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Schriesheimer Jahrbuch 2011 Geschichte und Geschichten Herausgegeben vom Stadtarchiv Schriesheim Redaktion Dr. Dirk Hecht, Andrea Erdmann 15. Jahrgang, Schriesheim 2011
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Zeppeline über Schriesheim

Jan 18, 2023

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Schriesheimer Jahrbuch2011

Geschichte und Geschichten

Herausgegeben vom Stadtarchiv Schriesheim

RedaktionDr. Dirk Hecht, Andrea Erdmann

15. Jahrgang, Schriesheim 2011

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Dirk Hecht

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I. EinführungIm Schriesheimer Jahrbuch 2007 schrieb Georg Döringer über einen Zeppelin-fl ug über Schriesheim vor 75 Jahren1. Er hat dieses Ereignis selbst erlebt und hat auch einen Augenzeugenbericht beigefügt. Fotografi en davon dagegen gibt es keine. Daher war ich ein wenig überrascht, als mir Dr. Thomas Hieronymus eine digitale Aufnahme von einem Zeppelin zeigte, der eindeutig über Schries-heim fl og. Das Originalfoto befi ndet sich im Besitz von Dr. Matthias Rufer, der es von seinem Vater Hansjörg nach seinem Tod im Januar diesen Jahres über-

nahm. Herrn Dr. Rufer ist sehr herzlich für die Pu-blikationsgenehmigung zu danken.

Auf dem ersten Blick nahm ich an, dass hier der von Georg Döringer beschriebene Überfl ug von 1936 abgelichtet ist, aber das konnte nicht sein. Denn beide Zeppe-line, die an diesem Flug teilnahmen, also die LZ 127 „Graf Zeppelin“ als auch die LZ 129 „Hinden-burg“, waren ganz anders

1 Döringer, Historische Fahrten 2007.

Abb. 1: Rückseite der als Postkarte gefertigten Foto-grafi e des Zeppelinüberfl ugs mit den Jahreszahlen 1910 und 1928 (StA Schriesheim Bildersammlung. Original im Besitz von Dr. Matthias Rufer)

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konstruiert als das Luftschiff, das hier zu sehen war. Außerdem standen auf der Rückseite des Bildes die Jahreszahlen „1928“ und durchgestrichen „1910“, handschriftlich ist zusätzlich vermerkt, dass es sich hierbei um den ersten Zeppelin über Schriesheim handelt (Abb. 1). Demnach musste die Fotografi e zwischen 1910 und 1928 datieren. Eine Anfrage beim Zeppelin-Museum in Friedrichhafen brachte Klarheit2. Es handelt sich bei dem Luftschiff um LZ 10 „Schwaben“, das zwischen 1911 und 1912 in Dienst war. Das Foto erinnert also einen vergessenen Zeppelinüberfl ug aus der Zeit vor dem Ersten Welt-krieg.

II. Postkarte mit Zeppelin über Schriesheim (Abb. 2)Die Aufnahme entstand in der Kirchstraße in Blickrichtung Westen. Sehr gut ist das am Erker des Hauses Kirchstraße 11 zu sehen, den es heute noch gibt. In dem Gebäude dahinter war der Ratskeller untergebracht. Heute befi ndet sich dort ein Lebensmittelmarkt. Man kann das Luftschiff gut erkennen, wie es nach Norden fl iegt. Charakteristisch an dem Luftschiff sind der schlanke, zi-garrenförmig Schiffskörper und das Leitwerk. Wichtig für die Identifi zierung

2 Ich danke der Leiterin des Zeppelinarchivs Frau Barbara Waibel und Herrn Jürgen Bleibler sehr herzlich für die Auskünfte.

Abb. 2: Zeppelin über Schriesheim (StA Schriesheim Bildersammlung. Original im Besitz von Dr. Matthias Rufer)

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sind die mittig angebrachte Kabine sowie die Anordnung der Führergondel und der Motoren (Abb. 3 und 4). Der Namenszug des Zeppelin kann undeut-lich nahe der vorderen Motoren erkannt werden.

