisse & Motive
Motive
Ziele
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Zwei Ebenen der Handlungssteuerung
Motivation
(1) „Niedere“ Stufe: Bedürfnisse & Motive
„Push-Motivation“: Wirkung über angeregte Affekte durch Antizipation eines AffektwechselsOft unbewusst
(2) „Höhere“ Stufe: Ziele„Pull-Motivation“: Wirkung über sprachlich-symbolische Repräsentationen durch bewusst antizipierte erwünschte ZielzuständeBewusst
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Welche Ziele werden verfolgt?
Ziele
• Drei übergreifende Zielbereiche
(1) Persönliche VorhabenArbeit/BerufGesundheit/Körperliches WohlbefindenFreizeitgestaltungPersönliche EigenschaftenFinanzielle Situation und materielle Besitztümer
(2) Zwischenmenschliche VorhabenFamilie und PartnerschaftFreundes- und Bekanntenkreis
(3) Gesellschaftliche VorhabenSoziales/politisches Engagement
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Zwei Minuten Gemurmel
• Unterhalte Dich kurz mit Deinem Sitznachbarn / Hintermann(frau) / Vordermann(frau) über folgende Frage:
Sammeln von Antworten…
Ziele
Fragen:
Welche Ziele sind Euch am wichtigsten?
Wie sieht Eure persönliche Zielhierarchie aus?
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Quelle I: Welche Ziele werden verfolgt?
Ziele
Ein Beispiel: Entwicklung von Zielen über die Lebensspanne
Interindividuell unterschiedliche Zielhierarchien
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Ziele: Charakteristiken
Motivation
• Komplexitätsgrad:Übergeordnete Lebensziele (z.B. Abschluss eines Studiums)Konkreten Zielsetzungen (z.B. Referatvorbereitung für das Empra)
• Grad der Selbstverpflichtung („Commitment“)Je mehr ein Ziel Teil des eigenen Selbstkonzepts ist, desto mehr Energie in Ziel investiert
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Ziele: CharakteristikenZielausrichtung
Motivation
• Frage: Wie werden Ziele linguistisch repräsentiert?
• Hintergrund: Verbindung zu Annäherungsmotiven versus Vermeidungsmotiven
Positive repräsentierte Ziele: „Was will ich erreichen?“(„Annäherungsziel“)
Achten auf Fortschritte, Zuversicht, Freude bei Verwirklichung
Negative repräsentierte Ziele: „Was will ich vermeiden? („Meidensziel“)
Achten auf Hindernisse, Misstrauen, Erleichterung bei Verwirklichung
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Passung zwischen Zielen und Motiven?
• Problem: Motivationssysteme, die Motiven und Zielen zugrunde liegen, sind relativ unabhängig
Motive: Wirkung über angeregte AffekteZiele: Wirkung über sprachlich-symbolische Repräsentationen
• Wohlbefinden:Passung und Wohlbefinden: Fortschritte in der Zielverfolgung führen nur dann zu positiven Affekten, wenn die Ziele mit der Motivstruktur einer Person kongruent sindBeispiel: Karrieresprünge machen nur glücklich, wenn Personen gleichzeitig über ein hohes Macht- oder Leistungsmotiv verfügen
Motivation
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Passung zwischen Zielen und Motiven?• Frage: Wie werden Ziele gebildet?
Rationales Abwägen mittels Erwartungs-Wert-KalkülenBeispiel: „Ein Jurastudium sichert mir ein hohes Einkommen“Problem: Emotionale Aspekte häufig außer acht gelassen
Vorstellungen, die in Phantasien und Tagträumen auftreten:
Beispiel: „Straftäter ins Gefängnis zu schicken wäre toll!“Wahrscheinlicher, dass Ziel durch passendes Motiv gestützt wird
• Praxismethode: „Mein 80. Geburtstag“
Motivation
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„Mein 80. Geburtstag“• Ziel der Methode: Was will ich in meinem Leben alles
erreichen?
