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Zensurforschung: Paradigmen, Konzepte, Theorien
von
Beate Müller
Einleitung
Zensur ist ein »transepochales Kulturphänomen«.1 Zensorische Kommunikationskontrolle
erstreckt sich potentiell auf Musik und darstellende Kunst, auf Wissenschaft und Lehre, auf
Literatur, Theater und Film, auf Printmedien, Hörfunk und Fernsehen – kurzum, auf alle für
ein Publikum bestimmten kommunikativen Äußerungen, ob schriftlicher oder mündlicher,
visueller oder akustischer Natur. Je nach Definition von ›Zensur‹ sind selbst nicht-öffentliche
soziale Interaktionen zwischen Menschen von zensurartigen Mechanismen geprägt.
Hier zeigen sich schon Art und Ausmaß der Schwierigkeiten, mit denen die
Zensurforschung konfrontiert ist: Erstens erfordert die Fülle der verschiedenen Epochen und
Länder, in denen Zensur auftritt, kontextspezifische Analysen, deren Ergebnisse sich dann
aber wiederum nur erschwert auf andere Kontexte übertragen und mit diesen vergleichen
lassen. Die Stärke der auf einen konkreten historischen Rahmen, auf individuelle Zensurfälle
bezogenen Untersuchung – nämlich die Genauigkeit des Zugriffs auf historische Spezifika –
ist zugleich ihre Schwäche, weil die Gefahr besteht, dass die historische und/oder auf
Einzelfälle bezogene Studie nicht direkt relevant ist für andere Kontexte und sich ihr Autor
gar nicht erst die Mühe macht, die eigenen Ergebnisse in einen größeren Zusammenhang zu
stellen. Daher bleibt der Horizont insofern beschränkt, als der historische Zugriff die Sicht auf
systematische, übergeordnete Relationen verstellen kann. Zweitens bedeutet die Tatsache,
dass Zensur so viele unterschiedliche kommunikative Kontexte betreffen kann, dass der
disziplinäre Hintergrund der Wissenschaftler, die sich mit Zensur auseinandersetzen, äußerst
divers ist. Wo Musik zensiert wird, arbeiten Musikwissenschaftler über Musikzensur; Zensur
in der darstellenden oder bildenden Kunst ruft Kunsthistoriker auf den Plan; wo Medien
zensiert werden, engagieren sich Medienwissenschaftler; Literaturzensur wird von
Literaturwissenschaftlern aufgearbeitet usw.; zudem engagieren sich Historiker, Politologen,
Soziologen, Kulturwissenschaftler, Psychologen, Theologen und Juristen in verschiedenen
Bereichen, in denen Zensur zutage tritt. Diese Polydisziplinarität der Zensurforschung klingt
spannend, aber mancher schreckt auch »vor dem interdisziplinären Umfang des Gegenstandes
zurück«,2 welcher zudem Probleme des Wissenstransfers mit sich bringt, denn zum einen
haben die genannten Einzeldisziplinen ihre eigenen epistemologischen Interessen, Konzepte
und Traditionen, so dass der Austausch über Fachgrenzen hinweg konzeptionell schwierig
sein kann; und zum anderen ist die Rezeption von Forschungsergebnissen oft primär
fachspezifisch, so dass wichtige Beiträge aus Nachbardisziplinen nicht unbedingt zur
Kenntnis genommen werden. Erdmann Weyrauch urteilt: »Die Disziplinen sind, was das
1 Reinhard Aulich: Elemente einer funktionalen Differenzierung der literarischen Zensur. In: Herbert G. Göpfert
/ Erdmann Weyrauch (Hrsg.): ›Unmoralisch an sich...‹: Zensur im 18. und 19. Jahrhundert. Wiesbaden:
Harrassowitz 1988, S. 177–230. (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 13). 2 Dieter Breuer: Stand und Aufgaben der Zensurforschung. In: Göpfert / Weyrauch (Hrsg.): ›Unmoralisch an
sich‹, S. 37–60.
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Studium der Zensur anbelangt, alles in allem, auf ihren angestammten Kathedern geblieben.«3
Außerdem wirken sich – wie bei anderen Forschungsgebieten auch – Sprachbarrieren
nachteilig auf den wissenschaftlichen Austausch aus. Drittens – und dies ist m.E. das
wichtigste Problem der Zensurforschung – ist man sich nicht allenthalben einig darüber, was
nun den eigenen Gegenstandsbereich eigentlich ausmacht: »in the realm of theory, there
seems no longer to be any consensus about what censorship is«, befindet Sophia Rosenfeld.4
Ergo variieren Definitionen und Konzepte von Zensur, weshalb der eine als ›Zensur‹
bezeichnet und untersucht, was für den anderen gar keine ist und deshalb auch keiner
wissenschaftlichen Betrachtung bedarf. Daher gibt es auch keine generell etablierten
Paradigmen und akzeptierten analytischen Instrumentarien für die Arbeit an der Zensur.
Angesichts der ideologischen, epistemologischen ebenso wie methodischen
Divergenzen, die sich hier offenbaren, sollte man meinen, in der Zensurforschung würden
heftige Grundsatzdebatten geführt. Dem ist aber nicht so. Die historisch geneigten
Pragmatiker überlassen die querelle den Theoretikern, und diese jenen das weite Feld der
Fakten und Details. In einem Gebiet, in dem noch nicht einmal Konsens über den eigentlichen
Gegenstandsbereich besteht, käme es jedoch ganz besonders auf gründliche, einzelfall- und
epochenübergreifende Methodenreflexion an. Dieser Beitrag konzentriert sich daher nicht auf
die Zensurgeschichte in deutschen Landen, nicht in erster Linie auf Einzelfall- und
epochenbezogene Studien, sondern auf einen systematischen Überblick über die
Forschungslandschaft zur Zensur mit besonderer Berücksichtigung solcher Arbeiten, die die
Forschung methodisch bereichert haben oder sie bereichern könnten. Die Bibliographie ist
nicht enzyklopädisch, sondern exemplarisch angelegt – notgedrungen, denn wer in der
Deutschen Nationalbibliografie online das Stichwort ›Zensur‹ eingibt, erhält mehr als 700
Einträge; grenzt man die Suche auf Publikationen nach 1985 ein, sind es noch fast 400, und
nur ein kleinerer Teil davon bezieht sich auf die Notengebung und ist hier ergo irrelevant.5 Da
es in diesem Sammelband um neuere Entwicklungen der letzten 20 bis 25 Jahre gehen soll,
werde ich auf ältere Publikationen nur eingehen, wenn sie richtungweisend für die Forschung
gewesen sind. Ausdrücklich möchte ich deshalb auf die zahlreichen Lektürehinweise
aufmerksam machen, die sich in Klaus Kanzogs Standardartikel zur Zensur im Reallexikon
von 1984 sowie in einem Aufsatz von Dieter Breuer zur Zensurforschung von 1988 finden;
für den angelsächsischen Sprachraum ist Frank Hoffmanns kommentierte Bibliographie von
1989 hilfreich.6 Ich werde auch Beiträge nicht-germanistischer Provenienz vorstellen, weil
viele der interessantesten und vielversprechendsten Ansätze in der jüngeren Vergangenheit
nicht aus dem deutschsprachigen, sondern dem angelsächsischen und französischen Raum
kommen: Neben der Systemtheorie können hier schon die Kanonforschung, der
amerikanische ›New Censorship‹, Pierre Bourdieus Feldtheorie und Michel Foucaults
machtphilosophische und diskursanalytische Überlegungen als Hauptimpulsgeber identifiziert
werden.
3 Erdmann Weyrauch: Zensur-Forschung. In: Werner Arnold / Wolfgang Dittrich / Bernhard Zeller (Hrsg.): Die
Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland. Wiesbaden: Harrassowitz
1987, S. 475-484. Hier S. 476. 4 Sophia Rosenfeld: Writing the History of Censorship in the Age of Enlightenment. In: Daniel Gordon (Hrsg.):
Postmodernism and the Enlightenment. New Perspectives in 18th Century French Intellectual History.
London: Routledge 2001, S. 117-145. Hier S. 117. 5 Deutsche Nationalbibliothek: http://www.d-nb.de/. [5.12.2007].
6 Klaus Kanzog: Zensur, literarische. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Hrsg. v. Klaus Kanzog /
Achim Masser. 2. Aufl. Berlin, New York: de Gruyter 1984, Bd. 4, S. 998–1049. Breuer: Stand und
Aufgaben der Zensurforschung. Frank Hoffmann: Intellectual Freedom and Censorship. An Annotated
Bibliography. Metuchen/NJ, London: Scarecrow 1989.
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Geschichte und Landschaft der Zensurforschung
Die Zensurforschung ist – zumindest im deutschsprachigen Raum – bedeutend jünger als ihr
Gegenstand. Mitte des 19. Jahrhunderts waren es zunächst Historiker und Literaturhistoriker,
die sich mit der Zensur, und zwar vor allem mit Literaturzensur und Pressepolitik,
auseinandersetzten.7 Im Zuge des fin de siècle rückten skandalträchtige Zensurfälle und damit
einhergehende öffentliche Diskussionen um Kunstfreiheit, wie sie sich beispielsweise an den
umstrittenen Aufführungen von Gerhart Hauptmanns Die Weber oder von Arthur Schnitzlers
Der Reigen entzündeten, die Zensur stärker ins allgemeine Bewußtsein.8 Weyrauch
konstatiert, »daß eine wissenschaftlich betriebene Zensurforschung erst zum Ende des letzten
Jahrhunderts eingesetzt hat.«9 Er gliedert die historische Zensurwissenschaft in drei
Abschnitte:
Wir unterscheiden 1. den Beginn der wissenschaftlichen Zensurgeschichtsforschung in
der Geschichte des deutschen Buchhandels von Friedrich Kapp und Johann
Goldfriedrich; 2. eine Phase der populärwissenschaftlichen Ausbreitung umfassender
Materialien und Abhandlungen zur Zensurgeschichte und einzelnen Zensurfällen, vor
allem durch Heinrich Hubert Houben, sowie schließlich 3. das Einsetzen der modernen,
systematischen Zensurgeschichtsschreibung und -forschung mit teilweise
interdisziplinären Forschungs- und Analyseansätzen. Wollte man diese drei Phasen
zeitlich fixieren, ergäben sich folgende Abschnitte: ca. 1870-1914;
1918-1940; ca. 1960ff.10
Impulsgebend für die germanistische Zensurforschung waren die überwiegend in den 1920er
Jahren verlegten Bücher von Heinrich Hubert Houben - Kanzog urteilt: »Das Interesse an
Einzelfällen und die Neigung zur anekdotischen Darstellung blieben nach Houbens Vorbild
überhaupt ein Kennzeichen der Z.forschung.«11
Dieser Einschätzung kann heute jedoch nur
noch bedingt zugestimmt werden. Zwar ist es richtig, dass viele Publikationen zur Zensur sich
nach wie vor der Aufarbeitung konkreter Zensurfälle verschreiben, und eine Tendenz zur
Nacherzählung rekonstruierter Abläufe kann nicht geleugnet werden.12
Daneben gibt es
jedoch – vor allem seit den 1980er Jahren – andere Entwicklungen.
7 Wolfram Siemann: Normenwandel auf dem Weg zur ›modernen‹ Zensur. Zwischen ›Aufklärungspolizei‹,
Literaturkritik und politischer Repression (1789–1848). In: Zensur und Kultur. Zwischen Weimarer Klassik
und Weimarer Republik. Hrsg. v. John A. McCarthy / Werner von der Ohe. Tübingen: Niemeyer 1995
(Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 51), S. 63–86. Hier S. 63. 8 Zum juristischen Hintergrund der Berliner Weber-Aufführung vgl. Hans Schwab-Felisch / Wolf Jobst Siedler
(Hrsg.): Gerhart Hauptmann: Die Weber. Vollständiger Text des Schauspiels; Dokumentation. Frankfurt/M.;
Berlin: Ullstein 1989 (Ullstein-Buch 3901). Zum Reigen-Prozeß von 1921 vgl. Alfred Pfoser / Kristina
Pfoser-Schewig / Gerhard Renner: Schnitzlers Reigen. Zehn Dialoge und ihre Skandalgeschichte; Analysen
und Dokumente. 2 Bde. Frankfurt/M.: Fischer 1993 (Fischer TB 10894). 9 Weyrauch: Zensur-Forschung, S. 476.
10 Weyrauch, S. 476f.
11 Kanzog: Zensur, literarische, S. 1003. Die wichtigsten Publikationen von Houben sind: Hier Zensur – wer
dort?; ders.: Der gefesselte Biedermeier; ders.: Verbotene Literatur von der klassischen Zeit bis zur
Gegenwart; ders.: Der ewige Zensor. Näheres zu Houbens Forschungen s. Weyrauch: Zensur-
Forschung, S. 479f., sowie Breuer: Stand und Aufgaben der Zensurforschung, S. 40-43. 12
Vor allem am eher populärwissenschaftlich-journalistischen Ende des Spektrums, wo aneinander gereihte
exemplarische Zensurfälle Autorenschicksale in den Vordergrund stellen und weiterreichende Analysen
unterlassen; vgl. z.B. Jürgen Serke: Die verbrannten Dichter. Lebensgeschichten und Dokumente. Erw.
Neuausg. Weinheim, Basel: Beltz 1992 [1977]; Hans J. Schütz: Verbotene Bücher. Eine Geschichte der
Zensur von Homer bis Henry Miller. München: Beck 1990. (Beck'sche Reihe 415); Jörg-Dieter Kogel
(Hrsg.): Schriftsteller vor Gericht. Verfolgte Literatur in vier Jahrhunderten. Zwanzig Essays. Frankfurt/M.:
Suhrkamp 1996. (Suhrkamp Taschenbuch 2528); Frank Schäfer: Zensierte Bücher. Verbotene Literatur von
Fanny Hill bis American Psycho. Erftstadt: Area 2007.