III. LZ 10 „Schwaben“Die am 26. Juni 1911 in Dienst genommen „Schwaben“ sollte zu dem bis dahin erfolgreichsten Luftschiff der Zeppelin-Werke werden. Es ist als reines Passa-gierluftschiff für die „Deutsche Luftschiffahrt-Aktiengesellschaft“ (DELAG) konstruiert und gebaut worden. Die DELAG wurde am 16. November 1909 gegründet, um den Absatz von Zeppelin-Luftschiffen zu fördern, indem man in den kommerziellen Passagiersektor einstieg. Die DELAG war die erste Luft-fahrtgesellschaft der Welt.

Mit dem Dienstantritt der „Schwaben“ im Juni 1911 beginnt ein neues Ka-pitel der bemannten Luftfahrt. Mit 224 Fahrten wurden 4.354 Passagiere trans-portiert und ungefähr 27.321 km zurückgelegt3. Damit war die „Schwaben“ das erste Luftschiff, das wirtschaftlich erfolgreich war. Sie hatte eine Länge von 140 m bei einem maximalen Durchmesser von 14 m. Als Traggas dien-te Wasserstoff, dessen Gefährlichkeit schon damals bekannt war, aber ohne Alternative blieb. Bis zu 17.800 m3 Gas konnten die Gaszellen aufnehmen. Der um acht Meter kürzere Rumpf und besonders die drei leistungsstarken 145 PS Maybach-Motoren, die das Schiff auf 75,6 Km/h beschleunigen konn-ten, machten die „Schwaben“ wendiger und besser zu steuern.

Während die Motoren- und Führergondel im vorderen bzw. hinteren Drittel angebracht waren, lag die Passagierkabine mittig (Abb. 3 und 4). Um den Flug-gästen den Flug so komfortabel wie möglich zu gestalten, hatte man die Ka-bine mit einer leichten, aber geschmackvollen Einrichtung versehen (Abb. 5). Damit sich die Gäste auch wohlfühlten, sorgte ein Steward für die Bewirtung. Auch dies ist ein Novum in der Fluggeschichte. Einen sehr eindrucksvollen Erlebnisbericht von einem Flug mit LZ 10 „Schwaben“ schilderte Hermann Hesse, als er die Gelegenheit zu einem Bodenseerundfl ug hatte:

„… so konnten wir einsteigen, eine bequeme kleine Holztreppe hinan, und merkwürdigerweise war dabei kein neues und fremdes Gefühl, weder Erre-gung noch Bangen, sondern es war die einfachste und vergnüglichste Sache von der Welt da einzusteigen und in der eleganten, luftigen Kabine auf den behaglichen Rohrstühlen Platz zu nehmen, wo man saß wie in einem sehr be-

3 Je nach Quelle können sich die Daten unterscheiden. Hier: Knäusel, Zeppelin 2000, 57. Ganz andere Da-ten: http://en.wikipedia.org/wiki/LZ_10_Schwaben (Aufgerufen am: 18.05.2011).

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Abb. 3: LZ 10 „Schwaben“ (Postkartendetail )

Abb. 4: Die „Schwaben“ über dem Brandenburger Tor in Berlin (nach Knäusel, Zep-pelin 2000, 60 oben links)

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quemen Speise- oder Aussichtswagen.“4

„…als ich rasch aufsehend mich über die Brüstung beugte, entwich unter uns die Erde, und ich hatte vom ersten Augenblick an nicht mehr das Gefühl, etwas mit ihr zu tun zu haben und zu ihr zu gehören.“5

„Wir in der Kabine fanden uns vom Lärm der Maschine gar nicht belästigt, hie und da bei seitlichem Wind ein fl üchtiger Benzingeruch war alles, von Vi-bration kaum eine leise Spur.“6

Das Reisen mit dem Zeppelin war sehr exklusiv und damit sehr teuer, dafür bekam man neben einer schnellen und bequemen Reise ein unvergessliches Erlebnis. Aber die Angst vor Pannen und Abstürzen fl og immer mit. Denn man darf nicht vergessen, dass die Fliegerei und besonders die Passagierluftfahrt ganz am Anfang standen. Für den Transport von Menschen und Ladung gab es außer den Luftschiffen keine Alternative. Motorfl ugzeuge waren zu der Zeit (1911/12) zerbrechliche, unzuverlässige Maschinen, die kaum zwei Personen tragen konnten. Das Luftschiff dagegen versprach, wenn alle Probleme gelöst wären, ein Transportmittel der Zukunft zu werden.

