Fakultät für Medizin Technische Universität München Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie Klinikum rechts der Isar (Direktor: Univ.-Prof. Dr. E. J. Rummeny) Zuverlässigkeit der Magnetresonanztomografie für das lokale Staging von Weichteilsarkomen: Retrospektive Analyse von 174 Fällen Jennifer-Verena Emanuela Regler Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Medizin der Technischen Universität München zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Medizin genehmigten Dissertation. Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. E. J. Rummeny Prüfer der Dissertation: 1. apl. Prof. Dr. K. Wörtler 2. Univ.-Prof. Dr. von Eisenhart-Rothe 3. Priv.-Doz. Dr. K. Holzapfel Die Dissertation wurde am 10.09.2014 bei der Technischen Universität München eingereicht und durch die Fakultät für Medizin am 15.09.2015 angenommen.
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Fakultät für Medizin
Technische Universität München
Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie
Klinikum rechts der Isar
(Direktor: Univ.-Prof. Dr. E. J. Rummeny)
Zuverlässigkeit der Magnetresonanztomografie für das lokale
Staging von Weichteilsarkomen:
Retrospektive Analyse von 174 Fällen
Jennifer-Verena Emanuela Regler
Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Medizin der Technischen Universität
München zur Erlangung des akademischen Grades eines
Doktors der Medizin
genehmigten Dissertation.
Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. E. J. Rummeny
Prüfer der Dissertation:
1. apl. Prof. Dr. K. Wörtler
2. Univ.-Prof. Dr. von Eisenhart-Rothe
3. Priv.-Doz. Dr. K. Holzapfel
Die Dissertation wurde am 10.09.2014 bei der Technischen Universität München
eingereicht und durch die Fakultät für Medizin am 15.09.2015 angenommen.
Gewidmet meiner Familie
Inhaltsverzeichnis
III
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis III
Abkürzungsverzeichnis V
Einleitung 1
Grundlagen der Weichteilsarkome 4
2.1 Definition 4
2.2 Epidemiologie 6
2.3 Ätiologie 6
2.4 Klinik 7
2.5 Diagnostik und Staging 8
MRT-Bildgebung 8
MR-Untersuchungstechnik 8
MR-Staging 10
Biopsie 11
Grading 12
Staging 13
2.6 Therapie 17
2.7 Prognose 19
Material und Methoden 21
3.1 Patientenkollektiv 21
3.2 Datenerhebung 21
3.3 MRT 22
Durchführung der MRT-Untersuchung 22
Radiologische Analyse 23
3.4 Statistische Auswertung 25
Ergebnisse 29
4.1 Alters- und Geschlechtsverteilung 29
4.2 Klinische Daten zur Tumorlokalisation und Operationsart 29
4.3 Histologische Daten zur Tumorentität und zum Differenzierungsgrad 30
4.4 Radiologische Daten zur MRT-Bildqualität 32
4.5 Radiologische und histopathologische Analyse 32
Tumorgröße 32
Inhaltsverzeichnis
IV
Interreader Agreement 32
Vergleich der histologischen und radiologischen Ergebnisse 33
T-Staging nach AJCC/UICC 35
Interreader Agreement 35
Vergleich der histologischen und radiologischen Ergebnisse 36
T-Staging nach Enneking 38
Interreader Agreement 38
Infiltration von Knochen und Gelenken 40
Interreader Agreement 40
Vergleich der histologischen/intraoperativen und radiologischen
Ergebnisse 41
Neurovaskuläres Encasement 44
Interreader Agreement 44
Vergleich der histologischen/intraoperativen und radiologischen
Ergebnisse 47
ROC-Analyse 56
Zusammenhang zwischen Tumoreigenschaften und neurovaskulärer
Sequenzen, die bei gleichzeitiger Fettunterdrückung dafür sorgen, dass abnormales Gewebe
mit hohem Flüssigkeitsgehalt durch hohe Signalintensität besser erkennbar wird, können un-
ter anderem bei perineoplastischen Ödemen, zystischen Anteilen oder Nekrosen von Vorteil
sein (Kransdorf and Murphey, 2000). Die intravenöse Injektion gadoliniumhaltiger Kontrast-
mittel verstärkt bei einigen Tumoren auf T1w-SE/TSE-Aufnahmen ihre Signalintensität und
führt folglich zu einer besseren Differenzierung zwischen Weichteilsarkom und Muskulatur,
Ödem und Nekrose (Beltran et al., 1991, Gronemeyer et al., 1997). Zusätzlich ermöglichen
kontrastverstärkte T1w-Aufnahmen in vielen Fällen eine Unterscheidung von vitalen und ne-
krotischen Tumorarealen, was für eine erfolgreiche Biopsie Voraussetzung ist (siehe 2.5.2)
(Schepper et al., 2006).
In Abbildung 1 soll veranschaulicht werden, wie sich ein und derselbe Weichteiltumor durch
die fünf Standard-Pulssequenzen unterschiedlich darstellen lässt.
Grundlagen der Weichteilsarkome
10
Abbildung 1: Undifferenziertes pleomorphes Sarkom Grad 3 (G3) im Oberschenkel a-d: T1w SE, STIR-TSE, T1wGd SE, makroskopisches Bild des Resektionspräparats e-h: T2w TSE, T1wGd SE mit Fettsättigung, mikroskopische Bilder des Resektionspräparats
MR-Staging
Das präoperative lokale Staging hat eine große Bedeutung für die Therapie von Weich-
teilsarkomen. Mussten früher noch viele Patienten auf Grund von Sarkomen der Extremitäten
amputiert werden, so können heute rund 80% mittels lokaler Resektion und rekonstruktiver
Chirurgie extremitätenerhaltend behandelt werden (Bloem et al., 1997). Das bildgebende
Verfahren der Wahl ist die MRT, wobei diese je nach Tumorentität durch konventionelle Rönt-
genaufnahmen, Ultraschalldiagnostik und Computertomografie (CT) ergänzt werden sollte
(Enzinger and Weiss, 1995, Schepper et al., 2006). Wie auch bei Knochensarkomen, muss
dem Operateur die exakte anatomische Lokalisation des malignen Weichteiltumors bekannt
sein, um ihn im Gesunden, d.h. mit tumorfreien Rändern, resezieren zu können (McDonald,
1994, Panicek et al., 1997a). Nur wenn dies gelingt, kann von einem niedrigeren Risiko für
Lokalrezidive und Fernmetastasen und folglich einer niedrigeren tumorassoziierten Mortalität
ausgegangen werden (Pisters et al., 1996, Lewis et al., 1997). Die MRT-Bildgebung ermög-
licht sowohl die Diagnostik einer Muskel-, Knochen- und Gelenkinvasion als auch das Erken-
a b c d
e f g h
Grundlagen der Weichteilsarkome
11
nen einer neurovaskulären Tumorumscheidung (sogenanntes Encasement) und ist dabei an-
deren bildgebenden Methoden wie z.B. dem CT überlegen (Bloem et al., 1997, Bloem et al.,
1988).
Stellt sich z.B. im Rahmen des präoperativen Stagings eine Infiltration des Knochens heraus,
so muss in der Regel das befallene Knochensegment en bloc mit dem Tumor entfernt wer-
den. Besteht dagegen nur ein Kontakt zwischen Knochen und Sarkom ohne Anhalt für eine
Invasion, kann der Tumor samt Periost unter Einhaltung weiter Resektionsränder reseziert
werden. Auch bezüglich Gelenken deutet sich bereits im Vorfeld der Operation an, ob eine
intrartikuläre Resektion ausreichend ist, oder ob auf Grund einer MR-tomografisch vermute-
ten Infiltration der Synovialmembran das Gelenk radikal reseziert werden muss (extraartiku-
läre Resektion bzw. Amputation) (Campanacci, 1999, Schima et al., 1994). Außerdem ist das
MR-Staging in Bezug auf Gefäß-/Nervenstrukturen von großer Bedeutung: Wird eine Um-
scheidung bzw. Ummauerung der großen neurovaskulären Leitungsbahnen festgestellt, so
müssen diese zusammen mit dem Tumor weit reseziert werden. Dabei kann bei einer vas-
kulären Infiltration die Extremität dank einer Gefäßrekonstruktion meistens erhalten bleiben,
während sie bei einer Nerveninvasion in der Regel amputiert werden muss. Kommt es dage-
gen nur zu einer Verdrängung des an den Tumor angrenzenden Gefäß-/Nervenbündels,
kann dieses mittels marginaler Resektion und unter Mitnahme der vaskulären Adventitia bzw.
des Perineuriums häufig geschont werden.
Die MRT spielt aber nicht nur hinsichtlich einer möglichen Operation eine große Rolle, son-
dern auch bei der korrekten Planung und Durchführung einer präoperativen Biopsie
(Campanacci, 1999, Schepper et al., 2006).