• Aufgabe: Stell‘ Dir eine große Feier zu Deinem 80. Geburtstag vor… vier Personen halten eine Rede:
(1) Jemand aus deiner Familie(2) Ein guter Freund(3) Ein Arbeitskollege(4) Jemand von der Stadt bzw. Gemeinde
• Was würdest Du gerne hören?
Motivation
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Dr. Christof Kuhbandner
Vorlesung WS 2010/2011
Grundlagen der Differentiellen- und Persönlichkeitspsychologie
Termin 10:
Selbst
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Rückblick: Motive & Ziele
Rückblick
Die fünf Ebenen der Verhaltenssteuerung(1) Reflexe und Instinkte: Auslösereize aktivieren in
fixer Weise Reaktionsprogramme(2) Assoziatives Lernen: Erfahrungsabhängige
Veränderung von Reiz-Reaktions-Assoziationen(3) Motiviertes Verhalten: Modulation von Reaktions-
dispositionen durch angeregte Bedürfnisse und Motive
(4) Intentionale Handlungen: Modulation von Reaktionsdispositionen durch bewusste Repräsentation von Handlungseffekten
(5) Volitionale Selbststeuerung: Selbstreflexive Beeinflussung der eigenen Funktionsweise
Motive
Ziele
„Selbst“
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Zwei Ebenen der Handlungssteuerung
Das Selbst
unbewusstemotional
intuitivautomatisch
parallelimplizit
konnektionistisch
bewusstrational
willentlichkontrolliertsequentiell
explizitpropositional
Woher kommen diese Gedanken?Ziele
Motive
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Entwicklungsgeschichtlicher HintergrundFrage: Woher kommen meine Absichten, Gedanken, Gefühle?
Zwei verschiedene Formen der Zuschreibung (Julian Jaynes)
• Ältere Mythen: Ilias (Epos vom Trojanischen Krieg)„Göttliche“ Attribution: Absichten und Gedanken stammen nicht von der Person selbst, sondern von Göttern, die sie ihnen eingeben
• Neuere Mythen: OdysseePersonale Attribution: Ausbildung eines Erklärungs-modells, über welches Gedanken und Absichten auf personale Instanzen zurückgeführt werden könnenEntstehung eines „Selbst“!
Das Selbst
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Das Selbst: Eine erste Annäherung
Das Selbst
Das Selbst: „Eine Art Phantasieprodukt, etwas, das wir erschaffen haben, um uns die Vielfalt von Eindrücken, Emotionen, Gedanken und Gefühlen zu erklären, die das Gehirn in unserem Bewusstsein aufzeichnet.“
(Mihaly Csikszentmihalyi)
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Der Einfluss des Selbst
Das Selbst
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Das Selbst
„Flaschenhals“Begrenzte Kapazität!
Aufmerksamkeit als Filter
Frage: Wer setzt hier Prioritäten?
• Um nicht von der Informationsflut überwältigt zu werden brauchen wir einen Mechanismus, der die einströmenden Reize nach Priorität ordnet und steuert!
Der Einfluss des Selbst
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• „Gene“: Biologische Motive wie Essen, Fortpflanzung…
• „Meme“: Gesellschaftlich vorgegebene Ziele wie Wertvorstellungen, Normen…
• „Selbst“: Persönliche Ziele wie materielle oder zwischenmenschliche Ziele…
Drei Quellen der Prioritätensetzung
Der Einfluss des Selbst
Das Selbst
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• „Meme“: Gesellschaftlich vorgegebene Ziele wie Wertvorstellungen, Normen…
• „Selbst“: Persönliche Ziele wie materielle oder zwischenmenschliche Ziele…
Drei Quellen der Prioritätensetzung
Kurzer Exkurs…
Das Selbst
Wie kommt man hierhin?
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Ziele: Selbstbestimmtheit (Ryan & Deci)
Das Selbst
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Ziele: CharakteristikenSelbstbestimmtheit (Ryan & Deci)
Motivation
Extrinsisch motivierte ZieleWeniger Persistenz, weniger erfolgreich, weniger Anstrengung, häufiger Ängste, Forschritte führen nicht zu Wohlbefinden
Intrinsisch motivierte ZieleMehr Persistenz, erfolgreicher, mehr Anstrengung, hohes Interesse und Spaß, Forschritte führen zu Wohlbefinden
Eine Frage…:Warum seit Ihr heute um 14.15 hier in diesen
Raum gegangen?
