Studie Wissenschaftliche Untersuchung und Analyse der Auswirkungen der Einführung von Projektpauschalen in die BMBF-Forschungsförderung auf die Hochschulen in Deutschland 15.08.2014 Auftraggeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Ansprechpartner (Pro- gnos AG): Michael Astor Prognos AG: Ulf Glöckner Susanne Heinzelmann Daniel Riesenberg Hans-Daniel Hartmann KPMG AG: Klaus-Peter Beyer Michael Tustanowski Grit Wiedenhöft Sybille Knerr Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH: Michael Ploder Andreas Niederl Marija Breitfuss Daniel Wagner-Schuster
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Studie
Wissenschaftliche Untersuchung und Analyse der Auswirkungen der Einführung von Projektpauschalen in die BMBF-Forschungsförderung auf die Hochschulen in Deutschland
15.08.2014
Auftraggeber:
Bundesministerium für
Bildung und Forschung
(BMBF)
Ansprechpartner (Pro-
gnos AG):
Michael Astor
Prognos AG:
Ulf Glöckner
Susanne Heinzelmann
Daniel Riesenberg
Hans-Daniel Hartmann
KPMG AG:
Klaus-Peter Beyer
Michael Tustanowski
Grit Wiedenhöft
Sybille Knerr
Joanneum Research
Forschungsgesellschaft
mbH:
Michael Ploder
Andreas Niederl
Marija Breitfuss
Daniel Wagner-Schuster
Das Unternehmen im Überblick
Geschäftsführer
Christian Böllhoff
Präsident des Verwaltungsrates
Gunter Blickle
Berlin HRB 87447 B
Rechtsform
Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht
Gründungsjahr
1959
Tätigkeit
Prognos berät europaweit Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik. Auf Basis neutraler Analysen
und fundierter Prognosen werden praxisnahe Entscheidungsgrundlagen und Zukunftsstrategien für
Unternehmen, öffentliche Auftraggeber und internationale Organisationen entwickelt.
5 Rahmenbedingungen der Drittmittelforschung in Deutschland 64
5.1 Inhalte der Phasen eines geförderten Forschungsprojektes 64 5.2 Grundsätzliche Zusammenhänge 66 5.3 Finanzierungsmodell der Drittmittelforschung 67 5.4 Kostenverursachung in den Projektphasen 68 5.5 Einschätzungen aus der Empirie zur Situation der Drittmittelforschung an den
Hochschulen 73
6 Höhe der durch die Drittmittelforschung verursachten Kosten 76
6.1 Online-Befragung zur Höhe der Overheadsätze 76 6.2 Notwendigkeit der gesonderten Erhebung 80 6.3 Das Untersuchungssample 82 6.4 Erhebungsmodell und Vorgehensweise 84
6.4.1 Grundlagen und Definitionen 84 6.4.2 Erhebungsmodell 89
6.5 Vorgehensweise 94 6.6 Ermittlung der Zuschlagssätze 97
II
6.7 Ergebnisse der Erhebung und Bewertung 102 6.8 Plausibilisierung und vergleichende Analyse 108
6.8.1 Plausibilisieren der Bewertung 108 6.8.2 Vergleich mit außeruniversitären Einrichtungen 109 6.8.3 Vergleich mit Overheadkosten aus der Trennungsrechnung 110
6.9 Zwischenfazit 111
7 Prozesse der Nutzung von Overheadpauschalen 113
7.1 Abbildung der Pauschalen im Rechnungswesen 114 7.2 Potenziell Begünstigte der BMBF-Projektpauschale 116 7.3 Verteilung der Mittel 118 7.4 Verwendung der Mittel 123 7.5 Bewertung der Transparenz sowie der Freiheitsgrade bzw. Autonomie bei der
Mittelverwendung 129
8 Wirkungen durch die Overheadpauschalen 130
8.1 Vollkostenfinanzierung 130 8.2 Effekte auf andere Finanzierungsquellen 135 8.3 Wettbewerbsfähigkeit, Strategie, Innovation 137
9 Drittmittelforschung im System Hochschule 142
9.1 Handlungsdilemmata 142 9.2 Drittmittelstrategien der Hochschulen 145
Stagnation der Grundfinanzierung (ggf. vorhandene Steigerungen gleichen Kostenstei-
gerungen für Personal, technische Infrastruktur und Bewirtschaftung in der Regel nicht
aus): Hierdurch werden die Handlungsspielräume der Hochschulen eingeschränkt. Bei
steigenden Studierendenzahlen und einer steigenden Zahl von Drittmittelprojekten werden
Entscheidungen häufig als Güterabwägung getroffen. Profilbildung findet nicht nur als eine
Konzentration auf strategische Stärken statt, sondern vor allem, um Ressourcen zu bün-
deln und sich verknappende Mittel auf erfolgsträchtige Lehr- und Forschungsbereiche zu
fokussieren. Damit einher gehen Gefahren für die Breite und (Lehr-)Qualität des Leistungs-
angebots, die unter diesen Voraussetzungen nicht aufrecht zu erhalten sein werden.
10
Incentivierung der Steigerung der Drittmittelforschung auf allen Handlungsebenen: In
den Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen Ländern und Hochschulen, zwischen den
Hochschulen und ihren Fakultäten / Departments / Fachbereichen sowie zwischen diesen
und einzelnen Lehrstuhlinhabern / -innen werden in aller Regel höhere Drittmitteleinwer-
bungen positiv honoriert. Damit wird ein Wettlauf um zusätzliche Ressourcen für die For-
schung initiiert, die wiederum weitere Ressourcen binden. Dieser Wettlauf ist nicht zu ge-
winnen, wenn nicht weitere Mittel für die Hochschulfinanzierung bereit gestellt werden.
Auseinanderdriften der Hochschullandschaft und ihres Selbstverständnisses: Auf der
einen Seite profilieren sich professionelle Drittmittelakquisiteure mit spezialisierten und leis-
tungsfähigen Infrastrukturen, auf der anderen Seite stehen „Nebenerwerbs“-Drittmittel-
Hochschulen, die in der Beantragung, im Management und in der Schaffung der Rahmen-
bedingungen schnell an ihrer Kapazitäts- und Leistungsgrenzen stoßen.
Verlässlichkeit und Planbarkeit der Finanzierung: Drittmittelerfolge sind nur begrenzt
planbar, die Voraussetzungen für den wissenschaftlichen Mittelbau, Karriereperspektiven
zu entwickeln, sind nur bedingt erfüllt. Angesichts der Preissteigerungen ist ein real sinken-
des Grundbudget zu verzeichnen, sodass eine mittelfristige Budgetplanung für die Hoch-
schulleitungen immer schwieriger wird. Damit steigt tendenziell der Druck, Drittmittel einzu-
werben, ob diese kostendeckend finanziert sind oder nicht.
11
2 Studienmotivation und Aufgabenstellung
Die vorliegende Studie bewegt sich in einem Kontext von Fragestel-
lungen, die aktuell von großer forschungs- und hochschulpolitischer
Brisanz sind. Sie stellt einerseits die grundsätzliche Frage, welchen
Beitrag die Hochschulen leisten müssen, um erfolgreich öffentlich
finanzierte Drittmittelforschung durchführen zu können. Andererseits
soll sie die Angemessenheit der bisher gewährten Pauschale des
BMBF bewerten und damit auch die Frage der Angemessenheit des
Finanzierungsanteils des Bundes an den Kosten der Forschung be-
antworten.
2.1 Drittmittelforschung an deutschen Hochschulen und
Finanzierung indirekter Forschungskosten
Die drittmittelfinanzierte Forschung nimmt an deutschen Hochschu-
len einen stetig ansteigenden Stellenwert ein. Ihr Anteil am Ge-
samtbudget der Hochschulen ist allein im Zeitraum von 2000 bis
2012 von 14,9% auf 23,4% gestiegen, der absolute Wert der einge-
worbenen Drittmittel ist in diesen Jahren mit 6,7 Mrd. € (2012) auf
das 2,4-fache angestiegen.3 Aktuelle Analysen und die im Rahmen
des Projekts geführten Fachgespräche zeigen, dass dieser Trend
ungebrochen ist und an Dynamik deutlich zugenommen hat.4
Bezogen auf einzelne Fächergruppen haben sich die Verhältnisse
von Grundmitten und Drittmitteln bereits umgekehrt. Je Professor/-in
in den universitären Ingenieurwissenschaften werden mehr Drittmit-
tel eingeworben (€ 509.630,-) als Mittel für laufende Zwecke zur
Verfügung stehen (€ 432.480,-).5 Drittmittel haben immer weniger
eine ergänzende Funktion in der Budgetausstattung, sondern wer-
den zur wichtigsten Finanzierungsquelle für die Hochschulfor-
schung.
Ein Blick auf ausgewählte Fächergruppen zeigt die Relevanz der
eingeworbenen Drittmittel für die Budgetausstattung. Dabei werden
die Drittmittel pro Professor/-in an den Universitäten den laufenden
Ausgaben gegenübergestellt. Dabei betrachten wir die Relation in
Bezug auf die Gesamtausgaben.
3 Quelle: Statistisches Bundesamt (2012): Fachserie 11, Reihe 4.5 4 Vgl. auch die Darstellung in Kapitel 3 dieses Berichts 5 Statistisches Bundesamt, Hochschulen auf einen Blick, 2013, S. 39ff
12
Tabelle 1: Ausgaben von Universitätsprofessor/-innen in Relati-on zu Drittmitteln (2010)
Wie kann die gemeinschaftliche Nutzung von Räumen und
technischen Infrastrukturen für Forschung und Lehre anteilig
exakt erfasst werden?
Sind Infrastruktureinheiten, wie z.B. zentrale Universitätsbiblio-
theken, die auch für Forschungsprojekte Dienstleistungen er-
bringen, kostenseitig zu berücksichtigen?
Ausgehend vom bewilligten Drittmittelprojekt sind drei Phasen der
Forschung zu betrachten (siehe hierzu ausführlich Kapitel 5):
Eine Vorlaufphase, die alle Aktivitäten im Rahmen der Akquisiti-
on sowie ggf. erforderliche Vorab-Investitionen in die technische
und sachliche Infrastruktur umfasst. Diese werden wiederum
z.T. von den Zuwendungsgebern als Voraussetzung für eine
Bewilligung gefordert.
Eine Durchführungsphase, in der die eigentliche Forschungslei-
stung unter Inanspruchnahme der sächlichen und personellen
Infrastruktur der Hochschule erbracht wird.
Eine Nachlaufphase, in der Daten und Dokumente für einen
über die Projektlaufzeit hinausgehenden Zeitraum archiviert und
der zukünftigen Forschung bereit gestellt werden sollen, weitere
Publikationen erstellt oder Aufgaben des Wissens- und Techno-
logietransfers übernommen werden.
Vor- und Nachlaufphase sind in den gängigen Förderbedingungen
nicht refinanzierbar und müssen aus Grundmitteln erbracht werden.
Aber auch in der Durchführungsphase entstehen Kosten, die übli-
cherweise nicht abgerechnet werden können. Zu nennen sind hier
z.B. die Nutzung von Gebäuden und Räumen inkl. fachspezifischer
technischer Infrastruktur, die Nutzung von informationstechnischen
Geräten und der PC-Ausstattung, Dienstleistungen der Verwaltung
für die Erstellung von Zeitverträgen des Drittmittelpersonals, von
Rechtsabteilungen zur Vertragsprüfung oder der Klärung schutz-
rechtlicher Fragestellungen u.a.m..
Mit dieser exemplarischen Aufzählung wird deutlich, dass sich die
Hochschulen in einem Handlungsdilemma befinden: Drittmittelfinan-
zierte Forschung erhält gegenüber der grundfinanzierten Forschung
einen stetig steigenden Stellenwert. Sie bildet die Grundlage der
Forschungsleistung an sich und ist darüber hinaus notwendig, um
sich strategisch zu positionieren und die Attraktivität der eigenen In-
stitution gegenüber renommiertem Forschungspersonal und Studie-
renden zu steigern. Gleichzeitig werden durch diese Projekte höhe-
re direkte und indirekte Kosten verursacht als durch die unmittelbare
Zuwendung abgedeckt werden können. Damit tritt Drittmittelfor-
schung auf der institutionellen Ebene in Konkurrenz um die verfüg-
15
baren Ressourcen und zu den übrigen Aufgaben der Hochschulen
in der Lehre, der Qualifizierung wissenschaftlichen Personals, der
grundfinanzierten Forschung und des Wissens- und Technologie-
transfers. Folglich führt Drittmittelforschung tendenziell nicht zu ei-
ner Ressourcenvermehrung, sondern zu einer Ressourcenverknap-
pung.8
2.2 Untersuchungsauftrag
Vor diesem Hintergrund wurde ein Konsortium bestehend aus der
Prognos AG, der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie
JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH mit der
„Wissenschaftlichen Untersuchung und Analyse der Einführung von
Projektpauschalen in die BMBF-Forschungsförderung auf die Hoch-
schulen in Deutschland“ beauftragt: Wesentliche Elemente des Auf-
trags waren:
Eine Status quo-Darstellung der Vielfältigkeit der deutschen
Hochschullandschaft sowie differenzierte Analysen zur gegen-
wärtigen Finanzierungs- und Wettbewerbssituation der Univer-
sitäten und Fachhochschulen in Deutschland, wobei der Be-
reich der medizinischen Einrichtungen aus der Betrachtung
ausgeklammert wurde;9
eine internationale Vergleichsuntersuchung hinsichtlich der Er-
fahrungen ausgewählter Länder beim Umstieg auf Vollkosten-
rechnung und deren unterschiedliche Handhabung der Over-
head-Finanzierung;
eine Analyse zur Bewertung der Rahmenbedingungen der
Drittmittelforschung in Deutschland, welche den Schwerpunkt
auf eine differenzierte Darstellung der unterschiedlichen Ko-
stenarten öffentlich finanzierter Drittmittelprojekte legt und die
Entwicklungen in Deutschland während der letzten Jahre nach-
zeichnet;
eine Analyse der Prozesse der Verteilung und der Nutzung der
im Rahmen der direkten Projektförderung vom BMBF gewähr-
ten Projektpauschalen;
eine Analyse der Auswirkungen der Gewährung von BMBF-
Projektpauschalen und anderer Formen der Overhead-Finan-
zierung auf die Kosten-Leistungsrechnung an den Hochschu-
len;
8 Dieser Mechanismus wird weiter unten in Kapitel 5 im Detail beschrieben. 9 In der Hochschulmedizin sind nicht nur die beiden Aspekte der Forschung und Lehre in Kostenanalysen zu berücksich-
tigen, sondern auch die Tatsache, dass Patienten/-innen in den Universitätsklinika behandelt und versorgt werden. Für
diese erfolgt wiederum eine Vergütung, die einen weiteren Zahlungsstrom durch einen externen Finanzier umfasst, der
im Portfolio der Drittmittelforschung üblicherweise nicht auftaucht. Aus Sicht der Autoren/-innen wäre folglich ein eigenes
Erhebungs- und Analyseinstrumentarium zu entwickeln, das dieser Komplexität von Aufgaben und Leistungen einerseits
sowie der Finanzierung andererseits ausreichend Rechnung trägt.
16
eine Analyse der Wirkungen der zusätzlichen Mittel aus den
BMBF-Projektpauschalen auf andere Finanzierungsquellen an
den Hochschulen;
eine Analyse zur Überprüfung der direkten und indirekten Aus-
wirkungen der BMBF-Projektpauschalen auf die Wettbewerbs-,
Strategie- und Innovationsfähigkeit der staatlichen Hochschulen
am Standort Deutschland;
eine zusammenfassende Bewertung der Befunde sowie die Ab-
leitung von Handlungsempfehlungen.
In diesem Bericht werden die Ergebnisse dokumentiert. Wir bedan-
ken uns insbesondere bei den Hochschulen, die in unterschiedlicher
Intensität an den einzelnen Befragungen teilgenommen haben, für
ihre Auskunftsbereitschaft und ihre Offenheit in der Diskussion ein-
zelner Sachverhalte.
2.3 Methodisches Konzept der Studie
Bezogen auf die folgenden Kernfragestellungen wurde ein Untersu-
chungsdesign entwickelt, das ermöglichte, diese im Projektverlauf
sukzessiv abzuarbeiten:
Abbildung 1: Kernfragestellungen der Untersuchung
Quelle: Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Wie hoch sind die tatsächlichen indirekten Ausgaben bei der BMBF-Projektförderung?
Wie ermittelt die Hochschule die Höhe dieser indirekten Ausgaben?
Wie hoch ist die Entlastung durch die bisher gewährten Pauschalen?
Wer erhält in der Regel die Projektpauschalen? Wie sind die Mittel verteilt?
Wofür werden die Projektpauschalen eingesetzt?
Lassen sich Schwerpunkte im Einsatz der Mittel erkennen?
Welchen Stellenwert haben die Projektpauschalen auf die Vollkostenfinanzierung?
WelcheAuswirkungen hätte die Ausweitung der Pauschalen auf die KLR?
Wie kann der Einstieg in die KLR über die Pauschalen begünstigt werden?
Welche Auswirkungen haben die Pauschalen auf die Grundausstattung?
Wie wirken die Pauschalen in den unterschiedlichen Hochschulkontexten?
WelcheAuswirkungen haben die Pauschalen auf die private Drittmittelfinanzierung?
Welche Auswirkungen haben die zusätzlichen Mittel auf Forscher und Hochschule?
Welche Freiräume zeigen sich? Wird die Innovationsfähigkeit gestärkt?
Welche Effekte zeigen sich bei der Strategieentwicklung der Hochschulen?
Welche Rahmenbedingungen und Unterschiede sind im internationalen Kontext relevant?
Was ist der internationale Erfahrungsstand zum Umstieg auf die Vollkostenrechnung?
Welche Erfahrungen konnten mitetwaigen Übergangsregelungen gewonnen werden?
Welche Schlüsse zur Nutzungspraxis der Projektpauschalen und ihrer Wirkungen können
in der Zusammenschau gezogen werden?
Gibt es sinnvolle Ansätze für eine Differenzierung der Höhe der Pauschalen?
WelcheAuswirkungen sind bei einer Ausweitung der Pauschalen zur erwarten?