Biopsie
Die präoperative Biopsie ist bei allen Weichteiltumoren indiziert, die mittels bildgebender Ver-
fahren nicht spezifisch als benigne diagnostiziert werden können (Crim et al., 1992,
Sundaram and Sharafuddin, 1995). Ein Beispiel für einen gutartigen Tumor, der in der Regel
derart charakteristische Merkmale im MRT aufweist, dass er nicht biopsiert werden muss, ist
das Hämangiom (Teo et al., 2000, Moulton et al., 1995).
Jede Biopsie muss im Hinblick auf eine mögliche weitere operative Behandlung unter ande-
rem mittels eines ausführlichen MR-Stagings präzise geplant und unter Vorsicht durchgeführt
werden, da eine fehlerhafte Technik zu einer nicht-optimalen Behandlung sowie zu einer ver-
schlechterten Prognose führen kann. In den Untersuchungen von Mankin et al. kam es in-
folge von inadäquaten Biopsien in 17,8% der Fälle zu einer falschen Diagnose, in 19,3% zu
einer ungünstigen Veränderung des ursprünglichen Therapieplans, in 10,1% zu einem
schlechteren Outcome und bei 3% der Patienten zu einer primär nicht notwendigen Amputa-
tion (Mankin et al., 1996, Mankin et al., 1982). Aus histologischer Sicht ist die präoperative
Grundlagen der Weichteilsarkome
12
Bildgebung zudem essentiell, um Gewebe aus einem vitalen, möglichst repräsentativen Tu-
moranteil zu gewinnen, der oft nicht im Zentrum, sondern in der Peripherie der Läsion loka-
lisiert ist. Darüber hinaus kann die MRT-Bildgebung bei verschiedenen histologischen Sub-
typen (z.B. dedifferenziertes Liposarkom) helfen, Gewebe aus dem voraussichtlich am
stärksten entdifferenzierten Tumoranteil zu gewinnen und so das eigentliche Grading der Lä-
sion bereits bei der präoperativen Biopsie zu erfassen (Hipp E. et al., 1998).
Die perkutane muskuloskelettale Biopsie kann geschlossen mittels Feinnadelaspiration oder
Stanzbiopsie sowie offen als Inzisions- oder Exzisionsbiopsie durchgeführt werden, wobei
letztere nur für kleine, subkutane Läsionen bzw. für Tumoren, die nach Einschätzung des
Radiologen benigne sind, geeignet ist (Frassica et al., 2000, Iwamoto, 1999). Auf Grund der
hohen diagnostischen Genauigkeit, die nach Dupuy et al. bei 93%, nach Skrzynski et al. bei
84% und nach Hau et al. bei 74% liegt, und der geringen Komplikationsrate (gemäß Dupuy
et al. < 1%) wird heutzutage die CT-gesteuerte – alternativ auch Ultraschallkontrollierte –
Stanzbiopsie empfohlen (Skrzynski et al., 1996, Dupuy et al., 1998, Hau et al., 2002). Für
deren korrekte Durchführung sollte, in Absprache mit dem zuständigen Chirurgen, der kür-
zeste perkutane Zugang zum Tumor unter Vermeidung eines Kontakts mit Nerven, Gefäßen
oder viszeralen Strukturen gewählt werden. Nicht vom Tumor betroffene Kompartimente dür-
fen zur Verhinderung einer Kontamination von der Stanze nicht passiert werden (Schepper
et al., 2006). Auch wenn Lokalrezidive im Stichkanal, insbesondere bei koaxialer Technik,
sehr selten und in der Literatur nur einzelne Fälle bekannt sind, muss dieser als potentiell
kontaminiert betrachtet und in einer anschließenden Operation en bloc mit dem Sarkom re-
seziert werden (Weiss and Goldblum, 2008, Davies et al., 1993).
Grading
Um eine optimale Behandlung von Patienten mit Weichteilsarkomen sicherzustellen, reicht
es nicht aus, das Sarkom gemäß der aktuellen WHO-Klassifikation (siehe Tabelle 1) histolo-
gisch zu typisieren. Vielmehr richtet sich das Verhalten dieser Tumoren nach ihrem Maligni-
tätsgrad (Fletcher et al., 2002). So berichteten Guillou et al., dass der Tumorgrad neben der
Tumorgröße und der Tumorlage (oberflächlich oder tief) ein unabhängiger prognostischer
Faktor für die Entwicklung von Metastasen und folglich auch für die Tumormortalität ist
(Guillou et al., 1997). Dass das Grading dabei sogar einen höheren prognostischen Vorher-
sagewert besitzt als die Größe oder die Lage des Tumors, zeigen diverse Studien (Gaynor
et al., 1992, Coindre et al., 1996, Ravaud et al., 1992).
Nachdem in der Vergangenheit zahlreiche unterschiedliche Grading-Systeme veröffentlicht
wurden, hat man sich inzwischen auf zwei Klassifikationen geeignet: das NCI-Grading-
System sowie das Fédération Nationale des Centres de Lutte Contre le Cancer (FNCLCC)-
Grading-System. Beides sind dreistufige Systeme, die in unterschiedlichem Ausmaß den his-
Grundlagen der Weichteilsarkome
13
tologischen Subtyp, die Mitoserate, den Nekroseanteil, die Zellularität, den zellulären Pleo-
morphismus sowie die Zelldifferenzierung berücksichtigen (Schepper et al., 2006, Weiss and
Goldblum, 2008). Wie genau die Zuordnung der einzelnen Differenzierungsgrade erfolgt, soll
in den Tabellen 3 und 4 veranschaulicht werden.
In Anlehnung an die WHO-Klassifikation von 2002 sollten folgende Sarkome auf Grund des
fehlenden prognostischen Nutzens kein Grading erhalten: MPNST, Angiosarkome, extraske-
lettale myxoide Chondrosarkome, alveoläre Weichteilsarkome, Klarzellsarkome und epithe-
Einige Leiomyosarkome Synovialsarkom Alveoläres Weichteilsarkom
Epitheloides Hämangioendotheliom
Leiomyosarkom Mesenchymales Chondrosarkom
Spindelzell- Hämangioendotheliom
Neurofibrosarkom
Infantiles Fibrosarkom
Subkutanes Myxofibrosarkom oder 0-15% Nekrose oder > 15% Nekrose
Tabelle 3: Grading-System des NCI nach Costa et al. (Costa et al., 1984); vereinfacht nach Schepper et al. (Schepper et al., 2006) ∗ /atypischer lipomatöser Tumor, ∗∗ MFH vom pleomorphen Typ (= undifferenziertes pleomorphes Sar-kom) oder myxoiden Typ (= Myxofibrosarkom), G1/2/3 = Grad 1/2/3
Score Differenzierung der Sarkome Mitoserate (pro 10 HPF)
Nekrose
Score 0 keine Nekrose
Score 1 Ähnlichkeit mit adultem mesenchymalen Gewebe
riggradig bzw. low-grade; G3, G4 = hochgradig bzw. high-grade)
˗ T1 = Durchmesser ≤ 5 cm, T2 = Durchmesser > 5 cm; a = oberflächliche Lage (ober-
halb der Faszie ohne Invasion der Faszie), b = tiefe Lage (entweder ausschließlich
unterhalb der Faszie oder oberhalb der Faszie mit Invasion der Faszie oder sowohl
ober- als auch unterhalb der Faszie)
˗ N0 = keine regionären Lymphknotenmetastasen, N1 = Lymphknotenmetastasen
˗ M0 = keine Fernmetastasen, M1 = Fernmetastasen
Stadium G T N M
IA G1, GX T1a N0 M0
G1, GX T1b N0 M0
IB G1, GX T2a N0 M0
G1, GX T2b N0 M0
IIA G2, G3 T1a N0 M0
G2, G3 T1b N0 M0
IIB G2 T2a N0 M0
G2 T2b N0 M0
III G3 T2a, T2b N0 M0
Jedes G Jedes T N1 M0
IV Jedes G Jedes T Jedes N M1
Tabelle 5: Staging-System nach AJCC/UICC; modifiziert nach dem AJCC Cancer Staging Manual (Edge et al., 2010) G = Grad, T = Tumor, N = regionäre Lymphknoten, M = Metastasen
Grundlagen der Weichteilsarkome
15
Die 5-Jahres-Überlebensraten für die Stadien I, II, III, und IV liegen ungefähr bei 90%, 70%,
50% und 10-20% (Clark et al., 2005, Ramanathan et al., 1999, Stojadinovic et al., 2002a).
Wie in Tabelle 6 zu sehen ist, findet im stärker chirurgisch ausgerichteten Staging-System
der MSTS ein potentieller regionärer Lymphknotenbefall auf Grund seiner Seltenheit keine
Berücksichtigung. Zudem unterscheidet es sich vom AJCC-System in folgenden Punkten:
Tabelle 7: Tumorausdehnung bezogen auf die anatomischen Kompartimente nach Enneking et al. (Enneking et al., 1980b)
Abbildung 2: Querschnitt des proximalen Oberschenkels mit Darstellung des anterioren, me-dialen und posterioren Kompartiments nach Waldt et al. (Waldt et al., 2011)
Grundlagen der Weichteilsarkome
17
2.6 Therapie
Das Ziel bei der Behandlung von Weichteilsarkomen ist einerseits, das Auftreten von Lokalre-
zidiven oder Fernmetastasen zu verhindern und andererseits funktionserhaltend zu therapie-
ren, um eine möglichst hohe Lebensqualität aufrechtzuerhalten. Dabei ist die chirurgische
Therapie nach wie vor die Behandlungsmethode der Wahl, die je nach Lage, Größe und Grad
des Tumors gegebenenfalls mit einer (neo-)adjuvanten Chemo- oder Radiotherapie kombi-
niert wird (Fletcher et al., 2002, Enzinger and Weiss, 1995).
