8 Z Zytologische Diagnose des Bronchuskarzinoms H. Tuppy Einleitung Das Bronchuskarzinom ist die mit Abstand häufigste tödliche Krebs- erkrankung beim Mann (Mortalität 58 pro 100.000) und bereits die zweithäufigste Krebstodesursache bei der Frau (Mortalität 23,6 pro 100.000). Die zentrale exogene kan- zerogene Noxe für das Bronchus- karzinom ist nach wie vor das Ta- bakrauchen. Die starke Zunahme weiblicher Raucher hat auch zur drastischen Inzidenzsteigerung des Bronchuskarzinoms bei Frauen ge- führt, und die statistische Entwick- lung lässt erwarten, dass das Bron- chuskarzinom in absehbarer Zeit das Mammakarzinom als häufigste Krebstodesursache der Frau ablö- sen wird. Alle anderen exogenen kanzeroge- nen Noxen (wie ionisierende Strah- lung, Asbest,... etc.) sind dem ge- genüber rein epidemiologisch von untergeordneter Bedeutung. Bei ca. 5 – 10 % der Bronchuskar- zinompatienten ist kein Risikofak- tor im engeren Sinn erhebbar, wo- bei in diesen Fällen ein geneti- sches Risiko diskutiert wird. Klare Zuordnungen zu bestimmen Gen- defekten sind bis heute nicht ge- lungen. Diagnostik Klinische Symptome wie chroni- scher Husten und Dyspnoe wer- den von den Patienten häufig als Folge der „Raucherbronchitis“ ak- zeptiert oder sind bereits Zeichen fortgeschrittener Erkrankung (z. B.: Gewichtsverlust, Plexus brachialis Bronchiolo-alveoläres Karzinom Pancoasttumor CT Fortgeschrittener Tumor mit Bronchusstenose Weit fortgeschrittener Tumor Pneumonie Infiltration, Metastasensymptome, etc.). Die Chance der Früherken- nung mit der Möglichkeit zur kura- tiven Operation besteht in erster Linie beim radiologischen Zufalls- befund mit einem Tumorstadium T1 N0 M0 (5-Jahres-Überlebensra- te ca. 75 %). Schon beim Stadium T2 N0 M0 sinkt dieser Wert auf 57 %! Die Diagnostik des Bronchuskarzi- noms setzt somit eine enge Ko- operation von Pulmologen, Radio- logen und Pathologen voraus, wo- bei radiologische Befunde in vielen Fällen nur mehr oder weniger harte Verdachtsdiagnosen zulassen. Eine radiologisch weitgehend sichere Malignitätsdiagnose ist meist erst bei fortgeschrittenen Tumorstadien möglich. Aus Cyto-Info 1/ 2005, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V
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ZZytologische Diagnose des Bronchuskarzinoms
H. Tuppy
Einleitung
Das Bronchuskarzinom ist die mitAbstand häufigste tödliche Krebs-erkrankung beim Mann (Mortalität58 pro 100.000) und bereits diezweithäufigste Krebstodesursachebei der Frau (Mortalität 23,6 pro100.000). Die zentrale exogene kan-zerogene Noxe für das Bronchus-karzinom ist nach wie vor das Ta-bakrauchen. Die starke Zunahmeweiblicher Raucher hat auch zurdrastischen Inzidenzsteigerung desBronchuskarzinoms bei Frauen ge-führt, und die statistische Entwick-lung lässt erwarten, dass das Bron-chuskarzinom in absehbarer Zeitdas Mammakarzinom als häufigsteKrebstodesursache der Frau ablö-sen wird.
Alle anderen exogenen kanzeroge-nen Noxen (wie ionisierende Strah-lung, Asbest,... etc.) sind dem ge-genüber rein epidemiologisch vonuntergeordneter Bedeutung.
Bei ca. 5 – 10 % der Bronchuskar-zinompatienten ist kein Risikofak-tor im engeren Sinn erhebbar, wo-bei in diesen Fällen ein geneti-sches Risiko diskutiert wird. KlareZuordnungen zu bestimmen Gen-defekten sind bis heute nicht ge-lungen.