Status quo-Analyse
Prozessanalyse
Wirkungsanalyse:Vollkostenfinanzierung
Wirkungsanalyse:Finanzierungsströme
Wirkungsanalyse:Innovation & Strategie
Internationaler
Vergleich
Bewertung
Ausblick
17
Die Erschließung relevanter Fragestellungen ist ein Ergebnis aus
dem Dialog mit Expert/-innen, empirischer Verfügbarkeit von Daten
und intensiven Diskussionen im Projektteam. Diese können als Leit-
faden betrachtet werden, an welchem sich der Projektverlauf inklu-
sive der Wahl diverser Methoden und Zugängen sowie der Ab-
schlussbericht orientieren.
Die Beantwortung der leitenden Untersuchungsfragen erfolgt in den
folgenden Ergebniskapiteln. Die Fragen nach der aktuellen Höhe
der durch die Drittmittelforschung verursachten Kosten werden ins-
besondere in Kapitel 6 aufgegriffen, die Verteilung und Nutzung der
Pauschalen wird in Kapitel 7 thematisiert. Ergebnisse zur Wirkung
der Projektpauschalen finden sich in Kapitel 8. Die Darstellung der
Ergebnisse zu Erfahrungswerten mit Pauschalen sowie Vollkosten-
ansätzen aus dem Ausland werden in Kapitel 4 dargelegt, eine er-
gänzende Darstellung der ausgewählten Vergleichsländer findet
sich zudem im Anhang der Studie (vgl. Kapitel 11). Die aufgeworfe-
nen Fragen zur Bewertung und den Perspektiven in Bezug auf den
Ansatz der Projektpauschalen werden in den Kapiteln 9 und 10 auf-
gegriffen, zusammenführend diskutiert und Handlungsempfehlun-
gen abgeleitet. Im 3. Kapitel geben wir einen Überblick über die
Hochschullandschaft, im 5. über das oben erwähnte Phasenmodell
der Forschung.
In der nachstehenden Darstellung sind die einzelnen Module der
Untersuchung chronologisch angeordnet, wobei als erster Schritt
die Hypothesenbildung hinzukommt.
Abbildung 2: Aufbau der Untersuchung
Quelle: Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
18
Die Abbildung verdeutlicht, dass unterschiedliche Ebenen in die Un-
tersuchung und Analyse der Auswirkungen der Einführung von Pro-
jektpauschalen im Rahmen der direkten Projektförderung aus den
Fachprogrammen des BMBF mit einbezogen wurden. Um dieser
Vielfalt gerecht zu werden, wurde im Studiendesign eine Vielzahl
von Ansätzen kombiniert. Hierzu zählen qualitative und quantitative
Feldzugänge für die Erhebung von Primärinformationen, breit ange-
Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH)
Brandenburg FH 2.033 24% 193 64
* Bestandteil des Explorationssample * * Eigene Berechnung (Anteil der Drittmittel an Ausgaben der Hochschulen, ohne Investitionsausgaben)
Quelle: Statistisches Bundesamt, aktuelle Zahlen der Fachserie 11, Reihen 4.1 und 4.3.2 (Einzelhochschulen), eigene Darstellung Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Online-Befragung
Die schriftliche Befragung der Hochschulvertreter/-innen war als
Vollerhebung angelegt und richtete sich folglich an alle Universitä-
ten und Fachhochschulen in Deutschland. Innerhalb der Hochschu-
len wurden neben der Leitungsebene ebenfalls die Verwaltungslei-
tung sowie Wissenschaftler/-innen (Projektleiter/-innen von BMBF-
Forschungsvorhaben) mit unterschiedlichen Fragenkomplexen an-
gesprochen. Die Einladung zur Teilnahme an der Online-Befragung
erfolgte im Fall der Vertreter/-innen der Hochschul- und Verwal-
tungsleitungen zunächst postalisch mittels eines Ankündigungs-
schreibens, des Weiteren wurden alle Personen der drei Zielgrup-
pen per E-Mail mit einem entsprechendem Link zur eigens einge-
richteten Befragungsplattform um Teilnahme an der Befragung ge-
beten. Im Rahmen der Befragung der Hochschul- und Verwaltungs-
leitungen wurden insgesamt 226 bzw. 227 Personen angeschrie-
ben. Mit der Befragung der Wissenschaftler/-innen wurden insge-
samt 6.344 Personen adressiert.
Die Befragung startete Anfang Mai 2013 und wurde Mitte Juni 2013
geschlossen. Zwischenzeitlich wurden zu zwei Zeitpunkten
„Reminder“ elektronisch verschickt, um die Beteiligungs- bzw. Rück-
laufquote zu erhöhen. Die folgende Tabelle liefert einen Überblick
zum erzielten Rücklauf bei den einzelnen Zielgruppen.
29
Tabelle 3: Rücklauf der Online-Befragungen
Online-Befragung Anzahl der adres-
sierten Personen
Anzahl der auswert-
baren Antworten
(Netto-)Rück-
laufquote in %
Hochschulleitungen 226 82 36,3%
Verwaltungsleitungen 227 55 24,2%
Wissenschaftler/-innen 6.344 2.001 31,5%
Quelle: Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Die Auswertungen der drei (Teil-)Befragungen erfolgten ausschließ-
lich in aggregierter Form, sodass Rückschlüsse auf einzelne Ein-
richtungen oder individuelle Personen nicht möglich sind.
Internationaler Vergleich
Ziel der internationalen Vergleichsuntersuchung war es, die Erfah-
rungen anderer Staaten bzw. vergleichbarer nationaler Hochschul-
systeme beim Umstieg auf Vollkostenrechnung und bei der Abde-
ckung von Overheads nachzuzeichnen und auf Grundlage der
Untersuchungsergebnisse die Diskussion hierzulande um zusätzli-
che Finanzierungsperspektiven zu ergänzen. Vor diesem Hinter-
grund wurde auf Basis
der Ergebnisse des sog. „Leiden-Ranking“, das die Leistungsfä-
higkeit der Forschungsleistungen anhand bibliometrischer Daten
ermittelt,
ausgewählter Indikatoren von Eurostat und der OECD zum
Mobilitätsverhalten ausländischer und internationaler Doktoran-
den/-innen sowie
der Bewertung der Reichweite der spezifischen Erfahrungshin-
tergründe anderer Länder bei Vollkostenmodellen bzw. beim
Einsatz von Pauschalen
eine Auswahl von insgesamt acht Ländern getroffen. Dabei handelt
es sich um Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Nie-
derlande, Schweden, die Schweiz und die Vereinigten Staaten von
Amerika. Für diese Länder wurde eine Kurzcharakteristik
des jeweiligen Hochschulsystems und seiner wesentlichen Ent-
wicklungslinien der letzten Jahre sowie
eine Überblicksdarstellung in Bezug auf den Status der Abgel-
tung indirekter Kosten von Forschungsprojekten durch die füh-
renden nationalen Forschungsförderungsagenturen und die Ein-
führung einer Vollkostenrechnung
erstellt. Dazu wurden Fachgespräche mit Expert/-innen im internati-
onalen Raum geführt.
30
2.5 Belastbarkeit der Ergebnisse
Die empirische Basis der Untersuchung stützt sich somit auf einen Methodenmix, der sowohl die Hochschullandschaft in der Breite er-fasst, als auch Einzelanalysen auf der Projektebene berücksichtigt. Zusammenfassend sind als wesentliche empirische Schritte zu nennen:
Eine Online-Befragung aller Hochschulen in Deutschland (Hochschul- und Verwaltungsleitungen),
eine Online-Befragung aller Projektleiter/-innen an deut-schen Hochschulen, die seit Gewährung der Pauschale er-folgreiche Anträge gestellt hatten,
Fallstudien mit 26 Hochschulen, bei denen drei Zielgruppen in mehrstündigen strukturierten Interviews befragt wurden: Hochschulleitungen (Funktionen mit strategischer For-schungsverantwortung), Verwaltungsleitungen, Wissen-schaftler/-innen aus unterschiedlichen Fachbereichen,
internationale Vergleichsanalysen in acht Vergleichsländern sowie eine Auswertung der Förderstrategien des siebten und achten Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Kommission,
Fachgespräche mit Wissenschaftsexperten /-innen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Wissenschaftsra-tes, der Hochschulrektorenkonferenz sowie des Stifterver-bandes der Deutschen Wissenschaft,
Einzelanalysen des Aufwandes und der Kosten von 29 Pro-jekten, die vom BMBF gefördert wurden.
Darüber hinaus wurden vor Berichtslegung die vorläufigen Ergeb-nisse in zwei Reflexions-Workshops mit rd. 40 Vertretern /-innen deutscher Hochschulen diskutiert und weitere Gespräche mit aus-gewählten Kanzler /-innen des Fallstudien-Samples geführt.
Mit diesem analytischen Konzept, das den Untersuchungsgegen-stand in seiner Breite und Tiefe vollständig abbildet, erhalten die gewonnenen Ergebnisse eine solide und nachhaltige empirische Fundierung, die eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf andere Hochschulen gewährleistet. Die grundlegenden Mechanismen der durch Projekte der Drittmittelforschung verursachten Aufwände und Kosten sind darüber hinaus (eine Vergleichbarkeit der Förderme-thode vorausgesetzt) auch auf andere Zuwendungsgeber, wie die Europäische Kommission oder die Deutsche Forschungsgemein-schaft übertragbar. Unterschiede sind, ausgehend von den konkre-ten Förderbestimmungen bei der Basis (förderfähige Kosten) aber auch hinsichtlich des Verwaltungsaufwandes bzw. der Kostennach-weise zu erwarten.
31
3 Skizzierung der deutschen Hochschullandschaft
Der Hochschulstandort Deutschland ist mit Blick auf die Größe und
die inhaltliche Ausrichtung seiner Universitäten und Fachhochschu-
len von einer großen Vielfalt gekennzeichnet. Die Hochschulland-
schaft setzt sich aus insgesamt 464 Einrichtungen unterschiedlicher
Hochschularten zusammen. Dazu zählen 106 Universitäten und
Technische Universitäten sowie 212 Fachhochschulen.11 Das Grö-
ßenspektrum der Hochschulen reicht dabei von großen Universitä-
ten mit mehr als 40.000 Studierenden bis hin zu kleinen Fachhoch-
schulen / Hochschulen für angewandte Wissenschaften mit weniger
als 2.000 Studierenden. Die folgende Abbildung liefert einen Über-
blick zu den Größenverhältnissen und deren Verteilung in der deut-
schen Hochschullandschaft. Entsprechend der Fokussierung der
vorliegenden Studie sind dabei medizinische Einrichtungen bzw. die
Studierenden dieser Bereiche ausgenommen. Die Darstellung, in
der jede Hochschule durch einen Balken repräsentiert wird, verdeut-
licht, dass 77% der Hochschulen weniger als 10.000 Studierende
verzeichnen. Die Größe der Hochschulen sowie die Breite des Lehr-
und Forschungsangebots sind wiederum ausschlaggebend dafür,
dass ggf. unterschiedliche Strukturen auf zentraler und dezentraler
Ebene entwickelt worden sind.
11 Weiterhin zählen zu den Hochschulen in Deutschland: 35 Hochschulkliniken, 6 Pädagogische Hochschulen, 16 Theo-
logische Hochschulen, 51 Kunsthochschulen sowie 37 Verwaltungsfachhochschulen (vgl. Statistisches Bundesamt
(2014), Fachserie 11, Reihe 4.5, Bildung und Kultur, Finanzen der Hochschulen, S. 10).
32
Abbildung 8: Größe der Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland im Rechnungsjahr 2011 nach Zahl der Studierenden (ohne medizinische Einrichtungen)12
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.3, 2014, eigene Berechnung und Darstellung Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Die aktuellen strategischen Zielstellungen der Universitäten und
Fachhochschulen in Deutschland haben in der Mehrheit einen
Schwerpunkt in der Forschung: einerseits stimuliert durch die politi-
sche und gesellschaftliche Zielsetzung der internationalen Wettbe-
werbsfähigkeit der deutschen Wissenschaft – in der Regel gemes-
sen an den Forschungserfolgen innerhalb globaler Rankings –
andererseits durch die Förderaktivitäten im Rahmen der Exzellenz-
initiative. Aufgrund dieser Entwicklungen vor allem der zurücklie-
genden zehn Jahre orientieren sich die „Reputationsmechanismen“
aus Sicht der Universitäten und Fachhochschulen an einem sichtba-
ren und erfolgreichen Forschungsprofil. Diese Befund bestätigt sich
12 Die mit Blick auf die Zahl der Studierenden größte Universität Deutschlands – die Fernuniversität Hagen – ist mit ihren
über 70.000 Studierenden nicht im vollen Umfang in der Abbildung dargestellt.
-
5 000
10 000
15 000
20 000
25 000
30 000
35 000
40 000
45 000
77% der Hochschulen haben weniger als 10.000 Studierende
33
in den Befragungen der Studie, was die folgenden Ausführungen
zeigen.
Insgesamt gaben 82% der befragten Hochschulen an, eine über-
greifende gemeinsame Forschungsstrategie in Umsetzung oder
Ausarbeitung zu haben. Die Strategien zielen dabei, wie die Ergeb-
nisse der Befragung der Präsidien/Rektorate in der folgenden Abbil-
dung zeigen, auf eine Ausgewogenheit zwischen Forschung und
Lehre, internationale Sichtbarkeit der Schwerpunkte der Forschung,
auf Anwendungsorientierung sowie eine maßgeblich von den For-
schern/-innen getragene strategische Positionierung ab.
Abbildung 9: Relevanz unterschiedlicher strategischer Zielsetzun-gen der befragten Hochschulen in den vergangenen 10 Jahren (Mittelwert einer möglichen Beurteilung zwischen 0 und 100; n= 82)
Quelle: Online-Befragung der Hochschulpräsidien und -rektorate; Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Die Bedeutung von Drittmitteln für die Forschung hat vor diesem
Hintergrund im genannten Zeitraum einen erheblichen Zuwachs er-
fahren. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Einwerbung von
Drittmitteln ein wesentlicher Indikator für die Messung und Beurtei-
Frage: Welche strategischen Zielsetzungen verfolgte Ihre Hochschule als Forschungseinrichtung in der jüngeren Vergangenheit
(10 Jahre)?
37,2
39,8
51,5
65,6
67,9
69,8
77,1
78,2
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Fokus auf internationale Sichtbarkeit in allen Forschungsfeldern (Breite)
Fokus auf Grundlagenforschung
Fokus auf forschungsstrategischer Entwicklung top down (von Seiten der Hochschulleitung)
Fokus auf Wissens- und Technologietransfer an Unternehmen / Beratung von öffentlichen Stellen
Fokus auf forschungsstrategische Entwicklung bottom up (von Seiten der Hochschullehrer/ -innen)
Fokus auf internationale Sichtbarkeit in Schwerpunktbereichen der Forschung (Fokussierung)
Fokus auf anwendungsorientierte Forschung
Fokus auf Ausgewogenheit von Forschung und Lehre
34
lung von Forschungsleistungen. Trotz der regelmäßigen Kritik an
dieser Praxis ist die Summe der eingeworbenen Drittmittel in
Deutschland weiterhin die zentrale Messgröße in diesem Punkt.13
Diese Relevanz der Drittmittel wird durch ihre Berücksichtigung in-
nerhalb der leistungsorientierten Mittelvergabe zwischen den Län-
dern und den Hochschulen fortgesetzt und festgeschrieben. Die
überwiegende Mehrheit (81,4%) der befragten Hochschulen bestä-
tigt die explizite Berücksichtigung von Drittmitteleinnahmen im
Rahmen der leistungsorientierten Mittelvergabe.
Zum anderen erklärt sich der Bedeutungszuwachs der Drittmittel für
die Forschung aus der gegenwärtigen Finanzierungssituation der
Universitäten und Fachhochschulen. Unabhängig von der Art, der
regionalen Verortung oder dem inhaltlichen Profil der Hochschule
gaben alle befragten Vertreter/-innen des Fallstudiensamples an,
dass die Grundfinanzierung durch die Länder nicht mehr ausrei-
chend ist, um den expliziten Aufgaben und den Erwartungen an Ex-
zellenz in Forschung und Lehre in vollem Umfang zu entsprechen.
Die amtliche Statistik untermauert diese Wahrnehmung der Hoch-
schulvertreter/-innen, wie durch die nachfolgende Grafik illustriert
wird: So sind die Grundmittel – also jener Teil der Hochschulausga-
ben, den der Hochschulträger aus eigenen Mitteln den Hochschulen
für laufende Zwecke (z.B. Personalausgaben, Unterhalt von Ge-
bäuden, Verwaltungsaufgaben etc.) zur Verfügung stellt – seit dem
Jahr 1995 nominal lediglich um 44% gestiegen. Eine differenzierte
Betrachtung zeigt, dass die zur Verfügung stehenden Grundmittel
ohne die Mittel des Hochschulpakts eine deutlich geringere Steige-
rungsrate zu verzeichnen hätten und im letzten Betrachtungsjahr
sogar rückläufig waren. Eine Situation der Ressourcenknappheit
lässt sich auch daran ablesen, dass die Kurven Grundmittel (ohne
Mittel des Hochschulpakts) und Studierendenzahlen sich schneiden.
Dies entspricht einer nominalen Schlechterstellung der Studieren-
denausstattung, die bei Einbezug von Preissteigerungen, Inflation
sowie Anlagen und Gebäuden, die mit zunehmendem Alter einen
höheren Erhaltungsaufwand erfordern, noch drastischer ausfallen
würde.
Die Drittmittel haben sich dagegen im gleichen Zeitraum nominal
mehr als verdreifacht und somit stark an Bedeutung gewonnen.
Diese Entwicklung hat besonders seit Mitte des letzten Jahrzehnts
an Dynamik gewonnen.
13 Vgl. etwa Gerhards, Jürgen (2013): Der deutsche Sonderweg in der Messung von Forschungsleistungen. Wissen-
schaftspolitik im Dialog 7/2013.