„Korrum
pierungseffekt“
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Ziele: Selbstbestimmtheit (Ryan & Deci)
Selbst
Extrinsisch motivierte ZieleWeniger Persistenz, weniger erfolgreich, weniger Anstrengung, häufiger Ängste, Forschritte führen nicht zu Wohlbefinden
Intrinsisch motivierte ZieleMehr Persistenz, erfolgreicher, mehr Anstrengung, hohes Interesse und Spaß, Forschritte führen zu Wohlbefinden
Autonomie, Kompetenz,
soziale Eingebundenheit!
„Der W
eg?“
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Facetten des Selbst
Das Selbst
• Das erfahrende Subjekt (erlebend)Das „I“
• Das Wissen über sich selbst (kognitiv)Selbstkonzept
• Die Gefühle über sich selbst (affektiv)Selbstwert
• Das Selbst als Handlungsinstanz (motivational)SelbstwirksamkeitHandlungskontrolleAttributionsstil
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„I“ und „Me“(William James)
• Fundamentale Unterscheidung zwischen zwei Aspekten des Selbst:
(1) „Self as a Knower“: Eigene Person als Subjekt„I“ als Urheber der eigenen Handlungen und es eigenen Wissens„I recognized her.“
(2) „Self as Known“: Wissen über eigene Person„Me“ als Objekt des eigenen Wissens („Selbstkonzept“)„She recognized me.“
Das Selbstkonzept
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Das Selbstkonzept
„Gedächtnisstruktur, die alle selbstbezogenen Informationen einer Person enthält. Hierunter fällt auch das Wissen über eigene Vorlieben, Einstellungen und Überzeugungen, wenngleich die affektiv-evaluativenKomponenten des „Selbst“ meist unter dem Begriff des „Selbstwertgefühls“ oder auch des „Selbstvertrauens behandelt werden.“
(Wild, Hofer & Pekrun)
Das Selbstkonzept
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Das Selbstkonzept: Inhaltliche Struktur (1)
• Frage: Welche der folgenden Eigenschaften sind für Sie charakteristisch?
Sie sind eher selbstkritisch.
Sie sind sensibler, als die meisten Menschen glauben.
Sie haben überdurchschnittlich viel Humor.
• Über 90% amerikanischer Studenten halten diese Eigenschaften für besonders typisch für sie!
Das Selbstkonzept
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Das Selbstkonzept: Inhaltliche Struktur (1)
• Das Selbstkonzept enthält sowohl universelle Anteile, in denen viele Menschen derselben Kultur übereinstimmen, als auch individuell charakteristisches Wissen
• Problem: Oft scheinen uns manche Aspekte individualtypisch zu sein, obwohl sie von fast allen Menschen geteilt werden!
• Beispiel: Das Horoskops des Massenmörders Fritz HaarmannAn 200 Probanden wurde ein angebliches Geburtshoroskop verschickt, das in Wirklichkeit für den Massenmörder Fritz Haarmann erstellt worden war
Ergebnis: 74% fanden ihren Charakter „korrekt beschrieben“!
Das Selbstkonzept
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Das Selbstkonzept: Inhaltliche Struktur (2)
• Frage: Wie ist Selbstkonzept inhaltlich hinsichtlich verschiedener Bereiche repräsentiert?