Während früher die Amputation noch das Standardoperationsverfahren für maligne Weich-
teiltumoren war, werden inzwischen rund 90% der Patienten extremitätenerhaltend therapiert
(Williard et al., 1992a, Gerson et al., 1982, Williard et al., 1992b). Bereits in der Studie von
Rosenberg et al. zeigte sich, dass es bezüglich des krankheitsfreien Überlebens sowie der
allgemeinen Überlebensrate keinen signifikanten Unterschied gab zwischen den Patienten,
die amputiert wurden und jenen, die extremitätenerhaltend operiert und adjuvant bestrahlt
wurden (krankheitsfreies 5-Jahres-Überleben: 78% vs. 71%, 5-Jahres-Überlebensrate: 88%
vs. 83%). Die Anzahl der Lokalrezidive war in der Gruppe der Nicht-Amputierten dagegen
höher (n = 0 vs. n = 4) (Rosenberg et al., 1982). Bell et al. stellten in ihrer Untersuchung fest,
dass die Häufigkeit von Lokalrezidiven wie auch von Fernmetastasen von den intraoperativ
erreichten Resektionsrändern abhängig ist. Dabei erkrankten Patienten, bei denen der Tumor
weit im Gesunden reseziert werden konnte, seltener an einem Rezidiv bzw. an Metastasen
als solche mit tumorpositiven Rändern (Bell et al., 1989).
Von den vier, bei Weichteiltumoren möglichen Resektionsarten eignen sich nur zwei für eine
Tumorentfernung im Gesunden (= R0-Resektion): die weite sowie die radikale Resektion.
Weit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Tumor – umgeben von einer kontinuier-
lichen Schicht gesunden Gewebes – en bloc reseziert wird. Radikal ist die Sarkomoperation
dagegen, wenn mit dem Tumor zusammen sein Ursprungskompartiment inklusive aller be-
fallenen Kompartimente vollständig entfernt wird, was häufig einer Amputation gleichkommt.
In beiden Fällen wird neben der Läsion auch eine mögliche Pseudokapsel sowie angrenzen-
des reaktives Gewebe (beides repräsentiert potentiell kontaminiertes Gewebe) mitreseziert.
Bei einer marginalen Resektion dagegen wird der Tumor zwar en bloc herausoperiert, ist
aber mindestens an einer Stelle nur von seiner Kapsel bzw. Pseudokapsel umhüllt. Von einer
intraläsionalen Resektion spricht man, wenn der Chirurg den Tumor aus der Kapsel bzw.
Pseudokapsel herausschält oder während der Operation mindestens an einer Stelle eröffnet.
Sowohl die intraläsionale als auch die marginale Resektion bedeuten, dass das Sarkom mi-
kroskopisch (R1-Resektion) oder makroskopisch (R2-Resektion) nicht im Gesunden entfernt
werden konnte (Campanacci, 1999, Enneking et al., 1980b). Zur bildlichen Darstellung siehe
Abbildung 3.
Grundlagen der Weichteilsarkome
18
Abbildung 3: Chirurgische Resektionsränder bei Weichteilsarkomen (a-d: intraläsionale Resek-tion, marginale Resektion, weite Resektion, radikale Resektion) aus Waldt et al. (Waldt et al., 2011)
Sobald auf Grund einer neurovaskulären Infiltration eine Tumorresektion zu einem ausge-
prägten Funktionsverlust führen würde oder es beispielsweise durch inadäquate Biopsien
sowie nach pathologischen Frakturen zur Tumorstreuung kam, muss auch heute noch am-
putiert werden. Bei Lokalrezidiven, großen, invasiv ins Os sacrum wachsenden Beckensar-
komen und Tumoren des Fußes ist in der Regel ebenfalls eine Amputation indiziert (Weiss
and Goldblum, 2008, Hipp E. et al., 1998).
Eine prä- oder postoperative Radiotherapie ist sinnvoll, wenn sich der Chirurg im Rahmen
einer funktionserhaltenden Therapie dazu entscheidet, weniger radikal zu operieren bzw. er
davon ausgeht, dass trotz Tumorresektion mikro- oder makroskopische Tumorresiduen vor-
handen sind (Wilson et al., 1994, O'Sullivan et al., 2002, Weiss and Goldblum, 2008). Dage-
gen wird eine systemische Chemotherapie vor allem zur Vermeidung oder Behandlung von
Fernmetastasen eingesetzt, wobei ein eindeutiger Nutzen bisher nur bei einzelnen Entitäten
wie z.B. Ewing-Sarkomen/PNET oder Rhabdomyosarkomen nachgewiesen werden konnte
(Grier et al., 2003, Crist et al., 2001).
a
d c
b
Grundlagen der Weichteilsarkome
19
2.7 Prognose
Die Mortalitätsrate beträgt bei Weichteilsarkomen 50%. Sie ist damit zehn Mal so hoch wie
die maligner Hodentumoren, die mit einer ähnlichen Inzidenz in der Bevölkerung auftreten
(Wingo et al., 1995, Pisters et al., 1996). Diese hohe Mortalität ist primär auf die Entwicklung
von Fernmetastasen und Lokalrezidiven zurückzuführen, wobei erstere für die Mehrheit aller
weichteilsarkombedingten Todesfälle verantwortlich sind (Gaynor et al., 1992). Nach optima-
ler Behandlung kommt es in 5-10% der Fälle zu einem Tumorrezidiv, wobei zwei Drittel davon
innerhalb der ersten beiden Jahre nach primärer Resektion diagnostiziert werden (Clark et
al., 2005, Stojadinovic et al., 2002a). Bei rund 20% der Patienten streuen die Weichteilsar-
kome in die Lunge, wo sich insgesamt am häufigsten Metastasen bilden (Gadd et al., 1993).
Wie sehr das Vorkommen von Lungenfiliae die Prognose beeinflusst, wird in Abbildung 4
deutlich: Das allgemeine mittlere Überleben nach der Diagnostik von pulmonalen Metastasen
beträgt 15 Monate bei einer 3-Jahres-Überlebensrate von 25% (Billingsley et al., 1999).
Abbildung 2: Krankheitsspezifisches Überleben der Patienten mit Lungenmetastasen (Billingsley et al., 1999)
Pisters et al. stellten bei ihren Untersuchungen fest, dass Patienten über 50 Jahre, mit einem
Rezidiv bei Erstpräsentation, R1-resezierten Tumoren oder bestimmten histologischen Dia-
gnosen (Fibrosarkome oder MPNST) unabhängig voneinander häufiger an einem Lokalre-
zidiv erkrankten. Die Tumorgröße (mittelgroß bis groß), der Tumorgrad (high-grade), die Tu-
morlage (tief), die Erstvorstellung mit einem Tumorrezidiv wie auch die Diagnose „Leio-
myosarkom“ bzw. alle Nicht-Liposarkom-Tumoren stellten, unabhängig voneinander, un-
günstige prognostische Faktoren für die Entwicklung von Fernmetastasen dar (Pisters et al.,
1996).
Weitere Studien überprüften einen direkten Zusammenhang zwischen der krankheitsspezifi-
schen Mortalität und den Tumorvariablen Größe, Differenzierungsgrad, Lage, Lokalisation
und Resektionsstatus. Demnach ist die Sterblichkeit bei Patienten mit großen (> 5 cm), ent-
differenzierten, tief sitzenden, außerhalb der Extremitäten lokalisierten oder nicht im Gesun-
Grundlagen der Weichteilsarkome
20
den resezierten Tumoren erhöht. Ebenso konnte nachgewiesen werden, dass eine neuro-
vaskuläre Invasion sowie eine Knocheninfiltration zu einer höheren Mortalitätsrate bei Weich-
teilsarkomen führten (Gaynor et al., 1992, Lahat et al., 2008).
