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© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (6) Z FA Zeitschrift für Allgemeinmedizin German Journal of Family Medicine Juni 2011 – Seite 241-288 – 87. Jahrgang www.online-zfa.de 6/2011 Im Fokus CAM – die Diskussion geht weiter DEGAM S1-Leitlinie EHEC / HUS Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerzen Weiterbildung Allgemeinmedizin: Welche Themen sind wichtig? Morbus Dupuytren Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA) und der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM) Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Society of Professors of Family Medicine and the Salzburg Society of Family Medicine This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/MEDPILOT DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 4402 – Heft 6/2011 Deutscher Ärzte-Verlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln
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Oct 19, 2020

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© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (6)

Z FAZeitschrift für Allgemeinmedizin

German Journal of Family Medicine

Juni 2011 – Seite 241-288 – 87. Jahrgang www.online-zfa.de

6/2011

Im Fokus

CAM – die Diskussion geht weiter

DEGAM S1-Leitlinie EHEC / HUS

Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerzen

Weiterbildung Allgemeinmedizin: Welche Themen sind wichtig?

Morbus Dupuytren

Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM),der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA) und derSalzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Society of Professors of Family Medicine and the Salzburg Society of Family Medicine

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Jenseits jeglicher Evidenz …

Nicht selten kommen Pa-tienten mit ausgeschnitte-nen Anzeigen aus Illustrier-ten in meine Praxis und fra-gen mich um Rat, was von den angepriesenen Thera-pien zu halten sei. Könnten hierdurch nicht vielleicht seit langem bestehende Be-schwerden endlich gelin-dert werden? Egal ob es sich um ein neues Phytothera-peutikum zur Behandlung von Vergesslichkeit oder über Magnet-Pads zur Lin-derung von Gelenkschmer-

zen (um nur zwei Beispiele zu nennen) handelt, muss ich mei-ne Patienten in den meisten Fällen enttäuschen: „Der Herstel-ler des Produkts und der Apotheker haben wahrscheinlich mehr davon als Sie, wenn Sie das kaufen und einnehmen.“ Und doch ist mir bei diesen Aussagen nie so ganz wohl. Zwar bin ich mir sicher, dass es keine belastbare Studienevidenz zu diesen Produkten gibt, aber gleichzeitig muss ich daran den-ken, dass wir so vieles in der täglichen Praxis machen, was ebenfalls nicht durch Studienevidenz abgesichert ist. Wenn ich mir die Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerzen an-schaue, dann finde ich so manche Behandlung, die ich zumin-dest ab und zu anwende, obwohl sie weder evidenzbasiert noch leitliniengerecht ist. Und ich mache das, weil mir der eine oder andere Patient in den Sinn kommt, dem die leitliniengerechte Behandlung nicht geholfen hat, sehr wohl aber die nicht evi-denzbasierte Maßnahme. Natürlich bin ich mir darüber im Kla-ren, das meine Einzelbeobachtungen einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten, aber ... Hauptsache es hilft. Bin ich nun Schul- oder Komplementärmediziner?

Eigentlich halte ich mich für einen Schulmediziner, aber die Patienten meinen andererseits, dass Schulmediziner immer gleich Antibiotika verschreiben. Das tue ich aber nun gerade nicht, weil es meistens gar nicht evidenzbasiert ist und mehr Schaden als Nutzen bringt.

Also doch eher komplementär? Nein, auch das nicht. Ich weiß ja, dass das Sinupret auch nichts hilft, das ich dem Pa-tienten aus Verlegenheit empfehle, obwohl er eigentlich un-bedingt ein Antibiotikum möchte. Aber es schadet wenigs-tens nicht. Und die Firma Bionorica soll auch leben ... aber 52 Millionen Euro Umsatz im Jahr (2009) – ja Sie haben richtig gelesen: Sinupret ist das umsatzstärkste und meistverkaufte Phytotherapeutikum in Deutschland – das erscheint mir dann doch wieder übertrieben für ein Präparat ohne wissen-schaftlichen Wirksamkeitsnachweis. Ich werde also in Zu-kunft mit dieser Empfehlung zurückhaltender sein! Am liebs-ten sind mir die Patienten, die einfach beruhigt sind, wenn ich Ihnen erkläre, dass die Erkältung mit und ohne Behand-lung genauso schnell vergeht, und das sind zum Glück viele (und sie werden alle sehr schnell wieder gesund). Aber was mache ich mit den übrigen?

In diesem Heft finden Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, nicht nur einen wichtigen Artikel zur Nationalen Ver-sorgungsleitlinie Kreuzschmerzen, sondern auch eine Fort-setzung der Diskussion über das Thema Allgemeinmedizin und CAM (complementary and alternative medicine). Schon ein schwieriges Thema für unsere doch über weite Bereiche evidenzarme Disziplin, und eine Aufforderung, nicht nur CAM intensiver zu beforschen, sondern überhaupt die Forschung am Patienten in der Allgemeinmedizin zu inten -sivieren.

Mit herzlichen Grüßen,

Andreas Sönnichsen

241EDITORIAL / EDITORIAL

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EDITORIAL / EDITORIAL ................................................................241

DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS ........................................243

LEITLINIE / GUIDELINEDEGAM S1-Leitlinie EHEC / HUS ........................................................246

KOMMENTAR/MEINUNG / COMMENTARY/OPINIONKomplementärmedizin ja – aber nur, wenn wir wissen, was wir tunJohannes Hauswaldt .................................................................................................248Mastodynie und Keuschlamm – Ein Diskussionsbeitrag zur CAMHans-Otto Wagner ....................................................................................................249Ist der Zug nicht längst abgefahren?Silke Brockmann .......................................................................................................250Ist normale menschliche Kommunikation tatsächlich ein Komplement oder gar eine Alternative?Thomas Kühlein .......................................................................................................251„Gut genug“ ist auch gutHarald Kamps ..........................................................................................................253CAM als einheimische EthnomedizinMartin Konitzer ........................................................................................................254Lieber kultivierte Nicht-Therapie als schädliche ÜbertherapieReinhard Möller ........................................................................................................255StellungnahmenDetmar Jobst ............................................................................................................256Stefanie Joos .............................................................................................................257Heinz-Harald Abholz ................................................................................................258Manfred Anlauf ........................................................................................................258

ÜBERSICHT / REVIEWDie Nationale Versorgungsleitlinie KreuzschmerzenThe National Disease Management Guideline for Low Back PainJean-François Chenot, Annette Becker ..............................................................260

WEITERBILDUNG / VOCATIONAL TRAININGPragmatische Entwicklung von Themenfeldern in der Weiterbildung AllgemeinmedizinPragmatic Development of Topic Areas for the Postgraduate Training in Family MedicineSusann Schumann, Sven Schulz, Thomas Lichte, Katja Stengler, Jochen Gensichen .....269

ÜBERSICHT / REVIEWMorbus Dupuytren – Diagnose, OP-Indikation und chirurgische TherapieDupuytren’s Contracture – Diagnosis, Indications for Surgery and Surgical TreatmentClemens Dumont, Mohammad Tezval, Miriam Birth,

Jan Ammon, Klaus Michael Stürmer ..........................................................................274

Qualifizierung von MFA für delegierbare Tätigkeiten in der häuslichen Umgebung von allgemeinärztlichen PatientenTraining for Health Care Assistants for Deliver Outreach Visits in Primary CareIngrid Gerlach, Katja Brenk-Franz, Jochen Gensichen ..........................................280

AKTUELL / NEWSHausarztzentrierte Versorgung ............................................................287

IMPRESSUM / IMPRINT ...................................................................288

Titelfoto: © Kautz15 – Fotolia.com

ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin

Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familien-medizin (DEGAM; www.degam.de) und der

Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA; www.gha-info.de) sowie der

Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians

The Society of Professors of Family Medicine and the

Salzburg Society of Family Medicine

Herausgeber/Editors M. M. Kochen, Freiburg (federführend) H.-H. Abholz, Düsseldorf S. Rabady, Windigsteig W. Niebling, Freiburg im Breisgau A. Sönnichsen, Salzburg Internationaler Beirat/International Advisory Board J. Beasley, Madison/Wisconsin, USA F. Buntinx, Leuven/Belgien; G.-J. Dinant, Maastricht/NL; M. Egger, Bern/CH E. Garrett, Columbia/Missouri, USA P. Glasziou, Robina/Australien; T. Greenhalgh, London/UK; P. Hjort-dahl, Oslo/Norwegen; A. Knottnerus, Maastricht/NL; C. del Mar, Robina/Australien; J. de Maeseneer, Gent/ -Belgien; P. van Royen, Antwerpen/ Belgien; B. Starfield, Baltimore/ Maryland, USA; F. Sullivan, Dundee/Schottland, UK; P. Tschudi, Basel/CH; C. van Weel, Nijmegen/NL; Y. Yaphe, Porto/Portugal Koordination/Coordination J. Bluhme-Rasmussen This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/MEDPILOT

Dieselstraße 2, 50859 KölnPostfach/P.O. Box 40 02 54,50832 KölnTelefon/Phone: (0 22 34) 70 11–0www.aerzteverlag.dewww.online-zfa.de

242 INHALTSVERZEICHNIS / TABLE OF CONTENTS

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Candidiasis als unerwünschte Wirkung inhalativer Glucocorticoide

Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e.V. (DAPI) hat anhand von Arzneimit-tel-Abrechnungsdaten das Auftreten ei-nes lokalen Pilzbefalls (Candidiasis) als unerwünschte Wirkung inhalativer

Glucocorticoide (ICS) geprüft. In der DAPI-Datenbank sind die anonymisier-ten Rezeptdaten der GKV aus mehr als 80% der öffentlichen Apotheken in Deutschland verfügbar. Aus diesem Da-tenpool wurden Versicherte ausgewer-

tet, die zwischen Dezember 2008 und November 2009 ein Re-

zept über inhalative Gluco-corticoide verordnet beka-men (auch in Kombinati-

onspräparaten, z.B. mit For-moterol). 40.000 der erfass-ten drei Millionen Patien-ten (entspricht ca. 1%) er-hielten bis zu 30 Tage später ein Antimykotikum, das zur lokalen Behandlung einer Pilzinfektion eingesetzt werden kann (Amphoteri-

cin B, Nystatin, etc.). Das Institut weist darauf hin, dass der Antimykotikaver-brauch der Patienten unter Umständen nicht vollständig erfasst wurde (z.B. Fehlen der Informationen zur Selbst-

medikation). Des Weiteren könnte die niedrige Nebenwirkungsquote auch mit einer niedrigen Compliance bei ICS assoziiert sein.

Bei der Betrachtung der Nebenwir-kungsrate wurde nach den verschiede-nen Inhalationssystemen (Dosieraero-sol, Pulverinhalator, Vernebler) differen-ziert. Dabei zeigte sich, dass der Einsatz

von Verneblern zur Applikation der ICS mit 2,3% deutlich riskanter war als bei Dosieraerosolen mit 1,4% oder Pulver-

inhalatoren mit 1,2%. Aus Untersuchungen in Deutsch-

land ist bekannt, dass Anwendungsfeh-ler bei inhalativen Darreichungsformen bei drei von vier Patienten vorkommen, und diese bereits durch eine einmalige Intervention unter Demonstration der Inhalationstechnik um 65% reduziert werden können. Wichtig ist, dass alle in-halierenden Patienten darauf hingewie-sen werden, nach der Inhalation den Mund gründlich zu spülen oder eine Mahlzeit einzunehmen.

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DEGAM-BenefitsAusgewählt und verfasst von Prof. Dr. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP, Freiburg

Ständig aktualisierte Veranstaltungstermine von den „Tagen der Allgemeinmedizin“ finden Sie unter www.tag-der-allgemeinmedizin.de.

243DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

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Hypertoniekontrolle beim Friseur?

Eigentlich gehört nicht allzu viel Phan-tasie dazu, sich traditionelle Orte vor-zustellen, an denen sich Hypertoniepa-tienten mit ihrem Blutdruck beschäfti-gen: die Arztpraxis, die Apotheke oder zu Hause mit dem eigenen Messgerät (Letzterer ist – sowohl was die Genau-igkeit als auch das „entspannte Wohlge-fühl“ anbetrifft – der Beste ...). Eher un-gewöhnlich mutet es hingegen an, wenn der Friseur in der Stadt sei-nen Salon als Hoch-druckmanagement-Büro ausbaut und entspre-chend anpreist.

Amerikanische Wis-senschaftler haben sich ein Studiendesign aus-gedacht, bei dem Friseur-salons eine zentrale Rolle spielen. Allerdings nicht nur ein „normaler“ Fri-seursalon, der Besitzer musste afroame-rikanischer Herkunft sein. Dieser Über-legung liegen wissenschaftliche Fakten zugrunde: • Schwarze Männer in den USA leiden

besonders häufig an Bluthochdruck. • Die Qualität der Einstellung lässt bei

über 70% der betroffenen vier Millio-nen Patienten zu wünschen übrig.

• Letztlich ist auch die altersadjustierte Sterblichkeit an Hochdruckkrankhei-ten bei Schwarzen drei Mal höher als bei Weißen.

Primäres Ziel dieser cluster-randomisier-ten Studie in Dallas County/Texas war die „Blutdruckkontrolle“ bei den (schwarzen) Kunden der teilnehmen-den Friseure. Warum der Begriff Blut-druckkontrolle in Anführungszeichen steht? Weil die Autoren darunter offen-bar die Weiterleitung bisher unbehan-delter Personen an Ärzte verstanden, al-

so im Grunde die Einschleusung ins me-dizinische Versorgungssystem.

Der Aufwand für diese Unter-suchung erscheint enorm. Auf Eignung geprüft wurden 222 Friseurläden und 5.094 Kunden mit Bluthochdruck. Letztendlich randomisiert wurden le-diglich:• 9 Salons mit 539 Kunden in der Inter-

ventionsgruppe (kontinuierliche RR-Kontrollangebote; Adressen behan-delnder Ärzte; Flyer mit Gesundheits-ratschlägen) und

• 8 Salons mit 483 Kunden in der Kon-trollgruppe (Standardflyer über Blut-hochdruck).

Das Ergebnis ist in meinen Augen ent-täuschend. Zwar verbesserte sich die „Blutdruckkontrolle“ durch die Inter-vention (d.h. die Friseure erfüllten ihre Rolle als „Gesundheitserzieher“ und

sorgten dafür, dass hypertone Kun-den einen Arzt aufsuchten) – der Blutdruck selbst aber ging nur mar-ginal und statistisch nicht signifi-kant zurück. Dieses Resultat verkau-fen die Autoren als Erfolg. Warum man in den Friseurläden nicht in ei-nem kleinen Hinterzimmer eine Krankenschwester als kontinuierli-che „case managerin“ einsetzte, bleibt unklar.

Es scheint doch noch etwas ande-res zu sein, beim Friseur ein Schwätz-chen zu halten, als sich Änderungen

im Lebensstil und einer langfristigen Arzneimittelbehandlung zu unterzie-hen. Ich sage das allerdings etwas vor-laut, denn mein letzter Friseurbesuch liegt aufgrund fehlenden Schneidmate-rials fast genau 15 Jahre zurück ...

Victor RG et al. Effectiveness of a barber-based intervention for improving hy-pertension control in black men. The BARBER-1 Study: a cluster randomized trial. Arch Intern Med. 2011; 171: 342–50

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Morphin als Selbstmedikation freigegeben …

Ich nehme einmal an, dass nur wenige Leser dieser Schlag-zeile spontan glau-ben würden. Zuge-geben, sie stimmt auch nicht …

Was ich aber damit andeuten will, ist, dass der Zug der Umwand-lung von ehemals

rezeptpflichtigen Arzneimitteln in frei-verkäufliche Medikamente weiter an Fahrt aufnimmt – Simvastatin, Naratrip-tan, Omeprazol/Pantoprazol sind nur ei-nige wenige Beispiele aus letzter Zeit.

Vorreiter in dieser Hinsicht ist seit geraumer Zeit Großbritannien. Dort wurde vor wenigen Monaten der Al-phablocker Tamsulosin freigegeben. Die neueste Ausgabe des britischen Drug and Therapeutics Bulletin (ent-spricht am ehesten dem deutschen Arz-

neimittelbrief) hat darüber einen Arti-kel verfasst, der wegen potenziell fehler-

hafter Selbstdiagnose der Betroffenen die Apotheker dazu aufruft, Tamsulosin-Käufern eine vorherige hausärztliche Konsultation anzuraten. Ob dieser Rat von den Angesprochenen beherzigt wird? Es darf gezweifelt werden.

NN. OTC tamsulosin for benign prosta-tic hyperplasia. Drug Therapeut Bull 2010; 48: 113–114

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244 DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

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Die Cochrane Library (auf der Webseite der DEGAM für Mitglieder frei verfüg-bar) hat drei Übersichtsarbeiten ver-öffentlicht, die – in Form der number needed to treat (NNT) – den Nutzen von Analgetika- bzw. Entzündungshemmer-Einzeldosen bei einem akuten Migräne-anfall darstellen.

Zu Ibuprofen als Einzelsubstanz mit 200 mg bzw. 400 mg fanden sich neun Studien mit 4.373 Patienten, für Parace-tamol 1000 mg (mit oder ohne 10 mg Metoclopramid) zehn Studien mit 2.769 Patienten und für Acetylsalicylsäure 1000 mg (ebenfalls als Einzelsubstanz mit oder ohne MCP) 13 Studien mit 4.222 Teilnehmern. Endpunkte waren Schmerzfreiheit nach zwei Stunden und 24 Stunden anhaltende Schmerzlin-derung.

Sieht man einmal von möglichen methodischen Einwänden gegen die Vergleichbarkeit aller erfassten Studien ab, so lässt sich die Quintessenz folgen-dermaßen zusammenfassen:• Alle geprüften Substanzen sind wirk-

samer als Placebo. • Ibuprofen 400 mg ist wirksamer als

200 mg und gleich effektiv wie 1000 mg ASS oder 25 mg Rofecoxib.

• ASS 1000 mg ist gleich wirksam wie 50 mg Sumatriptan, aber (selbst mit 10 mg MCP kombiniert) 100 mg Suma-triptan unterlegen.

• Paracetamol 1000 mg + 10 mg Meto-clopramid ist gleich wirksam wie 100 mg Sumatriptan.

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Akuter Migräneanfall: Was nutzen Analgetika und Entzündungshemmer?

Die Leber leidet lange stumm

Vielleicht erinnern Sie sich noch an die erste (Fettleber-)Sau, die durchs Dorf ge-trieben wurde: Am 22. Februar des letz-ten Jahres informierte ein Benefit über einen wissenschaftlich miserablen Arti-kel im Nachrichtenmagazin „Der Spie-gel“. Er begann mit den Worten: „Bei je-dem fünften Deutschen strotzt die Leber

vor Fett. Jetzt warnen Ärzte: Auch ganz ohne Alkohol endet das Leiden oft in der Zirrhose.“

Im Text kam u.a. Claus Niederau zu Wort, Chefarzt der Inneren Medizin am St. Marien-Hospital in Oberhausen und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leberhilfe – gesponsert durch die Fir-men Roche Pharma, Essex Pharma, Gile-ad Sciences, GlaxoSmithKline, Dr. Falk Pharma, Novartis Pharma, Roche Aus-tria und Bristol-Myers Squibb.

Seit der Spiegel-Publikation ist in-zwischen einige Zeit vergangen. Höchs-te Zeit, dachte sich vermutlich die Deut-sche Leberhilfe, um die Bevölkerung über elektronische und Printmedien er-neut zu alarmieren. Das große Sterben droht ...

Wer in der WELT vom 25. November 2010 den (im Vergleich zum Spiegel oft wortidentischen) Artikel „Die Leber lei-det lange stumm“ liest, wird wenig Zweifel an der Urheberschaft haben.

Wörtlich heißt es dort: „Auch wenn sie erkrankt und langsam stirbt, bleibt dies vom Betroffenen meist jahrelang unbe-merkt. Bis es oft zu spät ist und ihr Ge-webe verschrumpelt oder von Krebs zer-fressen ist.“

Den Artikel können Sie herunter-laden unter:

www.welt.de/print/welt_kompakt/print_wissen/article11205081/Die- Leber-leidet-lange-stumm.html

Passend zum Thema findet man auf der Seite auch gleich noch die Werbung für ein Präparat aus Mariendistelextrakt mit einer lyrischen Indikationsliste („Leberwerte senken, Entgiftung der Le-ber, bei fettiger und zuckerreicher Er-nährung, bei Fettleber, bei häufigem Al-koholkonsum, nach der Einnahme von Medikamenten, bei Gallenproblemen, bei Hepatitis, nach einer Chemothera-pie, bei erhöhten Leberwerten als Kur-anwendung“). Preis für 90 Kapseln: 36,80 Euro. Mahlzeit!Fo

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245DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

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246 LEITLINIE / GUIDELINE

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247LEITLINIE / GUIDELINE

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CAM und Allgemeinmedizin

In Heft 4 der ZFA in diesem Jahr haben wir eine Diskussion über dieses Thema begonnen. Es haben uns dann sehr schnell mehrere Diskussionsbeiträge da-zu in Form von ausführlichen Leserbrie-fen erreicht, die wir in der Reihenfolge ih-res Eintreffens hier abdrucken – dies

nebst einer abschließenden Stellungnah-me der vier Autoren aus Heft 4/2011.

Wir meinen, dass nun durch die Vielzahl der Beiträge das Themenfeld klarer als zuvor ist, Schwachpunkte bzw. Nicht-zu-Ende-Gedachtes in unserem Verständnis des Behandelns in der All-

gemeinmedizin deutlicher geworden sind – aber auch sich schon konzeptio-nelle Lösungen abzeichnen. Der nächste Schritt wäre nun eine Einordnung in ei-ne „Theorie der Allgemeinmedizin“. Wir warten!

Heinz-Harald Abholz, Andreas Soennichsen

Komplementärmedizin ja – aber nur, wenn wir wissen, was wir tunJohannes Hauswaldt

Wissen und Handeln

Das sokratische „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“ (Oida ouk eidos, auch übersetzbar mit „ich weiß mich als Nichtwissenden“) mag hier hilfreich sein.

Denn wenn wir heute wohl schon etwas mehr wissen, oder zu wissen glau-ben, weist die Sentenz doch pointiert auf die immer bestehende Begrenztheit unseres Wissens. Das fortdauernde Di-lemma des Arztes, handeln zu müssen auch im Bewusstsein dieser Begrenzt-heit, ist allein erträglich durch Mitden-ken des Zweifels an seinem Handeln, al-so durch das „Lob des Zweifels“ [1].

Die Gesamtheit unseres jeweils ge-genwärtigen Wissens, seiner zugrunde liegenden Konzepte und Theorien, und seiner Methoden ist endlich und unvoll-ständig, und damit niemals mono-lithisch. Frau Joos spricht deshalb zu Recht von der „sogenannten wissen-schaftlichen Medizin“ – nicht, um diese zu diffamieren, vielmehr um ihren Al-leinvertretungsanspruch, die Usurpie-rung des Begriffes „wissenschaftlich“ in Frage zu stellen.

Medizingeschichte

Das Paradigma der gegenwärtigen „Schulmedizin“, Ausfluss der zellular-pathologischen Betrachtungsweise, der gelungenen Verbindung von Physiolo-gie und Pathophysiologie, hat sich als außerordentlich wirksam und erfolg-reich erwiesen – als Arzt möchte ich ihre Früchte nicht missen.

An Stellen jedoch, wo sie unzurei-chend ist, gar für Patient und Arzt leid-voll scheitert, sollte zum Wohle des Pa-tienten ein anderes paradigmatisches Herangehen möglich und zulässig sein.

Die Inkommensurabilität der ver-schiedenen Paradigmata [2] hat der Arzt dabei zu erkennen und zu erdulden. Weil „es keine lineare Denkbewegung“ [3] gibt, die diese grundsätzlich verschie-denen Denkwelten verbinden ließe – zu-mindest gegenwärtig nicht –, kann er je-weils nur punktuell-konkret und patien-tenindividuell angemessen handeln. Er muss also fortwährend „oszillieren“, um evidenzbasiert praktizieren [4] und da-bei den ,,zweiten Bierdeckel‘‘, den

Kamps und Harms als Metapher in ihrer Skizze hausärztlicher Semiotik anführen [5], mitdenken zu können.

Fazit

Komplementärmedizin ja – aber nur, wenn wir wissen, was wir tun, und die-ses, auch in seiner Begrenztheit, dem Pa-tienten gegenüber offenlegen.

Und damit wir besser wissen, was wir tun, sind Forschung und For-schungsförderung in der Komplemen-tärmedizin dringend vonnöten.

Dr. med. Johannes Hauswaldt, MPH

Arzt für Allgemeinmedizin, Homöopathie

Institut für Allgemeinmedizin der Medizi-

nischen Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Strasse 1

30625 Hannover

Tel.: 0511 5324928

E-Mail:

[email protected]

Korrespondenzadresse

1. Brecht B. Lob des Zweifels. In: Bertold Brechts Gedichte und Lieder, Auswahl. Peter Suhrkamp. Suhrkamp Verlag, Ber-lin/Frankfurt a.M. 1970: 22–25

2. Tsouyopoulos N. Asklepios und die Phi-losophen. Paradigmenwechsel in der Medizin im 19. Jahrhundert. Stuttgart, Bad Cannstatt 2008

3. Wiesemann C. Von der Säftelehre zur Zellenlehre. Zu den Theoretischen Grundlagen der modernen Medizin. In: [2] Seite 16

4. Hauswaldt J. Was ist Evidenzbasierte Medizin auch noch? Z Evid Fortbild Qual Gesundh.wesen 2010; 104: 625–629

5. Kamps H, Harms D. Die medizinische Theorie passt auf zwei Bierdeckel – Skiz-zen einer hausärztlichen Semiotik. Z Allg Med 2010;86:140–3

Literatur

248 KOMMENTAR/MEINUNG / COMMENTARY/OPINION

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Mastodynie und Keuschlamm – Ein Diskussionsbeitrag zur CAM (complementär-alternative Medizin)Hans-Otto Wagner

Eine vom Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen for-mulierte Prüfungsfrage lautete:

„Welche der folgenden Heilpflan-zen, bzw. deren Inhaltsstoffe können bei Mastodynie ohne morphologische Ver-änderungen der Mamma oder bei prä-menstruellem Syndrom indiziert sein?“A: Silybum marianum (Mariendistel)B: Vitex agnus-castus (Keuschlamm)C: Polygala senega (Senegawurzel)D : Raphanus sativus (Rettich)E : Juniperus communis (Wacholder)

Gewünscht war Antwort BAus Gesprächen mit Studierenden

weiß ich, dass sie solche Fragen in erster Linie amüsant finden, bei denen es darauf ankommt pfiffig zu sein und auf keinen Fall gewissenhaft. Denn, interpretiert man das Wort indiziert im wissenschaftli-chen Sinne, dann ist jede Antwort falsch, weil alle angebotenen Alternativen eine Wirkung haben, die sich von der eines Placebos (30–50% Besserung) nicht un-terscheidet [1]. Verbindet der Studierende das Wort hingegen mit dem Placebocha-rakter, dann kann grundsätzlich jede der angebotenen Antworten richtig sein. Er wird also schlau das Wort Keuschlamm rein linguistisch in einen gynäkologi-schen Zusammenhang bringen und si-chert sich den Punkt.

