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Staatliche Museen zu Berlin -- Preuischer Kulturbesitz
Zum Nachleben des Laokoon in der RenaissanceAuthor(s): Matthias
WinnerSource: Jahrbuch der Berliner Museen, 16. Bd. (1974), pp.
83-121Published by: Staatliche Museen zu Berlin -- Preuischer
KulturbesitzStable URL: http://www.jstor.org/stable/4125704
.Accessed: 10/02/2014 16:57
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE
VON MATTHIAS WINNER
Filippinos unvollendetes Fresko an der 6stlichen Schmialwand vom
Portico oder - anti- kisch - Vestibulum der Villa Lorenzos de'
Medici in Poggio a Caiano wird bereits von Vasari erwahnt'.
Filippino habe hier fiir Lorenzo eine Opferszene zu malen begonnen
(Abb. 1). Vasari war also bekannt, daB das Fresko unvollendet
blieb. Hingegen blieb ihim das Thema der Malerei, der >>Tod
des Laokoon
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84 MATTHIAS WINNER
Abb. I. Filippino Lippi, Opfer des Laokoon, Freskenfragment
Villa Poggio a Caiano
wieder nach Florenz zuriickzukehren. 1504 stirbt Filippino.
Zugegeben, wir wissen nicht, ob auch wahrend der Exilzeit der
Medici mbiglicherweise an der Villa weiter-
gearbeitet wurde. Das steckengebliebene ehrgeizige
Bauunternehmen Lorenzos, das nach Giovios Aussage mit den
Prachtbauten in Florenz vom iilteren Cosimo, dem Grol3- vater,
konkurrieren sollte, kann kaum nach 1492 fortgeffihrt worden sein6.
Denn
Filippinos Romreise 1488 ff. zeitlich festlegen; denn Lorenzo
Magnifico kann mit Filippino auch in Rom brieflich in Verbindung
stehen. (K. B. Neilson, Filippino Lippi, Cambridge Mass. 1938 S. 98
ff. datiert das Fresko um 1491/2.)
6 Paolo Giovio, Le vite di Leone Decimo et d'Adriano VI tradotto
da M. Lodovico Domenichi, Florenz
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 85
Abb. 2. Filippino Lippi, Tod des Laokoon, Feder laviert,
Florenz, Uffizien Gab. dis. 169 F
schliel31ich hat, wie die Quellen berichten, selbst Papst Leo
X., der Sohn Lorenzos, nach 1515 die Wiederaufnahme der Arbeiten zu
Ehren seines Vaters betrieben7. Aber selbst damals wurde
offensichtlich kein Pinselstrich mehr an dem unvollendeten
Fresko
getan. Deshalb m6chte ich die Malerei gemliB Vasari vor 1492
ansetzen. Solange die Bau-
1551 S. 41: Et havendo deliberato mosso dal desiderio
d'edificare, di voler vincere di pompa e di vaghezza Cosmo suo
avolo nella fabrica di Poggio a Caiano; diceva che egli piutosto
pasceva un gran numero d'opere che non edificava.
7 Vgl. M. Winner, Cosimo il Vecchio als Cicero, in: Zs. f. KG.
33, 1970 S. 262.
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86 MATTHIAS WINNER
Abb. 3. Filippino Lippi, Tod des Laokoon, Feder laviert, Ehem.
Haarlem, Slg. Koenigs
daten der Villen-Architektur des Giuliano da Sangallo nicht
festliegen, kann man kaum
fiir ihre Ausschmiickung festere Daten verlangen. Aus der
Buchmalerei 1]iBt sich Filippinos monumentales Fresko nicht
ableiten. Ver-
gleicht man nimlich mit dem Entwurf die einzige Illustration der
Laokoon-Szene des 15. Jahrhunderts im Vergil-Codex der Riccardiana
(Cod. 492 fol. 78 v) von Apollonio di Giovanni vor 1465, springen
die Unterschiede in die Augena (Abb. 4). Apollonio schildert das
Vorher und Nachher anhand des vergilischen Textes (Aeneis II,
199-227). Die Schlangen schwimmen in ungeheuren Windungen (immensis
orbibus) von der Insel Tenedos fiber das ruhige Meer zum Ufer, die
Hiupter fiber die Wellen gereckt. Alles flieht. Erst umschlingen
sie die Sihne Laokoons, dann den Priester selbst, der eben in
pseudo-orientalischer Tracht am Altar steht, um Neptun zu
opfern. Im Hintergrund Trojas Mauern, davor das h6lzerne Pferd. Der
betriigerische Sinon hat gerade das Pferd
8 Die iiberzeugende Identifizierung des Cassone-Malers Apollonio
di Giovanni mit dem Miniaturisten gelang E. H. Gombrich in: The
Journal of the Warburg and Courtauld Institutes XVIII, 1955 S.
16-34; vgl. auch die Faksimile-Ausgabe Virgilius opera Bucolica,
Georgica, Aeneis, Manoscritto 492 della Biblio- teca Riccardiana di
Firenze. A cura di B. M. Biagiarelli, Florenz 1967.
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 87
als angebliches Siihnegeschenk der Danaer an Minerva erklirt,
weil Odysseus und Dio- medes das Palladium, das ehrwiirdige
G6tterbild, aus dem Tempel Minervas geraubt hditten. Den
Opferstier, von dem Vergils Text spricht, unterschligt der
Miniaturist. Bei Filippino aber wird gerade diesem Stier mehr als
die Hilfte der verfiigbaren Bildbreite einger~umt, w~hrend das fiir
die Erzihlung so wichtige h6lzerne Pferd ganz ausgelas- sen ist.
Diese Besonderheit des Freskos stiitzt die Vermutung des
Archdiologen Arnold von Salis, daB Filippino eine antike r6mische
Bildiiberlieferung gekannt haben muf3, die uns verborgen bleibt9.
Diese unbekannte Vorlage kann dihnlich ausgesehen haben wie
Abb. 4. Apollonio di Giovanni, Tod des Laokoon,
Deckfarbenminiatur Florenz Riccardiana Cod. 492 fol. 78 v
die beiden antiken Laokoonszenen, die wdhrend des letzten
Jahrhunderts in Pompeji ausgegraben wurden. Die Malerei der sog.
Casa Menandri und eine zweite, mittlerweile ganz verblaBte Szene
aus der sog. Casa di Laocoonte'o. Das letztere Stiick ist teilweise
zerst6rt und nur noch nach Holzstichen des 19. Jahrhunderts zu
beurteilen (Abb. 5). Seitenverkehrt zu Filippinos Fresko zeigt es
dennoch damit weitgehend iibereinstim- mend Laokoon im Kampf mit
einer Schlange, deren Kopf auf der H6he seines Hauptes zust6B3t.
Vergil spricht vom giftbesudelten Stirnband des Priesters. Der
antike Laokoon ist mit Mantel und gegiirtetem Chiton bekleidet, der
auf der H6he der Waden gesiumt ist. Ahnlich kleidet Filippino
seinen Laokoon, wenngleich er ihm dariiber hinaus phan- tastische
Armel gibt und ihn mit bedecktem Haupt zeigt. Hingegen stimmt bei
beiden
9 A. von Salis, Antike und Renaissance, Zilrich 1947 S. 140 f.
10 Zur pompejanischen Wandmalerei vgl. besonders F. Magi, Il
ripristino del Laocoonte, Atti della Pon-
tificia Accademia Romana di Archeologia III, 9, 1960 S. 50 Tafel
IX, 1 und 2. Abbildungen und Diskussion der beiden Stiicke auch bei
L. D. Ettlinger, Exemplum Doloris. Reflections on the Laocoon
Group, in: Essays in Honor of Erwin Panofsky, New York 1961, Vol. 2
P1. 37. Vgl. auch H. H. Brummer, The Statue Court in the Vatican
Belvedere, Stockholm 1970, Abb. 101.
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88 MATTHIAS WINNER
Darstellungen iiberein, daB3 die S6hne vor den Fiil3en ihres
Vaters von Schlangen um- wunden liegen und nicht wie in Apollonios
Miniatur links vom Vater ihren Platz finden. Die Miniatur zeigt den
Laokoon mit ergeben ausgebreiteten Armen. Bei Filippino und in der
Pompejanischen Wandmalerei kimpft er, die Stufen des Altars zum
stiirmischen Aufsteigen nutzend. Die Knoten der Schlangen sucht er,
wie Vergil auch schreibt, mit den Hiinden zu 16sen. Hinter dem
Opferstier, der sich jeweils von Laokoon wegwendet,
Abb. 5. Tod des Laokoon, Pompejanische Wandmalerei 1. Jh. n.