Inwieweit molekulargenetische Merkmale bei Weichteilsarkomen prognostisch eine Rolle
spielen, wird in Zukunft noch umfassend erforscht werden. Dass bestimmte molekulargene-
tische Marker das Verhalten von Weichteiltumoren und damit auch das Gesamtüberleben
beeinflussen, wird bereits seit längerem vermutet (Nielsen et al., 2002, Lee et al., 2003,
Ladanyi et al., 2002). Bereits 2001 publizierten Hoos et al., dass ein hoher Ki-67-
Proliferationsindex charakteristisch für einen besonders malignen Phänotyp innerhalb der
Hoch-Risiko-Sarkome ist, der auch mit einer erhöhten tumorbedingten Mortalität assoziiert
ist (Hoos et al., 2001). Derartige Ergebnisse könnten dazu führen, dass die in 2.5.4 beschrie-
benen Staging-Systeme zukünftig um die molekularbiologischen Eigenschaften der Weich-
teilsarkome erweitert werden, um eine noch individuellere, unter anderem gezielte moleku-
lare Therapie zu ermöglichen (Jones et al., 2012, Clark et al., 2005). Dies sowie eine Opti-
mierung des vorhandenen klinischen, radiologischen und pathologischen Stagings soll zu
einem weiteren Anstieg der 5-Jahres-Überlebensrate führen, die aktuell auf 65-75% ge-
schätzt wird (Fletcher et al., 2002, Singer et al., 2000).
Material und Methoden
21
Material und Methoden
3.1 Patientenkollektiv
Im Zeitraum vom 20.02.1998 bis zum 02.12.2011 wurden 531 Patienten mit der Diagnose
eines Weichteilsarkoms im Klinikum der TU München behandelt. Von diesen 531 Patienten
schlossen wir 174 in unsere Studie ein.
Zu den Einschlusskriterien gehörten die histopathologische Diagnose eines Weichteilsar-
koms, eine Tumorlokalisation an den Extremitäten oder am Rumpf, eine präoperative MRT-
Untersuchung nach einem standardisierten Schema sowie eine operative Therapie (Tumor-
resektion oder Amputation).
58 Patienten mussten ausgeschlossen werden, weil gemäß endgültigem histopathologi-
schen Untersuchungsbefund die Diagnose eines Weichteilsarkoms nicht bestätigt werden
konnte (n = 11), die Tumoren vom Knochen ausgingen (n = 46) oder, wie in einem Fall, einer
Metastase entsprachen. Bei 34 Patienten fehlten die endgültige histologische Diagnose (n =
8) bzw. der Operationsbericht (n = 26), 21 Patienten wurden nicht operiert und deswegen
aus der Studie ausgeschlossen. In 242 Fällen eigneten sich die MRT-Aufnahmen nicht für
die radiologische Auswertung, weil sie nicht unserem standardisierten Schema entsprachen
(n = 239) oder die Bildqualität unzureichend war (n = 3). Von weiteren zwei Patienten waren
keine präoperativen MRT-Aufnahmen verfügbar.
3.2 Datenerhebung
Anhand der digital archivierten Krankenakten konnten retrospektiv Patientendaten, wie Alter
und Geschlecht, sowie Daten aus den histopathologischen Befundberichten und den Opera-
tionsberichten abgerufen werden. Dabei wurden tumorbezogene Informationen wie Lokali-
sation, Größe, histologischer Subtyp, Differenzierungsgrad, T-Stadium nach der TNM-
Klassifikation sowie die Operationsart erfasst. Zusätzlich wurde den Berichten entnommen,
ob der Tumor Knochen, Gelenke, Arterien, Venen oder Nerven infiltrierte. Die Gefäße und
Nerven wurden als infiltriert gewertet, wenn
˗ sie intraoperativ vom Tumor derart umschieden bzw. ummauert waren, dass die Ge-
fäße reseziert und anschließend rekonstruiert werden mussten.
˗ der Tumor nicht mehr extremitätenerhaltend reseziert oder bei extremitätenerhalten-
der Operation im Bereich der Gefäße bzw. Nerven mikroskopisch oder makrosko-
pisch nicht im Gesunden reseziert werden konnte (R1- oder R2-Resektion).
˗ histologisch am Amputat eine Infiltration nachgewiesen wurde.
Material und Methoden
22
Alle histopathologischen Untersuchungen wurden am Institut für Allgemeine Pathologie und
Pathologische Anatomie der TU München durchgeführt. Da unsere Patienten vor der Veröf-
fentlichung der aktualisierten WHO-Klassifikation für Weichteiltumoren im Jahr 2013 (siehe
Tabelle 1) behandelt worden sind, erfolgte die histopathologische Diagnose nach der WHO-
Klassifikation von 2002. Die operative Therapie erfolgte in allen Fällen durch erfahrene Tu-
morchirurgen der Klinik für Orthopädie und Sportorthopädie der TU München. Das radiologi-
sche Bildmaterial wurde am Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie der TU
München erstellt und dort elektronisch im digitalen Picture Archiving and Communication
System (PACS) gespeichert.
3.3 MRT
Durchführung der MRT-Untersuchung
Die MRT-Untersuchungen wurden an Ganzkörpersystemen der Feldstärken 1,5 Tesla (Mag-
netom Avanto, Siemens Medical Solutions, Erlangen/D bzw. Gyroscan NT Intera, Philips Me-
dical Systems, Best/NL) und 3 Tesla (Magnetom Verio, Siemens Medical Solutions, Erlan-
gen/D) durchgeführt. In Abhängigkeit von der anatomischen Lokalisation des Tumors wurden
verschiedene Spulen (Body-Array, Kniespule, Schulterspule, Large Flex) verwendet.
Das Untersuchungsprotokoll beinhaltete grundsätzlich Pulssequenzen, die in der langen
Achse (koronar oder sagittal bei Tumoren der Extremitäten oder des Körperstamms, trans-
versal bei Fußtumoren) und in der kurzen Achse der betroffenen Körperregion (transversal
bei Tumoren der Extremitäten oder des Körperstamms, koronar bei Fußtumoren) ausgerich-
tet wurden. Im Einzelnen wurden folgende Pulssequenzen akquiriert: eine STIR-TSE-
Sequenz und eine T1-gewichtete SE- bzw. TSE-Sequenz vor und nach intravenöser Appli-
kation von 0,1 mmol/kg KG Gadopentetat-Dimeglumin (Magnevist, Bayer Healthcare, Ber-
lin/D) in der langen Achse sowie eine T2-gewichtete TSE-Sequenz und eine kontrastver-
stärkte T1-gewichtete SE- bzw. TSE-Sequenz mit spektraler Fettsättigung in der kurzen
Achse. Die jeweiligen Sequenzparameter sind Tabelle 8 zu entnehmen.
Material und Methoden
23
Sequenztyp
Feldstärke
(Tesla)
TR (ms)
TE (ms)
TI (ms)
SD
(mm)
In-plane-Auf-
lösung (mm)
STIR-TSE 1,5 6400-7000 44-66 150 3 < 0,5 x 0,5
3 7300 45 210 3 < 0,5 x 0,5
T1w SE/
TSE
1,5 450-680 10-14 - 3 < 0,5 x 0,5
3 720-800 13-14 - 3 < 0,5 x 0,5
T2w TSE 1,5 5000-6900 90-120 - 3-5 < 0,5 x 0,5
3 8500 90-100 - 3-5 < 0,5 x 0,5
fs T1w SE/
TSE
1,5 570-690 10-18 - 3-5 < 0,5 x 0,5
3 1000 13-14 - 3-5 < 0,5 x 0,5
Tabelle 8: Parameter der verwendeten MR-Sequenzen fs = fettgesättigt, TR = Repetitionszeit, TE = Echozeit, TI = Inversionszeit, SD = Schichtdicke
Radiologische Analyse
Die retrospektive Analyse der MRT-Aufnahmen erfolgte unabhängig durch zwei radiologi-
sche Fachärzte mit langjähriger Erfahrung im Bereich der muskuloskelettalen MRT-
Diagnostik (Reader 1 (R1): 18 Jahre, Reader 2 (R2): 5 Jahre). Beurteilt wurden allein die
präoperativ aufgenommen MRT-Bilder. Bei Patienten mit neoadjuvanter Chemo- oder Ra-
diotherapie wurden die zuletzt vor der Operation gemachten Aufnahmen analysiert.
Alter und Geschlecht der Patienten waren beiden Readern bekannt. Über die Krankenge-
schichte, die histopathologischen Befunde und das jeweilige operative Therapieverfahren
hatten sie keinerlei Kenntnisse.
Die Beurteilung wurde anhand eines standardisierten Auswertebogens durchgeführt (siehe
Anhang). Die Reader mussten Angaben zur Bildqualität, Tumorlokalisation, lokalen Tumor-
ausdehnung, Anzahl und Bezeichnung der betroffenen Kompartimente, maximalen Tumor-
größe, Knochen- und Gelenkinfiltration sowie zur Lagebeziehung des Tumors zu Arterien,
Venen und Nerven machen.
Die Qualität der MRT-Aufnahmen wurde von beiden Readern subjektiv als „gut“, „mäßig“ oder
„schlecht“ eingestuft.
Die lokale Tumorausdehnung musste sowohl nach dem TNM-Staging-System der AJCC/
UICC als auch nach dem Staging-System nach Enneking beurteilt werden.