35
Abbildung 10: Entwicklung der Grundmittel und der Drittmittel für al-le Länder insgesamt (1995 = 100%)
Quelle: Statistisches Bundesamt (2014): Fachserie 11, Reihe 4.5, eigene Berechnung und Darstellung Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Hinsichtlich dieser Entwicklungen sind starke regionale Unterschie-
de zu berücksichtigen. Steigerten sich die Grundmittel etwa in Bay-
ern, Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz um einen Faktor von
1,4 bis 1,7 zwischen 1995 und 2010, so befindet sich das Grundmit-
telniveau etwa im Saarland heute auf dem gleichen Niveau wie im
Jahr 1995. In Berlin hat es dagegen deutlich abgenommen.14
Angesichts dieser Entwicklung zielt die Einwerbung von Drittmitteln
nicht alleine auf die Reputationssteigerung und die Erarbeitung ei-
nes Forschungsprofils. Aus Sicht der befragten Hochschulen ist die
Einwerbung von Drittmitteln wesentliche Voraussetzung zur Ermög-
lichung einer Forschung auf internationalem Spitzenniveau. Inner-
halb der Online-Befragung von drittmittelstarken Wissenschaft-
lern/-innen im Rahmen dieser Studie bestätigen die Befragten die
These, dass ohne öffentliche Drittmittel eine international konkur-
renzfähige Forschung nicht mehr möglich sei, mit einem hohem
durchschnittlichen Indexwert von 94 (100 = „stimme voll zu“). Von
14 Vgl. Statistisches Bundesamt (2012): Bildung und Kultur. Finanzen der Hochschulen. Fachserie 11, Reihe 4.5., 16f.
36
Seiten der Rektorate bzw. Hochschulpräsidien wird dies in ähnlicher
Deutlichkeit (durchschnittlicher Indexwert: 91) bestätigt. Im gleichen
Zusammenhang stimmen die befragten Wissenschaftler/-innen mit
einem durchschnittlichen Indexwert von 84 der Aussage zu, dass
der Anteil der durch Grundmittel finanzierten Forschung spürbar zu-
rückgegangen ist. Auch in diesem Zusammenhang ergibt sich auf
Seiten der Rektorate bzw. Hochschulpräsidien ein ähnliches Bild
(durchschnittlicher Indexwert: 72).
Die Motive zur Drittmitteleinwerbung bei den befragten Wissen-
schaftlern/-innen, die in der folgenden Abbildung dargestellt sind,
bestätigen diese Einschätzungen.
Abbildung 11: Relevanz unterschiedlicher Motive für die Einwer-bung von Drittmitteln von drittmittelstarken Wissen-schaftler/-innen (Mittelwert einer möglichen Beurtei-lung zwischen 0 und 100; n=1.991)
Quelle: Online-Befragung der Wissenschaftler/-innen; Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Neben dem individuellen Forscherinteresse steht die Finanzierung
der Forschung – sowohl explizit für zusätzliche Mitarbeiterstellen als
auch allgemein zur Kompensation der nicht ausreichenden Grund-
mittel – an oberster Stelle der Motivation für die Akquisition von
Drittmitteln. Forscher/-innen an Universitäten bewerten das Motiv
32,6
43,2
44,8
46,2
52,6
53,6
58,2
63,6
68,1
70,6
70,6
77,7
78,6
87,5
88,0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Kofinanzierung anderer Drittmittelaktivitäten
Erhöhung der Grundmittelzuweisungen (LOM)
Profil/Leitbild bzw. Strategie der Hochschule
Zusammenarbeit mit der Industrie
Finanzierung von Konferenzteilnahmen/Forschungsaufenthalten
Finanzierung von technischer Infrastruktur
Zusammenarbeit mit Partnern aus dem Ausland
Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinricht. und HS in D
Frage: Welche Bedeutung haben für Sie die folgenden Motive für die Einwerbung von Drittmitteln?
37
„nicht ausreichende Grundmittel der Hochschule“ dabei stärker als
jene an Fachhochschulen. Für Forscher/-innen an Technischen
Universitäten spielt die Finanzierung von technischer Infrastruktur
eine etwas größere Rolle. Dass die Erschließung neuer Themen,
die Steigerung der wissenschaftlichen Reputation oder die Ermögli-
chung kooperativer bzw. interdisziplinärer Forschung im Vergleich
ein etwas geringeres Gewicht haben, unterstreicht die Wahrneh-
mung der Wissenschaftler/-innen zur Relevanz der Drittmittelfor-
schung.
Die Forschungsstrategien der Hochschulen nehmen vor diesem
Hintergrund auch bewusst Einfluss auf die Drittmittelforschungen.
Die Hochschulen gingen im Rahmen der Onlinebefragung, wie in
der folgenden Abbildung dargestellt, auf unterschiedliche Auswir-
kungen von Forschungsstrategien auf die Drittmittelforschung ein.
Abbildung 12: Konkrete Auswirkungen von Forschungsstrategien im Hinblick auf die Drittmittelforschung (Anteil in % der online antwortenden Hochschulen; n=82)
Quelle: Online-Befragung der Hochschulpräsidien und -rektorate; Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Ein wesentliches Element stellt dabei das Commitment für eine Ver-
stärkung fakultätsübergreifender Programme und Infrastrukturen
dar. D.h. die Forschungsstrategien zielen auf interdisziplinäre
33,0%
50,0%
68,0%
81,0%
82,0%
89,0%
100,0%
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Zunehmende Autonomie der Fakultäten und Institute
Übernahme von Verwaltungsaufgaben der Fakultäten durch die Hochschulleitung
Obligatorische Abstimmung der Detailstrategien der Fakultäten / Institute mit der Hochschulleitung
Veränderung der Berufungspraxis
Verstärkte Forschungsevaluation
Commitment für eine Verstärkung fakultätsübergreifender Infrastruktur
Commitment für eine Verstärkung fakultätsübergreifender Programme
Frage: Welche konkreten Auswirkungen hat die Forschungsstrategie an Ihrer Hochschule auf die Fakultäten / Institute bzw.
Forscher/-innen im Hinblick auf die Drittmittelforschung?
38
Schwerpunkte in der Forschung, mit denen die Profilbildung der
Hochschulen unterstützt und die Ressourcennutzung optimiert wer-
den sollen. Damit verbunden ist auch das Entgegenwirken einer
Zersplitterung der Forschungsagenda und einem unproduktiven or-
ganisationsinternen Wettbewerb um sich verknappende Ressour-
cen. Gleichzeitig ermöglicht diese Strategieoption die Akquisition
größerer, fächer- und disziplinenübergreifender Drittmittelprojekte.
Eine Zunahme der Autonomie von Fakultäten und Instituten lässt
sich hingegen nur in vergleichsweise geringem Ausmaß beobach-
ten. Nur ein Drittel der Befragten sieht hierin eine Konsequenz der
fächerübergreifend abgestimmten Forschungsstrategie in ihren In-
stitutionen. Weitere Auswirkungen von Forschungsstrategien betref-
fen die Steuerungsinstrumente der Hochschulleitung und eine Ver-
stärkung der Forschungsevaluation sowie Veränderungen der Beru-
fungspraxis. D.h. Neuberufungen orientieren sich in einem hohen
Ausmaß am jeweiligen Forschungsprofil der Hochschule und sollen
dieses gezielt stärken bzw. weiterentwickeln.
Die Attraktivität unterschiedlicher Drittmittelgeber unterscheidet sich
dabei je nach Forschungsprofil und thematischer Aufstellung der
Universitäten und Fachhochschulen. Die Mittel der DFG, der EU
sowie des BMBF spielen dabei aus unterschiedlichen Gründen eine
hervorgehobene Rolle. Einerseits aufgrund der hohen Reputation
der Mittel, welche vor allem im Rahmen der DFG-Förderung durch
das viel beachtete Fördermittelranking verstärkt wird. Vor dem Hin-
tergrund einer hohen gutachterlichen Qualität werden die Mittel des
BMBF in der Regel ebenfalls als sehr relevant für die eigene For-
schung angesehen.
Andererseits spielt die Ausfinanzierung der Mittel eine hervorgeho-
bene Rolle bei der Wahl des Drittmittelgebers, was die Mittel dieser
drei öffentlichen Zuwendungsgeber (BMBF, DFG, EU) aufgrund ih-
rer Ausreichung von Overheadpauschalen in ihrer Attraktivität weiter
steigert. Zwar wies die Mehrzahl des in den Fallstudien befragten
Leitungspersonals darauf hin, dass seitens der Hochschulleitung
keine entsprechenden Vorgaben gemacht würden. Die Praxis der
befragten Wissenschaftler/-innen zeigt aber gleichzeitig, dass der
Aspekt der Ausfinanzierung der Drittmittelprojekte für diese selbst
eine hohe Relevanz besitzt (vgl. folgende Abbildung).
39
Abbildung 13: Bedeutung von Rahmenbedingungen für die Wahl des Förderinstruments von drittmittelstarken Wissen-schaftler/-innen (Mittelwert einer möglichen Beurtei-lung zwischen 0 und 100; n=2.001)
Quelle: Onlinebefragung der Wissenschaftler/-innen; Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Es zeigt sich, dass die Möglichkeiten einer Vollkostenfinanzierung
annähernd die gleiche Relevanz besitzen wie die thematischen
Vorgaben. Finanzierungsquoten und die Gewährung von Pauscha-
len sind den Wissenschaftlern/-innen zudem wichtiger als die Bewil-
ligungsquoten der unterschiedlichen Drittmittelgeber. Eine stärkere
Öffnung der Universitäten und Fachhochschulen in Richtung Indu-
strieforschung und Wirtschaftskooperationen wäre vor diesem Hin-
tergrund dann in einem größeren Umfang zu erwarten, wenn die
Orientierung an der Vollkostenfinanzierung zum Leitmotiv der Dritt-
mittelakquisition wird. Forschungseinrichtungen zählen FuE-Auf-
träge aus der Wirtschaft nach dem EU-Beihilferahmen zu den wirt-
schaftlichen Tätigkeiten und müssen diese somit zu gängigen
Marktpreisen – unter Einbezug sämtlicher tatsächlicher Kosten –
anbieten.
Diese Öffnung ist in der Breite der Universitäten und Fachhochschu-
len auf Grundlage der vorliegenden Empirie nicht zu beobachten.
Technische Hochschulen mit einem ausgewiesenen Profil in den In-
genieurwissenschaften verstärken – nicht zuletzt aufgrund ihres
anwendungsorientierten Wissenschaftsleitbilds – ihre strategischen
Bemühungen zum Ausbau ihrer Industriekooperationen. Jenseits
dieser Zielgruppe konnten bei den befragten Universitäten und
Fachhochschulen nur in Ausnahmefällen strategische Aktivitäten in
diese Richtung beobachtet werden. Teils, weil die thematische Dis-
tanz zwischen den akademischen Feldern der Hochschulen und Un-
Frage: Wenn Sie ein neues Forschungsthema angehen möchten: Welche Bedeutung haben die folgenden Rahmenbedingungen
des Förderungsinstruments für die Wahl des Förderungsangebots (Förderungsprogramms)?
57,0
70,0
75,0
81,0
82,0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Bewilligungsquote
Gewährung einer Overhead -Pauschale
(Gesamt-) Finanzierungsquote
Thematische Vorgaben
Möglichkeit der Vollkostenfinanzierung
40
ternehmen zu groß ist und teils, weil es weiterhin ernstzunehmende
Vorbehalte auf Seiten der Wissenschaft gegenüber Industriekoope-
rationen gibt. Motive gegen eine stärkere Berücksichtigung industri-
eller Auftragsforschung wie die Wahrung der Forschungsfreiheit
oder Befürchtungen einer Kommerzialisierung der Wissenschaft
konnten in den Gesprächen mit den Wissenschaftler/-innen syste-
matisch aufgenommen worden.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die im Vergleich geringe
Zustimmung der befragten Wissenschaftler/-innen zu der These,
wonach ohne privat finanzierte Drittmittel eine internationale konkur-
renzfähige Forschung nicht mehr möglich sei. Mit 47% stimmten
weniger als die Hälfte der Befragten dieser Annahme zu. Diese Ein-
stellung gegenüber Wirtschaftskooperationen bedeutet jedoch nicht,
dass jenseits der akademischen Forschung nicht auch Forschungs-
dienstleistungen mit dem klaren Ziel der Mittelerwirtschaftung
durchgeführt werden. In den Fallstudien konnten mehrere Beispiele
vor allem technisch orientierter Einrichtungen identifiziert werden,
welche bspw. ihren Maschinenpark für begrenzte Zeiträume im
Wirtschaftsauftrag betreiben. Hintergrund dieser Aktivitäten war in
der Regel die Erwirtschaftung zusätzlicher Mittel zur Wartung und
Instandhaltung der Geräte, vereinzelt auch die Bildung von Rückla-
gen.
Die hohe Relevanz der Drittmittelforschung führt innerhalb der Uni-
versitäten und Fachhochschulen dazu, dass die eingeworbenen
Gelder mittlerweile teils signifikante Anteile an den Gesamtbudgets
der Einrichtungen einnehmen. In der folgenden Abbildung ist für alle
Universitäten (ohne medizinischen Einrichtungen) in Deutschland
der Anteil der Drittmittel an den insgesamt zur Verfügung stehenden
Mitteln abgebildet. Dabei stellt jede Säule eine Universität dar.
41
Abbildung 14: Anteil der Drittmittel an den Gesamtmitteln der Uni-versitäten (ohne medizinische Einrichtungen) in Deutschland, 201115
Quelle: Statistisches Bundesamt (2014): Fachserie 11, Reihe 4.3, eigene Berechnung und Darstellung Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Nur wenige Universitäten erwirtschaften mittlerweile nach dieser Be-
rechnung Drittmittel in einem Umfang von einem Drittel ihres Ge-
samtbudgets. Richtet man den Blick auf jene Universitäten, welche
mit einem Anteil von mindestens 20% bereits einen signifikanten
Anteil ihres Budgets durch Drittmittel stellen, so betrifft dies mit 35%
einen erheblichen Teil. Rund 20% der Universitäten haben einen
Drittmittelanteil von weniger als 10%.
Mit Blick auf die Fachhochschulen zeigt sich, dass diese Entwick-
lungen nicht im gleichen Umfang wie bei den Universitäten sichtbar
werden. Dennoch zeigte sich in den Fallstudien – die vor allem for-
schungsstarke Fachhochschulen fokussierten – dass die Leitungen
15 Die Säulen setzen sich zusammen aus den folgenden Mitteln: Personalausgaben, laufende Sachaufwendungen, Ver-
waltungseinnahmen (zusammengefasst in „Anteil laufende Ausgaben und Verwaltungseinnahmen“) und Drittmittel.
Anteil Drittmittel an Gesamtmittel Anteil lfd. Ausgaben und Verwaltungseinnahmen an Gesamtmittel
42
hinsichtlich der Forschungsfinanzierung ähnliche Herausforderun-
gen wahrnehmen wie ihre Kollegen/-innen an den Universitäten.
Abbildung 15: Anteil der Drittmittel an den Gesamtmitteln der Fach-hochschulen (ohne Verwaltungsfachschulen) in Deutschland, 2011
Quelle: Statistisches Bundesamt (2014): Fachserie 11, Reihe 4.3, 2014, eigene Berechnung und Darstellung Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Diese Entwicklungen sind gleichermaßen Auslöser und Folge von
strategischen Aktivitäten auf Ebene der Hochschulleitungen. Ein
beachtlicher Anteil der online befragten Hochschulen gab an,
Schwerpunktsetzungen bei der technischen Infrastruktur (57%), der
baulichen Infrastruktur (34%) sowie bei den Berufungen (56%) und
sonstigen Personal- und Stellenbesetzungen (55%) vorzunehmen.
In zahlreichen Einrichtungen wird mit konkreten Maßnahmen die
Erhöhung der Drittmittelerfolge systematisch verfolgt. Hervorzuhe-
ben ist dabei, dass immerhin zwei Drittel der Befragten eine interne
leistungsorientierte Mittelvergabe basierend auf eigenen Leistungs-
vorgaben vornehmen. Folgende in der Abbildung dargestellten kon-
kreten Anreize zur Anregung von drittmittelfinanzierten Forschungs-
aktivitäten werden gesetzt.
43
Abbildung 16: Konkrete Anreize zur Anregung von drittmittelfinan-zierten Forschungsaktivitäten an den befragten Hochschulen (Anteil in % der online antwortenden Hochschulen; n=82)
Quelle: Online-Befragung der Hochschulpräsidien und -rektorate; Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Gründe für diese Aktivitäten sind – wie eingangs bereits dargelegt –
die in mehrfacher Hinsicht hohe Relevanz der Drittmittel sowie de-
ren zentrale Bedeutung zur Finanzierung von Forschung vor dem
Hintergrund mangelnder Grundmittel. In den Fallstudien konnten un-
6%-7% der zugesprochenen Beitragssummen), im Jahr 2010
CHF 80,8 Mio. (d.h. 15%-16% der zugesprochenen Beitragssum-
men) und im Jahr 2011 CHF 82,5 Mio. (d.h. 17%-19% der zuge-
sprochenen Beitragssummen). Die tatsächliche Overheadrate lag
damit in der Vergangenheit unter dem Maximum von 20%. Jede bei-
tragsberechtigte Institution erhält von der Gesamtsumme ihrer over-
headberechtigten SNF-Mittel des Vorjahres diesen Prozentsatz als
Overhead.
Die Overhead-Empfänger (primär Universitäten und ETHs) ent-
scheiden autonom über die Verwendung der Mittel aus der Pau-
schale. Die Verwendung muss allerdings im Zusammenhang mit
dem Zweck des Overheads stehen, welcher darin besteht, indirekte
Forschungskosten teilweise abzugelten. Inwieweit Forschende, die
53
mit ihren bewilligten Projekten Overheadbeiträge ausgelöst haben,
direkt profitieren, ist der jeweiligen Forschungsinstitution überlas-
sen.
Der SNF fördert folgende direkte Kosten:
a. die Saläre wissenschaftlicher und technischer Mitarbeitender
des Forschungsprojekts;
b. Sachkosten, die mit der Durchführung des Forschungsprojekts
in direktem Zusammenhang stehen, namentlich Material von
bleibendem Wert, Verbrauchsmaterial, Feldspesen, Reisen oder
Aufwendungen Dritter;
c. Kosten für die mit der Durchführung des Forschungsprojekts
zusammenhängende Benutzung der Infrastruktur von Instituten
oder Labors, sofern die jeweiligen Reglements oder Ausschrei-
bungsbedingungen des Nationalen Forschungsrats dies aus-
drücklich vorsehen;
d. weitere Kosten, sofern diese in Reglements und Ausschrei-
bungsbedingungen des Nationalen Forschungsrats vorgesehen
sind.
