Teil A: Ansprüche des Z gegen R und B A) Ansprüche gegen R I. Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Baugrundstücks „Holzweg 9“ aus Kaufvertrag (§ 433 I 1) Möglicherweise kann Z von R Übergabe und Übereignung des Baugrundstücks „Holzweg 9“ aus Kaufvertrag fordern (§ 433 I 1). 1. Dieser Anspruch entstand, wenn zwischen beiden ein Kaufvertrag über dieses Grundstück geschlossen wurde. a) Der Kaufgegenstand ist ein Grundstück. Daher bedurfte der Kaufvertrag der notariellen Beurkundung (§§ 125. 1, 313. 1). Dieses Formerfordernis wurde eingehalten. b) Ein Kaufvertrag setzt sich aus Angebot und Annahme zusammen (§§ 145 ff.). R gab keine eigene Willenserklärung ab. Die Willenserklärung des B könnte jedoch unmittelbar für sie wirken, wenn dieser als ihr Stellvertreter handelte (§ 164 I 1 bzw. III). aa) B gab eine eigene Willenserklärung ab und handelte somit nicht nur als Bote der R. bb) Des weiteren trat B ausdrücklich (§ 164 I 2 1. Alt.) im Namen der R (§ 164 I 1) auf, so daß er Z seine Vertretung auch offenkundig machte (§ 164 II). cc) Weiterhin müßte B innerhalb einer Vertretungsmacht gehandelt haben (§ 164 I 1). Hier kommt eine Vollmacht in Betracht (§ 166 II 1). 1
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Teil A: Ansprüche des Z gegen R und B
A) Ansprüche gegen R
I. Anspruch auf Übergabe und Übereignung des
Baugrundstücks „Holzweg 9“ aus Kaufvertrag (§ 433 I
1)
Möglicherweise kann Z von R Übergabe und Übereignung
des Baugrundstücks „Holzweg 9“ aus Kaufvertrag
fordern (§ 433 I 1).
1. Dieser Anspruch entstand, wenn zwischen beiden ein
Kaufvertrag über dieses Grundstück geschlossen wurde.
a) Der Kaufgegenstand ist ein Grundstück. Daher
bedurfte der Kaufvertrag der notariellen Beurkundung
(§§ 125. 1, 313. 1). Dieses Formerfordernis wurde
eingehalten.
b) Ein Kaufvertrag setzt sich aus Angebot und Annahme
zusammen (§§ 145 ff.). R gab keine eigene
Willenserklärung ab. Die Willenserklärung des B
könnte jedoch unmittelbar für sie wirken, wenn dieser
als ihr Stellvertreter handelte (§ 164 I 1 bzw. III).
aa) B gab eine eigene Willenserklärung ab und
handelte somit nicht nur als Bote der R.
bb) Des weiteren trat B ausdrücklich (§ 164 I 2 1.
Alt.) im Namen der R (§ 164 I 1) auf, so daß er Z
seine Vertretung auch offenkundig machte (§ 164 II).
cc) Weiterhin müßte B innerhalb einer
Vertretungsmacht gehandelt haben (§ 164 I 1). Hier
kommt eine Vollmacht in Betracht (§ 166 II 1).
aaa) Diese muß durch ein einseitiges
empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft, hier in Form
einer Innenvollmacht (167 I 1. Alt.), erteilt werden
(§ 166 II 1).
(1) Abgabe: R bat N, eine schriftliche
Willenserklärung, in der sie B zum Verkauf des
1
Grundstücks „Holzweg 9“ Vollmacht erteilte, an B zu
schicken. Damit gab R eine Vollmachtserklärung ab.
(2) Fraglich ist jedoch, ob die Bevollmächtigung
wirksam wurde. Es handelt sich um eine
empfangsbedürftige Willenserklärung unter Abwesenden.
Diese wird erst mit ihrem Zugang wirksam (§ 130 I 1).
Die Vollmachtsurkunde wurde als Einschreiben
weggeschickt. Wann ein Einschreiben zugegangen ist,
ist umstritten.
Nach einer Ansicht geht das Einschreiben bereits mit
der Zustellung des Benachrichtigungszettels zu2.