Diagnostik
Klinische Symptome wie chroni-scher Husten und Dyspnoe wer-den von den Patienten häufig alsFolge der „Raucherbronchitis“ ak-zeptiert oder sind bereits Zeichenfortgeschrittener Erkrankung (z. B.:Gewichtsverlust, Plexus brachialis
Bronchiolo-alveoläres Karzinom
Pancoasttumor CT
Fortgeschrittener Tumor mit Bronchusstenose
Weit fortgeschrittener Tumor
Pneumonie
Infiltration, Metastasensymptome,etc.). Die Chance der Früherken-nung mit der Möglichkeit zur kura-tiven Operation besteht in ersterLinie beim radiologischen Zufalls-befund mit einem TumorstadiumT1 N0 M0 (5-Jahres-Überlebensra-te ca. 75 %). Schon beim StadiumT2 N0 M0 sinkt dieser Wert auf57 %!
Die Diagnostik des Bronchuskarzi-noms setzt somit eine enge Ko-operation von Pulmologen, Radio-logen und Pathologen voraus, wo-bei radiologische Befunde in vielenFällen nur mehr oder weniger harteVerdachtsdiagnosen zulassen. Eineradiologisch weitgehend sichereMalignitätsdiagnose ist meist erstbei fortgeschrittenen Tumorstadienmöglich.
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Der bronchoskopische Befund istessentieller Teil des diagnostischenProzesses, da gegebenenfalls un-ter direkter Sicht oder Bildwandler-kontrolle punktiert werden kann.Darüber hinaus kann das broncho-skopische Bild wesentliche Zusatz-information für die zytologische Be-gutachtung liefern. So imponierenz. B. Karzinoide oder auch Bronchi-aldrüsentumore häufig als endo-bronchiale polypöse Tumore. Der zunehmende Einsatz der fle-xiblen Bronchoskopie, die in Lokal-anästhesie durchgeführt werdenkann, ermöglicht eine steigendeZahl ambulanter Untersuchungen.Dadurch wird die individuelle Patien-tenbelastung reduziert, allerdingssind Blutungskomplikationen, wiesie bei der perbronchialen Punktion(wenn auch selten in bedrohlichemAusmaß) möglich sind, schwererbeherrschbar als in der starren Bron-choskopie in Vollnarkose. Daher ver-meiden manche Bronchoskopikerdie Punktion und verwenden lieberden Bürstenabstrich. Natürlich wird
die Entscheidung, welche Art vondiagnostischem Material verwen-det wird, von einer Reihe weitererFaktoren beeinflusst. Dazu gehörtdie klinische Gesamtsituation, Blut-gerinnung, Lage des fraglichen Tu-mors, aber auch die individuelle Er-fahrung des Untersuchers mit ein-zelnen Methoden und die Qualitätder klinisch-pathologischen Falldis-kussion.Transthoracale Feinnadelpunktion
Instrumentierkanal mit NadelFlexibles Bronchoskop
Tab. 1: Zur Dignitäts- bzw. Tumordiagnose stehen dem Pathologen eine Vielzahl von Materialien zur Verfügung
Sputum und Bronchialsekret:Diese Materialien sollten nach Mög-lichkeit unmittelbar nach der Mate-rialgewinnung nativ an das patho-logische Institut zur Weiterverarbei-tung gebracht werden. Hier könnenAusstrichpräparate angefertigt wer-den, die teilweise feucht fixiert (z.B.Delaunay’sche Lösung), teilweiseluftgetrocknet werden. Auf dieseWeise können unterschiedliche zy-tologische Färbungen (z. B. Papani-colaou bzw. May-Grünwald-Giemsa)angefertigt werden, die sich in derBeurteilung von Kern- und Zytoplas-makriterien ergänzen. Darüber hi-naus können von fixierten zytolo-gischen Ausstrichen immunzyto-chemische Ergänzungsfärbungendurchgeführt werden.
Die Sputumuntersuchung von spon-tan gewonnenem Sputum hat einerelativ geringe Trefferrate, so dassdie Verwendung dieses Materialszu Screening-Untersuchungen heu-te nicht mehr üblich ist. Provokationssputa mit bessererMaterialausbeute sind sehr aufwän-dig zu gewinnen, so dass auch die-se Technik nur selten in der Praxisangewandt wird. Die Repräsentativität bzw. Sensi-tivität und Spezifität von Bronchial-sekreten ist sehr abhängig von Tu-morlokalisation und Tumorstadium,entsprechend heterogen ist die Be-urteilung der Treffsicherheit in derLiteratur.Vorteil: praktisch keine Komplika-tionen.