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Zum einen hat vor allem die deutsche Zensurforschung Auftrieb bekommen durch die
Fülle an Materialien, die nach dem Fall der Mauer zugänglich wurde. Das Interesse an der
Zensur in der DDR paßt zunächst einmal zur Vorliebe von Zensurforschern für eher
repressive politische Kontexte wie dem Vormärz oder dem Wilhelminischen Kaiserreich.13
In
solchen Kontexten tritt die Zensur besonders deutlich zutage, weshalb ihre Erforschung hier
besonders ergiebig ist. Darüber hinaus aber sorgte das starke politische und öffentliche
Interesse an der Aufarbeitung von DDR-Geschichte dafür, dass sich die Reihen der etablierten
Zensurforscher erweiterten und dass neue, bisher unerprobte Zugänge zum Thema zu einer
Neubelebung der Disziplin führten. Hinzu kommt eine generelle Tendenzwende: Was für die
geisteswissenschaftliche Debatte in den 1960er Jahren die Hinwendung zum Leser und zur
Rezeptionsästhetik sowie kurz darauf zu geschlechtsspezifischen Fragestellungen war, leistet
gegenwärtig der medien- und kulturwissenschaftliche turn,14
nämlich Erkenntnisgewinn durch
Perspektiverweiterung. Wo bis noch vor wenigen Jahren fast ausschließlich literaturhistorisch
an der Zensur gearbeitet wurde, zeigt ein Blick in rezentere Publikationen eine Zunahme an
Untersuchungen, deren Zugriff nicht nur entweder regional oder temporal begrenzt, nicht nur
auf einzelne Autoren beschränkt ist, sondern sich durch die Anwendung von (zumindest für
die Zensurforschung) neuen methodischen Mitteln auf spezifische Aspekte der Zensur
auszeichnet. Die Hauptsparten, denen sich die neueren, hier im Vordergrund stehenden
Beiträge zur Zensur zuordnen lassen, ergeben sich sowohl thematisch, d.h. aus dem
untersuchten Kontext bzw. Gegenstand, als auch aus der Methodik. In der Zensurforschung
dominieren folgende Problemkomplexe und Themen: Typologien von Zensur (Vor- und
Nachzensur, Selbstzensur, zensierte Bereiche oder Gattungen, Motivationen und Argumente
der Zensoren als Klassifikationsmerkmal), Zensurdefinitionen, Geschichte der Zensur in
einem bestimmten Land oder einer bestimmten historischen Epoche, konkrete Einzelfälle
zensorischer Eingriffe, Zensur und Nachbarphänomene (Kanon, freiwillige Selbstkontrolle),
Ästhetik der Zensur, Anwendung diverser Theorien auf die Zensur (Psychologie,
Diskursanalyse, Machttheorien, Feld-Theorie).
Empirisch-historische Zensurforschung: Zensurgeschichten
Die Zensur ist ein »historischer Gegenstand«,15
weshalb auch ein Großteil der
wissenschaftlichen Zensurforschung empirisch-historischen Charakter hat. Die Leistungen der
so orientierten Zensurforschung sind beträchtlich: Zu wichtigen Epochen und politischen
Kontexten gibt es sowohl überblicksartige als auch detail- und einzelfallorientierte Studien,
die – oft unter Auswertung unveröffentlichter Quellen – Zensurgeschichte aufarbeiten.
Insgesamt gesehen setzt sich das Gros der Forschung mit der Zensur im modernen deutschen
Kulturraum ab dem 18. Jahrhundert auseinander. Versuche, Zensurgeschichte über große
Zeiträume hinweg zusammenhängend darzustellen, sind dabei aber selten; sie tendieren – dies
typisch für die deutschsprachige Zensurforschung überhaupt – zudem dazu, sich auf die
Entwicklung der Literaturzensur zu konzentrieren.
Zwei solcher literaturbezogener, epochenübergreifender Zensurgeschichten, die im
Abstand von fast 25 Jahren erschienen sind, seien kurz miteinander verglichen, um
13
Breuer konstatierte 1988, also kurz vor dem Ende der DDR: »Bevorzugte Epochen sind die theresianische und
josephinische Zeit, die Zeit nach dem Zusammenbruch des Alten Reiches, insbesondere die Zeit des
Vormärz, die Zeit nach 1848 [...], die Wilhelminische Ära, das Hitler-Regime, die Nachkriegszeit im Bereich
der Bundesrepublik Deutschland.« Breuer: Stand und Aufgaben der Zensurforschung, S. 49. (Auszeichnung
im Original.) 14
Dazu Plachta: »In den letzten Jahren ist Zensur verstärkt aus einer medienhistorischen und
kulturwissenschaftlichen Perspektive betrachtet worden.« Plachta: Zensur. Ditzingen: Reclam 2006. (Reclam
UB 17660), S. 11. 15
Weyrauch: Zensur-Forschung, S. 475.
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Konstanten und Varianten im Ansatz zu demonstrieren: Dieter Breuers Geschichte der
literarischen Zensur in Deutschland (1982) und Bodo Plachtas Buch Zensur (2006).16
Breuers Band deckt eine historische Spanne von der Erfindung des Buchdrucks bis zur
(alten) Bundesrepublik ab. Im Einleitungskapitel, das der Klärung des Zensurbegriffs dient,
werden einige zentrale Merkmale der Zensur herausgestellt. So betont Breuer die Bedeutung
gesellschaftlicher Normen und ihres Wandels für die Zensurgeschichte, insofern als die
Zensur religiöse, moralische oder politische Normen zu wahren sucht und entsprechend
argumentiert. Für Breuer stellt der normkritische, »antithetische Charakter von Poesie« eine
Konstante in der Zensurgeschichte dar, weshalb Literaturgeschichte als Zensurgeschichte
begreifbar werde; ferner sieht Breuer Medien- und Zensurgeschichte dadurch verbunden,
»daß die Entwicklung der Kontrollinstitutionen der Entwicklung der Medien folgt.«17
Breite
Berücksichtigung findet Ulla Ottos Monographie Die literarische Zensur als Problem der
Soziologie der Politik, der Breuer Zensurdefinitionen, Klassifikationen von Argumenten der
Zensur sowie Differenzierungen zwischen verschiedenen Formen von Zensur entlehnt.18
Nach
einigen eher spekulativen Äußerungen zur Wirkung der Zensur hebt Breuer abschließend die
Besonderheit deutscher Kleinstaaterei hervor, was sich auf die Zensur entschieden ausgewirkt
habe: territoriale Divergenzen bei relativer Machtlosigkeit auf übergeordneter Ebene, ein
Nebeneinander punktueller Zensur und systematischer Verfolgung. Eine gründliche
Auseinandersetzung mit der Zensurforschung erfolgt nicht. Die genannten Zensurmerkmale
kommen im Hauptteil des Buches verschiedentlich wieder zur Sprache, allerdings ohne dass
die Kerngedanken der Einleitung zu Paradigmen der Analyse würden oder dass andere
entwickelt würden. In 38 meist ganz kurzen, chronologisch angeordneten Kapiteln werden im
Wechsel zwischen historisch-politischen Entwicklungen und Einzelbeispielen zensorische
Kommunikationskontrollen in deutschen Landen aufgezeigt, die hier nicht im einzelnen
nachgezeichnet werden können. Zu kritisieren ist Breuers erzählender Duktus, der eine klare
Argumentationsstruktur ersetzt und den Blick auf Ergebnisse erschwert, auch deswegen, weil
alle Abschnitte aneinandergereiht statt in hierarchische Verhältnisse bzw. thematisch
zusammenhängende Kapitel geordnet werden. Die jedem Abschnitt folgenden
Literaturangaben sind eher spärlich und (heute) größtenteils veraltet – die meisten stammen
aus den 1960er und 1970er Jahren, teils sind sie jedoch noch beträchtlich älter. Insgesamt
ergibt sich ein oft verwirrendes Bild territorial bedingter Varianten und ortsgebundener
Komplexitäten. Breuer bemüht sich, aus konkreten Beispielen auch für andere Kontexte
relevante Beobachtungen abzuleiten, doch bleiben diese Brückenschläge zu oft
Behauptungen, die in historischen Details untergehen.
Auch Plachta stellt zunächst einige grundsätzliche Überlegungen zur Zensur an. Die
Wort- und Begriffsgeschichte bildet den Auftakt, gefolgt von knappen Ausführungen zu
verschiedenen Definitionsversuchen aus psychologischer, soziologischer, juristischer und
literaturhistorischer Sicht. Vorsichtig plädiert er (hierin Petersen folgend) für ein »erweitertes
Verständnis von Zensur als ›Kommunikationsbehinderung‹«.19
In Übereinstimmung mit
Grundfesten der Forschung unterscheidet Plachta drei Grundformen von Zensur: formelle und
informelle Zensur sowie Selbstzensur; er macht ferner darauf aufmerksam, dass Träger von
Zensur entsprechende Machtbefugnisse haben müssen zur Ausübung zensorischer Kontrolle.
Plachta übernimmt Aulichs triadisches Modell zensorischer Handlungen, das zwischen
Zensur zur Kontrolle der Genese von Literatur, zur Kontrolle literarischer Distribution und
16
Dieter Breuer: Geschichte der literarischen Zensur in Deutschland. Heidelberg: Quelle und Meyer 1982. (Uni-
Taschenbücher 1208). Plachta: Zensur. 17
Breuer: Geschichte der literarischen Zensur in Deutschland, S. 14. 18
Ulla Otto: Die literarische Zensur als Problem der Soziologie der Politik. Stuttgart: Enke 1968. (Bonner
Beiträge zur Soziologie 3). 19
Plachta: Zensur, S. 18. – Gemeint ist Klaus Petersen: Zensur in der Weimarer Republik. Stuttgart, Weimar:
Metzler 1995.
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zur Kontrolle literarischer Diffusion differenziert,20
ein Modell, dessen besonderen Vorzug
Plachta darin sieht, dass sich mit diesen Kategorien auch die zensorischen
»Argumentationsmuster und -strategien systematisieren« ließen, »die als religiöse, moralische
und politische Paradigmen wie Gotteslästerung, Verleumdung, Sittenlosigkeit, Hochverrat,
Häresie und Obszönität im Kontext jeweils aktueller Rechtsnormen in Erscheinung treten«
und »auch spezifischen Zensurträgern zugeordnet werden« könnten.21
Mit der Aussage,
Zensur widerspräche pluralistischen Gesellschaftsprinzipien und sei »nur im Kontext von
Normenkontrolle und Normenwandel adäquat zu betrachten«,22
pflichtet Plachta
weitverbreiteten Ansichten über die Zensur bei. Er unterscheidet drei Erscheinungsformen
von Zensur: erstens das Prinzip des Bücherverbots, wie es sich im Index librorum
prohibitorum und den tridentinischen Indexregeln manifestiert, zweitens die Inquisition und
drittens die Bücherverbrennung. Inwiefern diese Zensurformen mit Aulichs Modell in
Verbindung zu bringen wären, diskutiert Plachta jedoch nicht. Der historische Teil des
Buches setzt ein mit den Kontrollen, die nach der Erfindung des Buchdrucks eingesetzt
wurden, skizziert wesentliche Aspekte der Zensur im Zeitalter der Aufklärung, während der
Französischen Revolution und der Restauration, des Deutschen Bundes nach 1848, dem
Wilhelminischen Kaiserreich, der Weimarer Republik, dem nationalsozialistischen
Deutschland sowie den beiden deutschen Staaten nach 1945. Im Gegensatz zu Breuer räumt
Plachta den großen, deutlich identifizierten Entwicklungslinien der Zensurgeschichte Priorität
ein und benutzt Einzelfälle nur, um die erläuterte Historie zu veranschaulichen. Das Ergebnis
ist ein sehr lesbares und informatives Buch, das eine ganze Reihe von Forschungsbeiträgen
referierend verarbeitet – jedoch leider ohne selbst in der Auseinandersetzung mit dem state of
the art neues Wissen zu produzieren oder auch nur wirklich neue Perspektiven auf
Altbekanntes anzubieten: Die Geschichte der Zensur im Alten Reich als eine der
Verschiebung von kirchlichen zu staatlichen Zensurträgern, von der Bekämpfung von Häresie
zur Instrumentalisierung zensorischer Kontrolle zwecks Aufrechterhaltung der Staatsräson zu
beschreiben, ist schließlich kein Novum, sondern schon bei Breuer (und andernorts) verbürgt.
Originalität ist aber legitimerweise auch gar nicht Ziel und Anliegen der
Zensurgeschichten von Plachta und Breuer. Das Zerfallen historischer Studien zur Zensur in
einen knappen theoretischen und einen geschichtlichen, eher auf Information denn Innovation
angelegten Hauptteil ist Standard in empirisch-historisch orientierter Zensurforschung und
spiegelt das Erkenntnisinteresse der Autoren.
Plachta bezeichnet eine umfassende Geschichte der Zensur in deutschen Landen als
wissenschaftliches Desiderat.23
Angesichts der offenkundigen Darstellungsprobleme, die
auftreten, wenn eine umfassende Zensurgeschichte geschrieben werden soll, von der
unübersehbaren Fülle einzelner Zensurfälle über die viele Jahrhunderte umfassende
Zeitspanne im noch dazu lange Zeit territorial zersplitterten deutschsprachigen Kulturraum,
bis hin zur Vielzahl potentiell relevanter Untersuchungsperspektiven und thematischer
Schwerpunkte, ist zweifelhaft, ob ein solches Mammutunterfangen je in befriedigender Weise
wird realisiert werden können. Realistischer ist das, was die gegenwärtige Zensurforschung
ohnehin schon betreibt: die Aufarbeitung kleinerer Stücke vom großen Kuchen, ob die
Beschränkung nun epochen-, regionen- oder themenspezifisch ist.
Bandbreite der empirisch-historischen Forschungsliteratur
20
S. Aulich: Elemente einer funktionalen Differenzierung der literarischen Zensur, S. 215-217. 21
Plachta: Zensur, S. 24. 22
Plachta, S. 25f. 23
Plachta, S. 11.
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Es kann hier nicht darum gehen, eine ausführliche Bibliographie einschlägiger Publikationen
zu liefern; vielmehr möchte ich im Folgenden einige Beispiele für Monographien anführen,
die in den letzten rund 20 Jahren erschienen sind und die mir geeignet erscheinen, die
Bandbreite zensorischer Untersuchungen zu demonstrieren.
