WvO-Schüler nahmen an der Gedenkveranstaltung im Hessischen Landtag teil Landtagspräsident Norbert Kartmann und Hessischer Mini- sterpräsident Volker Bouffier im Gepräch mit den Dillenburger Gymnasiasten. Dillenburg/Wiesbaden. Am Samstag, dem 09.11.13 nah- men Oberstufenschüler der Wilhelm-von-Oranien-Schule aus Dillenburg, unter Leitung von STD. Eckhard Scheld, an der Gedenkstunde des Hessi- schen Landtages zum 75. Jah- restag der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 in Wiesbaden teil. Bei der zentra- len Feierstunde des Landes im Plenarsaal sprachen Land- tagspräsident Norbert Kart- mann und Ministerpräsident Volker Bouffier Worte des Gedenkens. Am 9. November 1938, vor 75 Jahren, wurden überall in Deutschland Pogrome gegen jüdische Mitbürger durchge- führt. Synagogen, jüdische Geschäfte, Wohnungen und Friedhöfe wurden in dieser Nacht zerstört. Zehntausende jüdische Mitbürger wurden in Konzentrationslager gebracht, über 1000 Menschen fielen dem Terror zum Opfer. Wie soll man daran erinnern? Ist Erin- nerung noch nötig? Mit diesen Fragen beschäftigte sich zu- nächst Norbert Kartmann, Prä- sident des Hessischen Land- tags in seiner Begrüßung. Für ihn ist die Erinnerung, die wei- tergeben wird, die einzig wirk- liche Maßnahme gegen das Vergessen. Er appellierte an die Zuhörer, dass das Wissen über dieses schreckliche Er- eignis an die Jugend weiterge- ben werden müsse, damit dies nicht in Vergessenheit gerate und sich solch ein schreckli- ches, menschenunwürdiges Ereignis wie die Schoah nicht wiederhole. Für den Minister- präsidenten Volker Bouffier war dieses Pogrom ein Fanal der Verfolgung, die im Holo- caust gipfelte. Er erinnerte auch an ein Wort des israelischen Friedenspreisträgers Amos Oz, dass man die Vergangenheit nicht ignorieren könne, son- dern sich ihr zu stellen habe. Es waren nicht nur die starken Worte, die die beiden Politiker in ihren Reden gefunden hat- ten, mit dem Hinweis, dass wir zwar die Vergangenheit heute nicht mehr ändern kön- nen; dass wir aber die bleiben- de Verpflichtung haben, durch Gedenken und Erinnern ein Zeichen zu setzen, sondern das auch hier auch Im Hessi- schen Landtag eine neue Form der Erinnerungskultur geboten wurde, die überzeugte. Im Rahmen dieser Gedenkfeier gab es nämlich eine Rezitati- on der Schauspielerin Lilli Schwethelm, die, musikalisch begleitet von ihrem Mann Ge- org Crostewitz, Gedichte und Texte der Auschwitz-Überleben- den Hilda Stern-Cohen, geb. 1924 in Nieder-Ohmen und 1997 in New York verstorben, vortrug. Was von dieser Ge- denkstunde in Erinnerung bleibt, ist auch diese beson- dere Art der Darbietung. Die Künstler hatten eine ausge- zeichnete Auswahl aus den Texten von Hilda Stern-Cohen getroffen. Erst nach ihrem Tode im Jahr 1997 hatte ihr Mann ihre Texte gefunden, die 2003 von der Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der Ju- stus-Liebig-Universität Gießen herausgegeben wurden. In ih- rem Bericht „Die letzten Tage des Seminars“ schildert Hilda Stern-Cohen ihre Erinnerung an die Pogromnacht in Würz- burg, als sie Schutz und Hilfe in einem nahegelegen Kloster suchte und die Tür ihr ver- schlossen blieb. Das erinnert daran, dass als die Synago- gen brannten, auch viele Kir- chen stumm blieben. Lilli Schwethelm versetzte sich in ihrer Rezitation in die geäng- stigte Schülerin der Israeliti- schen Lehrer Bildungs-Anstalt in Würzburg und schaffte es, durch ihre Vortragsweise und ihre wechselnde Betonung, die Zuhörer in ihren Bann zu zie- hen. Gerade durch die beglei- tende Gitarrenmusik von Ge- org Crostewitz wurde die Wir- kung der Texte noch unterstri- chen und die Texte konnten nachklingen. 