Bronchialer Bürstenabstrich:Das Material des bronchialen Bürs-tenabstrichs muss sofort nach Ma-terialgewinnung auf Objektträgerausgestrichen werden, wobei sichauch hier die Anfertigung feuchtfi-xierter und luftgetrockneter Aus-striche empfiehlt. Danach sollte dieBürste in Kochsalzlösung ausge-waschen werden. Dieses Materialsollte dann so rasch als möglich an
das pathologische Institut zur Wei-terverarbeitung in der Zytozentrifu-ge gebracht werden. Die zytologische Beurteilung endo-bronchialer Bürstenabstriche wirddurch, für diese Gewinnungsart ty-pische Artefakte erschwert, wobeiinsbesondere die Diagnose hochdifferenzierter Adenokarzinome beidieser Gewinnungsart mit äußers-ter Zurückhaltung gehandhabt wer-den muss.Vorteil: geringe Komplikationsrate,problemlose Anwendung bei derflexiblen Bronchoskopie.
Bronchiolo-alveoläre Lavage:Dieses Material wird meist in derDiagnostik interstitieller Lungener-krankungen zur laborchemischenAnalyse verwendet, ist aber prin-zipiell auch zur zytologischen Tu-mordiagnose verwendbar, wobeisich eine Zellanreicherung in derZytozentrifuge empfiehlt.
Transbronchiale, transtrachealebzw. transthoracale Feinnadel-punktion:Das gewonnene Material muss anOrt und Stelle möglichst rasch aufObjektträger ausgespritzt und sorg-fältig ohne Anwendung mechani-schen Drucks (Kapillarwirkung) aus-gestrichen werden. Wiederum soll-te ein Teil des Materials möglichstrasch feuchtfixiert, ein Teil der Aus-striche luftgetrocknet werden.Vorteil: sehr hohe Trefferrate.Nachteil: Blutungsrisiko.
Pleuraerguss:Das Material muss in der Zytozen-trifuge angereichert werden undsoll ebenfalls in Papanicolaou- undGiemsagefärbten Präparaten unter-sucht werden. Darüber hinaus kann prinzipiell vonjedem der beschriebenen Mate-rialien eine Untersuchung in Zell-blocktechnik erfolgen, die bei adä-quater Materialmenge ergänzendeUntersuchungen wie Immunzyto-chemie ermöglicht. Für diese Ver-
arbeitungstechnik stehen je nachMaterial verschiedene Rezepte zurVerfügung.
Von allen zytologischen Technikenhat die perbronchiale oder trans-thoracale Feinnadelpunktion diehöchste Trefferrate bzw. Spezifitätund Sensitivität (Spezifität 96 %,Sensitivität 89 %, positive predic-tive value 99 %).
Aus diagnostischen, vor allem aberauch aus didaktischen Gründen istdas Anfertigen von Imprintzytolo-gie von Operationspräparaten in je-dem Fall empfehlenswert.
An der pulmologischen Abteilungunseres Krankenhauses gilt als di-agnostische Regel, dass nach Mög-lichkeit versucht werden soll, jedetumorsuspekte Verschattung bzw.jeden Lungenrundherd entwederbronchoskopisch-perbronchial oderradiologisch gezielt transthoracal zupunktieren.
Nomenklatur
Die WHO-Klassifikation des Bron-chuskarzinoms unterscheidet einegroße Vielfalt von Tumortypen, Sub-typen und Varianten, die sich indiesem Ausmaß nur in der akribi-schen histologischen Aufarbeitungerschließt (Tab. 2).
Die zytologische Diagnose lässtunter reproduzierbarer Anwendungder Kriterien im wesentlichen eineZuordnung zu den Hauptgruppender Bronchuskarzinome zu (Tab. 3).
Diese diagnostische Zuordnung istfür die Kommunikation mit dem Kli-niker in jedem Fall ausreichend, dadas Spektrum möglicher Therapie-strategien nach wie vor begrenzt istund aus klinisch-onkologischer Sichtmeist nur eine Unterscheidung vonkleinzelligem (SCLC) und nichtklein-zelligem Karzinom (NSCLC) üblichist.