Zur Zensur im Alten Reich habe ich keine den ganzen Zeitraum umfassenden Studien
gefunden; kürzere Zeiträume und enger definierte Kontexte behandeln beispielsweise die
Arbeiten von Agatha Kobuch, Wolfgang Wüst, Thomas Sirges und Ingeborg Müller.24
Speziell zum 18. Jahrhundert hat Bodo Plachta Bahnbrechendes geleistet, weil er nicht nur
regional (Zensur auf Reichsebene, in Österreich und in Preußen), sondern auch gattungs- und
institutionengeschichtlich forscht (Theaterzensur, Zensur von Leihbibliotheken und
Lesegesellschaften) sowie auch zeitgenössische Debatten um die Pressefreiheit erörtert.25
Den
gut erforschten Zensurverhältnissen des Vormärz, von Breuer als »eine Art Paradigma der
Zensur in Deutschland« bezeichnet,26
gehen beispielsweise Edda Ziegler und Hubert Wolf
zusammen mit Wolfgang Schopf nach.27
Während Ziegler mit ihren Dokumenten und
Ausführungen zur Pressefreiheit, zur Zensurgesetzgebung und -praxis sowie zu
widerständigem Verhalten von Buchhandel und Schriftstellern die Steuerungsmechanismen in
den Anfängen der modernen Literaturgesellschaft aufdeckt, konzentrieren sich Wolf und
Schopf auf Heine als Beispiel für die enge Zusammenarbeit des Metternichschen Österreich
und der römischen Kurie im Kampf gegen revolutionäres Gedankengut. Für die Weimarer
Republik ist Klaus Petersens Monographie zu nennen, in der die Zensur aller wichtigen
Medien der Zeit in ihrem sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Kontext untersucht wird.28
Zur Musikzensur unter dem Hakenkreuz arbeiten Michael Meyer und Erik Levi; von den
anläßlich des 50. Jahrestags der Bücherverbrennung erschienenen Werken sei lediglich auf
den Ausstellungskatalog der Akademie der Künste hingewiesen.29
Lange Zeit nicht sehr
beachtet wurde die unmittelbare Nachkriegszeit unter den Alliierten; hier haben David Pike
und Peter Strunk für Abhilfe gesorgt, allerdings beide mit Bezug auf die sowjetische
Besatzungsmacht.30
Die meisten neueren Publikationen beziehen sich auf zensorische
Verhältnisse in der DDR. Standardwerke zum Thema sind diejenigen von Simone Barck,
Martina Langermann und Siegfried Lokatis, David Bathrick und Joachim Walther.31
Der
24
Agatha Kobuch: Zensur und Aufklärung in Kursachsen. Ideologische Strömungen und politische Meinungen
zur Zeit der sächsisch-polnischen Union (1697-1763). Weimar: Böhlau 1988. (Schriftenreihe des
Staatsarchivs Dresden 12); Wolfgang Wüst: Censur als Stütze von Staat und Kirche in der Frühmoderne.
Augsburg, Bayern, Kurmainz und Württemberg im Vergleich. Einführung, Zeittafel, Dokumente. München:
Vögel 1998; Thomas Sirges / Ingeborg Müller: Zensur in Marburg 1538-1832. Eine lokalgeschichtliche
Studie zum Bücher- und Pressewesen. Marburg: Presseamt 1984. (Marburger Stadtschriften zur Geschichte
und Kultur 12). 25
Bodo Plachta: Damnatur – Toleratur – Admittitur. Studien und Dokumente zur literarischen Zensur im 18.
Jahrhundert. Tübingen: Niemeyer 1994. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 43). 26
Breuer: Stand und Aufgaben der Zensurforschung, S. 49. 27
Edda Ziegler: Literarische Zensur in Deutschland 1819-1848. Materialien, Kommentare. 2. Aufl. München:
Allitera 2006. [München: Hanser 1983]. Hubert Wolf / Wolfgang Schopf: Die Macht der Zensur. Heinrich
Heine auf dem Index. Düsseldorf: Patmos 1998. 28
Petersen: Zensur in der Weimarer Republik. 29
Michael Meyer: The Politics of Music in the Third Reich. New York: Lang 1993; Erik Levi: Music in the
Third Reich. New York: St Martin's Press 1994; ›Das war ein Vorspiel nur ...‹. Bücherverbrennung
Deutschland 1933: Voraussetzungen und Folgen. Ausstellung der Akademie der Künste vom 8. Mai bis
3. Juli 1983. Berlin, Wien: Medusa 1983. 30
David Pike: The Politics of Culture in Soviet-Occupied Germany, 1945-1949. Stanford, CA: Stanford
University Press 1992; Peter Strunk: Zensur und Zensoren. Medienkontrolle und Propagandapolitik unter
sowjetischer Besatzungsherrschaft in Deutschland. Berlin: Akademie Verlag 1996. (edition bildung und
wissenschaft 2). 31
Simone Barck / Martina Langermann / Siegfried Lokatis: ›Jedes Buch ein Abenteuer‹. Zensur-System und
literarische Öffentlichkeit in der DDR bis Ende der sechziger Jahre. Berlin: Akademie Verlag 1997.
(Zeithistorische Studien 9); Siegfried Lokatis: Die Zensur- und Publikationspraxis in der DDR. In:
Materialien der Enquete-Kommission ›Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen
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Bundesrepublik widmen sich Silke Buschmann sowie Michael Kienzle und Dirk Mende, der
Ära Adenauer Stephan Buchloh.32
Zu den wissenschaftlich interessanten rezenten Aufsatzsammlungen zur Zensur im
modernen deutschsprachigen Kulturraum gehört Zensur und Selbstzensur in der Literatur von
Peter Brockmeier und Gerhard R. Kaiser: Der Band ist deshalb bemerkenswert, weil er – trotz
seines auf die Literatur verweisenden Titels – insofern über den eigenen Tellerrand
hinwegschaut, als er auch Beiträge zur Zensur in Musik und Malerei sowie einen sehr
informativen Grundsatzartikel eines Juristen (Ridder) zum Zensurverbot des Grundgesetzes
enthält; zudem erweitern Kapitel zur Zensur unter Stalin, in Lateinamerika und Frankreich das
Spektrum, und mehrere Autoren setzen sich mit verschiedenen Aspekten von Selbstzensur
auseinander.33
Auch John A. McCarthy und Werner von der Ohe haben eine interdisziplinäre
Mischung von Aufsätzen vorgelegt, in denen neben traditionellen Fallstudien beispielsweise
auch die ansonsten oft sehr vernachlässigte Frage von Zensur und Geschlechterverhältnissen
oder die Zensur des Bildes in Kunst, Film und Presse thematisiert werden.34
In Herbert
G. Göpferts und Erdmann Weyrauchs ›Unmoralisch an sich...‹ stehen historisch sowie auch
thematisch ausgerichtete Beiträge zur Zensur im 18. und 19. Jahrhundert neben
übergreifenden, theoretisch orientierten.35
In Beate Müllers Aufsatzsammlung finden sich
neben Aufsätzen zur Literaturzensur auch solche zur re-education im deutschen Theater nach
1945, zur Ballettzensur oder zum politischen Kabarett in der DDR.36
Ferner sei auf den Band
Zensur im Jahrhundert der Aufklärung von Wilhelm Haefs und York-Gothart Mix
hingewiesen.37
Wertet man rezentere Publikationen zur Zensur thematisch aus, ergibt sich eine
Verschiebung: Wo früher vor allem die Literaturzensur und die Pressefreiheit im Vordergrund
des Interesses gestanden haben (und natürlich auch immer noch häufig
Untersuchungsgegenstand sind), erscheinen mittlerweile viele Studien zur Filmzensur, zur
Musikzensur, zur Zensur im Kontext der neuen Medien (Internet), zu rechtlichen Fragen
zensorischer Praxis und auch – seit der Öffnung der Archive des Vatikan – zur Zensur der
katholischen Kirche.38
Einheit.‹ (13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages.) Hrsg. vom Deutschen Bundestag. Bd. IV/2:
Bildung, Wissenschaft, Kultur. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1999, S. 1248-1304. David Bathrick: The Powers of
Speech. The Politics of Culture in the GDR. Lincoln: University of Nebraska Press 1995; Joachim Walther:
Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik.
Berlin: Ullstein 1999 [1996]. 32
Silke Buschmann: Literarische Zensur in der BRD nach 1945. Frankfurt/M.: Lang,1997. (Gießener Arbeiten
zur Neueren Deutschen Literatur und Literaturwissenschaft 17). Michael Kienzle / Dirk Mende (Hrsg.):
Zensur in der Bundesrepublik. Fakten und Analysen. Neu bearbeitete Ausgabe. München: Heyne 1981
[Hanser 1980]. (Heyne-Buch 7167). Stephan Buchloh: ›Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich.‹ Zensur
in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas. Frankfurt/M., New York: Campus 2002.
[zugl. Diss. phil. FU Berlin 1999]. 33
Peter Brockmeier / Gerhard R. Kaiser (Hrsg.): Zensur und Selbstzensur in der Literatur. Würzburg:
Königshausen & Neumann 1996. 34
John A. McCarthy / Werner von der Ohe (Hrsg.): Zensur und Kultur. Zwischen Weimarer Klassik und
Weimarer Republik mit einem Ausblick bis heute. Tübingen: Niemeyer, 1995. (Studien und Texte zur
Sozialgeschichte der Literatur 51). 35
Göpfert / Weyrauch (Hrsg.): ›Unmoralisch an sich...‹. 36
Beate Müller (Hrsg.): Zensur im modernen deutschen Kulturraum. Tübingen: Niemeyer 2003. (Studien und
Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 94). 37
Wilhelm Haefs / York-Gothart Mix (Hrsg.): Zensur im Jahrhundert der Aufklärung. Geschichte – Theorie –
Praxis. Göttingen: Wallstein 2006. (Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa 12). 38
Wenige Neuerscheinungen mögen zur Illustration genügen: Thomas Hoeren / Lena Meyer (Hrsg.): Verbotene
Filme. Berlin, Münster: Lit 2007; Kilian Kasperek: Staatlich induzierte Selbstkontrolle und Zensurverbot.
Die Teilnahme des Staates an der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Hamburg: Kovač 2007.
(Schriftenreihe Verfassungsrecht in Forschung und Praxis 38). [zugl. Univ. Diss. Halle (Saale) 2006]; Gerrit
Binz: Filmzensur in der deutschen Demokratie. Sachlicher Wandel durch institutionelle Verlagerung von der
staatlichen Weimarer Filmprüfung auf die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft in der
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9
Fragen statt Antworten
Die Leistungen und Ergebnisse der hier nur exemplarisch angeführten historisch orientierten
Zensurforschung auf einen Nenner zu bringen, der dem Detailreichtum und der Spezifik der
Untersuchungen gerecht würde, ist unmöglich. Der von Kanzog beklagte Mangel an
vergleichender Zensurforschung39
gründet vermutlich in der Perspektive auf Resultate. Doch
zusammen genommen liegt das größte Potential der empirisch-historischen Studien für die
Zensurforschung im Allgemeinen vielleicht gar nicht in erster Linie in ihren Einzelantworten,
sondern in ihren Fragen: Welche Perspektiven eröffnen sich, wenn man statt der Antworten
die Fragestellungen der Arbeiten miteinander vergleicht? Welche Kernfragen werden für jede
der untersuchten Epochen gestellt? Ähneln sie sich, oder sind sie kontextspezifisch?
Beeinflußt die Spezifik der Zensur in den diversen Epochen die Wahl der Methode, die
Vorgehens- oder die Darstellungsweise? Diese Überlegungen zu den epistemologischen
Orientierungen der Sekundärliteratur können aufschlußreich sein für die Zensurforschung
überhaupt.
Die Fragen, die immer wieder gestellt werden, sind beispielsweise diejenigen nach den
Zensurträgern, nach den jeweiligen rechtlichen Bestimmungen zur zensorischen Kontrolle,
den Arten und Ausmaßen des zensorischen Eingriffs, den Zensoren, den bevorzugten
Objekten ihrer Aufmerksamkeit und deren Inhalt sowie medialen Eigenschaften, den
Auseinandersetzungen um ein solches zur Zensur anstehendes Artefakt, den ins Feld
geführten Argumenten für und gegen das zu Zensurierende, nach dessen Urhebern und
Adressaten sowie nach den Auswirkungen der Zensur auf beide, nach dem politischen
Bundesrepublik. Trier: Kliomedia 2006. [zugl. Univ. Diss. Speyer 2005]; Reto Wehrli: Verteufelter Heavy
Metal. Skandale und Zensur in der neueren Musikgeschichte. Münster: Telos 2005; Stephan Eisel: Politik
und Musik. Musik zwischen Zensur und politischem Mißbrauch. München: Aktuell, Moderne Verl.-
Ges. 1990; Christian Zelger: Zensur im Internet. Eine Argumentationsanalyse auf Grundlage des Naturrechts
und der Menschenrechte. Berlin: VWF 1999; Melanie Hüper: Zensur und neue
Kommunikationstechnologien. Aachen: Shaker 2004. [zugl. Univ. Diss. Hamburg 2004]; Thomas Nessel:
Das grundgesetzliche Zensurverbot. Berlin : Duncker & Humblot 2004. (Schriften zum öffentlichen Recht
973). [zugl. Univ. Diss. Gießen 2003]; Michael Pfeifer: Zensurbehütete Demokratie. Das Zensurverbot des
Artikel 5 Absatz 1 Satz 3 Grundgesetz. Zugleich ein Beitrag zur Verfassungsauslegung. Baden-Baden:
Nomos 2003. (Studien und Materialien zur Verfassungsgerichtsbarkeit 91). [zugl. Univ. Diss. TU Darmstadt
2001]; Peter Godman, unter Mitw. v. Jens Brandt: Die geheimen Gutachten des Vatikan. Weltliteratur auf
dem Index. Wiesbaden: Marixverlag 2006; Hubert Wolf (Hrsg.): Inquisition, Index, Zensur. Wissenskulturen
der Neuzeit im Widerstand. Paderborn u.a.: Schöningh 2001. (Römische Inquisition und Indexkongregation
1); Hubert Wolf (Hrsg.), auf der Basis von Vorarbeiten von Herman H. Schwedt bearb. von Judith
Schepers und Dominik Burkard: Römische Bücherverbote. Edition der Bandi von Inquisition und
Indexkongregation 1814-1917. Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh 2005. (Römische Inquisition
und Indexkongregation 1); Hubert Wolf (Hrsg.): Verbotene Bücher. Zur Geschichte des Index im 18. und
19. Jahrhundert. Paderborn: Schöningh 2007. (Römische Inquisition und Indexkongregation 11). 39
Kanzog: Zensur, literarische, S. 1003. – Ein knapper Abriß zensorischer Verhältnisse in Deutschlands
europäischen Nachbarländern findet sich bei Norbert Fügen: Zensur als negativ wirkende Institution. In:
Alfred Clemens Baumgärtner (Hrsg.): Lesen. Ein Handbuch. Hamburg: Verlag für Buchmarkt-Forschung
1974, S. 623–642. Hier S. 627-631. Eine europäische Perspektive bietet auch: Der Zensur zum Trotz. Das
gefesselte Wort und die Freiheit in Europa. Ausstellung im Zeughaus der Herzog-August-Bibliothek
Wolfenbüttel vom 13. Mai bis 6. Oktober 1991. Katalog: Paul Raabe. Weinheim: VCH Acta Humaniora
1991. Einen juristischen Vergleich leistet Gilbert-Hanno Gornig: Äußerungsfreiheit und Informationsfreiheit
als Menschenrechte. Die Verankerung der Äußerungs-, Informations-, Presse- und Rundfunkfreiheit sowie
des Zensurverbots in völkerrechtlichen Übereinkommen und in den Rechtsordnungen der KSZE-Staaten
unter besonderer Berücksichtigung rechtsphilosophischer und rechtsgeschichtlicher Hintergründe. Berlin:
Duncker & Humblot 1988. (Schriften zum Völkerrecht 88). [zugl. Univ. Habil.-Schr. Würzburg 1986].