Chr.
nach Holzstich aus >>Lessings Laokoon
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 89
Iliupersisl2. Selbst Vergils Schilderung der Katastrophe wurde
von den spatantiken Kom- mentaren verschieden ausgelegt. Mir ist im
15. Jahrhundert kein Autor bekannt ge- worden, der den Laokoon
unabhangig von Vergil erwdhnt hlitte, obgleich Boccaccio be- reits
im Trecento den Laokoon als 55. Sohn von Priamus ins IV. Buch
seiner Genealogia deorum gentilium aufgenommen hatte"l. Diese Notiz
entnahm Boccaccio dem Lexiko- graphen Papias. Zur folgenden
Aussage, daB Laokoon Apollo-Priester war, brauchte Boccaccio den
Papias nicht. Dies stand auch im Kommentar des Servius zu Vergils
Versen"4. Apoll ziirnte namlich dem Laokoon, weil er vor dem
Gttterbild seinem Weibe Antiopa beigewohnt hatte. Deswegen schickte
Apoll die t6dlichen Schlangen. Aber Ser- vius gibt auch eine andere
Erklrung des Todes durch die Schlangen. Laut Vergil sei Laokoon nur
durchs Los zum Neptunspriester gewahlt worden, w~hrend doch Neptun
als Erbauer Ilions den Trojanern ziirnte und mit dem Schicksal
seines Priesters zeigen wollte, was jene verdienten. Und
schlieBl3ich, so Servius, sei auch Minerva den Troja- nern
feindlich gesonnen; denn nach der unheilvollen Tat seien die
Schlangen in den Tempel Minervas geglitten. Dies ware als Zeichen
des Untergangs der Stadt zu deuten gewesen. Die Trojaner hatten
dies Zeichen laut Vergil (Aeneis II, 228 ff.) jedoch genau falsch
verstanden, als sie die Mauern niederlegten, um das der Minerva
geweihte Pferd zum Heiligtum der G6ttin zu ziehen.
Wie sollte uns deshalb auch der Kommentar des spatantiken
Donatus helfen, der Laokoons Schicksal als Beispiel fiir die
>>impietas deorumLaocoonta
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90 MATTHIAS WINNER
Laokoon ein tabernakelartiger Bau mit Flachkuppel und Laterne.
Der spaitere Uffizien- entwurf veraindert das Tabernakel zu einem
Gehause mit abschlieBender Nische, in die man wegen der
zugemauerten linken Wand nicht richtig zwischen die Pfeiler sehen
kann. Die Saulen vom ersten Entwurf sind durch Pfeiler und
Pilastervorlagen ersetzt. Das friiher gerade Gebalk 6ffnet sich
jetzt mit einem flachen Bogen. Und eine hohe Attikazone gibt Raum
fir ein Relieffeld, das in der gemalten Ausfiihrung - obgleich
verwittert - einen oder mehrere Kentauren gerade noch erkennen
hl3it. Von einem Baum hangt dort die Pansfl6te herab, weshalb man
an Chiron denken kinnte, der Achill ja in Musik unterwies. Die
rahmende Architektur dieses wie eine Bronze dunkler ge- haltenen
Attikareliefs ist jedoch auch mit maritimen Dekorationsmotiven
durchsetzt, so daB Peter Halm und jiingst Andrd Chastel es fur
selbstverstindlich hielten, diesen Bau als Neptunstempel
anzusprechenl6. SchlieBlich vollzieht Laokoon doch das Stieropfer
zu Ehren Neptuns. Leider ist auch die gemalte ruin6se Aedicula
links so zerstbrt, daB dort ein Relief einer weiblichen Gestalt,
anscheinend mit einem Lowen zu ihren FiiBen, nicht recht bestimmt
werden kann. Dennoch wird man schon des Kentauren und des Ltwen
wegen den Namen Neptunstempel als allein m6gliche Interpretation
des Gebaiu- des ablehnen miissen. Ganz deutlich zu sehen ist jedoch
im bekr6nenden Giebelrelief ein bartiges Meerwesen mit Dreizack und
Delphin. Ihm gegeniiber sitzen in der gleichen bergenden Muschel
zwei schlangengeschwdnzte kindliche Meerwesen. Das Motiv einer
Muschel mit sitzender Gestalt leitet sich von Nereidensarkophagen
mit der Geburt der Venus her, die meist in zentraler Muschel sitzt
und von Eroten umgeben wird. Ein wichtiges Beispiel k6nnte
Filippino in S. Giovanni in Laterano gesehen habenloa. Doch des
Dreizacks wegen waire der Bartige hier in der Muschel als Neptun
anzusprechen. Delphinumwundene Dreizacke beleben gleichzeitig die
Pilasterfiillungen der gemalten Architektur Filippinos. Neptun ist
zwar der Erbauer der Mauern Trojas und kann als solcher auf allen
Gebauden der Stadt mit Recht abgebildet sein (frdl. Hinweis Erika
Simon)17; aber nach einem Neptunstempel wiirde man Vergils Text
allerdings vergeb- lich befragen; denn Laokoons Opfer fand ja vor
den Toren Trojas am Meeresufer statt. Auch sonst weiB der Text von
keinem Tempel des Neptun. Die Schlangen fliichten sich vielmehr
nach dem Tode Laokoons in den Tempelbezirk der Minerva. Vergil
nennt die G6ttin an dieser Stelle mit dem Beiwort >>saeva
Tritonisergrimmte Tritonis
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 91
Pferdes liegt jetzt der tote Laokoon mit den Sbhnen. In die
Mauern Trojas ist schon die Bresche gebrochen, durch die man
begeistert Minervas Pferd zieht. Rechts iiber der Gruppe von
Priamus und Cassandra steht das Standbild der gewappneten G6ttin in
einer Nische. Unter ihrem Schild ragen die beiden Schlangenleiber
noch hervor. In gleichem Sinne hat auch Marco Dente etwa ein
Jahrzehnt spaiter den Tempel hinter dem khimp-
Abb. 6. Tod des Laokoon, Holzschnitt aus Vergilii Opera,
Strassburg,
Griininger 1502 fol. CLXII v.
Abb. 7. Einzug des trojanischen Pferdes, Holzschnitt aus
Vergilii Opera,
Strassburg, Griininger 1502 fol. CLXIIII v
fenden Laokoon als >>Minervae sacrumMinervae
sacrum>summa delubra>delubrum>Delubrum
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92 MATTHIAS WINNER
Abb. 8. Marco Dente, Tod des Laokoon, Kupferstich
Cristoforo Landinos Kommentar aber, der unter dem Patronat der
Medici in Florenz
niedergeschrieben und 1478 gedruckt wurde, erliuterte delubrum
als den Ort, in dem das Gbtterbild stiinde oder eine Kerze -
Landino verdeutlichte >>wie wir sagen, Kande-
laber>delubraSub pedibusque
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 95
Abb. 9. Tod des Laokoon, R6misch 4./5. Jh. n. Chr. Miniatur im
Vergil-Codex, Rom Vat. lat. 3225 fol. 18 v
Wichtig in unserem Zusammenhang scheint, daB Landino Minervens
Beiwor't >>Tri- tonis>Tri- tonia
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94 MATTHIAS WINNER
gar Pausanias (9,3 557) oder auch Herodot (4, 1 78), daB Minerva
von dem Bach Triton in Biotien oder aber von dem gleichnamigen
Gewdisser in Thessalien herstamme. Selbst den Diodor (53, 70) zieht
Landino heran. Demnach sei die im TritonfluB geborene Mi- nerva von
Ammon, der mit Amalthea einen Sohn gezeugt hatte, zur Wdichterin
des in einer Hihle versteckten Kindes bestellt worden. Dabei habe
dann Minerva mit ihrem beweglichen Verstand viele Kiinste erfunden.
Wird sie also von Vergil als Verderberin des Laokoon >>grimme
Tritonis>Tritonia>Giostra>Pallas und
Kentaur>Tritonia>Timaios>Ich bin was ist, was sein wird,
was gewesen ist.
27 Zitiert nach: Le Stanze l'Orfeo e le Rime di Messer Angelo A.
Poliziano ed. G. Carducci, Florenz 1865 S. 89. Carducci meint, dafl
Vergils >>armipotens praeses belli Tritonia virgo
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 95
Mich enthfillt niemand.>Semper
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96 MATTHIAS WINNER
Kreisen - spiris -, umnfassen zweimal seinen Leib und zweimal
den Hals33. Wieder ist es allein Landino, der einen lkngeren
Kommentar zu Vergils Kreisvergleichen verfaBt". DaB
>>spira< in der Sprache des Architekten den Wulstring an
der Basis einer Siule be- zeichnet, schrieb Landino vom Servius ab.
Den Vergleich mit dem Schiffstau >>funis
nauticusspirula>catellaspira< noch
>>catella< ausdriicklich auf die Kreisform von Zeit und
Ewigkeit.
Abb. 12. Stuckornamente am Tonnengew6lbe des Portico der Villa
Poggio a Caiano
Im Gegenteil, Landino wendet sich gegen diejenigen, die spira
und circulus verwech- seln. Spira sei eben die Spirale, deren
angebliches Kreisende immer wieder den Anfang eines neuen Kreises
bilde.
