Im „Kalten Krieg” war unter anderem Europa der Schauplatz eines atomaren Wettrüstens zwischen den USA und der dama- ligen Sowjetunion. Die Strategie sah ein atomares Schlachtfeld in Europa und insbesondere im geteilten Deutschland vor. Die damalige Parodie der Friedens- bewegung (siehe Poster) wurde von der Pop-Band „Geier Sturz- flug” im Lied „Besuchen Sie Europa solange es noch steht” aufgegriffen. Die Arsenale des „Kalten Krieges” hätten genügt, um die Erde mehrere Male zu zerstören. Großbritannien und Frankreich testeten ihre ersten eigenen Atomwaffen 1957 bzw. 1960, um ein unabhängiges „Ab- schreckungsmittel” zu besitzen. Nach Protesten der Zivilgesell- schaft und einem Annäherungsprozess endete der „Kalte Krieg” 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer. Dennoch blieb ein Teil der US-Atomwaffen im Rahmen der „nuklearen Teilhabe” der NATO in Europa stationiert. Im technischen Teil der nuklearen Teilhabe können Piloten und Flugzeuge nichtnuklearer NATO-Staaten (z.B. Deutschland) im Kriegsfall US-Atomwaffen einsetzen. Dies wird in Friedenszeiten trainiert. Wo gibt es in Europa Atomwaffen und wie funktionieren sie ? Welche Auswirkungen haben Atomwaffen auf unsere Sicherheit ? Drei Länder in Europa haben eigene Atomwaffen. In sechs Ländern sind im Rahmen der „nuklearen Teilhabe” der NATO US-Atomwaffen stationiert. In Deutschland lagern nach Ex- perteneinschätzung 20 Atombomben des Typs B-61 auf dem Fliegerhorst Büchel (Südeifel) des Jagdbombergeschwaders 33. Dort werden Bundeswehrsoldaten unter Aufsicht des US- Militärs für den Einsatz dieser Waffen ausgebildet. Das EUCOM (European Command) der US-Armee in Stuttgart dient unter anderem als Kommandozentrale für die in Europa stationierten US-Atomwaffen. Frage: Welche unmittelbaren und langfristigen physikalischen, medizinischen und ökologischen Auswirkungen hat eine Atombombe? Nora Hofstetter und Philipp Spieß trugen eine international erarbeite- te Jugendrede vor dem Plenum der Atomwaffensperrvertrags-Konferenz im Mai 2007 bei der UNO in Wien vor. Hier ein Auszug: „Kann es sein, dass die Nuklearwaffenstaaten, die für eine Abschreckungspolitik argu- mentieren, wirklich eine Zukunft wollen, die dominiert ist von Angst? Kann es wahr sein, dass einige Staaten immer noch von Erstschlagsdoktrinen sprechen, während uns die Hibakusha von den Opfern und dem unglaublichen Horror der Atombombenabwürfe von 1945 berichten? Auch in den Händen, die Sie sicher nennen, könnten Nuklearwaffen nur wegen eines menschlichen oder technischen Fehlers abge- feuert werden und eine Kettenreaktion hervorrufen, die die Welt zerstören könnte. [...] Wir wollen Sicherheit. Sicher- heit für alle Menschen. Jedoch gibt es keine Sicherheit, die auf Nuklearwaffen basiert. Die Abschaffung der Atomwaf- fen ist ein Schlüsselelement für globale Sicherheit.” Warum sind diese Atomwaffen hier ? Frage: Steht die „nukleare Teilhabe” im Einklang oder im Widerspruch zum Atomwaffensperrvertrag? Wie wirkt sich die Atomwaffe auf unser Denken aus ? Zerstörtes Hiroshima „Macht nicht den Fehler, zu denken, dass junge Menschen politische Themen nicht wichtig nehmen. Wir nehmen sie wichtig. Ich nehme sie wichtig, weil ich informiert bin, was zum Teufel gerade vor sich geht.” Naomi Proszynska, 15, aus Wales, bei ihrer Verhaftung 2007 nach einer gewaltfreien Aktion in Schottland gegen das britische Atomwaffenprogramm. Das Zitat schrieb sie später in der Polizeizelle. Frage: Warum weiß die heutige Generation so wenig über das Thema? Was habe ich damit zu tun ? Atomwaffenfähiger IDS Tornado bei einem Übungsflug über Land. Seit dem Schrecken in Hiroshima und Nagasaki und seit dem „Kalten Krieg” sind unsere Kultur, unser Denken und unsere Gesellschaft von der kaum fassbaren Tatsache geprägt, dass die Menschheit mit den Atomwaffen ein Mittel besitzt, sich selbst und die Erde zu zerstören. Atomwaffen sollen in erster Linie der Abschreckung anderer möglicher Angreiferstaaten dienen. Dadurch schaffen sie ein Machtgefälle