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10
Kontext sowie nach den ökonomischen und technischen Bedingungen für die Produktion und
Distribution des fraglichen Gegenstandes.
Systematisiert man diese Fragen mit Hilfe des Kommunikationsmodells, so wird klar,
dass wir es bei zensorischer Kommunikationskontrolle mit einer Art ›doppelter‹
Kommunikation zu tun haben: Der Sender der Botschaft, die nicht nur die intendierten
Empfänger, sondern auch (bzw. u.U.: stattdessen) den Empfänger-Zensor erreicht, wird selber
zum Empfänger einer Antwort-Botschaft des Sender-Zensors (eines Urteils, eines Gutachtens
o.ä.) auf die ursprüngliche Botschaft. Damit wird die Komplexität der Rollen, die die
Involvierten spielen, ebenso deutlich wie die Vielschichtigkeit der Kommunikationsakte. Es
wäre zu überlegen, ob sich das Kommunikationsmodell als Raster zur Ordnung der diversen
Fragen und gewählten Schwerpunkte in der Zensurforschung eignet.40
Zumindest sollte ein
solches Muster den Vergleich analog orientierter Studien von Zensur in verschiedenen
Epochen und Kontexten erleichtern und damit einen Baustein liefern für die von Kanzog
geforderte vergleichende Zensurforschung. Und nicht nur empirisch-historische Forschung,
sondern auch eher theoretisch ausgerichtete Beiträge zur Zensur lassen sich auf diese Weise
erfassen, so dass es möglich werden sollte, hauptsächlich systematische mit primär
historischen Studien über ihre jeweiligen kommunikationstheoretischen Schwerpunkte
miteinander in Verbindung zu bringen.
Theoretische Zensurforschung
Neben der Aufarbeitung historischen Materials enthalten empirisch-historische Studien zur
Zensur selbstverständlich auch allgemeinere oder theoretisch relevante Gesichtspunkte, und
gerade in jüngerer Zeit ist auch der methodische Zugriff interessanter geworden. In den
stärker theoretisch ausgerichteten Untersuchungen werden diese Aspekte natürlich in der
Regel detaillierter behandelt. Wenn also im Folgenden von ›theoretischer Zensurforschung‹
die Rede ist, so verstehe man dies nicht als schroffe Polarisierung der Forschung, sondern als
Chiffre für Publikationen mit für theoretische Auseinandersetzungen relevanten Inhalten.
Diese Inhalte gehören entweder in den Kontext von Klassifikationsversuchen, die sich meist
um verschiedene Arten und Funktionen von Zensur sowie um ihre
Begründungszusammenhänge drehen, oder sie sind Teil von Erörterungen, die Ansätze und
Erkenntnisse aus Nachbardisziplinen fruchtbar machen für die Analyse der Zensur. Für beide
Spielarten der theoretischen Zensurforschung seien nachfolgend wichtige Beispiele genannt.
Zunächst einmal sind Studien anzuführen, die sich der Zensur soziologisch-funktional
nähern. Das Standardwerk wäre hier Ottos Monographie Die literarische Zensur als Problem
der Soziologie der Politik (1968), die auch deshalb originell ist, weil sie neben
Systematisierungsversuchen praktischer Erscheinungsformen von Zensur eine
phänomenologische Theorie der Literaturzensur unter Hinzuziehung von Konzepten Vilfredo
Paretos (1848-1923) aufstellt. Paretos Differenzierung zwischen drei Elementen aller
Handlungen – Derivate (äußerer Handlungsablauf), Residuen (Handlungskonstanten) und
Derivationen (deren pseudologische Rationalisierung) - ermöglicht der Autorin,
Zensurverfahren, Motivationen der Zensur und vorgebrachte Argumentationen der Zensoren
nicht nur typologisch aufzulisten, sondern auch zueinander in Beziehung zu setzen, um
Zensur als »Herrschaftsmittel« der Eliten zu charakterisieren.41
Das klingt vielversprechend,
40
Vgl. hierzu Müller: Über Zensur. Wort, Öffentlichkeit und Macht. In: Beate Müller (Hrsg.): Zensur im
modernen deutschen Kulturraum. Tübingen: Niemeyer 2003. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der
Literatur 94), S. 1-30. Hier S. 16-26. 41
Otto: Die literarische Zensur als Problem der Soziologie der Politik, S. 137. – Eine ausführliche, kritische
Darlegung von Ottos Leistung findet sich bei Aulich: Elemente einer funktionalen Differenzierung der
literarischen Zensur, S. 192f. u. S. 202-205.
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11
aber Aulich konstatiert eine »relative Abstinenz der Zensurforschung gegenüber Ulla Ottos
Studie.«42
Er begründet diese sicher nicht ganz falsche Einschätzung folgendermaßen:
»Anscheinend sieht es mit der historischen Einlösbarkeit der von Ulla Otto erarbeiteten
Phänomenologie nicht zum besten aus; sie erfährt zwar aufgrund konkret geführter
historischer Untersuchungen rückwirkend ihre Bestätigung, jedoch ohne zuvor als
Interpretationsraster genutzt worden zu sein.«43
Dies mag stimmen, sagt möglicherweise aber
mehr über die Verfasser historischer Studien aus als über die Brauchbarkeit von Ottos
Systematik.
Aulichs Anliegen ist es, hier anzuknüpfen und auf der »Suche nach einer
sinnstiftenden Einheit von Prozeß und System« vorhandene »Perspektiven zu einer
methodischen Systematik« der Zensur »zu verdichten«.44
Er plädiert dafür, historische
Bezüge »zunächst auf ihre Funktionalität hin« zu überprüfen, also »auf ihre seinerzeit
intendierten sowie tatsächlich erwirkten Folgen«, woraus sich »Funktionszusammenhänge«
zu erkennen gäben, »die nicht mit Strukturen identisch sind, wohl aber auf solche schließen
lassen«; zensorische Praktiken werden vorrangig »als eine Funktion der sozialen Kontrolle«
verstanden.45
Aulich unterscheidet »drei grundlegende Funktionen literarischer Zensur«:
erstens »Zensur als Kontrolle der Genese literarischer Produktion«, d.h. Sanktionen erstrecken
sich »auf den Autor, ggf. seine Mitwisser und auf die Eradation seines Geistesprodukts in
Form einer Hinrichtung«, die auch symbolisch erfolgen könne, wie z.B. bei der
Bücherverbrennung; zweitens »Zensur als Kontrolle der literarischen Distribution«, bei der
die Zensur beabsichtigt, »mögliche Auswirkungen eines bestimmten Gedankenguts zu
begrenzen«, weshalb sie sich »an die Multiplikatoren« richte und »als Filter wirken« wolle;
drittens »Zensur als Kontrolle der literarischen Diffusion«, bei der »mit Mitteln der
Propaganda und der Meinungslenkung« versucht wird, »schon vorhandene Auswirkungen
eines bestimmten Gedankenguts zu entkräften«.46
Aulich zieht aus diesen drei Funktionen von
Zensur Rückschlüsse auf die jeweilige »Struktur und Flexibilität des geistigen Überbaus«, auf
Art und Grad der »Einbindung des Individuums in die kollektive Ordnung« sowie auf Arten
von Verhaltenssteuerung.47
Plachta befindet: »Mit diesen Kategorien lassen sich Zensurakte
nicht nur exemplarisch erfassen, sondern auch deren Argumentationsmuster und -strategien
systematisieren, die als religiöse, moralische und politische Paradigmen [...] im Kontext
jeweils aktueller Rechtsnormen in Erscheinung treten.«48
Aulichs Ansatz scheint in der Tat
vielversprechend zu sein, zumal er flexibel genug ist, um in verschiedenen historischen
Kontexten Anwendung zu finden; Aulichs funktionale Trias ist in der neueren Forschung
bereits aufgegriffen worden.49
Auch die in vielen Veröffentlichungen zu lesende Betonung
der Normenkontrolle durch Zensur ließe sich in Aulichs Modell integrieren.
Als weiteres Beispiel systemtheoretisch-funktional orientierter Zugriffe auf die
Zensurtheorie sei ein Aufsatz von Armin Biermann angeführt.50
Biermann konzentriert sich
insofern nicht nur auf ›eigentliche‹ Zensurakte, als er die in einem gegebenen politischen
System vorkommenden ›funktionalen Äquivalente‹ der Zensur mitberücksichtigt: »Von der
faktischen Gegebenheit einer institutionellen Ausübung von Zwang oder physischer Gewalt
auszugehen erlaubt [...], Zensur von ihren funktionalen Äquivalenten ›Unterlassung von
42
Aulich, S. 205. 43
Aulich, S. 205. 44
Aulich, S. 185 u. S. 192. 45
Aulich, S. 206f. (Auszeichnung im Orig.). 46
Aulich, S. 215-217. 47
Aulich, S. 216f. 48
Plachta: Zensur, S. 24. 49
Z.B. Christoph Guggenbühl: Zensur und Pressefreiheit. Kommunikationskontrolle in Zürich an der Wende
zum 19. Jahrhundert. Zürich: Chronos 1996. 50
Armin Biermann: ›Gefährliche Literatur‹. Skizze einer Theorie der literarischen Zensur. In: Wolfenbütteler
Notizen zur Buchgeschichte 13.1 (1988), S. 1–28.
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12
Zensur‹ (›Zensur der Zensur‹) und ›Abschreckung durch Zensur(gesetze)‹ (›Selbstzensur‹)
abzugrenzen.«51
Entsprechend versteht Biermann unter Literaturzensur die »Gesamtheit
institutionell vollzogener und strukturell manifestierter Versuche [...], durch legale – oder
unrechtmäßige – Anwendung von Zwang oder physischer Gewalt [...] gegen Personen oder
Sachen schriftliche Kommunikation zu kontrollieren, zu verhindern oder
fremdzubestimmen«.52
Biermann betrachtet Zensurgeschichte im Kontext der Entwicklung
moderner, funktional ausdifferenzierter Gesellschaften, deren politische Systeme physische in
symbolische Gewalt umformen, sich durch entpersonalisierte, d.h. symbolische Macht
stabilisieren und in denen ehemals allgemeinverbindliche Wertordnungen und daraus
resultierende Handlungen sowie deren Rechtfertigungen ersetzt werden durch Rechtssysteme
und Ideologien: »Die Geschichte der literarischen Zensur ist [...] die Geschichte der
tendenziellen Ersetzung von physischer Gewalt- und Zwanganwendung durch –
legitimationsmächtigere – funktionale Äquivalente.«53
Wenn man akzeptiert, dass die
eigentliche Machtausübung zur Aufrechterhaltung der Ordnung einen Mangel an wirklicher
Macht bedeutet, weil es dem Machthaber »nicht gelingt, seine Entscheidung zur Prämisse der
Handlungswahl des Machtunterworfenen zu machen«, erscheint tatsächlich ausgeübte Zensur
als »Symptom von zuwenig – und nicht von zuviel – ›Macht‹. Wo ›Macht‹ funktioniert,
erübrigt sich Zensur.«54
In sich klingt das logisch, doch vergegenwärtigt man sich
Zensurverhältnisse in den zensurintensiveren Epochen der deutschen Geschichte, fällt es
schwer, beispielsweise den bücherverbrennenden, deportierenden und gleichschaltenden
Nationalsozialisten einen Mangel an Macht zu attestieren...
Biermann ist nicht allein mit seinem Ansatz, Zensur und Macht mit Hilfe
systemtheoretischer Überlegungen zur funktionalen Ausdifferenzierung der Gesellschaft in
Teilsysteme und Rollenzusammenhänge zu erklären. Die politische Soziologie erklärt
totalitäre Systeme mit Hilfe der Systemtheorie,55
und rezente Veröffentlichungen zur Zensur
in der DDR sehen im ›Leseland‹ ein literarisches ›Feld‹ am Werk, das konzeptionell letztlich
ein systemtheoretisches gesellschaftliches Teilsystem ist.56
In Anlehnung an die Feldtheorie
des französischen Soziologen Pierre Bourdieu beschreibt Holger Brohm die in der DDR in
Zensurprozesse eingebundenen und von ihnen betroffenen Menschen – z.B. Autoren, Leser,
Verlagsangestellte, Funktionsträger in der Kulturadministration – als im literarischen Feld
handelnd und durch dieses Feld kontrolliert:
Das literarische Feld [...] als die besondere soziale Welt, in der Autorinnen und Autoren
existieren und handeln, ist der Raum des Möglichen, der [...] das Handeln des einzelnen
Akteurs dadurch organisiert, daß ihm mögliche Positionen (im Sinne von Optionen)
offeriert werden. Mit der Wahrnehmung einer Möglichkeit – im doppelten Sinne als
Auffassen und Ausführen zu verstehen – positioniert sich der Akteur und nimmt zu
anderen Positionen Stellung. [...] Durch die Unterscheidung von heteronomen und
autonomen Kräften im literarischen Feld wird es möglich, kulturpolitische Äußerungen
und Sanktionen sowie die Stellungnahmen von Autoren in ihren Werken, aber auch die
unterschiedlichen Reaktionen auf literarische Texte in Form von Kritiken und von
Gutachten im Prozeß der literarischen Zensur als aufeinanderbezogene Handlungen im
51
Biermann, S. 3. (Auszeichnung im Orig.). 52
Biermann, S. 3. (Auszeichnung im Orig.). – Guggenbühl kritisiert an Biermanns Definition
»terminologische[n] Unschärfen«. Vgl. Guggenbühl: Zensur und Pressefreiheit, S. 29. 53
Biermann: ›Gefährliche Literatur‹, S. 4. 54
Biermann, S. 13. 55
Vgl. Sigrid Meuschel: Legitimation und Parteiherrschaft in der DDR. Zum Paradox von Stabilität und
Revolution in der DDR 1945–1989. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1992. (edition suhrkamp 1688, NF 688). 56
Vgl. z.B. Holger Brohm: Die Koordinaten im Kopf: Gutachterwesen und Literaturkritik in der DDR in den
1960er Jahren. Fallbeispiel Lyrik. Berlin: Lukas 2001; Ute Wölfel (Hrsg.): Literarisches Feld DDR.