Um die Leistungsfähigkeit von Fluggeräten zu erproben, führte man Zu-verlässigkeitsfl üge durch. So fanden zwischen 1911 und 1914 vier „Zuverläs-4 Meighörner, Giganten 1996, 33.5 Meighörner, Giganten 1996, 33.6 Meighörner, Giganten 1996, 34.

Abb. 5: Die Passagiergondel der „Schwaben“ (nach Knäusel, Zeppelin 2000, 59 oben)

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sigkeitsfl üge am Nördlichen Oberrhein“ unter der Schirmherrschaft von Prinz Heinrich, dem Bruder des Kaisers, statt. 1911 und 1912 führten die Flüge auch über Mannheim und Heidelberg und tangierten somit auch Schriesheim. Bei dem Zuverlässigkeitsfl ug von 1912 waren neben den Flugzeugen auch drei Luftschiffe mit beteiligt: das LZ 10 „Schwaben“, sein Schwesterschiff LZ 11 „Viktoria Luise“ und LZ 12 (LIII7). Das Kommando von LZ 11 und LZ 12 lag in prominenten Händen. Hugo Eckener, der spätere Lenker des Zeppelinkon-zerns und Graf Zeppelin persönlich führten die beiden Luftschiffe. Der Flug dauerte vom 12.-23. Mai 1912 und ging von Straßburg über Frankfurt nach Konstanz. Am 19. Mai stand die Etappe Frankfurt-Darmstadt-Heidelberg-Bruchsal-Karlsruhe auf dem Plan8. Die Route folgte also der Bergstraße, die als Orientierungslinie diente. Zwangläufi g mussten die Flugzeuge und Luft-schiffe, um nach Heidelberg zu gelangen, auch an Schriesheim vorbei. Ob das Foto mit dem Zeppelin über Schriesheim während dieses Fluges aufgenom-men wurde, ist nicht klar, da der Zeppelin eindeutig Richtung Norden, in die entgegengesetzte Richtung, fl iegt.

Die betroffenen Gemeinden wurden vom Bezirksamt Mannheim über die-sen Flug informiert und erhielten Anweisungen was alles zu beachten sei9. Denn die Flugzeuge und Luftschiffe wurden von einer Kolonne Kraftfahrzeu-gen begleitet, die für den Fall, dass Unfälle oder Notlandungen passierten, schnell vor Ort Hilfe leisten konnten. Die Kraftfahrzeuge waren mit einer gel-ben Flagge mit der Aufschrift „Deutscher Zuverlässigkeitsfl ug am Oberrhein 1912“ gekennzeichnet. Da sich die Fahrzeuge immer in der Nähe der Flugma-schinen zu halten hatten, kam es vor, dass sie die erlaubte Höchstgeschwin-digkeit überschritten. Die Gemeinden sollten Vorsorge treffen, dass besonders Kinder geschützt wurden. Zudem gab es eine Anweisung an die Lehrer, das Ereignis ihren Schülern pädagogisch näher zu bringen.

Am 28. Juni 1912, fast genau ein Jahr nach Indienststellung der „Schwaben“ und einen guten Monat nach dem Zuverlässigkeitsfl ug, ereilte LZ 10 das Schick-sal. Wie viele Luftschiffe vor und nach ihr, ging es auf tragische Art verloren10. Als ein Gewitter aufzog, versuchte man das Luftschiff in die Luftschiffhalle in Sicherheit zu bringen. Dabei bekam es Bodenkontakt, wobei die Traggaszellen beschädigt wurden. Das austretende Wasserstoffgas entzündete sich und das

7 Militärluftschiffe der Marine bekamen eine andere Kennung als die zivilen Luftschiffe. Anstatt LZ erhiel-ten sie lediglich das L und die Zählung richtete sich nach der Ablieferung, d. h, dass das Luftschiff LZ 12 der Marine als drittes Luftschiff (L III) übergeben wurde. Heeresluftschiffe bezeichnete man mit Z.8 StA Schriesheim AA 4423.9 StA Schriesheim AA 4423.10 Becker/ Höfl ing, Luftschiffe 2000, 26.

