Zentrale Kontextfaktoren: Politische, wirtschaftliche, kulturelle und sozialstrukturelle Faktoren Arbeits-Paper im NFP60-Projekt: Geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Schweizerischen Arbeitswelt 31. Januar 2012 verfasst von: Epple, Ruedi; Gasser, Martin; Kersten, Sarah; Nollert, Michael; Schief, Sebastian Universität Fribourg Studienbereich Soziologie, Sozialpolitik und Sozialarbeit NFP60-Projekt „Gleichstellung der Geschlechter“ Rte des Bonnesfontaines 11 CH-1700 Fribourg E-Mail : [email protected]
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Zentrale Kontextfaktoren: Politische, wirtschaftliche, kulturelle und sozialstrukturelle Faktoren
Arbeits-Paper im NFP60-Projekt: Geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Schweizerischen Arbeitswelt
31. Januar 2012
verfasst von:
Epple, Ruedi; Gasser, Martin; Kersten, Sarah; Nollert, Michael; Schief, Sebastian
Universität Fribourg Studienbereich Soziologie, Sozialpolitik und Sozialarbeit NFP60-Projekt „Gleichstellung der Geschlechter“ Rte des Bonnesfontaines 11 CH-1700 Fribourg E-Mail : [email protected]
differenzierende Wertvorstellungen hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung.
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Für unsere Analyse beziehen wir ausserdem das politische Gewicht der Frauen ein,
messbar anhand ihres Anteils im Parlament beziehungsweise ihres Anteils in der
Regierung. Wir gehen davon aus, dass geschlechtsspezifische Ungleichheiten abnehmen
beziehungsweise geringer sind, wenn es Frauen besser gelingt, ihre Interessen im
politischen Prozess durchzusetzen. Diese Annahme beruht auf soziologischen
Machttheorien, die davon ausgehen, dass sozioökonomische Ungleichheiten in modernen
Gesellschaften durch politische Macht strukturiert sind, indem die Verteilung der
Machtressourcen über die Verteilung von Privilegien entschieden wird (vgl. u.a. Lenski 1977;
Korpi 1983; Kreckel 2004).
Um den Einfluss von Akteuren mit gleichstellungspolitischen Zielen zu messen, verwenden
wir ausserdem die Stärke der Frauenbewegung. Es ist davon auszugehen, dass Kantone
mit einer starken, langjährigen Frauenbewegung auch insgesamt ein höheres Mass an
Geschlechtergleichheit in unserer abhängigen Variablen aufweisen. Weiter verwenden wir
die Offenheit der Kantone für gleichstellungspolitische Akteure, gemessen anhand der
Anzahl Referenden in den Gleichstellungsbüros. Auch die Stärke der Gewerkschaften ist in
diesem Zusammenhang ein interessanter Indikator.
3.2 Polities
Unter Polity wird die institutionelle Dimension der Politik verstanden, dass heisst, die
Rahmenbedingungen, unter denen die politischen Akteure handeln. Zentral ist hierbei die
Verfassung einer Gesellschaft. Charakterisierend für die Schweiz sind dabei die
Konsensdemokratie und direkte Demokratie sowie das föderalistische System. Von
Bedeutung für unsere Untersuchung ist daher die Stärke der direkten Demokratie und der
Grad der Gemeindeautonomie. In ländlichen Kantonen der Deutschschweiz ist die
Gemeindeautonomie sehr hoch, während in Westschweizer Kantonen die Gemeinden nur
eine geringe Autonomie gegenüber der kantonalen Ebene haben (Sciarini 2003).
Operationalisiert wird dieser Indikator anhand des Anteils öffentlich Angestellter in der
Kantonsverwaltung an allen öffentlich Angestellten im Kanton.
Darüber hinaus betrachten wir Indikatoren zur Gleichstellungspolitik. Die Polity Dimension
erfasst institutionelle Einflussfaktoren auf kantonaler Ebene. Daher ist zum einen die
Schaffung / Abschaffung beziehungsweise die Existenz von Gleichstellungsstellen
aussagekräftig, zum anderen die Stellenprozente der Gleichstellungsstellen, sowie die
Einführung des Frauenstimmrechts.