Der Fragesatz müsste eigentlich lau-ten: „Welche der folgenden … sind in Mitteleuropa populär“ [2].

Damit wären wir bei der Definition von D. Jobst: CAM ist eben ein quasi bunter Strauß von Therapieverfahren, die von unseren Patienten nachgefragt werden – also populär sind [3]. Die Wün-sche der Patienten werden als wesent-lich für die Notwendigkeit einer Anwen-dung der CAM, vor allem in der haus-ärztlichen Medizin, herausgestellt [4].

Wenn wir allerdings eine solche Defi-nition, d.h. die augenblickliche Populari-tät medizinischer oder paramedizinischer Maßnahmen ernsthaft als Maxime unse-res Handelns begreifen, führt das zu einer Boulevardisierung unserer Profession mit einer kaum zu überbietenden Beliebigkeit und ist außerdem ein Fass ohne Boden [5]. Machen wir uns da nicht lächerlich, so wie bei ernsthaft an Wissenschaft interessier-ten Studierenden bereits geschehen (s.o.)?

Nach 24 Jahren Tätigkeit als Land-arzt in einer Region mit hoher Heilprak-tikerdichte, kommen die Patienten oft zu mir mit der Frage, ob der Heilprakti-ker sie korrekt beraten hat und schätzen gerade meinen fehlenden Populismus. Was nicht heißt, dass ich ohne (unreine) Placebos und deren Inszenierung, auch meiner Person und meiner „Präsentati-on“ als Arzt auskäme.

Dagegen ist die Definition der CAM von Simon Singh und Edzard Ernst völlig klar und gut praktikabel. Hier werden als CAM alle Therapieverfahren bezeichnet, für die es keine wissenschaftliche Evidenz gibt [6]. Das ist m.E. die einzige sinnvolle Definition und entspricht außerdem der historischen Realität. Die sogenannte Schulmedizin zeichnet sich nämlich durch eine außerordentliche Selbstreflexi-on aus. Sie verwirft bei neuer Erkenntnis alte Therapieverfahren und nimmt ande-re, die gestern noch dem Bereich der CAM (z.B. Phytotherapien mit nachgewiesener Wirksamkeit) zugeordnet wurden, auf.

CAM, die ein Wirksamkeitsnachweis über Placeboniveau erbracht hat, ist eben keine mehr, ganz gleich wie sie sich nennt und aus welchem Kulturkreis sie stammt.

Diese Wandelbarkeit durch immer wiederkehrende Überprüfung geht z.B. der dogmatischen Homöopathie völlig ab, was dazu führt, dass sie nach heutiger Kenntnis baren Unsinn verbreitet. An sie muss man eben glauben. Hier gilt dann der Satz von Petr Skrabanek: „Es ist für den Behandlungserfolg und den Geld-beutel des Arztes ideal, wenn Arzt und Pa-tient ein bisschen dumm sind“ [7]. Das trifft auch für die meisten sogenannten Individuellen Gesundheits-Leistungen (IGEL) zu. Auf diesem Weg verlieren wir unser Ansehen und unsere Selbstach-tung, ganz egal was Patienten wünschen, von der Naturheilkundeindustrie pro-pagiert oder den Medien gepuscht wird.

Beklagt wird auch oft von den Ver-tretern der CAM, dass viele Bereiche eben noch nicht ausreichend erforscht seien, in dem Sinne, dass wenn genü-gend Geld für die Forschung zur Ver-fügung gestellt würde, eben auch alles besser zu beweisen wäre.

Mal abgesehen davon, dass einerseits in der eigenen Argumentation der CAM-Vertreter die Notwendigkeit der Integra-

tion der CAM in die Hausarztmedizin u.a. damit begründet wird, dass viel er-forscht sei und es in manchen Bereichen ja doch genügend Erkenntnisse gäbe, wird andererseits oft geradezu ignoriert, dass bereits mit viel Forschungsaufwand eben keine Ergebnisse zutage gefördert wurden. So auch bei der Akupunktur, ob-wohl sie aus Popularitätsgründen in die kassenärztliche Versorgung aufgenom-men wurde. Deren Wirksamkeit über Pla-ceboniveau ist nämlich keineswegs be-wiesen. In den Studien mit guter Qualität ist die echte Akupunktur der Scheinaku-punktur nicht überlegen. Besonders gut wirkt die Scheinakupunktur, wenn sie von Ärzten mit asiatischem Aussehen durchgeführt wird [8, 9, 10]

Auch hört man oft von CAM-Vertre-tern das Argument, dass eben unsere Er-kenntnismethode, insbesondere die evi-denzbasierte Medizin, bzw. der Reduktio-nismus mit seiner statistischen Entschei-dungsfindung, nicht geeignet sei, um die Wirksamkeit ihrer Therapien zu belegen. Richtig ist: Unser Gegenstand ist äußerst komplex, praktisch nur in Ansätzen er-forscht und all unsere Erkenntnis, mit al-ler Demut, vorläufig. Das meiste wissen wir nicht. Auch ist unsere Vorgehenswei-se relativ grob. Aber sie war bisher außer-ordentlich erfolgreich (nicht nur in der Medizin) und ich kenne keine bessere. Diese Methode des wissenschaftlichen Er-kenntnisgewinns in der Medizin, die uns weltweit eint und zu Standards hoher Qualität geführt hat, aus populistischen- und pekuniären (IGEL!) Gründen zu ver-lassen, bedeutet einen Rückfall in Zeiten voriger Jahrhunderte (in der sich z.B. die Homöopathie heute noch befindet).

Dr. med. Hans-Otto Wagner

Nassauische Straße 30, 57299 Burbach

E-Mail: [email protected]

Niedergelassen als Landarzt in einer haus-

ärztlichen Gemeinschaftspraxis seit 1987

Lehrauftrag für Pharmakologie und All-

gemeinmedizin an der Universität Giessen

und Mitglied in der Arzneimittelkommis-

sion des Uniklinikums Giessen-Marburg

Mitglied der Leitlinienkommission der

DEGAM

Korrespondenzadresse

249KOMMENTAR/MEINUNG / COMMENTARY/OPINION

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1. Pérez-López FR, Chedraui P, Pérez-Ron-cero1 G, López-Baena1 MT, Cuadros-López JL. Premenstrual Syndrome and Premenstrual Dysphoric Disorder: Symptoms and Cluster Influences. The Open Psychiatry Journal, 2009; 3: 39–49

2. Habermann E. Essays statt Assays – Lite-rarische Grenzgänge eines Biowissen-schaftlers. Gießen: Selbstverlag, 1998

3. Detmar Jobst. Die komplementäre Me-dizin erfüllt Wünsche der Patienten nach einer komplementären Versor-gung. Z Allg Med 2011; 4: 165–166

4. Joos S, Breivogel B, Gündling P et al. Komplementärmedizin in der haus-ärztlichen Praxis. Z Allg Med 2010; 9: 337–341

5. Zollman C, Vickers A. ABC of comple-mentary medicine.What is comple-mentary medicine? BMJ 1999; 319: 693–6

6. Singh S, Ernst E. Gesund ohne Pillen was kann die Alternativmedizin? Mün-chen: Carl Hanser Verlag, 2009

7. Skrabanek P, James McCormick J. Tor-heiten und Trugschlüsse in der Medi-zin. Kirchheim, Mainz: 4. Auflage 1995

8. Madsen MV, Gøtzsche PC, Hróbjarts-son A. Acupuncture treatment for pain:

systematic review of randomised clini-cal trials with acupuncture, placebo acupuncture, and no acupuncture groups. BMJ 2009; 338: a3115

9. Haake M, Müller H-H, Schade-Brittin-ger C et al. German Acupuncture Trials (GERAC) for Chronic Low Back Pain. Arch Intern Med. 2007; 167: 1892–1898

10. Cherkin DC, Sherman KJ, Avins AL et al. A Randomized Trial Comparing Acupuncture,Simulated Acupuncture, and Usual Care for Chronic Low Back Pain. Arch Intern Med. 2009; 169: 858–866

Literatur

Ist der Zug nicht längst abgefahren?Silke Brockmann

Dass ausgerechnet in der Onkologie mit ihren Behandlungsmethoden, die nur schwache oder klinisch nicht relevante Effekte aufweisen, die Sehnsucht nach „dem anderen“ entsteht – sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten –, wundert mich nicht. Es kommt bei den Ärzten nur etwas spät.

Denn Antworten auf die Frage, was Personen speziell von Komplementär- und Alternativmedizin (CAM) erwarten, sind vielfach publiziert, werden aber meines Erachtens heute zu wenig beach-tet. Schon 1999 wurde gezeigt, dass der Wunsch nach einer schnellen Heilung eher unwichtig ist, wenn Personen zur CAM greifen [1]. Vielmehr tun sie dies, wenn• sie unter chronischen oder wieder-

kehrenden Krankheiten leiden,• die konventionelle Therapie langwie-

rig beziehungsweise lebenslang ange-legt ist,

• sie sich vor unerwünschten Wirkun-gen der konventionellen Therapie fürchten,

• sie unzufrieden sind über den Fort-gang der Besserung,

• sie zu einer konventionellen Therapie nicht besonders stark motiviert sind.

Als Behandlungsziel der CAM kann so – zumindest im kontinentalen und briti-schen Europa – die Verbesserung des Wohlbefindens und die Behandlung von begleitenden Umständen oder Auswir-kungen von Erkrankungen oder Befind-lichkeitsstörungen betrachtet werden. Ob

das mit oder ohne ein Medium (z.B. eine technische Untersuchung oder ein Medi-kament) geschieht, ist für die Patienten zweitrangig. In erster Linie geht es ihnen darum, dass die Heilkundigen oder Ärzte dabei „ganz Mensch“ sind, also eine „ver-stehende Sorge“ an den Tag legen [2].

Eine diagnostische Methode oder Behandlung kann auf unterschiedli-chen „Ebenen“ angreifen (vom Molekül über das Organ bis hin zum ganzen Menschen in Familie und Gesellschaft). Jeder Kulturbereich hat seine eigenen Auffassungen zu Krankheiten, Ursachen und Heilungen und eine spezifische Ge-schichte von Krankheitskonzepten. Das führt zu unterschiedlichen Bildern und Bedeutungszuweisungen von Sympto-men und unterschiedlichen Interpreta-tionen von Begriffen. Konzepte von Körperfunktionen stimmen dabei „im Volk“ selten mit (natur-)wissenschaftli-chen Auffassungen überein [3].

In der Vergangenheit wurden oft nur aufgrund von Beobachtungen oder (Selbst-)Versuchen, zum Teil auf Basis von Magie oder Religion oder Deutungs-lehren (zum Beispiel Signaturenlehre) oder einfach nur durch Zufälle Erkennt-nisgewinne zu Wirkungen von z.B. pflanzlichen Stoffen erbracht [4]. Bezo-gen auf die Homöopathie oder Anthro-posophie war gar erst das Ideen- bzw. Lehrgebäude (oder die Religion) da und dann das, was als stoffliches oder nicht-stoffliches Beiwerk erdacht, fabriziert und praktiziert wurde. Bei genauem Hinschauen ist auch die „Traditionelle

Chinesische Medizin“ die Ausfüllung ei-nes religiös konzipierten und – dann auch politisch – tradierten Ordnungs-schemas für Natur und Gesellschaft [5].

Bei der Behandlung oder Vorbeu-gung von Erkrankungen sind zahlreiche Begleitphänomene wichtig und sogar wichtiger als das Medium, z.B. ein Arz-neimittel. Und wirksame Therapien sind oft komplexe Interventionen. Manchmal ist das beste „Heilmittel“ einfach nur ein Gespräch oder das Zuhö-ren. Und manchmal tut es ein „Haus-mittel“ genauso gut oder sogar besser. Und genau diese Erkenntnisse, die Hei-ler und Ärzte früher wie selbstverständ-lich verinnerlicht hatten, werden jetzt mühselig wieder geborgen, neu defi-niert, neu beforscht, neu gelehrt und – im doppelten Sinne – als neu verkauft.

Es waren eher die gewachsenen diag-nostischen Möglichkeiten mit ihren na-turwissenschaftlich-technischen Verfah-ren (siehe Mikrobiologie, Röntgen, klini-sche Chemie, Endoskopie, Tomografien etc.) als etwa die Therapien, die im Ver-lauf des 20. Jahrhunderts den Begriff „Schulmedizin“ begründet haben. Kom-plementär- und Alternativmedizin (CAM) werden gemeinhin als kritische Replik auf die gesamte (also auch diag-nostische) konventionelle Medizin wahrgenommen und gehandelt. Es könnte aber auch ein Einwurf nur gegen-über der rein naturwissenschaftlichen und entseelten Sichtweise auf die Men-schen sein. Dieser Einwurf wäre notwen-dig, damit sich hier etwas ändert.

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Dr. med. Silke Brockmann

Allgemeinärztin (D), Praktische Ärztin (CH)

Clinical Reviewerin Bereich Zulassung

Swissmedic,

Schweizerisches Heilmittelinstitut

CH-3000 Bern 9

[email protected]

Korrespondenzadresse

1. Zollman C, Vickers A. What is comple-mentary medicine? BMJ 1999; 319: 693–6

2. Giovanni Maio. Medizin ist mehr als eine personennahe Dienstleistung. Plädoyer für eine neue Kultur der Sorge in der Medizin. Erfahrungsheilkunde 2011; 60: 26–31

3. Lynn Payer. Andere Länder, andere Lei-den – Ärzte und Patienten in England,

Frankreich, den USA und hierzulande. Frankfurt a M: Reihe Campus 1988

4. Brockmann S. Nutzen-Risiko-Bewer-tung bei der Zulassung pflanzlicher Arzneimittel – aktuelle Überlegungen. ArsMedici thema Phytotherapie 2011; 101:6–11

5. Unschuld PU. Chinesische Medizin, München: C.H.Beck 1997

Literatur

Ist normale menschliche Kommunikation tatsächlich ein Komplement oder gar eine Alternative?Thomas Kühlein

Zum Beitrag von Prof. Dr.med. M. Anlauf

„CAM ist … bestenfalls in der Lage Symptome zu lindern“

Patienten haben keine Krankheiten (disease), sondern leiden an Sympto-men (illness) und ihren Konsequenzen [1]. Krankheiten sind Erklärungskon-zepte in Lehrbüchern für bestimmte For-men von Leiden. Wenn CAM in der Lage wäre, Symptome und das Leiden an ih-nen zu lindern, wäre ihr aktueller Stel-lenwert gerechtfertigt.

„Wenn dem betreuenden Spezia-listen die Zeit für individuelle Pa-tientenprobleme schon fehlt ...“

... dann verliert er seine Funktion als Arzt und wird zum Techniker. Die Erwar-tung Hausärzte hätten etwa mehr Zeit für ihre Patienten erweist sich leider als Illusion [2].

„Mehr als bisher könnte der Haus-arzt … von Psychosomatik und medizinischer Psychologie unter-stützt werden.“

Dahinter scheint die verbreitete Ein-stellung zu stecken, dass alles was der Spezialist nicht richten kann, ein Fall für den Psychologen sein muss. Was uns Ärz-ten jedoch abhandengekommen ist, ist die Fähigkeit normal mit unseren Patien-ten zu kommunizieren [3]. Weder von Psychologen, noch von Psychosomati-kern ist hier Hilfe zu erwarten. In Eng-

land ist die Kommunikation mit dem Pa-tienten ein wichtiges Ausbildungsfach [4]. Bei uns fehlt es nahezu vollständig.

„Erweist sich ... mit den Methoden des kontrollierten Versuchs eine Behandlung als eindeutig wirk-sam...“

Die Eindeutigkeit ergibt sich ver-mutlich aus der Signifikanz. Entschei-dend für den Einsatz der Behandlung ist aber die individuelle Relevanz für den Patienten. Dasselbe gilt natürlich auch für Behandlungen der CAM. Selbst wenn in kontrollierten Studien ein sig-nifikanter Effekt nachweisbar war, ist weder ein kausaler Zusammenhang be-wiesen, noch eine grundsätzliche Rele-vanz ableitbar. Die Studien auf die sich evidenzbasierte Medizin (EbM) stützt, kann man auch als nicht-wissenschaft-lich bezeichnen. Es handelt sich viel-mehr um eine kontrollierte Empirie mit rationaler Methodik [5]. Die rationale Kontrolle ist das, was der Erfahrungs-medizin fehlt.

Zum Beitrag von Dr. med. Detmar Jobst

„Die Arbeitsweise der EbM ist eine Blaupause dafür, dass die Stärken beider Seiten – der Schulmedizin und der komplementären Medizin – zum Wohl der Patienten zusam-menfinden können“

Was ist denn die Stärke der komple-mentären Medizin? Dass die Ärzte mit ihren Patienten kommunizieren? Dass sie ihre Patienten nicht als einen Haufen von Organen betrachten? Dass sie den modernen Sehnsüchten ihrer Patienten nach Natur und Sanftheit entgegen kommen? Ist normale menschliche Kommunikation tatsächlich ein Kom-plement oder gar eine Alternative? Ist das Fehlen normaler Kommunikation nicht einfach ein Defizit? Hat nicht auch ein „gewöhnlicher“ Hausarzt grundsätzlich die Möglichkeit, seine Pa-tienten als Ganzes zu sehen. Der Gegen-satz Schulmedizin/CAM scheint mir ein ideologisiertes deutsches Befindlich-keitsproblem. Ein Indiz dafür, dass nicht die Individualität des Patienten, son-dern die des Arztes über die Therapie entscheidet. Im Zentrum ärztlicher Tä-tigkeit sollte das Leiden der Patienten stehen [6]. Die Wahrnehmung des Lei-dens und die Konzentration ärztlicher Tätigkeit auf seine Linderung sind in der Medizin abhanden gekommen. Deshalb wenden sich viele Patienten und auch viele Ärzte ab und suchen nach Alterna-tiven. Besser wäre es ein Defizit als sol-ches zu benennen und zu beseitigen.

Zum Beitrag von PD Dr. med. Steffi Joos

Die Beliebtheit von CAM unter deut-schen Hausärzten und die Menge wis-

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senschaftlicher Publikationen zu CAM sind keine Begründung für ihre Notwen-digkeit. Wenn in der Arzt/Patient-Inter-aktion das wesentliche Potenzial zur Linderung vieler Leiden in der Hausarzt-medizin steckt, warum benötige ich da-für eine alternative Medizin? Das, was

man Schulmedizin nennt, produziert in großem Stil, in einer unglücklichen Mi-schung aus guten Absichten, Naivität und Gewinnstreben, immer mehr Krankheiten [7]. Aber auch CAM bietet „a pill for every ill“. Wenn ein Kind auf dem Spielplatz stürzt, kommen gleich

mehrere Mütter mit Rescuetropfen und Arnica-Kügelchen gerannt, statt zu pus-ten und zu umarmen. Quartäre Präven-tion ist die Verhinderung nutzloser Me-dizin [7]. Was wir brauchen, ist ein Kor-rektiv der fachärztlichen Organmedizin, nicht neue Pillchen und Kügelchen. Wenn wir uns als Hausärzte aus Gebie-ten nutzloser Medizin und aus Gebieten die unsere Kompetenz nicht benötigen (CAM) zurückziehen, werden wir auch mehr Zeit für die Kommunikation mit unseren Patienten haben. Dann müssen wir die Kommunikation nur noch erler-nen.

Dr. med. Thomas Kühlein

Universitätsklinikum Heidelberg

Abteilung Allgemeinmedizin und Versor-

gungsforschung

Voßstr. 2, Geb. 37

69115 Heidelberg

Tel.: 06221 564818

Fax: 06221 561972

E-Mail:

[email protected]

Korrespondenzadresse

© Thomas Kühlein

1. Kleinman A. The illness narratives. Suf-fering, healing and the human conditi-on. Basic Books, USA 1988

2. Koch K, Miksch A, Schürmann C, Joos S, Sawicki PT. Das deutsche Gesund-heitswesen im internationalen Ver-gleich. Deutsches Ärzteblatt 2011; 108: 255–61

3. Montgomery-Hunter K. Doctors‘ sto-ries. The narrative structure of medical

knowledge. Princeton, New Jersey: Princeton University Press, 1991

4. Charlton R (Ed.) Learning to consult. Abingdon: Radcliff Publishing, 2007

5. Kühlein T, Foster J. Welche Evidenz braucht der Arzt? In: Kunz R, Ollen-schläger G, Raspe H, Jonitz G, Donner-Banzhoff N (Hrsg.) Lehrbuch Evidenz-basierte Medizin in Klinik und Praxis. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag, 2007

6. Cassell EJ. The nature of suffering and the goals of medicine. New York: Ox-ford University Press, 2004

7. Kühlein T, Sghedoni D, Visentin G, Guervas J, Jamoulle M. Quartäre Prä-vention – eine Aufgabe für Hausärzte. PrimaryCare 2010; 10: 350–54. http://www.primary-care.ch/pdf_d/2010/2010-18/2010-18-368.PDF

Literatur

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„Gut genug“ ist auch gutHarald Kamps

Prof. Anlauf [1] sei Dank für seine kriti-schen Bemerkungen zur CAM und seine Aufforderung an die akademische All-gemeinmedizin, ihr Verhältnis zur Kom-plementär- und Alternativmedizin zu klären. Die Antworten der befragten akademischen Experten [2, 3] verwun-dern mich. Habe ich in 25 Jahren all-gemeinmedizinischer Praxis meinen Pa-tienten heilsame Placebos vorenthal-ten?

Zwei Dinge möchte ich kommen-tieren:Die nicht gerade üppigen allgemeinme-dizinischen Ressourcen werden offenbar zu einem großen Teil verwendet, um die Bedeutung der CAM zu erforschen. Mei-ne Sorge: Versäumt man dann nicht gleichzeitig, den Patienten, die in Scha-ren in die Sprechstunden der „sanften Mediziner“ laufen, eine wissenschaft-lich basierte Erklärung und Perspektive für ihre Probleme anzubieten? Wir wis-sen jetzt genug über das „chronische Müdigkeitssyndrom (CFS)“, um den Pa-tienten die komplexe Genese zu erklä-ren und ihnen mit kognitiven Verhal-tensstrategien und angepasstem indivi-duellem Training Symptomlinderung zu verschaffen – als „Schulmediziner“. Wir wissen jetzt genug über die Fibromyal-gie, um den Patienten die neuesten Er-gebnisse der neuro-immunologischen Stressforschung zu beschreiben und ih-nen mit hausärztlichen Gesprächen, evidenzbasierter Medikation und im Dialog mit einem klugen Physiothera-peuten zu helfen, aus dem Teufelskreis des chronischen Schmerzerlebens zu kommen. Wir wissen jetzt genug über das Reizdarmsyndrom, dass wir mit hausärztlichen, salutogenetisch orien-tierten Gesprächen die Patienten so-wohl vor der x-ten Darmspiegelung wie

vor Entschlackungen, Magerkostdiäten und ähnlichem Hokuspokus bewahren zu können. Allgemeinmedizinische For-schung, Theorieentwicklung und haus-ärztliche Leitlinien zu diesen drei Krank-heiten in Deutschland? Fehlend, auf CAM verweisend, vage oder nicht auf dem aktuellen Stand. Schulmedizin ist mehr als buchhalterisch die existierende Evidenz zu verwalten – es gilt sie auch zu entwickeln. Mir kommen die CAM-for-schenden und CAM-betreibenden Kol-legen vor wie Ibsens Peer Gynt, der, wenn ein Hindernis im Wege ist, „drum-herum geht“, und der, wenn die eine Ge-schichte als Märchen entlarvt ist, ein neues erfindet.

„Tue das Beste für mich“ – diesen An-spruch erlebt Harald Abholz [4] bei sei-nen Patienten. Ich fürchte, er beschreibt einen Mythos, der mit dazu beiträgt, die deutsche Allgemeinmedizin in eine Sackgasse zu manövrieren. Das Beste ist dann eben nicht, eine plausible, aber unsichere Diagnose zu akzeptieren, son-dern doch noch ein MRT zu machen – zur Sicherheit. Das Beste ist dann eben nicht die gewissenhafte hausärztliche Einschätzung des Brustwandsyndroms, sondern die Bewertung des Kardiologen – am besten mit dem Katheter. Das Beste und das Besondere sind dann auch die heilversprechende Akupunktur, die im-munmodulierenden Bachblüten, das in-tensive homöopathische Anamnese-gespräch. „Nur das Beste ist gut genug“ ist das Mantra des Gesundheitsmarktes, der ruft: „mehr“, „schneller“, „besser“. Dieses Mantra macht es Uwe Kurzke [5] auf der Insel Pellworm schwierig, seine Arbeit in Zukunft „als gut genug“ zu er-leben. Ich glaube, dass viele Patienten immer noch mit diesem „gut genug“ zu-frieden sind, diesem „gut genug“, das

keine Heilung verspricht, aber Anerken-nung der Lebensleistung vermittelt, die-sem „gut genug“, das sich nicht scheut, eine chronische Erkrankung als chro-nisch zu beschreiben. Dieses „gut ge-nug“ braucht dann kein Placebo, um Arzt und Patient zu narren, sondern es schafft Erleichterung, im Arzt einen Zeu-gen gefunden zu haben, der das Leid ver-steht. Dieses „gut genug“ erspart den Pa-tienten die enttäuschende Erfahrung, dass die teuer erkaufte Wunderbehand-lung und die häufigen Besuche beim „ganzheitlich behandelnden Medizi-ner“ auch nur Stückwerk bleiben.

Vielleicht sollten wir einfach nur noch mal Janis Joplin [6] zuhören, wie sie uns kurz vor ihrem Tod zurief:

Freedom is just another word for nothing

left to loose

Nothing, and that´s all that Bobby left me,

yeah

But feeling good was easy Lord when he

sang the blues

Hey feeling good was good enough for me,

hmm-mm

Good enough for me and Bobby McGee

Nun, vielleicht haben wir noch zu viel zu verlieren?Vielleicht sonnen wir uns in der Begeis-terung, die der Held Peer Gynt mit sei-nen tollkühnen Erlebnissen vermittelt?

Harald Kamps

Hausarzt in Berlin

Möllendorffstr. 45

10367 Berlin

Tel.: 030 57797490

E-Mail: [email protected]

Korrespondenzadresse

1. Anlauf M. CAM oder der Versuch ärzt-liche Basispflichten „outzusourcen“. Z Allg Med 2011; 87: 163–164

2. Jobst D. Die komplementäre Medizin erfüllt Wünsche der Patienten nach ei-ner komplementären Medizin. Z Allg Med 2011; 87: 165–166

3. Joos S. Komplementärmedizin im Zeit-alter der Evidenzbasierten Medizin. Z Allg Med 2011; 87: 166–168

4. Abholz H-H. Was wäre, wenn CAM nur Placebo-Wirkung hätte? Z Allg Med 2011; 87: 168–169

5. Kurzke U. Berufszufriedenheit und Zu-kunft der Versorgung. Z Allg Med 2011; 87: 152–157

6. Gumbrecht HU. Die Freiheit der Stim-me von Janis Joplin. In: Stimmungen lesen – Über eine verdeckte Wirklich-keit der Literatur. Hanser: München, 2011: 127–133

Literatur

253KOMMENTAR/MEINUNG / COMMENTARY/OPINION

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CAM als einheimische EthnomedizinMartin Konitzer

Anlaufs Hinweis auf Zuwendung als ärztliche „Basispflicht“, die von Jobst zugestandene „komplementäre Wunscherfüllung“ und die Frage von Abholz zu CAM als möglicherweise „besserem Placebo“ betonen auf unter-schiedliche Weise den interaktiven As-pekt des hausärztlichen CAM-Einsatzes. Demgegenüber fordert Joos eine Be-gründbarkeit für CAM, die dem „Zeit-alter der EbM“ angemessen sei.