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Schiff explodierte. Die Auswirkungen waren verheerend (Abb. 6 und 7). Wäh-rend die Passagiere und Besatzungsmitglieder verhältnismäßig glimpfl ich da-von kamen, mussten 41 Soldaten der Haltemannschaft mit dem Leben bezah-len. Das Unglück führte zu einer verbesserten Umhüllung der Traggaszellen.

Abb. 7: Die zerstörte Passagiergondel und die noch rauchenden Trümmer der „Schwa-ben“ (nach Meyer, Luftschiffbuch, 183 Abb. oben)

Abb. 6: Das vollständig ausgebrannte Wrack der „Schwaben“ nach der Katastrophe vom 28. Juni 1912 (nach Meyer, Luftschiffbuch 1976, 183 unten)

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Propagandafahrt 1936Seit der Zerstörung der „Schwaben“ 1912 hat die Luftschifffahrt große Fort-schritte gemacht. Die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg und die sensa-tionellen Erfolgen von LZ 127 „Graf Zeppelin“, Interkontinentalfl üge, Polar-fl ug und nicht zuletzt eine Weltumrundung, machten die Zeppeline zu einem etablierten und prestigeträchtigen Verkehrsmittel. Allerdings blieb die große Unfallgefahr durch das Traggas Wasserstoff bestehen und der kommerzielle Erfolg blieb bis zuletzt aus.

Mit der Machtübernahe der Nationalsozialisten 1933 begann man auch die Zeppelinluftschiffe propagandistisch auszunutzen. Als 1936 „Reichstagswah-len“ anstanden und Hitler im März 1936 das entmilitarisierte Rheinland be-setzte, wollte die Staatsführung diesen Schritt durch eine Volksabstimmung nachträglich legitimieren. Propagandaminister Joseph Goebbels ordnete an, dass die beiden Luftschiffe LZ 127 „Graf Zeppelin“ und LZ 129 „Hinden-burg“ eine mehrtägige Deutschlandfahrt durchzuführen hatten, bei der für die Abstimmung Werbung gemacht werden sollte (Abb. 8). Der damalige Chef des Zeppelinkonzerns Dr. Hugo Eckener hätte diese Fahrt am liebsten abgesagt, aber das war aufgrund der politischen Verhältnisse nicht möglich. Ihm war

Abb. 8: Auftakt zur „Deutschlandfahrt“ von 1936. Während die „Graf Zeppelin“ schon in der Luft ist, befi ndet sich die „Hindenburg“ noch am Boden (nach Knäusel, Zeppelin 2003, 119 Abb. unten)

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es zuwider, „seine“ Luftschiffe für die nationalsozialistische Propaganda her-geben zu müssen. Außerdem hatte die gerade erst fertiggewordene „Hinden-burg“ noch einige wichtige Tests und Probefahrten zu absolvieren, bevor sie ihre erste Interkontinentalfahrt nach Brasilien antreten sollte. Dies wurde mit der Ansetzung des Propagandafl uges unmöglich, da sie schon vier Tage später über den Atlantik fl iegen sollte.