Andere meinen, das Einschreiben gehe in dem Zeitpunkt
zu, in dem der Empfänger die Möglichkeit der
Kenntnisnahme hat3, regelmäßig am ersten Werktag nach
Einwurf des Benachrichtigungszettels4.
Demgegenüber wird auch die Ansicht vertreten, daß das
Einschreiben erst mit der tatsächlichen Aushändigung
zugeht5. Bei einem gescheiterten Zugang muß der
Absender einen erneuten Zustellungsversuch
unternehmen, wenn er seine Erklärung wirksam werden
lassen will6. In Anwendung der Grundsätze der §§ 162
I, 242 kann ein erneuter Zustellungsversuch
allenfalls bei einer arglistigen Vereitelung auf
Seiten des Empfängers entbehrlich sein7.
Die erste Ansicht ist abzulehnen, da mit dem
Benachrichtigungszettel der Empfänger – mangels
jeglichen Hinweises auf Absender und Inhalt8 - noch
keine Möglichkeit der Kenntnisnahme hat9.
Man könnte sagen, daß die dritte Ansicht im Gegensatz
zur zweiten Ansicht, dem Absender das Risiko
22 Flume S. 2343 3 Behn AcP 178 (1978), 527; Weber JA 1998, 598; Erman/Palm §
rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise binden
würde wie der Grundstückskaufvertrag selbst32.
Insbesondere wird dies für die Fälle angenommen, in
denen die Nichtvornahme des Vertretergeschäfts
Nachteile für den Vertreter oder einen Dritten zur
Folge hat, in denen der Bevollmächtigte gegenüber dem
Grundstückserwerber weisungsgebunden ist oder vom
Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181) befreit
wurde33. Hier trifft keine dieser Ausnahmen zu.
Fraglich ist, ob R aus anderen Gründen endgültig
gebunden wurde. Die weite Distanz ihres Kurorts vom
Vertragsschauplatz hätte sie jedoch nicht von einem
Widerruf abhalten müssen. Auch die Annahme der
Unwiderruflichkeit der Vollmacht bewirkt nicht
zwangsweise die gleiche Bindung wie der
Grundstückskaufvertrag. Sie könnte nämlich über die
Widerruflichkeit ihrer Vollmacht aufgeklärt werden
und so ihren Entschluß zurückziehen. Daher ging R mit
der Bevollmächtigung keine so starke Bindung ein wie
mit dem Kaufvertrag selbst.
(4) Ergebnis: Somit ist die Vollmacht nicht
formbedürftig und damit wirksam (§§ 125. 1, 313. 1
analog).
ccc) Jedoch könnte die Vollmachtserteilung aufgrund
eines Formmangels des Grundgeschäfts nichtig sein (§§
125. 1, 313. 1 analog), wenn dieses eine endgültige
Bindung der R zur Grundstücksveräußerung mit sich
bringt. Dazu müßte sich insbesondere aus dem
Grundgeschäft die Unwiderruflichkeit der Vollmacht
ergeben34. Dies ist jedoch nicht der Fall35. Daher ist
3232 s. Teil A), A), II., 1., c), cc), bbb)3333 MüKo/Thiele § 167 Rn 18 f. mwN3434 Larenz S. 69; MüKo/Kanzleiter § 313, 42f.3535 s. Teil A, A), II., 1., c), cc), bbb), (1)
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die Vollmachtserteilung nicht in analoger Anwendung
der §§ 125. 1, 313. 1 nichtig.
ddd) Ergebnis: B hatte somit für den Verkauf des
Baugrundstücks „Holzweg 7“ Vertretungsmacht.
dd) Ergebnis: B trat hier wirksam als Stellvertreter
der R auf, so daß seine Willenserklärung gegenüber Z
unmittelbar für R wirkt (§ 164 I 1 bzw. III).
c) Ergebnis: Folglich kam ein Kaufvertrag über das
Baugrundstück „Holzweg 7“ zwischen R und Z zustande.