Bedingungen und Formen literarischer Produktion in der DDR. Würzburg: Königshausen & Neumann 2005.
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13
Feld zu beschreiben. [...] Auf diese Weise können Zusammenhänge gezeigt werden, die
den Akteuren kaum einsehbar waren und dennoch ihr Handeln entscheidend
mitbestimmten.57
Brohms Vorschlag klingt vielversprechend, und zwar nicht nur für die Zensur in der DDR,
denn sein Ansatz ermöglicht es, Handlungsoptionen und Rollenkonflikte verschiedener
Agierender in einem literaturhistorischen Kontext als Widerstreit zwischen ›orthodoxen‹ und
›häretischen‹ Kräften (Bourdieu) zu begreifen, deren Konsens bei allem Dissens in der
Überzeugung besteht, das Feld an sich lohne den Kampf.58
Durch Auseinandersetzungen
zwischen den im Feld Handelnden können sich Machtverhältnisse verschieben, wodurch
Macht als instabil und veränderlich beschrieben wird. Ein solches Machtkonzept ist für die
Zensurforschung interessant, weil es die Arbitrarität von Zensurentscheidungen und -
argumenten erklären helfen kann. Das Problem mit Bourdieus Feldkonzept liegt für mich
darin, dass Bourdieu von der Autonomie und Selbstregularitivität des Feldes ausgeht. Ganz
krass formuliert er: »The metaphor of censorship should not mislead: it is the structure of the
field itself which governs expression by governing both access to expression and the form of
expression, and not some legal proceeding which has been specially adapted to designate and
repress the transgression of a kind of linguistic code.«59
In vielen politischen Kontexten wird
das Feld der Literatur jedoch gerade nicht seinen Eigengesetzen überlassen, sondern von
›außen‹ und ›oben‹ kontrolliert: Der Literaturbetrieb der DDR war eben »fremdbestimmt wie
zuletzt in der feudalabsolutistischen Gesellschaft 250 Jahre zuvor.«60
Henning Wrage fragt
denn auch nicht zu Unrecht, »ob Bourdieus Theorie nicht eine ausdifferenzierte Gesellschaft
voraussetzt, oder genauer, selbst eine der Ausdifferenzierung ist. Dann wäre offenbar auch die
Theorie des sozialen Feldes nur bedingt auf die DDR [und andere, entdifferenzierte politische
Kontexte, B.M.] anwendbar.«61
Trotz dieser grundsätzlichen Bedenken ist Bourdieu sehr wichtig geworden für die
Zensurforschung, und zwar vor allem für die Schule des sogenannten ›New Censorship‹ US-
amerikanischer Prägung, die in der Zensur ein in jeglichen Diskursen omnipräsentes
Phänomen erblickt. Bourdieu gewinnt der Zensur insofern etwas Positives ab, als er
argumentiert, jeder Diskurs bedürfe einer Steuerung, welche den Diskurs erst ermögliche.
Zensur wird nicht als Kehrseite des Diskurses gesehen, sondern als eines seiner konstitutiven
Elemente. Diskurse erscheinen als Produkt eines Kompromisses zwischen einem
Ausdrucksinteresse und einer Zensur, die schon durch die Struktur des diskursiven Feldes
vorgegeben ist.62
Die damit einhergehende ›zensorische‹ »Euphemisierungsarbeit« sorge
dafür, dass das Sagbare die dem Kontext angemessene Form erhalte und grenze das
57
Brohm: Die Koordinaten im Kopf, S. 12f. u. S. 17f. 58
Vgl. Bourdieu zu dieser feldtypischen Dynamik: »Es wird oft vergessen, daß Kampf die Übereinkunft der
Antagonisten über das voraussetzt, was [...] den Kampf wert ist, das heißt über alles, was das Feld selbst
ausmacht [...]. Wer sich am Kampf beteiligt, trägt zur Reproduktion des Spiels bei, indem er dazu beiträgt,
den Glauben an den Wert dessen, was in diesem Feld auf dem Spiel steht, je nach Feld mehr oder weniger
vollständig zu reproduzieren.« Pierre Bourdieu: Über einige Eigenschaften von Feldern. In: Pierre Bourdieu:
Soziologische Fragen. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1993. (edition suhrkamp 1872, NF 872), S. 107-114.
Hier S. 109. 59
Bourdieu: Censorship and the Imposition of Form. In: Pierre Bourdieu: Language and Symbolic Power.
Hrsg. v. John B. Thompson. Cambridge: Polity Press 1991, S. 137-159 und S. 269-276 (Anmerkungen). 60
Wolfgang Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR. Erw. Neuausgabe. 2. Aufl. Leipzig: Kiepenheuer
& Witsch 1997 [1996], S. 42. 61
Henning Wrage: Feld, System, Ordnung. Zur Anwendbarkeit soziologischer Modelle auf die DDR-Kultur.
In: Ute Wölfel (Hrsg.): Literarisches Feld DDR. Bedingungen und Formen literarischer Produktion in der
DDR. Würzburg: Königshausen & Neumann 2005, S. 53–73. Hier S. 57. 62
Vgl. Bourdieu: Censorship and the Imposition of Form, S. 137.
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»Unsagbare« sowie das »Unnennbare« aus.63
Es geht Bourdieu und seinen Anhängern
weniger um konkrete politische Systeme und ihre Zensurpraktiken, als vielmehr um
diskursive Prozesse und ihre Spielregeln. Der Zensurbegriff ist hier also extrem ausgeweitet
worden. Entsprechend wird der Terminus ›Zensur‹ manchmal sogar ersetzt durch Ausdrücke
wie ›restriction‹, ›regulation‹ oder ›silencing‹. Vertreter des ›New Censorship‹ beschäftigen
sich nicht mehr ausschließlich mit Vor-, Nach- oder Re-Zensur durch staatliche oder
kirchliche Einrichtungen, sondern befragen Themen wie freie Meinungsäußerung oder
›political correctness‹ sowie Auswirkungen von Kunstförderung, rechtliche Schritte gegen
Verfechter der ›Auschwitz-Lüge‹, moderne Öffentlichkeit oder Debatten um
Pornographieverbote nach ihren zensorischen Elementen.64
Es sind diese (und andere) in der
deutschsprachigen Forschung weniger intensiv diskutierten Problembereiche, die den ›New
Censorship‹ interessant machen, auch wenn der sehr lax gehandhabte Zensurbegriff nicht
mehr trennscharf ist. Denn viele Beiträge bestechen dadurch, dass sie die
Auseinandersetzungen um Zensur in aktuelle Auseinandersetzungen um moderne politische
Philosophie einschreiben: Neben Bourdieus Werk sind vor allem Michel Foucaults
Machttheorien und Jürgen Habermas' Arbeiten über politische Öffentlichkeit ständige
Referenzpunkte. Somit wird die Zensur im Kontext zweier ihrer Kernparadigmen betrachtet –
schließlich geht es bei der Zensur ganz entschieden um Macht und Öffentlichkeit. Dass es
produktiv ist, sich der Zensur von der Rekonstruktion der Spezifika der jeweilig kontextuellen
Öffentlichkeit her zu nähern, haben beispielsweise Studien zur sozialistischen oder
schweizerischen Öffentlichkeit gezeigt.65
Foucaults Überlegungen zur Macht als einer produktiven, instabilen, sowie Diskurse,
politische Praktiken und Wissen formierenden Kraft können für die Zensuranalyse fruchtbar
gemacht werden, und zwar aus mehreren Gründen: Erstens hilft ein Begreifen von Macht als
produktiv dabei, die Ablehnung von Macht als Negativum zu überwinden, so dass –
vorurteilsfreier – gefragt werden kann, welche positiven Eigenschaften Macht hat und wie sie
sich zur Zensur verhält; zweitens – und hier berühren sich Foucault und Bourdieu – bewahrt
einen die Einsicht in die Volatilität von Machtverhältnissen davor, Zensoren und Zensierte
schematisch als Macht›haber‹ und Macht›lose‹ zu kontrastieren, wodurch Interaktionen der
Involvierten als strategische Operationen zur Optimierung der eigenen Lage analysiert werden
können; und drittens erlaubt Foucaults Diskursanalyse eine Zusammenschau zensurbezogener
Handlungen, ihrer diskursiven Manifestationen (z.B. in Zensurgutachten) und der Rolle von
Information, Desinformation und Wissenskonstitution in diesem Kontext.66
Müller adaptiert
63
Pierre Bourdieu: Die Zensur. In: Bourdieu: Soziologische Fragen. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1993. (edition
suhrkamp 1872, NF 872), S. 131–135. Hier S. 131 u. S. 133. 64
Vgl. den einschlägigen Reader von Robert C. Post (Hrsg.): Censorship and Silencing. Practices of Cultural
Regulation. Los Angeles: The Getty Research Institute 1998; das Sonderheft Literature and Censorship der
PMLA 109.1 (Januar 1994; darin vor allem Michael Holquists Einleitung: Corrupt Originals. The Paradox of
Censorship, S. 14-25); sowie Richard Burt (Hrsg.): The Administration of Aesthetics. Censorship, Political
Criticism, and the Public Sphere. Minneapolis/Minn., London: University of Minnesota Press 1994. (Cultural
Politics 7). 65
Vgl. Bathrick: The Powers of Speech; Marc Silberman: Problematizing the ›Socialist Public Sphere‹.
Concepts and Consequences. In: Marc Silberman (Hrsg.): What Remains? East German Culture and the
Postwar Public. Washington: American Institute for Contemporary German Studies 1997, S. 1–37; Beate
Müller: Stasi – Zensur – Machtdiskurse: Publikationsgeschichten und Materialien zu Jurek Beckers Werk.
Tübingen: Niemeyer 2006. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 110). Ausführlich
analysiert Guggenbühl die Rolle der helvetischen Öffentlichkeit in Zensur und Pressefreiheit. Mark
Lehmstedt und Siegfried Lokatis konzentrieren sich zwar nicht auf die Zensur, doch ist in ihrem Buch Das
Loch in der Mauer vieles für die Buchgeschichte und den innerdeutschen Literaturaustausch Wichtiges zu
finden. Mark Lehmstedt / Siegfried Lokatis (Hrsg.): Das Loch in der Mauer. Der innerdeutsche
Literaturaustausch. Wiesbaden: Harrassowitz 1997. (Schriften und Zeugnisse zur Buchgeschichte 10). 66
Vgl. bes. folgende Werke Foucaults: Archäologie des Wissens. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1997 [1981]
(Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 356).; Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses.
Frankfurt/M.: Suhrkamp 1994 [1977] (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 184); sowie Der Wille zum
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einige Foucaultsche Beobachtungen für zensorische Gegebenheiten im sozialistischen
Deutschland: Für sie ist Foucaults These, die im 19. Jahrhundert in abendländischen
Gesellschaften angeblich unterdrückte Sexualität sei »in Wirklichkeit diskursiv ausgestaltet
und dadurch politisch regulierbar« geworden, auf »die Behandlung von Opposition in der
DDR übertragbar,«67
weil auch im sozialistischen Deutschland – trotz zweifelsohne
bestehender repressiver Politik – das als oppositionell Konstituierte in vielfältiger Weise
besprochen und reguliert wurde und dadurch auch Identität und Konturen erhielt:
[D]as hochentwickelte System zur Bewältigung der Aufgaben im Literaturbetrieb
erforderte diskursive Pflege, ja wurde sogar erst durch die Diskursivierung des
Gegenstandsbereichs möglich. Wie sollte wohl beispielsweise Zensur funktionieren
ohne Auseinandersetzung mit dem zu Zensierenden durch Gutachten, Besprechungen,
Berichte, Vorschläge, Einschätzungen u.a.m.? Die notwendige diskursive Praxis trieb
auch Beurteilungskriterien, analytische Kategorien und Handlungsmaßstäbe hervor,
wodurch das Gebiet des solcherart zu Kontrollierenden gewissermaßen abgesteckt und
vermessen wurde. Dadurch konstituierte sich das Territorium teilweise erst als
konturiertes Phänomen, und die Existenz dessen, was hatte unterdrückt werden sollen,
trat als epistemologischer Gegenstand zutage.68
Jede zensorische Regulierung unterwirft nicht nur ihr Objekt, sondern formt es auch mit, und
außerdem entwickelt sie sich selbst unter seinem Einfluß. Die schon beschriebene
Wechselwirkung zwischen Aktion und Reaktion trifft sowohl auf Zensoren und Zensierte als
auch auf Handlungen und Produkte beider zu. Dieser Einsicht (ebenso wie – in
Analogieschluß – der Aufwertung von Macht in post-Foucaultscher Lesweise) folgend, ist in
der Zensurforschung gelegentlich gefragt worden, ob der Zensur insofern ein ›positives‹
Potential attestiert werden könne, als sie nicht nur zu verstümmelnder Selbstzensur von
Autoren führe, sondern eventuell deren Kreativität stimulieren könnte, wenn Schriftsteller
sich ästhetische Verfahren ausdenken, um der Zensur ein Schnippchen zu schlagen. Michael
Levine bringt diese Ambivalenz der Zensur auf einen Nenner, indem er ihr »a condition of
writing that is at once crippling and enabling« bescheinigt.69
Zu diesem Themenbereich der
›Ästhetik‹ von Zensur (inklusive ihrer Kehrseite, der ›Selbstzensur‹) gibt es nicht so viele
Studien, obwohl der Topos von der ›äsopischen Schreibweise‹ oder dem ›Platz zwischen den
Zeilen‹ ein gängiger ist und diverse »forms of oblique communication«70
schon häufig als
Kennzeichen des äsopischen Schreibens identifiziert worden sind. Denn erstens kommt man
schon durch die Fragestellung nach ästhetischen Manifestationen von Zensur im Zensierten in
den Geruch politisch verdächtiger Apologetik systematischer Repression;71
und zweitens ist
es methodisch äußerst schwierig, beispielsweise einen literarischen Text nach
zensurbedingten Elementen abzuklopfen, weil der Kausalitätsnachweis in der Regel nicht zu
erbringen ist, vor allem bei älterer Literatur, deren Autoren man nicht mehr befragen kann.