Vollkostenrechnung
Die Schweizerische Universitätskonferenz (SUK) begann in Zu-
sammenarbeit mit den universitären Hochschulen im Jahr 1999 ein
einheitliches Kostenrechnungsmodell zu entwickeln, Ende 2007
wurde die Entwicklung des Systems abgeschlossen. Seither werden
Daten aus der Kostenrechnung vom Bundesamt für Statistik (BFS)
veröffentlicht (bspw. Kosten pro Studierende, Betreuungsverhältnis-
se). Auch Universitäten und Ministerien nutzen die Daten zur Pla-
nung und Steuerung.
Für Räume werden im Modell kalkulatorische Kosten angesetzt
(d.h. (einheitliche) standardisierte Raummieten für alle universitären
Hochschulen unter Zuhilfenahme einer Raumdatenbank).
Die prozentuale Aufteilung der Arbeitszeit auf die Bereiche Lehre
(mit Unterscheidung zwischen Grundausbildung und weiterführen-
der Ausbildung), F&E, Weiterbildung und Dienstleistungen erfolgt
rückwirkend. Empfohlen wird eine Erhebung auf Individualebene,
notwendig ist eine Erhebung mindestens auf Ebene der Organisati-
onseinheit (Professur, Institut).
Quelle: Schweizerische Universitätskonferenz, SNF
Einführung von Overheads in der Schweiz
Ausgangslage
Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) finanzierte bis zum Jahr
2008 nur direkte Forschungskosten. Indirekte Kosten für Infrastruk-
54
tur, Unterhalt und Verwaltung mussten von den Institutionen, an
welchen die Forschungsvorhaben durchgeführt wurden, selbst ge-
tragen werden. Folglich war die finanzielle Belastung der Hochschu-
len umso höher, je erfolgreicher ihre Forschenden in der Beschaf-
fung von SNF-Fördermitteln waren, und die Gefahr drohte, dass
dies längerfristig zu Konflikten innerhalb der Hochschulen und der
Fakultäten führen könnte und eine Schwächung des Anreizes, in die
Forschung zu investieren, zur Folge haben könnte. So war der
Grund für die Einführung des Overheads in der Schweiz, der kom-
petitiv finanzierten Forschung in der Schweiz mehr Gewicht zu ver-
leihen und einen zusätzlichen Anreiz für Hochschulen zur Akquisiti-
on von SNF-Fördermitteln darzustellen.
Der Bundesrat hat im Herbst 2008 mit einer Änderung der For-
schungsverordnung die Grundlagen für die Einführung des Instru-
ments Overhead geschaffen; ab 2009 konnte der SNF somit bei den
Overhead-berechtigten Förderungsinstrumenten auch einen Teil der
indirekten Forschungskosten decken.17
Berechnung des Overheadbeitrages
Das Overheadreglement legt fest, dass „die Basis für die Berech-
nung des Overheadbeitrags die Neuzusprachen in einem Kalender-
jahr bilden“ (Artikel 3), „die Forschende für Forschungsvorhaben an
den Institutionen auf Beiträgen als verantwortliche Beitragsempfän-
gerinnen oder Beitragsempfänger erhalten“. Der Overhead wird auf
Basis der maßgebenden Zusprachen des Vorjahres (also ex post)
berechnet.18
Die Höhe des pauschalen Overhead-Beitrags richtet sich nach den
jährlich zur Verfügung stehenden Bundesmitteln.
Des Weiteren schreibt das Overheadreglement in Artikel 8 die Höhe
des Beitrages vor: „Das Total der gemäß diesem Reglement in die
Overhead-Berechnung einbezogenen Neuzusprachen, geteilt durch
die zur Verfügung stehenden Mittel, ergibt den effektiven Prozent-
satz für den Overhead-Beitrag des dem Berechnungsjahr folgenden
Kalenderjahrs. Der Prozentsatz beträgt maximal 20%“.19
Darüber hinaus ist hier zu erwähnen, dass das Parlament das Ma-
ximallimit des Overheadsatzes alle vier Jahre festsetzen kann.
17 http://nfp.snf.ch/D/Aktuell/Dossiers/Seiten/overhead.aspx. 18 Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (2011): Reglement über die Overhead-
beiträge.
19 Ebenda.
55
Interne Verteilung des Overheads
Das Reglement über die Overheadbeiträge aus dem Jahr 2011 legt
fest, dass die begünstigten Hochschulen (Rektorate) im Rahmen
der allgemeinen Zweckbestimmung des Overheads über die interne
Zuteilung und Verwendung der jeweiligen Beiträge frei entscheiden
können.20
Die Option, den Institutionen hinsichtlich der internen Verteilung des
Overheads subventionsrechtlich verbindliche Vorgaben zu machen,
ist verworfen worden, da man der Meinung ist und war, dass solche
Vorgaben im Widerspruch zur Zweckbestimmung von „institutionel-
len“ Beiträgen stehen und kaum mit einer Bundespolitik vereinbar
sind, die grundsätzlich die Autonomie der Hochschule stärken will.
Darüber hinaus würden solche Vorgaben seitens des Bundes ent-
sprechende Subventionskontrollen erfordern, was mit einer mög-
lichst unbürokratischen Einführung des Overhead nicht vereinbar
wäre. Jedoch sind die beitragsberechtigten Institutionen im Gegen-
zug dazu verpflichtet, interne Overhead-Reglements zu erlassen
und diese den zuständigen Stellen des Bundes zur Kenntnis zu un-
terbreiten.21
Vollkostenrechnung
Auch wenn die Schweizer universitären Hochschulen die Vollkos-
tenrechnung eingeführt haben, bleibt anzumerken, dass es dafür
keine einheitliche Regelung gibt, der Bund eine solche auch nicht
vorsieht, da er in die Rechnungslegung der Universitäten nicht ein-
greifen und den Universitäten Autonomie gewährleisten möchte.
Sofern ein Gesuch an den SNF ergeht, müssen die direkten Kosten
ausgewiesen werden (bspw. Anstellung von Doktoranden/-innen),
um nachzuweisen, dass diese direkt über Drittmittel finanziert wer-
den und ihre Finanzierung nicht ohnehin bereits über die Grundfi-
nanzierung abgedeckt ist.
Erfahrungen
Die Einführung der Overheadpauschale wird in der Schweiz seitens
des SNF und auch seitens der Rektoren/-innen und ihrer Universitä-
ten als positiv bewertet. Es ist gelungen, Anreize für F&E zu schaf-
fen sowie den administrativen Aufwand niedrig zu halten. Aufgrund
dessen, dass die Höhe der Pauschale vorweg nicht exakt festgelegt
ist, stellt die längerfristige Planungssicherheit für die Hochschulen
einen kritischen Punkt dar. Positiv erachtet wird von den Rekto-
ren/-innen daher die Erhöhung der Plansicherheit, indem ihnen be-
20 Ebenda. 21 Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBF (2007): Overhead. Einführung des Overhead beim Schweizerischen
Nationalfonds SNF. Bericht zu Händen der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur WBK.
56
reits Ende des Kalenderjahres die Höhe der Overheadpauschale,
welche im Folgejahr ausbezahlt wird, bekannt gegeben wird.
Im Fall der indirekten Kosten hat man sich für die Pauschale ent-
schieden, auch weil man aus der Erfahrung wusste, dass Vollkos-
tenmodelle (die wie erwähnt nicht einheitlich geführt werden) für die
Universitäten aufwändig sind und auch die Einführung eines zusätz-
lichen Kontrollorgans beim SNF erfordert hätten. Dem administrati-
ven Mehraufwand konnte man durch die Einführung der Overhead-
pauschale entgehen.
4.4 Dänemark
Der öffentliche Forschungssektor in Dänemark wurde in den ver-
gangenen Jahren maßgeblich umgestaltet (Integration vieler öffent-
licher Forschungseinrichtungen in Universitäten, Fusionen von Uni-
versitäten), um die Wettbewerbsfähigkeit und internationale Sicht-
barkeit des Hochschulsektors zu erhöhen. Eine erhebliche Auswei-
tung der öffentlichen Forschungsmittel für Universitäten ging außer-
dem mit einer Ausweitung des Anteils kompetitiv vergebener Mittel
einher.
Faktenblatt 3: Dänemark
Finanzierung indirekter Kosten
Das Danish Council for Independent Research gewährt Universitä-
ten eine Overhead-Pauschale in der Höhe von 44% zur Finanzie-
rung von indirekten Kosten wie Gebäudemieten, Verwaltungskosten
etc.
Die direkten Kosten umfassen Gehälter des wissenschaftlichen
Personals (Stellenpersonal oder drittmittelfinanziert), Gehälter von
technischem Hilfspersonal und Verwaltungspersonal (Stellenperso-
nal oder drittmittelfinanziert), Aufwendungen für Ausrüstung (höchs-
tens DKK 500 Tsd.) und Betriebs- und Wartungskosten.
Vollkostenrechnung
Ein Kosten- und Leistungsrechnungssystem für Universitäten auf
Basis von Vollkosten wurde in Dänemark noch nicht etabliert.
Quelle: DFF 2012
Obwohl der Hochschulsektor in Dänemark in den vergangenen Jah-
ren umfangreichen Veränderungen unterworfen war, ist eine Voll-
kostenrechnung an den Universitäten noch nicht eingeführt worden.
Die Finanzierung von indirekten Kosten erfolgt deshalb in Form ei-
ner einheitlichen Pauschale.
57
4.5 Finnland
Universitäten spielen in Finnland eine zunehmend wichtige Rolle in
der Forschung. Um die Universitäten zu stärken, wurden die Finan-
zierungsmittel ausgeweitet, es kam aber auch zu Umstrukturierun-
gen durch Fusionen von Universitäten. Die Ausweitung der For-
schungsfinanzierung in Finnland ging mit einer Erhöhung des An-
teils kompetitiv vergebener Mittel einher.
Faktenblatt 4: Finnland
Finanzierung indirekter Kosten
Bis 2009 erfolgte die (teilweise) Abgeltung indirekter Kosten bei Pro-
jekten der Academy of Finland durch eine Pauschale in der Höhe
von 12,5%. Seit 2009 erfolgt die Finanzierung von Forschungspro-
jekten der Academy of Finland (bis auf wenige Ausnahmen) auf Ba-
sis von Vollkosten. Bis zu den Calls im April 2012 betrug die Finan-
zierung maximal 80% der Vollkosten, seit den Calls im September
2012 betrug sie maximal 70%. Das bedeutet in einem aktuellen
Forschungsförderungsantrag ist eine Kostenschätzung gemeinsam
mit einem Finanzierungsplan abzugeben, wobei der vorgesehene
Finanzierungsanteil der Academy of Finland 70% nicht übersteigen
darf. Zur Berechnung der indirekten Kosten sind neben den direkten
Kosten
1) der Prozentsatz der indirekten Gehaltskosten (aufgrund von Ur-
laub, Krankenstand etc.),
2) der Prozentsatz der Overheads (berechnet auf Basis der ge-
samten Gehaltskosten) und
3) der Koeffizient der effektiven Arbeitsstunden, wie von der Uni-
versität selbst angewandt, anzugeben.
Vollkostenrechnung
Schon seit 1997 waren die Universitäten gefordert, die Verwendung
ihrer Mittel der Lehre, der Forschung und der gesellschaftlichen Ak-
tivitäten zuzuordnen. Dazu wäre ein aktivitätsbasiertes Kostenrech-
nungssystem erforderlich gewesen, das aufgrund fehlender Arbeits-
zeiterfassungen nicht umsetzbar war.
Die Veränderung der nationalen Förderrahmenbedingungen ab
2009 in Kombination mit der Möglichkeit im Rahmen von FP7 höhe-
re Finanzierungsquoten zu generieren, waren die wichtigsten Aus-
löser für die Etablierung von Vollkostenrechnungssystemen durch
die finnischen Universitäten. Sie führten auch dazu, dass die Ge-
werkschaften der Erfassung der Arbeitszeit zustimmten. Da die
Entwicklung dieser Vollkostenrechnungssysteme innerhalb eines
halben Jahres umgesetzt werden musste, erfolgte sie nicht einheit-
lich. Die finnischen Universitäten weisen deshalb auch jetzt kein
einheitliches System auf, sondern jeweils ein individuelles Vollkos-
58
tenrechnungssystem, das den rechtlichen Grundlagen genügt. Sie
ähneln einander aber weitgehend.
Die Zeiterfassung für Stellenpersonal erfolgt auf Basis von Arbeits-
plänen, Zeiterfassungen werden nur für extern finanzierte Projekte
verwendet.
Quelle: Estermann and Claeys-Kulik (2013), Academy of Finland 2012, 2013
Finnland setzte in den vergangenen Jahren umfangreiche Schritte
zur Weiterentwicklung des Universitätssystems um. Diese umfass-
ten auch eine Ausweitung der Forschungsmittel für Universitäten bei
gleichzeitiger Implementierung einer Vollkostenrechnung und einer
sich zunehmend auf den/die Team-Leader/-in (Professoren/-innen)
und wenige andere Wissenschaftler/-innen. Der/Die Team-
Leader/-in arbeitet regelmäßig auch inhaltlich bei der Bearbeitung
der wissenschaftlichen Aufgabenstellungen mit. Bei kleineren
Teams ist diese Person stärker in alle Phasen des Forschungspro-
jekts insbesondere in die Antragstellung involviert, bei größeren
Teams erfolgt eine stärkere Delegation, insbesondere auf die
(Post-)Doktoranden/-innen.
27 Vgl. dazu konkret insbesondere Tabelle 1.
74
Die Finanzierung der Wissenschaftler/-innen erfolgt daher regel-
mäßig durch Drittmittel verschiedener Quellen. Hinsichtlich dieser
Quellen differenzieren die Wissenschaftler/-innen nicht nur nach
dem Drittmittelgeber und dessen wissenschaftlichen Ansprüchen,
sondern auch nach deren Verwendungsmöglichkeiten. Höchste
Wertschätzung genießen jene Mittel, die flexibel einsetzbar sind. Als
flexible Mittel angesehen werden die Zuwendungen der DFG, ins-
besondere im Rahmen der geförderten Sonderforschungsbereiche,
sowie aus der Auftragsforschung für die Industrie . Daneben schät-
zen die Wissenschaftler/-innen Mittel dann besonders, wenn diese
zur Nachhaltigkeit der Forschung beitragen und „auskömmlich“ sind.
Die Relation zwischen grundfinanziertem wissenschaftlichem Per-
sonal zum drittmittelfinanzierten wissenschaftlichen Personal wird in
den Forschungseinheiten häufig mit 1:10 und mehr beschrieben.
Insgesamt werden in Deutschland 30,4% der wissenschaftlichen
und künstlerischen Mitarbeiter/-innen an öffentlichen Hochschulen
sowie 21,0% der wissenschaftlichen Hilfskräfte durch Drittmittel fi-
nanziert.28
Die sächliche Grundausstattung der Hochschulen hat insbeson-
dere bei der experimentellen Forschung gemessen am Bedarf aus
Sicht der Befragten an Qualität und Umfang verloren. Die Hoch-
schulen mieten zusätzliche Gebäude/Räume, um diesen Bedarf de-
cken zu können. Hinsichtlich der technischen Ausstattung wird ver-
stärkt auf Sondermittel des Bundes oder der Länder zurückgegrif-
fen, da die Grundausstattung der Hochschulen vielfach keine adä-
quate Ausstattung zur Verfügung stellen kann. Immerhin 16% der
befragten Hochschulen gaben an, Sondermittel des Landes für zu-
sätzliche Geräte und Ausstattung zur Verfügung zu haben. Bei den
sog. „Buch“-Wissenschaften ist die Sachlage eine andere. Neben
der sächlichen Grundausstattung durch die Hochschulen hat sich
eine „Grundausstattung aus Drittmitteln“ herausgebildet, die für die
Forschung unverzichtbar ist, jedoch weder von den Hochschulen
noch den anderen öffentlichen Drittmittelprojekten erhalten (finan-
ziert) wird.
Die Steigerung des notwendigen Investitionsbedarfs in die Infra-
strukturausstattung wird von Seiten der Hochschulleitungen im
Rahmen der durchgeführten Online-Befragung auch als die bedeu-
tendste Auswirkung eines überdurchschnittlichen Drittmittelerfolgs
genannt.29 Im Zusammenhang mit der Relevanz der Drittmittelfor-
schung für die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschule, die ebenfalls
abgefragt wurde, zeigt sich ein signifikanter mittlerer Zusammen-
hang (Pearson 0,45**). D.h. je höher die Relevanz der Drittmittelfor-
schung bewertet wird, desto zwingender wird der Investitionsbedarf
wahrgenommen.
28 Statistisches Bundesamt (2013): Hochschulen auf einen Blick, S. 31. Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2011. 29 Der Mittelwert einer möglichen Beurteilung dieser Auswirkung zwischen 0 und 100 ergab den hohen Indexwert 78.
75
Diese Infrastruktur aufrechtzuerhalten ist für die Wissenschaft-
ler/-innen ebenfalls problematisch. Dies gilt nicht nur für die techni-
sche Erstausstattung sondern auch für Reparaturen und Wartungs-
kosten, die ja die gesamte Nutzungszeit betreffen und damit über
übliche Projektlaufzeiten von 2 bis 3 Jahren deutlich hinausgehen.
In diesem Zusammenhang gehen Hochschulen verstärkt „Koopera-
tionen“ mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der In-
dustrie ein, die ihnen die fehlende technische Infrastruktur zur Ver-
fügung stellen.
Die Verwaltungsaufwendungen der diversen Fördermittel haben
nach Ansicht der befragten Wissenschaftler/-innen spürbar zuge-
nommen. Das wird zurückgeführt auf sich stärker differenzierende
Fördermittel, deren Fördermethoden, unterschiedliche förderfähige
Kosten/Ausgaben, sich ändernde Fördermittelbestimmungen sowie
zunehmend umfänglichere Nachweisführungen. Ein Teil dieser Auf-
gaben kann durch die Verwaltung der Hochschulen unterstützt wer-
den. Jedoch ist das Rechnungswesen vielfach nicht in der Lage, die
verschiedenen Anforderungen aus den diversen Förderbestimmun-
gen abzubilden. In Folge dessen werden eigene Nachweissysteme
geführt, die zusätzlichen Aufwand verursachen, der teils über die
personelle Kapazität der grundmittelfinanzierten Verwaltungsmitar-
beiter/-innen des Stellenpersonals hinausgeht. Die Verwaltungsauf-
wendungen entstehen daher sowohl auf den Ebenen der Forscher-
teams, als auch in dezentralen und zentralen Einrichtungen der Fa-
kultäten und der Hochschule. Die Hochschulen haben daher über-
wiegend zentrale Einrichtungen der Drittmittelverwaltung und der
Unterstützung der Formalprozesse (teils auch inhaltlicher Aspekte)
bei der Beantragung eingerichtet.