Eine weitere institutionelle Dimension der Politik ist das jeweilige Wohlfahrtsregime. Esping-
Andersen (1990) unterscheidet zwischen den liberalen, sozialdemokratischen und
konservativen Wohlfahrtsstaaten. Bei der Einteilung der Staaten/ Kantone in Typen geht es
vor allem um die Prinzipien bei der Verteilung von sozialen Gütern. Zwischen den Kantonen
gibt es dabei durchaus Unterschiede, dennoch sind deren Systeme jeweils nicht
gleichzusetzen mit nationalen Wohlfahrtsregimen.
3.1 Policies
Die politischen Massnahmen (Policies) lassen sich in die Kategorien Arbeitsmarktregulation,
Familienpolitik, Steuerpolitik, Sozialpolitik und Budgetpolitik untergliedern. Sämtliche
Indikatoren der Dimension Policies werden auf kantonaler Ebene erfasst.
Zu Indikatoren der Arbeitsmarktregulation zählt zum einen der arbeitsrechtliche Schutz,
zum anderen die Arbeitslosenversicherung. Diese ist zwar in der Schweiz über das
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Bundesgesetz national geregelt und erfolgt über Beitragssätze der Arbeitgeber und –
nehmer, die Kantone können aber darüber hinausgehend Arbeitslosenhilfe anbieten. Mittels
der Unterscheidung in Kantone, die diese Hilfe anbieten und jene, die sie nicht anbieten,
kann dieser Indikator in der Analyse operationalisiert werden (Stadelmann-Steffen 2007: 83).
Hinsichtlich der Familienpolitik sind nach Daly und Rake (2004: 51) die zwei wichtigsten
Massnahmen, um Staaten respektive Kantone danach zu beurteilen, welchen Stellenwert sie
Care-Arbeit einräumen, Elternurlaub und öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen. Erstere
besteht in der Schweiz nur aus bezahltem Urlaub für Mütter, Vätern wird diese Art der
Aufgabe nicht zugedacht. Dies ist ein erstes Zeichen für die normative Vorstellung einer
traditionellen geschlechtsspezifischen Aufgabenteilung auf politischer Ebene. Die Aufgabe
der Kindererziehung wird der Frau zugeschrieben. Leitner (2003: 267) spricht in diesem
Zusammenhang von einer „Diskriminierung aufgrund von biologischen Differenzen“, indem
implizit Männer, die diese Care-Aufgaben ausführen würden, ausgeschlossen werden. Der
Mutterschaftsurlaub wird in der Schweiz national geregelt, erst im Jahr 2005 trat ein
entsprechendes Gesetz in Kraft.1 Vorhergehende Versuche wurden von konservativen
Parteien und Strömungen erfolgreich verhindert. Zwar hatte die Regierung seit 1945 den
Verfassungsauftrag, eine Regelung zum Schutz der Mutter einzuführen, nachdem im Jahr
1999 ein erneuter Vorstoss für eine entsprechende Abstimmung scheiterte, konnte aber erst
2004 erfolgreich über eine Initiative abgestimmt werden. Auf kantonaler Ebene hat noch
immer nur Genf eine eigene, über die nationalen Bestimmungen hinausgehende Regelung
bezüglich des Mutterschafts- und Elternurlaubs (Stadelmann-Steffen 2007: 89). Dies zeigt,
dass der Kanton Genf mehr Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie legt indem er
dies zu seinen öffentlichen Aufgaben zählt und somit die Kindererziehung nicht nur der
Privatheit der Eltern zuschreibt. Ferner zeigen sich grosse Unterschiede zwischen den
Kantonen hinsichtlich der Anzahl öffentlicher Kinderbetreuungseinrichtungen. Um das
Angebot zu messen, wird die Anzahl der Kinderhorte und Kinderkrippen pro 1000 Kinder
unter sieben Jahren (BFS) verwendet. Eine Unterscheidung nach Altersklassen wäre für die
Untersuchung sehr wertvoll, da besonders die Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kleinkindern
unter 3 Jahren von externer Betreuung abhängt. Diese Daten sind für die Schweiz und die
Kantone aber nicht verfügbar (Stadelmann-Steffen 2007). Für die Analyse messbar hingegen
ist der Anteil an Haushalten mit familienergänzender Kinderbetreuung. Unterschieden
wird dabei zwischen formeller und informeller Betreuung. Zur formellen Betreuung zählen
Einrichtungen wie Krippen, Horte, und Kindergärten, informelle Betreuung besteht aus der
Betreuung durch Verwandte, Grosseltern oder Freunde. Ausserdem kann nach der Dauer
der Betreuung unterschieden werden (bis ein Tag die Woche/ mehr als ein Tag die Woche).