Von DDR-Schriftstellern hingegen gibt es durchaus Äußerungen zur Sache. So spricht
Joachim Seyppel vom »Porzellanhund«, einer bewußt in den Text eingebauten, aber nicht
Wissen. Sexualität und Wahrheit, Bd. 1. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1998 [1983]. (Suhrkamp Taschenbuch
Wissenschaft 716). 67
Müller: Stasi – Zensur – Machtdiskurse, S. 38. 68
Müller, S. 42. 69
Michael G. Levine: Writing Through Repression. Literature, Censorship, Psychoanalysis. Baltimore, London:
The Johns Hopkins University Press 1994, S. 2. 70
Annabel Patterson: Censorship. In: Martin Coyle et al. (Hrsg.): Encyclopedia of Literature and Criticism.
London: Routledge 1991 [1990], S. 901-914. Hier S. 905. 71
Theo Mechtenberg konstatiert: »Wer vom poetischen Gewinn der Zensur spricht, setzt sich dem Vorwurf des
Zynismus aus.« Mechtenberg: Vom poetischen Gewinn der Zensur. In: Deutschland Archiv 9
(1985), S. 977-984. Hier S. 977.
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16
essentiellen Provokation des Zensors, die dazu diente, vom wahren Anliegen des Manuskripts
abzulenken:
Der Porzellanhund war so beschaffen, daß man eine Sache derart in der Darstellung
übertrieb, daß sie beim Zensor keine Chance hatte. Aber um diese Sache ging es einem
gar nicht. Die Sache, um die es einem ging, war anderswo dargestellt, doch nicht derart
übertrieben. Kam nun Lektor, Verlagsleiter oder Frau Borst vom Ministerium für
Kultur, eine liebenswerte, hübsche Zensorin, und sagte, diese Sache sei ja derart
übertrieben, daß sie im Manuskript gestrichen werden müsse, raufte man sich das Haar,
tobte, erklärte, dann könne das ganze Buch nicht erscheinen, und drohte mit Mitteilung
an die Westpresse. Das brachte die hübsche, liebenswerte, blonde Frau Borst in Rage,
nun war sie es, die drohte, und am Ende einigten sich beide Seiten, daß diese maßlos
übertriebene Darstellung gestrichen werden würde – und sonst nichts! Der eingebaute
›Porzellanhund‹ war zerschmissen worden, dazu war er ja auch da, und die Stelle, um
die es einem eigentlich ging, war gerettet. Heute frage ich mich, in wie weit da die
Zensur notgedrungen ein ihr bekanntes Spiel mitspielte?72
Analog spricht Joachim Walther von »Jacken, die ich in den Text gehängt hatte.«73
Doch
Selbstaussagen von Autoren, die im übrigen eine eigene Studie wert wären, ergeben noch
keine Phänomenologie. Holger Brohm versucht, Spuren von Zensur in der polyphonen
Mehrdeutigkeit von Texten zu verorten, die eine einsinnige Lektüre unmöglich macht und das
Schmuggeln versteckter Botschaften ermöglicht.74
Elana Gomel betrachtet »allegorical
strategies as an element of what might be called the poetics of censorship: a collocation of the
ways of reading and writing that are born out of external sociopolitical pressures exerted upon
literature.«75
Das offensichtliche Problem mit diesem Ansatz liegt darin, dass der
Umkehrschluß nicht funktioniert: Nicht jeder polyphone oder allegorische Text ist Produkt
von Zensur oder Selbstzensur, und wie soll man philologisch sauber differenzieren zwischen
einem wegen ästhetischer Präferenzen des Autors mehrdeutigen Text und einem ähnlich
ambivalenten Text, der diese Wesensart dem zensorischen Kontext verdankt, in dem er
entstanden ist? Magdalena Michalak-Etzold differenziert zwischen bewußter und unbewußter
Selbstzensur und befindet: »der Vorgang der unbewußten Selbstzensur [kann] kaum
nachvollzogen werden, denn nur Zensurakte, die der Autor bewußt vornahm und
thematisierte, können für die literarische Forschung erschlossen werden. [...] Denk- und
Schreibverbote, die Autoren über sich selbst verhängen, werden oft tabuisiert.«76
Kanzog
macht einen interessanten Vorschlag, der allerdings eine ideale Materiallage voraussetzt: Er
regt an, den Beweis für Selbstzensur zu erbringen durch ein »Syntagma der
Zensurstreichungen« sowie die »Ordnung und Klassifikation des Gesamtbestandes aller
Zensurstreichungen«, auf deren Basis sich thematische Zusammenhänge der vorgenommenen
Streichungen – und daher sowohl die Logik der Zensur als auch deren Einfluß auf den
literarischen Schreibprozeß – feststellen lassen.77
Ergebnis der Magisterarbeit von Sabine
72
Ernst Wichner / Herbert Wiesner (Hrsg.): Zensur in der DDR. Geschichte, Praxis und ›Ästhetik‹ der
Behinderung von Literatur. Ausstellungsbuch. Berlin: Literaturhaus Berlin 1991, S. 25. 73
Wichner / Wiesner, S. 26. 74
Holger Brohm: Der andere Text. Zum Status von Zensur und Selbstzensur in Franz Fühmanns Trakl-Essay
Vor Feuerschlünden. In: Müller (Hrsg.): Zensur im modernen deutschen Kulturraum. Tübingen: Niemeyer
2003, S. 181-193. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 94). 75
Elana Gomel: The Poetics of Censorship. Allegory as Form and Ideology in the Novels of Arkady and Boris
Strugatsky. In: Science Fiction Studies 22.1 (März 1995), S. 87-105. Hier S. 88. 76
Magdalena Michalak-Etzold: Literarische Selbstzensur in Deutschland vor und nach 1945. In: ZfdPh 114
(1995), S. 580-599. Hier S. 582. 77
Kanzog: Textkritische Probleme der literarischen Zensur. Zukünftige Aufgaben einer
literaturwissenschaftlichen Zensurforschung. In: Herbert G. Göpfert / Erdmann Weyrauch (Hrsg.):
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17
Laußmann über Hauptmanns Die Ratten sei gewesen, dass »die drei
Hauptaufmerksamkeitsfelder der Zensur – Politik, Moral und Religion – Orientierungsmuster
für die Streichungen bilden.«78
Müller arbeitet komparatistisch und thematisch, um anhand
des Zensurmotivs Zensurästhetik zu erkunden. In einem Vergleich von zwölf
Gegenwartsromanen aus Ost und West hat sie herausgefunden, dass die erzählte Zensur je
nach Gesellschaftssystem, in dem die Verfasser lebten, unterschiedlich ausgestaltet worden
ist: In den Westromanen bedroht die thematisierte Zensur die weitere Rezeption von
Klassikern, wohingegen es in den Osttexten um die Behinderung der Fertigstellung eines
Textes geht, sich also die von den Autoren in sozialistischen oder totalitären Ländern real
erfahrenen Probleme mit der Veröffentlichung von Literatur in der spezifischen
Gestaltungsweise des Zensurmotivs niedergeschlagen haben.79
Franz Huberth untersucht
literarische Repräsentationen der Stasi in Texten aus DDR und BRD.80
Zu den »Zeichen- und
Kodierungsmöglichkeiten [...], mit Hilfe derer die ›Stasi‹ bereits zu DDR-Zeiten Eingang in
die Literatur und in deren Sub-Texte fand«, zählt Huberth den Rückgriff auf Mythen,
historisches Erzählen, Science Fiction, Kinder- und Jugendliteratur, Doppeldeutigkeit,
Polysemie und Polyvalenz.81
Ursula Heukenkamp behandelt den Zusammenhang von
Kriegsliteratur und Zensur in der DDR.82
Ein Buch, das schon mehr als zwanzig Jahre alt ist und dennoch in der
deutschsprachigen Zensurforschung so gut wie gar nicht rezipiert worden ist, ist Lev Loseffs
dem Russischen Formalismus verbundene systematische Studie der äsopischen Schreibweise
in der modernen russischen Literatur.83
Loseff geht von der Überlegung aus, dass die
äsopische Sprache ein Modus des Schreibens ist, der der Existenz der Zensur (und also
außerliterarischen Faktoren) entspringt und der sich als ein System konsistenter
Textveränderungen äußert.84
Letztere sind ›metastilistischer‹ Natur, weil sie als Kontrast zu
einer bestehenden sozio-ideologischen Situation in einen Text eingefügt werden, der selber
bereits literarisch, d.h. stilistisch markiert ist.85
Die äsopische Äußerung kann daher nur durch
Bezugnahme auf den außerliterarischen Kontext entschlüsselt werden, was nicht nur bedeutet,
dass der Schriftsteller den Leser auf den Text zwischen den Zeilen aufmerksam machen muß,
um das gewünschte Textverständnis zu erzielen, sondern es muß sich bei den äsopischen
Stellen um Formulierungen für Inhalte handeln, die dem Leser bereits bekannt sind, weil die
Botschaft sonst nicht entschlüsselt werden könnte: »the Aesopian writer alludes to
information, or rather a body of information, which is already known to the reader by
experience, rumor, or such other channels as foreign radio broadcasts,« denn »all that is
Aesopian in literary art rests precisely upon the joint possession by author and reader (sender
and receiver) of one and the same piece of information. Otherwise not a single one of the
›Unmoralisch an sich...‹. Zensur im 18. und 19. Jahrhundert. Wiesbaden: Harrassowitz 1988, S.309-331.
(Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 13). Hier S. 310 u. S. 319. 78
Kanzog, S. 319. 79
Müller: Spannung durch Zensur. Zur Phänomenologie eines Motivs der Gegenwartsprosa in Ost und West. In:
Raimund Borgmeier / Peter Wenzel (Hrsg.): Spannung. Studien zur englischsprachigen Literatur. Für Ulrich
Suerbaum zum 75. Geburtstag. Trier: WVT 2001, S. 213-233. - ›Ost‹ und ›West‹ sind hier natürlich als
Chiffren für politische Systeme zu verstehen, nicht als geographische Bezeichnungen. 80
Franz Huberth: Aufklärung zwischen den Zeilen. Stasi als Thema in der Literatur. Köln, Weimar, Wien:
Böhlau 2003. [zugl. Diss. phil. Tübingen]. 81
Huberth, S. 108-132, S. 360f., passim. Zitat auf S. 108. 82
Ursula Heukenkamp (Hrsg.): Unerwünschte Erfahrung. Kriegsliteratur und Zensur in der DDR. Berlin,
Weimar: Aufbau 1990. 83
Lev Loseff: On the Beneficence of Censorship. Aesopian Language in Modern Russian Literature.
Übers. v. Jane Bobko. München: Verlag Otto Sagner in Kommission 1984. (Arbeiten und Texte zur Slavistik
31). 84
Loseff, S. 6f. 85
Loseff, S. 23.
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18
Aesopian devices [...] (screens and markers) would succeed.«86
Loseff konstatiert daher eine
»enormous disproportion between the structural sophistication, the multiplicity of the code's
forms and the restricted scope, monotony, and customary vagueness of the content.«87
Wenn
Loseff recht hat und die äsopische Sprache nur Altbekanntes transportiert, warum befleißigen
die Autoren sich ihrer überhaupt? Loseffs Antwort lautet, die ambivalente, äsopische
Äußerung ersetze die direktere Kritik, die der Zensor gestrichen hat, und sichere durch ihre
oft (im Bachtinschen Sinne) karnevalesken Mittel, die das vom Staat Hochgehaltene
verlachen, eine komische Katharsis beim Leser.88
Loseff untersucht sowohl die Markierungen
(›markers‹) und Abschirmungen (›screens‹), die das Äsopische als solches kennzeichnen bzw.
verstecken, als auch die Typologie der poetischen Mittel, in der es sich manifestiert.89
Dabei
differenziert Loseff zwischen Gattungen, Leserschaft und Formen ambivalenten, äsopischen
Sprechens: eine Parabel kann z.B. dadurch ›abgeschirmt‹ werden, dass die Handlung in einem
historischen, exotischen oder fantastischen Kontext situiert wird; ein Buch, das sich
anscheinend an Kinder oder an ein Spezialpublikum richtet, kann in Wahrheit für die
allgemeine Leserschaft geschrieben worden sein; und auf der Äußerungsebene »virtually
every type of trope, rhetorical figure, and poetic device is encountered«, z.B. Allegorie,
Parodie, Umschreibung oder Ellipse.90
Im zweiten Teil seiner Monographie diskutiert Loseff
den Einfluß äsopischen Schreibens auf die Struktur ausgewählter Werke, auf die Formierung
eines individuellen poetischen Schreibstils und auf Literatur, die sich zum Schein an Kinder
wendet. Damit darf diese Studie als die bisher ausführlichste zum Thema zensurinduzierter
Ästhetik gelten, auch wenn Elemente seiner äsopischen Typologie andernorts bereits
identifiziert worden sind und natürlich auch außerhalb äsopischer Texte vorkommen.