zwischen Atom- waffenstaaten und „nuklearen Habenichtsen” und verhindern eine internationale Vertrauensbildung. Auf der individuellen Ebene löst die Tatsache, dass die Erde in einem Moment (mehrfach) zerstört werden kann, zunächst Angst, dann Ohnmacht und Verdrängung aus. Während des „Kalten Krieges” mündete das Bedrohungsgefühl in zahlrei- che Proteste. Heute sind selbst die Grundinformationen zum Thema weitgehend unbekannt. Gemaltes Bild eines Hibakusha (Überlebender von Hiroshima): „Im Wegrennen hörte ich noch meine Mutter schreien” Im Atomwaffensperrvertrag, der seit 1970 in Kraft ist und regelmäßig überprüft wird, spiegelt sich das Ringen der internationalen Staatengemeinschaft um eine atomwaffen- freie Welt. Er wurde unterzeichnet von allen Ländern außer Indien, Israel und Pakistan. Nordkorea trat 2003 aus dem Vertrag aus. Der „Deal”: • Die offiziellen Atomwaf- fenstaaten müssen ihre Atomwaffen abrüsten. • Die atomwaffenfrei- en Staaten dürfen keine Atomwaffen entwickeln oder beschaffen, aber sie haben das Recht, Atom- energie zu nutzen. Günter Grass bei einem internationalen Protest gegen Atomwaffen in Schwäbisch Gmünd (1983). Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages New York 2005 Frage: Die einen sagen, Atomwaffen können durch ihre abschreckende Wirkung Kriege verhindern, andere sa- gen, dass Atomwaffen in sich ein Sicherheitsrisiko sind. Was denkst Du? Was bedeutet Sicherheit für Dich? Politik / Geschichte Technik / Naturwissenschaft Kultur / Psychologie Was habe ich damit zu tun? Implosionsprinzip Verteidigungsminister Jung stellte das Weißbuch als Richtlinie für die zukünf- tige Sicherheitspolitik der BRD 2006 vor. Darin heißt es unter anderem: „Für die überschaubare Zukunft wird eine glaubhafte Abschreckungs- fähigkeit des Bündnisses neben konventioneller weiterhin auch nuklearer Mittel bedürfen. Der grundlegende Zweck der nuklearen Streitkräfte der Bündnispartner ist politischer Art: Wahrung des Friedens, Verhinderung von Zwang und jeder Art von Krieg. Das gemeinsame Bekenntnis der Bünd- nispartner zur Kriegsverhinderung und die glaubwürdige Demonstration von Bündnissolidarität und fairer Lasten- teilung erfordern es, dass Deutschland bei der nuklearen Teilhabe einen seiner Rolle im Bündnis [...] entsprechen- den Beitrag leistet.” Die kritische Masse an Spaltmaterial, die für die nukleare Kettenreaktion in einer Atomwaffe nötig ist, kann auf zwei verschiedenen Wegen erreicht werden. Beim Kanonenrohrprinzip, das bei der Hiroshima-Bombe verwendet wurde, wird eine unterkritische (auch: subkriti- sche) Masse von hoch angereichertem Urans 235 mit hoher Geschwindigkeit auf eine zweite unterkritische Masse geschos- sen. Dadurch wird die sogenannte „kritische Masse” erzeugt und eine unkontrollierte Kettenreaktion ausgelöst. Dabei steigt die Anzahl der Kernspaltungen in kurzer Zeit lawinenartig an. Die Spaltung von einem Kilogramm Uran setzt eine Energie frei, die der Explosion von 20.000 Tonnen TNT entspricht. Wird Plutonium als Spaltmaterial verwendet, muss die Ketten- reaktion noch viel schneller ablaufen. Beim Implosionsprin- zip, nach dem die Nagasaki-Bombe funktionierte, wird eine zunächst unterkritische Plutonium-Kugel (oder -Hohlkugel) durch geeignet angeordnete Sprengladungen komprimiert. Das Plutoniummetall wird dabei so stark verdichtet, dass eine kritische Masse entsteht. Bei diesem Waffentyp wird wesent- lich weniger Spaltmaterial benötigt. Plutonium kommt in der Natur nicht vor, sondern wird künst- lich hergestellt. Es entsteht beim Betrieb von Kernkraftwerken in den Brennelementen aus Uran. Durch die Atomwaffen-Technik ist es möglich geworden, mit einer einzigen Bombe innerhalb einer Mikrosekunde viel mehr Energie freizusetzen als mit allen herkömmlichen Waffen sämtlicher Kriege der Geschichte zusammengenommen. Kanonenrohrprinzip Hochexplosive Sprengladungen Komprimierter Plutoniumkern konventioneller chemischer Zünder subkritische Stücke von hoch angereichertem Uran 235 Was denkst Du?