Weiter ist die Höhe der Kinderzulagen ein wichtiger Indikator zur Einschätzung der
kantonalen Familienpolitik. Hier wird die Kompensation der durch Kinder entstehenden
Kosten betrachtet.
Die Kantone unterscheiden sich weiter hinsichtlich ihrer Steuerpolitik. Einige dieser
Indikatoren könnten auch den familienpolitischen Massnahmen zugeordnet werden, da sie
speziell an Familien mit Kindern gerichtet sind. Dazu zählen zum einen die Abzüge für
externe Kinderbetreuung (gemessen anhand der Höhe der Steuerabzüge für
Kinderbetreuungskosten) und der Kinderabzug (staatliche Kompensation der Kinderkosten
von der Einkommenssteuer). Insgesamt wird die Steuerlast mittels der kantonalen
1 Seit dem 1. Juli 2005 haben erwerbstätige Mütter nach der Geburt das Recht auf eine
vierzehnwöchige Lohnfortzahlung in der Höhe von 80% ihres bisherigen Einkommens. Nicht-erwerbstätige Mütter sind von der Mutterschaftsentschädigung ausgeschlossen. Mütter die im öffentlichen Dienst erwerbstätig sind, haben darüber hinaus in 14 Kantonen das Recht auf die Lohnfortzahlung zu 100%, für 16 Wochen.
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Steuerbelastungsindizes erfasst. Ehepaare werden in der Schweiz sowohl auf nationaler
als auch auf kantonaler Ebene gemeinsam besteuert, weshalb deren Steuererleichterung
nicht für die Kantone einzeln gemessen werden kann.
Als sozialpolitische Indikatoren verwenden wir die Höhe der kantonalen sozialen
Ausgaben insgesamt.
Innerhalb der Budgetpolitik verwenden wir die Indikatoren Gesamtausgaben pro
Einwohner, den Indikator Finanzvergleich (Gewichteter Mittelwert der acht Variablen der
Indikatoren zur Gesundheit der Kantonsfinanzen und zur Qualität der Finanzverwaltung)
sowie die Qualität der Haushaltsführung.
4. Wirtschaft
Sämtliche ökonomische Faktoren werden auf kantonaler Ebene erhoben. Wir untergliedern
sie in Indikatoren zum Arbeitsmarkt und Beschäftigung, zur Wirtschaftsleistung,
Wirtschaftsfaktoren mit Gender-Fokus und Indikatoren zur Wirtschaftsstruktur der Kantone,
sowie weitere Wirtschaftsindikatoren.
Um den Einfluss der Arbeitsmarktstruktur und das Ausmass der Beschäftigung der Kantone
zu erfassen, verwenden wir die kantonale Arbeitslosenquote. Diese lässt sich weiter
unterteilen in saisonale, konjunkturelle, und strukturelle Arbeitslosigkeit, sowie Jugend- und
Langzeitarbeitslosigkeit. Weiter gibt die Erwerbsquote der Kantone Auskunft über die
wirtschaftliche Situation. Wir betrachten sowohl die allgemeine Quote als auch die weibliche
Quote in Relation zu jener der Männer. Ein weiterer geschlechtsspezifischer Indikator ist in
diesem Zusammenhang die Teilzeitquote von Frauen. Denn die Beschäftigtenrate alleine
gibt möglicherweise einen falschen Eindruck in Bezug auf die Integration der Frauen in den
Arbeitsmarkt, da sie nur den Anteil der Frauen in Erwerbstätigkeit misst, nicht jedoch das
Ausmass ihrer Partizipation. Im europäischen und auch im interkantonalen Vergleich
arbeiten erheblich mehr Frauen in einer Teilzeitbeschäftigung als Männer. Als Äquivalent die
Teilzeitquote von Männern zu messen, scheitert an der auf kantonaler Ebene betrachtet
geringen Anzahl an Männern in einer Teilzeitbeschäftigung. Hingegen eignen sich die
kantonalen Erwerbsarbeitsvolumina als geeigneter Indikator zur Beschäftigung. Die
Volumina messen die auf dem Arbeitsmarkt durchschnittlich geleisteten Stunden pro Woche.