76
6 Höhe der durch die Drittmittelforschung verursachten Kosten
Ein zentraler Faktor zur Bewertung der Adäquanz der ausgereichten
Pauschalen stellt die Frage nach den durch die Drittmittelforschung
verursachten Kosten bei den jeweiligen Projektnehmern dar. Vor
diesem Hintergrund wurde in allen empirischen Schritten die Frage
nach den mit der Drittmittelforschung verbundenen Kosten themati-
siert. Im Rahmen der schriftlichen Befragungen der Hochschulen
wurden die Verwaltungsleitungen zur Höhe der Overheadsätze be-
fragt. Dabei konnten nur in wenigen Fällen Angaben zu diesen
Overheadsätzen der einzelnen Einrichtungen erhoben werden. Das
kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen zeigt die Erfahrung
aus den Fallstudien, dass auf Seiten der Hochschulen nur unzurei-
chendes Datenmaterial zur Berechnung der Overheadsätze vor-
handen ist. Vor diesen Hintergrund stellt es für die Hochschulen ei-
nen hohen Ermittlungsaufwand dar, für eine externe Befragung die-
se Informationen zusammenzustellen, welcher offenkundig nur im
Einzelfall geleistet werden konnte. Andererseits konnte in den Fall-
studien ebenfalls wahrgenommen werden, dass auf Seiten der
Hochschulen durchaus Unsicherheiten in Bezug auf die Wirkungen
der übermittelten Daten im Rahmen einer Studie vorliegen. Vor die-
sem Hintergrund wurde ein weiterer empirischer Schritt entwickelt,
der die Frage nach den drittmittelinduzierten Kosten auf Basis kon-
kreter Projekte an unterschiedlichen Hochschulen untersuchte (vgl.
Kapitel 6.2ff.).
Im Folgenden werden die Ergebnisse der einzelnen empirischen
Schritte dargestellt und zusammenfassend bewertet. Dabei werden
zunächst die Ergebnisse der Online-Befragung und Fallstudien zur
Höhe der Overheadsätze und darauf aufbauend das Vorgehen und
die Ergebnisse der Einzelerhebungen dargestellt. Kapitel 6.9 führt
die Erkenntnisse schließlich als Zwischenfazit zusammen.
6.1 Online-Befragung zur Höhe der Overheadsätze
Die Analyse der Online-Befragung sowie der Fallstudiengespräche
zeigt, dass die Hochschulen Overheadkosten unterschiedlich defi-
nieren und auch sehr unterschiedliche Berechnungssysteme für
vergleichbare Sachverhalte anwenden. Eine Vergleichbarkeit der
Befunde ist somit nur eingeschränkt möglich. Dennoch vermitteln
die wenigen Angaben, die im Rahmen der Befragungen gemacht
wurden, einen Befund, der verglichen mit den Kalkulationssätzen
der Overheads aus der beihilferechtlichen Trennungsrechnung nicht
realitätsfremd erscheinen. Die große Spannbreite der Angaben
kann auf unterschiedliche Hochschultypen, unterschiedliche Fakul-
täten und insbesondere den Anteil experimenteller Forschung zu-
rückzuführen sein. Im Vergleich mit der Trennungsrechnung, aus
der sich Overheadsätze von 25 bis über 100% ergeben, liegen die-
77
se Angaben in einem nachvollziehbaren Rahmen. Bei diesem Ver-
gleich ist jedoch zu beachten, dass in der Trennungsrechnung als
Basis die Vollkosten der Forschung angesetzt werden.
Im Durchschnitt liegen die Sätze deutlich über dem Niveau der
BMBF Projektpauschale. Zwischen den einzelnen wissenschaftli-
chen Disziplinen herrschen zum Teil beträchtliche Unterschiede in
den zu berücksichtigenden indirekten Kosten. 49% der im Rahmen
der Online-Befragung antwortenden Hochschulverwaltungen (n=51)
geben an, dass der Anteil der indirekten Kosten zwischen unter-
schiedlichen Lehr- und Forschungseinheiten sehr stark variieren.
Analog äußern sich viele der im Rahmen der Fallstudien befragten
Hochschulvertreter/-innen. Sowohl auf Ebene der Hochschul- und
Verwaltungsleitungen als auch auf Ebene der Wissenschaft-
ler/-innen.
Unabhängig der jeweiligen Kostenhöhe wurde im Rahmen der Onli-
ne-Befragung der Projektleiter/-innen des Weiteren nach den durch
die Drittmittelforschung zusätzlich anfallenden Kosten (außerhalb
der Förderung) gefragt. Dabei zeigen sich – auf Basis der Antworten
der befragten Wissenschaftler/-innen – insbesondere in der Projekt-
phase, aber auch in der Vorlauf- und Nachlaufphase vielfältige zu-
sätzliche Kostenpositionen. Über 60% der antwortenden Projektlei-
ter/-innen geben beispielsweise an, dass in der Projektphase zu-
sätzliche Kosten zur Wartung technischer Infrastruktur anfallen. Ne-
ben weiteren technischen Aspekten sowie Raum- und Energiekos-
ten verweisen viele Befragte insbesondere auch auf zusätzlich an-
fallende Personalkosten (administrativ, aber auch wissenschaftlich),
die nicht im Rahmen des Projektbudgets abgedeckt sind (vgl. Abbil-
dung 22).
78
Abbildung 22: Zusätzlich anfallende Kosten in öffentlich geförderten Drittmittelprojekten, die nicht durch die Förderung abgedeckt sind
Quelle: Onlinebefragung der Wissenschaftler/-innen, Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Befragt nach der Höhe der mit diesen Kostenpositionen insgesamt
zusätzlich anfallenden Kosten zeigt sich in den Angaben der Wis-
senschaftler/-innen hingegen ein breites Spektrum an Einschätzun-
gen (vgl. Abbildung 23).
In Bezug auf das bewilligte Projektbudget sehen insgesamt 37,5%
der Befragten die zusätzlich anfallenden Kosten bei 20% und somit
entsprechend der aktuell ausgereichten Pauschalhöhe. Knapp 40%
verweisen auf deutlich höhere Zusatzkosten zwischen 30 und
200%. Knapp ein Viertel der Befragten schätzt die Zusatzkosten
hingegen auf 10% oder geringer ein.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Vorlaufphase Projektphase Nachlaufphase
Wartung von technischer Infrastruktur
Anschaffung / Reinvestition von technischer Infrastruktur
Nicht vorhergesehene Personalkosten
Technische Hilfsmittel
Administratives Personal
Räume (Sanierung / Miete)
Energiekosten
Zusätzliches nicht-wissenschaftliches Personal
Zusätzliches wissenschaftliches Personal
Marketing
Keine
Frage: Welche zusätzlichen Kosten fallen durch öffentlich geförderte Drittmittelprojekte in den verschiedenen Projektphasen an,
die durch die Förderung nicht vollständig abgedeckt werden?
79
Abbildung 23: Schätzung der Höhe zusätzlicher Projektkosten im Vergleich zu den bewilligten Projektbudgets; n=1.984
Quelle: Onlinebefragung der Wissenschaftler/-innen, Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Die hohe Bandbreite der Kostenschätzung durch die Wissenschaft-
ler/-innen zeigte sich auch in den durchgeführten Fallstudieninter-
views. Neben den bereits beschriebenen fachspezifischen Unter-
schieden wurden in diesem Kontext v.a. auch ein unterschiedliches
Kostenbewusstsein bzw. eine unterschiedliche Kostensensibilität
bei den jeweiligen Projektleitern/-innen deutlich.
Während einige Befragte vielfältige indirekte Kostenpositionen kon-
kret ansprechen und sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer je-
dern auf kostenstellenübergreifend definierte Prozesse verteilt.
Hierzu haben wir in einem ersten Schritt die hochschulspezifischen
Prozesse der Drittmittelforschung erhoben. Folgende Schaubilder
verdeutlichen dies.
Phase 3Nachlaufphase
Einbezogene Bereiche:
Phase 2Bewilligtes Drittmittelvorhaben
Phase 1Vorlaufforschung und Akquisition
Spezifisch für die Drittmittelforschung genutzte Infrastruktur (insb. Kosten der Labornutzung), zusätzliche Sachkosten
Zentrale Verwaltung
Räumliche Infrastruktur der Hochschule (z.B. Abschreibungen, Miete, Bewirtschaftungskosten)
Arbeitskapazität des nicht projektfinanzierten wissenschaftlichen, wissenschaftlich-technischen Personals und dezentrale Verwaltung in der Förderphase, mit und ohne Professoren/-innen
92
Abbildung 26: Prozessgliederung (Drittmittelprozess einer Hoch-schule) (Ausschnitt)
Quelle: Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Abbildung 27: Prozesse der Durchführung (Drittmittelprozess einer Hochschule) (Ausschnitt)
Quelle: Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Prozessgliederung
Vorlaufphase
Bereitstellung von Informationen zur Forschungsförderung
Planung der Bewerbung für Förderprogramm / Vorlaufforschung
Erstellung der Bewerbung / des Antrags ggü. Förderinstitution
Eingang des Zuwendungsbescheides / Vertragsabschluss
Projektdurchführung
Einstellung von Drittmittelpersonal
Beschaffung von Verbrauchsmaterial
Beschaffung von Investitionsgütern
Forschungstätigkeit für das Projekt
Recherchetätigkeiten
Projektkoordination
Änderungsanträge
Abrechnung von Reisekosten
Projektcontrolling
Nachlaufphase
Projektabrechnung / Verwendungsnachweis / Audit
Publikationen
Kosten aufgrund Zulagen für Drittmittelforschung
Projektspezifische Kosten
Projektdurchführung
Einstellung von
Drittmittel-personal
Erarbeitung eines Stellenplanes für das Projekt Lehrstuhl
Bearbeitung des Personalanfragebogens Lehrstuhl
Prüfung des Personalanfragebogens Drittmittelstelle
Genehmigung der Personalanfrage und Stellenausschreibung Personalabteilung für Drittmittelbeschäftigte
Durchsicht der BewerbungenLehrstuhl / Personalabteilung für
Drittmittelbeschäftigte
Einladung der Bewerber/-innen zu Vorstellungsgesprächen Personalabteilung für Drittmittelbeschäftigte
Führen der VorstellungsgesprächeLehrstuhl / Personalabteilung für
Drittmittelbeschäftigte
Auswahl geeigneter PersonenLehrstuhl / Personalabteilung für
Drittmittelbeschäftigte
Prüfung / Zustimmung des Personalrats Personalrat
Stammdatenerfassung Personalabteilung für Drittmittelbeschäftigte
Ausarbeitung des Arbeitsvertrages Personalabteilung für Drittmittelbeschäftigte
Monatliche Abrechnung des Drittmittelpersonals Personalabteilung für Drittmittelbeschäftigte
Beschaffung
von
Verbrauchs-
material
Angebotseinholung zu Verbrauchsmaterial Lehrstuhl
Erstellung BANF durch wissenschaftliche Mitarbeiter Lehrstuhl
Genehmigung der Bestellung durch Lehrstuhlinhaber / Projektleiter Lehrstuhlinhaber/-in / Projektleiter/-in
Weiterleitung der BANF an Einkauf Lehrstuhl
Bearbeitung der BANF und Bestellung des Verbrauchsmaterials Einkauf (Finanzabteilung)
Qualitätsprüfung des Wareneingangs und Kontierung Lehrstuhl
Rechnungsprüfung durch Projektleiter/-in Lehrstuhl
Rechnungsfreigabe und Kontierung durch Lehrstuhl Lehrstuhl
Buchung und Zahlungsanweisung Drittmittelstelle
93
Durch die Befragung der Prozessbeteiligten (Verwaltung und Wis-
senschaftler/-innen) wurden in einem zweiten Schritt die Kostentrei-
ber der administrativen Tätigkeit (zum Beispiel Zeit oder Mengen)
erhoben37 und die Kosten der einzelnen Prozesse ermittelt.
Was sind die Kostentreiber?
Beispiel: Durchsicht der Bewerbung auf eine ausgeschriebene
Drittmittelstelle
Anzahl Bewerbungen eines Jahres / Anzahl Bewerbungen auf eine
Stelle
Ermittlung der Kosten
Kosten des Teilprozesses (z.B. Personalkosten für die Dauer der
Teilprozessdurchführung)
(a) Zeitmessung (Zeitaufwand je Bewerbung multipliziert mit der
Anzahl der Bewerber eines Projektes)
(b) Rechnerische Ermittlung: Jahrespersonalkosten der Kapazität
in der Personalabteilung für die Bewerbungsbearbeitung divi-
diert durch Anzahl Bewerbungen eines Jahres multipliziert mit
der tatsächlichen oder durchschnittlichen Anzahl der Bewerber
eines Projektes
Datenerhebung des Kostentreibers
(a) Befragung: Wie viele Bewerbungen sind auf das ausgewählte
Projekt eingegangen?
(b) Befragung: Wie viele Bewerbungen sind insgesamt in einem
Jahr eingegangen?
Bei denjenigen Hochschulen, bei welchen Angaben zu Fallzahlen
(Mengen) ermittelt werden konnten, wurde die Berechnung wie un-
ter a) dargestellt vorgenommen. In anderen Fällen wurden Angaben
zur zeitlichen Inanspruchnahme von Personen erhoben, die in die
administrativen Prozesse direkt einbezogen waren, ohne dass eine
fallzahlenspezifische Aussage möglich war. In diesen Fällen galt als
Maßstab der zeitliche Einsatz der betreffenden Mitarbeiter/-innen
die mit den Personal-Istkosten sowie Raumkosten bewertet werden
konnten, wie unter b) dargestellt.
37 Die Identifikation von Kostentreibern bezieht sich somit im betriebswirtschaftlichen Grundverständnis grundlegend auf
die Inanspruchnahme von entsprechenden Leistungen. Aussagen zum kostenbezogenen Gesamteinfluss werden damit nicht getroffen.
Ein Kostentreiber ist nach dem Verständnis der Prozesskostenrechnung eine Bezugsgröße (Indikator), die herangezogen werden kann,
um Gemeinkosten über festgelegte Prozesse beanspruchungsgerecht auf die Kostenträger zu verteilen.
94
a) Fallzahlenspezifisches Kostenmodell
Die Kosten der einzelnen Prozesse wurden nach Einzel- und Ge-
meinkosten differenziert. Entsprechend der Definition ist bspw. die
Wartung eines für das BMBF-Projekt benötigten Laborgerätes Ein-
zelkosten. Identifizierte Gemeinkosten wurden dahingehend validiert
dass sie durch das Projekt bzw. durch Drittmittelforschung verur-
sacht sind. Nach dieser Validierung wurde die Höhe der Gemein-
kosten ermittelt, z.B. der Personalkosten der Mitarbeiter/-innen in
der Personalabteilung, die auf die Verwaltung von Drittmittelperso-
nal entfallen.
Um den Bezug zur Verursachung durch das geförderte BMBF-
Projekt herzustellen, wurden die variablen Gemeinkosten ins Ver-
hältnis zu ihrem Kostentreiber gesetzt, z.B. der Anzahl der Projekte.
samtbaukosten (KG 200 – 700) / NFa 1-6 in Höhe von
3.840 EUR/m²“ bewertet (Stand: Oktober 2012). Weiterhin wurde
von einer hochschultypischen Nutzungsdauer von 35 Jahren aus-
gegangen.42 Bei der Annahme von 12 m² Nutzungsfläche je Mitar-
beiterkopf ergibt sich damit ein jährlicher AfA-Kostensatz in Höhe
39 Vgl. Stibbe, J. (2013): Wertermittlung von Hochschulliegenschaften; HIS. 40 Vgl. König, H. / Kreuter, H. (1997): Büroräume/Büroplätze in Hochschulen, Hrsg.: HIS; Fenner, H. / Vogel, B. (2002):
Wirtschaftsingenieurwesen an Universitäten und Fachhochschulen. 41 Vgl. Stibbe, J. (2013): Wertermittlung von Hochschulliegenschaften; HIS. 42 Vgl. ebd.
100
von 1.316,57 EUR [3.840 EUR/m² / 35 Jahre * 12 m²/Kopf). Für die
Zurechnung der Bewirtschaftungs- und Energiekosten wurden
ebenfalls die benannten 12 qm Nutzfläche je Kopf verwendet. Die
Bewertung erfolgte zu hochschulindividuellen Ist-Kosten des Basis-
jahres 2012. Dafür wurden jeweils die Summen der Bewirtschaf-
tungs- und Energiekosten der untersuchten Hochschulen mit der
Summe der bewirtschafteten Nutzungsfläche der Hochschulen divi-
diert und wiederum mit 12 m²/Kopf multipliziert. Die Kostensätze la-
gen zwischen 439 EUR/MA-Kopf p.a. (Fachhochschule) und
1.168 EUR/MA-Kopf p.a. (Technische Universität).
Zur Bewertung der Raumnutzungen auf Ebene der Lehr- und For-
schungseinheiten wurde die Annahme einer Nutzung von
12 m²/Kopf bei projektfinanzierten Mitarbeitern/-innen und der weite-
ren eingebundenen Beschäftigten getroffen, soweit nicht konkrete
Kosten ermittelt werden konnten. Die Professorenstunden wurden
auch mit Raum- und Bewirtschaftungskosten belastet. Die Systema-
tik der Kostenzurechnung ist dieselbe, wie bei Verwaltungskosten.
Nur die zugrundeliegenden Kostensätze der Bauministerkonferenz
sind andere. Hier wurden jeweils die Kostensätze der Forschungs-
disziplin, der das untersuchte Projekt zuzurechnen war, verwendet.
