1. Einleitung Zur effektiven Didaktik des deutschen Deklinationssystems Kyung-An Song Es ist allgemein bekannt. dap das Deutsche eine schwierige Sprache ist. Die Schwierigkeiten kommen u. a. von dem komplizierten Flexionssystem des Deutschen her. Es ist folglich eine wichtige Aufgabe vom DaF. effektive Vermittlungsmethode des deutschen Flexionssystems zu ent- wickeln. besonders. wenn der Fremdsprachenunterricht mehr oder weniger grammatisch orientiert ist. wie das in Ostasien der Fall ist. Die vorliegende Arbeit bescMiftigt sich mit dem deutschen Deklinationssystem. einem wichtigen Teil des Flexionssystems insgesamt. und zwar aus didaktischer Sicht. Sie priift die Probleme der gegenwartigen Systematisierungen des deutschen Deklinationssystems in den Lehr- und Grammatiktexten in Deutschland und Korea und schlagt eine Alternative vor. Zu diesem Zweck wird vorher iiber die Brauchbarkeit des Grammatikunterrichts und den Begriff der Effektivitat diskutiert. 2. Brauchbarkeit der Grammatik und die Situation in Ostasien In bezug auf die RoUe der Grammatik im Fremdsprachenunterricht kann man geschichtlich drei Periode unterscheiden: die der sog. traditionellen Grammatik. der strukturalistischen Grammtik und der generative Transfor- mationsgrammatik (Cho. 1988: 90). Die RoUe der Grammatik in der ersten Phase ist ohne weiteres klar; es wurde dabei hauptsachlich die Grammatik der Zielsprache gelehrt. Sprechen und Horen wurden dagegen vernachlassigt. Nach dem zweiten Weltkrieg. besonders in den D.S.A., wird aus m 28 '{t; m 1 ¥dE. 1992. 3. 0254-4474/69-85 69
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1. Einleitung
Zur effektiven Didaktik des deutschen Deklinationssystems
Kyung-An Song
Es ist allgemein bekannt. dap das Deutsche eine schwierige Sprache ist.
Die Schwierigkeiten kommen u. a. von dem komplizierten Flexionssystem
des Deutschen her. Es ist folglich eine wichtige Aufgabe vom DaF.
effektive Vermittlungsmethode des deutschen Flexionssystems zu ent
wickeln. besonders. wenn der Fremdsprachenunterricht mehr oder weniger
grammatisch orientiert ist. wie das in Ostasien der Fall ist. Die vorliegende
Arbeit bescMiftigt sich mit dem deutschen Deklinationssystem. einem
wichtigen Teil des Flexionssystems insgesamt. und zwar aus didaktischer
Sicht. Sie priift die Probleme der gegenwartigen Systematisierungen des
deutschen Deklinationssystems in den Lehr- und Grammatiktexten in
Deutschland und Korea und schlagt eine Alternative vor. Zu diesem Zweck
wird vorher iiber die Brauchbarkeit des Grammatikunterrichts und den
Begriff der Effektivitat diskutiert.
2. Brauchbarkeit der Grammatik und die Situation in Ostasien
In bezug auf die RoUe der Grammatik im Fremdsprachenunterricht kann
man geschichtlich drei Periode unterscheiden: die der sog. traditionellen
Grammatik. der strukturalistischen Grammtik und der generative Transfor
mationsgrammatik (Cho. 1988: 90).
Die RoUe der Grammatik in der ersten Phase ist ohne weiteres klar; es
wurde dabei hauptsachlich die Grammatik der Zielsprache gelehrt.
Sprechen und Horen wurden dagegen vernachlassigt.
Nach dem zweiten Weltkrieg. besonders in den D.S.A., wird aus
~*Wf~ m 28 '{t; m 1 ¥dE. 1992. 3. 0254-4474/69-85 69
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praktischem Bedarf die Ver a nderung der Methode des Fremdsprachen
unterrichts erforderlich (Helbig, 1974: 85). Die theoretische und wissen
schaftliche Basis dazu war die amerikanische strukturalistische Linguistik.
In diesem Rahmen wurden Sprechen und Horen betont, und die Grammatik
wurde aus dem Fremdsprachenunterricht fast vertrieben.
Das Erscheinen von Noam Chomsky, etwa Mitte des 20. Jahrhunderts,
war ein Wendepunkt in der Linguistik und auch in der Sprachlehr
forschung. Die sog. "kognitive Theorie" des Fremdsprachenunterrichts
wurde in diesem Zusammenhang entwickelt. Dadurch ist die Grammatik
wieder in den Fremdsprachenunterricht zuriickgetreten (Stern, 1983: 470).
Die vorliegende Arbeit geht von der Position der "kognitiven Theorie"
aus. Es muj3 in diesem Rahmen sorgfaltig und griindlich untersucht
werden, wie weit und mit welcher Vermittlungsmethode die Grammatik in
den Fremdsprachenuntericht eingefiihrt werden soll.
Wahrend in den westlichen Landern die methodische Diskussion
inzwischen sehr heftig durchgefiihrt wurde und die Lehrpraxis stark
beeinflu,6t hat, ist sie in Ostasien bis jetzt fast rein akademisch geblieben.