Die kantonale Wirtschaftsleistung messen wir anhand des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Es
lässt sich unterscheiden nach dem BIP pro Kopf und dem absoluten BIP. Das BIP ist ein
wichtiger Wirtschaftsindikator, denn es gibt Auskunft über das Wachstum in den Kantonen,
gemessen als Veränderungsrate zum Vorjahr.
Zu den Wirtschaftsfaktoren mit Gender-Fokus zählt der Umfang bezahlter Care-Arbeit. Nur
ein Fünftel aller geleisteten Care-Arbeit (in Stunden pro Jahr) in der Schweiz ist bezahlt. Der
Umfang bezahlter Care-Arbeit für Kinder betrug im Jahr 2004 insgesamt 166 Mio. Stunden,
der für Erwachsene betrug 368 Mio. Stunden (entspricht 66% der insgesamt geleisteten
Care-Arbeit für Erwachsene) (EBG 2010: 7). Care-Arbeit wird hauptsächlich von Frauen
geleistet, sowohl bezahlt als auch unbezahlt, weshalb der Einbezug dieser Indikatoren
unumgänglich ist, betrachtet man geschlechtsspezifische Unterschiede in der Arbeit. Weiter
kann Care-Arbeit mittels des monetären Umfangs von unbezahlter Care-Arbeit erfasst
werden. Hierfür wird der Zeitaufwand für die Haus- und Familienarbeit geschätzt und mit
einem Stundenlohnansatz evaluiert (Bühlmann 2006). Eine andere Messung verwendet das
Satellitenkonto Haushaltsproduktion, das den Anteil der Bruttowertschöpfung der
Haushalte an der erweiterten Gesamtwirtschaft misst (BFS 2004). Dieser Indikator misst
also den Anteil unbezahlter Arbeit im Bereich der Haushalts- und Familienarbeit sowie
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Freiwilligenarbeit insgesamt an der Gesamtproduktivität. Im Jahr 2007 lag dieser Anteil in der
Schweiz insgesamt bei 45%. Dies zeigt, wie wichtig es ist, unbezahlte Arbeit in die
Betrachtung zu integrieren, da diese Arbeit vorwiegend von Frauen geleistet wird, und eine
Nicht-Beachtung den Blick auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten stark verzerren würde.
Der Umfang bezahlter Care-Arbeit kann ferner gemessen werden mit dem Anteil an Frauen,
die in öffentlichen und privaten Einrichtungen des Erziehungs-, Bildungs- und
Gesundheitswesens erwerbstätig sind (respektive im Anteil der Männer). Dieser Indikator
geht einher mit der geschlechtsspezifischen Segregation auf dem Arbeitsmarkt. Hier wird
die strukturelle Ungleichheit zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt besonders
deutlich. Besonders die horizontale Segregation (männliche Dominanz in den manuellen
Berufen, weibliche Dominanz in den nicht-manuellen Dienstleistungsberufen) hat sich in der
Schweiz in den letzten Jahrzehnten verschärft, wohingegen die vertikale Segregation
besonders in den nicht-manuellen wissenschaftlichen Berufen zurückgegangen ist (Charles
2005). Frauen sind demnach erheblich seltener in Kaderstellen vertreten (BFS 2005; ILO
2004, 2009; Liebig 1997) und gleichzeitig bei den häufig von Prekarität sowie tiefer
Entlohnung und geringerem arbeitsrechtlichen Schutz geprägten atypischen
Arbeitsverhältnissen überrepräsentiert (Ecoplan 2003; BFS 2005; Brinkmann et al. 2006;
Castel und Dörre 2007; ILO 2004, 2009; Pelizzari 2009).
Die Wirtschaftsstruktur und deren Einfluss auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten
messen wir zum einen anhand der Anzahl Beschäftigte pro Wirtschaftssektor, ferner
anhand des Verhältnisses primärer/ sekundärer/ tertiärer Sektor. Darüber hinaus
betrachten wir den Anteil an Klein- und mittelständischen Unternehmen gemessen an
der Anzahl von Beschäftigten in diesen Betrieben. Auch die Stärke des öffentlichen
Sektors ist von Interesse. Besonders Frauen sind aufgrund der Möglichkeit einer
Teilzeitarbeit häufig im öffentlichen Dienst erwerbstätig. Operationalisiert werden kann dieser
Indikator zum einen über den Anteil der Beschäftigten im dritten Sektor in Prozent der
Einwohner oder Berufstätige, oder im Anteil der Beschäftigten im dritten Sektor insgesamt.