Dabei konnte die Bilderwelt seiner Tage den Vergleich zwischen
dem Halsrelief einer sch6nen Frau und der Schlange der Ewigkeit
bereits ziehen, wenn man das in Florenz entstandene Maidchenbildnis
des Piero di Cosimo aus Chantilly heranzieht. Es ist ganz gewil3
keine Cleopatra, wie man vermutete, als man an dem spdter
zugef-igten Namens-
zug >>Simonetta Januensis Vespucci< zu zweifeln begann.
Die Schlange bezieht sich viel- mehr, wie Eve Borsook mit Recht
vermutet, auf die Kreisform des Medici-Ringes mit dem
Ewigkeits-Motto Semper, wer auch immer dargestellt sein mag35.
Das vergilische Wort >>spira>spira
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 97
dino jedoch nicht zeitallegorisch, sondern niichtern allgemein
als eine lAngergestreckte Sache, die kreisf6rmig umgebogen
wird36.
Sollten die drei stuckierten, verknoteten Ringe der
Medici-Imprese vielleicht auf die
Schlangenknoten, nodos, bezogen werden, die Laokoon nach dem
vergilischen Text ver- geblich zu 16sen versucht35? Aber auch hier
schweigt die Interpretation des Landino. Er bemerkt vielmehr zum
folgenden Vergleich Vergils zwischen dem schreienden Laokoon und
einem getroffenen Opferstier, daB diese Schilderung im Leser
>>indignatio>misericordia>qualis ... Non mancho le
guerre Troiane
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98 MATTHIAS WINNER
Da gesellt sich der alternde Dichterling Eumolp zu ihm und
beklagt angesichts der alten Meisterwerke den gegenwirtigen
Tiefstand der Kiinste. Der Alte erliutert darauf dem Enkolp in
Versen die gemalte Zerst6rung Trojas, wobei am ausfiihrlichsten der
Tod Laokoons und seiner Sihne zur Sprache kommt. Vergils
Schilderung dient der Ekphrasis zum Muster und wird teilweise
verballhornt. Ob die Maler des Bildes nun Zeuxis, Pro- togenes oder
Apelles sind, die ja vorher als Meister anderer Bilder dieser
Pinakothek erwdihnt waren, wird nicht eigens gesagt. Sollte aber
Filippino von Petrons Schriftquelle geh6rt haben, stand es ihm
frei, sich als Wiederhersteller des Bildes eines der groBen antiken
Meister zu empfinden.
Und drittens hat Filippino gleichermaBen die beriihmte
Pliniusstelle in der Natur- geschichte (Buch XXXVI, 37) fiber den
antiken Laokoon als Ansporn zur Wiederher- stellung eines
verlorenen Meisterwerkes aufnehmen mfissen; denn dort wird gesagt,
daB der >>LaokoonFestina lente,EjiE 8 3cpo8F',>festina
tarde oder lente>Eile mit Weile>Festina tarde oder lente
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 99
werden (Abb. 1). Die Miinze des Titus mui3 mit hinter der
Erfindung stecken, zumal Piero Valeriano in seinen Hieroglyphica
eine pfeilartige Sonderform des Ankers auf einer Titus-Miinze
beschreibt. Spielt vielleicht die dreifache Verwendung des Motivs
in der Hintergrundsarchitektur von Filippinos gemaltem Laokoon auf
den Palast des Titus an, der den steinernen Laokoon laut Plinius
beherbergt hatte? Nur dem Kaiser als Bauherrn stand laut Vitruv ein
Tempelgiebel an der Fassade seines Hauses zu, wie ihn die Villa
Poggio a Caiano erstmals in den Privatbau der Renaissance wieder
ein- fiihrt"6. Zitierte Lorenzo Magnifico also in der Architektur
seiner Villa bewuBt Bau- gedanken des Kaiserlichen Rom, so kinnte
er als Auftraggeber des malerischen Schmucks ahnlich anspruchsvoll,
ja unverhohlen imperial zitiert haben.
1567, als alter Mann, erinnert sich der Bildhauer Francesco da
Sangallo in einem Brief an die Auffindung des steinernen Laokoon47.
Am 15. Januar 1506 war die Gruppe entdeckt worden (Abb. 153)48.
Papst Julius II. schickte den Architekten Giuliano da San- gallo
mit Michelangelo sofort zur Fundstelle. Der kleine Francesco
begleitete seinen Vater. Giuliano soll angesichts der Gruppe
spontan ausgerufen haben: >>... quello e Laocoonte, di cui fa
mentione PlinioSette sale
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100 MATTHIAS WINNER
Abb. 13. Laokoon, Marmor, Rom Vatikan
vorgestellt werden, das relativ bald nach der Entdeckung
Laokoons gezeichnet sein
muB (Abb. 14). Ein grol3es, fiber dreiBig Zentimeter hohes Blatt
(Inv. Nr. FP 7032) mit braunen Federumrissen und Pinsellavierungen
in Bister51. Wichtig ist ein Hinweis auf die feine Pinseltechnik,
die keine DeckweiBh6hungen erfahren hat. Die hellsten Stellen
zeigen also den weiBen, etwas vergilbten Papierton. Diese Technik
weist viel- leicht auf bolognesische Schulung. Der Hintergrund ist
von fremder Hand mit einem stumpfen Deckfarbenblau abgedeckt; das
geschah wohl zu einer Zeit, als man die feh- lende rechte obere
Ecke wieder anflickte und das ganze Stiick aufmontierte. Ich wiirde
diese Zusitze ins ausgehende 16. oder noch ins 17. Jahrhundert
datieren. Die Zeich- nung selbst trdgt aber auf dem Verso einen
Sammlervermerk mit dem zugehbrigen Datum 1508. In gleicher Tinte
stehen daneben zwei Namen: >>Domenico Pisano
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 101
Abb. 14. Italienischer Zeichner um 1506/08, Laokoon, Feder lay.,
Disseldorf Kunstmuseum Inv. Nr. F P 7032
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102 MATTHIAS WINNER
>>Michele Credi di Aristotile
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 103
Abb. 15. Giovanni Antonio da Brescia, Laokoon, Kupferstich B.
15
Wenn fiir den Auftraggeber Lorenzo Magnifico ein gemalter
Laokoon im Vestibu- lum seiner antikischen Villa wie ein antikes
Zitat verstanden sein wollte und wenn von seinem Maler Filippino
die Aufgabe in Form eines Paragone wahrgenommen vyurde, so
verblal3ten solche Gedanken angesichts des steinernen antiken
Originals. Der Sohn Lorenzos de'Medici, Papst Leo X., fiihrt die
Villa weiter, aber iibersieht das Laokoon- Fragment von Filippino.
Er und sein Vetter, Kardinal Giulio de' Medici, beauftragten
vielmehr um 1520 Baccio Bandinelli, eine Replik des antiken Laokoon
fir K6nig Franz I. zu meiBeln (Abb 16)"". Seit 1506 stehen alle
Darstellungen Laokoons im Bann der antiken Gruppe, selbst wenn man
zuweilen ihrer Wirkung bewuBt auszuweichen trachtet. Merkwiirdig
genug, daB schon vor ihrem Wiederauftauchen die Gruppe wahr-
scheinlich durch die Notiz des Plinius zu dem einzigen monumentalen
Versuch des 15. Jahrhunderts fiihrte, Laokoon zu malen. Und hinter
dem Fragment von Filippinos Fresko wie auch hinter der seit Plinius
bewunderten steinernen Gruppe Laokoons aus der Domus Titi stehen
unverwelklich die Verse Vergils.
Bis auf den heutigen Tag mil3t man die Geblirdensprache der
steinernen Gruppe zu-
54 S. u. S. 112 und Anm. 83. 55 Vgl. F6rster Jb. d. Preul3.
Kstslgn. a. a. 0. und M. Bieber, Laocoon, the influence of the
group since
its rediscovery, Detroit 1967; wenig ergiebig M. und R. 1Hertl,
Laokoon - Ausdruck des Schmerzes durch zwei Jahrtausende, Miinchen
1968; vgl. auch F. Magi, Laocoonte a Cortona, in: Rendiconti Acc.
Romana di Archeologia 40, 1967/8 S. 275 ff. 1iCbrigens ist die
Datierung der Fresken von Magi viel zu friih, weil sie niimlich
offensichtlich nicht nach der originalen Laokoon-Gruppe und auch
nicht nach dem Stich Marco Dentes (B. XIV, 268, 353), sondern
vielmehr nach Beatrizets spditem Stich (B. XV, 264, 90 vgl. Abb. 81
bei Brummer a. a. 0.) kopiert wurden.