Für die Einschätzung der T-Kategorie nach dem TNM-System (T1: ≤ 5 cm bzw. T2: > 5 cm)
wurden die maximale Tumorgröße mittels der in das PACS-System integrierten Messfunktion
ermittelt und der maximale Tumordurchmesser in Zentimetern zusätzlich dokumentiert. Ein
Tumor wurde der a-Kategorie (oberflächliche Lage) zugeordnet, wenn die Läsion MR-
tomografisch ausschließlich oberhalb der Faszie nachweisbar war und sich keinerlei Hinweis
Material und Methoden
24
auf eine Invasion der Faszie (Kontakt mit Verdickung, Signalanhebung, Kontrastmittelauf-
nahme) ergab. Die b-Kategorie (tiefe Lage) wurde gewählt, wenn sich der Tumor ausschließ-
lich unterhalb der Faszie, oberhalb der Faszie mit Zeichen einer Faszieninvasion (s. o.) oder
sowohl ober- als auch unterhalb der Faszie ausdehnte.
Nach Enneking wurde der Tumor als T1-Läsion eingestuft, wenn er auf ein einziges anato-
misches Kompartiment beschränkt war. Er wurde der Kategorie T2 zugeordnet, wenn sich
das Tumorgewebe oder seine reaktive Zone (= peritumorales Weichteilödem auf STIR-, T2w-
und/oder kontrastverstärkten T1w-Aufnahmen) auf mehr als ein anatomisches Kompartiment
ausdehnte oder wenn die Läsion primär in einem extrakompartimentellen Raum (siehe Ta-
belle 7 in 2.5.4) lokalisiert war. Die Anzahl und Bezeichnung der betroffenen anatomischen
Kompartimente wurde von den Readern zusätzlich dokumentiert.
Eine Knocheninfiltration wurde diagnostiziert, wenn Kortikalis und/oder Spongiosa MR-
tomografisch bei Tumorkontakt Signalveränderungen erkennen ließen. Ein reiner Oberflä-
chenkontakt zum Knochen ohne jegliche Signalalterationen wurde unabhängig von der Kon-
taktstrecke nicht als Zeichen einer Tumorinfiltration gewertet.
Eine Gelenkinvasion wurde diagnostiziert, wenn Tumorgewebe eindeutig innerhalb der Gren-
zen der Synovialmembran des benachbarten Gelenks nachweisbar war. Ein reiner Kontakt
des Tumors oder ein vermehrter Flüssigkeitsgehalt eines dem Tumor benachbarten Gelenks
wurden nicht als Indikatoren eines Gelenkbefalls aufgefasst.
Bei der Bewertung eines potentiellen neurovaskulären Encasements mussten die Reader
zunächst beurteilen, ob überhaupt eine engere Lagebeziehung des Tumors zu großen Lei-
tungsbahnen bestand. Wenn dies der Fall war, wurde(n) die betreffende(n) neurovasku-
läre(n) Struktur(en) anatomisch bezeichnet und die Ausprägung des Kontakts zwischen Tu-
mor und Gefäß bzw. Nerv anhand einer fünfstufigen Skala definiert. Folgende Lagebezie-
hungen wurden dabei unterschieden (siehe Schema in Abbildung 5):
˗ Tumor und Gefäß bzw. Nerv noch durch interponierte Gewebeschicht (GWS) getrennt
˗ Tumor kontaktiert Gefäß bzw. Nerv über ≤ 90° seiner Zirkumferenz
˗ Tumor kontaktiert Gefäß bzw. Nerv über 91-180° seiner Zirkumferenz
˗ Tumor kontaktiert Gefäß bzw. Nerv über 181-270° seiner Zirkumferenz
˗ Tumor kontaktiert Gefäß bzw. Nerv über > 270° seiner Zirkumferenz
Material und Methoden
25
Abbildung 5: Tumorkontakt zu Gefäß bzw. Nerv Kontakt zu interponierter GWS (a), ≤ 90° (b), 91-180° (c), 181-270° (d), > 270° (e)
: Gefäß bzw. Nerv, : Tumorkontakt
Die Evaluation der Gefäß-/Nervenbeziehung erfolgte typischerweise anhand der T2-
gewichteten TSE-Aufnahmen und kontrastverstärkten fettunterdrückten T1-gewichteten SE-
Aufnahmen in der kurzen Achse (zumeist transversal). Dabei wurde dokumentiert, ob sich
aus der Analyse der kontrastverstärkten Aufnahmen nach Auffassung der Reader gegenüber
den T2-gewichteten Aufnahmen Zusatzinformationen ableiten ließen. Falls dies zutraf, wurde
die ergänzende Information entsprechend dokumentiert.
3.4 Statistische Auswertung
Die erhobenen Daten wurden mittels des Statistikprogramms IBM Statistics SPSS Version
19 und mittels Microsoft Excel 2007 in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische
Statistik und Epidemiologie des Klinikums der TU München verarbeitet.
Die Alters- und Geschlechtsverteilung, die Häufigkeitsverteilung der Tumorlokalisation und
Operationsart, der histologischen Subtypen sowie der Differenzierungsgrade wie auch die
Angaben zur Bildqualität wurden tabellarisch, teils grafisch ausgewertet.
Bei der Gegenüberstellung von radiologischen und histologischen/intraoperativen Befunden
(p) dienten letztere stets als Goldstandard. Als Maß der Übereinstimmung beider Reader
wurde das Interreader Agreement erfasst.
Zum Vergleich der radiologischen Ergebnisse der beiden Reader untereinander als auch mit
den histologischen Ergebnissen wurden bezüglich der Tumorgröße Korrelationsberechnun-
a b
c d e
Material und Methoden
26
gen nach Spearman durchgeführt. Der Korrelationskoeffizient rs nach Spearman (siehe Ta-
belle 9) ist ein Maß für die Stärke eines monotonen Zusammenhangs zwischen zwei Merk-
malen, ohne dass ein linearer Zusammenhang vorausgesetzt wird. Da mittels SPSS und
Microsoft Excel nur der Korrelationskoeffizent r nach Pearson (für normalverteilte Daten) mit-
tels Streudiagramm abgebildet werden konnte, kam es zu geringfügigen grafischen Abwei-
chungen, auf die in entsprechenden Abbildungen durch die Angabe beider Koeffizienten hin-
gewiesen wird.
Wert des Korrelationskoeffizienten rs Interpretation
0,0 ≤ rs ≤ 0,2 Sehr geringe Korrelation
0,2 < rs ≤ 0,5 Geringe Korrelation
0,5 < rs ≤ 0,7 Mittlere Korrelation
0,7 < rs ≤ 0,9 Hohe Korrelation
0,9 < rs ≤ 1,0 Sehr hohe Korrelation
Tabelle 9: Interpretation des Korrelationskoeffizienten rs nach Spearman
Als Maß der Übereinstimmung zwischen beiden Readern sowie zwischen den Readern und
der Histopathologie bezüglich des T-Stadiums nach der TNM-Klassifikation, des T-Stadiums
nach Enneking, der Knochen-, Gelenk-, Gefäß- und Nerveninfiltration wurde jeweils der Kor-
relationskoeffizient Kappa (κ) mit dazugehörigem 95%-Konfidenzintervall (95%-KI) und die
Accuracy als Maß der Genauigkeit bestimmt.
Wert des Kappa (κ) Interpretation
≤ 0,20 Schwache Übereinstimmung
0,21-0,40 Leichte Übereinstimmung
0,41-0,60 Mittelmäßige Übereinstimmung
0,61-0,80 Gute Übereinstimmung
0,81-1,00 Sehr gute Übereinstimmung
Tabelle 10: Interpretation des Korrelationskoeffizienten Kappa (κ)
Bei der Gegenüberstellung der histologischen und radiologischen Befunde wurde in Bezug
auf Knochen-, Gelenk-, Gefäß- und Nerveninfiltration zusätzlich, unter Angabe der Präva-
lenz, die Sensitivität und Spezifität sowie der positiv und negativ prädiktive Wert mit dazuge-
hörigem 95%-Konfidenzintervall berechnet. Die Sensitivität wird definiert als Anteil der richtig
Positiven an der Gesamtheit der Kranken, die Spezifität als Anteil der richtig Negativen an
der Gesamtheit der Gesunden. Der positiv prädiktive Wert (PPV) ist der Anteil der richtig
Positiven an der Gesamtheit der Test-Positiven, der negativ prädiktive Wert (NPV) der Anteil
Material und Methoden
27
der richtig Negativen an der Gesamtheit der Test-Negativen. Unter Prävalenz versteht man
den Anteil der Erkrankten in der beobachteten Population.
In den folgenden Tabellen ist 0 gleich negativ und 1 gleich positiv. Zur Definition von richtig/
falsch positiv/negativ beim Vergleich der histologischen und radiologischen Ergebnisse siehe
Tabelle 17: Maß der Übereinstimmung zwischen Pathologie und R1 bzw. R2 innerhalb von T1 und T2
Bei genauerer Betrachtung zeigte sich, dass die Radiologen in den meisten Fällen, in denen
sie in ihrer Einschätzung der Tumorlage vom histopathologischen Goldstandard abwichen,
die Sarkome fälschlicherweise als tief sitzende b-Tumoren klassifizierten. Unter den Tumoren
≤ 5 cm (T1) sind sie irrtümlicherweise sechs bzw. vier Mal von einer tiefen und jeweils ein
Mal von einer oberflächlichen Tumorlage ausgegangen (R1 bzw. R2). Bei den größeren T2-
Tumoren stimmten in zehn Fällen die radiologischen Ergebnisse nicht mit den histologischen
überein, wobei alle zehn Sarkome durch R1 und R2 fehlerhaft als T2b (und nicht als T2a,
gemäß Pathologie) eingestuft wurden.