Ich möchte mich der interaktiven Sichtweise anschließen und an eine Be-merkung von Uexkülls anknüpfen, dass der Arzt sich mittels einer Injektion, der Verschreibung eines Medikaments, ei-ner Röntgenbestrahlung oder der Ver-ordnung einer physikalischen Behand-lung gewissermaßen mit „Subsystemen verschiedener Integrationsebenen“ des Patienten „unterhält“.

Die Unterhaltung in „CAM-Spra-che“ unterscheidet sich von den ge-nannten diagnostischen und therapeu-tischen Interventionen dadurch, dass das gewählte Idiom naturwissenschaft-lich wenig (z.B. Akupunktur) oder nicht (z.B. Homöopathie) begründbar ist, aber eine deutliche historische und kulturel-le Prägung aufweist. CAM-Medizin ist somit zunächst ein therapeutisches Zei-chensystem. Einschließlich importierter Konzepte wie Akupunktur handelt es sich sozusagen um einheimische Ethno-medizin. Daher sind „Aufwärts-“ und „Abwärts-Effekte“ von CAM-Interven-tionen gegenüber beispielsweise phar-makodynamisch definierten Abläufen an Rezeptoren („Subsystem“) so schwer zu fassen. Scheiternde Wirksamkeits-nachweise in exemplarisch angelegten

großen RCTs (Homöopathie-Kopf-schmerzstudie, Iscador-Mistel-Studie) sowie strittige Placebo-Konditionen (ge-rac-Akupunktur-Studie) haben dies in den letzten 10 Jahren gezeigt.

Eher geht es beim hausärztlichen CAM-Einsatz um den Austausch von Konzepten zwischen Patient und Arzt mit dem Ziel einer Passung dieser Kon-zepte von Krankheitsverursachung und Heilung.

Während das reine Placebo eine pharmakodynamische Leerstelle im RCT-Setting darstellt, ist CAM ein „un-reines Placebo“ mit zu vernachlässigen-der Pharmakodynamik, das durch seine kulturelle Prägung als Zeichenträger ei-ne nicht in pharmakodynamischen Do-sis-Wirkungsbezügen beschreibbare Wirkung entfaltet.

Weiteres Outsourcing einer auch an CAM gebundenen ärztlichen Zuwen-dungsmedizin (in letzter Konsequenz an Heilpraktiker) ist hausärztlich zu verhin-dern. Hier nehme ich die Argumentati-on Anlaufs auf. Zwei Gefahren sind zu nennen. Einerseits kann der Hausarzt unter Aufgabe seiner Identität (Wissen-schaftlichkeit, Anspruch des Generalis-ten) z.B. zum „Homöopathen“ werden. Andererseits kann auch bei Wahrung hausärztlicher Identität die von Jobst vorgeschlagene Wunscherfüllung via CAM zwischen Patient und Arzt mit-unter eine schwer zu meisternde Psy-chodynamik freisetzen. Daher nannte Balint sein Hauptwerk in den dem Place-bo gewidmeten Abschnitten auch: „Handbuch für die Droge Arzt“.

Zur Abwendung dieser Gefahren zwei Vorschläge:

1. Rückbesinnung auf die mehr als 150jährige hausärztliche Tradition in der Auseinandersetzung mit CAM von Justinus Kerner über Vater und Sohn Pagel, Richard Koch, Julius Moses bis zu Balint, der Kerners Formel aus dem Jahre 1842 vom „Arzt als Heilmittel“ aufgriff. Hierbei ist zu beachten, dass viele der historischen und psycho-dynamischen Einschätzungen der „CAM-Sprache“ durch Vertreibung (Pagel, Richard Koch, Balint), gar Er-mordung (Julius Moses) der Pro-tagonisten zwischen 1933 und 1945 zunächst verloren gingen und teilweise erst heute wieder rekonstruiert werden.

2.Konzentration auf Konzept- und Pas-sungsforschung als eigenständig hausärztlichen Beitrag zur CAM-For-schung. Die letzten zehn Jahrgänge der ZFA bieten Beispiele qualitativer und quantitativer Konzept- und Pas-sungsforschung – verwiesen sei hier exemplarisch auf die Auseinanderset-zung Hager vs. Bewig/Abholz zur „Spritzenstudie“ von 2003 – deren Methoden (einschließlich ihrer Unzu-länglichkeiten) auch für unser CAM-Anliegen fruchtbar sind.

Prof. Dr. med. habil. Martin Konitzer

FA Allgemeinmedizin Akupunktur

Homöopathie Psychotherapie

Akademische Lehrpraxis der MHH

Ferdinand-Wallbrecht-Str. 6–8

30163 Hannover

Tel.: 0511 2282355, Fax: –57

E-Mail: [email protected]

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254 KOMMENTAR/MEINUNG / COMMENTARY/OPINION

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Lieber kultivierte Nicht-Therapie als schädliche ÜbertherapieReinhard Möller

Herrn Prof. Anlauf ist zu danken, dass er die Debatte um CAM erneut angestoßen hat. Ich begrüße es, dass die ZFA die Dis-kussion aufgenommen hat.

Prof. Otto Prokop, der größte Hasser naturheilkundlicher Verfahren, regte an, dass ÄrztInnen, die Naturheilverfahren anwenden, im Falle eines Kunstfehlerpro-zesses zunächst psychiatrisch begutachtet werden sollten, um „den Sumpf der Ok-kult-Verbrecher auszutrocknen“! Es scheint daher so, als würde bestimmten therapeutischen Methoden der Nimbus des Objektiven innewohnen, und be-stimmten anderen Methoden der Nimbus des Irrationalen bis zum Verrückt-Sein.

Dem ist aber nicht so: Nur das Krank-heitsbild und der aufgeklärte Wunsch des Patienten entscheiden darüber, ob ein Verfahren rational ist oder nicht, nicht aber die dabei verwendete Substanz oder Technik. So ist die massenhaft praktizierte antibiotische Behandlung banaler, i.d.R. viraler Infekte sicher irrational. Im Ver-gleich dazu halte ich die Verordnung ei-nes homöopathischen Mittels für weit ra-tionaler: Hierbei bleibt aber ungeklärt, ob dem homöopathischen Mittel eine Sub-stanz-Wirkung innewohnt, ob nur das Wort des von mir sorgfältig – wenn auch womöglich wahnhaft – ausgewählten Präparates hier suggestiv seine Wirkung zeigt oder die dabei gezeigte Zuwendung, oder ob es sich hier schlicht um kultivier-te Nicht-Therapie handelt. In Deutsch-land ist es nun mal nicht möglich, selbst einen banal Erkrankten ohne ein Rezept in der Hand zu entlassen, ohne dass er sich nachlässig behandelt fühlt. Rationa-ler als die Behandlung mit einem Antibio-tikum empfinde ich daher dieses Vor-gehen allemal!

Eine Chemotherapie bei Erkrankten mit infauster Prognose ist sehr sicher ge-rechtfertigt und rational, wenn der Kran-ke diese Entscheidung aufgeklärt mit-trägt. Wird ihm dabei aber eine Heilung suggeriert, oder ist zu erkennen, dass er sich von der Behandlung eine Errettung erhofft, und sich nur deshalb dieser Be-

handlung unterwirft, ist diese Behand-lung nicht nur irrational und inhuman, sondern auch ein Verstoß gegen unsere Aufklärungspflicht! In diesen Fällen wäre aber ein blanker, schulterzuckender The-rapie-Verzicht mindestens ebenso inhu-man. Dann halte ich nach offensiver Auf-klärung die Verabreichung von Mistelthe-rapie für humaner und effektiver, weil ihr nicht die dramatischen Risiken einer nicht dem Heilungsziel des Patienten an-gemessenen und daher nicht angezeigten Chemotherapie innewohnen. Auch hier werde ich mich nicht streiten, ob das Ver-fahren einen substanzbedingten Nutzen hat. Eine lebensverlängernde Wirkung schreibe ich der Misteltherapie nicht zu. Für die palliative Chemotherapie ist diese aber ebenso wenig belegt. Wenn die Mis-teltherapie nur weniger Nebenwirkungen bietet, ist sie schon das bessere Verfahren. Ein Placebo ist kein Leerpräparat. Ein Pla-cebo entfaltet seine Wirkung nur dann, wenn der Behandler selbst daran glaubt. Wie das passiert ist unbekannt, aber äu-ßerst klar ist, dass es passiert, sonst bräuchten wir keine RCTs gegen Placebo.

Die schwerste z.Zt. in Deutschland grassierende Endemie heißt: Überthera-pie und Überdiagnostik mit hoch ag-gressiven Verfahren ohne absehbaren Nutzen für den/die PatientIn! Von Sei-ten der VermarkterInnen – um bei Prof. Anlaufs Sprache zu bleiben – ist sie wirt-schaftlich motiviert. Von Seiten der Konsumenten ist sie nur als völlig irra-tionaler mystisch magisch motivierter Hunger nach unkritischem Konsum von Techniken als Heilsbringungsverfahren zu deuten, denen wahnhaft der Nimbus des Objektiven innezuwohnen scheint. Dabei ist es dann völlig unerheblich, ob CAM oder schulmedizinische Verfahren „vermarktet“ werden.

Prof. Anlauf schreibt von der Ver-marktung von CAM: Zugegeben, es ist erschütternd, wie viele Menschen sich unter Hinnahme hoher – nicht nur ma-terieller – Abhängigkeiten zum Konsum von obskuren naturheilkundlichen Ver-

fahren unter Heilsversprechen verleiten lassen. Aber gilt das nicht auch für die Schein-rationalenVerfahren? Ja werden denn „seriöse“ Verfahren nicht gnaden-los vermarktet? Doch! Nur mit wesent-lich höheren Schäden, wenn auch i.d.R. materiell umsonst, nur zu Lasten der Le-bensqualität und der Kosten für die GKV und die Versichertengemeinschaft.

Auf Johannes Schmidts Symposium um Rituale in der Medizin in Einsiedeln 1997 sagte Günther Jonitz einmal: „Ja, ich sehe nun ein, dass Medizin Rituale braucht, aber eine rituelle Stammzell-transplantation ist einfach zu teuer“. Dem ist kaum noch etwas hinzu zu fü-gen. Zu dieser Einsicht lade ich Herrn Prof. Anlauf ein.

Nicht einem Verfahren wohnt die Vernunft inne, sondern nur der mit dem Willen des aufgeklärten Patienten ver-einbaren Indikationsstellung! Sacket schreibt immer nur von der bestmöglich verfügbaren Evidenz. Hier ist sie: Der Nutzen von Chemotherapie bei infaus-ter Prognose ist nicht belegt. Hier liegt daher die bestmögliche Evidenz sehr oft beim Therapie-Verzicht bzw. aus huma-nen Gründen bei weniger aggressiven Verfahren.

Solange CAM-Verfahren interessen-gesteuert nicht besser untersucht sind, aber viel weniger Schaden an der Le-bensqualität anrichten, haben sie daher i.d.R. den Vorrang!

Interessenkonflikt: 25 Jahre AfA, Na-turheilverfahren mit Weiterbildungs-ermächtigung.

Dr. med. Reinhard Möller

Arzt für Allgemeinmedizin, Naturheilver-

fahren, Chirotherapie

Am Hange 38, 34130 Kassel

Tel.: 0561 68177

Fax: 0561 12245

E-Mail: [email protected]

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Stellungnahme von Detmar Jobst

Dankenswerterweise wird durch die vie-len klugen Leserbriefe unser Blick auf CAM geweitet und geschärft.

Prof. Konitzers Begriff der einheimi-schen Ethnomedizin, der von Frau Brockmann ausgeführt und in zutreffen-der Weise erläutert wird, scheint mir die Widersprüche zwischen Schulmedizin und CAM zu relativieren. Einheimische Ethnomedizin, das meint in Deutsch-land die Naturheilverfahren (NHV). Der gemeinsame Kulturkreis akzeptiert Kneipp’sches Wassertreten als REHA-Maßnahme nach Myokardinfarkt eher als eine indische Ölmassage Abhyanga oder eine Heilnahrung auf der Grundla-ge gebackener Insekten.

Konitzer, Brockmann und andere betrachten die kommunikative Person des Arztes: Das Verstehen von Patienten ist kein Unterscheidungskriterium zwi-schen Schulmedizin und CAM, sage ich, sondern ein Qualitätsmerkmal der Arzt-Patienten-Beziehung. Ob letztere im Be-reich CAM so viel besser als Schulmedi-zin unter vergleichbaren Klinik- oder Praxis-Bedingungen funktioniert, müss-te erforscht werden. Häufig sind es die Zeitressourcen einer Privatpraxis, die für Patienten eine Konsultation gehaltvoll werden lassen.

Konitzer sieht nach Balint die „Sub-systeme des Patienten“ durch das Zei-chensystem CAM angesprochen und angeregt – Naturheilkundler beherr-schen möglicherweise einige Buchsta-ben mehr aus dem Zeichensystem ihrer Patienten.

Allerdings ist die Güte der Kom-munikation kein alleiniges Maß für die Versorgungsqualität. Hinzukommen müssen handwerkliche und krankheits-bezogene Fähigkeiten, z.B. im Umgang

mit chronischen Wunden, in der Füh-rung von Hypertonikern oder bei der Schmerzbehandlung. CAM bietet hier zusätzliche Verfahren. Wie sinnvoll und wirksam diese sind, vom medizinischen Honig [1] über die mind-body-therapy [2] (Ordnungstherapie) bis hin zu Schröpfgläsern [3], kann neben dem An-wender allein die Evidenz ermessen, oder diejenigen, die diese Therapien an sich anwenden lassen. Herr Möller fin-det für das Mehrangebot eine häufig zu-treffende Begründung: Ärztliches Nichtstun ist inhuman, also wende die Heilmittel an, an die Du als Arzt glaubst und die nicht schaden! Letzteres beach-ten vielleicht nicht alle CAM-Therapeu-ten. Der Schlussfolgerung von Haus-waldt ist beizupflichten: Wisse Deine Grenzen!

Diagnostik betreibe man gestuft und konventionell – hier bietet CAM keine neuzeitlichen Methoden [4].

Dass psychodynamische Prozesse bei der Anwendung von CAM/NHV in manchen Fällen vom Therapeuten nicht beherrschbar sind, erscheint mir sicher. CAM bietet keine spezifischen Konzepte hierfür an. Die Ordnungstherapie, auch die Homöopathie, enthalten jedoch entsprechende Elemente (mind-body-therapy [5], Atemtherapie, Achtsam-keitstraining; Konstitutionsmittel). Sie befinden sich in Fortentwicklung.

Wer CAM näher an sich heranlässt und sich verstärkt mit ihr befasst, wird seine Annäherungsversuche bei eigenen Integrationsproblemen der verschiede-nen Medizinsysteme aufgeben. Bei den anderen führt das Lernen offenbar zum vertieften Verständnis der Analogien der Systeme. Dies geht nicht selten einher mit einer völligen Neuorientierung, et-

wa vom Rettungsmediziner zum Thera-peuten für Chinesische Medizin (TCM).

Die Definition der CAM von Singh und Ernst, hohe wissenschaftliche Wirk-samkeitsbelege gliederten per se natur-heilkundliche Verfahren in die Schul-medizin ein, ist abzulehnen. Wir könn-ten stattdessen mit dem Ziel einer weni-ger einverleibenden Definition an der folgenden Beschreibung weiter arbei-ten: Der Sammelbegriff der komplementä-

ren alternativen Medizin (CAM) umfasst

traditionelle, regional geprägte, von der Be-

völkerung auch ohne ärztliche Beteiligung

angewendete, meist nicht-akademische

Therapieverfahren unterschiedlicher Her-

kunft und Historie auf materiell-stofflicher

oder philosophisch-geistiger Grundlage, de-

ren Wirksamkeit durch Erfahrung belegt ist

[6]. Passend bietet Brockmann an, CAM sei möglicherweise ein geeigneter Ge-genentwurf zu einer rein naturwissen-schaftlichen und entseelten Medizin.

Der dezidierten Analyse von Herrn Kühlein schließlich muss sich jeder Ge-sellschaftskritiker, der Kritik von Herrn Möller jeder Beobachter unseres Ge-sundheitswesens anschließen. Herr Kamps fühlt eine Konkurrenz und Ent-täuschung darüber, dass Forschungsgel-der zur CAM fehlgeleitet würden. Konit-zer hingegen schlägt – hoch attraktiv – eine Konzept- und Passungsforschung als eigenständigen hausärztlichen Bei-trag zur CAM-Forschung vor. Hieran würde ich mich sehr gerne beteiligen!

Dr. med. Detmar Jobst

Holzlarer Straße 40, 53229 Bonn

E-Mail: [email protected]

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1. Lee DS, Sinno S, Khachemoune A. Ho-ney and wound healing: An overview. Am J Clin Dermatol 2011; 12: 181–90. doi: 10.2165/11538930–000000000–00000

2. Wolsko PM, Eisenberg DM, Davis RB, Phillips RS. Use of mind-body medical therapies. J Gen Intern Med 2004; 19: 43–50

3. Cao H, Han M, Li X et al. Clinical re-search evidence of cupping therapy in China: A systematic literature review. BMC Complement Altern Med 2010; 10: 70

4. Jobst, D. Anamnese, Diagnostik und Labor. In: Kraft K, Stange R (Hrsg.) Lehr-buch Naturheilverfahren. Stuttgart: Hippokrates, 2010: 106–114

5. Paul A, Altner N, Spahn G. Mind/Body-medizinische Interventionen für onko-logische Patienten. Dts Z Onkologie 2008; 40: 173–177

6. Jobst D. CAM – eine Beschreibung, un-veröffentlicht

Literatur

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Stellungnahme von Stefanie Joos

Insgesamt fällt mir auf, dass in den Beiträ-gen weniger die Frage der Wirksamkeit oder der komplementärmedizinischen Methoden im Vordergrund steht, son-dern eher der Gesamtkontext von Kom-plementärmedizin in der medizinischen Versorgung, weshalb ich auf diesen As-pekt auch nochmals eingehen möchte.

In mehreren Beiträgen klingt die Frage an, ob Komplementärmedizin Pa-tienten möglicherweise etwas „zurück-gibt“, was durch die Entwicklung der modernen, hochtechnisierten Medizin verlorengegangen ist. H. Kamps nennt es „die Suche nach einem Zeugen, der das Leid versteht“. S. Brockmann drückt es als „verstehende Sorge“ aus. Diese „verstehende Sorge“ sei es, die Ärzte frü-her wie selbstverständlich verinnerlicht hätten, und die heute neu gelernt wer-den müsse. In eine ähnliche Richtung argumentiert T. Kühlein, wenn er schreibt, dass „die Wahrnehmung des Leidens“ in der Medizin abhanden ge-kommen sei. Er sieht dies als Defizit der normalen ärztlichen Kommunikation, was auch als solches benannt und besei-tigt werden müsse und nicht unter das Deckmäntelchen der Komplementär-medizin gekehrt werden solle. Dem kann ich nur zustimmen und sehe hier aber die Komplementärmedizin als posi-tiven Verstärker.

Viele CAM-Therapien (u.a. TCM, Homöopathie) basieren auf sehr aus-führlichen Anamnesetechniken und schärfen so mit ihrer Herangehensweise die ärztliche Wahrnehmung für den „ganzen Menschen“. Natürlich sollte ei-ne empathische Kommunikation kein Exklusivrecht (oder -pflicht) für CAM-

Ärzte sein, sondern Empathie und Kom-munikation sollten insgesamt wieder ins Zentrum der Behandlung gerückt werden.

Dies ist auch das Ziel der neu ge-gründeten DEGAM-Arbeitsgruppe Psy-chosomatik, mit der ich mir einen be-fruchtenden Austausch in dem Sinne, wie ihn M. Konitzer bereits mit seinem Beitrag begonnen hat, wünsche. Denn eigentlich geht es um verschiedene For-men „hausärztlicher Beziehungslehre“ – so wie Konitzer deutlich macht. Mit Blick auf die Forschung plädiert er dafür, die hausärztliche Konzeptforschung auf CAM anzuwenden, was ich einen sehr verfolgenswerten Ansatz finde.

Herr Kamps wundert sich über die CAM-forschenden Kollegen, die ihm vorkommen als gingen Sie um Hinder-nisse herum, anstatt sie aus dem Weg zu räumen, und als erfänden sie neue Ge-schichten, wenn alte Geschichten als Märchen entlarvt sind. Dabei, so Kamps, wäre doch aufgrund von Forschung schon so viel Wissen angehäuft, mit dem wir jetzt schon Patienten adäquat beraten könn(t)en. Es gibt viele Patien-ten, die sehr gut auf der kognitiven Ebe-ne erreichbar sind, es gibt aber auch vie-le andere – um im Bild zu bleiben –, bei denen man auf dem geraden Wege das Ziel nicht erreichen kann, aber mögli-cherweise das „Drumherumgehen“ ans Ziel führt.

Ist Wissen – die kognitive Ebene – ausreichend im Umgang des Hausarztes mit seinen Patienten? Aus der Historie wissen wir, dass es immer (mal mehr, mal weniger) eine spirituelle Seite in der Medizin gab – ausgehend von der Theur-

gischen Medizin des Asklepios, in wel-cher die Entstehung und Heilung von Krankheiten dem Wirken übernatürli-cher Kräfte und Ursachen zugeschrieben wird.

Vielleicht sind es die „spirituellen Kanäle“, die in der konventionellen Me-dizin brachliegen und derer sich Ärzte, die Komplementärmedizin anwenden, mitbedienen? Sicherlich muss man hier-bei die Gefahr von Medikalisierung oder Fixierung abwägen. Die hausärztliche Kunst ist es jedoch gerade, den Patien-ten mit seinen „individuellen Kanälen“ zu erkennen und dann die Therapie da-rauf abzustimmen. Wie uns die Placebo-forschung zeigt, hat ja auch der (Miss-)Erfolg einer Therapie nicht nur mit der Wirkung des „rationalen An-teils“ der Therapie zu tun.

Die Zahl von über 23.000 Heilprakti-kern in Deutschland (Tendenz steigend) weist darauf hin, dass es sich bei der Komplementärmedizin nicht um ein vernachlässigbares Phänomen handelt. Wir sollten also von (haus)ärztlicher Sei-te aus Initiative zeigen, wenn wir diese Seite der Medizin nicht vollständig aus der Hand geben wollen.

PD Dr. med. Stefanie Joos

Leitende Oberärztin

Abteilung Allgemeinmedizin und Versor-

gungsforschung

Voßstr. 2, 69115 Heidelberg

Tel.: 06221 566263, Fax: 06221 561972

E-Mail:

[email protected]

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Stellungnahme von Heinz-Harald Abholz

Die Diskussionsbeiträge in Form aus-führlicher Leserbriefe machen für mich folgendes deutlich:1. Die meisten Autoren machen explizit

oder implizit deutlich, dass sie bei CAM nicht mehr als eine Placebo-An-wendung vermuten.

2. Eine solche Placebo-Anwendung als Zeichensprache (Konitzer, Brock-mann, Möller) wird nicht grundsätz-lich abgelehnt, sondern sogar als Teil von – erfolgreicher – Behandlung ge-sehen. Vielmehr wird sogar hinter-fragt (Möller), ob nicht zu weiten Tei-len bei der Anwendung der Schulme-dizin dies nicht identisch auch so ge-handhabt wird: Oft haben schulmedi-zinische Behandlungen aber mehr unerwünschte Wirkungen.

3. Behandlung und Behandlungsauftrag des Patienten beinhalten weitaus mehr als den Empfang einer mit Nut-zenbeleg ausgestatteten substanz-gebundenen Maßnahme (Hauswald, Möller, Konitzer, Kühlein) – es ist so-wohl Zuwendung (Brockmann, Kamps), aber eben auch Zeichenspra-

che, anknüpfend an die Krankheits-konzepte der Patienten.

4. CAM oder Placebo nur auf „Zuwen-dung“ zu reduzieren, erscheint eini-gen (Hauswaldt, Kühlein, Möller, Ko-nitzer) weitaus zu wenig an Erklärung zu sein. Damit ist es auch für diese nicht damit getan, was Kamps und was Wagner vorschlagen: Behandelt sie, die Patienten, doch richtig (schul-medizinisch und mit Psychotherapie bzw. ärztlicher professioneller Zuwen-dung), dann braucht ihr nicht CAM oder Placebo.

5. Bei fast allen Beiträgen geht etwas – für meine Begriffe – verloren: CAM und Placebo haben eine Indikation. Frau Brockmann – und auch Herr Kühlein – sehen hier die Suche nach Ergänzung einer anderen Therapie, die Unzufriedenheit mit der Schulme-dizin. Aber ich ergänze – mich in mei-nem Beitrag in Heft 4/2011 wiederho-lend: Es ist zudem die Situation, in der man nichts mehr aus der Schulmedi-zin anzubieten hat bzw. diese in be-stimmten Behandlungen nicht vom

Patienten gewünscht wird. Dies stellt den „harten Indikationsbereich“ – zu-mindest für Placebo – dar.

6. Herr Hauswaldt macht darüber hi-nausgehend darauf aufmerksam, dass hier zwei Systeme (Schulmedizin und CAM) nebeneinander stehen, die von uns zu beherrschen gefordert sind, obwohl sie vom Ansatz, der Logik her sich nicht verbinden lassen.

7. Abschließend sage ich dazu: „Tue das Beste für mich“ als Behandlungsauf-trag ist die „Klammer“, die beides zu-sammenhält, selbst wenn es in der Hausarzt-Versorgung heißen müsste „Tue das, was für mich gut genug ist“, wie Kamps mich berechtigt korrigiert.

Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz

Abteilung für Allgemeinmedizin

Universitätsklinikum der

Universität Düsseldorf

Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf

E-Mail: [email protected]

Korrespondenzadresse

Stellungnahme von Manfred Anlauf

Die für notwendig gehaltene Flankierung meines Beitrages mit drei überwiegend kritischen Stellungnahmen (Jobst, Joos, Abholz) sowie Anzahl und Ausführlich-keit der eingegangenen Leserbriefe zeigen die Bedeutung des Themas. Dankbar bin ich für alle Reaktionen, gefreut habe ich mich über unterstützende Kommentare, wenn u.a. beispielhaft erklärt wird, dass man CAM selbst für cruces medicorum wie chronisches Müdigkeitssyndrom, Fi-bromyalgie und Reizdarmsyndrom in der hausärztlichen Praxis nicht benötigt (Kamps). Bei den Argumenten der Kriti-ker sehe ich vier Schwerpunkte, auf die ich näher eingehen möchte.