Eine methodisch interessante Annäherung an die Ästhetik der Zensur und an
Selbstzensur stammt von Michael Levine. In einem an Poststrukturalismus, Dekonstruktion
und Psychoanalyse geschulten Zugriff untersucht Levine in Writing Through Repression die
konfliktreichen Wechselwirkungen und Interdependenzen zwischen Schreiben und
Repression in Literatur und Psychoanalyse: »what kind of writing, what style and grammar,
what habits of collaboration and co-dependency does the imposition of censorship and, more
particularly, its self-imposition make possible?«91
Ausgehend von Freuds Traumdeutung, in
der der Psychoanalytiker sich bekanntlich der Metapher der Zensur bedient, um die für die
Wunschverschleierung notwendige Traumentstellung zu veranschaulichen,92
betont Levine
den oft übersehenen, ja verdrängten literarischen Charakter von Freuds Texten, der es seinem
Autor erst ermöglicht habe, Beobachtungen zu verschriftlichen, die sich auf ausschließlich
deskriptiv-denotativer Ebene nicht erschlossen hätten.93
Damit wird der Stil von Freuds
Texten auch epistemologisch konstitutiv für ihre Inhalte – und umgekehrt. Wie der Traum
durch seine (verschlüsselten) Bilder Sinn sowohl versteckt als auch entfaltet, sind in
Psychoanalyse und Literatur (vor allem in zensierter sowie selbstzensierter) ähnliche
Verfahren zu beobachten. In dieser Perspektive verliert die Psychoanalyse ihren Status als
Hort gesicherten Wissens, das auf Literatur interpretierend angewandt werden kann, und die
Literatur erhält als Quelle psychoanalytischen Vokabulars (›Ödipus-Komplex‹ etc.) eine
Schlüsselposition für die Befragung der Psychoanalyse aus literarischer Sicht. Eine
86
Loseff, S. 26, S. 219f. u. S. 219. 87
Loseff, S. 217. 88
Loseff, S. 45 u. S. 221. 89
Loseff, S. 51 sowie Kapitel III. 90
Loseff, S. 61. 91
Levine: Writing Through Repression, S. 2. (Auszeichnung im Orig.). 92
Sigmund Freud: Die Traumdeutung. [1900]. Frankfurt/M.: Fischer 1998 [1991], S. 173. - Zur Kritik an Freuds
metaphorischer Verwendung des Begriffs der Zensur für die Beschreibung der Widerstände, denen die
Psychoanalyse bei der Traumdeutung gegenübersteht, s. Nicholas Harrison: Circles of Censorship.
Censorship and its Metaphors in French History, Literature and Theory. Oxford: Clarendon Press 1995. 93
Levine: Writing Through Repression, S. 14-16.
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literarische Lektüre fragt »not only ›how Freud said what he did‹ but moreover how his text
does more than it says it is doing.«94
Die Parallelen zur Analyse zensierter Literatur sind
offensichtlich - es kommt nicht nur auf die bewußt angewandten äsopischen Kunstkniffe des
in zensorischen Kontexten wirkenden Schriftstellers an, sondern auch auf die ihm
unbewußten, der Selbstzensur geschuldeten ästhetischen Verfahren und Inhalte, auf das
›Mehr‹ eines Textes, dessen Grenzen, Genese, Identität und Autorschaft frag-würdig sind:
»censorship inevitably raises questions about discursive boundaries and their transgression.«95
Wie Levine den privilegierten Subjektstatus der Psychoanalyse als Instrument
objektiv-wissenschaftlicher Analyse unter Hinweis auf die literarische Performanz dieser
Disziplin kritisch hinterfragt, hat der ›New Historicism‹ der Historiographie narrative
Elemente nachgewiesen und daraus geschlossen, Geschichtswissenschaft sei ultimativ
fiktionalen Charakters.96
Ist Geschichte lediglich »eine Erzählung unter anderen«, wie Roger
Chartier es zugespitzt formuliert?97
Eine solche Sicht schießt über das Ziel hinaus, denn die
notwendige Selektion, Deutung und Darstellung historischen Materials in Form eines
erzählenden Textes ist nicht gleichbedeutend mit dessen Fiktionalität. Doch haben
Postmoderne und ›New Historicism‹ zu einer nützlichen Reflexion von Rolle, Praxis und
Verantwortung des Historikers geführt. Der Glaube an die Möglichkeit, ja an den Wert
einsinniger Rekonstruktion von Vergangenheit ist ins Wanken geraten. Das hat Konsequenzen
auch für die historische Zensurforschung, arbeitet sie doch viel mit Quellenmaterial und
historischen Darstellungsformen. Wenn Breuer auf seine Frage »Woraufhin soll der
Zensurhistoriker seine Quellen auswerten?« mit dem Verweis auf »systemtheoretische
Erklärungsmöglichkeiten nicht nur der gesellschaftlichen Normenkontrolle, sondern auch des
historischen Normenwandels« antwortet, sieht er die Tragweite seiner Frage nicht ganz.98
Denn empirisches Material kann, wie Sigrid Roßteutscher klarstellt, zu ganz
unterschiedlichen Auslegungen führen: »history serves as a huge quarry providing empirical
proof for highly diverging accounts.«99
Der Zweifel an der Fähigkeit des Historikers,
Vergangenes zuverlässig zu rekonstruieren, liegt einerseits im Mißtrauen des
interpretatorischen Tuns des Wissenschaftlers begründet, hat aber andererseits mindestens
ebenso viel mit der Tatsache zu tun, dass heute historisches Quellenmaterial selber als
Konstrukt beargwöhnt wird, anstatt als ›Steinbruch‹ der Wahrheit. Natürlich ist schon immer
quellenkritisch gearbeitet worden, doch diente dies stets der Gewinnung einer verläßlichen
Materialbasis durch Identifikation und Relegation des als faktisch weniger zuverlässig
Erscheinenden. Im Zuge des textual turn jedoch werden Quellen nicht mehr primär auf ihre
Stichhaltigkeit, auf ihren faktischen Weltbezug, auf ihre Verwendbarkeit als Beweismaterial
hin bewertet; vielmehr stehen ihre textuellen Eigenschaften im Vordergrund: Gattung, Stil,
Diskurs, Metaphorik, Motivik, Rhetorik usw. – kurzum, Konstruktcharakter und Machart der
Texte, die Funktion der Gestaltungsweise für die jeweilige Argumentation sowie
intertextuelle Relationen im fraglichen Aktenbestand. Kanzog spricht angesichts des
gesteigerten Interesses an »Argumentationen der Gutachter« von einem editorischen
94
Levine, S. 13. 95
Levine, S. 6. 96
So spricht Hayden White vom »emplotment«, dem seines Erachtens notwendigen Rückgriff auf poetische und
rhetorische Verfahren für die narrative Vermittlung historischer Fakten, in denen er »generic story patterns«
zu erkennen glaubt, die die »›plots‹« der zu vermittelnden Geschichte bereitstellen. White: Historical
Emplotment and the Problem of Truth. In: Keith Jenkins (Hrsg.): The Postmodern History Reader. London,
New York: Routledge 1997, S. 392-396. Hier S. 393. In diesem Band auch zahlreiche weitere Texte zur
Auseinandersetzung zwischen Postmoderne und Geschichtswissenschaft. 97
Roger Chartier: Die unvollendete Vergangenheit. Geschichte und die Macht der Weltauslegung. Aus dem
Französischen von Ulrich Raulff. Frankfurt/M.: Fischer 1992, S. 36. 98
Breuer: Stand und Aufgaben der Zensurforschung, S. 58. 99
Sigrid Roßteutscher: Competing Narratives and the Social Construction of Reality. The GDR in Transition. In:
German Politics 9.1 (2000), S. 61-82. Hier S. 63.
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20
»Nachholbedarf«: »Vollständige Akten-, bzw. Gutachtenpublikationen stehen nicht in
gebotenem Maße zur Verfügung.«100
In der jüngeren Zensurforschung werden Textzeugen
zensorischer Auseinandersetzungen mittlerweile intensiver als bisher auf ihre
Argumentationen und Diskurse hin befragt, anstatt in erster Linie als Grundlage für
Rekonstruktionen historischer Abläufe zu dienen.101
Die Vorteile eines solchen Ansatzes
liegen auf der Hand: Er entlastet den Wissenschaftler von der oft unmöglichen Aufgabe, Fakt
von Fiktion zu trennen, hebt die Analyse über das geschichtliche Puzzlespiel hinaus, erlaubt
die Wahrnehmung der Texte als solche, und bietet somit vor allem den
Literaturwissenschaftlern unter den Zensurforschern die Chance, das zu tun, was sie gut
können, nämlich interpretierend mit und an Texten zu arbeiten.
Das Nachdenken darüber, was Geschichtsschreibung leisten kann, hat auch den
Umgang mit Archivalien und die Eigenarten von Archiven in den Blickpunkt gerückt. Zu den
einschlägigen Studien von Philosophen, Kultur- und Medienwissenschaftlern gehören
diejenigen von Wolfgang Ernst und Cornelia Vismann, die das Funktionieren des
Gedächtnismediums Archiv behandeln; Vismann entwirft eine ›Grammatologie‹ von
Aktentexten.102
Vismanns genaue Auseinandersetzung mit den Wesenszügen der Akte wäre
dazu geeignet, auch die Interpretation von Zensurakten zu bereichern.
Die genannten Arbeiten über Archive stehen im Kontext eines allgemeinen, aktuellen
Interesses an den Zusammenhängen zwischen Medien, (Schrift)Kultur und Gedächtnis. Da im
Zuge dieser Debatte Manifestationen und Traditionen des kulturellen Gedächtnisses erforscht
werden, gehört der Kanon als Hüter der Überlieferung zu den wichtigen
Untersuchungsgegenständen: »Kanon soll [...] ein Oberbegriff für alle Versuche sein,
gesellschaftliche Einheit und kulturelle Stabilität mit Normierungen und institutionellen
Mitteln zu sichern.«103
Die sowohl in Deutschland als auch im angelsächsischen Raum lebhaft
geführte Kanondebatte ist für die Zensurforschung deshalb relevant, weil ihr die Zensur als
Kontrastfolie oder Pendant für den Kanon dient.104
Es ist leicht einzusehen, warum:
Schließlich sind kanonrelevante Selektionshandlungen, Abgrenzungen und
Normierungsversuche auch zensurtypisch. Aleida und Jan Assmann, Herausgeber eines für
die Kanonforschung sehr wichtigen Bandes, betrachten »Kanon und Zensur als korrelative
Begriffe«.105
Das ist jedoch ein wenig irreführend, denn Zensur impliziert zwar die Existenz
eines Kanons, aber das Vorhandensein eines Kanons bedeutet noch lange nicht, dass es auch
Zensur gibt. Die Assmanns differenzieren zwischen drei Einrichtungen, die als »Wächter der
Überlieferung« kanonische kulturelle »Permanenz« herstellen: Zensur, Textpflege und
100
Kanzog: Textkritische Probleme der literarischen Zensur, S. 320. – Zensur-Dokumente werden beispielsweise
vollständig und in großem Umfang reproduziert in: York-Gothart Mix: Ein ›Oberkunze darf nicht
vorkommen‹. Materialien zur Publikationsgeschichte und Zensur des Hinze-Kunze-Romans von Volker
Braun. Wiesbaden: Harrassowitz 1993. (Schriften und Zeugnisse zur Buchgeschichte 4); Müller: Stasi –
Zensur – Machtdiskurse; Plachta: Damnatur – Toleratur – Admittitur (dort allerdings – wenig leserfreundlich
– auf beigefügtem Microfiche); Ziegler: Literarische Zensur in Deutschland 1819-1848. 101
Beispielhaft seien folgende Studien genannt: Brohm: Die Koordinaten im Kopf; Hyunseon Lee:
Geständniszwang und ›Wahrheit des Charakters‹ in der Literatur der DDR. Diskursanalytische Fallstudien.
Stuttgart, Weimar: Metzler 2000; Müller: Stasi – Zensur – Machtdiskurse. 102
Wolfgang Ernst: Das Rumoren der Archive. Ordnung aus Unordnung. Berlin: Merve 2002. (Internationaler
Merve-Diskurs 243); Cornelia Vismann: Akten. Medientechnik und Recht. Frankfurt/M.: Fischer 2000. 103
Winfried Schulze: Kanon und Pluralisierung in der Frühen Neuzeit. In: Aleida und Jan Assmann: Kanon und
Zensur als kultursoziologische Kategorien. In: Aleida und Jan Assmann (Hrsg.): Kanon und Zensur.
Archäologie der literarischen Kommunikation II. München: Fink 1987, S. 317-325. Hier S. 317.
(Auszeichnung im Original.) 104
Ausführlicher als hier zur Relevanz der Kanondebatte für die Zensurforschung vgl. Müller: Über
Zensur, S. 11-14. 105
Aleida und Jan Assmann: Kanon und Zensur als kultursoziologische Kategorien. In: Aleida und Jan Assmann
(Hrsg.): Kanon und Zensur. Archäologie der literarischen Kommunikation II. München: Fink 1987, S. 7-27.
Hier S. 19.
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21
Sinnpflege.106
Die Zensur bekommt die Rolle des Schwarzen Peter zugeschoben: Zur Zensur
gehöre
neben der Abgrenzung gegen das Fremde, Unechte, Falsche auch die Immunisierung
gegen den Wandel. Diese Aufgabe ist spezialisierten Institutionen übertragen, die wir
unter den Begriffen der ›Textpflege‹ und der ›Sinnpflege‹ zusammenfassen wollen. Im
Gegensatz zu der wesentlich negativen Stoßkraft der Zensur, die ausscheidet,
herabmindert und verhindert, fällt den beiden anderen Institutionen eine vornehmlich
konservative bzw. kreative Funktion zu.107
Das ist jedoch zu schematisch und abstrakt gedacht. Denn in der zensorischen Praxis wird
nicht nur ›ausgeschieden‹, ›herabgemindert‹ und ›verhindert‹, sondern auch erlaubt oder mit
Variationen zugelassen. Das solcherart verlegte Buch ist ja ungeachtet der zensorischen
Interventionen ein kreatives Werk, und schon durch den Legitimationseffekt zensorischer
Imprimatur-Entscheidungen zeigt sich die Zensur von ihrer ›konservativ-kreativen‹ Seite:
»Gewiß wird man nur schwerlich argumentieren können, bei einem Placet des Zensors liege
eigentlich gar keine Zensur, sondern Text- oder Sinnpflege vor, wohingegen es sich bei einer
verweigerten Druckerlaubnis derselben Institution um Zensur handele.«108
Die strenge
Abspaltung der Zensur von der Text- und Sinnpflege wird von den Assmanns denn auch nicht
durchgehalten, impliziert ihre Unterscheidung dreier Zensurtypen doch konzeptionelle
Überschneidungen, weil Typ zwei der Textpflege ähnelt und Typ drei der Sinnpflege: »Wir
unterscheiden 3 idealtypische Grundformen der Zensur: die Zensur zur Bewahrung der Macht
gegen das Subversive, die Zensur zur Profilierung des Kanons gegen das Apokryphe
(Profane, Heidnische) und die Zensur zur Bewahrung des Sinns gegen das Häretische.«109
Unzweifelhaft bestehen Parallelen zwischen Kanon und Zensur: Beide trennen
Kulturgut in rezeptionswürdige und rezeptionsunwürdige Werke, beide können zur
kulturellen Sinnstiftung und Traditionsbildung beitragen, beide spiegeln Eigenschaften des
Kulturbetriebs, (kultur)politischer Machtverhältnisse sowie der kulturellen Praxis einer
Gesellschaft, mit beiden kann Macht ausgeübt werden. Damit hören die Gemeinsamkeiten
jedoch auf, und essentielle Unterschiede zwischen Kanon und Zensur springen ins Auge: Die
für die Ausübung von Zensur unverzichtliche institutionelle, verfahrenstechnisch-
bürokratische und legale Verankerung kontrastiert mit vielen Erscheinungsformen des Kanon,
die durchaus nicht ›von oben verordnet‹ zu sein brauchen, wie es freilich u.a. bei schulischen
Kurrikula der Fall ist, nicht jedoch bei solchen Kanones, die auf den (natürlich auch durch
Vermarktung gesteuerten) Vorlieben eines Zielpublikums basieren, z.B. in der Musikbranche.