d) Teilnichtigkeit (§ 139): Der Kaufvertrag könnte
aufgrund der Nichtigkeit des anderen Kaufvertrages36
unwirksam sein, wenn er mit diesem Kaufvertrag eine
Einheit bildet37 und nicht anzunehmen ist, daß er auch
ohne den anderen Kaufvertrag abgeschlossen sein
würde.
aa) Die getrennte Beurkundung läßt jedoch vermuten,
daß die Geschäfte keine Einheit bilden. Um diese
Vermutung zu widerlegen müßte mindestens eine der
Parteien gewollt haben, daß die beiden Verträge
miteinander stehen und fallen sollen38. Z wollte „am
liebsten“ auch das Nachbargrundstück „Holzweg 9“, um
ein noch größeres Bauprojekt verwirklichen zu können.
Jedoch ist daraus zu entnehmen, daß er sich auch mit
dem Grundstück „Holzweg 7“ zufrieden gäbe.
bb) Ergebnis: Daher ist keine rechtliche Einheit zu
bejahen, so daß der Kaufvertrag über das Grundstück
„Holzweg 7“ trotz der Nichtigkeit des anderen
Kaufvertrages wirksam ist.
e) Ergebnis: Daher entstand der Anspruch.
2. Er könnte aber durch eine rechtsvernichtende
Einwendung untergegangen sein. R war mit dem
Kaufpreis nicht einverstanden. Daher könnte der
Kaufvertrag durch eine Anfechtung ex tunc nichtig
3636 s. Teil A, A), I., 1., c)3737 Soergel/Hefermehl § 139 Rn 133838 Soergel/Hefermehl § 139 Rn 15 mwN
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sein (§ 142 I). Diese setzt die Zulässigkeit, einen
Anfechtungsgrund (§§ 116 ff.) und eine
Anfechtungserklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner
Z (§ 143) innerhalb der Anfechtungsfrist (§§ 121 bzw.
124) voraus.
a) Fraglich ist, ob die Anfechtung durch den
Vertretenen zulässig ist.
Grundsätzlich kann der Vertretene nur bei
Willensmängeln des Vertreters anfechten (§ 166 I). B
irrte sich jedoch nicht.
Umstritten ist, ob der Vertretene auch bei eigenen
Willensmängeln anfechten kann39.
Als Anfechtungsgrund kommt jedoch nur ein Irrtum über
den Kaufpreis, ein unbeachtlicher Motivirrtum40, in
Betracht, so daß R den Kaufvertrag auch nicht
anfechten könnte und der Meinungsstreit nicht
ausgeführt werden muß.
b) Ergebnis: Daher bleibt der Kaufvertrag wirksam
(142 I 1), so daß der Anspruch nicht nachträglich
erloschen ist.
3. Ihm steht auch keine Einrede entgegen.
4. Ergebnis: Z hat somit gegen R einen Anspruch auf
Übergabe und Übereignung des Baugrundstücks „Holzweg
7“ aus Kaufvertrag (§ 433 I 1).
III. Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses in
Höhe von „50.000.- DM“ aus culpa in contrahendo
Möglicherweise kann Z wegen des entgangenen
Grundstücksgeschäfts „Holzweg 9“ überdies von R
Ersatz des negativen Interesses in Höhe von „50.000.-
DM“ aus culpa in contrahendo fordern.
1. Hierzu müßte dieser Anspruch entstanden sein.
39 39 Larenz S. 609; Pawlowski S. 380; MüKo/Thiele § 167 Rn 41; Palandt/Heinrichs § 166 Rn 10; Jauernig/Jauernig § 166 Rn; einschränkend BGHZ 51, 141, 148; aA Enneccerus-Nipperdey S. 1117; Flume S. 867 ff.
4040 Musielak S. 14511
a) Teilweise wird vertreten, daß eine Haftung des
Vertretenen neben der Haftung des Vertreters (§ 179)
nicht zulässig ist41. Eine Haftung aus culpa in
contrahendo wäre aber ohnedies abzulehnen, wenn Z
keinen Vertrauensschaden hätte.
In Betracht könnte ein Schaden aufgrund seines
fälschlichen Vertrauens auf die Gültigkeit des
Kaufvertrages über das Grundstück „Holzweg 9“ kommen.