Weiter lässt sich die Wirtschaftsstruktur auch über die
Als weiteren Wirtschaftsindikator ziehen wir die kantonale Steuerbelastung hinzu.
5. Kultur
Die Kultur fliesst auf zwei verschiedene Arten in die Analyse mit ein. Zum einen nehmen wir
an, dass kulturelle Werte sich in der geschlechtsspezifischen Verteilung von Arbeit
widerspiegeln. Diesen Zusammenhang können wir aber nicht direkt messen. Genauso
erfolgt ein solcher Einfluss auf die Politik-Ebene, dieser ist aber ebenfalls nicht direkt
messbar. Um aber die Kultur in die Analyse einzubeziehen, nehmen wir sozusagen einen
Umweg und messen sie indirekt. Dies zum einen auf der Mikroebene über das Ausmass
reell gelebter Familienmodelle, und zum anderen über die Variablen Religionszugehörigkeit
und Sprachregion. Da die vorhandenen Familienmodelle nur indirekt das ideale
Familienleitbild repräsentieren – dieses wäre durch Einstellungsbefragungen erfassbar –
wird dieser Indikator unter den sozialstrukturellen Faktoren erfasst. Zum anderen kommen
kulturelle Leitbilder in der Dimension der Politik zum Tragen, die sich sowohl in den Policies
in Form von sozial- und familienpolitischen Regelungen manifestieren (siehe 4.1.), wie auch
politische Akteure und Institutionen von normativen Vorstellungen zur geschlechtlichen
Arbeitsteilung geprägt sind. Messbar wird dies beispielsweise anhand des Zeitpunktes der
Einführung des Frauenstimmrechts oder an der Geschlossen- oder Offenheit staatlicher
Institutionen für gleichstellungspolitisch aktive Akteure (siehe 4.2. beziehungsweise 4.3.).
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Zu den kulturellen Faktoren gehören zunächst Indikatoren zum generellen Weltbild. Darunter
zählen wir die Konfession der Bevölkerung, beziehungsweise die religiöse Grundhaltung,
die sich durch den Anteil an Konfessionslosen im Kanton oder dem Anteil der Katholiken an
allen Religiösen messen lässt. Es ist anzunehmen, dass konservativ-katholische Kantone
stärker von einer traditionellen Aufgabenteilung zwischen Männern und Frauen geprägt sind
und diese auch auf politischer Ebene bevorzugt wird, als in überwiegend protestantischen
Regionen. Der Protestantismus unterstreicht die individuellen Rechte stärker und lässt
moderne gesellschaftliche Strömungen eher zu. Für die politisch-kulturellen Identitäten
sowohl auf kantonaler politischer als auch auf individueller Ebene ist weiter die
Sprachregion von Bedeutung (Bühlmann/ Freitag 2007: 89). In der Schweiz gibt es vier
offizielle Sprachen, die jeweils in verschiedenen Kantonen die Hauptsprache sind: Deutsch,
Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Die Regionen lassen sich kulturwissenschaftlich
den Ländern Deutschland, Frankreich und Italien zuordnen, man kann daher drei
Wirtschaftsstruktur Stärke des öffentlichen Sektors
Beschäftigte pro Wirtschaftsektor (Angestellte VZS
primärer, sekundärer, tertiärer Sektor)
Verhältnis Primär/Sekundär/Tertiär
Beschäftigte in KMU-Unternehmen
Weitere
Wirtschaftsindikatoren
Kantonale Steuerbelastung
KULTUR
Generelles Weltbild Konfession: Anteil Katholiken an allen Religiösen/
Säkularität: Anteil nicht Religiöser
Sprachregion
Leitbilder mit Bezug auf
Geschlecht
Gleichstellungspolitische Ausrichtung
Familienleitbild
SOZIALSTRUKTURELLE FAKTOREN
Durchschn. Grösse der Haushalte
Anteil Alleinerziehender
Scheidungsrate
Jugendquotient/ Altersquotient
Ständige Wohnbevölkerung
Familientyp
Nach Zusammensetzung des Haushaltes
Nach Arbeitsstunden der Partner
Kantonal/ individuell
Einkommen
Bevölkerungsdichte
Urbanisierungsgrad
Zentrum/Peripherie-Grad
Durchschnittlicher Bildungsgrad
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