T-Staging nach Enneking
Interreader Agreement
Hinsichtlich des T-Stagings nach Enneking wurde naturgemäß nur eine radiologische Aus-
wertung durchgeführt, weil eine histopathologische Analyse diesbezüglich am Resektions-
präparat nicht möglich war.
Wie in Tabelle 18 zu sehen ist, blieben gemäß R1 83 (47,7%) der 174 Sarkome auf ein ana-
tomisches Kompartiment beschränkt (T1), während sich die anderen 91 Tumoren (52,3%)
entweder über mehrere anatomische Kompartimente ausdehnten oder in einem primär extra-
kompartimentellen Raum lokalisiert waren (T2) (siehe 3.3.2). R2 charakterisierte bei 88 Pa-
tienten die Tumoren als T1 (50,6%) und bei 86 als T2 (49,4%).
Ergebnisse
39
T-Stadium nach Enneking R2
Gesamt T1 T2 T-Stadium nach Enneking R1
T1 83 0 83
T2 5 86 91
Gesamt 88 86 174
Tabelle 18: T-Stadium nach Enneking (R1 vs. R2)
Somit berechnete sich ein κ = 0,943 (95%-KI: 0,893-0,992) mit einer Accuracy von 97,1%
und folglich einer sehr guten Übereinstimmung beider Reader bezüglich des Enneking-
Stagings.
Von den 91 bzw. 86 T2-Tumoren befanden sich nach Auffassung beider Reader 35 in einem
primär extrakompartimentellen Raum. Davon waren 45,7% in der Poplitea, 17,1% in der
Axilla, 8,6% im Fuß, jeweils 5,7% im Becken, in der Leiste und im oberen Sprunggelenk
(OSG) sowie jeweils 2,9% periklavikulär, in der Ellenbeuge, retroperitoneal oder paraspinal
lokalisiert. Die absolute Häufigkeitsverteilung, die bei R1 und R2 identisch ist, kann Abbildung
13 entnommen werden.
Abbildung 13: Verteilung der T2-Tumoren (nach Enneking) in primär extrakompartimentellen Räumen
6
1 1 1 12 2
16
23
6
1 1 1 12 2
16
23
02468
1012141618
An
zah
l
Primär extrakompartimenteller Raum
R1 R2
a b
Ergebnisse
40
Abbildung 14: Koronare native (a) und kontrastverstärkte (b) T1-gewichtete SE-Aufnahmen ei-ner 66-jährigen Patientin mit einem MPNST am rechten distalen Oberschenkel. Der Tumor liegt in der Fossa poplitea und damit in einem primär extrakompartimentellen Raum (T2).
Infiltration von Knochen und Gelenken
Interreader Agreement
Auf den MRT-Bildern beobachteten die Reader in 18 von 174 Fällen Signalveränderungen
im Bereich der Kortikalis und/oder Spongiosa, die auf eine Knocheninfiltration durch den an-
grenzenden Tumor hinwiesen (10,3%). Entsprechend der absoluten Übereinstimmung zwi-
schen R1 und R2 wurde ein κ = 1,000 mit einem 95%-KI von 1,000-1,000 und einer 100%-
igen Accuracy erzielt.
Infiltration Knochen R2
Gesamt 0 1 Infiltration Knochen R1
0 156 0 156
1 0 18 18
Gesamt 156 18 174
Tabelle 19: Knocheninfiltration (R1 vs. R2) 0 = keine Infiltration (negativ), 1 = Infiltration (positiv)
Radiologische Anzeichen für eine artikuläre Tumorinvasion gab es wesentlich seltener. R1
ging bei vier Patienten von einem Gelenkbefall durch den Tumor aus (2,3%), während R2 bei
a b
Ergebnisse
41
sechs der 174 Sarkome ein infiltratives Verhalten bezüglich des benachbarten Gelenks er-
kannte (3,4%). Statistisch ergab sich eine gute Übereinstimmung zwischen R1 und R2 (κ =
0,794, 95%-KI: 0,517-1,072, Accuracy = 98,9%).
Infiltration Gelenk R2
Gesamt 0 1 Infiltration Gelenk R1
0 168 2 170
1 0 4 4
Gesamt 168 6 174
Tabelle 20: Gelenkinfiltration (R1 vs. R2) 0 = keine Infiltration (negativ), 1 = Infiltration (positiv)
Vergleich der histologischen/intraoperativen und radiologischen
Ergebnisse
Bei 15 der 173 histopathologisch untersuchten Weichteilsarkome (bei einem Patienten fehl-
ten Angaben zum Knochenkontakt im histologischen Befundbericht, sodass nGesamt = 173)
wurde ein tumoröser Befall des Knochens diagnostiziert (8,7%). Bei insgesamt 26 Patienten
wurde intraoperativ das Periost auf dem Tumor belassen und mitreseziert, wobei davon aus-
gegangen wurde, dass der Knochen nicht vom Tumor infiltriert war. Viel seltener, in fünf von
174 Fällen, zeigte sich eine Gelenkinvasion (2,9%). Die genaue Verteilung der radiologischen
(Infiltration R1 bzw. R2) und histologischen (p Infiltration) Ergebnisse findet sich in Tabelle
21.
Knochen Gelenk
p Infiltration p Infiltration
0 1 Gesamt 0 1 Gesamt Infiltration R1
0 156 0 156 169 1 170
1 2 15 17 0 4 4
Gesamt 158 15 173 169 5 174 Infiltration R2
0 156 0 156 167 1 168
1 2 15 17 2 4 6
Gesamt 158 15 173 169 5 174
Tabelle 21: Knochen- und Gelenkinfiltration (p vs. R1 und R2) 0 = keine Infiltration (negativ), 1 = Infiltration (positiv)
Um zu überprüfen, wie zuverlässig die MRT-Analyse der beiden Reader bezüglich einer po-
tentiellen Knochen- und Gelenkinfiltration im Vergleich mit der Histopathologie war, wurden
Ergebnisse
42
die Sensitivität, Spezifität, Accuracy sowie der PPV und NPV berechnet (siehe Tabelle 22).
Dabei wurde bezüglich der Detektion einer Knocheninfiltration eine Sensitivität von 100%
(d.h. alle 15 pathologisch tatsächlich infiltrierten Knochen wurden durch beide Reader richtig
erkannt), eine Spezifität von 98,7% (entsprechend zwei falsch Positiven und 156 richtig Ne-
gativen) bei einer Accuracy von 98,8% erreicht.
Abbildung 15: 26-jähriger Patient mit monophasischem Synovialsarkom am linken proximalen Unterschenkel. Sagittale T1-gewichtete SE- (a), transversale T2-gewichtete TSE- (b) und fettge-sättigte kontrastverstärkte T1-gewichtete SE-Aufnahmen (c) zeigen einen Tumorkontakt zur Ti- bia mit deutlichen Signalveränderungen von Kortikalis und Spongiosa. Die Kortikalis ist partiell destruiert und das normale Knochenmark durch Tumorgewebe infiltriert (Pfeil). Intraoperativ erfolgte eine weite Resektion des Tumors inklusive der tumorbefallenen knöchernen Areale. Das histopathologische Präparat zeigte sowohl makroskopisch (d) als auch mikroskopisch (ohne Abbildung) eine Infiltration der Tibia durch das Synovialsarkom (Pfeilspitze).
a b
c d
Ergebnisse
43
In Bezug auf die Gelenkinfiltration war die Sensitivität mit 80% niedriger (ein falsch Negatives
und vier richtig Positive von fünf tatsächlich infiltrierten Gelenken), wohingegen die Spezifität
mit 100% (d.h. alle 169 pathologisch tatsächlich nicht vom Tumor befallenen Gelenke wurden
von R1 richtig erkannt) bzw. 98,8% (bei zwei falsch positiv sowie 167 richtig negativ bewer-
teten Gelenken durch R2) höher war. Die Accuracy betrug 99,4% bzw. 98,3% für R1 bzw.
R2. Zur Definition von „richtig/falsch positiv/negativ“ siehe Tabelle 11 in 3.4.
Knochen Gelenk
% R1 R2 R1 R2
Prävalenz 8,7 8,7 2,9 2,9
Sensitivität 100 100 80 80
95%-KI 100-100 100-100 44,9-115,1 44,9-115,1
Spezifität 98,7 98,7 100 98,8
95%-KI 97,0-100,5 97,0-100,5 100-100 97,2-100,4
Accuracy 98,8 98,8 99,4 98,3
PPV 88,2 88,2 100 66,7
95%-KI 72,9-103,6 72,9-103,6 100-100 28,9-104,4
NPV 100 100 99,4 99,4
95%-KI 100-100 100-100 98,3-100,6 98,2-100,6
Tabelle 22: Deskriptive Statistik für Knochen- und Gelenkinfiltration
Unter den 15 infiltrierten Knochen und den fünf befallenen Gelenken ergab sich die in Abbil-
dung 16 sichtbare Verteilung der Lokalisationen. Vier Patienten wiesen neben einer Kno-
chen- auch eine Gelenkinvasion auf.