1. Ein Pluralismus in der Gesundheitsver-sorgung entspreche den Patienten-wünschen, sei gewollt, sei gesetzlich verankert und werde praktiziert (Jobst, Joos, Brockmann, Hauswaldt, Möller). Der Zug sei längst abgefahren (Brock-

mann). Unter den Arztmotiven werden der Zweifel an und der Einspruch gegen den Alleinvertretungsanspruch der wissenschaftlichen Medizin gelobt, ein weiteres Paradigma sei notwendig (Hauswaldt). Den Patientenmotiven wird nachgegangen (Brockmann). CAM müsse man als eine Art Ethnome-dizin akzeptieren (Konitzer).

Die Argumente spiegeln die Widerstände, die auf verschiedenen Ebenen gegen eine Autorität beanspruchende wissenschaft-liche Medizin zu erwarten sind. Dabei wird verkannt, dass der Wahrheits-anspruch dieser Medizin nicht das Ergeb-nis eines irgendwie gearteten Meinungs-diskurses sein kann wie in Recht und Po-litik, sondern die praktische Umsetzung reproduzierbarer Forschungsbefunde. Werden ihr Zustandekommen – zumin-dest dem Prinzip nach – nicht mehr ge-lehrt und verstanden, sondern nur noch

die Ergebnisse in einem Regelwerk mit kurzer Halbwertszeit präsentiert und ge-lernt, ist es für den Arzt schwer, eine Be-ziehung zur dramatischen Lebendigkeit seiner Disziplin aufrecht zu erhalten und den Verführungskünsten gefälligerer An-gebote zu widerstehen. Zu dieser Leben-digkeit gehört die ständige Selbstreflexi-on (Wagner), Selbstkritik und die Bereit-schaft, Gutes durch Besseres zu ersetzen. Der Patient hingegen, der sich mit all sei-nen Möglichkeiten gegen Krankheit wehrt, vor allem dann, wenn sie chro-nisch ist und die Therapie lang, beschwer-lich, vielleicht erfolglos (Brockmann), darf von uns Verständnis und Respekt er-warten. Er verdient aber auch Aufklärung, erst recht dann, wenn er sich in der plura-listischen Meinungsvielfalt u.a. des Inter-nets verlaufen hat. Ein „Patient-gleich-Kunde-gleich-König-Paradigma“ wird weder ihm noch der Selbstachtung des Arztes (Wagner) gerecht.

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2. Geworben wird für einen Brücken-

schlag über den Graben zwischen CAM und Schulmedizin (Jobst, Joos, Kühlein). Es wird auch auf definitori-sche Schwierigkeiten beider Bereiche hingewiesen (Joos). Schließlich wird die Kontroverse zu einem typisch deutschen Problem erklärt (Kühlein).

Die definitorischen Probleme sind in der Tat nicht gering. Die auch hier verwende-ten Bezeichnungen beinhalten teils an-maßende, teils pejorative Konnotatio-nen. Zu dem aus dem Amerikanischen übernommenen Kürzel CAM: Nach mei-ner Auffassung wäre es besser, in vollem Wortlaut von sogenannten k(c)omple-mentär-alternativen medizinischen Be-handlungsmethoden zu sprechen [siehe auch 1], ein Bündel heterogensten Ur-sprungs. Zur Schulmedizin: Abgesehen von der Unterstellung einer in Enge er-starrten Disziplin, sind an den medizi-nischen Hochschulen und Universitäten der Welt keineswegs mehr ausschließlich die Lernerfolge in Schulmedizin prü-fungsrelevant (Beispiel: s. Wagner). Die wiederholt vorgeschlagene Ablösung des Begriffes Schulmedizin durch den der wissenschaftlichen Medizin führt zu der Frage, was Wissenschaft sei und was die Besonderheit der medizinischen Wissen-schaft ausmache. Nach den Überlegun-gen des Philosophen C.F. Gethmann be-ginnt Wissenschaft dort, wo verallgemei-nerbare, kontext- und parteieninvariante Argumente vorliegen. Darüber hinaus schlägt er vor, sich neben Natur- und Geisteswissenschaften einer alten Unter-scheidung von poietischer und prakti-scher Wissenschaft zu erinnern: „Wäh-rend es die poietischen Wissenschaften mit der Bearbeitung von Dingen zu (menschlichen) Zwecken zu tun haben (Mittel zum Zweck sind), betreffen die praktischen Disziplinen unmittelbar den Umgang des Menschen mit Menschen (die nicht Mittel zum Zweck sondern Selbstzwecke sind)“ [2]. Die Medizin ord-net Gethmann wie die Jurisprudenz und die Theologie zwar den praktischen Wis-senschaften zu, unverkennbar ist jedoch, dass ein Großteil der Erfolge der moder-nen Medizin ihrem poietischen Anteil zu-zuschreiben ist, wie unter anderem die Heilmittel der wissenschaftlichen Medi-zin (eben Mittel zum Zweck des Heilens) beweisen. Hilfreich ist die Unterschei-

dung aber dennoch. Sie erhellt einen gro-ßen Teil der hier ausgetragenen Kontro-verse und die Attraktivität des von Sacket vertretenen Umgangs mit der EbM (Jobst).

3. Vorgeschlagen wird, die Auseinander-setzung mit dem Instrument des kon-

trollierten Therapieversuches auszutra-gen (Joos). Dabei wird auf beschränk-te Mittel und methodische Schwierig-keiten hingewiesen, „die positive Aus-sage“ bei vier von sechs Studien her-vorgehoben (Joos).

Dieser Vorschlag ist grundsätzlich fair. Entscheidend sind jedoch die Kon-sequenzen, die aus kontrollierten Studi-en gezogen werden. Ohne hier auf Ein-zelheiten eingehen zu können, bewerte ich drei der „positiven Aussagen“ als sehr begrenzt. Alle vier beziehen sich je-doch auf Phytopharmaka, bei denen na-türlich grundsätzlich die Möglichkeit besteht, dass sie wie Digitalis oder Rau-wolfia serpentina wirksame Substanzen enthalten, die zu hoch standardisierten und gut evaluierten Heilmitteln der wis-senschaftlichen Medizin weiterent-wickelt werden können. Längst schi-cken Pharmakonzerne Expeditionen zu Naturvölkern, um Ansätze für neue Me-dikamente aus Naturprodukten zu be-kommen. Erdproben als Mitbringsel aus einem Norwegenurlaub führten zum er-folgreichsten Arzneimittel in der Trans-plantationsmedizin: Ciclosporin. Zu ei-ner generellen Begründung von CAM eignet sich dies alles nicht. Und was ge-schieht, wenn sich ein CAM-Therapeu-tikum im Vergleich zu Placebo als nicht überlegen erweist? Wird es dann ver-worfen? Keineswegs!

4. Placebos werden als Chance betrach-tet. Die bei jeder Therapie vorhande-nen unspezifischen Wirkungen und ihre mit bildgebenden Verfahren nachweisbaren hirnorganischen Ef-fekte werden hervorgehoben (Joos). Die vom wissenschaftlichen Beirat der Ärztekammer unter Federführung ei-nes Historikers publizierte Indikati-onsliste für eine Placebotherapie wird übernommen (Abholz). Schließlich sei die verstehende Sorge um den Pa-tienten erstrangig, das „Medium“ zweitrangig (Brockmann).

Diese Argumentation wird nicht ohne Selbstzweifel vorgetragen. Genannt wer-den ein möglicher Verstoß gegen die Pa-tientenautonomie und die Gefahr, wir-kungsvollere Chancen für den Patienten zu verpassen (Abholz). Hinzuweisen ist auf die umfangreiche juristische Diskussi-on im „Placebopapier“ der Ärztekammer. Sie ist notwendig wegen der in der Regel mit bewusster Placebogabe verbundenen Täuschung. Außerdem sind die wissen-schaftlichen Befunde und Argumente für dieses Vorgehen wenig robust. Verglei-chende Untersuchungen von Placeboga-be gegen einen Verzicht auf Mittelanwen-dung wurden vor allem an kleinen Grup-pen über kurze Beobachtungszeiten vor-genommen und kaum unter adäquater Aufklärung des Patienten und ausrei-chender Verblindung der Therapeuten bzw. der Studienauswerter. Ist aber CAM im Wesentlichen eine Zeichensprache (Kühnlein) und sollen ihre verschiede-nen, sich durchaus widersprechenden Theorien quasi religiöse Ordnungssche-mata vermitteln (Brockmann), so fällt sie in den Bereich der Geisteswissenschaften. Im Bereich der praktischen Wissenschaf-ten (siehe oben) wäre die Psychotherapie für sie zuständig. Der Analytiker Bruno Bettelheim meinte, Kinder brauchten Märchen. Brauchen Erwachsene Ge-schichten von Ganzheit, Potenzen und Meridianen?

Prof. Dr. med. Manfred Anlauf

Vogelsand 167, 27576 Cuxhaven

Tel.: 04721 42080, Fax: 04721 420825

E-Mail: [email protected]

Korrespondenzadresse

1. Bock KD, Anlauf M. Ist die alternative Medizin eine Alternative? Arzneiver-ordnung in der Praxis (im Druck)

2. Gethmann CF. Heilen: Können und Wissen. Zu den philosophischen Grundlagen der wissenschaftlichen Medizin. In: Beckmann JP (Hrsg.) Fragen und Probleme einer medizi-nischen Ethik. Berlin, New York: De Gruyter, 1995: 68–93

Literatur

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Die Nationale Versorgungsleitlinie KreuzschmerzenEine Zusammenfassung für die Hausarztpraxis

The National Disease Management Guideline for Low Back Pain

A Summary for Family Medicine

Jean-François Chenot1, Annette Becker2

Zusammenfassung: Die hausärztliche S3-Leitlinie Kreuz-schmerzen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedi-zin und Familienmedizin (DEGAM) von 2003 wird zuguns-ten der interdisziplinären Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Kreuzschmerzen nicht mehr neu aufgelegt. Die NVL bewertet die Evidenzlage zum Nutzen einzelner diagnosti-scher und therapeutischer Interventionen. Sie bietet so an-gesichts der Vielzahl von Therapieoptionen ohne gesicher-ten Wirkungsnachweis eine Orientierung. Das Grundkon-zept der Triage von Patienten mit red flags (Hinweise auf spezifische Ursachen der Kreuzschmerzen) und yellow flags (Identifizierung von Patienten mit Chronifizierungsrisiko) bleibt erhalten. Bei akuten Kreuzschmerzen werden Bera-tung, körperliche Aktivität und Schmerzmittel empfohlen. Für subakute und chronische Kreuzschmerzen wird ein be-darfsorientiertes Vorgehen nach einem interdisziplinären Assessment empfohlen. Der vorgeschlagene Versorgungs-algorithmus ist in der bestehenden ungünstigen Versor-gungsstruktur allerdings nur schwer umsetzbar.

Schlüsselwörter: Kreuzschmerzen; Leitlinie

Summary: The evidence-based guideline for managing low back pain in primary care of the German College of Family Practitioners and Family Physicians (DEGAM) from 2003 will not be updated in favour of the new National Disease Management Guideline (NVL) low back pain. The NVL evaluates the evidence and effectiveness of diagnostic and therapeutic interventions. Thus the NVL is providing an orientation given the multiplicity of management op-tions for low back pain with uncertain effectiveness. The basic triage concept to identify patients with red flags (in-dicating serious underlying disease) and yellow flags (to identify patients at risk of developing chronic pain) remains unchanged. For acute low back pain counselling, physical activity and pain medication is recommended. For sub-acute and chronic low back pain a tailored intervention based on a multiprofessional assessment is recommended. The suggested algorithm, however, cannot be easily imple-mented in the current health care system.

Keywords: Low Back Pain; Clinical Guideline

1 Abteilung Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen2 Abteilung für Allgemeinmedizin, Rehabilitative und Präventive Medizin, Universität MarburgPeer reviewed article eingereicht 17.03.2011, akzeptiert 29.04.2011DOI 10.3238/zfa.2011.0260

260 ÜBERSICHT / REVIEW

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Hintergrund

Die Leitlinie (LL) Kreuzschmerzen war 2003 die dritte S-3 LL der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) [1]. Sie war offiziell bis 2006 gültig. Da die DEGAM zu diesem Zeitpunkt an der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) beteiligt war, wurde 2007 nur ein informelles Update durchgeführt [2]. NVL werden von den Fachgesellschaften im Auftrag der Bundesärztekammer, der Kassen-ärztlichen Bundesvereinigung und der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaft-lich Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) moderiert durch das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) erstellt [3]. An der Erstellung nahmen die Autoren der vorliegenden Arbeit von 2007 bis 2010 als Vertreter der DEGAM teil. Die Ständige LL-Kom-mission der DEGAM hat sich zum ers-ten Mal entschieden, auf eine selbst-ständige Weiterführung einer DEGAM-LL zu verzichten. Ziel dieses Artikels ist es, die Kernempfehlungen der NVL

Kreuzschmerzen darzustellen und Hin-tergrundinformation zu umstrittenen Punkten zu geben.

Warum brauchen wir eine NVL Kreuzschmerzen?

Kreuzschmerzen (Rückenschmerzen der unteren Lendenwirbelsäule) sind ein epidemiologisches und durch die hohen Arbeitsausfälle ein volkswirt-schaftlich bedeutendes Gesundheits-problem. Auch wenn die DEGAM-LL inhaltlich mit anderen Fachgesellschaf-ten abgestimmt war, fehlten ihr ein ge-bietsübergreifendes Versorgungskon-zept und die Akzeptanz der Spezialis-ten. So wurde vielfach die fehlende Ko-operation mit anderen Fachgruppen als wichtiges Hindernis für die Umsetzung der LL beschrieben. Wichtige weitere Argumente für die Notwendigkeit einer interdisziplinären LL entsprechend der NVL sind:• Eine extreme Vielfalt an diagnosti-

schen und therapeutischen Maßnah-

men bei Kreuzschmerzen mit gerin-gem nachweisbaren Nutzen über die Spontanheilungsrate hinaus [4]. Die-se Polypragmasie wird als Ausdruck ei-ner geringen Wirksamkeit der Maß-nahmen gewertet [5, 6].

• Eine hohe Anzahl an der Versorgung beteiligter Berufs- und Fachgruppen mit sehr heterogenen Ansichten.

• Versorgungsepidemiologisch extreme Abweichungen und Varianz sowohl im nationalen als auch im internationalen Vergleich [7], so wurde aktuell getitelt „Deutschland MRT-Weltmeister“ [8].

Die NVL Kreuzschmerzen beschreibt jetzt nicht nur die Evidenzlage zum Nut-zen einzelner diagnostischer und thera-peutischer Interventionen, um Ärzte und Patienten zu orientieren, sondern schlägt auch einen Algorithmus für das zeitliche Ineinandergreifen der verschie-denen Versorgungsebenen vor. Anam-nese, körperliche Untersuchung, Be-rücksichtigung psychosozialer Zusam-menhänge und Beratung stehen wie bis-her vor technischen Untersuchungen und invasiven Interventionen.

Was bleibt, was ändert sich?

Der Begriff „unkomplizierter Kreuz-schmerz“ der alten DEGAM-LL ändert sich jetzt in „nicht spezifische Kreuz-schmerzen“ und schließt die mehrheit-lich nicht operationsbedürftigen radi-kulären Kreuzschmerzen aus. Wie häu-fig die in der Hausarztpraxis eher selte-nen durch eine echte radikuläre Reizung bedingten Kreuzschmerzen sind, ist lei-der unklar. Das seit der ersten ame-rikanischen Urleitlinie bestehende Grundkonzept der Triage von Patienten mit red flags für Hinweise auf spezifische Ursachen der Kreuzschmerzen und yel-

low flags zur Identifizierung von Patien-ten mit Chronifizierungsrisiko bleibt er-halten (Tabelle 1, Abbildung 1). Anam-nese und körperliche Untersuchung sind im Regelfall ausreichend, um die Arbeitsdiagnose zu stellen. Bei den Statements muss zum Teil genau auf die Formulierung geachtet werden. So wer-den zum Erfassen der yellow flags Fra-gebogen lediglich als Option vor-geschlagen, weil die Evidenz für den Nutzen eines gezielten Einsatzes noch nicht ausreichend ist [9].

Auch wenn die Beratung der Patien-ten hinsichtlich der Prognose in der NVL

Tabelle 1 Diagnostik bei Kreuzschmerzen

(Buchstaben in Klammern geben das Evidenzniveau an: A = starke Empfehlung) [3].

Keine weitere apparative Diagnostik

Erfassung psycho -sozialer Risiko -faktoren in der primären ärztlichen Versorgung

Weitergehende somatische und psychosoziale Diagnostik

Indikationen zu bildgebenden Untersuchungen

Weitere Labor- oder bildgebende Unter-suchungen und/ oder fachärztliche Überweisung

vorerst bei fehlenden Hinweisen für gefährliche Verläufe und andere ernstzunehmende Pathologien, Klassifikation der Beschwerden zunächst als nicht- spezifischer Kreuzschmerz (A)

bei Schmerzen länger als 4 Wochen trotz LL-gerechter Maßnahmen (A)

bei anhaltenden Schmerzen (> 12 Wochen) (A)

keine bei akutem Kreuzschmerz (KS) nach klinischem Ausschluss gefährlicher Verläufe (A)

entsprechend klinischem Verdacht bei Warnhinweisen (red flags) (A) einmalige Untersuchung

bei subakutem KS (6–12 Wochen) ohne Besserung ausgeprägter und aktivitätseinschränkender Schmerzen oder mit Progression trotz LL-gerechter Therapie (A)

sofern nicht schon geschehen, bei chronischem KS (> 12 Wochen) trotz LL-gerechter Therapie nach Ausschluss von psychosozialen Chronifizierungsfaktoren (A)

nur bei klinischen Hinweisen auf Organpathologie bei chronischem KS und Vorliegen psychologischer Chronifizierungsfaktoren (A)

bei Warnhinweisen je nach Verdachtsdiagnose und Dringlichkeit (A)

261

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nicht explizit genannt wird, soll das „flag-Konzept“ dazu, dienen, zum einen Patien-ten ohne Risikofaktoren zu versichern, dass keine schwere organische Erkran-kung vorliegt und zum anderen das weite-re diagnostische Vorgehen zu steuern.

Bildgebung wird weiterhin nur bei Hinweisen aus Anamnese oder körperli-cher Untersuchung auf eine weiter ab-klärungsbedürftige Grunderkrankung

empfohlen [10]. Nur bei 6 Wochen an-haltenden Schmerzen ohne Besserung sollte im Rahmen der somatischen Aus-schlussdiagnostik eine Bildgebung durchgeführt werden. Ist die Indikation zur Bildgebung gegeben, wird eine MRT-Untersuchung als Untersuchung der Wahl favorisiert. So soll eine unnötige Kaskade von Nativröntgen, über CT und dann noch MRT vermieden werden.

Dies ist die einzige Empfehlung, die eine Fachgesellschaft als Minderheitenvo-tum abgegeben hat. Nicht zu Unrecht befürchtet die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirur-gie (DGOOC) eine weitere Zunahme der MRT-Bildgebung und möchte das Nativ-röntgen erhalten [8]. Möglicherweise besteht auch ein berufspolitisches Inte-resse, das diagnostisch meist wertlose Röntgen für niedergelassene Kollegen zu erhalten. Insgesamt sind bei der Bild-gebung regulierende Maßnahmen durch strengere Kontrollen der Indikati-on oder Abwertung der Vergütung zu er-warten.

Bei akuten Kreuzschmerzen werden Beratung, körperliche Aktivität und Schmerzmittel (NSAR) empfohlen (Tabellen 3 und 4). Paracetamol wurde als Schmerzmittel bei Rückschmerzen auf eine sog. „Kann-Empfehlung“ abge-wertet, da sich die Wirksamkeitsannah-me nur auf Studien zur Arthrose und aus unserer Sicht auf das von den Pharma-kologen überbewertete Nebenwirkungs-profil stützt. Da es sich um ein freiver-käufliches und zumindest in Deutsch-land relativ sicheres Schmerzmittel han-delt, konnte trotz der Evidenzlage eine Negativempfehlung abgewendet wer-den. Eine australische Studie zu Wirk-samkeit von Paracetamol bei Kreuz-schmerzen läuft gerade [11]. Ebenso wurde für die manuelle Therapie nur ei-ne „Kann-Empfehlung“ ausgesprochen.

Bei anhaltenden Rückenbeschwer-den ohne ausreichende Besserung wird ein sog. multimodales Assessment nach 4–6 Wochen vorgeschlagen (Tabelle 4, Abbildung 2). Dieses soll zum einen eine organische Grunderkrankung ausschlie-ßen und zum anderen die Indikation für ein multiprofessionelles Therapiepro-gramm klären. Motivation zur Bewe-gung und Physiotherapie sind weiterhin wichtige Kernempfehlungen. Mangels Evidenz wurde fast die gesamte physika-lische Therapie negativ bewertet (Tabel-le 2). Der Nutzen der Akupunktur, ins-besondere im Vergleich zur sog. Pseu-doakupunktur, wurde von der Gruppe deutlich kritischer bewertet als vom Ge-meinsamen Bundesausschuss, sodass nur eine „Kann-Empfehlung“ aus-gesprochen wurde. Die Bewertung re-flektiert auch eine Reaktion auf die ex-treme Steigerung der bis zum Juni 2010 als „freie Leistung“ abrechenbaren Aku-punktur. Insgesamt wurden passive Ver-

Abbildung 1 Algorithmus der Nationalen Versorgungsleitung zur Versorgung akuter

Rückenschmerzen [3].

1Patient/in mit akutem nichtspezifischem Kreuzschmerz oder

mit neuer Episode rezidivierender Kreuzschmerzen

3Besserung der Schmerzen bzw. Funktionsfähigkeit?

Wiederaufnahme üblicher Aktivitäten möglich?(innerhalb von 2–4 Wochen)

2• Edukation/Beratung (insbes. Rat, aktiv zu sein bzw. zu werden)• ggf. medikamentöse Therapie• ggf. begleitende nicht medikamentöse Therapie

7• ärztliche Aufklärung über individuelles Risikoprofil• ggf. umfassendes interdisziplinäres Assessment zur Überprüfung der Indikation zu einer multimodalen, multi- und interdisziplinären Behandlung/Rehabilitation• falls nicht verfügbar º Überweisung für fachärztliche Diagnostik und Klärung einer psychotherapeutischen Behandlungsoption

8Unter Berücksichtigung von Schmerzstärke, funktionellerBeeinträchtigung, Komorbidität und Behandlungswunsch:• Überprüfung und ggf. Ergänzung/Intensivierung der Therapie• ggf. fachärztliche Mitbetreuung zur Therapieoptimierung (insbesondere bei AU)• ggf. abwartendes Verhalten, Weiterführung einer symptomorientierten Basistherapie

5Erfassung von psychosozialen Risikofaktoren zur Chronifizierung• Örebro-Fragebogen, Heidelberger Kurzfragebogen, RISC-R Erfassung von anderen Risikofaktoren

4Therapiefortsetzungbzw. -beendigung im

Verlauf

10Therapiefortsetzungbzw. -beendigung im

Verlauf

6Liegen yellow flags vor?

ja

nein

ja

nein

ja

nein

9Besserung der Schmerzen bzw. Funktionsfähigkeit?

Wiederaufnahme üblicher Aktivitäten möglich?

11Fortsetzung: Algorithmus zur Versorgungskoordination

subakuter Kreuzschmerz

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fahren wie physikalische Therapie, Mas-sage und Akupunktur von der Gruppe als eher ungünstig bewertet.

Unbefriedigend ist die Evidenzlage für die langfristige Pharmakotherapie chronischer Schmerzen (Tabelle 3). Die in der Praxis häufig über lange Zeiträu-me eingenommenen NSAR sind dafür formal nicht zugelassen und haben ein hohes Risiko unerwünschter Wirkungen und Wechselwirkungen (Aspirin bei KHK, orale Antikoagulation). Schwache Opioide oder Opiate sind nur einge-schränkt eine Alternative. Hier verwei-sen wir ausdrücklich auf die kritische Be-wertung des meist geringen Nutzens von Opiaten in der fast zeitgleich er-schienen LL Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen (LONTS-LL). [12]. Diese empfiehlt wie die NVL eine regelmäßige kritische Reevaluation des Nutzens und der Indikation bei Langzeittherapie mit Opiaten, was zu den hausärztlichen Kernaufgaben bei der Versorgung chro-nisch Schmerzkranker gehört.

Angesichts der Vielzahl von Thera-pieoptionen hat sich die LL-Gruppe be-schränken müssen und konnte nicht zu jedem Verfahren, das einen Nutzen bei Kreuzschmerzen beansprucht, Stellung beziehen.

Wo liegen die Probleme?

Ein Kernproblem, das auch von der Au-torengruppe der NVL nicht gelöst wer-den konnte, ist, dass Kreuzschmerzen nur ein Symptom bei pathophysiolo-gisch unterschiedlichen Krankheitsenti-täten sind. Sicher abgegrenzt werden können Frakturen sowie tumoröse oder entzündliche Erkrankungen, die aber in der Hausarztpraxis aufgrund ihrer gerin-gen Häufigkeit nur eine geringe Rolle spielen. In der Praxis gelingt eine ein-deutige und nachvollziehbare Differen-zierung der in der Mehrzahl muskulos-keletal bedingten Schmerzen nicht [13, 14]. Das hat für viele Therapiestudien zur Konsequenz, dass wegen der Ver-dünnung des Effekts oft nur eine gerin-ger oder gar kein Nutzen nachgewiesen werden kann.

Die LL-Entwicklergruppe sah sich beim Algorithmus zur Versorgung chronischer Schmerzen vor der Wahl, sich „realistisch“ an den bestehenden ineffektiven Strukturen zur Versorgung

Tabelle 2 Nicht-medikamentöse Therapie bei Kreuzschmerzen (Buchstaben in Klammern

geben das Evidenzniveau an: A = starke Empfehlung, B = Empfehlung, 0 = Option) [3].