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104 MATTHIAS WINNER
weilen an der Schilderung des r6mischen Dichters56. Die Fiille
iiberlieferter Gedanken zur Statuengruppe aus dichterischem Geiste
bewog Lessing >>iber die Grenzen der Malerei und
Poesie>Laokoon>ein miBbilligender SeitenblickVon der
Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und
Bildhauerkunst
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 105
Abb. 16. Baccio Bandinelli, Laokoon, Marmor, Florenz
Uffizien
bewunderte die Ekphrasis Sadolets entschieden genug, um sie
ungekiirzt im 6. Kapitel seines >>Laokoon
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106 MATTHIAS WINNER
Monument mufBte ja zunachst durch Worte bekannt gemacht werden,
ohne daB man sich auf moderne Wiederholungen, Zeichnungen oder
Kupferstiche beziehen konnte. So beschreibt am 14. Februar 1506
Giovanni Cavalcanti aus Rom die Gruppe fiir Luigi di Piero
Guicciardini in Florenz so eindringlich, daB ein Auszug hier
wbrtlich fiber- setzt werden darf63: Die Stellung des Laokoon sei
ungefahr wie die eines sitzenden Mannes. Er stfitze sich mit seinem
linken, etwas abgespreizten Beine auf. Seine Miene gleiche der
eines Schreienden mit zur linken Schulter geneigtem Haupt, das
gleichzeitig zum Himmel blickt. Die Stirn sei voller Falten. Er sei
v6llig nackt bis auf den Teil eines Mantels, auf dem man ihn sitzen
sehe mit eingezogenen Weichteilen aber hervor-
springender Brust nach der Art von Leidenden mit angeschwollenen
Adern, leid- zerfurcht und muskulis. In einem Wort, ganz die
Erscheinung eines besorgten und zu-
gleich sterbenden Vaters, iiberlebensgrol3. Seine S6hne, einer
rechts, der andere links, beide im Knabenalter, von
bewundernswerter Schbnheit, unter denen der Jiingere gerade zu
sterben oder schon gestorben zu sein scheine. Der andere lebe zwar,
aber schaue, den Tod ffirchtend, auf den Vater, als wenn er Hilfe
erflehe. Die Knoten der
Schlangen seien, wie Plinius sage, bewundernswert. Ihre Lange
schitze Cavalcanti, der Schreiber des Briefes, auf mehr als vier
Braccien, dick wie natiirliche Arme... Die
63 Diese wichtige Beschreibung lautet im vollstandigen
Originaltext zitiert nach E. Miintz a. a. O. S. 45 Se io i passati
giorni, Luigi carissimo, scripsi di Laochoonte, non potei ad pieno
riferirvi quanto al pre- sente ho visto, perche la Santith di
Nostro Signore l'a voluto et desidera porlo a Belvedere nella
muraglia che ffa (sic!) al presente, che ricercha di tucte
l'antichagle mirabili et belle per conlocharle in simile giardino:
chosa veramente degna d'uno tanto Pontefice. Ne etiam si pub
pensare la bellezza di queste, che havendole ad fare col pennello
non stimo si potessino piu achommodare ad cio quanto sono.
Et per dimostrarvi chome stanno non mi sara molesto in farlo
intendere, sechondo chella memoria serviva.
La posatione di Laochoonte e quasi simile a uno huomo che siede,
o pidu presto a uno sedente. S'appoggia con la sinistra ghamba
alquanto distesa; vultus ejus similis vociferanti, et acclinato
capite in humerum sinistrum, ad sidera spectans, frons rugarum
plena, nudus totus, excepto quod videtur sedere super partem
paludamenti, contractis visceribus, prominenti pectore, more
patientium, tumentibus venis, morosus (?) lacertosusque. Facies
denique tota patris timentis et morientis: corpore procerior quam
homo. Filii ejus, unus a dextris, alter a sinistris, impuberes ambo
etate aliquantulum grandiores, mirabili pulchritudine, quorum qui
junior est, mori vel mortuus videtur. Alter vivit, sed mortem
timens ad patrem prospicit quasi auxilium implorans. Draconum
nexus, ut ait Plinius, mirabiles. La lungheza de' quali credo che
sia pil di braccia 4, la grosseza ad mensuram bracchii. Hanno
leghato in questo modo queste tre statue con marabile artificio di
maestri. Perchb, oltre ad la dimostratione della chosa fu uno
inchathenamento per forteza d'espe figure. II primo ha morso nel
fiancho diricto il piu giovane fanciullo, et indi girandoseli al
diritto braccio li riesce drieto ad le reni, et scendendo in sulla
choscia diritta del vecchio li fa una legatura sopto el ginochio,
et tornando al medesimo putto, gli fa un' altra voltura alla
choscia diricta, deinde ritorna fralle ghambe del padre el sinistro
piede, et con la choda cingne la sinistra ghamba dell'altro
fanciullo ad presso al tallone. Vedesi il fanciullo decto alzare
alquanto la ghamba, et porre la mano sopra el nodo del serpente per
dislegharsi, simulque chome dissi, riguarda el viso al padre quasi
temendo et chedendoli aiuto. L'altro serpe ha presso il vecchio nel
fiancho sinistro dove etiam lui porge la mano: et fa forza di
sciacciarlo (sic!); indi girandosi pigla il magior figluolo al
braccio dextro, annodandolo nel medesimo modo che l'altro: dipoi
rivoltasi drieto alle mani del padre, si crede chelli avolgeva il
braccio dextro, et con la choda la mano dextro al primo fanciullo;
manchono ad queste figure questo due braccia, et per quello si vede
della spiccatura, l'uno et l'altro braccio era elevato et credono
ch'el padre dovessi havere in mano una hasta, o qualche altra
arme.
Jo ve ho descripto quanto ho possuto et saputo vedere: che io
non ho saputo rachorre: per al presente vi basti questo ...
Rome, die XIIII februarii MDVI Uti frater Jo. de Cavalcantibus.
Al mio Luigi di Piero Guicciardini amico precipuo Florentiae.
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 107
erste Schlange habe das jiingere Kind in seine rechte Seite
gebissen, sich darauf um den rechten Arm geschlungen, komme ihm um
den Riicken herum, und, indem sie fiber den rechten Schenkel des
Alten herabgleite, binde sie diesen unter dem Knie. Die Schlange
wende sich dann dem Kleinen wieder zu, mache eine andere Wendung
zum rechten Schenkel, kehre darauf zwischen den Beinen des Vaters
zu dessen linkem FuB zuriick und umschlinge mit dem Schwanzende das
linke Bein des zweiten Kindes in der Nahe der Ferse. Man sahe
diesen Knaben etwas das Bein anheben und seine Hand auf den Knoten
der Schlange legen, um sich zu entfesseln, zugleich aber, wie
bereits bemerkt, schaue das Kind zum Gesicht des Vaters, als ob es
in Furcht ITilfe von ihm erbitte. Die andere Schlange habe den
Alten in seiner linken Weiche gepackt, wo auch er die Hand
hinfiihre und sich anstrenge, sie wegzudriicken. Diese ergriffe
darauf, sich windend, den gra63eren Sohn am rechten Arm, indem sie
ihn in gleicher Weise wie den anderen Sohn zusammenknote; dann
wende sich die Schlange zuriick zu den Handen des Vaters; man
glaube, daB sie des Vaters rechten Arm umwickele und mit dem
Schwanzende die rechte Hand des ersten Kindes. Den Figuren fehlen
eben diese beiden Arme und, soweit man an den Bruchstellen sehen
k6nne, waren beide Arme erhoben gewesen. Und man glaube, daB der
Vater in der Hand eine Lanze oder irgendeine andere Waffe gehabt
haben miisse.
Soweit der Bericht vom 14. Februar 1506; der Fund des Laokoon
liegt gerade einen Monat zuriick. Zwar interpretiert Cavalcanti
anders als Sadolet das Mienenspiel des Laokoon als schreiend
(vociferanti), aber ihm entgeht nicht, daB der Unterleib Lao- koons
nach Art von leidenden Duldern (contractis visceribus more
patientium) einge- zogen ist. Damit ist die Deutung der Gebarde als
Seufzen erm6glicht. Obgleich Ca- valcanti nur das Sichtbare
minuti6s beschreibt, wagt er anschlief3end doch die fehlenden Arme
in. Gedanken zu ergainzen. Wenn er sich vorstellt, die Arme seien
>>erhoben>elevato>si crede
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108 MATTHIAS WINNER
glaubte, geht auch aus dem Brief eines Unbekannten an Giovanni
L'Arienti vom 31. Januar 1506 hervor64. Dort heiBt es:
>>Queste figure sono fragmentate che al patre mancha uno
braco in quo habebat telum, ad uno deli figliuoli mancha uno braco
simi-
liter, del resto sono assai integre et sane?. Zu Deutsch:
>>Die Figuren sind unvollstlindig, denn dem Vater fehlt ein
Arm, in
welchem er das telum hatte, ebenso fehlt einem der S6hne ein
Arm, im iibrigen sind sie ziemlich unversehrt und heiltelum>tela
ferentemLanze>SpieBSchwert< oder >>Axttela>telum<
als Axt, in diesem besonderen Fall als Doppelaxt des Opferpriesters
Laokoon. Laokoon verteidigt sich mit beiden Armen gegen Schlangen.