Attribute bezüglich sozialer Interaktionen („Ich bin schüchtern“)
Attribute bezüglich physischer Erscheinung („Schöne Zähne, aber schiefe Nase“)
Attribute bezüglich eigener FähigkeitenSportliche Fähigkeiten („guter Schwimmer“)
Kognitive Fähigkeiten („Probleme beim Kopfrechnen“)…
Das Selbstkonzept
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Das Selbstkonzept: Inhaltliche Struktur (2)
Beispiel Fähigkeitsselbstkonzept: Zwei Theorien…
• Hierarchische Struktur: Jede Detailinformation ist in einer übergeordneten Kategorie eingeschlossen, die höchste Ebene entspricht hoch generalisierten Informationen über eigene Fähigkeiten wie „Ich bin intelligent“
• Assoziatives Netzwerk: Strukturierung nach Lerngebieten (z.B. Schulfächern) ohne ein übergeordnetes „schulbezogenes Fähigkeitsselbstkonzept“
Das Selbstkonzept
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Das Selbstkonzept: Zeitliche Dynamik (1)
Das Selbstkonzept
„Arbeitsselbst“• Dynamik: Es wird immer nur
ein Teil des Selbstkonzepts aktiviert, je nach Kontext
Einfluss von äußerem Kontext und innerer Motivationslage
• Beispiel: Schüler wird andere Teilmenge aktivieren wenn er seine Ferien am Meer verbringt als in der Schule
In der Mathestunde…
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Das Selbstkonzept: Zeitliche Dynamik (1)
Das Selbstkonzept
„Arbeitsselbst“• Unterscheidung: Chronisch
oder nur temporär aktivierte Selbstkonzeptinhalte
• Problem: Die in verschiedenen Selbstkonstrukten gespeicherten Informationen können sich widersprechen!
In der Mathestunde…
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Selbstbildverzerrungen
• „Positivity Bias“: Neigung zur Selbstüberschätzung
Beispiel: Aufmerksamer Zuhörer, hochintelligent… ohne dass man bemerkt, dass man nur wiederkäut, was der andere sowieso weiß
Häufiger!
• „Negativity Bias“: Neigung zur Selbstunterschätzung
Beispiel: vermeintliches Unvermögen, sich zu entscheiden, dabei erledigt man Einkäufe flotter als der Durchschnitt
Seltener!
Das Selbstkonzept
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Das Selbstkonzept: Beste Struktur?
• Negativ: Hohe Kompartmentalisierung• „Verschubladung“: Viele kleine Einheiten, die oft ohne Wissen
oder Kenntnis von einander selbständig funktionieren
• „Schwarz-Weiß-Denken“: Beispielsweise Familie ausschließlich positiv repräsentiert, Arbeit ausschließlich negative repräsentiert
• Positiv: Hohe Selbstkonzeptkomplexität• „Komplexität“: Hohe Anzahl einzelner Selbstbeschreibungen
und gleichzeitige Integration in kohärentes Ganzes
• „Ganzheitliches Denken“: Positive und negative Attribute sind innerhalb eines Selbstaspekts kombiniert
Das Selbstkonzept
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Facetten des Selbst
Das Selbst
• Das erfahrende Subjekt (erlebend)Das „I“
• Das Wissen über sich selbst (kognitiv)Selbstkonzept
• Die Gefühle über sich selbst (affektiv)Selbstwert
• Das Selbst als Handlungsinstanz (motivational)SelbstwirksamkeitHandlungskontrolleAttributionsstil
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Das Selbstwertgefühl
„Subjektive Bewertung der eigenen Persönlichkeit, die Zufriedenheit mit sich selbst. Das Selbstwertgefühl kann als eine besondere Einstellung angesehen werden: als Einstellung gegenüber sich selbst“.
(Asendorpf)
Selbstwert
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Allgemeines Selbstwertgefühl
Selbstwert
• Guter Indikator für allgemeine Lebenszufriedenheit und psychische Gesundheit
• ABER: Ähnliche Problematik wie beim Selbstkonzept:
• Muss das Selbstwertgefühl ebenfalls eher in spezifischere Selbstwertfaktoren unterteilt werden?
• Beispiel: Selbstwertgefühl in der 2., 3. und 4. Klasse
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Bereichsspezifisches Selbstwertgefühl
Selbstwert
Einzelne Selbstwert-bereichekorrelieren höher miteinander über die Zeit als mit dem Selbstwertgefühl in anderen Bereichen
Das allgemeine Selbstwert-gefühl ist nicht einfach der intuitiv gebildete Mittelwert des Selbstwert-gefühls in den einzelnen Bereichen!