Die Lehrpraxis hat sie dagegen kaum beeinflu,6t. In Ostasien sollte man
daher einerseits auf die Sprech- und Horpraxis Nachdruck legen, und
andererseits den Grammatikunterricht effektivieren.
3. Der Begriff der EffektivWit der grammatischen ErkUirung
Von der Seite der Sprachlehrforschung wurde seit den 70er Jahren die
effektive Vermittlungsmethode der Grammatik im Angriff genommen,
wobei sich die sog. "Didaktische Grammatik" konzipiert hat (vg!. Bausch, 1979). Nach Jung (1975) soll die didaktische Grammatik auch den
N er sie es Sle N -er* -e -es* -e G seiner ihrer seiner ihrer G -es -er -es -er D ihm ihr ihm ihnen D -em -er -em -en A ihn sie es sie A -en -e -es* -e
lm Vergleich mit den Artikelwortern sind die Pronomen syntaktisch
dadurch charakterisiert, daj3 sie nicht als pranominaler Determinator
gebraucht werden. Ein morphologlsches Merkmal des Pronomens ist die
Endung "-nen" in der 3. Person Dativ Plural (vg!. Tabelle 5-6).
Obwohl es, besonders im Genetiv, einen auffallenden formalen
Unterschied gibt, basiert auch die Deklination des Pronomens auf der
jenigen des bestimmten Artikels. Die formale Ahnlichkeit zwischen dem
Artikel und dem Demonstrativpronomen ist ohne weiteres klar. Und wenn
wir die DekIinationsformen sorgfaltig untersuchen, k6nnen wir auch
zwischen Artikeln und dem Personalpronomen der 3. Person eine
systematische formaie Ahnlichkeit finden (vg!. Tabelle 4 und 6). Ihre
formale Ahnlichkeit im Nominativ wird oft in den Lehrtexten erwahnt (vg!.
Schneider, 1989, Bd. 1: 72; Aufderstra/3e, u. a., 1983: 129; Mebus, u. a.,
1987: 169). Aber auf die Ahnlichkeiten im Dativ und Akkusativ wird in
den Lehr- und Grammatiktexten kaum hingewiesen. Unter den von dem
Verfasser gepriiften Texten ist Schulz & Griesbach (1983) dabei die
einzige Ausnahme. Die Autoren verweisen ausdriicklich die systematische
formale Ahnlichkeit zwischen dem bestimmten Artikel und dem Personal-
pronomen.
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Die meisten Lernenden, die in ihrem Deutschkurs von dieser Ahnlichkeit
nie erfahren haben und von dem komplizierten deutschen Pronominal
system entmutigt sind, fii hlen sich sehr erleichtert, sobald sie diese Ahnli
chkeit bemerken und die gleichen Endungen in den Ausdruckspaaren
erkennen, wie "mit dem Mann-mit ihm" und "fUr den Mann-fur ihn."
Kern & Zutt (1977: 99£) fassen das Deklinationssystem des Personal
pronomens als ein von dem Artikel unabhangiges Paradigma auf, weil die
Personalpronomen im Gegensatz zu den Artikelwortern nicht in Stamm
und Endung analysiert werden sollten. Von dem Standpunkt der modernen
Theorie der Formanalyse haben Kern & Zutt (1977) recht. Aber aus der
Perspektive von DaF kann man argumentieren, dap die Beschreibungs
technik der modernen Sprachwissenschaft die Effektivierung des Unter
richts nicht verhindern darf.
Ein weiteres Problem bei der Einfuhrung der deutschen Pronomen ist die
Einfuhrungszeit. lm Fremdsprachenunterricht mup man sich sorgfaltig u
berlegen, in welcher Reihenfolge die grammatischen Kategorien eingefuhrt
werden sollen, wobei man die formalen, syntaktischen und semantischen
Aspekte der betreffenden Kategorien beriicksichtigen mup. Die gramma
tisch einfacheren Kategorien sind jedenfalls fruher einzufiihren als die
komplizierteren.
In bezug auf das Pronomen kommt die relative Reihenfolge von Possessiv
und Personalpronomen in Frage oder die des Demonstrativpronomens "der"
und des Relativpronomen.
In formaler Hinsicht steht das Possessivpronomen in engem Zusammen
hang mit dem Personalpronomen; die Fromen in Gen. aller Personen und
die Formen im Dat. und Akk. der 1. und 2. Person sind den Formen des
Possessivpronomens ahnlich (vg!. Tabelle 6-8). Und diese Ahnlichkeit mup im Unterricht ausgenutzt werden. Da das Possessivpronomen, das zu den
Artikelwortern gehOrt, zu der grammatisch einfacheren Kategorie gehOrt,
mu/3 sie fruher eingefiihrt werden, als das Personalpronomen. Von den in
der vorliegenen Arbeit geprliften Texten richten sich zwei Drittel nach
dieser Reihenfolge. Aber es gibt auch Texte, die in der umgekehrten
Richtung verlaufen (Roh, 1990; Kim, 1988; Cho & Kim, 1990; Chung &
Park, 1989; Song & Lee, 1989; Neuner, u. a., 1987; Aufderstrap, u. a.,
1983; Haussermann, u. a., 1978). Sehr bedenklich erscheint dabei der Vorschlag von Cho & Kim (1990), die das Possessivpronomen aus den