Die Jahres-AfA liegt dabei zwischen 1.285,71 EUR für Richtwert-
gruppe 1 (Geistes-, Wirtschafts-, Rechts-, Sozialwissenschaften)
und bei bis zu 4.001,14 EUR für Richtwertgruppe 10 (hochinstallier-
te Institutsbauten, Physikforschung, Biologieforschung, Materialfor-
schung).
Betrachtet man die anteiligen, auf die Professoren/-innen entfallen-
den projektbezogenen Raum- und Bewirtschaftungskosten als fixe
(leistungsmengenunabhängige) Kosten, so mindern sich die ermit-
telten (Einzel-) Kosten der Nutzung der räumlichen Infrastruktur um
diesen Anteil. Die unter 6.7 dargestellten ermittelten Overheadsätze
nach Stufen enthalten jeweils diese Anteile der Professoren/-innen
an den Raum- und Bewirtschaftungskosten. Die durchschnittlichen
Overheadsätze exklusive der Professorenanteile an den Kosten der
räumlichen Infrastruktur haben wir in einer Fußnote dargestellt.
Soweit aus den Erhebungen konkrete Informationen über die Nut-
zung von Laboren, wissenschaftlichen Großgeräten, Reinräumen
etc. vorlagen, wurden diese Nutzungen wie nachfolgend dargestellt
bewertet.
Wissenschaftlich-technische Infrastruktur
Aus der Befragung der Wissenschaftler/-innen konnten folgende
projektbezogen Informationen über die genutzten Einrichtungen
gewonnen werden:
Ort und Bezeichnung,
Art,
101
Umfang der Nutzung:
a) Anteil der genutzten Fläche und Zeitraum oder
b) Nutzungsstunden.
Teilweise konnten auch Angaben zu den Laborkosten bzw. zu den
Kosten pro Stunde durch die Wissenschaftler/-innen erhoben wer-
den. Die Identifizierung der Labore sowie deren Klassifizierung war
weitestgehend möglich. Die zur Berechnung der verursachten Ko-
sten notwendigen Informationen zur konkreten Ausstattung (Zuord-
nung von Geräten zu Räumen und die Ermittlung ihrer Anschaf-
fungskosten etc.) waren in vielen Fällen durch die Hochschulen
nicht möglich, da die Informationen in der benötigten Konsistenz
nicht vorlagen, z.B. projektfinanzierte Geräte nur mit Erinnerungs-
werten erfasst waren.
Einige Hochschulen des Untersuchungssamples mit spezifischen
Drittmittelstrukturen und die außeruniversitären Forschungseinrich-
tungen hatten jedoch auf der Grundlage von Ist-Kosten Laborstun-
densätze oder Maschinenstundensätze entwickelt. Die Laborstun-
densätze betragen:
Tabelle 6: Ermittelte Laborstundensätze
Laborart Laborstundensätze
Einfaches Labor 35 bis 55 €
Hochexperimentelles Labor 125 bis 155 €
Großgerätlabor 260 bis 310 €
Reinraum ca. 300 €
Quelle: Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Die vorstehenden Stundensätze wurden für die Berechnungen
nachvollzogen. Es sind alle wesentlichen Kostenarten einschließlich
der Gebäudekosten enthalten. Der Berechnung wurde eine Kapazi-
tät von 1600 Stunden im Jahr oder die tatsächliche Maschinenstun-
denzahl, in anderen Fällen die maximale Ausbringungsmenge zu-
grunde gelegt. Diese Berechnungen sind plausibel.
Soweit bei anderen Projekten auf der Grundlage der Erhebungsin-
formationen keine Bewertung vorgenommen werden konnte, orien-
tierte sich die Bewertung an diesen Werten.
Stellen- oder sonstiges Personal
Die Zeitaufwendungen der Forscherstunden und der weiteren nicht
finanzierten eingebundenen wissenschaftlichen und nicht wissen-
schaftlichen Beschäftigten wurden zu hochschulspezifischen Durch-
schnittskostensätzen je Entgelt-/Besoldungsgruppe aus 2012 (oder
102
personenindividuellen Ist-Kosten aus 2012) bewertet. Soweit die Ist-
Personalkosten bekannt waren, wurden diese verwendet.
6.7 Ergebnisse der Erhebung und Bewertung
Zur Darstellung und Diskussion der Ergebnisse wurden diese in fünf
Stufen und in Verteilungsgruppen ausgewertet und als „Overhead-
satz“ auf der Basis der geförderten Einzelkosten der Projekte be-
rechnet. Dabei unterscheiden sich die im Folgenden berechneten
Overheadsätze der Stufen a bis e wie folgt:
Tabelle 7: Überblick zu den in den Overheadsätzen berücksichtigten Kosten
Über die geför-
derten Einzel-
kosten verur-
sachte Kosten
in der Förder-
phase
Personalkosten
der Professo-
ren/-innen in
Förderphase
Kosten in der
Vor- und Nach-
laufphase (ohne
Professoren/
-innen)
Personalkosten
der Professo-
ren/-innen in
Vor- und Nach-
laufphase
Overheadsatz a - - -
Overheadsatz b - -
Overheadsatz c - -
Overheadsatz d -
Overheadsatz e
Quelle: Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Die differenzierten Ergebnisse werden in den folgenden Tabellen
ausgewiesen. Sie unterscheiden sich jeweils in der Einbeziehung
der genannten Kategorien und ermöglichen somit Aussagen zu de-
ren Relevanz.
103
a) Summe der verursachten, über die geförderten Einzelkosten
hinausgehenden Einzel- und Gemeinkosten während der För-
derphase – ohne Personalkosten der Professoren/-innen sowie
ohne Kosten der Vorlauf- und Nachlaufphase (Förderphase)
Tabelle 8: Overheadsätze Stufe a
Overheadsatz Projekte Ø Overheadsatz43
gesamt experimentell nicht-
experimentell
je Kategorie
in % gesamt in %
unter 20% 5 0 5 10,6%
20% bis unter 30% 5 3 2 24,1%
30% bis unter 50% 5 3 2 37,9%
50% bis unter 80% 4 4 0 63,6%
80% und mehr 2 2 0 120,8%
Summe 21 12 9 40,9%
Quelle: Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Diese Kosten der Förderphase beinhalten insbesondere folgende
Der Nachweis der Verwendung der BMBF-Projektpauschale im
Haushalt erfolgt an 41% der Hochschulen durch eine Umbuchung
der Einnahmen von Drittmittel-Titelgruppen in den Hochschulhaus-
halt. Dies erweckt fälschlicherweise den Eindruck, dass den Hoch-
schulen zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen. Budgetzuweisung
und Verwendung sind entsprechend entkoppelt. Knapp ein Drittel
der Hochschulen buchen nicht projektspezifische Energie-, Raum-
und andere projektspezifische Kosten gegen die Einnahmen der
Projektpauschale, während 6% keine haushaltswirksamen Buchun-
gen tätigen. Die Kategorie „Sonstiges“ ermöglichte es den ausfül-
lenden Personen, alternative Buchungstypen anzugeben. Knapp die
Hälfte dieser Kategorie kann der Gruppe „Buchung von nicht pro-
jektspezifischen Energie-, Raum- und anderen projektspezifischen
Kosten gegen die Einnahmen der Projektpauschale“ zugeordnet
werden. Knapp 20% der Hochschulen in der Kategorie „Sonstiges“
verbucht die Einnahmen aus der BMBF-Projektpauschale ebenfalls
in den Hochschulhaushalt, während die übrigen Hochschulen eine
Buchung auf spezielle Drittmittelkonten durchführen.
22,4%
6,1%
30,6%
40,8%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Umbuchung der Einnahmen von Drittmittel-Titelgruppe in den Landeshaushalt
Buchung von nicht projektspezif ischen Energie-, Raum- und anderen projektspezif ischen Kosten gegen die
Einnahmen der Projektpauschale
Keine haushaltswirksame Buchung
Sonstiges
Frage: Mit Blick auf die im Rahmen der BMBF-Forschungsförderung gewährten Projektpauschalen: Wie weisen Sie die
Verwendung der BMBF-Projektpauschale nach?
Umbuchung der Einnahmen von Drittmittel-Titelgruppe in den
Hochschulhaushalt
116
In der Kosten- und Leistungsrechnung erfolgt bei 40% der Hoch-
schulen nach Erhalt der BMBF-Projektpauschale eine Umbuchung
von Gemeinkosten auf den jeweiligen Kostenträger. 34% der Hoch-
schulen tätigen keine Buchung des Nachweises in der KLR, wäh-
rend 20% der antwortenden Institutionen Einzelkosten auf dem Ko-
stenträger erfassen.
Abbildung 29: Nachweis der Verwendung der BMBF-Projektpauschale in der Kosten- und Leistungsrech-nung (Anteil in % der online antwortenden Hochschu-len; n=50)
7.2 Potenziell Begünstigte der BMBF-Projektpauschale
Entsprechend der Verteilung der umgeschichteten Mittel auf die
Zentrale sowie auf dezentrale Einheiten der Hochschulen können im
Wesentlichen vier Nutzergruppen identifiziert werden:
Hochschulleitung, d.h. das Präsidium bzw. Rektorat, dem neben
Präsident/-in bzw. Rektor/-in nebenamtliche Vizepräsident/-in-
nen bzw. Prorektoren/-innen sowie die Kanzler/-innen angehö-
ren,
Verwaltungsleitung, d.h. die Kanzler/-innen der Hochschulen,
welche die Leitung der zentralen Verwaltung und somit der wirt-
6,0%
20,0%
34,0%
40,0%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Umbuchung von Gemeinkosten auf den Kostenträger
Keine Buchung des Nachweises in der KLR
Erfassung von Einzelkosten auf dem Kostenträger
Sonstiges
Frage: Mit Blick auf die im Rahmen der BMBF-Forschungsförderung gewährten Projektpauschalen: Wie weisen Sie die
Verwendung der BMBF-Projektpauschale nach?
117
schaftlichen Belange der Hochschulen verantworten (Haushalt,
Liegenschaften, Rechts- und sonstige Verwaltungsaufgaben),
Dekanate als leitende Instanzen der Fakultäten oder Fachberei-
che, die für sämtliche die jeweilige Fakultät bzw. den Fachbe-
reich betreffende Angelegenheiten verantwortlich sind,
leitende Wissenschaftler/-innen (Projektleitung), welche die je-
weiligen Drittmittelprojekte akquiriert haben und die Durchfüh-
rung von BMBF-geförderten Vorhaben verantworten – häufig
auch als „Principal Investigator“ (kurz PI) bezeichnet.
Die Verteilung kann prinzipiell nach vier grundlegenden Modellen
erfolgen:
Abbildung 30: Optionen der Verteilung der Mittel
Quelle: Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Die Quoten werden hochschulspezifisch festgelegt (vgl. 7.3).
Grundsätzlich wird die Pauschale dabei nicht als Prämie des ein-
werbenden PI‘s verstanden, sondern als Kompensation für die zent-
ralen oder dezentralen Einheiten. Diese schaffen erst die Voraus-
setzungen für erfolgreiche Drittmittelakquisitionen, entweder durch
die Bereitstellung der Infrastruktur oder aber weiteren, das Antrags-
geschehen und die Projektdurchführung unterstützenden Ressour-
cen. In den Gesprächen des Fallstudienprogramms wurde deutlich,
dass in der Verteilungs- und Verwendungspraxis häufig keine trenn-
scharfe Unterscheidung zwischen Hochschul- und Verwaltungslei-
tung vorgenommen wird. Stattdessen wird ganz allgemein von einer
Verteilung zugunsten der Zentrale oder Zentralverwaltung bzw. von
100% Zentrale Verwaltung (ZV)
Präsidium – ZV – PI Präsidium – ZV – Fakultät – PI
Zentrale Verwaltung und Principal Investigator (PI)
118
einer zentralen Verwendung der Mittel gesprochen. Ferner wurde
vereinzelt darauf hingewiesen, dass die Gruppe der Projektlei-
ter/-innen unter dem Begriff „projektverantwortliche Struktureinheit“
zusammengefasst und somit die Institutsebene adressiert wird. Im
Rahmen der Konzeption der Online-Befragung haben sich die Mit-
glieder des Projektteams auf eine Differenzierung nach (1) Zentral-
verwaltung, (2) Fakultät / Institut und (3) Einwerbende verständigt.
Diese Unterscheidung bildet folglich die Grundlage für die Bewer-
tung der im Folgenden dargestellten quantitativen und qualitativen
Befunde zu Verteilungsschlüsseln und dem Einsatz der Mittel aus
den Projektpauschalen.
7.3 Verteilung der Mittel
Im Rahmen der Online-Befragung wurden sowohl die Hochschul-
verwaltungen als auch die Projektleiter/-innen der von BMBF geför-
derten Projekte nach dem konkreten Schlüssel der Mittelverteilung
an der jeweiligen Hochschule befragt. Dabei ist festzustellen, dass
immerhin 28,5% der antwortenden Projektleiter/-innen angaben,
dass Ihnen die Verteilung der Mittel aus den Overheadpauschalen
nicht bekannt ist.
Bemerkenswert ist, dass trotz einer deutlich höheren Anzahl von
Antworten bei den Projektleiter/-innen und leichten Verzerrungen,
welche durch die relativ größere Anzahl der Antwortenden an grö-
ßeren Hochschulen zu berücksichtigen sind, eine ähnliche Vertei-
lung der Mittel aus den Overheadpauschalen gemeldet wurde.
119
Abbildung 31: Durchschnittliche Verteilung der Mittel aus den Over-head nach Angaben der befragten Hochschulverwal-tungen und Projektleiter/-innen (nVerw=49; nPL=1.396)
Quelle: Online-Befragung der Hochschulverwaltungen und der Wissenschaftler/-innen, Pro-gnos / KPMG / Joanneum Research 2014
Die zentralen Verwaltungen erhalten somit in der Betrachtung über
das gesamte Befragungssample hinweg deutlich mehr als die Hälfte
der Mittel, die einwerbenden Projektverantwortlichen rund ein Viertel
und die Fakultäten / Fachbereiche rund ein Sechstel. Unabhängig
von der Verwendung und ggf. weitergehenden Verteilungsmecha-
nismen zwischen diesen Ebenen (z.B. durch Forschungsfonds, die
zentral aufgelegt werden, durch das Forschungspersonal jedoch
wieder beantragt und beansprucht werden können) weist diese Rei-
henfolge auf eine spezifische Verteilungslogik hin. Sie ist sowohl auf
eine Refinanzierung der in Anspruch genommenen Infrastruktur
ausgerichtet als auch in einem etwas schwächeren Ausmaß auf die
Incentivierung von Drittmittelaktivitäten. Dass die Aushandlungs-
macht der genannten Akteure unterschiedlich ausgeprägt ist, zeigt
die folgende Abbildung.
Frage: Mit Blick auf die im Rahmen der BMBF-Forschungsförderung gewährten Projektpauschalen: Wie werden die Mittel der
BMBF-Projektpauschale verteilt? Bitte verteilen Sie 100% auf die drei genannten Antwortmöglichkeiten.
Abbildung 32: Durchschnittliche Verteilung der Mittel aus den Over-head nach Angaben der befragten Projektleiter/-innen in unterschiedlichen Hochschultypen (n=1.430)
Quelle: Online-Befragung der Wissenschaftler/-innen, Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Die Online-Befragung der Projektleiter/-innen (n=1.430) erlaubt eine
nach Hochschultypen differenzierte Darstellung der Mittelverteilung.
Es zeigt sich, dass in den spezialisierten Universitäten, die in der
Regel einen erhöhten Infrastrukturbedarf aufweisen, relativ höhere
Anteile der Overheadpauschalen auf den Zentralbereich entfallen.
Fachhochschulen sowie die Volluniversitäten mit weniger als 20.000
Studierenden tragen dagegen dem Motivationsaspekt stärker Rech-
nung und verteilen etwas höhere Anteile an die einzelnen For-
scher/-innen und die forschenden Einheiten. Offensichtlich können
diese ihre individuelle Drittmittelstärke gegenüber den Leitungen
stärker als Argument dafür geltend machen, dass auch auf ihren
Handlungsebenen zusätzliche Mittel zur Sicherstellung von Kontinu-
ität und Qualität in der Forschung erforderlich sind.
12% der antwortenden Projektleiter/-innen und 14% der Hochschul-
verwaltungen geben an, dass an ihrer Hochschule die Pauschale
zur Gänze in den zentralen Bereichen verbleibt. Dies gilt insbeson-
dere für einzelne Medizinische Hochschulen, Kunst- und Musik-
hochschulen sowie Fachhochschulen.
Die hochschulspezifischen Verteilungsregelungen werden i.d.R. von
den Verantwortlichen in den Präsidien bzw. Rektoraten der Hoch-
schulen beschlossen. Wie in mehreren Interviews dargelegt wurde,
waren einzelne Hochschulleitungen stark darum bemüht, etwa im
Rahmen eines Verhandlungsprozesses Konsens bezüglich der
Frage: Mit Blick auf die im Rahmen der BMBF-Forschungsförderung gewährten Projektpauschalen: Wie werden die Mittel der
BMBF-Projektpauschale verteilt? Bitte verteilen Sie 100% auf die drei genannten Antwortmöglichkeiten.
70%
67%
63%
61%
59%
55%
54%
54%
52%
26%
19%
17%
31%
24%
31%
35%
34%
28%
5%
14%
20%
8%
17%
13%
11%
12%
20%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Sonstige
Große Technische Universität (über 20.000 Studierende)
Kunst- und Musikhochschule
Kleine Technische Universität (unter 20.000 Studierende)
Medizinische Hochschule
Kleine Fachhochschule (unter 5.000 Studierende)
Große Fachhochschule (über 5.000 Studierende)
Kleine Volluniversität (unter 20.000 Studierende)
Große Volluniversität (über 20.000 Studierende)
Zentralverwaltung / Rektorat / Fonds / Rücklagen
Einwerber/-innen / Projektleiter/-innen
Anteil Fakultät / Institut / Fachgebiet
121
zentralen und dezentralen Anteile mit den Dekanen/-innen herzu-
stellen. Teilweise basieren die Verteilungsschlüssel für die über die
BMBF-Projektpauschale freiwerdenden Mittel auf den jeweiligen
Regelungen bezüglich der DFG-Programmpauschale. In den Ge-
sprächen wurde jedoch auch offengelegt, dass – weniger partizipa-
zu erwähnen sowie die Unterstützung der Verwaltung an den Fakul-
täten und Instituten in der Begleitung von geförderten Projekten.