Akupunktur

Bettruhe

Bewegungs -therapie

Interferenz- therapie

PENS / TENS

Progressive Muskel relaxation

Ergotherapie

Kurzwellen -diathermie

Lasertherapie

Magnetfeld -therapie

Manipulation/ Mobilisation

Massage

Orthesen

Patienten -edukation

Rückenschule auf biopsycho- sozialem Ansatz

Wärmetherapie

Kältetherapie

Traktions -behandlung

Therapeut. Ultraschall

Kognitive Ver -haltenstherapie (KVT)

Invasive Therapien

Akuter KS

keine (A)

keine (A)

körperliche Aktivität beibehalten (A)

keine Verordnung von Bewegungstherapie (auch Krankengymnastik) (A)

keine bei akut/subakut (A)

keine (A)

kann angeboten werden bei akutem/subakutem KS und erhöhtem Chronifizierungs -risiko (0)

keine (A)

keine (A)

keine (A)

keine (A)

kann angewendet werden (0)

keine (A)

keine (A)

soll bei akutem /subakutem KS durchgeführt werden (A)

kann empfohlen werden bei länger anhaltenden (> 6 Wochen) oder rezidivierenden KS (0)

kann angewendet werden in Verbindung mit aktivieren-den Maßnahmen (0)

keine (B)

keine bei akutem/ subakutem KS (A)

keine (A)

soll angeboten werden bei subakutem KS und Vorliegen psychosozialer Risikofaktoren (A)

keine (A)

Chronischer KS

sehr eingeschränkt (0)

keine (A)

Bewegungstherapie als primäre Behandlung (A)

keine (A)

keine (A)

sollte angewendet werden (B)

sollte angewendet werden im Rahmen multimodaler Behandlungsprogramme (B)

keine (A)

keine (A)

keine (A)

kann angewendet werden in Kombination mit Bewegungstherapie (0)

kann angewendet werden bei subakutem/chronischem KS in Kombination mit Bewegungstherapie (0)

keine (A)

soll durchgeführt werden (A)

sollte angewendet werden (B)

keine Verordnung (B)

keine (B)

keine (A)

keine (A)

soll angewendet werden, eingebunden in ein multimodales Behandlungs-konzept (A)

keine (A)

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zu orientieren oder einen nach Exper-tenmeinung „idealen Vorschlag“ zu machen. Es gibt auch keine Evidenz, dass diese vorgeschlagene Strukturie-rung des Versorgungsprozesses bessere Behandlungsergebnisse erzielt oder kostengünstiger wäre. Hier wäre die Evaluation der Umsetzung des NVL-Al-gorithmus in einer Modellregion not-wendig, zumal die vorgeschlagenen Strukturen regional nicht überall ver-fügbar sind. Strukturelle Probleme, wie das ungünstige Nebeneinander von Spezialisten und Hausärzten in der Pri-märversorgung, konnte von einer LL-Gruppe natürlich nicht gelöst werden. Ebenso ist eine nachvollziehbare Ope-rationalisierung des Zeitpunktes, wann eine Rehabilitationseinrichtung (SGB IX) oder eine Schmerzklinik (SGB V) in

die Versorgung chronischer Schmerz-patienten involviert werden sollte, nicht möglich gewesen.

Wo liegen die Lücken?

Die offizielle Anerkennung des Kon-zepts der nicht-spezifischen Kreuz-schmerzen mangels belastbarer Alter-nativkonzepte ist besonders den ortho-pädischen Fachgesellschaften schwer-gefallen. Es steht zu befürchten, dass die Gültigkeit der interdisziplinären LL auch für Orthopäden in der Primärver-sorgung mit dem Argument, sie würden keine nicht-spezifischen Kreuzschmer-zen behandeln, ausgehebelt wird [15]. Mangels LL für die Behandlung der meisten sog. spezifischen Kreuzschmer-

zen, z.B. Facettengelenksarthrose, könnten so wieder beliebige diagnosti-sche und therapeutische Maßnahmen begründet werden. Dass LL für viele spezifische Kreuzschmerzformen mit wenigen Ausnahmen fehlen, ist aber nicht Zufall, sondern Ausdruck der schlechten Evidenzlage. Bei nicht-spe-zifischem Kreuzschmerz ist auch for-mal keine Operationsindikation gege-ben. Eine Entscheidungshilfe für die Beratung von Patienten, denen ein ope-rativer Eingriff vorgeschlagen wird, ist daher nicht Teil der NVL. Das ist auf-grund der hohen Operationszahlen und der unbefriedigenden Ergebnisse bedauerlich.

Bisherige LL gehen von Patienten mit akuten Beschwerden aus, von de-nen einige chronische Beschwerden

Abbildung 2

Algorithmus der Natio -

nalen Versorgungs -

leitung zur Versorgung

subakuter/chronischer

Rückenschmerzen [3].

1Patient/in mit > 6 Wochen anhaltendem beeinträchtigendem Kreuzschmerz

trotz leitliniengerechter Therapie

2

9• Überprüfung und Anpassung der medikamentösen Therapie• Überprüfung und Anpassung der nichtmedikamentösen Therapie in Bezug auf Therapieerweiterung • ggf. fachärztliche Mitbetreuung zur Therapieoptimierung• Sicherung der Fortführung/Beibehaltung eines körperlich aktiven Lebensstils

12• interdisziplinäre Evaluation der Befunde• ggf. Reevaluation

2aEingehende psychosoziale Diagnostik

(inkl. Testung und stand. Interview)

6multimodale, multi- und interdisziplinäre Behandlung/Rehabilitation

(inkl. umfassendes interdisziplinäres Assessment)falls nicht verfügbar:

Überweisung zur fachärztlichen Diagnostik und Klärung einerpsychotherapeutischen Behandlungsindikation

2bÜberprüfung der Diagnostik spezifischer KS

(inkl. einmaliger Bildgebung)

3akomorbidepsychischeStörung?

3bFortbestehen

von yellowflags?

7Besserung der Schmerzen bzw.

Funktionsfähigkeit?Wiederaufnahme üblicher

Aktivitäten möglich?

10Besserung der Schmerzen bzw.

Funktionsfähigkeit?Wiederaufnahme üblicher

Aktivitäten möglich?

3cspezifischeUrsache?

4ggf. Überweisung

für entsprechende leitliniengerechte

Versorgung

5ggf. Überweisungzu fachärztlicher

Behandlung

8Therapiefortsetzung bzw.-beendigung im Verlauf

11Therapiefortsetzung bzw.-beendigung im Verlauf

ja

ja

ja

ja

ja

neinnein

nein

UND

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entwickeln. Das spiegelt die Versor-gungsepidemiologie nur eingeschränkt wider, da in der Praxis meist Patienten mit rezidivierenden Kreuzschmerzen oder Exazerbationen chronischer Schmerzen gesehen werden. Es ist un-wahrscheinlich, dass bei dieser Aus-gangslage eine andere Versorgungsstra-tegie notwendig ist. Trotzdem kann – wie bei allen LL – es hier aber gute Gründe geben, von den LL-Empfehlun-gen abzuweichen.

Angesichts der besonderen Bedeu-tung von Anforderungen und Zufrie-denheit am Arbeitsplatz für die Chroni-fizierung wäre eine stärkere konzeptio-nelle Einbindung der Arbeitsmedizin und evtl. der Arbeitspsychologie wün-schenswert. Da dies außerhalb größerer Betriebe strukturell schwierig umzuset-zen ist, konnten keine konkreten Vor-schläge gemacht werden. Hierzu sollte beim nächsten Update ein Vorschlag er-arbeitet werden.

Die NVL bezieht sich nur auf Er-wachsene. Die extreme Zunahme von Physiotherapien bei Kindern [16] sowie spezielle entwicklungsbedingte Störun-gen der Wirbelsäule lassen eine eigene LL für diese Altersgruppe notwendig er-scheinen. Die Behandlung älterer nicht erwerbstätiger Patienten wird formal auch durch die NVL abgedeckt. Bisher sind LL nur auf ein Symptom oder eine Krankheit ausgerichtet. Gerade bei mul-timorbiden Älteren und Polymedikati-on sind Kreuzschmerzen aber oft nur ein nachrangiges Problem [17]. Hier müssen Konzepte, die eine optimale Therapie-entscheidung unterstützen, erst noch entwickelt werden.

Qualitätsindikatoren

Alle neueren NVL geben auch Empfeh-lungen für mögliche Qualitätsindikato-ren, so auch die NVL Kreuzschmerzen. Allerdings ist nicht mit einer raschen Anwendung zu rechnen, da die dazu notwendigen Dokumentationsstan-dards und Praxiserprobungen noch aus-stehen. Die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorgeschlagenen Indikatoren waren nicht sinnvoll [18]. Demnächst soll ein auf der NVL basie-rendes Qualitätsindikatoren-Set, das im Auftrag des AOK-Bundesverbandes ent-wickelt worden ist, in der Praxis erprobt werden [19].

Tabelle 3 Medikamentöse Therapie bei Kreuzschmerzen (Buchstaben in Klammern geben das

Evidenzniveau an, A = starke Empfehlung, B = Empfehlung, 0 = Option) [3].

Paracetamol

Traditionelle nicht -steroidale Anti -rheumatika/Anti -phlogistika (tNSAR)

Cox-2-Hemmer

Flupirtin

Opioid-Analgetika

Muskelrelaxanzien

Antidepressiva

Antiepileptika

Phytotherapeutika

Perkutan applizierbare Medikamente

Intravenös oder intramus kulär appli -zierbare Schmerzmittel, Glucocorticoide und Mischinfusionen

bei leichtem bis moderatem akutem KS: Behandlungs -versuch (kurzfristig über prüfen) bis zur maximalen Tagesdosis von 3 g (0)

bei subakutem/chronischem KS: kurzzeitig und in möglichst niedriger Dosis – nur nach ausführlicher Medikamentenanamnese und nur zur Behandlung kurzer Exazerbationen (0)

bei akutem/chronischem KS in limitierter Dosierung (bis zu 1,2 g Ibuprofen, 100 mg Diclofenac oder 750 mg Naproxen täglich; bei unzureichender Wirkung kann unter Beachtung und ggf. Prophylaxe der mög lichen Nebenwirkungen auf bis 2,4 g Ibuprofen, 150 mg Diclofenac oder 1,25 g Naproxen erhöht werden) (B)

bei gastrointestinalen Risiken: Prophylaxe mit Protonen-pumpenhemmer (B)

nur in der niedrigsten wirksamen Dosierung, so kurz -zeitig wie möglich (B) nicht parenteral verabreichen (A)

bei akutem/chronischem KS, wenn tNSAR kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden („off label use“) (0)

keine Anwendung bei akutem und chronischem KS (A)

schwache Opioide (z.B. Tramadol, Tilidin/Naloxon) können eingesetzt werden bei fehlendem Ansprechen auf Analgetika wie Paracetamol, tNSAR (0)

Reevaluation der Opioidtherapie bei akutem/ chronischem KS nach spätestens 4 Wochen/3 Monaten. Tritt die gewünschte Schmerzlinderung/Funktions -verbesserung nicht ein, ist die Fortsetzung der Opioidtherapie kontraindiziert (A)

kein Einsatz transdermaler Opioide bei akutem/ subakutem KS (A)

wenn Opioide zum Einsatz kommen, sind zur Reduktion des Suchtrisikos Opioide mit langsamem Wirkungseintritt den schnell wirksamen Opioiden vorzuziehen. Gabe nach festem Zeitschema (Statement)

wenn nichtmedikamentöse Maßnahmen oder alleinige Gabe von nichtopioiden Analgetika bei akutem/ chronischem KS keine Besserung bewirken (0)

Nebenwirkungspotenzial beachten, nicht länger als 2 Wochen fortlaufend (Statement)

Noradrenerge oder noradrenerg-serotonerge Anti -depressiva als Nebenmedikation im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes zur Schmerzlin- derung bei chronischem KS (Kontraindikationen, Nebenwirkungen beachten) (0)

Antidepressiva vom SSNRI-Typ nicht regelhaft und nur bei indikationsrelevanter Komorbidität (schwere Depression, Angststörung) (B)

keine Anwendung von Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin (B)

keine Anwendung zur Schmerztherapie (B)

keine Anwendung (B)

keine Anwendung (A)

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Schlussfolgerungen

Die NVL gibt Orientierungen – auch wenn sie nicht in allen Teilen umsetzbar ist. Für die Implementierung müssten allerdings die Kassenärztlichen Vereini-gungen und Kostenträger stärker invol-viert werden, da die derzeitige Versor-gung zu stark von Vergütungsstrukturen gesteuert wird. Angesichts des geringen Nutzens vieler therapeutischer Maßnah-men über die Spontanheilungsrate hi-naus müssen hohe Anforderungen an potenziell für Patienten risikoreiche oder teure Maßnahmen gestellt werden, bevor sie in einer LL empfohlen werden können. Es besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, um die für viele Be-troffene unbefriedigende Versorgung zu verbessern.

Danksagung: Wir bedanken uns für die konstruktive Zusammenarbeit bei al-len an der NVL Kreuzschmerzen betei-ligten Experten. Ein besonderer Dank geht an Frau Dr. Weinbrenner und ihr Team von der ÄZQ für die Moderation.

Interessenkonflikte: Prof. Chenot hat für die Firma Boehringer Ingelheim methodische Beratung im Bereich mus-kuloskelettale Erkrankungen durch-geführt. Kein Produkt der Firma wird in der NVL oder diesem Artikel empfohlen. Bei Frau Prof. Becker besteht kein Inte-ressenkonflikt.

Univ. Prof. Dr. med. Jean-François Chenot,

MPH

Abteilung Allgemeinmedizin

Universitätsmedizin Göttingen

Humboldtallee 38; 37073 Göttingen

Tel.: 0551 396599; Fax: 0551 399530

E-Mail: [email protected]

Korrespondenzadresse

Tabelle 4 Prävention und Rehabilitation bei Kreuzschmerzen (Buchstaben in Klammern geben

das Evidenzniveau an, A = starke Empfehlung, B = Empfehlung, 0 = Option) [3].

Körperliche Bewegung

Edukation

Ergonomie

Multimodale, multi- und interdisziplinäre Behandlung/Rehabilitation

Indikationen

Eingangs -assessment

Nachsorge

Berufliche Wiederein -gliederung

soll empfohlen werden (Ziel: Vermeidung/Verkürzung vonSchmerzepisoden/Arbeitsunfähigkeit) (A)

Auswahl des Verfahrens nach individuellen Präferenzen/ Voraussetzungen der Betroffenen (A)

Information/Schulung (basierend auf biopsychosozialem Krankheitsmodell) sollten in die Prävention einbezogen werden (B)

Maßnahmen am Arbeitsplatz (ergonomische Gestaltung, Verhaltensprävention, Förderung der Arbeitsplatzzufriedenheit) sollten eingesetzt werden. (B)

chronischer KS, wenn weniger intensive, evidenzbasierte Verfahren unzureichend wirksam waren (A)

spätestens nach 6 Wochen Schmerzdauer und alltagsrelevanten Aktivitätseinschränkungen trotz LL-gerechter Versorgung bei positivem Nachweis von Risikofaktoren zur Chronifizierung (yellow flags) Indikation zu einer multimodalen Therapie (möglichst durch ein interdisziplinäres umfassendes Assessment) prüfen (A)

bei Bestehen der Beschwerden und alltagsrelevanten Aktivitäts-einschränkungen > 12 Wochen trotz LL-gerechter Versorgung generell die Indikation zu einer multimodalen Therapie prüfen (A)

vor multimodaler Behandlung strukturiertes Assessment mit anschließender Teambesprechung zur Erstellung eines Therapieplanes (A)

Die Vorbereitung der Zeit nach der Behandlung (z.B. eigenver-antwortliche körperliche Aktivität, Sport usw.) soll integrativer Teil des Therapieplans sein, wobei das primäre Ziel die Überleitung von Therapieinhalten in selbstständig durch- geführte Aktivitäten ist. (A)

Zusätzliche therapeutische Maßnahmen sollen entsprechend den Empfehlungen im Abschlussbericht bzw. nach einem Reassessment eingeleitet werden. (A)

Alle Patientinnen/Patienten sollten über die Möglichkeiten des Kontakts zu Selbsthilfegruppen, die Eigeninitiative/ Eigenverantwortung fördern, informiert werden. (B)

Nach multimodalen Therapieprogrammen im kurativen Sektor können Folgebehandlungen mit reduziertem Umfang durch -geführt werden. (0)

Allen Rehabilitanden, deren Behandlungserfolg nach einer Rehabilitation noch nicht ausreichend stabilisiert ist, sollte eine Nachsorgemaßnahme angeboten werden. (B)

Maßnahmen zur Unterstützung der beruflichen Wieder -eingliederung soll sowohl im rehabilitativen als auch im kurativen Bereich geprüft und ggf. initiiert werden. (A)

… ist kommissarischer Direktor der Abteilung Allgemeinmedi-

zin der Universitätsmedizin Göttingen und in Teilzeit nieder-

gelassener Facharzt für Allgemeinmedizin in Gemeinschaftspra-

xis in Hardegsen. Gemeinsam mit Prof. Annette Becker hat er

die DEGAM-Leitlinien Kreuzschmerzen entwickelt und die DE-

GAM bei der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerzen

vertreten.

Prof. Dr. med. Jean-François Chenot, MPH …

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1. Becker A, Niebling W, Chenot JF, Ko-chen MM. Kreuzschmerzen DEGAM-Leitlinie Nr. 3. Düsseldorf omikron pu-blishing, 2003

2. Chenot JF, Becker A, Niebling W, Ko-chen MM. Aktualisierung der DEGAM-Leitlinie Kreuzschmerzen Z Allgemein-med 2007; 83: 487–94

3. Nationale Versogungsleitlinie Kreuz-schmerzen. http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/kreuzschmerz/pdf/nvl_kreuzschmerz_lang.pdf

4. Artus M, van der Windt DA, Jordan KP, Hay EM. Low back pain symptoms show a similar pattern of improvement following a wide range of primary care treatments: a systematic review of ran-domized clinical trials. Rheumatology 2010; 49: 2346–56

5. Deyo RA, Mirza SK, Turner JA, Martin BI. Overtreating chronic back pain: ti-me to back off? J Am Board Fam Med 2009; 22: 62–8

6. Haldeman S, Dagenais S. A supermarket approach to the evidence-informed management of chronic low back pain. Spine J 2008; 8: 1–7

7. Chenot JF, Leonhardt C, Keller S et al. The impact of specialist care on health service utilization in primary care pa-

tients with low back pain: a prospective cohort study. Eur J Pain 2008; 12: 275–83

8. Barmer-GEK-Arztreport 2011: Deutsch-land ist MRT-Weltmeister. Dtsch Arzt-ebl 2011; 108: A-241/B-193/C-193

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Literatur

267

Chenot, Becker:Die Nationale Versorgungsleitlinie KreuzschmerzenThe National Disease Management Guideline for Low Back Pain

DEGAM-Leitlinien frei im Netz

Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

(DEGAM) stehen ab sofort frei im Internet zur Verfügung. Die wissenschaftlich fundierten

und vor der Veröffentlichung in Praxen erprobten DEGAM-Leitlinien richten sich nicht nur

an Hausärzte, sondern auch an Patienten und Praxismitarbeiter. Neben der Langversion

gibt es eine Kurzfassung als Kitteltaschenkarte. Mehrere tausend Leitlinien-Sets werden

in Praxen und Universitäten in der täglichen Arbeit mit Patienten eingesetzt.

Alle Module können nun auf der DEGAM-Leitlinien-Homepage (http://leitlinien.degam.de)

oder auf der Homepage der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen

Medizinischen Fachgesellschaften, http://leitlinien.net/) bei Bedarf heruntergeladen

und ausgedruckt werden.

Pressekontakt:

Dr. med. Isabelle Otterbach

DEGAM-Bundesgeschäftsstelle

c/o Institut für Allgemeinmedizin

Johann Wolfgang Goethe-Universität

Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt am Main

Telefon: 069–6500–7245

Fax: 069–6301–6428

E-Mail: [email protected]

Homepage: www.degam.de

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Pragmatische Entwicklung von Themenfeldern in der Weiterbildung Allgemeinmedizin Pragmatic Development of Topic Areas for the Postgraduate Training in Family MedicineSusann Schumann1, Sven Schulz1, Thomas Lichte2, Katja Stengler1, Jochen Gensichen1

Zusammenfassung: Ein Bestandteil der allgemeinmedizi-nischen Weiterbildung sind praxisbezogene Seminare. Im Rahmen des Rotationsprogramms Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Jena (UK-Jena) wurde im Wintersemes-ter 2009/2010 in Zusammenarbeit mit allgemeinmedizi-nisch lehrenden Hausärzten und Weiterbildungsermächtig-ten des UK-Jena eine Themenliste für die Weiterbildung All-gemeinmedizin erarbeitet. Der Beitrag stellt den mehrstufi-gen Entwicklungsprozess vor. Die Themenliste lehnt sich in ihrer symptomorientierten Gliederung an das Curriculum der Schweizer FMH (Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte) an. Sie wird derzeit am UK-Jena erprobt und kann möglicherweise Hinweise für die Entwicklung und lo-kale Anpassung eines bundesweiten Weiterbildungscurricu-lums Allgemeinmedizin geben.

Schlüsselwörter: Themenfindung; Themen; Weiterbildung; All-gemeinmedizin; Lernfelder; Rotationsprogramm

Summary: An important part of the postgraduate training in family medicine are practice related teachings seminars. A collection of teaching topics for the rotational postgradu-ate training programme in family medicine of the Univer-sity Hospital Jena has been developed. Contents were identified together with academic family practitioners from Thuringia and clinical specialists of the University Hospital Jena in 2009/2010. They are mainly based on the curricu-lum of the FMH (Swiss Medical Association). It has been pi-loted at the University Hospital Jena. Furthermore it may contribute to the current activities to establish a national curriculum for the postgraduate training in family medicine in Germany.

Keywords: Topics; Postgraduate Training; Family Medicine

1 Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena, Friedrich-Schiller-Universität2 Institut für Allgemeinmedizin, Otto-von Guericke-Universität MagdeburgPeer reviewed article eingereicht: 26.08.2010, akzeptiert: 31.03.2011DOI 10.3238/zfa.2011.0269

Einleitung

Eine qualitativ hochwertige Weiterbil-dung gewinnt angesichts der notwen-digen Nachwuchsförderung in der All-gemeinmedizin an Bedeutung. 2009 wurde am Universitätsklinikum Jena (UK-Jena) eine strukturierte Weiterbil-dung Allgemeinmedizin (Rotationspro-gramm Allgemeinmedizin [1]) einge-führt. Bestandteil dieses Programms sind regelmäßige allgemeinmedizi-nische Begleitseminare, die u.a. medizi-nisch-klinische Inhalte, Kommunikati-onstraining und Praxismanagement beinhalten. Zudem bieten sie den Ärz-ten in Weiterbildung (ÄiW) die Mög-lichkeit zum Austausch ihrer Erfahrun-

gen, Fragen und Unsicherheiten, die verstärkt in der Anfangszeit einer ver-antwortlichen klinischen Tätigkeit auf-treten können. Die Seminare werden zweimal monatlich à 90 Minuten durchgeführt. Als Dozenten nehmen Mitarbeiter des Institutes für All-gemeinmedizin Jena, Kollegen aus den verschiedenen Kliniken des UK-Jena so-wie Thüringer Lehrärzte teil. Für die Planung kann eine allgemeinmedizi-nische Themenliste als Orientierungs-hilfe sowohl für ÄiW als auch für Wei-terbilder im Fach Allgemeinmedizin und in den anderen beteiligen Fach-gebieten hilfreich sein.

Die aktuellen Weiterbildungsord-nungen der Landesärztekammern für

die Facharztweiterbildung Allgemein-medizin bieten Leistungskataloge mit spezifischen Aufgaben. Es finden sich jedoch in der Regel keine übergreifen-den Themenfelder, die den ganzheitli-chen Anspruch des Faches Allgemein-medizin abbilden. Ein internationaler Bericht zur aktuellen Lage der all-gemeinmedizinischen Weiterbildung erklärt: „Es gibt [in Deutschland] an-scheinend keinen alles umfassenden Plan, sondern eine Liste an Kompeten-zen, die sich ein Arzt in Weiterbildung abzeichnen lassen muss. Dabei handelt es sich vor allem um technische Kom-petenzen, wie z.B. Ultraschall [...]. Sie haben wenig mit dem ganzheitlichen

269WEITERBILDUNG / VOCATIONAL TRAINING

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patientenzentrierten Curriculum eines Allgemeinmediziners zu tun“ [2].

Derzeit werden bundesweit Curri-cula für die allgemeinmedizinische Weiterbildung mit dem Anspruch der Praktikabilität und Bedarfsgerechtig-keit entwickelt. Sie werden z.T. als Er-gänzungen zu den bestehenden Weiter-bildungsordnungen der Landesärzte-kammern verstanden und sollen die Weiterbildung transparent strukturie-ren und unterstützen. So gibt es an der Universität Heidelberg eine Arbeits-gruppe, die in überregionaler Zusam-menarbeit mit Allgemeinärzten ein sol-ches Curriculum entwickelt, das sich an kanadischen Standards orientiert [3]. Die Gesellschaft für medizinische Aus-bildung (GMA) erarbeitet neue Curricu-la für die Ausbildung aller medizi-nischen Fächer.

Auch am UK-Jena wurde für das Ro-tationsprogramm Allgemeinmedizin ei-ne Zusammenstellung von Themenfel-dern für die Weiterbildungsseminare er-arbeitet. Dieser Beitrag stellt das mehr-stufige Vorgehen dieses kollegialen Ab-stimmungsprozesses vor.

Methoden

Mittels Literaturrecherche in PubMed und einer ergänzenden Internetrecher-che wurden Curricula für die Weiterbil-dung Allgemeinmedizin, die bis Sep-

tember 2009 veröffentlicht waren, iden-tifiziert. Unter einem Curriculum wird verstanden: eine präzise Regelung und Festlegung aller Lernziele und Lern-inhalte sowie der zugehörigen Lernpro-zesse und der zugehörigen Lernorgani-sation für ein Fach und für einen be-stimmten Zeitraum (z.B. Schuljahr, Se-mester) [4]. Schlagwörter bei der Recher-che waren: Allgemeinmedizin, Weiter-bildung/Facharztausbildung, Curricu-lum, general practitioner/family doctor, postgraduate training, education, curri-culum, topics, contents. Die Einschluss-kriterien waren: deutsche bzw. englische Sprache, freie Verfügbarkeit, Relevanz für die Weiterbildung (operationalisiert an den Kriterien Symptomorientiertheit und Relevanz für die hausärztliche Tä-tigkeit), Herkunft aus sog. Industriena-tionen.

Es wurden insgesamt sieben Curri-cula gefunden. Für den Erstentwurf der zu entwickelnden Themenfelder wur-den Curricula ausgewählt aufgrund: 1. Symptomorientiertheit, 2. Relevanz, 3. Häufigkeit und 4. Praktikabilitätin den vorgesehenen Weiterbildungs-seminaren. Eine Diskussion der Interes-sengruppe „Weiterbildung Allgemein-medizin Berlin (WABe)“ identifizierte die Symptomorientiertheit als wesentli-ches Kriterium. Am Beispiel des Schwei-zer Curriculums wurde für dieses Kriteri-

um eine gute Praktikabilität und Kon-kretheit anerkannt. Es wurden schließ-lich drei Curricula für die Erstellung des Erstentwurfs der Themenfelder heran gezogen: Dänemark [5], Großbritannien [6] und Schweiz [7].

Die Inhalte dieser Curricula wurden in einer Synopse aufgetragen. Anschlie-ßend wurden die behandelten kli-nischen Fachgebiete bzw. Hauptthemen verglichen. In Abb. 1 werden die Inhalte vorgestellt, wobei die identischen Fach-gebiete bzw. Hauptthemen farblich gleich gekennzeichnet sind. Zusätzlich wurden das Logbuch der Landesärzte-kammer Thüringen [8] und die „Thürin-ger Lernziele Allgemeinmedizin“ [9] in die vergleichende Betrachtung mit ein-bezogen. Ersteres stellt einen Katalog von Fertigkeiten dar, den die Ärzte in ih-rer Weiterbildungszeit abarbeiten sol-len. Die „Thüringer Lernziele All-gemeinmedizin“ wurden für die all-gemeinmedizinische Ausbildung am UK-Jena zusammen mit Lehrärzten der Allgemeinmedizin entwickelt. Außer-dem wurden weitere klinische Themen-listen exploriert, die aber nicht den Sta-tus eines Curriculums erfüllen (nicht aufgeführt).