Im Gegensatz zur ›mono-logischen‹ Zensur gibt es beim Kanon Pluralismus insofern, als
verschiedene Kanones in verschiedenen Kontexten nebeneinander existieren: »Nur in kleinen
Gruppen und in der offiziellen Kultur totalitärer Gesellschaften gelingt es, einen einzigen
Kanon ›von oben‹ oder wenige homogene Kanones durchzusetzen. Differenzierte moderne
Kulturen verfügen über konkurrierende Autoren- und Werkkataloge, die sich nur zum Teil
überschneiden.«110
So gibt es in der Rockmusik ganz andere Vorstellungen davon, was
kanonisch ist, als z.B. beim Jazz oder Musical. Grenzt ein Kanon ein Werk zugunsten eines
anderen aus, so läßt er das Zurückgewiesene selber unangetastet; die Zensur hingegen greift
entweder schon in die Entstehungs- und Produktionsphase ein oder behindert aktiv die
Verteilung und Rezeption des fraglichen Werkes. Martina Langermann und Thomas Taterka
106
Assmann, S. 11. 107
Assmann, S. 11f. 108
Müller: Über Zensur, S. 12. 109
Assmann: Kanon und Zensur als kultursoziologische Kategorien, S. 26 (Anm. 11). 110
Rainer Grübel: Wert, Kanon und Zensur. In: Heinz Ludwig Arnold / Heinrich Detering (Hrsg.): Grundzüge
der Literaturwissenschaft. München: dtv 1997 [1996], S. 601–622. Hier S. 619.
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stellen Kanon und Zensur einander gegenüber; sie sprechen von der DDR, doch treffen die
beschriebenen Mechanismen auch auf andere politische Welten zu:
Kanon war ein Machtmittel, um Ziele auf Konsensbasis zu erreichen, Handeln durch
Selbsttätigkeit in eine intendierte Richtung zu treiben. Wenn aber die handlungsleitende
Funktion des Kanons Formen der Anerkennung voraussetzt, muß seine Existenz gerade
da vermutet werden, wo er oberflächlich nicht wahrnehmbar und, im Sinne
erfolgreicher Vermittlung von Interessen, wie ›selbstverständlich‹, gewissermaßen
naturhaft, anwesend und wirksam war. In genauem Gegensatz dazu steht die Zensur:
Zensurfälle markierten eine nicht-erfolgreiche Vermittlung. Zensur erscheint in dieser
Perspektive nicht als schlichtweg negierender, abschneidender Akt. Sie gibt vor allem
ein Scheitern sonst ›gelungener‹ vorgängiger Vermittlungen zu erkennen, das Scheitern
von Kanonisierungsversuchen, das nach dem Selbstverständnis des institutionellen
Systems nun die krude Intervention, das offene Eingreifen, notwendig machte.111
Es wird klar, dass Kanon und Zensur ineinander greifen. Wer von beiden der
kulturgeschichtlich wirkungsmächtigere Faktor ist oder war, werden Kanonforscher und
Zensurforscher unterschiedlich (und nicht ganz uneigennützig) beantworten: Wo Breuer
»Literaturgeschichte als Zensurgeschichte« sieht, ist für Schulze die »europäische Frühe
Neuzeit [...] ganz allgemein durch die Dialektik von Kanon und Pluralisierung zu
charakterisieren«.112
Eins steht jedoch fest: Was Robert Post der traditionellen
Zensurforschung attestiert – nämlich Langeweile113
– hat sich verflüchtigt, und zwar nicht nur
aufgrund der Öffnung bisher unzugänglicher Archive, ob in der ehemaligen DDR, Osteuropa
oder Vatikanstadt.
Desiderate
Statt einer Zusammenfassung seien zum Abschluß einige wenige Forschungslücken
aufgezeigt, die im Haupttext dieses Beitrags noch nicht oder noch nicht adäquat als solche
identifiziert worden sind. Dem Grundtenor dieses Aufsatzes entsprechend beziehen sich die
nachfolgenden Ausführungen weniger auf Desiderate in der historischen Zensurforschung als
auf untererforschte Probleme theoretischer, systematischer oder thematisch übergeordneter
Natur.
Wenn es schon einem einzelnen Autor – oder selbst einem kleineren Autorenteam – nicht
zuzumuten ist, eine umfassende deutsche Zensurgeschichte zu schreiben, könnte eine
wissenschaftlich angelegte Enzyklopädie, die die thematische Breite der gegenwärtigen
Zensurforschung spiegelt, Abhilfe schaffen. Die von Derek Jones herausgegebene ist hier
kein besonders gutes Vorbild, weil die Einträge in ihrer Qualität sehr unterschiedlich sind
und theoretische Belange völlig unterrepräsentiert sind – es gibt noch nicht einmal
Stichwörter zur Zensurtheorie oder zur Zensurdefinition.114
111
Martina Langermann / Thomas Taterka: Von der versuchten Verfertigung einer Literaturgesellschaft. Kanon
und Norm in der literarischen Kommunikation der DDR. In: Birgit Dahlke / Martina Langermann / Thomas
Taterka (Hrsg.): LiteraturGesellschaft DDR. Kanonkämpfe und ihre Geschichte(n). Stuttgart, Weimar:
Metzler 2000, S. 1–32. Hier S. 17. 112
Breuer: Stand und Aufgaben der Zensurforschung, S. 43; Schulze: Kanon und Pluralisierung in der Frühen
Neuzeit, S. 317f. 113
Robert C. Post: Censorship and Silencing. In: Robert C. Post (Hrsg.): Censorship and Silencing. Practices of
Cultural Regulation. Los Angeles: The Getty Research Institute 1998, S. 1-12. Hier S. 1. 114
Derek Jones (Hrsg.): Censorship. A World Encyclopedia. 4 Bde. London, Chicago/IL: Fitzroy Dearborn
2001.
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Sowohl von der Zensur Betroffene als auch Verfasser von Sekundärliteratur tendieren
dazu, sich metaphorisch zur Zensur zu äußern. Da ist die Rede vom Maulkorb, von der
Schere im Kopf, vom ›Gedankenkindermord‹ (nach Heine), der Amputation, der
Entmündigung durch Zensur, deren Richtschwert usw. In diesen und anderen
Formulierungen drücken sich Werturteile und Vorstellungen über die Funktionsweise von
Zensur aus, denen diskursanalytisch nachzuforschen sehr interessant wäre, etwa wenn man
die bildstiftenden Bereiche systematisierte und ihre Verwendung historisierte, um auf der
Basis von Konstanten und Varianten geistesgeschichtliche oder durch unterschiedliche
politische Systeme bedingte Entwicklungen des Bildes von der Zensur nachzuzeichnen.
Die Aussage, ein Buchverbot sei eine gute Reklame für das betroffene Werk und seinen
Schöpfer, ist ein Gemeinplatz in der Forschung; Brohm befindet gar, »daß ein
Publikationsverbot wie ein Adelstitel wirken« kann.115
Doch fehlt es an fundierten
Untersuchungen, die die komplexe Beziehung zwischen Zensur und Markt erhellen. Das
hängt selbstverständlich auch damit zusammen, dass es unmöglich ist, aus den schwarzen
Zahlen, die ein beispielsweise in der DDR verbotenes, aber in der BRD erfolgreich
verlegtes Buch erzielt hat, ›normale‹ Verkaufszahlen abzuleiten, die das Buch hätte
erzielen können, wenn es nicht verboten worden wäre. Doch ›Markt‹ ist ja nicht
gleichbedeutend mit ›Umsatz‹, und so kann man andere marktrelevante Aspekte
erforschen, z.B. Werbetexte für Bücher, Profile von Verlagsprogrammen, Messekataloge,
oder auch verlegerische Deliberationen über Absatzchancen und Verkaufsstrategien, wie
sie in Firmenunterlagen und Korrespondenz zutage treten (auch wenn einschlägiges
Material nicht (mehr) unbedingt vorhanden oder frei zugänglich ist).
Die Aufarbeitung der Geschichte einzelner Institutionen des Literatur- oder Kulturbetriebs
und ihres Verhaltens in zensorischen Kontexten ist weiter voranzutreiben: Verlage,
Buchhandlungen, Buchmessen, Börsenvereine, Bibliotheken,116
Theater, Museen,
Schriftsteller- und Künstlerverbände etc. haben alle Anteil an der Mediation zwischen
Kulturschaffenden, Kulturgütern, der Kulturadministration und dem Publikum. Nicht
zuletzt aufgrund der vergleichsweise guten Materiallage sind solche Untersuchungen für
Teile des Kulturbetriebs der DDR bereits geleistet worden – ich verweise exemplarisch auf
die Arbeiten von Simone Barck und Siegfried Lokatis zum Verlag Volk und Welt sowie
auf den buchwissenschaftlich und kulturgeschichtlich hochinteressanten Band Das Loch in
der Mauer.117
Ein sehr untererforschter Gegenstandsbereich ist der Zusammenhang zwischen Zensur und
Übersetzung. Damit ist nicht in erster Linie die Steuerung der Lektüre durch selektive
Übersetzung kanonischer fremdsprachiger Werke, wie es in der DDR Kulturpolitik war,
gemeint,118
sondern die ideologisch motivierte Aussparung ›brenzliger‹ Stellen im
übersetzten Text. Wenn in A Model Childhood, der amerikanischen Übersetzung von
115
Brohm: Die Koordinaten im Kopf, S. 19. 116
Vgl. hierzu Der ›Giftschrank‹. Erotik, Sexualwissenschaft, Politik und Literatur. ›Remota‹. Die
weggesperrten Bücher der Bayerischen Staatsbibliothek. Eine Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek
München vom 2. Oktober bis zum 17. Dezember 2002. Hrsg. von Stephan Kellner. Mit Beitr. von Wolfgang
Ernst. München: BSB 2002 (Ausstellungskataloge Bayerische Staatsbibliothek 73). 117
Simone Barck / Siegfried Lokatis (Hrsg.): Fenster zur Welt. Eine Geschichte des DDR-Verlages Volk und
Welt. Begleitbuch zur Wanderausstellung des Dokumentationszentrums Alltagskultur der DDR e.V. ›Fenster
zur Welt. Der Verlag Volk und Welt und die Zensur internationaler Literatur‹. Hrsg. im Auftrag des
Dokumentationszentrums Alltagskultur der DDR unter Mitarb. von Roland Links und Anja Augustin. Berlin:
Links 2005; Lehmstedt / Lokatis (Hrsg.): Das Loch in der Mauer. 118
Dazu s. Anna-Christina Giovanopoulos: Die amerikanische Literatur in der DDR. Die Institutionalisierung
von Sinn zwischen Affirmation und Subversion. Essen: Die Blaue Eule 2000. (Dresdner Arbeiten zur
Anglistik und Amerikanistik 6). [zugl. Univ. Diss. TU Dresden 2000].
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24
Christa Wolfs Roman Kindheitsmuster (1976), fast alle Passagen, die sich kritisch mit dem
Vietnam-Krieg auseinandersetzen, schlicht fehlen, kann das kein Zufall sein.119
Wenig systematische Beachtung haben Geschlechterverhältnisse im Kontext der Zensur
gefunden, zumindest im deutschsprachigen Raum. Es wäre ferner zu prüfen, ob sich das,
was Barbara Becker-Cantarino ›Geschlechtszensur‹ nennt,120
auf andere
Bevölkerungsgruppen übertragen läßt: Sind Zensurentscheidungen - auch in post-
aufklärerischen Zeiten - mitabhängig vom ethnischen, kulturellen, religiösen Background
der Zensierten?121
Wurden also beispielsweise in der DDR die von jüdischen
Schriftstellern, von Opfern des Faschismus vorgelegten Manuskripte mit einer anderen
Elle gemessen als die Werke anderer Autoren?
Das Thema Zensur müßte für den Schulunterricht didaktisch besser aufbereitet werden.
Bernd Ogans einschlägiges Reclambuch Literaturzensur in Deutschland ist ein löbliches
Unterfangen, doch mittlerweile schon 20 Jahre alt.122
Und im Internet-Zeitalter, in dem
Pornographie, terroristische Anleitungen zum Bombenbau oder Websites zum illegalen
Herunterladen von Musik immer nur einen Mausklick weit weg sind, wäre eine
Einbeziehung auch solcher hochaktueller Problemkreise sehr lohnenswert, nicht zuletzt im
Interesse einer Erziehung zum mündigen Bürger im 21. Jahrhundert.
119
Übers. v. Ursule Molinaro und Hedwig Rappolt. New York: Farrar, Straus und Giroux 1980. – Ich bedanke
mich bei Georgina Paul von der Universität Oxford für diesen Hinweis sowie für die gestattete
Einsichtnahme in einen Brief Christa Wolfs an Georgina Paul in dieser Sache. 120
Barbara Becker-Cantarino: Geschlechtszensur. Zur Literaturproduktion der deutschen Romantik. In: John
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Republik mit einem Ausblick bis heute. Tübingen: Niemeyer, 1995, S. 87-98. (Studien und Texte zur
Sozialgeschichte der Literatur 51). 121
Zu Zensur und Religion in der DDR vgl. Siegfried Bräuer / Clemens Vollnhals (Hrsg.): ›In der DDR gibt es
keine Zensur.‹ Die Evangelische Verlagsanstalt und die Praxis der Druckgenehmigung 1954-1989. Leipzig:
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