Die Axt glitt ihm dabei zu Boden. Sie liegt jetzt schraig vor
seinen FiiBen an der Altarstufe eben dem brennenden DreifuB. Aber
auf diesem Blatt greift die rechte Hand Laokoons verzweifelt ins
Leere, nur iiberragt vom Kopf der zustoBenden Schlange.
Die Anschauung der aufgetauchten antiken Gruppe fiihrte danach
sofort zur Re- flexion iiber Laokoons verlorenem Arm (Abb. 17). So
legt der Poet Evangelista Madda- leni de' Capodiferro, der zu
Lebzeiten der Papste Leo X. und Clemens VII. dichtete, dem
Marmor-Laokoon diese Worte in den Mund65: >>Ich bin Laokoon:
so hat mich die wilde Athena verstiimmelt, weil meine Rechte das
ihr geweihte Pferd verletzte.>quidquid id est, timeo Danaos et
dona ferentis>hasta>hastae gefiihrt. Man verwerfe diese
ersten Erglinzungsvorschl ige nicht nur herablassend als antiqua-
rische Spielerei. Nach Pollaks Fund des urspriinglichen Armes, den
Magi so iberzeu-
gend angesetzt hat, scheint uns zwar heute aus besserer
Anschauung die alte erste Inter-
64 Vollstaindiger Text abgedruckt in: Giornale storico della
letteratura italiana VI, vol. 11, 1888 S. 209 ff. Obersetzung des
ganzen Briefes bei H. Sichtermann, Laokoon, Stuttgart, Reclam 1964
S. 26.
65 Zuerst abgedruckt bei H. Janitschek, Ein Hofpoet Leo's X.
iiber Kiinstler und Kunstwerke, in: Rep. f. Kunstwiss. III, 1880 S.
54; verbesserte Abschrift bei Brummer a. a. O. S. 118.
66 Siehe Magi, I1 ripristino a.a.O. S. 36 und Brummer a.a.O.
S.119; dextera, qua laesa est machina, trunca perit (Vat. lat. 2874
fol. 5 r).
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 109
Abb. 17. Marco Dente, Laokoon ohne Erginzung, Kupferstich B.
555
pretation gewiB nur als Irrweg67. Marliani aber, einer von jenen
Humanisten sprach in seiner Topographie Roms von 1544 deutlich aus,
daB die alten Bildhauer Hagesander, Polydorus und Athenodorus den
Laokoon nach Vergils Beschreibung gebildet haitten6. Dies eben war
die stillschweigende Voraussetzung, wenn die Humanisten dem
Standbild eine Lanze in die Hand geben wollten69. Diese
Argumentation braucht in jener Zeit,
67 L. Pollak, Der rechte Arm des Laokoon, in: Ram. Mitt. XX,
1905 S. 277 ff.; Pollak glaubte bekannt- lich nicht, daB sein Fund
der vatikanischen Gruppe angeh6re. Erst Vergara-Caffarelli (Studio
per la resti- tuzione del Laocoonte, in: Riv. Ist. Arch. St. Arte,
N. S. III, 1954 S. 55 ff.) vermutet die Zusammengeh6rig- keit
beider Stiicke, die dann durch Magi, Ii ripristino a. a. O. S. 6,
21 f., 36 Fig. 1 u. 6., zusammengefiigt wurden.
68 B. Marliani, Urbis Romae topographia Lib. IV cap. 14 (Rom
1544) hier zitiert nach Ausgabe Basel 1550 Et quamquam hi (die
rhodischen Kiinstler) ex Virgilii descriptione statuam hanc
formavisse videntur, non tamen illam in omnibus sunt imitati, quod
viderent multa auribus non item oculis convenire et placere. Vgl.
auch Lessing, Laokoon a. a. O. S. 66.
69 Allerdings gab es auch Stimmen, die umgekehrt glaubten, daB
Vergil in der Aeneis die Laokoon- Statue beschrieb. So etwa
Lodovico Dolce, Dialogo della pittura, Venedig 1557 (ed. P.
Barocchi in: Trattati d'arte del Cinquecento I, Bari 1960 S. 192):
Aretino und G. F. Fabrini unterhalten sich fiber Raffaels
Farnesina-Fresken und ihre m6gliche literarische Quelle bei Lukian.
Schlie3lich Aretino: Sia come si voglia: ella (die Erfindung) e
espressa cosi bene, che potrebbe venire in dubbio se Raffaello
l'avesse tolta
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110 MATTHIAS WINNER
die das Horazische >>... ut pictura poesis>Virgil ist
der erste und einzige, welcher sowohl Vater als Kinder von den
Schlangen umbringen lhBt; die Bildhauer thun dieses gleich- falls,
da sie es doch als Griechen nicht hatten thun sollen: also ist
wahrscheinlich, daB sie es auf Veranlassung des Virgils gethan
haben70.>Bild und Lied>noch heute Lessings Dictum gailte,
Vergil waire der erste und der einzige, welcher so- wohl Vater und
Kinder von den Schlangen umbringen lieBe
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 111
so nicht zutraiglich ist... quod viderent multa auribus non item
oculis convenire et placere75. Damit hat schon das Cinquecento ein
Stick Lessingscher Argumentation vor- weggenommen. Uns jedoch
fiihrt Marlianis Gedanke von demn Kreis der Humanisten vor dem
wiedergefundenen Laokoon weg zu den Kiinstlern der Renaissance und
ihren Rekonstruktionsversuchen. Bereits im Fundjahr 1506 schreibt
Cesare Trivulzio, daB Michelangelo und der Bildhauer Michele
Christofano (= Gian Christoforo Romano) rund vier Fugen an der
Marmor-Gruppe festgestellt haben76. Wir wissen von Magi inzwischen,
daB die Gruppe sich mindestens aus sieben Steinen zusammensetzt77.
Plinius irrte sich oder wollte andere tauschen, um das Werk
bewunderswerter zu machen, meinte Trivulzio, wenn Plinius von nur
einem Marmorblock geschrieben haitte78.
Mit inneren Zweifeln berichtet deshalb Trivulzio von dem Urteil
Michelangelos, den er fiirsorglich als ersten Bildhauer Roms und
als h6chst erfahren in seiner Kunst vorstellt. Die Autoritat des
Plinius sei groB, meint Trivulzio: >>Aber unsere Kiinstler
haben ihre Beweisgrtinde...Laokoon< a. a. O. S. 62 Anm. zu S. 51
Z. 17-21.
76 Bottari-Ticozzi a. a. O. S. 474 Brief CXCVI Questa statua che
insieme co' figliuli, Plinio dice esser tutta d'un pezzo,
Giovanangelo Romano, e Michel Cristofano fiorentino che sono i
primi scultori di Roma, negano ch'ella sia d'un sol marmo, e
mostrano circa a quattro commettiture, ma congiunte in luogo tanto
nascoso, e tanto bene saldate e ristuccate, che non si possono
conoscere facilmente se non da persone peri- tissime di quest'arte.
Per6 dicono che Plinio s'ingann6, o volle ingannare altri, per
render l'opera piil ammirabile. Poiche non si potevanno tener salde
tre statue di statura giusta, collegata in un sol marmo, con tanti,
e tanto mirabili gruppi di serpenti, con nessuna sorta di
stromenti. L'autorith di Plinio e grande ma i nostri artefici hanno
le sue ragioni, ne si dee disprezzare quell'antico detto: Foelices
fore artes si de iis soli artifices iudicarent; onde non so dire a
qual parere io mi appigli...
77 Magi, I ripristino a. a. O. S. 15 ff. 78 Siehe unsere Anm. 44
... ex uno lapide. 79 Vasari ed Milanesi VII S. 489 (Jacopo
Sansovino) fu da Giuliano da San Gallo, architetto di Papa
Julio secondo, condotto a Roma con grandissima satisfazione sua:
percib che piacendogli oltre modo le statue antiche, che sono in
Belvedere, si mise a disegnarle, onde Bramante architetto anch'
egli di Papa Julio, che allora teneva il primo luogo, e habitava in
Belvedere; visto de' disegni di questo giovane...; gli piacque
tanto, che lo prese a favorire, et gli ordinb, che dovesse ritrar'
di cera grande il Laocoonte, il quale faceva ritrarre anco da
altri, per gettarne poi uno di bronzo, ciok da Zaccheria Zachi da
Volterra, Alonso Beru- getta Spagnolo, et al Vecchio da Bologna, i
quali, quando tutti furono finiti Bramante fece vederli a Raffael
Sanzio da Urbino, per sapere chi si fusse di quattro portato
meglio. La dove fu giudicato da Raffaello che il Sansovino cosi
giovane havesse passato tutti gli altri di gran lunga, onde poi per
consiglio di Domenico Cardinal Grimani, fu a Bramante ordinato che
si dovesse fare gittare di bronzo quel di Jacopo, e cosi fatta la
forma, et gettatolo di metallo, venne benissimo. La dove rinetto,
et datola al Cardi- nale lo tenne fin'che visse non men caro che se
fusse l'antico.