Differentialdiagnose:- atypische Plattenepithelmetaplasie bei inflamma-
torischen Prozessen- Strahlenreaktion- Metastase
Differentialdiagnose der basaloiden Variante:- kleinzelliges Karzinom- Metastase
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Adenosquamöses KarzinomDie aktive Diagnose dieses kombinierten Tumortyps istzytologisch nur in seltenen Fällen bei hervorragenderMaterialqualität möglich, wenn neben eindeutigen Kri-terien eines Plattenepithelkarzinoms auch zweifelsfreieZellgruppen eines Adenokarzinoms fassbar sind.
Tumorzellverband mit Hornperle (Pap)
Adenokarzinomanteil (Pap)
Großzelliges Karzinom (Pap)
Großzelliges Karzinom (Pap)
2. Großzelliges Karzinom
Zytologische Kriterien: Hintergrund:
- variabel- häufig haemorrhagisch detritisch
Zellkriterien: - meist starke Zelldissoziation- große Tumorzellen mit hochgradiger Polymorphie- ev. Tumorriesenzellen- keine Zeichen zellulärer Differenzierung- evtl. pseudosarkomatöse Anteile
Großzelliges Karzinom (Giemsa)
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Großzelliges Karzinom (Pap)
Kleinzelliges neuroendokrines Karzinom (Giemsa)
Kleinzelliges neuroendokrines Karzinom (Giemsa)
Kleinzelliges neuroendokrines Karzinom (Pap)
Kleinzelliges neuroendokrines Karzinom (Pap)
Differentialdiagnose:- andere hoch maligne Neoplasien, z.B.: hoch
Hinsichtlich Differenzierungsgrad und Tumortyp sehrheterogene Gruppe, häufig sehr pluriforme Differenzie-rung mit unterschiedlichen Differenzierungsmustern.
Zytologische Kriterien:
Hintergrund: - sehr variabel- teils sauber- eventuell blutig- manchmal detritisch- gelegentlich Schaumzellen - bei mucinösen Tumortypen Schleim
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Hoch differenziertes Adeno-Ka. (Pap)
Wenig differenziertes Adeno-Ka. (Giemsa)
Siegelringzellkarzinom (Pap)
Hoch differenziertes Adeno-Ka. (Pap)
Zellkriterien: - meist Zellverbände- geringe Zelldissoziation - die Zellverbände teils knospig, teils tapetoid- gelegentlich intrazytoplasmatische
Schleimvacuolen- Zellkerne meist rund- oft Nukleolen nachweisbar
Zellveränderung (z.B. Virusinfekt, ... etc.), Rege-neratepithel bei inflammatorischen Läsionen
- wenig differenziertes Karzinom: Metastase eines extrapulmonalen Adenokarzinoms
- großzelliges Karzinom- Metastase eines amelanotischen Melanoms
Bronchialdrüsenkarzinome
Bronchialdrüsenkarzinome sind mit etwa 0,5 % der ma-lignen Lungentumore äußerst selten. Es handelt sichum Tumoren, die ihren Ausgangspunkt von den Bron-chialdrüsen nehmen und in ihren histologischen und zy-tologischen Kriterien im wesentlichen Speicheldrüsen-tumoren entsprechen. Die beiden wichtigsten Tumortypen sind das adeno-id-zystische Karzinom und mucoepidermoide Kar-zinom.Mucoepidermoide Tumore sind rein zytologisch in derpräoperativen Diagnostik meist nicht von Varianten ei-nes Adenokarzinoms zu unterscheiden. Aufgrund dergroßen Vielfalt von Differenzierungslinien primärer Ade-nokarzinome der Lunge kann auch die zytologische Ab-grenzung des adenoid-zystischen Bronchialdrüsenkar-zinoms schwierig sein.
Zytologische Kriterien für das adenoid-zystischeKarzinom:Hintergrund:
- schlieriger Hintergrund
Zellkriterien: - kohärente, verzweigte Verbände mit globulären
od. bandförmigen Einschlüssen- Tumorzellen klein, eher monomorph- die Kerne rund, hyperchromatisch, evtl. kleine
Chromozentren
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Bronchialdrüsenkarzinom (Giemsa)
Bronchialdrüsenkarzinom (Pap)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zytologischeMaterialien diagnostische Mittel erster Wahl in der Diag-nose des Bronchuskarzinoms darstellen, wobei der per-bronchialen Feinnadelpunktion die höchste Sensitivitätund Spezifität zukommt. In der Hand des erfahrenen Zy-tologen liefert sie die stabile Grundlage zur Therapieent-scheidung in der pulmologischen Onkologie.