Die Deutschlandfahrt fi ng gleich dramatisch an11. Die Windverhältnis-se waren am 26. März in Friedrichshafen alles andere als ideal. Starke böige Winde machten das Herausbringen der Luftschiffe aus ihren Hallen zu einem Lotteriespiel. Kapitän Ernst Lehmann wollte auf keinen Fall eine Verzöge-rung des Fluges hinnehmen und befahl gegen den ausdrücklichen Willen Ecke-ners die „Hindenburg“ aus der Halle zu ziehen. Während die „Graf Zeppelin“ ohne Komplikationen in die Luft gebracht werden konnte, erfasste eine starke Windböe das Heck des Luftschiffes und zog es steil nach oben. Als Gegenmaß-nahme leerte man die Ballasttanks am Bug, was dazu führte, dass nun der Bug nach oben schoss und das Heck Bodenkontakt bekam. Das Ergebnis war, dass das Seitenruder samt Leitfl äche beschädigt wurde. Obwohl das Luftschiff erst nach ungefähr drei Stunden wieder unter Kontrolle war, kann man von Glück sagen, dass nicht mehr passiert ist. Dieser Vorgang und die nachfolgenden Er-eignisse zerrütteten das Verhältnis von Eckener zu der nationalsozialistischen Führung endgültig.

Die „Deutschlandfahrt“ wurde zu einem großen Propagandaerfolg. Das lag zum einen an den beiden großen beeindruckenden Luftschif-fen, die überall wo sie hinkamen die Menschenmassen anzogen. Und zum anderen an dem riesigen propagandi-stischen Aufwand, der hier betrieben wurde. An Bord befanden sich neben der Besatzung und ausgewählten Pas-sagieren, zahlreiche (regimegetreue) Journalisten wie Rolf Brandt, die den Flug medienwirksam ausschlachteten

(Abb. 9) und ein Rundfunkteam des Deutschlandsenders12. Die Aufgabe der Radioleute war, rund um die Uhr über den Flug zu berichten. Unter der Füh-

11 Eckener, Über Länder und Meere 1949, 485-486.12 Hadamovsky, Hitler 1936, 250.

Abb. 9: Der Schriftsteller und Berichter-statter Rolf Brandt im LZ 129 „Hinden-burg“ mit einer Sekretärin (nach Knäusel, Zeppelin 2003, 121 Abb. Mitte)

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rung des Sendeleiter-Inland Dr. Lipp entstanden Reporta-gen und Liveberichte, die im ganzen Reichsgebiet von allen Rundfunksendern ausgestrahlt wurden. So erreichte man auch die Menschen, die nicht direkt von den Luftschiffen angefl o-gen wurden.

Auf der bis zum 29. März dauernden Fahrt wurden nahe-zu alle deutschen Großstädte überfl ogen. Bei der Gelegen-heit warf man Flugblätter und andere Propagandamittel wie Fähnchen und Wimpel in Mas-sen ab (Abb. 10). Dabei be-schallten riesige Lautsprecher die Bevölkerung mit Parolen, wie „Tut Eure Pfl icht, wählt den Führer“, Marschmusik und nationalsozialistischen Kampf-liedern. Höhepunkt an Bord war die Stimmabgabe in den eigens dafür eingerichteten Wahllokalen. Wen wundert es, dass die Wahlbeteiligung dort ebenso bei 100 % lag wie die Zustimmung.

Wie Georg Döringer im Jahrbuch 2007 schrieb, überfl ogen die beiden Luft-schiffe auch Schriesheim13. Sie kamen aus Frankfurt und entfernten sich in Richtung Süden. Ob dies am 26. März gewesen ist oder vielleicht auf dem Rückweg nach Friedrichshafen, ist noch zu klären. Die Wirkung der Luftschif-fe war wie überall, sie schlug die Bevölkerung in ihren Bann. Die Menschen standen auf dem Branich und Ölberg, um den Schiffen noch lange hinterher sehen zu können14. Vielleicht haben auch die Passagiere nach Schriesheim ge-

13 Döringer, Historische Fahrten 2007.14 Döringer, Historische Fahrten 2007, 241.

Abb. 10: Propagandafl ugzettel von der „Deutsch-landfahrt 1936“(nach http://en.wikipedia.org/wiki/ File:Deutschlandfahrt_leafl et_1936.jpg )

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blickt, denn unterhalb der Strahlenburg befand sich der „Schlageter-Hain“, ein Denkmal für die Machtergreifung der „nationalsozialistischen Bewegung“. Hinter einem Gedenkstein erhob sich ein über fünf Meter hohes Hakenkreuz, das von drei Holzstangen getragen wurde (Abb. 11 und 12). Es muss von den Luftschiffen aus gut zu sehen gewesen sein.