80 Vgl. zu den Schicksalen der Grimani-Gruppe jiingst H. E.
Wethey, The Paintings of Titian I, 1969 S. 18.
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112 MATTHIAS WINNER
ausfindig zu machen81. In den Uffizien liegt eine Zeichnung
allein des Vaters Laokoon, der den rechten Arm ausgereckt hailt. U.
Middeldorf schrieb sie dem jungen Sansovino zu82. Waire das
richtig, hitte Jacopo Sansovino schon die Armhaltung des Laokoon
er- funden, die Montorsoli erst 1552 plastisch rekonstruiert.
Allerdings geht aus der Zeich- nung nichts fiber die Titigkeit der
Hand hervor. Sollte sie eine Schlange oder eine Waffe halten? Da
Vasari von Abbildungen in Wachs spricht, bleibt unsicher, ob die
Bildhauer dieser Konkurrenz liberhaupt eine Rekonstruktion
versuchten. Deshalb steht immer noch am Anfang aller plastischen
Rekonstruktionsversuche Bandinellis gemeiBelter Lao- koon in den
Uffizien83 (Abb. 16). Aus einem venezianischen
Gesandtschaftsbericht von 1525 weiB man, daB Papst Leo X. bereits
1515 in Bologna vom franz6sischen Kinig Franz I., dem Sieger von
Marignano, um den originalen Laokoon gebeten wurde84. Und ein Brief
Leonardo Sellaios an Michelangelo informiert im Januar 1520
dariiber, daB Franz I. jetzt einen Laokoon in Bronze wiinschte, da
offensichtlich der Papst sein unter politischem Druck 1 51 5
gegebenes Versprechen nicht erffillte85. Es sei jedoch nicht klar,
ob die Bronzekopie angefertigt oder ob Bandinelli einen in Marmor
machen wiirde. Aus einem weiteren Brief Sellaios geht hervor, daB
Bandinelli dann einen Karton des Lao- koon in Originalgr6Be
gezeichnet hatte, den er Sebastiano del Piombo zeigte.
Bandinellis Rekonstruktion weicht in einem Punkt entschieden von
der Erganzung Montorsolis zehn Jahre spater ab, die dann bis zum
Fund des originalen Armes ja unsere Anschauung des Laokoon
bestimmen sollte (Abb. 15). Bandinelli umwickelt namlich mit dem
Schlangenleib den rechten Arm des Vaters und beugt dessen Arm.
Erinnern wir uns, daB3 der Fundbericht des Trivulzio schon 1506 die
allgemeine Auffassung weiter- gab, der Arm des Vaters sei erhoben
und von der Schlange umwickelt gewesen (avolgeva il braccio
destro). Der wiedergefundene Originalarm bestatigt hierin glinzend
den Scharfblick der ersten humanistischen Betrachter. Magi
behauptet heute, Laokoons an- tike, leider verlorene rechte Hand
hitte nicht zugegriffen, keinen Schlangenleib gefaBt, weil auf den
pompeianischen Bildern Laokoon die Schlangen jeweils auch nur am
Kopf-
81 Die verwickelte Problematik der friuhen Laokoon-Kopien
versuchte zuerst zu entwirren A. Venturi, Il1 gruppo del Laocoonte
e Raffaello, in: Arch. storico dell'arte II, 1889 S. 107 ff.;
Brummer a. a. O. S. 101ff. fafBt jetzt Quellen und Monumente
zusammen, ohne zu einem eindeutigen Ergebnis kommen zu k6nnen.
Allerdings mul3 zugegeben werden, daf die Bronzereplik in den
Uffizien (Brummer Abb. 89) und die Stuckreplik in Princeton
(Brummer Abb. 91) stilistisch vergleichsweise friih anzusetzen
sind. Beide zeigen den ausgestreckten Arm Laokoons, wie er dann
1532 von Montorsoli rekonstruiert wird. Auch heute noch sind die
klaren und reichhaltigen Angaben bei Karl Sittl (Empirische Studien
iiber die Laokoongruppe, Wuirzburg 1895) nicht ganz iiberholt.
82 U. Middeldorf, Unknown Drawings of the Two Sansovino's, in:
Burl. Mag. LX, 1 S. 242 ff.; Zeich- nung auch ahgebildet bei
Brummer a. a. O. Abb. 90.
83 Die Quellenlage hat D. Heikamp iibersichtlich
zusammengestellt in seinem Kommentar zur Vita Bandinellis der Vite
del Vasari VI (Ed. Club del Libro Milano 1964) S. 26ff. Darauf
fuf3en wesentlich unsere folgenden Angaben.
84 Abgedruckt bei E. Alberi, Relazioni degli Ambasciatori Veneti
al Senato, ser. II, vol. III, Florenz 1846 S. 114 f. Il re di
Francia dimandb in dono quest opera a papa Leone, essendo a
Bologna. Il papa gliela promise; ma per non privare il Belvedere,
deliberb di farne fare una copia per dargliela; e gih sono fatti li
putti che sono li in una camera; ma il maestro, se anche vivesse
cinquecento anni e ne avesse fatti cento, non potria mai far cosa
eguale. 1525 also war der Vater noch nicht gemeil3elt, nur die
beiden S6hne waren fertig.
85 Heikamp a.a.O. S. 27 Anm. 1; K. Frey, Sammlung ausgewihlter
Briefe an Michelangelo, Berlin 1899 S. 151 ff.
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 113
ende packe. Da der steinerne Laokoon die beiBende Schlange fiber
ihrem Kopf an seiner Weiche griffe, waire ein zweiter Griff mit der
rechten Hand ans Schwanzende der Schlange unnatiirlich86. Wenn in
der Malerei der Casa Menandri gerade Laokoons rechte, ausgestreckte
Hand die Schlange hinter ihrem Kopf greift, scheinen Magis Griinde
nur zoologisch verniinftig; formal sind sie im Vergleich mit dieser
Malerei ganz unbegriindet. SchlieBlich greift ja der altere
skulptierte Sohn mit seiner linken Hand auch das Schwanzende einer
Schlange.
Aspertinis Rekonstruktionszeichnung um 1530 geht von Bandinelli
aus"8. Dort beugt Laokoon seinen rechten Arm dermaBen zuriick, daB
der Verlauf des heute bekannten originalen Armes fast richtig
getroffen zu sein scheint, wenngleich die Hand, da sie den Kopf
beriihrt, zu einer reinen Klagegebarde umgedeutet wurde. Den Arm
umschlingt keine Schlange. Es trifft also nicht zu, daB die
Renaissance sich den Laokoon nur mit ausgerecktem Arm erganzte,
>>um gleichsam im Tode noch zu triumphierenHelbigschen
Fiihrers>Einsichtigkeit>einansichtigen Gruppe
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114 MATTHIAS WINNER
Armstumpf einen erhobenen Arm forderte und Vergils vorbildlich
geglaubten Verse von einem angreifenden, gewaffneten Laokoon
singen. Bandinelli schrieb selbst eine ge- wandte Feder. In seinem
>>Memoriale> .....i miei amori... ille simul manibus
tendit divellere nodosManibus>divellere>nodos>divellere
nodos>In den Windungen selbst, mit welchen der Dichter die
Schlangen um den Laokoon fiihret, vermeidet er sehr sorgfailtig die
Arme, um den Hiinden alle ihre Wirksamkeit zu lassen. Ille simul
manibus tendit divellere nodos. Hierin muf3ten ihm die Kiinstler
nothwendig folgen. Nichts giebt mehr Ausdruck und Leben, als die
Bewegung der Hiinde; im Affecte besonders, ist das sprechendste
Gesicht ohne sie unbedeutend. Arme, durch die Ringe der Schlangen
fest an den Kdrper geschlossen, wurden Frost und Tod fiber die
ganze Gruppe verbreitet haben. Also sehen wir sie, an der
Hauptfigur sowohl als an den Nebenfiguren, in vlliger Thiitigkeit,
und da am meisten beschiiftiget, wo gegenwairtig der heftigste
Schmerz ist. Weiter aber auch nichts, als diese Freiheit der Arme
fanden die Kiinstler zutriiglich, in Ansehung der Verstrickung der
Schlangen, von dem Dichter zu entlehnen. Virgil lai3t die Schlangen
doppelt um den Leib und doppelt um den Hals des Laokoon sich
winden, und hoch mit ihren K6pfen iiber ihn herausragen... Dieses
Bild fiillt unsere Einbildungskraft vortrefflich... Dem ohngeachtet
war es kein Bild fiir Kiinstler etc.