Besonders hervorzuheben ist, dass immerhin 29% der antworten-
den Verwaltungen (n=55) auch hochschulinterne Forschungsprojek-
te mit den durch die Projektpauschale freiwerdenden Mitteln ansto-
ßen wollen.
Auch auf der Ebene der befragten Forscher/-innen (n=2.001) spielt
die Abdeckung von Infrastrukturkosten sowie die Finanzierung so-
wie Überbrückung von wissenschaftlichem Personal eine große Rol-
le. Hier kommt zusätzlich noch der Mittelbedarf im Bereich des Pro-
jektvor- und -nachlaufs verstärkt zum Ausdruck, der auch im Rah-
men der geführten qualitativen Gespräche häufig angeführt wurde.
5,5%
12,7%
25,5%
29,1%
38,2%
43,6%
45,5%
56,4%
60,0%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
hochschulweite Forschungsstipendien
Berufungs- und Ausstattungsverhandlungen
Verwaltung in Fakultäten und an Instituten, z.B. Projektassistenz
hochschulinterne Forschungsprojekte
Anschub- oder Überbrückungsfinanzierung für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Verbesserung der Raumsituation (Ausstattung bzw. Ausweitung)
Energiekosten
Finanzierung von zusätzlichem Personal
Verwaltung zentral, z.B. Forschungsreferat
Frage: Wofür wird die BMBF-Projektpauschale auf der Ebene der Zentralverwaltungseinheit genutzt?
125
Abbildung 34: Einsatz der verbleibenden Mittel der Projektpauscha-le durch die Projektleiter/-innen (Mehrfachantworten, Anteile in %; n=2.001)
Quelle: Online-Befragung der Wissenschaftler/-innen, Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Zusätzlich konnten die Antworten der Projektleiter/-innen nach
Hochschultyp ausgewertet werden, was in der folgenden Tabelle
gezeigt wird. Dabei zeigt sich, dass drei Hochschultypen in den
Antworten häufig über dem Durchschnitt liegen: vor allem die klei-
nen Volluniversitäten und die kleinen Technischen Universitäten
sowie eingeschränkt die großen Fachhochschulen. Offenkundig ist
in diesen Hochschulen der Druck am größten, Finanzierungslücken
auf den unterschiedlichen Ebenen zu schließen. Dabei ragen insbe-
sondere die Investitionen in eine neue technische Ausstattung so-
wie die Finanzierung der Reparatur und Wartung der bestehenden
technischen Ausstattung bei den Antworten heraus.
13,8%
16,4%
23,0%
26,9%
32,3%
39,8%
42,5%
43,8%
47,9%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Finanzierung von eigenständigen Forschungsprojekten
Finanzierung von zusätzlichem administrativen Personal
Sonstiges
Finanzierung von zusätzlichemwissenschaftlichen Personal
Finanzierung von Antragsprozessender Drittmittelforschung
Zwischenfinanzierung von vorhandenemwissenschaftlichen Personal
Finanzierung von nachlaufenden Projektkosten
Investition in neue technische Ausstattung
Wartung und Reparatur der bestehendentechnischen Ausstattung
Frage: Wofür setzen Sie die bei Ihnen verbleibenden Mittel der BMBF-Projektpauschale ein?
126
Tabelle 15: Einsatz der verbleibenden Mittel der Projektpauscha-le durch die Projektleiter/-innen differenziert nach Hochschultypen (Mehrfachantworten, Anteile in %)
Hochschultyp Invest.
in
tech
n. A
ussta
t.
Wart
./R
ep
.
tech
n. A
ussta
t.
Fin
an
z. W
iss.
Pers
on
al
Fin
an
z. A
dm
in.
Pers
on
al
Zw
isch
en
fi-
nan
z.
wis
s.
Pers
on
al
Fin
an
z. v.
eig
en
st.
Pro
-
jekte
n
Fin
an
z. v.
An
trag
sp
roz.
f.
Dri
ttm
itte
l
Fin
an
z.
v.
nach
lau
fen
den
Pro
jektk
oste
n
So
nsti
ges
Große Volluniversität (über 20.000 Studierende)
47% 52% 30% 15% 43% 16% 32% 45% 25%
Kleine Volluniversität (unter 20.000 Studierende)
51% 56% 29% 20% 49% 14% 41% 47% 19%
Große Technische Univer-sität (über 20.000 Studierende)
31% 39% 16% 18% 28% 7% 23% 31% 31%
Kleine Technische Univer-sität (unter 20.000 Studierende)
Durch den EU-Gemeinschaftsrahmen waren die Hochschulen in der
Pflicht, zum 01.01.2009 eine Trennungsrechnung für ihre wirtschaft-
lichen Tätigkeiten einzurichten. Die hierfür erforderliche Erhebung
und der Nachweis der Vollkosten können durch eine Kosten- und
Leistungsrechnung erfolgen. Es bestanden an den Hochschulen
verschieden ausgestaltete (Ansätze von) Kosten- und Leistungs-
rechnungen, die für Zwecke der Trennungsrechnung überarbeitet
und aktualisiert worden sind oder – vereinzelt – zukünftig angepasst
werden.
Die folgende Graphik zeigt den durchschnittlichen Umsetzungsgrad
(0 = nicht umgesetzt, 100 = voll umgesetzt) unterschiedlicher Aktivi-
täten auf dem Weg zu einer Kosten- und Leistungsrechnung nach
Angaben der befragten Verwaltungsleitungen.
5,5 %
18,2 %
30,9 %
45,5 %
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Kameralistik mit Kosten- und Leistungsrechnung
Doppik
Doppik mit kameralistischer Berichterstattung an das Land
Kameralistik
Frage: Welche Art der Rechnungslegung wird an Ihrer Hochschule angewandt?
132
Abbildung 37: Implementierung der Kosten- und Leistungsrech-nung: Umsetzungsgrad unterschiedlicher Teilaktivitä-ten (Mittelwert einer Umsetzung zwischen 0 und 100; n=55)
stungen durch die Schaffung von (zusätzlichen) Kapazitäten in den
Referaten Forschung bzw. bei größeren Hochschulen auch spezifi-
schen Zentren für Forschungsförderung. Des Weiteren sind in Be-
zug auf die Bewirtschaftung bzw. Abwicklung der Projekte lei-
stungsstarke Strukturen in den Bereichen Haushalt und Personal
notwendig.
Stehen entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten grundsätzlich
allen Hochschulangehörigen zur Verfügung, verweisen einzelne
Hochschulen – in Anbetracht der zunehmenden Belastung durch
zusätzliche Aufwände im Bereich Drittmittelforschung – auf (geplan-
te) Priorisierungen der Gewährung von Unterstützung. Hervorgeho-
ben wird dabei der Bezug auf die definierten forschungsstrategi-
schen Schwerpunkte bzw. die Bedeutung, Komplexität und das Vo-
lumen des jeweiligen Forschungsantrags. Teilweise werden zudem
(insbesondere von größeren Hochschulen) Anschub- bzw. Vorlauf-
finanzierungen für drittmittelfinanzierte (Groß-)Forschungsprojekte
gewährt. Vielfach als wichtiges Einsatzfeld und Voraussetzung für
weiterführende Drittmittelerfolge wird von den Befragten zudem der
139
Bereich der baulichen Maßnahmen (angemessene Forschungsräu-
me) angeführt.
Gleiches gilt auf der Ebene der Wissenschaftler/-innen. Die Fallstu-
dien haben gezeigt, dass die Mittel aus den Pauschalen eine wichti-
ge Entlastung der knappen Budgets bringen. Das Zusammenziehen
von Mitteln war jedoch auch vor der Einführung der Pauschalen ei-
ne gängige Praxis und bleibt es bis heute. Durch die Pauschalen
sind die oben beschriebenen Praktiken zur Verbesserung der For-
schung nicht initiiert worden. Sie erhalten nach Angaben der Wis-
senschaftler/-innen jedoch einen entscheidenden Anschub. Befragt
nach der (zukünftigen) Notwendigkeit weiterer Unterstützungsmaß-
nahmen durch die Hochschule sprechen die Wissenschaftler/-innen
insbesondere von weiterführenden Möglichkeiten der Unterstützung
der Vorlaufkosten von Forschungsprojekten sowie professionellen
und verlässlichen Strukturen für das Projektmanagement.
Der Implementierung von Unterstützungsstrukturen kommt insbe-
sondere mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschule bei
der Drittmittelakquise wachsende Bedeutung zu. Im Rahmen der
Gespräche werden in diesem Kontext die vielfach hohen Anforde-
rungen und die Komplexität von Forschungsanträgen und die damit
verbundenen Vorlaufkosten von den Befragten angesprochen. Die
überwiegende Mehrheit der befragten Wissenschaftler/-innen ver-
weist in diesem Zusammenhang auf wesentliche Aufwände, welche
in der Regel „nebenbei“ bzw. „ohne entsprechende Kostenabde-
ckung“ zu erbringen seien. Im Gegensatz beispielsweise zu außer-
universitären Forschungseinrichtungen stehe ein entsprechendes
Engagement zur Einwerbung von Drittmitteln zudem in Konkurrenz
mit den anderen Aufgaben von Wissenschaftler/-innen an Hoch-
schulen (Lehre, Selbstverwaltung etc.). Besonders hervorgehoben
wird die Schwierigkeit entsprechender Vorlaufarbeiten von Wissen-
schaftlern/-innen an Fachhochschulen. Unter Bezug auf ihre im
Vergleich zu Universitätsangehörigen höheren Lehrdeputate und die
in der Regel fehlende Mitarbeiterstruktur werden entsprechende
Vorlaufkosten als besonders gewichtig erlebt.51 Es besteht somit ein
an Bedeutung gewinnendes wechselseitiges Bedingungsgefüge
zwischen breiten Drittmittelforschungserfolgen und dessen Struktur-
aufbau zur Forschungsförderung.
Dass ein Zusammenhang zwischen der Ausreichung von Pauscha-
len und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sowie der Strate-
gie- und Innovationsfähigkeit besteht, zeigt sich ebenfalls durch die
Einschätzungen der befragten Hochschulleiter/-innen zu den Kon-
sequenzen bei einem hypothetischen Wegfall der derzeitigen Over-
headpauschalen der EU, der DFG oder des BMBF, wie sie in der
folgenden Abbildung dargestellt sind.
51 Lehrdeputate von Universitätsprofessor/-innen belaufen sich i.d.R. auf 8 bis 10 Semesterwochenstunden, während die
Professoren/-innen an Fachhochschulen üblicherweise 18 Semesterwochenstunden zu leisten haben.
140
Abbildung 40: Zu erwartende Auswirkungen eines Wegfalls der Overheadpauschalen der EU, DFG oder des BMBF (Mit-telwert einer Umsetzung zwischen 0 und 100, n=82)
Quelle: Online-Befragung der Hochschulpräsidien und -rektorate, Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Es wird nochmals deutlich, welche erheblichen Effekte die Pauscha-
len auf das Forschungspersonal und die Infrastruktur haben. Diese
Mittel leisten damit einen Beitrag für den kontinuierlichen Aufbau
und Erhalt der Ressourcenbasis für die Drittmittelforschung und
damit für die Forschung an Hochschulen im Allgemeinen. Des Wei-
teren wird deutlich, dass der Erhalt von und die Reinvestition in For-
schungsinfrastrukturen von der Abdeckung in diesem Zusammen-
hang anfallender indirekter Kosten abhängig ist. Somit lassen sich
durch die Pauschalen mittelfristig Auswirkungen auf die Qualität von
Forschung aber auch von Lehre ableiten. Die Bedeutung der Pau-
schalen für die Ermöglichung und Verstärkung von Forschung zeigt
sich ebenfalls bei der hypothetischen Annahme einer Ausweitung
der Pauschalen, wie sie in der folgenden Abbildung dargestellt ist.
Frage: Welche Auswirkungen auf Ihre Hochschule wären bei einem Wegfall der Overhead-Pauschalen (BMBF, DFG, EU) zu
erwarten?
35,9
43,0
50,4
59,0
61,5
63,9
67,6
67,8
73,5
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Thematische Schwerpunktsetzung in der Forschung würde sich ändern.
Die strategische Bedeutung von grundfinanzierter Forschung nimmt zu.
Sanierungs- bzw. Baumaßnahmen müssen eingeschränkt werden.
Unterstützungsleistungen für öffentliche, drittmittelfinanzierte Forschungsaktivitäten werden reduziert.
(Drittmittelfinanzierte) Industrieprojekte gewinnen strategisch an Bedeutung.
Die Akquisition von Projekten mit hohen indirekten Kosten wird nicht unterstützt.
Mit öffentlichen Drittmitteln finanzierte Forschungsprojekte verlieren an Bedeutung.
Wartung und Instandhaltung der bestehenden Forschungsinfrastruktur müssen eingeschränkt werden.
Drittmittelfinanziertes Personal müsste abgebaut werden.
141
Abbildung 41: Zu erwartende Auswirkungen einer Ausweitung der Overheadpauschalen der EU, DFG oder des BMBF (Mit-telwert einer Umsetzung zwischen 0 und 100, n=82)
Quelle: Online-Befragung der Hochschulpräsidien und -rektorate, Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Es zeigt sich in dieser Auswertung nochmals die primäre Wirkrich-
tung der eingesetzten Pauschalen: Sie kommen vor allem der For-
schungsinfrastruktur und dem Personal zugute und flankieren bzw.
professionalisieren die Aktivitäten im Drittmittelwettbewerb. Zusam-
menfassend ist somit festzuhalten, dass die Pauschalen einen
spürbaren positiven Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit sowie die
Innovations- und Strategiefähigkeit der Hochschulen haben. Dabei
sind sie – in der Wahrnehmung der relevanten Akteure in den
Hochschulen – ein wichtiger Impuls. Sie sind jedoch ein Impuls ne-
ben anderen und sind daher nicht durchgängig der Auslöser für Ak-
tivitäten sondern eine wichtige Verstärkung dieser Aktivitäten.
Frage: Welche Auswirkungen auf Ihre Hochschule wären bei einer Ausweitung der Pauschalen (bspw. Gewährung in der
gesamten Projektförderung des Bundes oder Erhöhung der Pauschale) zu erwarten?
29,2
32,1
32,7
53,8
74,5
74,9
75,3
75,3
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
(Drittmittelfinanzierte) Industrieprojekte verlieren strategisch an Bedeutung.
Strategische Bedeutung von basisfinanzierter Forschung nimmt ab.
Thematische Schwerpunktsetzung in der Forschung würde sich ändern.
Sanierungs- bzw. Baumaßnahmen werden ausgeweitet.
Mit öffentlichen Drittmitteln finanzierte Forschungsprojekte nehmen zu.
Unterstützungsleistung für öffentliche, drittmittelfinanzierte Forschungsaktivitäten werden ausgebaut.
Drittmittelfinanziertes Personal würde weiter aufgebaut.
Investitionen in Forschungsinfrastruktur werden ausgeweitet.
142
9 Drittmittelforschung im System Hochschule
9.1 Handlungsdilemmata
Die Forschungsleistung der wissenschaftlichen Institutionen ist nicht
nur eine zentrale Größe für die Bewertung der Zukunfts- und Wett-
bewerbsfähigkeit von Wissensgesellschaften, sie nimmt auch in der
Profilbildung und in den Reputationsmechanismen der Hochschulen
einen hohen Stellenwert ein. Diese orientieren sich – neben den An-
forderungen, die an die Ausbildung des wissenschaftlichen Nach-
wuchses gestellt werden – in einem hohen Maße an forschungsba-
sierten Indikatoren, wie z.B. den eingeworbenen Drittmitteln oder
der Zahl von Promotionen, Publikationen und Zitationen. Aus ihrem
Selbstverständnis heraus, aber auch zur Erfüllung von Indikatoren
der Zielvereinbarungen haben die Hochschulen ein hohes Interesse
zu forschen.
In der Befragung der Wissenschaftler/-innen wurde deutlich, dass
sowohl im Durchschnitt als auch über die unterschiedlichen Typen
hinweg sich das Verhältnis von drittmittel- und grundfinanzierter
Forschung zugunsten der Drittmittelprojekte entwickelt hat. Grundfi-
nanzierte Forschung findet – nach Selbstauskunft der Akteure – nur
noch in einem deutlich geringeren Umfang statt als Drittmittelfor-
schung. Diese benötigt wiederum, wie oben gezeigt wurde, zusätzli-
che Ressourcen für die Beantragung, Umsetzung und zur Siche-
rung der Nachhaltigkeit der Projekte.
Insgesamt bewerten viele Hochschulen die relativ niedrigen Steige-
rungsraten in der Grundfinanzierung als Kaufkraftverlust, da deutli-
che Preissteigerungen für die Bewirtschaftung der Immobilien sowie
zwischenzeitliche Tariferhöhungen mit ihnen nicht ausgeglichen
werden können. Gleichzeitig öffnen sich jedoch über den Hoch-
schulpakt zusätzliche Finanzierungsquellen. Eine Gesamtbilanzie-
rung der Hochschulfinanzierung gehörte nicht zum Aufgabenportfo-
lio dieser Untersuchung, sodass wir diesen Befund als Ergebnis der
Fallstudien, Fachgespräche und Workshops ohne eigene empiri-
sche Überprüfung als Arbeitshypothese anerkennen.
Damit treffen die Drittmittelerfolge auf ein Finanzierungsumfeld,
dessen Handlungsspielräume sich aus Sicht der verantwortlichen
Akteure kontinuierlich einschränken. Die Drittmittel nehmen im
Durchschnitt in den letzten Jahren wiederum deutlich zu. Diese
Feststellung gilt auch dann, wenn die Mittel aus der Exzellenzinitia-
tive aus diesen Budgets heraus gerechnet werden.
Der von der Drittmittelforschung verursachte Aufwand über die Pro-
jektbudgets hinaus, d.h. die zusätzlich beanspruchten Ressourcen
müssen nun wiederum aus Haushalten bestritten werden, die ten-
denziell sehr niedrige Steigerungsraten aufweisen bzw. stagnieren
143
oder gar rückläufig sind. Folglich tritt die Drittmittelforschung in eine
unmittelbare Konkurrenz zu den weiteren Aufgaben der Hochschu-
len.