Abbildung 16: Verteilung der infiltrierten Knochen (a) und Gelenke (b) LWK = Lendenwirbelkörper
Von den 15 Patienten, bei denen ein Knochenbefall nachweisbar war, waren sechs an einem
undifferenzierten pleomorphen Sarkom (40%), drei an einem Synovialsarkom (20%) und je-
weils einer an einem epitheloiden Sarkom, adulten Fibrosarkom, Myxofibrosarkom, extra-
1
2
2
2
3
5 LWK
Scapula
Becken
Tibia
Fußskelett
Femur
2
3Hüftgelenk
Kniegelenk
b a
Ergebnisse
44
skelettalen myxoiden Chondrosarkom, Klarzellsarkom sowie an einem MPNST (jeweils
6,7%) erkrankt. Dies bedeutet, dass 50% der epitheloiden Sarkome, adulten Fibrosarkome,
extraskelettalen myxoiden Chondrosarkome und Klarzellsarkome (jeweils 1/2), 33,3% der
MPNST (1/3), 18,1% der undifferenzierten pleomorphen Sarkome (6/33), 11,5% der Syno-
vialsarkome (3/26) und 5% der Myxofibrosarkome (1/20) eine Knocheninfiltration aufwiesen.
Eine Gelenkinvasion zeigte sich bei zwei von 33 undifferenzierten pleomorphen Sarkomen
(6,1%) sowie bei jeweils einem von sieben fibromyxoiden Sarkomen (14%), drei MPNST
(33,3%) und zwei Klarzellsarkomen (50%). Somit waren 40% der Gelenke von einem undif-
ferenzierten pleomorphen Sarkom und jeweils 20% von einem fibromyxoiden Sarkom,
MPNST oder Klarzellsarkom befallen.
Abbildung 17: 34-jähriger Patient mit fibromyxoidem Sarkom der linken Hüftregion. Koronare T2-gewichtete TSE- (a, b) und STIR-TSE-Aufnahmen (c) zeigen eine Tumorinvasion des Hüftge-lenks. Das Tumorgewebe lässt sich deutlich innerhalb der Grenzen der Synovialmembran mit direktem Kontakt zum Schenkelhals nachweisen. Das Sarkom konnte mittels weiter Resektion im Gesunden entfernt werden. Histopathologisch bestätigte sich eine Infiltration der Synovial-membran.
Neurovaskuläres Encasement
Interreader Agreement
Gemäß dem Auswertebogen beschrieben die Reader die Ausprägung des Kontakts zwi-
schen Tumor und Gefäß bzw. Nerv mittels einer fünfstufigen Skala (vergleiche 3.3.2). Anhand
der Tabellen 23-25 sollen diese Ergebnisse gegenübergestellt werden.
Allgemein wurde eine enge Lagebeziehung zwischen Tumor und großen Leitungsbahnen in
117 von 174 Fällen (67,2%) beobachtet (bei 90 Patienten bezüglich mehr als einer Leitungs-
bahn):
˗ 93 Mal zwischen Tumor und Arterie
˗ 89 Mal zwischen Tumor und Vene
˗ 93 Mal zwischen Tumor und Nerv
a b c
Ergebnisse
45
Das Interreader Agreement war bei der Beurteilung aller drei Strukturen (Arterie/Vene/Nerv)
sehr gut (Tabelle 26).
Abbildung 18: 51-jähriger Patient mit undifferenziertem pleomorphen Sarkom am rechten Ober-schenkel. Auf der transversalen T2-gewichteten TSE-Aufnahme (a) lässt sich eine Tumorinva-sion der V. femoralis (V) erkennen. Das Ausmaß des Tumorkontakts zur A. femoralis (A) betrug gemäß beider Reader weniger als 180°. Zwischen dem N. femoralis (N) und dem Sarkom ist eine interponierte Fettgewebsschicht erkennbar. Intraoperativ erfolgte eine Tumorresektion in-klusive der A. und V. femoralis mit anschließender Gefäßrekonstruktion. Das Resektionspräpa-rat (b) zeigt den intravenösen Tumorzapfen und das entfernte Arteriensegment, welches in der histopathologischen Untersuchung keine Tumorinfiltration zeigte. Der Nerv war intraoperativ vom Tumor zu trennen.
Tabelle 25: Kontakt zwischen Tumor und Nerv (R1 vs. R2) 0 = keine Lagebeziehung, int. GWS = interponierte GWS
Arterie Vene Nerv
κ 0,845 0,892 0,893
95%-KI 0,783-0,908 0,837-0,946 0,840-0,947
Accuracy 89,1% 92,5% 92,5%
Tabelle 26: Maß der Übereinstimmung zwischen R1 und R2 bezüglich des Kontakts zwischen Tumor und Arterie/Vene/Nerv
Ergebnisse
47
Betrachtet man alle neurovaskulären Strukturen (mit nGesamt = 522 als Summe aus nGesamt Arterie
= 174, nGesamt Vene = 174 und nGesamt Nerv = 174) ergibt sich eine ähnlich hohe Übereinstimmung
zwischen R1 und R2 (κ = 0,877 mit einem 95%-KI von 0,844-0,910, Accuracy = 91,4%) wie
bei den einzelnen Strukturen (vergleiche Tabelle 26).
Abbildung 19: Transversale T2-gewichtete TSE- (a) und fettgesättigte kontrastverstärkte T1-gewichtete SE-Aufnahmen (b) einer 66-jährigen Patientin mit einem MPNST des rechten dis- talen Oberschenkels. Während R1 den Tumorkontakt zur V. poplitea (V) als kleiner 180° ein-schätzte, war er gemäß R2 größer als 180°. Der arterielle Tumorkontakt betrug gemäß beider Reader mehr als 180°. Am Amputat ließ sich histopathologisch keine venöse Infiltration nach-weisen. Die A. poplitea (A) zeigte einen Tumorbefall.
Vergleich der histologischen/intraoperativen und radiologischen
Ergebnisse
Nach den in 3.2 genannten Kriterien wurde innerhalb des Patientenkollektivs 13 Mal eine Tu-
morinvasion in Arterien, ebenso 13 Mal in Venen und 18 Mal in Nerven nachgewiesen. Dies
entspricht einer Prävalenz von:
˗ 7,5% (Arterie)
˗ 7,5% (Vene)
˗ 10,4% (Nerv)
Dabei zeigte sich bei insgesamt elf Patienten eine Infiltration von mehr als einer neurovas-
kulären Struktur, wobei in sieben Fällen sowohl Arterien, Venen als auch Nerven und in vier
Fällen Venen und Arterien vom selben Tumor befallen waren. Bei einem Patienten fehlten
Informationen zu einer möglichen Nerveninfiltration, sodass er aus den nachfolgenden, den
Tumor-Nervenkontakt betreffenden Berechnungen ausgeschlossen wurde.
a b
A A V V
N. peroneus N. tibialis
Ergebnisse
48
Abbildung 20: 49-jähriger Patient mit extraskelettalem myxoiden Chondrosarkom des rechten distalen Oberschenkels und der Fossa poplitea. Auf den transversalen T2-gewichteten TSE- (a) und kontrastverstärkten, T1-gewichteten, fettgesättigten SE-Aufnahmen (b) lässt sich eine enge Lagebeziehung zwischen Tumor und Arterie (A), Vene (V) und Nerven (N. tibialis/N. pe-roneus) erkennen. A. und V. poplitea werden dabei mit einem Kontakt von über 270° vom Tumor umschieden, die Nn. tibialis und peroneus grenzen mit einem Kontakt von weniger als 180° an den Tumor. Am Amputat wurde histopathologisch eine Gefäßinfiltration nachgewiesen. Die Nerven waren nicht infiltriert.
Abbildung 21: Transversale T2-gewichtete TSE- (a) und sagittale kontrastverstärkte, T1-ge-wichtete SE-Aufnahmen (b) eines 36-jährigen Patienten mit einem biphasischen Synovialsar-kom des linken distalen Oberschenkels und der Fossa poplitea. Der N. ischiadicus (N) wird vollständig vom Tumor umschieden (Kontakt > 270°). Intraoperativ konnte der Nerv nicht vom Tumor getrennt werden. In der histopathologischen Untersuchung zeigte sich eine nervale In-filtration.
a b
A A V
N. tibialis
N. peroneus
V N. tibialis
N. peroneus
a b
N
Ergebnisse
49
Welche Leitungsbahnen im Einzelnen wie häufig betroffen waren, wird in Abbildung 22 ver-
deutlicht.