-
ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 115
Laokoon um den Hals, ihr Kopf ziingelt in der H6he seiner
Kopfbedeckung. Gewil3 ver- suchte der Miniaturist die Textstelle zu
illustrieren, in der vom Schlangengift die Rede ist, das auf des
Priesters Stirnband sich ergiel3t. Aber der miniierte Laokoon
breitet wehr- los die Arme aus, ergibt sich in sein Schicksal; da
doch Vergil ausdrticklich durch das zweimalige >>simul
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116 MATTHIAS WINNER
wehrlos ihre Finger auseinander, obgleich der zugeh6rige Arm von
der Schlange um- wickelt ist. Und schlieBlich hat auch Marco Dentes
Stich, der um 1520 entstanden sein
mag, Laokoon in der Gebirde eines Oranten wiedergegeben, wie es
sein Vorbild, die
spitantike Vergilhandschrift des Vatikan geprdigt hatte (Abb. 8
u. 9). Zwar sind beide Oberarme von den Schlangenleibern umknotet,
ein Reptil beiBt ihn wie bei der Skulptur in die Weiche. Aber die
Hdnde zerren nicht an den Knoten, wie es Vergil beschreibt.
Nur auf den beiden pompejanischen Wandmalereien greift auch die
erhobene Hand Laokoons jeweils die Schlangen und versucht die
Knoten zu zersprengen (Abb. 5). Hin- gegen wird nicht dargestellt,
da3B, laut Text damit gleichzeitig, die Schlangen zubeiB3en. Nur
Bandinellis Laokoon veranschaulicht also die Gleichzeitigkeit von
SchlangenbiB und der Tatigkeit, mit beiden Hdinden die
Schlangenknoten zu zerreiBen, wie es Vergils Text
ausgesprochen hatte. Es scheint bezeichnend, daB Sadolet 1506 in
seiner dichterischen Ekphrasis der an-
tiken Skulptur kein Wort diber die magliche Tdtigkeit der
verschollenen rechten Hand verliert, obgleich doch seine Verse eng
mit Vergil verbunden sind. Erst ein Bildhauer
sollte die Worte Vergils herausfinden, die den verstiimmelten
Stein in antikischem Geiste ergdinzten.
Am Vatikan muBten Bandinellis Vorstellungen schon nach 1520 so
iiberzeugt haben, daB er - laut Vasari - dem antiken Laokoon den
rechten Arm in Wachs erganzen durfte96. Dieser sollte der antiken
Skulptur in Bewegung und Muskelspiel so glinzend entsprochen haben,
daB er dem Meister selbst zum Muster seiner zweiten Fassung des
Laokoon gedient hitte. Allerdings scheint Bandinelli diese
Erglinzung erst waihrend seiner Arbeit an der Zweitfassung
vorgenommen zu haben, nachdem schon der diltere Sohn gemeiBelt war,
der auch im Originalvertrag vom 21. September 1520
ausdriicklich
genannt ist97. Der venezianische Gesandtschaftsbericht von 1525
spricht dann von zwei fertiggestellten S6hnen in einer Kammer des
Belvedere, aber noch nicht von Bandinellis Laokoon-Vater98. Auch
Vasari schreibt, daB Bandinelli sich erst an das Meif3eln des
Vaters begeben habe, nachdem Kardinal Giulio als Papst Clemens VII.
den Heiligen Stuhl bestiegen habe, also ab 1525. Vasari erzihlt
ferner, daB sich Bandinelli vor seinem
Auftraggeber Kardinal Giulio de' Medici riihmte, den antiken
Laokoon an Vollendung iibertreffen zu wollen. (Passare quello di
perfezione)99. Wenn im gleichen Bericht vor- her von einer
Wachskopie und dann von einem gezeichneten Karton in
OriginalgriBe
96 Vasari ed. Heikamp a.a.O. S. 28 Restaurb ancora l'antico
Laoconte del braccio destro, il quale essendo tronco e non
trovandosi, Baccio ne fece uno di cera grande che corrispondeva co'
muscoli e con la fierezza e maniera all'antico e con lui s'univa di
sorte che mostrb quanto Baccio intendeva dell'arte, e questo
modello gli servi a fare l'intero braccio al suo.
97 Vasari ed. Heikamp a. a. O. S. 28; laut Vasari sollen beim
Tode von Leo X. 1521 der iiltere Sohn fertig, der jiingere Sohn und
der Vater schon begonnen gewesen sein.
Vasari ed. Heikamp a. a. O. S. 27 Anm. 1. Der Auftragsvertrag
ist von Kardinal Dovizi da Bibbiena, Bischof di Troja (Pandolfini)
und dem Schatzmeister von Kardinal Giulio, Simone Tornabuoni,
unter- zeichnet. Ein Jahr Arbeitszeit vom 21. September 1520 an
wurde Bandinelli bewilligt. Bandinelli selbst erwaihnt in seinem
Memoriale (ed. Colasanti a.a.O. S. 422) nur Clemens VII. als
Auftraggeber >..... il Laocoonte fatto ad instantia di
Clemente
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 117
die Rede ist'00, so bedurfte Bandinelli dieser Vorarbeiten doch
nur zur Erganzung der fehlenden Teile und Verdinderung des Ganzen,
denn den Auftrag, die Gruppe in Mar- mor zu kopieren, haitte er mit
dem technischen Hilfsmittel des Storchenschnabels ohne weitere
Studien zuwegebringen kinnen. Zwar gilt der Laokoon Bandinellis bis
heute nur als Kopie der Antike. Eine Invektive des Bildhauers und
Rivalen Benvenuto Cellini hdhnte schon damals: Quel Bandinel copi6
sol Leoconte'o0. (Jener Bandinelli kopierte nur den Laokoon). Aber
in Wirklichkeit durfte sich Bandinelli schmeicheln, die antike ver-
stiimmelte Gruppe iibertroffen zu haben, weil er, soweit wir sehen,
erstmals die dichte- rische Erfindung Vergils nutzte, um die
Tditigkeit von Laokoons rechter Hand iiber- zeugend
darzustellen.
Franz I. erhielt aber weder das Original im Belvedere von Leo X.
noch konnte sich Papst Clemens VII. entschlieBen, die erbetene
Zweitfassung nach Frankreich zu schicken. 1525 wird Bandinellis
vollendete Arbeit vielmehr nach Florenz iiberfiihrt und vom da-
maligen Kardinallegat Silvio Passerini im Gartenhof des Palazzo
Medici aufgestellt, so- zusagen in Analogie zum Original im
Statuenhof des Belvederel02. Franz I. ~if3t deshalb dann 1540 von
Primaticcio den Laokoon und andere Skulpturen des Belvedere in
Bronze
100 Vasari ed. Heikamp a. a. O. S. 28. 101 Vgl. I trattati
dell'oreficeria e della scultura di Benvenuto Cellini per cura di
C. Milanesi, Florenz 1895 S. 557, LX contro il Bandinello.
Fiesole e Settignan, Pinzedimonte voglion che sia da pidi d'un
fiorentino; sol scultore e pittore Angel divino; Quel Bandinel
copib sol Leoconte.
102 F. Magi, Laocoonte a Cortona a. a. O. S. 275 hat darauf
hingewiesen, daB in dem Palast Silvio Passe- rinis zu Cortona zwei
Fresken mit Kopien des Laokoon auftauchen. Battista Caporali
erbaute den Palast zwischen 1521 und 1527 (vgl. B. Frescucci, II
Palazzone Sondrio, 1965). Da auf dem Fresko bereits der
ausgestreckte Arm des Vaters erscheint, glaubt Magi die Malerei vor
Montorsolis Erganzung von 1532 entstanden. Die Friihdatierung der
Fresken ist deswegen unm6glich, weil sie von Beatrizets Stich ab-
hangen (Bartsch XV, 264, 90; Abb. 81 bei Brummer a. a. O.). Dennoch
bleibt es merkwiirdig, daB Kardinal Passerini laut Vasari fiir die
Aufstellung des Bandinelli-Laokoon im Palazzo Medici verantwortlich
ist und spater in seinem eigenen Hause zu Cortona diese Fresken
gemalt wurden. Silvio Passerini geh6rt zum engsten Medici-Kreis; er
ist fiir die Erziehung von Ippolito und Alessandro de' Medici
verantwortlich und flieht 1527 mit ihnen aus Florenz. IThm k6nnte
man politische Motive bei der Aufstellung des Laokoon im Palazzo
Medici unterstellen. DaB der Laokoon seit seiner Auffindung auch
politisch interpretiert werden konnte, hat Ettlinger a. a. O. S.
121 mit Recht betont. Vielleicht war auch in der Antike (Ettlinger
a. a. O. S. 124) dort, wo auf Miinzen Laokoon erscheint,
politisches Gedankengut wirksam. Die Bitte von Franz I. im Jahre
1515, den originalen Laokoon zu erhalten, war gewif3 mit
politischem Druck ausge- sprochen worden. Als nach anfaiinglicher
Zusage Leo X. sich im Laufe der Jahre der politischen Macht
Frankreichs mehr entziehen konnte, hielt er das Versprechen nicht
ein. Kaum aber steht hinter dem WVunsche von Franz I. oder hinter
der Nichterfiillung durch Leo X. eine politisch inhaltliche
Interpre- tation der Laokoon-Gruppe. Die Statue wird begehrt als
Kunstwerk.