Auf der Grundlage der Synopse wur-de nun als Synthese der drei Curricula, dem o.g. Logbuch und den „Thüringer Lernzielen Allgemeinmedizin“ der Erst-entwurf für eine Themenliste erstellt. Die Themen wurden auf Basis der genannten

Abbildung 1 Synopse der Curricula Dänemark, Schweiz, UK und Deutschland.

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Kriterien aufgenommen; Themenüber-schneidungen wurden vermieden.

Dieser Erstentwurf wurde im Rah-men eines Treffens mit neun allgemein-medizinischen Lehrärzten des UK-Jena und Mitarbeitern des Instituts am 24. Oktober 2009 unter Leitung eines unab-hängigen Moderators diskutiert, weiter-entwickelt und schließlich konsentiert (modifizierter Nominaler Gruppenpro-zess [10]). Die Themen wurden dazu in sieben inhaltlich distinkte Themenblö-cke mit jeweils 35–40 Unterthemen auf-geteilt und in kleinen Arbeitsgruppen diskutiert. Die Arbeitsgruppen bewerte-ten die Themen hinsichtlich ihrer Rele-vanz für die allgemeinmedizinische Wei-terbildung. Irrelevante Themen sollten identifiziert und herausgenommen wer-den und bis zu vier neue Themen einge-führt werden. In der anschließenden Gruppendiskussion aller Teilnehmer (Plenum) wurden dann die entfernten bzw. die ergänzten Themen gemeinsam bewertet und schließlich konsentiert.

In einem letzten Schritt wurde der Zweitentwurf mit den Weiterbildungs-befugten der an der Weiterbildung All-gemeinmedizin beteiligten Kliniken im UK-Jena diskutiert, bewertet, ergänzt und schließlich konsentiert. Diese Dritt-

version „Lernfelder Allgemeinmedizin – Strukturierte Weiterbildung Allgemein-medizin am UK-Jena“ [11] wird derzeit als Arbeitsgrundlage für die Weiterbil-dungsseminare Allgemeinmedizin er-probt.

Ergebnisse

Ausgewählte Curricula

Für die Themenfelder wurden das Curri-culum der Schweiz, Dänemarks und das Curriculum des Royal College of Gene-ral Practitioners (RCGP, Großbritan-nien) sowie die „Thüringer Lernziele All-gemeinmedizin“ berücksichtigt (Abb. 1). Ergänzend wurde das Logbuch der Landesärztekammer Thüringen mit 70 Themenfeldern, Tätigkeiten und vor-wiegend technischen Fertigkeiten für die Weiterbildung Allgemeinmedizin genutzt.

Die „Thüringer Lernziele Allgemein-medizin“ sind für die allgemeinmedizi-nische Ausbildung am UK-Jena vor we-nigen Jahren mit Thüringer Lehrärzten entwickelt worden. Neben technischen Fertigkeiten und medizinischem Wissen werden u.a. allgemeine Aufgaben in der

Hausarztpraxis, wie Praxisorganisation und betriebswirtschaftliche Aspekte be-schrieben. Anhand dieses Lernzielkata-logs können sich die Studierenden, z.B. im Blockpraktikum, orientieren, um Schwerpunkte für die Zeit in der All-gemeinarztpraxis zu setzen.

Das dänische Curriculum gibt ne-ben dem allgemeinen Teil „Die Rollen des Hausarztes“ die Weiterbildungs-inhalte nach Fachdisziplinen (Psychia-trie, Innere Medizin etc.) geordnet wie-der. Im Curriculum des RCGP sind ne-ben den medizinisch-klinischen Fach-bereichen die Themen nach Patienten-gruppen geordnet: Versorgung von Kin-dern, von Älteren, von Patienten mit mentalen Problemen etc. Auch wird der Gesundheitsförderung ein ausführ-licher Teil eingeräumt. Im Schweizer Curriculum findet man die Lernthemen überwiegend nach anatomisch-physio-logisch zusammenhängenden Syste-men/Organsystemen geordnet: z.B. Blut und Immunsystem, Verdauung, Ohren, Bewegungsapparat, weibliche Genitali-en und Brust. Ein weiterer Teil widmet sich dem Bereich Schwangerschaft, Ge-burt und Familienplanung, wieder ein anderer dem Abschnitt Soziale Proble-me. Die organ-/ systembezogenen The-

Abbildung 2 Lernfelder Weiterbildung Allgemeinmedizin in Jena.

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men sind in jeweils zwei Teilbereiche unterteilt: a) Symptome und Beschwer-den, b) Diagnosen bzw. Erkrankungen. Im Teil a) werden Lerninhalte nach Bera-tungsanlässen geordnet, was dem Alltag in der Hausarztpraxis recht nahe kommt und gleichzeitig eine Überschneidung mit dem Alltag in der Klinik möglich macht. Beispielsweise lässt sich am Symptom Brustschmerz erläutern, wel-che Gemeinsamkeiten und Unterschie-de sich in der hausärztlichen Versor-gung einerseits und der stationären Be-handlung andererseits ergeben. Somit wird der überwiegend klinischen Tätig-keit zu Beginn der Weiterbildung (statio-närer Abschnitt Innere Medizin) und dem Arbeiten in der Hausarztpraxis als Fernziel bzw. in der fortgeschrittenen Weiterbildungszeit Rechnung getragen. Aus diesem Grund und weil sich im Schweizer Curriculum die umfang-reichste Sammlung von Symptomen findet, wurde in der Ausarbeitung der hier vorgestellten Themensammlung der Schwerpunkt auf den Symptomteil des Schweizer Curriculums gelegt.

Der nach dem oben beschriebenen Vorgehen entwickelte Erstentwurf der Themenfelder gliederte sich zunächst in fünf Abschnitte mit insgesamt 25 Hauptthemen und 246 Unterthemen. In der mit den allgemeinmedizinischen Lehrärzten und den Weiterbildungs-beauftragten der beteiligten Fachspezia-listen des UK-Jena erarbeiteten vorläufi-gen Endversion „Lernfelder Allgemein-medizin – Strukturierte Weiterbildung Allgemeinmedizin am UK-Jena“ wurden 15 Themen entfernt und 20 ergänzt. Bei-spielsweise wurde innerhalb des Haupt-themas „Harnwege“ der Subaspekt „Hä-maturie“ entfernt und durch „Schmer-zen beim Wasserlassen“ und „Urinver-färbung“ ersetzt. Auch wurden auf Emp-fehlung des Weiterbildungsbefugten der Psychiatrie Verwirrtheit, Konzentrati-onsstörungen, Denkstörungen und Ver-haltensstörungen in die Themensamm-lung neu aufgenommen.

Lernfelder Allgemeinmedizin – Strukturierte Weiterbildung Allgemeinmedizin am UK-Jena

Die aktuelle Version gliedert sich letzt-lich in drei Teile: A Hausarzt sein, B Kli-nischer Teil anhand von Symptomen und Beschwerden, C Soziale Probleme

(siehe Abb. 2). Diese Einteilung basiert auf der Definition der WONCA, nach der die Einstellungen des Hausarztes (Teil A), wissenschaftlich hinterlegtes, lebenslanges Lernen und Arbeiten (ent-spricht Teil B mit klinischen Fertigkeiten und Fähigkeiten) und die Kontextfakto-ren (Teil C) das Bild und die Arbeit des Hausarztes prägen [12].

Im Teil A der Lernfelder finden sich Unterthemen wie Praxisorganisation, betriebswirtschaftliche Aspekte, aber auch Wissenschaftlichkeit und Ent-scheidungsfindung in der Praxis. Im Teil B werden vornehmlich Symptome, nach Organ- bzw. funktionellen Syste-men geordnet, abgehandelt, z.B. Blässe, Übelkeit, Nasenbluten etc. Im Teil C fin-den sich Themen wie Rente, Arbeits-unfähigkeit, Rehabilitation, Bezie-hungsprobleme.

Diskussion

Die „Lernfelder Allgemeinmedizin – Strukturierte Weiterbildung Allgemein-medizin am UK-Jena“ bieten eine litera-turgestützte und lokal konsentierte Auf-stellung von Themen für die Weiterbil-dung Allgemeinmedizin. In Anbetracht der begrenzten Mittel sollte erstmalig ein pragmatischer, zeit- und ressourcen-sparender Entwicklungsprozess erprobt werden. Durch die aktive Einbeziehung der allgemeinmedizinischen Lehr- und Weiterbildungsärzte und der weiterbil-dungsbefugten Kollegen anderer Gebie-te konnte einerseits auf einen breit gefä-cherten Erfahrungsschatz zurückgegrif-fen werden, andererseits eine breite Konsentierung erreicht werden. Somit ist eine höhere Akzeptanz der Themen-felder zu erwarten.

Ein Aspekt dieser Themenfelder ist die symptomorientierte Darstellung. Die meisten ÄiW arbeiten zu Beginn ih-rer Weiterbildung im stationären Be-reich. Das hier erlernte ärztliche Han-deln stützt sich sowohl technisch als auch personell oft auf größere Ressour-cen, als es in der niedergelassenen All-gemeinarztpraxis möglich ist. Dies kann zu unterschiedlichen ärztlichen Lö-sungsstrategien in den verschiedenen Settings führen. Bei der symptomfokus-sierten Bearbeitung klinischer Fragestel-lungen lassen sich beide Herangehens-weisen darstellen, also z.B. der Umgang mit Thoraxschmerz in der Klinik einer-

seits und in der Hausarztpraxis anderer-seits. Zudem präsentieren sich Patienten in der Hausarztpraxis z.T. mit anderen Symptomen als in der Klinik, sodass ent-sprechende Vorgehensweisen und das weitere Management im Verlauf erlernt werden sollten. Neben den spezifischen Beschwerden werden in den „Lernfel-dern Allgemeinmedizin“ auch allgemei-ne Beratungsanlässe, wie z.B. soziale Probleme, aufgeführt. Aspekte der Pra-xisorganisation und des wissenschaftli-chen Arbeitens in der Allgemeinmedizin werden berücksichtigt. Sie sollen dazu beitragen, die ÄiW gut auf die verschie-denen Funktionen bzw. Rollen des Hausarztes vorzubereiten. Die „Lernfel-der Allgemeinmedizin“ dienen letztlich sowohl den ÄiW als auch den Weiter-bildnern als Orientierung.

Das hier dargestellte Vorgehen hat Limitationen. Ein Selektionseffekt der am Entwicklungsprozess Beteiligten ist möglich. Eine gleichmäßige Verteilung über die verschiedenen Akteure (Lehr-ärzte in der Ausbildung, Lehrärzte in der Weiterbildung, Weiterbildungsbeauf-tragte der verschiedenen Gebiete, Mit-arbeiter des Instituts) war nicht mög-lich. Auch konnten die Nutzer – die ÄiW – an diesem lokalen Entwicklungspro-zess nicht direkt mitwirken. Die Diskus-sion der aufzunehmenden relevanten Themen war zeitlich beschränkt. Die Teilnehmer hätten mehr Zeit benötigt, um eine fundierte Bewertung vorneh-men zu können.

So stellen die „Lernfelder Allgemein-medizin“ sicher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollten in einem Pro-zess pilotiert, evaluiert und letztlich kontinuierlich fortentwickelt werden. Das hier geschilderte Vorgehen der Lernfelderentwicklung ist nicht mit ei-nem formalen Prozess der Curriculums-entwicklung gleich zu setzen. In der Lehrforschung etablierte Kriterien for-dern diesbezüglich: 1. Probleme identi-fizieren, Bedarf ermitteln, 2. Bedarf der Zielgruppe ermitteln, 3. Ausbildungs- und Lernziele formulieren, 4. Lehrinhal-te und -methoden auswählen, 5. Curri-culum umsetzen und durchführen, 6. Ergebnisse evaluieren [13, 14]. Auch wenn der in Jena pilotierte Entwick-lungsprozess sich an diese Kriterien an-lehnt, ist er in seiner Systematik be-grenzt und kann nicht den Anspruch ei-ner fachgerechten Curriculumsentwick-lung erheben. Insbesondere ist im Jena-

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er Vorgehen die Perspektive der ÄiW un-zureichend eingeflossen (Krit. 2), die Aufschlüsselungen der Lösungsansätze für die Beratungsanlässe und die Defini-tionen der Lernzielerreichung sind un-klar (Krit. 3 und 4.). Dennoch könnten die Erfahrungen mit der systematischen Beteiligung der lokalen Akteure hilf-reich für die Entwicklung allgemeinme-dizinischer Curricula in den verschiede-nen Regionen sein. Im Hinblick auf die Zielstellung, die Erstellung einer Orien-tierungshilfe für die Seminargestaltung mit begrenztem zeitlichen und finan-ziellen Aufwand zu verwirklichen (Krit.

1.), erscheint das dargestellte Vorgehen geeignet. Die Lernfelder finden aktuell in der Themenauswahl für die Seminare im Rahmen der Weiterbildung All-gemeinmedizin am UK-Jena Anwen-dung und werden hier pilotiert und eva-luiert (Krit. 5, 6).

Fazit

Mit der gestuften Entwicklung der „Lernfelder Allgemeinmedizin – Struk-turierte Weiterbildung Allgemeinmedi-zin am UK-Jena“ wird ein pragmati-

sches, ressourcenschonendes und par-tizipatorisches Vorgehen vorgestellt. Dabei konnte die Perspektive der unter-schiedlichen Lehrenden gut aufgenom-men werden. Bevor das vorgestellte Vor-gehen empfohlen werden kann, sollten die Effekte systematisch untersucht und Wege gefunden werden, auch die Per-spektive der Nutzer, also der ÄiW, klarer in das Vorgehen zu integrieren.

Interessenkonflikte: keine angege-ben

Prof. Dr. Jochen Gensichen

Institut für Allgemeinmedizin

Universitätsklinikum Jena

Friedrich-Schiller-Universität

Bachstraße 18, 07743 Jena

Tel: 03641 939–5800, Fax: 03641 939–5802

E-Mail: [email protected]

http://www.allgemeinmedizin.uni-jena.de

Korrespondenzadresse

1. Gensichen J. Strukturierte Weiterbil-dung Allgemeinmedizin am Univer-sitätsklinikum Jena – Rotationspro-gramm für Ärzte in Weiterbildung All-gemeinmedizin. Jena, 2009: http:// www.allgemeinmedizin.uni-jena.de/content/weiterbildung

(Zuletzt geprüft: 17.08.2010) 2. Panel of Invited International Experts:

Speciality training for General Practice in Germany. 2009: http://www.degam.de/dokumente/aktuell_2009/Report German GP Vocl Training Commission July final-amalgamated not confidenti-al.pdf (Zuletzt geprüft: 27.08.2010)

3. „Kompetenzbasiertes Curriculum All-gemeinmedizin“. http://www.kompe tenzzentrum-allgemeinmedizin.de/ public/curriculum.shtml

4. Tenorth HE, Tippelt R. Lexikon Pädago-gik. Weinheim, 2007

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7. FMH: Fédération des médecins suisses – Facharzt für Allgemeinmedizin, inkl. Schwerpunkt Geriatrie. Weiterbil-dungsprogramm vom 01. Juli 2006 (letzte Revision: 8. Februar 2009). Bern, 2009: http://www.fmh.ch/files/pdf3/ allgemeinmedizin_version_internet_ d.pdf (Zuletzt geprüft: 17.08.2010)

8. LÄK Thüringen: Logbuch über die Wei-terbildung Innere und Allgemeinmedi-zin (Hausarzt). Jena, 2009: http://www.laek-thueringen.de/www/lakj/webinfo. nsf/RA/09072241121KH/$FILE/FA_ Innere_und_Allgemeinmedizin.pdf (Zuletzt geprüft: 20.08.2010)

9. Gensichen J, Schulz S, Freitag M, Rom-mel A, Wolter R. Thüringer Lernziele Allgemeinmedizin. Jena, 2009: http:// www.allgemeinmedizin.uni-jena.de/content/lehre/blockpraktikum (Zuletzt geprüft: 25.08.2010)

10. Delbecq AL, Van de Ven AH, Gustafson DH. Group techniques for program planning. Scott, Foresman and Compa-ny, Glenview, IL 1975

11. Gensichen J, Schumann S, Schulz S, Thüringer Lehrärzte, Weiterbildungs-beauftragte der kooperierenden Klini-ken im UKJ: Lernfelder Allgemeinmedi-zin – Strukturierte Weiterbildung All-gemeinmedizin am Universitätsklini-kum Jena – Rotationsprogramm. 2010:

http://www.allgemeinmedizin.uni- jena.de/content/lehre/weiterbildung http://www.allgemeinmedizin.uni- jena.de/content/lehre/strukturierte_ weiterbildung/index_ger.html (Zuletzt geprüft: 25.08.2010)

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14. Fabry G. Medizindidaktik. Ein Hand-buch für die Praxis. Bern: Verlag Hans Huber, 2008

Literatur

... ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und wissenschaftliche

Mitarbeiterin am Institut für Allgemeinmedizin Jena. Arbeits-

bereich: Weiterbildung Allgemeinmedizin/Rotationsprogramm,

Studentische Lehre. Parallel dazu arbeitet sie derzeit in einer Je-

naer Hausarztpraxis.

Kontakt: [email protected]

Dr. med. Susann Schumann …

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Morbus Dupuytren – Diagnose, OP-Indikation und chirurgische TherapieDupuytren’s Contracture – Diagnosis, Indications for Surgery and Surgical TreatmentClemens Dumont1, Mohammad Tezval1, Miriam Birth1, Jan Ammon1, Klaus Michael Stürmer1

Zusammenfassung: Die Dupuytren’sche Kontraktur ist eine fortschreitende Erkrankung der palmaren und digita-len kollagenen Faserbündel des straffen Bindegewebssys-tems an der Hand, das seinen Ausgang von der Palmarfas-zie nimmt. Im Anfangsstadium sind derbe oberflächliche Knötchenbildungen in der Hohlhand zu beobachten oder seltener auch an den Fingern. Die Hautveränderungen ent-wickeln sich mit individuell sehr unterschiedlicher Ge-schwindigkeit zu prominenten derben, immobilen Knoten und Strängen. Die operative Behandlung orientiert sich an den Beschwer-den und funktionellen Einschränkungen des Patienten. Häufig werden Beugekontrakturen des Ring- oder Kleinfin-gers < 20° im Fingergrundgelenk vom Patienten toleriert, gerade wenn sich die Kontraktur über Jahre entwickelt. Oh-ne Beschwerden des Patienten sind prophylaktische Opera-tionen beim M. Dupuytren, die Fasciektomie, nicht indi-ziert. Die chirurgischen Therapieoptionen sind mit unter-schiedlichen Komplikations- und Rezidivraten vergesell-schaftet. Möglicherweise wird in den nächsten Jahren durch die Op-tion der Kollagenase-Injektion ein neues Verfahren zum Therapiespektrum hinzukommen. Die Ergebnisse müssen sich an den etablierten chirurgischen Verfahren messen las-sen. Dies betrifft sowohl die Komplikationsrate als auch ins-besondere die Rezidivrate. Es wird sich in kommenden Stu-dien zeigen, welche Langzeitergebnisse zu erwarten sind. Bis dahin bleibt die chirurgische Therapie die Standard-behandlung des Morbus Dupuytren.

Schlüsselwörter: M. Dupuytren; Kontrakturstrang; Fasziekto-mie; Kollagenase Injektion

Summary: Dupuytren’s contracture is a progressive dis-ease of the palmar and digital fibrous tissue continuum. At the beginning the disease is apparent by superficial slub-bing in the palm of the hand or more rarely in the fingers. Skin alterations progress with individually different speed into prominent strong immobile nodes and cords. Surgical treatment options are based on patients´ com-plaints and functional limitations. In many cases flexion contractures of the ring and small finger <20° are tolerated especially if it develops over years. There is no indication for prophylactic surgical treatment if the patient is free of complaints.Surgical treatment options are associated with different risks of complications and recurrence. In the coming years treatment with collagenase clostridium histolyticum will possibly provide a new perspective of therapy and es-pecially long-term results have then to be compared with established surgical treatment options. For the time being surgery remains the standard of treatment.

Keywords: Dupuytren’s Contracture; Cord; Fasciectomy; Col-lagenase Clostridium histolyticum

1 Abteilung Unfallchirurgie, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsmedizin GöttingenPeer reviewed article eingereicht: 29.03.2011, akzeptiert: 15.04.2011DOI 10.3238/zfa.2011.0274

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Hintergrund

Die Dupuytren’sche Kontraktur ist eine fortschreitende Erkrankung der palmaren und digitalen kollage-nen Faserbündel des straffen Binde-gewebssystems an der Hand [1, 2]. Beginnend häufig mit Hauteinzie-hungen und Knotenbildung in der Hohlhand, bilden sich Stränge palmar oder lateral der Beugeseh-nen aus. Nachfolgend entstehen Beugekontrakturen insbesondere über den Fingergrund- (MCP) und Fingermittelgelenken (PIP) [2]. Die Krankheitsverläufe mit Bewegungs-einschränkungen der Hand sind in-dividuell unterschiedlich, häufig in Schüben, sie können sich aggressiv in Monaten oder langsam über Jah-re entwickeln.

Historie

Die Erkrankung wurde auf Baron G. Du-puytren (1777–1835) namentlich zu-rückgeführt, obwohl andere Autoren be-reits vor ihm die Veränderungen der Pal-maraponeurose beschrieben hatten [3, 4, 5]. Dupuytren dokumentierte detail-liert Krankheitsverläufe von Patienten mit Beugekontrakturen an Ring- und Kleinfinger. Er führte bereits vor fast 180 Jahren Fasziotomien über Querinzisio-nen bei den Patienten durch [6].

Prävalenz und Pathophysiologie

In Deutschland sind ca. 1.9 Millionen Menschen an M. Dupuytren erkrankt [7]. Männer sind sechs- bis neunmal häufiger betroffen als Frauen, wobei sich die Inzidenz bei Frauen mit dem Lebens-alter deutlich erhöht und in sehr hohem Lebensalter Frauen ähnlich häufig be-troffen sind wie Männer [4].

Für die Entstehung eines M. Du-puytren werden eine Reihe von Fak-toren verantwortlich gemacht: Geneti-sche Faktoren prädisponieren für das Auftreten der Erkrankung [8]. Darüber hinaus werden als Einflussfaktoren ein höheres Lebensalter, traumatische Lä-sionen der Palmaraponeurose, ischä-mische Effekte durch Nikotinabusus und Diabetes mellitus [9] diskutiert. Kontrovers beurteilt wird, ob es einen

Zusammenhang zwischen der Diagnose Epilepsie und M. Dupuytren bzw. der Phenobarbitalmedikation im Rahmen einer Epilepsiebehandlung gibt [10, 11].

Auch Alkoholabusus, freie Radikale, Interleukin 1, zahlreiche Wachstums-faktoren und die Differenzierung von Fi-broblasten zu Myofibroblasten sowie ei-ne vermehrte Produktion von Kollagen III scheinen die Entstehung eines M. Du-puytren zu begünstigen [9]. Andere Er-scheinungsformen des M. Dupuytren stellen Veränderungen an der Fußsohle (M. Ledderhose) und die Induratio penis plastica dar.

So vielfältig die Beziehung der Er-krankung zu den unterschiedlichsten Faktoren auch sein mag, bleibt die Ursa-che des M. Dupuytren letztlich idio-pathischen Ursprungs [12].

Betroffen ist beim M. Dupuytren der Bindegewebsrahmen der Hand [12]. Dieser Bindegewebsrahmen kann in drei unterschiedliche Schichten eingeteilt werden. Die Fasern der oberflächlichen Schicht strahlen in die Haut der distalen Hohlhand ein. Die zweite Schicht strahlt spiralartig auf beiden Seiten der Beugesehne verlaufend in die Finger ein. Die dritte tiefe longitudinale Schicht der Palmarfaszie zieht bogenförmig in Höhe der MCP Gelenke seitlich um die Beuge-sehnen nach dorsal [12].

Maßgeblich beteiligt an der Dupuyt-ren’schen Erkrankung sind Myofibro-

blasten. Diese Zellen besitzen die morphologischen Charakteristika von Fibroblasten und glatten Mus-kelzellen und können sich aktiv kontrahieren [13, 4].

In der Hohlhand beginnen die Veränderungen mit der Bildung von Mikrosträngen, die die Haut mit der Palmaraponeurose verbinden. Dies verursacht eine Verdickung der Haut und des subkutanen Fettgewebes und oft entstehen Hautgrübchen durch eine Retraktion der Haut in das subkutane Fettgewebe [4].

Diagnose

Am häufigsten betroffen ist der Ringfinger, nachfolgend Kleinfin-ger, Mittelfinger, Zeigefinger und schließlich der Daumen [4]. Die Di-agnosestellung kann im Anfangs-stadium erschwert sein.

Derbe oberflächliche Knöt-chenbildungen können in der Hohl-hand zumeist in Höhe der distalen Hohlhandfurche oder seltener auch an den Fingern auftreten. Sie sind zumeist schmerzlos, können aber auch Be-schwerden verursachen, wenn sie eine Tendovaginitis durch Kompression der Sehnenscheiden oder Ringbänder auslö-sen [4]. Auch über den Fingermittel-gelenken streckseitig kann es im Rah-men eines M. Dupuytren zu subkutanen knotigen Veränderungen kommen, die jedoch meist nicht zu einer Funktions-einschränkung führen.

Differenzialdiagnostisch kommen zu Beginn Hyperkeratosen bei chro-nischer Belastung der Handinnenfläche in Frage, gelegentlich eine Tendosynovi-tis oder auch seltener ein Riesenzell-tumor oder ein epitheloides Sarkom [4].

Die Hautveränderungen entwickeln sich mit individuell sehr unterschiedli-cher Geschwindigkeit zu prominenten derben, immobilen Knoten und Strän-gen. Eine Fotodokumentation ist hilf-reich, um die Progredienz und den Ver-lauf über die Jahre zu erfassen.

Je nach Ausgangspunkt und Lage können die Stränge eingeteilt werden [5]:• Prätendinealer Strang• Medianer Strang• Spiralförmiger Strang• Lateraler Strang• Retrovaskulärer Strang

Abbildung 1 Anfangsstadium mit Beugekontraktur

des rechten Kleinfingers kleiner 30°.

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• Isolierter Finger-Strang• Kommissur-Strang Finger• 1. Kommissur-Strang DaumenIn der Spätphase der Erkrankung kommt es zu Kontrakturen der Grund- und Mittelgelenke, selten der Endgelenke, die zu zunehmen-den Funktionseinschränkungen führen. Nach vorangegangenen Operationen oder Verletzungen kann die Unterscheidung zwischen einer Narbenkontraktur und einer Dupuytren’schen Kontraktur der Hand Probleme bereiten.

Die klinische Funktionsprü-fung schließt die Fingerstreckung und den Faustschluss ebenso mit ein, wie die Abspreizung und An-spreizung aller Finger einschließ-lich Daumen. Im Falle eines Rezi-divs ist die Sensibilitätsprüfung ebenso zu dokumentieren wie die arterielle Blutversorgung des Fin-gers durch den Allentest, der ggf. durch eine Doppler Sonografie un-terstützt wird.