Abbildung 22: Verteilung der infiltrierten Gefäße (a) und Nerven (b) sup. = superficialils, post. = posterior, ant. = anterior, prof. = profunda
Bei vier bzw. vierzehn Patienten stellte sich innerhalb der Operation ein derart enger Kontakt
zwischen Tumor und Gefäß (nArterie = 2, nVene = 2) bzw. Tumor und Nerv (n = 14) dar, dass die
Adventitia bzw. das Perineurium zusammen mit dem Tumor entfernt werden mussten, um
eine Resektion im Gesunden erzielen zu können.
Ein wesentlicher Aspekt dieser Studie war, herauszufinden wie groß der Kontakt zwischen
Tumor und Gefäß-/Nervenstruktur gemäß der MRT-Analyse sein muss, um mit hoher Wahr-
scheinlichkeit von einer neurovaskulären Infiltration ausgehen zu können. Dazu wurde jede
einzelne Stufe der fünfstufigen Bewertungsskala als möglicher Cut-Off-Wert (keine Infiltration
und negativ ≤ Cut-Off-Wert < Infiltration und positiv) bestimmt und ermittelt mit welcher Sen-
sitivität und Spezifität dieser Wert zwischen infiltrierten und nicht-infiltrierten Strukturen un-
Tabelle 27: Kontakt zwischen Tumor und Gefäßen bzw. Nerven (p vs. R1 und R2) int. GWS = interponierte GWS, Ges. = Gesamt, p Infiltration: 0 = keine Infiltration (negativ), 1 = Infil- tration (positiv), Definition bezüglich R1/R2: 0/1 s.o.
Ergebnisse
52
Einzelne Fälle mit richtig/falsch positiven/negativen MR-Befunden sollen im Folgenden ver-
anschaulicht werden:
Abbildung 23: 61-jähriger Patient mit Leiomyosarkom des linken proximalen Oberschenkels. Auf den transversalen T2-gewichteten TSE- (a) und koronaren kontrastverstärkten, T1-gewich-teten SE-Aufnahmen (b) lässt sich eine enge Lagebeziehung zwischen Tumor und Arterie (A), Vene (V) und Nerv (N) erkennen. Beide Reader schätzten den Tumorkontakt zu A. femoralis und V. femoralis als größer 180° ein, zum N. femoralis als kleiner 180°. Intraoperativ konnte die Ar-terie nicht vom Tumor getrennt werden, sodass sie reseziert und anschließend rekonstruiert werden musste. Die Vene dagegen konnte vom Tumor gelöst und in situ belassen werden (falsch positiver MRT-Befund). Der Nerv war nicht infiltriert.
b
a b
A V
N
Ergebnisse
53
Abbildung 24: 83-jähriger Patient mit einem MPNST am rechten distalen Oberschenkel. Auf den transversalen T2-gewichteten TSE- (a) und koronaren kontrastverstärkten, T1-gewichteten SE-Aufnahmen (b) zeigt sich eine enge Lagebeziehung zwischen Tumor und Arterie, Vene und Nerv. Das Ausmaß des Tumorkontakts betrug gemäß beider Reader mehr als 180° zum N. is-chiadicus und weniger als 180° zur A. und V. poplitea. Intraoperativ konnte der Nerv nicht vom Tumor gelöst werden, sodass eine Amputation erforderlich war. Histopathologisch wurde eine Infiltration der Adventitia von A. und V. poplitea nachgewiesen (falsch negativer MRT-Befund). Der N. ischiadicus erwies sich angesichts zahlreicher Satellitenknoten ebenfalls als infiltriert.
Bei Betrachtung der Daten in den Tabellen 28-31 fällt erwartungsgemäß auf, dass mit höher-
gradiger Einschätzung des Tumorkontakts zu Arterie/Vene/Nerv die Sensitivität sinkt, wäh-
rend die Spezifität und Accuracy des Tests steigen. Als optimaler Cut-Off ergibt sich bei hoher
Sensitivität und gleichzeitig maximaler Spezifität ein Tumorkontakt von > 180° zur Gefäß-/
Nervenzirkumferenz (Ausnahme: Beurteilung des Kontakts zwischen Tumor und Nerv durch
R2). Zur genauen Berechnung des bestmöglichen Cut-Off-Werts mittels Youden-Index siehe
Tabelle 32 in 4.5.6.
a b
A V
N A
V
Ergebnisse
54
Arterie
> int. GWS > 90° > 180° > 270°
% R1 R2 R1 R2 R1 R2 R1 R2
Sensitivität 100 100 92,3 100 84,6 84,6 61,5 69,2
95%-KI 100- 100
100- 100
77,8- 106,8
100- 100
65- 104,2
65- 104,2
35,1- 88
44,1- 94,3
Spezifität 45 43,8 68,8 60 97,5 93,8 98,8 98,8
95%-KI 34,1- 55,9
32,9- 54,6
58,6- 78,9
49,3- 70,7
94,1- 100,9
88,4- 99,1
96,3- 101,2
96,3- 101,2
Accuracy 52,7 51,6 72 65,6 95,7 92,5 93,5 94,6
PPV 22,8 22,4 32,4 28,9 84,6 68,8 88,9 90
95%-KI 11,9- 33,7
11,7- 33,1
17,3- 47,5
15,6- 42,1
65- 104,2
46- 91,5
68,4- 109,4
71,4- 108,6
NPV 100 100 98,2 100 97,5 97,4 94 95,2
95%-KI 100- 100
100- 100
94,7- 101,7
100- 100
94,1- 100,9
93,8- 101
89- 99,1
90,6- 99,8
Tabelle 28: Deskriptive Statistik für den Kontakt zwischen Tumor und Arterie int. GWS = interponierte GWS
Vene
> int. GWS > 90° > 180° > 270°
% R1 R2 R1 R2 R1 R2 R1 R2
Sensitivität 100 100 92,3 100 84,6 84,6 61,5 69,2
95%-KI 100- 100
100- 100
77,8- 106,8
100- 100
65- 104,2
65- 104,2
35,1- 88
44,1- 94,3
Spezifität 47,4 43,4 63,2 61,8 97,4 94,7 100 100
95%-KI 36,1- 58,6
32,3- 54,6
52,3- 74
50,9- 72,8
93,8- 101
89,7- 99,8
100- 100
100- 100
Accuracy 55,1 51,7 67,4 67,4 95,5 93,3 94,4 95,5
PPV 24,5 23,2 30 31 84,6 73,3 100 100
95%-KI 12,9- 36,1
12,2- 34,3
15,8- 44,2
17- 44,9
65- 104,2
51- 95,7
100- 100
100- 100
NPV 100 100 98 100 97,4 97,3 93,8 95
95%-KI 100- 100
100- 100
94- 101,9
100- 100
93,8- 101
93,6- 101
88,6- 99,1
90,2- 99,8
Tabelle 29: Deskriptive Statistik für den Kontakt zwischen Tumor und Vene int. GWS = interponierte GWS
Tabelle 32: Youden-Index (maximale Werte) mit entsprechendem Tumorkontakt zu Arterie/Vene/ Nerv sowie zu allen drei Leitungsbahnen (Gesamt) als Cut-Off-Wert max. = maximal
T1: Tumor ≤ 5 cm a: oberflächlich (oberhalb der Faszie ohne Invasion der Faszie) b: tief (entweder ausschließlich unterhalb der Faszie oder oberhalb der Faszie mit Invasion der Faszie oder sowohl ober- als auch unterhalb der Faszie)
T2: Tumor > 5 cm a: oberflächlich (oberhalb der Faszie ohne Invasion der Faszie)
b: tief (entweder ausschließlich unterhalb der Faszie oder oberhalb der Faszie mit Invasion der Faszie oder sowohl ober- als auch unterhalb der Faszie) Max. Tumordurchmesser (cm): .............
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Lebenslauf
91
Lebenslauf
Persönliche Daten
Name: Jennifer-Verena Emanuela Regler
Geburtsdatum: 11.08.1987
Geburtsort: Nürnberg
Familienstand: ledig
Nationalität: Deutsch
Schulische Ausbildung
1994–2002 Maria-Ward-Schule Nürnberg 2002–2007 Johannes-Scharrer-Gymnasium Nürnberg Abschluss: Abitur Studium
2007–2009 Studium der Humanmedizin an der Ludwig- Maximilians-Universität München 09/2009 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 2009–2014 Studium der Humanmedizin an der Technischen Universität München 12/2012–11/2013 Praktisches Jahr 12/2012–04/2013 Spitalzentrum Oberwallis Visp, Schweiz (Chirurgie) 04/2013–05/2013 Concord Repatriation General Hospital Sydney, Australien (Innere Medizin) 06/2013–07/2013 II. Medizinische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der TU München (Innere Medizin) 07/2013–11/2013 Neurologische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der TU München (Neurologie) 04/2014 2. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung Nebentätigkeiten
10/2010–11/2012 Wissenschaftliche (studentische) Hilfskraft, Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie des Klinikums rechts der Isar der TU München Stipendien
2007–2014 Stipendium von e-fellwos.net 2008–2014 Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes Sprachen