Laut Z war aber das Vertrauen auf den Kaufvertrag
über das Grundstück „Holzweg 7“ Auslöser für die
Ablehnung des anderen Angebots. Dieser Kaufvertrag
ist jedoch gültig42. Daher entstand Z kein
Vertrauensschaden. Der oben erwähnte Meinungsstreit
kann somit unentschieden bleiben.
b) Ergebnis: Der Anspruch entstand somit nicht.
2. Ergebnis: Folglich kann Z von R nicht Ersatz des
negativen Interesses in Höhe von 50.000.- DM aus
culpa in contrahendo fordern.
B) Ansprüche gegen B
I. Anspruch auf Erfüllung oder Ersatz des positiven
Interesses (§ 179 I)
Möglicherweise kann Z aber von B wegen des
entgangenen Grundstücksgeschäfts „Holzweg 9“
Erfüllung oder Ersatz des positiven Interesses
fordern (§ 179 I).
1. Hierzu müßte dieser Anspruch entstanden sein.
a) B handelte als Vertreter ohne Vertretungsmacht.
b) R verweigerte auch konkludent (§ 133, 157, 242)
Alt.) als Stellvertreter der Inhaberin R der „Kfz-
Reparaturwerkstatt Rosa Rostig“ auf, so daß er T
seine Vertretung auch offenkundig machte (§ 164 II).
cc) Ferner mußte L Vertretungsmacht haben (§ 164 I
1). In Betracht kommt eine Rechtsscheinvollmacht.
aaa) Es könnte sich hier um eine Duldungsvollmacht
handeln.
(1) Diese setzt voraus, daß R das Verhalten des L zum
fraglichen Zeitpunkt kannte, aber nicht dagegen
einschritt47. Wann dem Vertretenen zugestanden werden
kann, daß er wirksam einschritt, ist umstritten.
Eine Ansicht fordert, daß der Vertretene dem Dritten
gegenüber erkennbar macht, daß er das Handeln des
Vertreters nicht duldet48.
Der Gegenansicht genügt, wenn der Vertreter weiß, daß
der Vertretene sein Handeln nicht duldet49.
Man könnte sagen, daß in analoger Anwendung der §§
170 ff. eine Duldungsvollmacht, die auf ein dem
Dritten erkennbares Dulden begründet ist, nur bei
einem wiederum dem Dritten erkennbaren Verhalten des
Vertretenen verneint werden könne. Gegen diese
Analogie spricht jedoch, daß die Duldung nicht den
gleichen Erklärungswert wie die Kundgabe hat50. Der
Geschäftspartner kann sich nämlich im Gegensatz zur
Kundgabe nicht auf die Duldung verlassen51. Daher ist
der zweiten Ansicht zu folgen. R untersagte L weitere
Einkäufe. Somit schritt sie wirksam gegen das Handeln
des L ein.
(2) Ergebnis: Daher hatte L keine Duldungsvollmacht.
bbb) Es könnte jedoch eine Anscheinsvollmacht
bestehen52.
47 MüKo/Thiele § 167 Rn 3648 über Altmeppen S. 149: Canaris S. 14749 Altmeppen S. 149; Flume S. 85950 Altmeppen S. 149 f.51 Flume S. 85952 Palandt/Heinrichs § 173 Rn 13
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(1) Die Anerkennung des Instituts der
Anscheinsvollmacht ist jedoch umstritten.
Einerseits wird vertreten, daß durch die
Anscheinsvollmacht die gleichen Wirkungen wie bei
einer Bevollmächtigung ausgelöst werden53. Diese setzt
voraus, daß der Scheingeschäftsherr das vollmachtlose
Handeln seines Vertreters zwar nicht kannte, es aber
bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte kennen müssen und
verhindern können. Der Geschäftspartner muß das
Verhalten des Scheinvertreters nach Treu und Glauben
(§ 242) mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dahin
auffassen, daß es dem Scheingeschäftsherrn bei
verkehrsmäßiger Sorgfalt nicht habe verborgen bleiben
können, er es mithin dulde54.
Die Gegenansicht läßt die Anscheinsvollmacht nur im