Grund: Stärker durch aktuelle Stimmungslage beeinflusst!
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Zusammenhang zwischen Leistung und Selbstwertgefühl
Selbstwert
Hohe Korrelation aufgrund allgemeiner Intelligenz…
…aber das Selbstwertgefühl ist weitgehend unkorreliert!
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Kontrasteffekte: Intra-individuell gesehen positive oder negative Leistungen erhöhen bzw. senken bereichs-spezifische Selbstwerte
Zusammenhang zwischen Leistung und Selbstwertgefühl
Selbstwert
• Erklärung: „Internal/External Frame of Reference Model“
Schüler vergleichen Leistungen nicht nur mit externem Standard, sondern auch individuell zwischen den Bereichen!
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Sozialer Vergleich
Selbstwert
• Hintergrund: Das Selbstwertgefühl entspringt nicht einer absoluten Bewertung, sondern einem sozialen Vergleich!
Bezugsgruppe: Menschen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden
• Beispiel: Der Übertritt von der Grundschule ins Gymnasium
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Quelle 4: Sozialer Vergleich„Big-Fish-Little-Pond Effekt“
Selbstwert
„Little Pond“
Spätere Gymnasiasten haben in der Grundschule
bessere Noten als der Rest
„Big Pond“
Im Gymnasium sind die
Leistungen verglichen mit den anderen
durchschnittlich
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Sozialer Vergleich„Big-Fish-Little-Pond Effekt“
Selbstwert
Effekt ist spezifisch für das Selbstwertgefühl im intellektuellen
Bereich!
Dr. Christof Kuhbandner, WS 2009/2010Dr. Christof Kuhbandner, WS 2010/2011 62
Facetten des Selbst
Das Selbst
• Das erfahrende Subjekt (erlebend)Das „I“
• Das Wissen über sich selbst (kognitiv)Selbstkonzept
• Die Gefühle über sich selbst (affektiv)Selbstwert
• Das Selbst als Handlungsinstanz (motivational)SelbstwirksamkeitHandlungskontrolleAttributionsstil
Dr. Christof Kuhbandner, WS 2009/2010Dr. Christof Kuhbandner, WS 2010/2011 63
Rückblick… Motivation: Ein Rahmenmodell
Situation
Affekt-abschätzung
Motivationstendenz
Handlung
Motivation
Erwartung Bewertung
Zielzustand
FRAGE: Reicht ein starkes Motiv oder Ziel aus?
Bedürfnisse & Motive
Motive
Ziele3 weitere
Personenvariablen
Erwartungsstil
Handlungskontrollstil
Attributionsstil
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Erwartungsstil
Erwartungsstil
• Hintergrund: Erwartungen in Erwartungs-mal-Wertsind nicht nur situations-, sondern auch personenabhängig
„Subjektive Wahrscheinlichkeiten“: Pessimistische Unterschätzung oder optimistisch ÜberschätzungErwartungsstil: Individuelle Besonderheiten in der Erwartungsbildung
• Besonderheit: Selbstwirksamkeitserwartung (Bandura, 1997)
„Jetzt mal ehrlich, Herr Weihnachtsmann,
wieso sollten andere an Sie glauben, wenn
Sie selbst nicht an sich glauben?“
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Selbstwirksamkeitserwartung: Ein Beispiel
Selbstwirksamkeit
Sebastián Abreu
„El Loco“, der Verrückte
Oscar Cardozo
Paraguayischer Fußballspieler
Geringe Selbstwirksamkeit! Hohe Selbstwirksamkeit!
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Selbstwirksamkeit
„Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung, dass man in einer bestimmten Situation die angemessene Leistung erbringen kann.“
(Albert Bandura)
Erwartung, in einer Situation zu einem bestimmten Verhalten fähig zu sein, z.B. in einer Prüfung das Erlernte auch wiedergeben zu können
Auch hier gilt: Selbstwirksamkeitserwartung ist bereichsspezifisch und nicht gleichzusetzen mit allgemeinem Selbstvertrauen!