Operationsindikation

Die operative Behandlung orientiert sich an den Beschwerden und funktio-nellen Einschränkungen des Patienten. Häufig werden Beugekontrakturen des Ring- oder Kleinfingers < 20° im MCP-Gelenk vom Patienten toleriert, gerade wenn sich die Kontraktur über Jahre ent-wickelt. Prophylaktische Operationen bei M. Dupuytren ohne dass der Patient Beschwerden angibt, sind nicht indi-ziert [14].

Die Klassifikation der Erkrankung, beispielsweise nach Tubiana wird in ih-rer praktischen Bedeutung unterschied-lich beurteilt. Die Angabe der Einschrän-kung in Winkelgraden kann helfen, Ver-läufe zu beurteilen und Befunde leichter vergleichbar zu machen.

Werden subjektiv Beschwerden ge-äußert „Hängen bleiben mit dem Finger beim Greifen“ oder „Komme mit der Hand nicht in den Handschuh oder in die Hosentasche“, „Schwierigkeiten ei-nen Gegenstand zu umgreifen oder die Hand zu geben“ ist die OP-Indikation gegeben. Wenn klinisch ein „Hängen-bleiben“ oder eine Beeinträchtigung an-gegeben wird, beträgt die Kontraktur zu-meist > 30° im Metacarpophalangealge-lenk. Dies ist ein geeigneter Zeitpunkt

zur operativen Therapie, die andernfalls mit weiterem Fortschreiten der Erkran-kung, aufwendiger und komplikations-reicher wird.

Die Erwartungen und die Complian-ce des Patienten in die erforderliche Weiterbehandlung sind in die Indikati-onsstellung mit einzubeziehen.

Zurückhaltung ist geboten, wenn die betroffene Hand nicht eingesetzt wird, beispielsweise nach einem Schlag-anfall.

Andererseits können auch pflegeri-sche Gründe in die Überlegungen zur OP-Indikation mit einbezogen werden, wenn beispielsweise die Handinnenflä-che durch Beugekontrakturen der Finger nicht zu pflegen ist.

Therapie

Die Therapie kann ambulant oder statio-när erfolgen, in Abhängigkeit der Aus-prägung des Befundes und der zu erwar-tenden Größe des Eingriffs.

Üblicherweise wird der Eingriff in Plexusanästhesie und in Blutleere (Blut-sperre) mit einer Lupenbrille durch-geführt. Die chirurgischen Therapie-optionen beinhalten unterschiedliche Komplikations- und Rezidivraten. Zu den chirurgischen Therapieoptionen zählen:

• Perkutane Nadeldissektion• Fasziotomie – Durchtrennung

der Kontrakturstränge• Segmentale Fasziektomie – be-

grenzte Strangexzision• Partielle Fasziektomie• Komplette Fasziektomie• Open-palm-Technik• Dermatofasziektomie• Amputation

Die perkutane Nadeldissekti-on ist ein Verfahren, das vor allem bei älteren Patienten und Patienten in reduziertem Allgemeinzustand zum Einsatz kommt. Prominente isolierte Stränge in der Hohlhand können gelegentlich geeignet sein, am Finger ist dieses Verfahren risi-koreich [5, 15]. Bei fortgeschritte-nen Fällen kann die perkutane Na-deldissektion auch als vorbereiten-de Maßnahme vor einer geplanten partiellen Fasziektomie dienen, um die Ausgangssituation zu verbes-sern.

Die Fasziotomie beinhaltet eine alleinige Durchtrennung der Kontrak-turstränge, ohne dass die befallene Pal-maraponeurose entfernt wird. Dieses Verfahren kann bei schweren Fällen ebenfalls als zweizeitiges Vorgehen dienen und einer Aponeurektomie vo-rangehen.

Die segmentale Fasziektomie entfernt über mehrere begrenzte Inzisio-nen entlang des Strahls Segmente bzw. Teile der Aponeurose, wofür nur eine umschriebene Hautmobilisation erfor-derlich ist. Die Wunden können entwe-der durch direkte Hautnaht, ein Haut-transplantat gedeckt werden [5] oder werden der Spontanheilung überlassen. Mit einer Rezidivrate von ca. 45% nach 5 Jahren ist zu rechnen [16, 4].

Die partielle Fasziektomie ist das am häufigsten durchgeführte operative Verfahren bei Patienten mit einer Dupuytren’schen Kontraktur (Abb. 1, Abb. 2, Abb. 3). Die operative Schnittfüh-rung erfolgt meist winkelförmig palmar an den Fingern, am Kleinfinger auch ulnar mediolateral. Nicht selten sind für einen spannungsfreien Hautverschluss Z-Plastiken, VY-Plastiken oder auch um-schriebene lokale Transpositionslappen-plastiken erforderlich [1, 17, 18].

Die Rezidivraten werden in der Lite-ratur sehr unterschiedlich beurteilt, je nach Alter des Patienten beim Erst-

Abbildung 2 Fortgeschrittenes Stadium mit Beuge-

kontraktur des rechten Kleinfingers über 90°.

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befund, zeitlicher Entwicklung des krankhaften Befundes, Schwere-grad des Ausgangsbefundes, Loka-lisation des Kontrakturstrangs und nicht zuletzt in Abhängigkeit vom Operationsverfahren.

Einzelne Studien geben in den zehn Jahresergebnissen Rezidivra-ten von 71% an [19]. Diese ver-gleichsweise hohe Zahl bedeutet aber nicht, dass jeder Patient mit einem Rezidiv auch ein zweites Mal operiert werden muss, da die Beugekontraktur in Form des Rezi-divs zumeist in einer geringeren Ausprägung vorhanden ist, als dies beim Erstbefund der Fall war.

Die komplette Fasziekto-mie ist ein weiteres Operationsver-fahren, das bei multidigitalem Be-fall angewendet wird [17]. Die Komplikationsrate der kompletten Fasziektomie ist höher als bei der partiellen Fasziektomie und die Operationsbedingungen sind bei einem Rezidiv bei breiter Narbenplatte erschwert [20, 4]. Bezüglich der Rezidiv-rate von durchschnittlich ca. 15–38% [21, 4] sind die Resultate der partiellen Fasziektomie mit der radikalen Fasziek-tomie vergleichbar.

Die Open-palm-Technik hinter-lässt bewusst einen Hautdefekt in der distalen Hohlhand, der offen behandelt wird und innerhalb von Wochen bei re-gelmäßigen Verbandswechseln kontrol-liert granuliert [22].

Eine Dermatofasziektomie und Vollhautdeckung kommt vor allem bei schweren Rezidiven zum Einsatz, wird von einigen Autoren aber auch als pri-märes Verfahren [23] z.B. in Höhe des PIP-Gelenks eingesetzt, die sich mit dem Hauttransplantat ein „Firebreak“ [12] zwischen gesundem und erkranktem Gewebe versprechen. Die Hauttrans-plantate werden zumeist vom proxima-len gleichseitigen Unterarm entnom-men und die Ausdehnung orientiert sich an den funktionellen Einheiten der Hand. Seltener ist der Einsatz von Voll-haut aus der Leiste zur Deckung größerer Defekte erforderlich.

Besteht eine Beugekontraktur im PIP-Gelenk bei M. Dupuytren, muss nicht selten eines der oben genannten Verfahren kombiniert werden mit einer Arthrolyse des PIP-Gelenkes, wenn sich durch eine Fasziektomie allein die Kon-traktur nicht korrigieren lässt [24].

Bei fortgeschrittenen Erkrankun-gen, insbesondere mehrfachem Rezidiv in Kombination mit multiplen Vor-erkrankungen, muss auch eine Ampu-tation des Fingers in Erwägung gezo-gen und mit dem Patienten als Behand-lungsoption besprochen werden. In sel-tenen Fällen ist auch eine Fingerverkür-zung und Arthrodese des PIP-Gelenkes indiziert [5].

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl modifizierter Techniken, die insbeson-dere in der distalen Hohlhand auch mi-nimalinvasiv in der klinischen Praxis verwendet werden [14].

Konservative Therapiemöglichkei-ten sind bei der Dupuytren’schen Er-krankung begrenzt und eher dazu geeig-net, günstige präoperative Bedingungen zu schaffen [1]. Im Frühstadium des M. Dupuytren kann eine Strahlentherapie trotz möglicher Risiken in Frage kom-men. Nicht bewiesen ist die Effektivität anderer konservativer Maßnahmen wie Ultraschall-, Laser- oder Kortisonbe-handlung.

Weiterbehandlung

Postoperativ wird ein leichter Druckver-band angelegt, die Fingerkuppen blei-ben zur Durchblutungskontrolle jeder-zeit sichtbar. Für ca. 1 Woche erfolgt die Ruhigstellung der Hand in einer Unter-

armgipsschale. Der erste Verbands-wechsel erfolgt am ersten pOP-Tag. Ab dem ersten pOP-Tag wird der Pa-tient zur Bewegungsübungen ange-halten. Ziel der postoperativen Be-wegungsübungen ist nicht die voll-ständige Streckung sämtlicher Fin-gergelenke. Die Bewegungsübun-gen erfolgen in Abhängigkeit vom präoperativen Ausgangsbefund und Risikoerkrankungen und adap-tiert an die postoperative Belastbar-keit der Hautverhältnisse. Die Be-wegungsübungen dienen der Ab-schwellung der Weichteile und wer-den schrittweise gesteigert.

Liegt beidseits ein Morbus Du-puytren vor, so ist es dringend an-zuraten zunächst eine Seite zu ope-rieren und die Wundheilung abzu-warten bevor die Gegenseite opera-tiv angegangen wird.

Die aktive und passive postope-rative Physiotherapie wird in der ers-ten Woche begonnen und langsam

gesteigert. Lymphdrainage kann in der Frühphase sinnvoll sein, um das Ödem zu reduzieren. Das Nahtmaterial wird ca. am 14. pOP-Tag entfernt. Die Arbeits-fähigkeit wird bei primärer Wundheilung nach 4–6 Wochen erreicht. Bei aus-geprägten Befunden mit erforderlichen Lappenplastiken und Hauttransplanta-ten und manueller Tätigkeit ist die Ar-beitsfähigkeit oft erst nach 3 Monaten er-reicht [12]. Die Hautpflege erfolgt nach Wundkonsolidierung in den ersten Wo-chen mit dünn aufgetragenen Fetten oder Ölen, die mehrmals täglich auf-getragen werden. Eine aggressive Nar-benbehandlung in der Anfangsphase ist zu vermeiden.

Ergotherapie und Schienenbehand-lung, auch in Form von Nachtlagerungs-schienen unterstützen das erreichte Be-handlungsergebnis.

Komplikationen

Intraoperativ können Arterien oder Ner-ven verletzt werden oder Nervendeh-nungs- oder -Druckschäden auftreten. Liegt eine Durchtrennung der Arterien oder Nerven vor, so ist – wenn immer möglich – die mikrochirurgische Naht in der gleichen operativen Sitzung anzu-raten. Sind beide Arterien langstreckig durchtrennt, sind venöse Interponate vom Unterarm erforderlich. Insbeson-

Abbildung 3 Endstadium mit vollständig kontraktem

rechten Kleinfinger.

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dere bei Vorliegen eines Rezidivs, aber auch bei einem Primäreingriff ist das Ri-siko einer Gefäß-, Nervenverletzung trotz mikrochirurgischer Technik nicht unerheblich. Im Rahmen des Aufklä-rungsgespräches ist mit dem Patienten das Risiko des Fingerverlustes bzw. der erforderlichen späteren Amputation zu diskutieren.

Postoperative Hämatome können bei unzureichender Blutstillung auftre-ten und erfordern meist eine rasche postoperative Revision. Umschriebene kleinere Wundheilungsstörungen hei-len häufig sekundär, größere Defekte müssen gelegentlich durch Hauttrans-plantate oder seltener durch Lappen-plastiken gedeckt werden. Der erzwun-gene Hautverschluss unter Spannung und Wundheilungsstörungen mit Zug auf die Haut sind als Risikofaktoren für ein Rezidiv zu betrachten und sollten daher vermieden werden [25].

Zu den weiteren möglichen post-operativen Komplikationen, über die der Patient aufzuklären ist, gehören das Rezidiv, persistierende Bewegungs-einschränkungen, Narbenkontraktu-ren, Infektion, Kälteintoleranz und anhaltende Schmerzen sowie selten ein CRPS. [2, 26]

Kollagenase-Injektion

Seit einigen Jahren kommt vor allem in den USA ein Medikament, das durch die amerikanische Arzneibehörde FDA zu-gelassen ist, im Rahmen von klinischen Studien zur Anwendung. Es verspricht eine nicht operative Therapieoption bei

M. Dupuytren [27, 28]. Die Behandlung erfolgt durch Injektion der Kollagenase Clostridium histolyticum direkt in die erkrankten Dupuytren’schen Stränge. Hurst et al. 2009 [28] untersuchten in ei-ner prospektiven Studie, placebokon-trolliert, Patienten mit der Kollagenase-Behandlung. Der Behandlungszyklus umfasste Injektion, Manipulation und 30 Tage Follow-up. Jeder Strang wurde maximal drei Behandlungszyklen unter-zogen und jeder Patient erhielt maximal drei Injektionen.

Einen Tag nach der Injektion wurde ohne Anästhesie der Finger manipuliert, mit dem Ziel die Stränge geschlossen zu rupturieren. Als Frühergebnis beobach-teten Hurst et al. 2009 eine signifikant verbesserte Beweglichkeit der Fingerge-lenke in der Kollagenase-Gruppe [28].

Da die Injektionen direkt in die Beu-gekontrakturstränge erfolgen, die un-mittelbar palmar der Beugesehnen lie-gen, besteht das Risiko, dass es zu Injek-tionen in die Beugesehnen kommt. Hurst beobachtete bei der Behandlung von 308 Patienten zwei Beugesehnen-rupturen [28]. Als weiteres Risiko ist zu erwähnen, dass mit allergischen Reak-tionen nach wiederholter Injektion ge-rechnet werden muss. Selten kann es beim schmerzhaften Durchbrechen des Strangs zur Ausbildung eines CRPS kom-men.

In Deutschland ist dieses Präparat seit kurzem verfügbar. Da die bisher vor-liegenden Ergebnisse Frühresultate dar-stellen, ist eine abschließende Beurtei-lung noch nicht möglich. So viel ver-sprechend erste Ergebnisse sind, bleibt die Indikationsstellung möglicherweise

auf einige Patientengruppen be-schränkt.

Die Ergebnisse müssen sich an den etablierten chirurgischen Verfahren messen lassen. Dies betrifft sowohl die Komplikationsrate als auch insbesonde-re die Rezidivrate. Es wird sich in kom-menden Studien zeigen, welche Lang-zeitergebnisse zu erwarten sind. Bis da-hin bleibt die chirurgische Therapie die Standardbehandlung des Morbus Du-puytren.

Schlussfolgerungen

Die Standardtherapie bei M. Dupuytren basiert auf den unterschiedlichen chi-rurgischen Verfahren, die in Abhängig-keit von der zu erwartenden Funktions-verbesserung und in Abwägung des Risi-kos mit dem Patienten individuell zu be-sprechen sind.

Möglicherweise wird in den nächs-ten Jahren durch die Option der Kollage-nase-Injektion ein neues Verfahren zum Therapiespektrum hinzukommen. Bis-her ist unklar, welche Patientengruppe von dieser Therapie profitiert und wie langfristig die Resultate zu bewerten sind.

Die an den Patienten und seine Be-schwerden angepasste chirurgische The-rapie zusammen mit einer adäquaten Weiterbehandlung ist Voraussetzung, um die Behandlungsergebnisse bei M. Dupuytren weiter zu verbessern.

Interessenkonflikte: keine angege-ben

PD Dr. med. Clemens Dumont

Abteilung Unfallchirurgie, Plastische und

Wiederherstellungschirurgie

Universitätsmedizin Göttingen

Robert-Koch-Straße 40

37075 Göttingen

Tel.: 0551 396108

E-Mail:

[email protected]

Korrespondenzadresse

•Geschäftsführender Oberarzt, Klinik für Unfallchirurgie,

Plastische und Wiederherstellungschirurgie

mit BG-Abteilung des Berufsgenossenschaflichen Unfallkran-

kenhauses Hamburg

•Universitätsmedizin Göttingen

•Studium der Humanmedizin an der Heinrich-Heine-Univer-

sität Düsseldorf

•Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie,

Handchirurgie.

PD Dr. med. Clemens Dumont …

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Literatur

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In der Zeit von Mittwoch den 31 August 2011 bis Sonntag, den 3 September 2011 findet im Freiburg in der Caritas Akademie die erste Summerschool Allgemeinmedizin für Medizinstudierende in Deutschland statt.

Was ist eine Summerschool?

Eine Summerschool ist ein international verbreitetes Konzept zur Nachwuchsförderung, um Studierende Gelegenheit zu ge-ben, sich in ein Fach zu vertiefen. Die Summerschool ist Teil der im Aufbau befindlichen Nachwuchsakademie der DEGAM.

Was machen wir?

• Untersuchungskurs• Praxisbesuche• Kinder in der Hausarztpraxis• Blickdiagnose• Psychische Erkrankungen in der Hausarztpraxis• Palliativmedizinische Versorgung• Kommunikationstraining

Wer kann teilnehmen?

Medizinstudierende der klinischen Semester aus ganz Deutschland

Nähere Informationen

www.degam.de unter Menüpunkt „Studium und Hochschule“Anfragen an Prof. Dr. med. Jean-Francois Chenot ([email protected]) oder Dr. Klaus Böhme ([email protected])

Die Summerschool wird gefördert durch:• DEGAM• Gesellschaft für Hochschullehrer in der Allgemeinmedizin• Hausärzteverband

1. Summerschool Allgemeinmedizin

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© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (6)

Qualifizierung von MFA für delegierbare Tätigkeiten in der häuslichen Umgebung von allgemeinärztlichen PatientenTraining for Health Care Assistants for Deliver Outreach Visits in Primary CareIngrid Gerlach1, Katja Brenk-Franz1, Jochen Gensichen1

Zusammenfassung: Medizinische Fachangestellte (MFA)/Arzthelferinnen können nach Qualifizierung Hausärzte von zusätzlichen delegierbaren Tätigkeiten entlasten. Es wurden Maßnahmen zur Qualifizierung zum Einsatz von MFA bei Routinehausbesuchen in der Primärversorgung recherchiert und bezüglich der curricularen Inhalte, des Stunden-umfangs und der Kohärenz mit den vertraglichen Vor-gaben verglichen. Es konnten insgesamt sechs Qualifizie-rungsmaßnahmen in Deutschland identifiziert werden. Fünf entsprechen den Vorgaben der Delegationsverein-barung zwischen Ärzten und dem Spitzenverband der Ge-setzlichen Krankenkassen (GKV) und sind somit innerhalb der GKV-Regelleistungen weitgehend erstattungsfähig. Vier stützen sich auf das Curriculum „Nichtärztliche Praxisassis-tentin“ der Bundesärztekammer. Eine ist für spezifische Ver-träge außerhalb der GKV-Regelleistung anerkannt (Versor-gungsassistentin der Hausarztpraxis = VerAH). Die arztent-lastende, gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention (AGnES) ist nicht eindeutig klassifizierbar. Wel-che Qualifizierungsmaßnahme von einer Praxis gewählt wird, sollte sich nach den Gegebenheiten der Praxis und der Zielsetzung des späteren Einsatzes richten, z. B. in Ver-trägen der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) oder in-nerhalb der GKV-Regelleistungen. Mittelfristig ist ein bun-desweit einheitliches Curriculum für Qualifizierungsmaß-nahmen der MFA zur Übernahme von delegierbaren Tätig-keiten in der Häuslichkeit (sog. Routinehausbesuche) des Patienten notwendig.

Schlüsselwörter: Allgemeinmedizin; Delegation von Routine-hausbesuchen; Medizinische Fachangestellte

Summary: Health care assistants may unburden phys-icians of clinical activities after a special training (outreach visits). We searched for specific skills trainings for health care assistants and compared them with respect to the cur-ricular content, the hourly scale and the consistence with actual requirements. We identified six training programmes in Germany. Five meet the requirements of the delegation agreement between physicians and the health insurance and are eligible within the statutory health services. Four are based on the curriculum content of the „Non-medical practice assistant“ of the Federal Medical Assembly. One qualification programme is used for contracts outside the statutory health services. The medical relief, community-based, e-health based, systemic intervention (AGnES) is not classifiable. Which training may be chosen by the practice team depends on practice characteristics and goals, for example to contract with the „Doctor Centered Care“-contract or in the statutory health insurance. A nationally standardized curriculum is necessary for training programs preparing health care assistants to deliver clinical tasks (as outreach visits) in primary care practices.

Keywords: Family medicine; Delegation of Clinical Tasks; Health Care Assistants

1 Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena, Friedrich-Schiller-UniversitätPeer reviewed article eingereicht: 09.09.2010, akzeptiert: 31.03.2011DOI 10.3238/zfa.2011.0280

280 ÜBERSICHT / REVIEW

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Einleitung

In der hausärztlichen Versorgung wird zunehmend das gesamte Praxisteam als Ressource für eine gute Patientenver-sorgung wahrgenommen [1]. In der deutschen Primärversorgung bestehen hausärztliche Praxisteams überwiegend aus einem Arzt und 2–4 Medizinischen Fachangestellten (MFA), die z. T. in Teil-zeit arbeiten [2]. Die Hausarztpraxis ge-

winnt vor dem Hintergrund des demo-grafischen Wandels und der zuneh-menden komplexeren Patientenversor-gung an Bedeutung [3]. Insbesondere die Routinehausbesuche sind eine zeit-intensive Tätigkeit, die in Teilen an MFA delegiert werden können. Entlas-tungsmöglichkeiten für Ärzte bieten sich auf der Grundlage des Sozialgesetz-buches [4], z.B., die Delegation von Tä-tigkeiten in der Häuslichkeit des Pa-tienten (sog. Hausbesuche) und Case Management bei chronischer Erkran-kung, die einzelvertraglich ausgestaltet werden können. MFA sind aufgrund ihrer Grundausbil-dung für eine Arztentlastung in der hausärztlichen Praxis geeignet [5]. So ist auch die Patientenmotivation Bestandteil der Ausbildungsordnung

der MFA [5] und wird zusätzlich in der Berufsrolle definiert [6]. MFA arbeiten mit den Hausärzten eng zusammen und haben in der Regel eine hohe Akzeptanz bei den Patienten [7]. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswe-sen (SVR) hat bereits im Jahr 2007 emp-fohlen, Modelle in der Patientenver-sorgung zu stärken, die insbesondere nichtärztliche Mitarbeiter im Gesund-

heitssektor als innovative Ressource nutzen. Diese Modelle sollen nach erfolgreicher Pilotierung auch in der Regelversorgung zum Einsatz kommen [8]. Inzwischen wurden entsprechen-de Qualifizierungsmaßnahmen ent-wickelt, die die MFA auf ihren stärke-ren Einsatz in der Patientenversorgung vorbereiten sollen. Dabei kann auch die Motivation der MFA nach zu -sätzlicher Qualifikation genutzt wer-den [9].

In der vertraglichen Regelung zur Vergütung der delegationsfähigen Leis-tungen an nichtärztliches Praxisper-sonal in Abwesenheit des Arztes sind die Voraussetzungen festgelegt [10]. Zusätz-lich wurde eine Vereinbarung zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der GKV

notwendig, die seit dem 17. März 2009 als Anlage 8 des Bundesmantelvertrages in Kraft ist.

Voraussetzungen zur GKV-Er-stattung solcher Leistungen

Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen muss auf Antrag eine ärztliche Unterversorgung festgestellt

haben, oder eine Unterversorgung droht, oder ein zusätzlicher lokaler Be-darf wird anerkannt. Folgende Patien-tengruppen werden berücksichtigt:• Patienten mit mindestens einer

schweren chronischen Erkrankung und/oder,

• Patienten, die das 65. Lebensjahr voll-endet haben und an einer Erkrankung leiden, die dauerhaft einer intensiven ärztlichen Betreuung bedarf (z. B. De-menz, Alzheimer, weitere geriatrische Erkrankungen) und

• Patienten, die nicht in der Lage sind, aufgrund einer Erkrankung selbst die Praxisräume aufzusuchen. Hierbei werden auch erschwerte Bedingun-gen durch bauliche Gegebenheiten der Praxis gewertet.

Name

VERAH®

EVA

Nicht ärztliche Praxisassistentin (MoPra)

HELVER

AGnES

Nichtärztliche Praxisassistentin

Anbieter

Institut für hausärztliche Fortbildung (IhF)

Landesärztekammer Westfalen-Lippe

Kassenärztliche Vereinigung

Landesärztekammer Schleswig-Holstein

Hochschule Neubrandenburg

Landesärztekammern Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen

Umfang

Bis zu 200 Std.

170–270 Std.

270–800 Std.

84 Std.

822 Std.

270–170 Std.

Bemerkungen

Bundesweite Schulungs- angebote

Westfalen-Lippe und Nordrhein

Nur Sachsen-Anhalt

Vorwiegend Schleswig-Holstein und z.T. Mecklenburg-Vorpom-mern

Überwiegend Brandenburg, dort über Kommunen finanziert, wenig Mecklenburg-Vorpom-mern

Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen

Tabelle 1 Übersicht Qualifizierungsmaßnahme, Anbieter, Stundenumfang.

281

Gerlach et al.:Qualifizierung von MFA für delegierbare Tätigkeiten in der häuslichen Umgebung von allgemeinärztlichen PatientenTraining for Health Care Assistants for Deliver Outreach Visits in Primary Care

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Dem Antrag des Hausarztes auf Geneh-migung beim Landesausschuss sind Qualifikationsnachweise über die ein-zusetzende „nichtärztliche“ Praxismit-arbeiterin beizufügen: • eine abgeschlossene Ausbildung als

Medizinische Fachangestellte oder ei-ne Ausbildung nach Krankenpflege-gesetz (z. B. Gesundheits- und Kran-kenpfleger, also die sog. „Kranken-schwester“) und

• eine mindestens dreijährige Berufs-erfahrung in einer hausärztlichen Pra-xis und

• eine Zusatzqualifikation entspre-chend der o.g. vertraglichen Vor-gaben.

Die letztgenannte Voraussetzung ist in der Delegations-Vereinbarung [10] de-tailliert mit Inhalten festgelegt. Aner-

kannte Qualifizierungsmaßnahmen müssen das Berufsbild (mind. 15 Stun-den), die medizinischen Kompetenz (mind. 110 Stunden), die Kommunikati-on/Dokumentation (mind. 25 Stunden), das Notfallmanagement (mind. 20 Stun-den) und eine praktische Fortbildung in Form von Hausbesuchen (20–50 Stun-den) umfassen. Die Inhalte müssen durch Lernerfolgskontrollen nachgewie-sen werden. Die Qualifizierungsmaß-nahme muss von der zuständigen Ärzte-kammer anerkannt sein. Das entspre-chende Anerkennungsverfahren wird nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) durchgeführt. Die zuständigen Berufsbil-dungsausschüsse bei den Landesärzte-kammern sind paritätisch besetzt mit Vertretern der Arbeitnehmer, Arbeit-geber und Lehrenden an berufsbilden-den Schulen des Gesundheitssektors.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die Hausarztpraxis bei der Auswahl von geeigneten Qualifizierungsmaßnahmen zu unterstützen.