Ein Agent von Isabella d'Este berichtet ihr 1512 aus Rom, daB
ihr Sohn Federico Gonzaga den sehn- lichen Wunsch hiitte, am Barett
als Imprese eine Goldmedaille mit der Darstellung des Laokoon zu
tragen. Der Goldschmied Caradosso soll dafiir gewonnen werden (vgl.
Venturi a.a.O. S. 110; Brief abgedruckt bei E. Plon, Benvenuto
Cellini, 1884 Appendice S. 50 Anm. 1 ... El patron mio &
intrato in grandisso desiderio che voler chel gie faci uno Laoconte
doro per portar in su la baretta, de modo che mi gie ne ha fatto
parlar a Caradosso). Da der Knabe Federico Gonzaga als Geisel unter
Julius II. am vatikanischen Hof lebte, k6nnte man solche Imprese
eines Laokoon politisch deuten. Aber Federico wohnt damals in den
sch6nsten Raiumen des Belvedere, eben dort, wo der Laokoon
aufbewahrt wird (vgl. J. Lauts, Isabella d'Este, Hamburg 1952 S.
258). Ebensogut kbnnte deshalb hinter dem Wunsch des Knaben seine
Bewunde- rung des antiken Meisterwerkes wie ein Hinweis auf seinen
derzeitigen Wohnplatz >>Belvedere
-
118 MATTHIAS WINNER
fiur Fontainebleau nachgieBen0o3. Fiir die Gipsabformung hat man
wohl einen neuen rechten Terracotta-Arm abgenommen, den unterdessen
Montorsoli auf Empfehlung Michelangelos im Auftrag Papst Clemens
VII. zwischen 1552 und 153355 der originalen Gruppe angpsetzt
hatte'4. Der Nachguf3 ffr Franz I. sollte offensichtlich den
originalen Zustand ohne Montorsolis Ergdnzung wiedergeben. Magi
bewies kiirzlich, daB erst nach dem AbguB von 1540 der originalen
Statue des Vaters die rechte Schulter weiter ver- stiimmelt und ein
L-fbrmiges Loch eingemeil3elt wurde, um einen erganzten, noch heute
im Belvedere erhaltenen Marmorarm eingesetzt zu bekommen?'0. Dieser
bossierte Arm
Abb. 18. Nach Federigho Zuccari, Taddeo Zuccari zeichnet den
Laokoon im Belvedere, Feder lay., Florenz, Uffizien Gab. dis. t1010
F
galt seit dem 18. Jahrhundert traditionell als Arbeit
Michelangelos. Auch Magi ent- scheidet sich ffir diesen Meister.
Wer auch immer der unbekannte Autor sei, in jedem Fall schlieBt er
sich eng an Bandinellis sch6pferische Gedanken an. Offensichtlich
iibte also nicht nur Primaticcio Kritik an Montorsolis gestrecktem
Arm, indem er ihn beim NachguB weglieB. Der Bildhauer des
Armfragments durfte sogar das Original verstiim- meln, um das
anzusetzen, was Bandinelli selbst im Wettstreit mit der Antike 20
Jahre friiher formuliert hatte.
Wie Bandinelli wissen muBte, war der Laokoon laut Plinius allen
alten Meister- werken vorzuziehen. In der Absicht, die Antike zu
iibertreffen, kam Bandinelli ihrer originalen Gestalt niher als
sonst eine Rtekonstruktion, bevor der verlorene Arm wieder
auftauchte"06. Weshalb Montorsolis gereckter und damals in
Terracotta falsch rekon-
103 Brummer a. a. O. S. 87 f. Abb. 72 Anm. 28 weitere Literatur.
104 Prandi, La fortuna a. a. O. S. 83; K. Sittl a. a.O. S. 11 halt
es aufgrund einer Quelle fiir moglich,
daf3 der Laokoon 1527 beim Sacco di Roma zerbrochen wurde und
deshalb 1532 Montorsoli mit der Er- ganzung der Statue beauftragt
wurde.
105 Magi, Il ripristino a. a. O. S. 46 ff. 106 Dennoch hat schon
Winckelmann und spater das 19. Jahrhundert den Arm noch weiter
gebeugt
sehen wollen; vgl. Prandi, La fortuna a. a. O. S. 99.
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 119
struierter Arm die auf Bandinelli fuBende, richtigere Erganzung
verdringte, wissen wir nicht. Sollten sich die Antiquare wieder zu
Wort gemeldet haben? Pochten sie vielleicht auf Vergil und auf
ihren alten Lieblingsgedanken eines bewaffnet kimpfenden Lao- koon?
Hatte Michelangelo die Hand im Spiel? Gab es vielleicht doch eine
iltere Rekon- struktion Jacopo Sansovinos mit gestrecktem Arm?
Im Belvederehof war Bandinelli bereits 1520 von Leo X. eine
Werkstatt angewiesen worden. 1551 spricht Vasari davon, daB
Bandinelli >wie gewbhnlich< die Riiume im Belvedere
innehatte'?7. Fing Bandinelli schon 1520 an, sich mit
gleichgesinnten Kiinst- lerfreunden zu akademieartigen Sitzungen zu
treffen, wie es der bekannte Stich Ago- stino Venezianos von 1531
festhdilt? Das Blatt tragt nimlich die Aufschrift: >>Akademie
von Bandinelli im Belvedere zu Rom
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120 MATTHIAS WINNER
von Rubens sechs originale Zeichnungen und zw6lf Kopien
eigenhindiger Blatter nach dem Laokoon erhalten"2. Die Rubenszeit
liebte es, den Laokoon ungewohnt verkiirzt, aus schrdigen
Blickwinkeln darzustellen. Wie beispielsweise die 1606 entstandene
Ra-
dierung (Bartsch 33) des Bolognesen Sisto Badalocchio
veranschaulicht, bemerkte man an der Gruppe ganz neu plastische
Fiille (Abb. 19). In den Werkstitten der Meister lagen aber nicht
nur die Nachbildungen des Laokoon und regten zu eigener Arbeit
an,
Abb. 19. Sisto Badalocchio, Laokoon, Kupferstich B. 33
es wurde zugleich fiber Form, Haltung, Affekt, Ausdruck und
Sch6nheit der antiken Gruppe kritisch gesprochen. Die Spannweite
der Interpretationen, auf der Winckel- mann, Lessing, Herder und
Goethe im 18. Jahrhundert aufbauten, wurde in Werkstatt- gespr.chen
lange vorher abgesteckt"3. Sogar den archliologischen Zweifil an
der Iden-
titat des steinernen Laokoon mit dem bei Plinius erwaihnten
hatte der Architekt Pirro
112 G. Fubini u. J. S. Held, Padre Resta's Rubens Drawings after
Ancient Sculpture, in: Master Drawings II, 1954 S. 125-141; siehe
ferner Miesel, Rubens Study Drawings etc., in: Gaz. d. B.-A. 1963
S. 511tff.; L. Burchard u. R.-A. d'Hulst, Rubens Drawings, Briissel
19653 Kat. Nr. 15 S. 51 ff.; M. Jaff6, Van Dyck's Antwerp
Sketchbook, London 1966, Bd. II S. 225 f. Es ist schwer
vorstellbar, dal3 Rubens die Riickansichten der Gruppe vor dem
Original in der Nische des Belvedere gemacht haben sollte.
113 Als nur ein Beispiel formaler Interpretation des Laokoon
stehe hier J. von Sandrart (Teutsche Akademie, Niirnberg 1675, Bd.
I S. 69) >>Wie ferner unter anderem zu sehen an dem Laokoon,
dessen linker Schenkel eine ganze Handbreit langer als natiirlich
gemacht ist, und das darum, well das Bild sitzend von unten auf
gesehen wird und daher zu kurz vorgekommen wdire.
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ZUM NACHLEBEN DES LAOKOON IN DER RENAISSANCE 121
Ligorio bereits im Cinquecento vorweggenommen"4. Kaum ein
kunsttheoretischer Trak- tat jener Zeit vergiBt, sich zum Laokoon
zu iuBern. Wie sehr aber schon die Generation um 1600 den Laokoon
zum Nachteil seiner kiinstlerischen Wirkung mit Gedanken- fracht
belastet empfand, beleuchtet folgende Anekdote, die Giovanni
Battista Agucchi, der Freund der Carracci, vor 1 652
iiberliefert"5.
Die Gebriider Agostino und Annibale Carracci unterhielten sich
einst mit dem Kardi- nal Farnese und anderen vornehmen Herren fiber
den Laokoon. Der des Wortes maichtige Maler Agostino riihmte die
Skulptur und forderte seinen Bruder Annibale, eine mehr
verschlossene Natur, wiederholt auf sich doch auch an der
Diskussion zu beteiligen. Da griff Annibale stumm zur Kohle und
zeichnete zur Bewunderung aller Anwesenden mit vollendeten Umrissen
die Gestalt des Laokoon an die Wand, als ob er sie vor Augen hatte.
>>Wir Maler miissen mit den Hainden
sprechen>Trattato>wunderbare