Selbstwirksamkeit
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Selbstwirksamkeit
• Eigene ErfahrungenWelche Leistungen haben wir bisher tatsächlich erzielt?
• ModelllernenWelche Leistungen beobachten wir bei anderen?
• Soziale ÜberzeugungenAndere überzeugen uns, dass wir selbst etwas tun können
• Physiologische ZuständeBeobachtung unserer eigenen physiologischen Zustände während wir über eine Aufgabe nachdenken
Selbstwirksamkeit: Quellen?
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HandlungskontrollstilVolition
• Hintergrund: Rubikonmodell der Handlungsphasen (Heckhausen, 1989)
Bedürfnisse, Motive, Ziele „Volition“
Handlungskontrollstil
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HandlungskontrollstilVolition
• Ach (1910): „Motivation generates the impulse or intention to act; volition controls intentions and impulses so that action occurs“
• Kuhl (1985): „postdecisional, self-regulatory processes thatenergize the maintenance and enactment of intended actions“
Frage: Welche zentralen Probleme gibt es bei der Umsetzung von Intentionen in Handlungen?
Handlungskontrollstil
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HandlungskontrollstilVolition: Problem 1
Buridans EselDer französische Philosoph Johannes Buridan (um 1300) soll in einem seiner Werke das Problem der Willensfreiheit mit einem Esel verglichen haben, der genau in der Mitte zwischen zwei Bündeln Heu verhungert, weil er sich nicht für einen Haufen entscheiden kann.
Intentionale Konfiguration und Koordination
Handlungskontrollstil
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HandlungskontrollstilVolition: Problem 2
Schwierige KinderEin fünfjähriger Junge scheint unfähig, sich auch nur für kurze Zeit auf eine Sache zu konzentrieren, wechselt in schneller Folge von Spielzeug zu Spielzeug, ist beim gemeinsamen Spiel nicht in der Lage zu warten, bis er an der Reihe ist und scheint bei der kleinsten Ablenkung zu vergessen, was er tun sollte.
Aufrechterhaltung von Intentionen
„Der Zappel-Philipp“
Handlungskontrollstil
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HandlungskontrollstilVolition: Problem 3
Schädigung des FrontallappensEin Patient mit Schädigung des Frontalhirns greift während einer neurologischen Untersuchung scheinbar reflexhaft nach jedem Gegenstand, der auf dem Tisch ist, zündet beim Anblick einer Streichholzschachtel ein Streichholz an, obwohl er eigentlich nicht raucht und greift nach einem Wasserglas, obwohl er keinen Durst hat.
Unterdrückung automatisierter Reaktionen
Phineas Gage
Handlungskontrollstil
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HandlungskontrollstilVolition: Problem 4
Die SteuererklärungMan findet sich auf dem Sofa beim Anschauen einer Talkshow wieder, obwohl man sich fest vorgenommen hatte, die Steuererklärung zu machen.
Abschirmung von Absichten gegen konkurrierende Motivationstendenzen
Handlungskontrollstil
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HandlungskontrollstilVolition: Problem 5
ZwangspatientenEin Patient in einer Psychotherapie berichtet, dass er wie unter Zwang bis zu dreißig mal kontrollieren muss, ob der Ofen ausgeschaltet ist, bevor er zur Arbeit fahren kann.