Die leitende Fragestellung lautet: Welche Qualifizierungsangebote zur Übernahme von erstattungsfähigen Leistungen in der Häuslichkeit der Pa-tienten (sog. „Routinehausbesuche“) werden derzeit für MFA angeboten? Da-rüber hinaus soll gefragt werden: Wel-che Unterschiede können zwischen den verschiedenen Qualifizierungsmaßnah-men bzgl. der curricularen Inhalte, des Stundenumfangs und der Kohärenz mit den gesetzlichen Vorgaben bestimmt werden?

Methoden

Im Januar 2011 wurde eine strukturierte Literatur- und Internetrecherche bei den Akteuren im Gesundheitswesen zu Qua-lifizierungsmaßnahmen für MFA zur Übernahme von delegierbaren Leistun-gen durchgeführt, insbesondere bei den Landesärztekammern, den Kassenärzt-lichen Vereinigungen sowie den Fortbil-dungsinstituten. Die Curricula der Qua-lifizierungsmaßnahmen wurden in die Studie aufgenommen, wenn sie die Qua-lifikation im Sinne der vertraglichen Vorgaben erfüllen. Ausgeschlossen wur-den Maßnahmen, die nur einzelne Qua-lifizierungsmodule oder Aspekte vermit-teln. Anschließend wurden die identifi-zierten Qualifizierungsmaßnahmen bzgl. der curricularen Inhalte, des Stun-denumfangs und der Kohärenz mit den vertraglichen Vorgaben synoptisch zu-sammengetragen und verglichen.

Ergebnis

Die Recherche konnte sechs Qualifizie-rungsmaßnahmen identifizieren, die in Tabelle 1 aufgeführt sind. Hauptanbieter sind Bildungswerke der Landesärzte-kammern (drei von sechs). Ein Curricu-lum wird über eine Hochschule und zwei über private Unternehmen angebo-ten (vgl. Tabelle 1).

Die Anbieter haben eine regional unterschiedliche Verteilung (vgl. Abb.1). Die „nichtärztliche Praxisassis-tentin“ – auf der Grundlage des Bundes-ärztekammercurriculums – wird in Hes-sen, Mecklenburg-Vorpommern, Nie-

Abbildung 1 Qualifizierungsmaßnahmen in den Bundesländern.

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dersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen angeboten. Die „Entlas-tende Versorgungsassistentin (EVA)“ wird nur in Westfalen-Lippe und in Nordrhein angeboten. Die vorgenann-ten werden über Bildungswerke der Lan-desärztekammern geschult. Die sog. Ver-sorgungsassistentin in der Hausarztpra-xis (VerAH) wird bundesweit vom Insti-tut für Hausärztliche Fortbildung ange-boten. Die „arztentlastende, gemeinde-nahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention (AGnES)“ wird in einer Hochschule in Brandenburg geschult. In Rheinland-Pfalz und dem Saarland konnten keine Angebote identifiziert werden.

Der Stundenumfang der Qualifizie-rungsmaßnahmen ist gleich, wenn sie sich auf das Grundcurriculum der Bun-desärztekammer beziehen. Abweichun-gen finden sich in den Maßnahmen, die lediglich einzelne Module anbieten, z. B. die sog. arztHelferinnen in der ambu-lanten VERsorgung (HELVER). Die AGnES, die überwiegend in Branden-burg und Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt wird, hat einen höheren Stundenumfang (vgl. Tabelle 2). Die Qualifizierungsmaßnahme „Nichtärztli-che Praxisassistentin“ der Landesärzte-kammern (Thüringen, Niedersachsen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen), stimmt weitestgehend mit den vertraglichen Anforderungen über-ein. Auch die EVA der Landesärztekam-mern Westfalen-Lippe und Nordrhein kommt diesen Anforderungen nach. Die Qualifizierungsmaßnahme VerAH bein-haltet einige der geforderten Inhalte nicht (vgl. Tabelle 2), z. B. das Notfall-stressmanagement oder die Arzneimit-teltherapie in der geforderten Stunden-zahl. Sie hat – bei insgesamt weniger Stunden – besondere Akzente gesetzt,

wie z. B. Übersicht über ärztliche Buch-führung und Beschaffung. Die Nicht-ärztliche Praxisassistentin (vormals Mo-bile Praxisassistentin = MoPra) in Sach-sen-Anhalt ist weitgehend analog mit dem Bundescurriculum. Ihr fehlen aber Inhalte, wie die Begleitung palliativme-dizinisch zu versorgender Patienten.

Die Qualifizierungsmaßnahmen sind modular aufgebaut und können be-rufsbegleitend absolviert werden (VerAH [11], EVA [12], HELVER [13], nichtärzt-liche Praxisassistentin [14]). D. h., die In-halte müssen nicht in zeitlich engem Rahmen durchlaufen werden, sondern können an mehreren Wochenenden be-sucht werden. Sie müssen aber regelhaft innerhalb von zwei bis drei Jahren abge-schlossen sein. Auch besteht bei Landes-ärztekammern die Möglichkeit der An-rechnung einzeln absolvierter Module (z. B. Notfallmanagement, u. a.).

Die vertraglichen Vorgaben sind am konsequentesten im Bundescurriculum umgesetzt worden. Bis auf VerAH und HELVER entsprechen alle untersuchten Qualifizierungsmaßnahmen den Anfor-derungen.

Diskussion

Die vorliegende Untersuchung zeigt erst-mals für Deutschland eine Übersicht der Qualifizierungsmaßnahmen für MFA zur Übernahme von delegierbaren Leistun-gen (Routinehausbesuch) im hausärzt-lichen Setting. Vor dem Hintergrund, dass MFA sicher und kostengünstig kli-nisch delegierbare Tätigkeiten in der Hausarztpraxis ausführen können [15–17] ist es für die Versorgung relevant, weitere Qualifizierungsangebote für MFA zu schaffen. Der kostenintensive Routi-nehausbesuch ist ein Einsatzfeld.

Aus Sicht der berufspolitischen Vertretung der MFA mangelt es den entsprechenden Qualifizierungsmaß-nahmen bisher daran, dass sie noch nicht durch die zuständigen Berufsbil-dungsausschüsse anerkannt wurden. Die historisch erste Qualifizierungs-maßnahme AGnES [18] wurde in erster Linie zur Entlastung von Hausärzten in unterversorgten Gebieten kon-zipiert. Deren hohe Stundenzahl wird u. a. durch einen hohen telemedizi-nischen Anteil (112 Std.) verursacht. Eine ausführliche Praktikumsphase in der hausärztlichen Praxis (200 Std.) trägt ebenfalls dazu bei. Da einige der geforderten curricularen Inhalte be-reits Bestandteil der Ausbildung zur MFA sind, müsste der zusätzliche Nut-zen dieser Qualifizierungsmaßnah-men in Untersuchungen erst auf-gezeigt werden. Die Anrechnung der kompletten VerAH-Qualifizierungs-maßnahme auf andere Fort- und Wei-terbildungen oder Qualifizierungen der MFA ist bislang nur z.T. gegeben. Die erforderliche Gesamtstundenzahl und wesentliche Inhalte werden nicht erbracht. Auch fehlen ihr durchgängig die Lernerfolgskontrollen. Für die MFA bedeuten diese ungleichen Angebote, dass beispielsweise eine „VerAH“-Qua-lifikation aus Baden-Württemberg bei Wohnortwechsel in ein anderes Bun-desland nur teilweise für eine Qualifi-zierungsmaßnahme in einer anderen Region anerkannt wird.

Die in Aussicht gestellte Leistungs-vergütung innerhalb der GKV (Ein-heitlicher Bewertungsmaßstab (EBM Ziff. 40870 = 17 Euro, Ziff. 40872 = 12,50 Euro), ist als finanzieller Anreiz bislang zurückhaltend zu beurteilen. Die Kosten für diese Qualifizierungs-maßnahmen werden von den folgen-den Faktoren bestimmt: Kursgebühren (abhängig von anrechenbaren Qualifi-zierungen), Lohngruppierung der MFA, Personalausfall-, Reise- und Un-terbringungskosten. Darüber hinaus gilt es für die Praxis zu berücksichti-gen, ob öffentliche Fördermaßnah-men in Anspruch genommen werden können, z. B. Bildungscheck oder Bil-dungsprämie.

Der klassische Routinehausbesuch konnte durch MFA in der Vergangenheit auch erstattet werden. Unter den EBM-Ziffern 40240 (5,10 Euro) und 40260 (2,60 Euro) werden delegierbare Leistun-

… seit März 2010 am Institut für Allgemeinmedizin in Jena.

Schwerpunkt MFA – Zukünftige Arbeitsteilung in der All-

gemeinarztpraxis.

Nach der Ausbildung zur Arzthelferin, viele Jahre als Erstkraft in

Hausarztpraxen tätig. 11,5 Jahre an einer Klinik für Psychiatrie

und Psychotherapie, zuletzt als Leitung der ärztlichen Sekreta-

riate der Klinik. Daneben betriebliche Datenschutzbeauftragte

sowie Sprecherin des Arbeitskreises betriebliche Datenschutzbeauftragte und Mit-

glied im Arbeitskreis „Datenschutz im Gesundheitswesen und Krankenhäusern“ in

Hessen.

Studium zur Marketing-Kommunikationsökonomin (VWA) mit Abschlusszertifikat

Studium zur Diplom-Wirtschaftsjuristin (FH) an der Fachhochschule Nordhessen

Ingrid Gerlach …

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gen ohne Zusatzqualifikation und ohne die Vorgabe einer Unterversorgung ho-noriert.

Schlussfolgerung

Qualifizierungsmaßnahmen für MFA zur Übernahme von delegierbaren Leis-tungen in der Häuslichkeit von Patien-ten (sog. Routinehausbesuche) stehen zur Verfügung. Wenn diese Maßnah-men substantiell zur Bewältigung der zunehmenden Belastung in der haus-ärztlichen Versorgung beitragen sollen,

sollten die curricularen Inhalte verein-heitlicht werden. Aus der Sicht der MFA ist eine Anerkennung von Qualifizie-rungsmaßnahmen von hoher berufs-politischer Bedeutung. Aus Sicht des Pa-tienten kann sie möglicherweise zur Si-cherung einer flächendeckenden hoch-wertigen Versorgung beitragen.

Interessenkonflikte: Ingrid Gerlach ist 2. Geschäftsführende Vorsitzende des Verbandes Medizinischer Fachberufe e.V. Die anderen Autoren geben keine Konflikte an.

1. Sibbald B. Should primary care be nurse led? Yes. BMJ 2008; 337: a1157

2. Statistisches Bundesamt. Gesundheits-personal nach Einrichtungen und Art der Beschäftigung 2009 in 1000. 2009: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/ cms/Sites/destatis/Internet/DE/ Content/Statistiken/Gesundheit/ Gesundheitspersonal/Tabellen/ ontent75/Beschaeftigung,templateId= renderPrint.psml

(Zuletzt geprüft: 22.03.2011)3. Bundesärztekammer. 113. Deutscher

Ärztetag: Zu Punkt I der Tagesordnung: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Be-rufspolitik – 1. Für eine patientenzen-trierte Medizin und eine soziale Ge-sundheitswirtschaft – Aufgaben für die verbleibende Legislaturperiode. 2010: http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.2.23.8260.8261.8302 (Zuletzt geprüft: 22.03.2011)

4. Bundesrepublik Deutschland. Sozialge-setzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) Ge-setzliche Krankenversicherung. 2010: http://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/1.html

(Zuletzt geprüft: 22.03.2011)5. Bundesrepublik Deutschland. Bundes-

gesetzblatt Jahrgang 2006 Teil I Nr. 22, ausgegeben zu Bonn am 5. Mai 2006, Verordnung über die Berufsausbildung zum Medizinischen Fachangestellten/zur Medizinischen Fachangestellten. 2006: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/medizinischer_Fachangestell-ter.pdf (Zuletzt geprüft: 22.03.2011)

6. Verband medizinischer Fachberufe. Be-rufsordnung für Medizinische Fach-angestellte, Grundsätze des beruflichen Selbstverständnisses. Dortmund, 2008: http://www.vmf-online.de/mfa/mfa-berufsordnung

(Zuletzt geprüft: 13.12.2010)7. Boelter R et al. Einbeziehung nichtärzt-

licher Gesundheitsberufe in die Primär-versorgung chronisch kranker Patien-ten. Med Klin 2010; 105: 7–12

8. Sachverständigenrat. Koordination und Verantwortung – Voraussetzung einer zielorientierten Gesundheitsver-sorgung – Band I: Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, 2007

9. Mahler C et al. [Motivational aspects of medical staff assistants regarding furt-her education – Results of a survey]. Z Allg Med 2007; 83: 191–196

10. Kassenärztliche Bundesvereinigung. Bundesmantelverträge – Delegations-Vereinbarung (Anlage 8 zum BMV-Ä). Berlin, 2009: http://www.kbv.de/rechtsquellen/2295.html (Zuletzt ge-prüft: 14.12.2010)

11. IhF. 200 Stunden-Curriculum für die Qualifikation „Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis2 – VERAH. Köln, 2009: http://www.verah.de/a7f7cf2f- df4e-4921-a1ff-2c901a12cde8.html? 1252318927244

(Zuletzt geprüft: 14.12.2010)12. Ärztekammer Westfalen-Lippe: Nicht-

ärztliche Praxisassistentin gemäß § 87 Abs. 2b Satz 5 SGB V (Entlastende Ver-sorgungsassistentin „EVA“). Münster, 2010: http://www.aekwl.de/index.php? id=2366 (Zuletzt geprüft: 14.12.2010)

13. Ärztekammer Schleswig-Holstein. Mo-dellprojekt „HELVER“ – arztHELferin-nen in der ambulanten VERsorgung. Bad Segeberg, 2009: http://www.aeksh.de/print/med_assistenzberufe/modell-projekt_helver/modellprojekt_hel-ver.html (Zuletzt geprüft: 14.12.2010)

14. Bundesärztekammer. Fortbildungscur-riculum für Medizinische Fachange-stellte und Arzthelfer/innen „Nicht-ärztliche Praxisassistentin“ nach § 87 Abs. 2b Satz 5 SGB V. Berlin, 2010: http://www.arzt.de/downloads/

currpraxisassistentin100826.pdf (Zuletzt geprüft: 14.12.2010)15. Peters-Klimm F. Case management for

patients with chronic systolic heart fai-lure in primary care: the HICMan ex-ploratory randomised controlled trial. Trials 2010; 11: 56

16. Rosemann T. Case management of ar-thritis patients in primary care: a clus-ter-randomized controlled trial. Arthri-tis Rheum 2007; 57: 1390–1397

17. Gensichen J, von Korff M, Muth C et al. Case management for depression by health care assistants in small primary care practices – a cluster randomized trial. Ann Intern Med 2009; 151: 369–380

18. van den Berg N. Das AGnES Curriculum: Evidenzbasierte Qualifizierungsinhalte und Praxiskompetenzen aus den AGnES-Modellprojekten (2005–2008) für die Durchführung ärztlich angeord-neter Hilfeleistungen in der Häuslich-keit der Patienten nach § 87 Abs. 2b SGB V. Greifswald, Neubrandenburg: Hochschule Neubrandenburg, 2009

Literatur

Ingrid Gerlach

Institut für Allgemeinmedizin

Universitätsklinikum Jena

Bachstraße 18

07743 Jena

Tel.: 03641 939-5800

Fax: 03641 939-5802

E-Mail: [email protected]

http://www.allgemeinmedizin.uni-jena.de

Korrespondenzadresse

286

Gerlach et al.:Qualifizierung von MFA für delegierbare Tätigkeiten in der häuslichen Umgebung von allgemeinärztlichen PatientenTraining for Health Care Assistants for Deliver Outreach Visits in Primary Care

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Hausarztzentrierte VersorgungAOK-HausarztProgramm fördert VerbundweiterbildungPlus durch Honorarzuschlag

STUTTGART, 16.03.2011. Ab dem 1. April erhalten alle HZV-Ärzte, die einen Arzt in Weiterbildung im Rahmen des Programms Ver-bundweiterbildungPlus des Kom-petenz-Zentrums Allgemeinmedi-zin beschäftigen, einen Zuschlag von drei Euro auf die kontakt-unabhängige Pauschale P1. Die fünfjährige, durch universitäre Strukturen unterstützte Weiter-bildung soll den angehenden Fachärzten den Weg in die eigene Hausarztpraxis erleichtern und Hausärzte bei der Suche nach qua-lifiziertem Nachwuchs unterstüt-zen.

Mehr als 90 Praxischefs und 110 an-gehende Ärztinnen und Ärzte nehmen in 26 regionalen Verbünden bereits an dem Weiterbildungsangebot teil. Es bie-tet dem Nachwuchs durch ein qualitativ hochwertiges und abgestimmtes Curri-culum mit wenig bürokratischem Auf-wand einen zusätzlichen Anreiz, den Be-rufsweg eines niedergelassenen Haus-arztes zu wählen.

„Die hausärztlichen Themen und Denkweisen stehen im Mittelpunkt die-ser besonders innovativen Form der Weiterbildung. Dies geschieht durch konkrete Maßnahmen wie überregiona-le Schulungstage, die Vernetzung in Weiterbildung befindlicher Ärzte, Men-toring und die Anbindung an akademi-sche Strukturen des KompetenzZen-trums Allgemeinmedizin Baden-Würt-temberg“, erläutert Prof. Dr. med. Joa-chim Szecsenyi, ärztlicher Direktor der Abteilung Allgemeinmedizin und Ver-sorgungsforschung am Universitätskli-nikum Heidelberg. „Wir legen Wert da-rauf, neben den medizinischen Inhalten

auch Kompetenzen wie Teamführung, Burn-out-Vermeidung und betriebswirt-schaftliche Kenntnisse zu vermitteln“, so Szecsenyi weiter.

„Die hohe Ausbildungsqualität in der VerbundweiterbildungPlus ist ein wichtiger Garant dafür, dass angehende Ärzte für Allgemeinmedizin durch er-fahrene Kollegen sinnvoll und struktu-riert an diesen attraktiven Beruf heran-geführt werden“, erklärt Dr. Rolf Ho-berg, Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg. „Zusammen mit den HZV-Vertragspartnern unterstützen wir gerne dieses wichtige Engagement der weiterbildenden HZV-Ärzte durch unse-ren Zuschlag, der sich bei z.B. 500 einge-schriebenen Patienten auf 1.500 EUR pro Jahr summieren kann,“ so Hoberg weiter.

„Die Nachwuchsförderung ist für uns naturgemäß immer ein zentrales Thema“, so Dr. Berthold Dietsche, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Baden-Württem-berg. „Deswegen ist die HZV auch in puncto Nachfolgeregelung mittlerweile enorm wichtig geworden. Sie bietet langfristig finanzielle Planungssicher-heit und steigert den Praxiswert. Und dies erleichtert die Suche nach einem potenziellen Praxisnachfolger. Wir be-grüßen es daher, dass die HZV-Ärzte mit dem Drei-Euro-Zuschlag einen zusätzli-chen sinnvollen Anreiz erhalten.“

Der MEDI-Vorsitzende Dr. Werner Baumgärtner weist auf ein Manko hin, welches mit der Verbundweiterbildung-Plus Allgemeinmedizin für interessierte junge Ärztinnen und Ärzte ausgeräumt ist: „Die aufwendige Suche nach einer Weiterbildungsstelle, die früher oft zu unerwünschten Unterbrechungen und

früher oder später zu zunehmender De-motivation führte, entfällt. Der Weiter-bildungsassistent durchläuft nahtlos ei-ne für ihn im Vorfeld organisierte Rota-tion durch alle Weiterbildungsabschnit-te in Krankenhaus und Praxis“, führt er aus.

Weitere Informationen erhalten Sie unter www.weiterbildung-allgemeinmedizin.de.

Ansprechpartner AOK Baden-WürttembergKurt Wesselsky (Pressesprecher)Tel.: 0711/25 93–231Heilbronner Straße 184, 70191 [email protected], www.aok-bw.de

Ansprechpartner Deutscher HausärzteverbandManfred King (Leiter Vertragskommunikation)Tel.: 02203/57 56–10 41Von-der-Wettern-Straße 27, 51149 Kö[email protected], www.hausaerzteverband.de

Ansprechpartner MEDI Baden-Württemberg Angelina Schütz (Pressesprecherin)Tel.: 0711/80 60 79–73Industriestraße 2, 70565 [email protected], www.medi-verbund.de

Ansprechpartner Universitätsklinikum HeidelbergPriv. Doz. Dr. med. Stefanie JoosTel. 06221–56–6263Voßstraße 2, 69115 [email protected]

287AKTUELL / NEWS

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Organschaft / AffiliationDeutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM; www.degam.de)DEGAM-Bundesgeschäftsstelle c/o Institut für Allgemeinmedizin Haus 10 C/1. Stock, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, 60590 Frankfurt; Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA; www.gha-info.de); Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM; www.oegam.at/c1/page.asp?id=35)Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Society of Professors of Family Medicine and the Salzburg Society of Family Medicine

Herausgeber / EditorsProf. Dr. med. Heinz-Harald Abholz Facharzt für Allgemeinmedizin Abt. Allgemeinmedizin Heinrich-Heine-UniversitätMoorenstraße 5 40225 Düsseldorf Tel.: +49 211 811–7771 Fax: +49 211 811–8755 E-Mail: [email protected] http://www.uniklinik-duesseldorf.de/ allgemeinmedizin

Prof. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP Facharzt für Allgemeinmedizin Ludwigstraße 37 79104 Freiburg Tel.: +49 761 1513566Fax: +49 761 1513567 E-Mail: [email protected] http://www.allgemeinmedizin. med.uni-goettingen.de

Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling Facharzt für Allgemeinmedizin Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Schwarzwaldstraße 69 79822 Titisee-Neustadt Tel.: +49 7651 9207–0 Fax: +49 7651 9207–20 E-Mail: [email protected] http://www.ukl.uni-freiburg.de/med/lehre/lehrbereich/niebling.htm

Dr. Susanne Rabady Ärztin für Allgemeinmedizin Landstr. 2 A-3841 Windigsteig Tel.: +43 2849 2407 Fax: +43 2849 2404E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. med. Andreas SönnichsenFacharzt für AllgemeinmedizinInstitut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin Paracelsus Medizinische PrivatuniversitätStrubergasse 21A-5020 SalzburgTel.: +43 662 4420021261 Fax: +43 662 4420021209E-Mail: [email protected]://www.pmu.ac.at/de/134.htm

Internationaler Beirat / International Advisory BoardJ. Beasley, Madison/Wisconsin, USAF. Buntinx, Leuven/BelgienG.-J. Dinant, Maastricht/NLM. Egger, Bern/CH E. Garrett, Columbia/Missouri, USAP. Glasziou, Robina/AustralienT. Greenhalgh, London/UKP. Hjortdahl, Oslo/NorwegenA. Knottnerus, Maastricht/NLC. del Mar, Robina/AustralienJ. de Maeseneer, Gent/BelgienP. van Royen, Antwerpen/BelgienB. Starfield, Baltimore/Maryland, USAF. Sullivan, Dundee/Schottland, UKP. Tschudi, Basel/CHC. van Weel, Nijmegen/NLY. Yaphe, Porto/Portugal

Verlag / PublisherDeutscher Ärzte-Verlag GmbHDieselstr. 2, 50859 KölnPostfach 40 02 65, 50832 KölnTel.: +49 2234 7011–0, Fax: +49 2234 7011–255 od. –515.www.aerzteverlag.dewww.online-zfa.de

Geschäftsführung / Management of the CompanyJürgen Führer, Norbert Froitzheim

Koordination / CoordinationJürgen Bluhme-RasmussenTel.: +49 2234 7011–512Fax: +49 2234 7011–6512E-Mail: [email protected]

ProduktmanagementMarie-Luise BertramTel.: +49 2234 7011–389Fax: +49 2234 7011–6389E-Mail: [email protected]

Vertrieb und Abonnement / Distribution and SubscriptionTel. +49 2234 7011–467, E-Mail: [email protected]

Erscheinungsweise /FrequencyDie Zeitschrift erscheint 11 x jährlichJahresbezugspreis Inland: 114,00 €Ermäßigter Preis für Studenten jährlich: 84,00 €Jahresbezugspreis Ausland: 141,60 €Ermäßigter Preis für Studenten jährlich Ausland: 111,60 €Einzelheftpreis: 9,50 €Preise inkl. Porto und 7 % MwSt.Die Kündigungsfrist beträgt 6 Wochen zum Ende des Kalenderjahres. Gerichtsstand Köln. Für Mitglieder der DEGAM ist der Bezug im Mit-gliedsbeitrag enthalten.

Leiterin Anzeigenmanagement und verantwortlich für den Anzeigenteil / Advertising CoordinatorMarga Pinsdorf, Tel.: +49 2234 7011–243, E-Mail: [email protected]

Verlagsrepräsentanten / Publishers’ RepresentativesVerkaufsgebiete Nord/OstGötz KneiselerUhlandstraße 161, 10719 BerlinTelefon: +49 30 88682873Telefax: +49 30 88682874Mobil: +49 172 3103383E-Mail: [email protected] WestEric Le GallKönigsberger Str.11, 51469 Bergisch GladbachTelefon: +49 2202 9649510Telefax: +49 2202 9649509Mobil: +49 172 2575333E-Mail: [email protected] SüdPeter OcklenburgIm Buchengrün 4, 79183 WaldkirchTelefon: +49 7681 4740074Telefax: +49 7681 4740377Mobil: +49 178 8749013E-Mail: [email protected]

Herstellung / Production DepartmentDeutscher Ärzte-Verlag GmbH, Köln, Vitus Graf, Tel.: +49 2234 7011–270, E-Mail: [email protected], Alexander Krauth, Tel.: +49 2234 7011–278, E-Mail: [email protected]

Datenübermittlung Anzeigen / Data Transfer AdvertisementPetra Möller, Tel.: +49 2234 7011–268, E-Mail: [email protected]

Layout / LayoutSybille Rommerskirchen

Druckerei / PrinteryFarbo print+media GmbH, Köln

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Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 3, gültig ab 1. 1. 2011

Druckauflage: 8300 Ex.

Der Verlag ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft LA-MED Kommunikationsforschung im Gesundheitswesen e.V.

87. Jahrgang

ISSN 1433-6251

Urheber- und Verlagsrecht / Copyright and Right of PublicationDie Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen ein-zelnen Beiträge und Abbildungen sind urheber-rechtlich geschützt. Mit Annahme des Manu-skriptes gehen das Recht der Veröffentlichung sowie die Rechte zur Übersetzung, zur Vergabe von Nachdruckrechten, zur elektronischen Spei-cherung in Datenbanken, zur Herstellung von Sonderdrucken, Fotokopien und Mikrokopien an den Verlag über. Jede Verwertung außerhalb der durch das Urheberrechtsgesetz festgelegten Grenzen ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

© Copyright by Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Köln

Z FAZeitschrift für Allgemeinmedizin

German Journal of Family Medicine

Juni 2011 – Seite 241–288 – 87. Jahrgang www.online-zfa.de

288 IMPRESSUM / IMPRINT

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