1941 wurde Hil- da Stern-Cohen ins Ghetto verschleppt, wo sie ihre Eltern und Großeltern verlor. 1944 folgte dann die Deportation nach Auschwitz. Sie überlebte einen der beiden berüchtigten Todesmärsche und wartete dann bis 1946 in Österreich auf ihre Auswanderung zu Ver- wandten nach Amerika. In die- ser Zeit schrieb sie auch ihre Erinnerung an das Ghetto in Lodz sowie die Gedichte „Ge- nagelt ist meine Zunge“ und „Der Zug“, in welchem sie ihre Fahrt nach Auschwitz be- schreibt. Schwethelm schloss ihre Rezitation mit einem Zitat aus der Dankesrede von Elie Wiesel zur Verleihung des Frie- densnobelpreises aus dem Jahre 1986: „Frieden ist nicht Gottes Geschenk an seine Geschöpfe; Frieden ist unser Geschenk aneinander.“ Es war beeindruckend bei dieser Ge- denkstunde dabei zu sein se- hen. Mit einer konzentrierten Aufmerksamkeit verfolgten alle Teilnehmer das Programm und Abgeordnete erhoben sich am Ende des Vortrags von den Sitzen, um sich bei den Künst- lern persönlich zu bedanken. Im Anschluss an die Gedenk- veranstaltung lud Landtags- präsident Norbert Kartmann noch zu einem Empfang mit einem Imbiss in den Musik- saal des historischen Land- grafenschlosses. Dort hatten die Jugendlichen auch die Möglichkeit, sich mit Abgeord- neten des Hessischen Land- tages zu unterhalten und über das Erlebte auszutauschen. Ministerpräsident Volker Bouf- fier nahm sich Zeit, um mit den Schülern zu reden, er- mahnte sie, sich nicht wegzu- ducken, wenn die mit den Bomberjacken kämen. „Schaut nicht weg, denn das war das große Problem zur damaligen Zeit“, so der Mini- sterpräsident und erinnerte die Jugendlichen noch einmal dar- an, dass Demokratie und Frei- heit bedeuten, keine Angst mehr haben zu müssen, dafür lohne es, sich einzusetzen. Landtagspräsident Norbert Kartmann war von dem Auftre- ten und Verhalten der WvO- Schüler so angetan, die auch an einem freien Tag nach Wies- baden gekommen waren, so dass er sie für den Dezember noch einmal in den Hessischen Landtag einlud, um dann mit ihnen über den neuen Land- tag und die anstehende Auf- gaben zu sprechen. Karin Caetani, Mitarbeiterin des Hes- sischen Landtags, ermöglicht der Gruppe anschließend noch eine Führung durch das histo- rische Landgrafenschloss. Die Schüler/innen freuen sich be- reits jetzt schon darauf, der Einladung des Landtagspräsi- denten folgen zu dürfen. Text: Jonas Becker, Silas Becker, Sarah Günther, Kester King „Ich denke, wir sollten uns viel öfter klarmachen, dass nicht „einfach“ Frieden herrscht, sondern dass wir dafür kämpfen und einstehen müssen.“ - Kristin Claas „Die Art von Lilli Schwethelm, das Leben von Hilda Stern- Cohen darzustellen, war dem Tag und der Veranstaltung sehr angemessen und eindrucks- voll. Ihre Art des Vortrags war für mich neu, aber sehr gut! Man konnte sich das Leid und die Situation von Hilda Stern Cohen bildlich vorstellen. Das hat mir noch einmal einen ganz neuen Blick auf die Situation der Juden im damaligen Deutschland gegeben.“ - Madeleine Kraus Gedenkveranstaltung „Pogrom“ in Wiesbaden