Nach der „Deutschlandfahrt“ wurde die „Hindenburg“ in den Transatlan-tikdienst übernommen, bis sie am 06. Mai 1937 in Lakehurst bei New York verbrannte. Dabei kam auch Kapitän Lehmann, der die „Deutschlandfahrt“ geführt hatte, ums Leben. Damit war das Ende der Starrluftschiffe besiegelt. 1940 wurden alle noch existierenden Luftschiffe abgewrackt.

IV. Mathaisemarkt 2011Die Zeit der Starrluftschiffe war vorbei. Die Zukunft gehört den Flugzeugen. Aber am zweiten Wochenende des Mathaisenmarktes 2011 tauchte plötzlich ein „Zeppelin“ über Schriesheim auf (Abb. 13). 100 Jahre nach LZ 10 „Schwa-ben“ und 75 Jahre nach LZ 127 „Graf Zeppelin“ und LZ 129 „Hindenburg“ überfl og wieder ein Luftschiff Schriesheim. Allerdings handelt es sich nicht um einen echten „Zeppelin“, der ja als Starrluftschiff konstruiert war, sondern

Abb. 11 links: Planungsskizze des Hakenkreu-zes vom „Schlageter-Hain“. Auf die Adler-bekrönung wurde beim Bau verzichtet (StA Schriesheim A 1177)

Abb. 12 oben: Das Hakenkreuz vom „Schlage-ter-Hain“ (StA Schriesheim Bildersammlung)

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um einen so genannten „Blimp“, ein Prallluftschiff ohne Innenskelett. Solche Prallluftschiffe werden gerne zu Werbezwecken eingesetzt (Abb. 14). Sie kön-nen mit einem Traggas wie Helium gefüllt sein oder sie funktionieren nach dem Heißluftprinzip.

Die große Zeit der Luftschiffe ist zwar Vergangenheit, aber die Faszination, die diese Fluggeräte ausüben, bleibt ungebrochen. Die heutigen Luftschiffe haben nur einen Bruchteil der Größe wie sie beispielsweise die „Hindenburg“ hatte, umso eindrucksvoller müssen diese Giganten der Lüfte damals auf die Menschen gewirkt haben.

LiteraturBecker/ Höfl ing, Luftschiffe 2000Hans-Jürgen Becker/ Rudolf Höfl ing, 100 Jahre Luftschiffe (Stuttgart 2000)Clausberg, Zeppelin 1990Karl Clausberg, Zeppelin. Die Geschichte eines unwahrscheinlichen Erfolgs (Augsburg 1990)Döringer, Historische Fahrten 2007Georg Döringer, Historische Fahrten mit Luftschiffen 1900-1939. Schrieshei-mer Jahrbuch 2007, 2007. 238-243

Abb. 13 und 14: Ein Prallluftschiff während des Mathaisenmarktes 2011 über Schries-heim, an der evangelischen Kirche (Foto: Dirk Hecht)

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Eckener, Über Länder und Meere 1949Hugo Eckener, Im Zeppelin über Länder und Meere. Erlebnisse und Erinne-rungen (Flensburg 1949)Hadamovsky, Hitler 1936Eugen Hadamovsky, Hitler kämpft um den Frieden Europas. Ein Tagebuch von Adolf Hitlers Deutschlandfahrt (München 1936)Knäusel, Zeppelin 2000Hans G. Knäusel, Zeppelin. Die Geschichte der Zeppelin-Luftschiffe. Kon-strukteure-Technik-Unternehmen (Oberhaching 2000)Knäusel, Zeppelin 2003Hans G. Knäusel, Mythos Zeppelin. Historische Fahrten mit Luftschiffen 1908-1939 (Oberhaching 2003)Meighörner, Giganten 1996Wolfgang Meighörner, Giganten der Lüfte. Geschichte und Technik der Zep-peline in ausgewählten Berichten und zahlreichen Fotos (Erlangen 1996)Meyer, Luftschiffbuch 1976Peter Meyer, Das große Luftschiffbuch (Mönchengladbach 1976)