Das Persistenz-Flexibilitäts-Dilemma
Handlungskontrollstil
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Handlungskontrollstil
Grundlegende Probleme bei der Handlungssteuerung (Goschke, 2001)
(1) Intentionale Konfiguration und Koordination
(2) Aufrechterhaltung von Intentionen
(3) Unterdrückung automatisierter Reaktionen
(4) Abschirmung von Absichten gegen konkurrierende Motivationstendenzen
(5) Das Persistenz-Flexibilitäts-Dilemma
Handlungskontrollstil
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Lösung: Handlungskontrollstrategien (Kuhl, 1987)
(1) Selektive Aufmerksamkeit: Sich auf Inhalte konzentrieren, die das Erreichen des relevanten Ziels begünstigen
(2) Enkodierungskontrolle: Bevorzugte Verarbeitung intentionsrelevanter Information
(3) Informationsverarbeitungskontrolle: Überwachung des Verarbeitungsprozesses
(4) Emotionskontrolle: Sich in eine Stimmung versetzen, die für eine erfolgreiche Handlungsausführung förderlich ist
(5) Motivationskontrolle: Sich die positiven Aspekte der Zielerreichung vor Augen halten
(6) Umweltkontrolle: Sich gegen unerwünschte „Versuchungen“schützen
Handlungskontrollstil
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Handlungs- versus Lageorientierung
• Handlungsorientierung: Zustand, in dem Initiierung beabsichtigter Handlungen und Mobilisierung von Handlungskontrollstrategien gebahnt ist
• Lageorientierung: Zustand, in dem Fähigkeit zur Initiierung beabsichtigter Handlungen und zum effizienten Einsatz der Handlungskontrollstrategien beeinträchtigt ist
Prospektive Lageorientierung: Gedanken kreisen um Absichten, Schwierigkeiten, Absichten in die Tat umzusetzenMisserfolgsbezogene Lageorientierung: Grübeln über negative Erlebnisse
Handlungskontrollstil
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Attributionsstil
Selbst und Leistung
Zwei Schüler, gleich intelligent, aber unterschiedliche Leistungen…
Situation Handlung Ergebnis (Erfolg/Misserfolg)
Selbstwirksamkeit
AttributionErwartung
BewertungMotivation
Fähigkeitsselbstkonzeptkognitive Defizite aufgrund
von handlungsirrele-vanten Gedanken
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Attribution
• Kausalattributionen: Ursachenzuschreibungen einer Person bezüglich ihrer Erfolge und Misserfolge
• Drei zentrale Charakteristiken:
Attribution
Locus of Control
Kontrollierbarkeit
Stabilität
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• Vorteilhaft…• Erfolge bzw. Misserfolge auf vom Individuum kontrollierbare
Anstrengung zurückzuführen
• Erfolgsmotivierte Schüler (bei Misserfolg): external, kontrollierbar, variabel
• Schlecht…• Erfolge auf externale und Misserfolge auf internale Ursachen
zurückzuführen
• Misserfolgsmotivierte Schüler (bei Misserfolg): internal, unkontrollierbar, stabil
Attributionsstile
Attribution
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Attributionsstil
• Frage: Gibt es Unterschiede zwischen Erfolgs- und Misserfolgsmotivierten?
• Beispielstudie (Meyer, 1973): Leistungsrückmeldung höher oder niedriger als subjektive Erwartung
Beispiel: Attributionsstile in Leistungssituationen
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external, kontrollierbar, variabel
Ein „Teufelskreis“
Steigen der Erfolgserwartung
Hoffnung
Misserfolg
internal, unkontrollierbar, stabil
Absinken der Erfolgserwartung
Hoffnungslosigkeit
Weniger Anstrengung
Aufwärtsspirale
Mehr Anstrengung
Abwärtsspirale
Reattributions-training
Attribution
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• Ziel: Veränderung des Attributionsstils von misserfolgsorientierten Personen
Man soll lernen…Ursache für Erfolg = eigene FähigkeitenUrsache für Misserfolg = mangelnde Anstrengung
Reattributionstraining
Attribution
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Selbstwirksamkeit
Reattributionstraining
• Prinzipien der ReattribuierungFähigkeiten herausstreichen (das liegt dir…)
Konsistenzinformationen geben (das hast du wieder gut gemacht)
Konsensusinformationen geben (damit tun sich viele schwer)
Bei Misserfolg auf mangelnde Anstrengung verweisen (das musst du dir nochmals durchlesen)
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Selbstwirksamkeit
• Ein Beispiel: Schriftliches Handout
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Genetische Faktoren und Umwelteinflüsse
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