Die Ressourcenknappheit wird durch einen weiteren Trend ver-
schärft: ein intensivierter Wettbewerb um Drittmittel und daraus fol-
gend rückläufige Bewilligungszahlen. Folglich müssen die Anstren-
gungen im Bereich der Akquisition entweder erhöht werden oder
aber es erfolgt eine stärkere Steuerung der Anträge im Hinblick auf
die erfolgsträchtigen Bereiche und Themen. Der erste Weg ist mit
weiteren Investitionen verbunden, insbesondere die zeitlichen Res-
sourcen der Antragsteller/-innen fließen hier ein. Der zweite Weg
bedeutet eine intensive Auseinandersetzung auf der Ebene der
Hochschule, bei der Fragen der Handlungsautonomie der einzelnen
Forschenden ebenso berührt werden wie Fragen der Verengung
des Forschungs- und damit langfristig auch des Lehrprofils. Profil-
bildung erfolgt dann nicht mehr unter dem Gesichtspunkt „Stärken
stärken“ bzw. wichtige und gesellschaftlich relevante Zukunftsthe-
men zu besetzen, sondern unter dem Aspekt der Rentabilität der
Forschung. Damit erhöht sich der Druck auf drittmittelschwache
Fachbereiche und Disziplinen, sodass aus Sicht einiger Ex-
pert/-innen eine Verengung des Lehr- und Forschungsangebots den
notwendigen folgenden Schritt darstellt.
Abbildung 42: Regelkreis zur Ressourcenknappheit an Hochschulen
Quelle: Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Hochschulsteuerung erfolgt somit in einem Umfeld sich zwangsläu-
fig verknappender Ressourcen. Eine Einschränkung der Drittmittel-
forschung ist einerseits hochschul- und innovationspolitisch nur
schwer vorstell- und vermittelbar, führt andererseits dazu, dass sich
die Forschungsleistung der Hochschulen zwangsläufig verringert,
Handlungs-autonomie
?
Aufgaben in Lehre, Wissens- und Technologietransfer, …
Steigende „SunkCosts“ bei sinkenden Bewilligungsquoten
Zusatz- / Mehraufwand durch Drittmittelforschung
Niedrige / keine Steigerungsraten bei steigenden Kosten und Preisen
Kontinuierlich steigender Anteil am Gesamtbudget
144
da der aktuelle Trend in der Entwicklung der Grundmittel keine zu-
sätzlichen Handlungsoptionen für eine Ausweitung der grundfinan-
zierten Forschung erkennen lässt. Eine Fortsetzung des Trends zur
Steigerung der Drittmittelforschung tritt angesichts des zusätzlichen
Ressourcenverbrauchs in eine unmittelbare Konkurrenz zu den üb-
rigen Hochschulaufgaben, sei es in der Lehre, in der grundständi-
gen Forschung oder im Wissens- und Technologietransfer.
Dieser qualitativ beschriebene Befund wird durch die Antworten der
Hochschulleitungen in Bezug auf die Finanzierungsstrategien bestä-
tigt. Sie zeigen das Handlungsdilemma gut auf: Ohne Drittmittel
kann keine wettbewerbsfähige Forschung durchgeführt werden, die
Zuwendungen sind jedoch nicht kostendeckend, sodass zusätzliche
Ressourcen bereit gestellt werden müssen.
Abbildung 43: Finanzierungsstrategien der Hochschulen in der Drittmittelforschung (Mittelwert der Zustimmung bei der Thesenbewertung zwischen 0 und 100, n=81)
Quelle: Online-Befragung der Hochschulpräsidien und -rektorate, Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Zugespitzt lassen sich künftige Diskussionen zur Steuerung und Fi-
nanzierung der Hochschulen auf die Fragestellungen reduzieren:
24,7
25,4
50,8
71,1
84,7
91,1
93,3
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Drittmittelanträge, die nicht in das strategische Profil der Hochschule passen, werden bei der Antragstellung nicht
unterstützt.
Anträge bei Drittmittelgebern, die nur die direkten Personal- und Sachkosten der Forschung anerkennen
(ohne Pauschalen), werden nicht unterstützt.
Ohne privat finanzierte Drittmittelforschung ist eine international konkurrenzfähige Forschung an deutschen
Hochschulen nicht mehr möglich.
Der Anteil der durch Grundmittel finanzierten Forschung ist in den vergangenen Jahren spürbar zurückgegangen.
Die für Drittmittelprojekte notwendigen Ressourcen und Infrastrukturen können in der Regel nicht durch die
Drittmittelförderung abgedeckt werden.
Ohne öffentlich finanzierte Drittmittelforschung ist eine international konkurrenzfähige Forschung an deutschen
Hochschulen nicht mehr möglich.
Die Durchführung von Drittmittelprojekten setzt das Vorhandensein zusätzlicher Ressourcen und
Infrastrukturen voraus.
Frage: Wir möchten Sie nun um Ihre Einschätzung zu folgenden Aussagen zur Finanzierungsstrategie
bei der Drittmittelforschung bitten.
145
Erfährt eine nicht vollkostenfinanzierte Drittmittelforschung eine
(finanzielle) Unterstützung aus dem Grundhaushalt und schränkt
damit die Aufgabenwahrnehmung und Qualität der Leistungser-
bringung in anderen Bereichen ein?
Oder:
Wie können das Gesamtspektrum der Leistungserbringung und
die nicht drittmittelorientierte Forschung vor dem Ressourcen-
verbrauch der Drittmittelforschung geschützt werden?
Eine Beantwortung dieser Fragen muss dabei wiederum die unter-
schiedlichen Handlungsrationalitäten und Governance-Ebenen der
Hochschulen berücksichtigen. D.h. hieran knüpfen sich nicht nur
Steuerungs-, sondern auch Reputations- und Wettbewerbsfragen
an und nicht zuletzt die Frage nach der Rolle der Hochschulen im
Innovationssystem.
9.2 Drittmittelstrategien der Hochschulen
Die Ausführungen haben die weitreichenden Konsequenzen der
Drittmittelforschung für die Hochschulen aufgezeigt. Hochschullei-
tungen und -verwaltungen sowie Fachbereiche, Institute und De-
partments sind jedoch nicht in einer passiv-beobachtenden Rolle,
sondern selbst handelnde Akteure. Sie müssen dabei auf eine Situ-
ation eingehen, in der die Wissenschaftler/-innen gegenüber der
grundfinanzierten Forschung im Durchschnitt zweieinhalb Mal so
viel zeitliche Kapazitäten für die Drittmittelforschung aufwenden (vgl.
folgende Abbildung 44).
Die grundfinanzierte Forschung stellt mit knapp einem Achtel nur
noch einen kleinen Teil der Tätigkeit der Befragten dar. Rund 22%
der befragten Wissenschaftler/-innen haben ihren Arbeitsschwer-
punkt in der Drittmittelforschung, die bei ihnen fünf Mal so viel Zeit
beansprucht wie die grundfinanzierte Forschung an den Hochschu-
len. Mit dem quantitativen und qualitativen Bedeutungsgewinn der
Drittmittelforschung an Hochschulen verändern sich die Rahmenbe-
dingungen nachhaltig. Zu betonen ist, dass die Antworten Selbst-
einschätzungen der Befragten widerspiegeln und nicht durch Ar-
beitsplatzanalysen oder Zeitaufschreibungen überprüft werden
konnten. Gerade die äußerst hohen Werte für die Administration
sind ein Indiz dafür, dass die Befragten Aufgaben, die von ihrem
Selbstverständnis als nicht wesentlich für ihre Rolle und Funktion
angesehen werden, tendenziell übergewichten. Dennoch ist die von
allen identifizierten Teilgruppen diagnostizierte Dominanz der Dritt-
mittelforschung gegenüber der grundfinanzierten Forschung ein
wichtiger Indikator. Er zeigt, dass die Handlungsspielräume für For-
schung an den Hochschulen im Wesentlichen durch Drittmittel si-
cher gestellt werden.
146
Abbildung 44: Typen unterschiedlicher Tätigkeitsschwerpunkte in Forschung und Lehre (Ergebnis einer hierarchisch agglomerativen Clusteranalyse)
Quelle: Onlinebefragung der Wissenschaftler/-innen, Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
Hieraus erwächst zunächst der mehrfach beschriebene Druck des
Aufbaus und des Erhalts leistungsfähiger wissenschaftlich-techni-
scher Infrastrukturen. Gleichzeitig lassen die Antworten der Hoch-
schulleitungen erkennen, dass die Steuerungsmöglichkeiten hin-
sichtlich einer strategischen Fokussierung der Forschung als eher
eingeschränkt wahrgenommen werden. Weder eine Fokussierung
auf die drittmittelstarken Bereiche im Sinne einer Betonung der Er-
tragsstärke noch eine Fokussierung auf die drittmittelschwächeren
Bereiche im Sinne eines Nachteilsausgleichs erhalten in der Befra-
gung ein hohes Maß an Zustimmung. D.h. in der Hochschulland-
schaft zeigt sich keine übergeordnet gültige Strategie. Ein Bild, das
sich in den Workshops bestätigte.
26,9%
19,2%
50,3%
17,1%
28,8%
27,9%
17,9%
16,7%
58,3%
26,7%
27,0%
52,5%
24,9%
17,6%
31,3%
18,2%
10,4%
8,1%
7,0%
13,3%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Ausgeglichene Aufgabenwahrnehmung (n=637)
Schwerpunkt Drittmittelforschung (n=300)
Schwerpunkt Lehre (n=265)
Schwerpunkt Administration (n=143)
Insgesamt (n=1.345)
Lehre
Administration
Drittmittelforschung
Sonstige Forschung
Frage: Wie verteilt sich Ihr durchschnittlicher Arbeitsaufwand ungefähr auf die folgenden Tätigkeiten?
147
Abbildung 45: Auswirkungen überdurchschnittlicher Drittmittelerfol-ge auf die Forschung an den Hochschulen (Mittelwert einer möglichen Beurteilung zwischen 0 und 100; n=77)
Quelle: Onlinebefragung der Hochschulpräsidien und -rektorate, Prognos / KPMG / Joanneum Research 2014
In den statistischen Analysen wurde darüber hinaus deutlich, dass
die Hochschullandschaft im Bereich der Einwerbung von Drittmitteln
und in der Bedeutung der Drittmittelforschung für die Hochschul-
entwicklung nicht nur durch unterschiedliche Rahmenbedingungen
in den Ländern geprägt ist, sondern insgesamt als äußerst hetero-
gen beschrieben werden kann. Mit den „U15“ wurde 2012 eine Inte-
ressenvertretung der forschungsstarken Volluniversitäten gegrün-
det, nach einigen Jahren der informellen Zusammenarbeit hatten
sich zuvor die großen Technischen Universitäten im Jahr 2006 unter
dem Dach „TU9 – German Institutes of Technology“ zusammenge-
funden.
Drittmittelstarke Hochschulen
Durch die Ergänzung der Einzel- und Projektförderung mit übergrei-
fenden Förderansätzen, wie z.B. der Exzellenzinitiative, sind sowohl
in geförderten als auch in den nicht für die Förderung ausgewählten
Hochschulen Prozesse der Strategieentwicklung stimuliert und in-
tensiviert worden. Mit den genannten hochschulübergreifenden In-
teressenvertretungen U15 und TU9 wurden darüber hinaus weitere
Schritte zur Erhöhung der (internationalen) Sichtbarkeit dieser Uni-
versitäten initiiert. Diese drittmittelstarken Hochschulen stehen vor
der Herausforderung, eine international wettbewerbsfähige (For-
schungs-)Infrastruktur aufzubauen, diese zu verstetigen und konti-
nuierlich zu modernisieren. Gleichzeitig müssen sie ihre Strategien,
26,9
32,6
35,2
53,1
78,1
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Die Trennung von Forschungs- und Lehrbereichen intensiviert sich.
Risikoreiche und ergebnisoffene Forschung tritt gegenüber einer ergebnisorientierten Forschung zurück.
Strategische Aktivitäten konzentrieren sich auf die Steigerung der Drittmittelfähigkeit bislang schwächerer Disziplinen.
Strategische Aktivitäten konzentrieren sich auf die drittmittelstarken Forschungsbereiche.
Der Investitionsbedarf in die notwendige Infrastrukturausstattung steigt.
Frage: Welche Auswirkungen hat der überdurchschnittliche Erfolg in der Drittmittelakquisition auf die
Forschung an Ihrer Hochschule?
148
Strukturen und Prozesse professionalisieren, um nicht nur die Leis-
tungsfähigkeit der Forschung zu gewährleisten, sondern auch einen
optimalen und hoch-effizienten Mitteleinsatz sicher zu stellen. Hier-
zu werden auf zentraler und / oder dezentraler Ebene service-
orientierte Strukturen geschaffen, mit denen die Antragsteller/-innen
von administrativen Aufgaben weitgehend befreit werden sollen.
Da diese Universitäten aus einer Position der Stärke heraus agie-
ren, sich im Hinblick auf internationale Forschungsmärkte profilieren
wollen und bereits disziplinen- und institutsübergreifende Strategien
verfolgen, sind sie auch für außeruniversitäre Forschungseinrich-
tungen attraktive Verbundpartner. Durch die gemeinsame Akquisiti-
on und Durchführung von Verbundforschungsvorhaben können
wiederum vorhandene Infrastrukturen intensiver und z.T. kooperativ
genutzt werden. Die Forschungsstärke der Hochschulen eröffnet ih-
nen somit Kooperationsmöglichkeiten, die wiederum die eigene
Wettbewerbsposition stärken.
Der Aufbau administrativer und wissenschaftlich-technischer Infra-
strukturen erhöht jedoch zugleich den Handlungsdruck, sich weiter-
hin intensiv am Drittmittelmarkt zu engagieren. Die hierdurch ge-
wonnenen zusätzlichen Einnahmen sind erforderlich, um Personal,
Wartung und Modernisierung et al. zu refinanzieren. Bislang stellen
wir hierbei einen sich selbst verstärkenden Trend fest, auch wenn
einzelne Hochschulen konstatieren, dass die Einwerbung von Dritt-
mitteln an Grenzen stößt. Hier werden bereits Diskussionen geführt,
dass Anträge bei Zuwendungsgebern, die keine Pauschalen finan-
zieren, zukünftig keine Unterstützung durch die zentralen oder de-
zentralen Drittmittelbereiche erfahren werden. Da sich die Hand-
lungsautonomie der forschenden Akteure an den Hochschulen nicht
einschränken lässt, müssen diese ggf. erforderliche administrative
Aufgaben selbst bewältigen oder das Personal ihres Lehrstuhls
hierzu einbeziehen.
Die Hochschulen verfolgen hierbei je nach Größe und Strategie un-
terschiedliche Wege der Zentralisierung bzw. Dezentralisierung von
Verantwortlichkeiten und Ressourcen. In dezentralen Strukturen ist
die Handlungsfähigkeit von Fakultäten / Instituten / Departments
von entscheidender Bedeutung, sodass auf diesen Ebenen auch
Strukturen geschaffen werden, die eine entsprechende Finanzie-
rung erforderlich machen. D.h. auf dieser Ebene müssen, z.B. durch
nach Vollkosten abzurechnende Industrieforschung oder aber durch
zusätzlich verfügbare Mittel der internen Budgetierung, Ressourcen
bereit gestellt und kontinuierlich refinanziert werden.
Hochschulen mit einem prozentual geringen Drittmittelanteil
Die bereits konstatierte Mittelknappheit, die eine originäre, grundfi-
nanzierte Forschung nur noch eingeschränkt ermöglicht, erhöht bei
den Hochschulen insgesamt den Druck, Drittmittel einzuwerben.
Auch wenn dies in einem vergleichsweise geringen Umfang ge-
149
schieht, müssen entsprechende Voraussetzungen für die Drittmittel-
forschung geschaffen werden. Allerdings konkurrieren diese Hoch-
schulen mit den exponierteren Einrichtungen, sodass sie ebenfalls
spezifische Infrastrukturen als Voraussetzung für eine erfolgreiche
Akquisition schaffen müssen. Ob und wann sich entsprechende In-
vestitionen amortisieren, lässt sich dabei nur schwer einschätzen.
Bei einer, angesichts steigender Preise und erhöhter Personalkos-
ten, relativen Verknappung der Grundhaushalte verengen sich die
Spielräume für grundfinanzierte Forschung kontinuierlich. Von daher
wächst auch für diese Zielgruppe der Druck, ihre Drittmittelaktivitä-
ten zu intensivieren.
Auch unter dieser Perspektive wird die Drittmittelakquisition unter
dem Fokus der realen Kosten der Forschung und einer entspre-
chenden Möglichkeit zur (Teil-) Kompensation betrachtet und ge-
steuert. Für Fachhochschulen kann schon bei einer Quote von 10%
Drittmitteln am Haushalt die Grenze der Refinanzierung der For-
schungskosten erreicht sein.
150
10 Resümee und Handlungsempfehlungen
Die folgenden zusammenfassenden Ausführungen basieren auf den
vielfältigen empirischen Zugängen, die im Rahmen dieser Studie
realisiert worden sind. Hierzu gehören sowohl die Fallstudien mit in-
tensiven Befragungen der Hochschul- und Verwaltungsleitungen
sowie forschenden Wissenschaftlern/-innen, die Online-Befragung,
mit der die gleichen Zielgruppen, jedoch unter Einbeziehung aller öf-
fentlichen Hochschulen in Deutschland angesprochen worden sind,
als auch die Reflexionsgespräche. Diese fanden wiederum bilateral
mit den Hochschulen des Fallstudienprogramms sowie mit spezifi-
schen Wissenschaftsakteuren statt. Darüber hinaus wurden in zwei
Reflexionsworkshops in Frankfurt/Main und Berlin die Befunde offen
und z.T. kontrovers diskutiert. Hierbei wurde deutlich, dass Drittmit-
telforschung Kernbestandteil des Selbstverständnisses der teilneh-
menden Hochschulen ist, diese aber unter den institutionenspezi-
fischen Rahmenbedingungen wiederum zu unterschiedlichen Belas-
tungssituationen und Forschungsstrategien führt. Erstmalig wurden
ausgehend von Einzelprojekten im Rahmen der BMBF-Forschungs-
förderung die von diesen Vorhaben verursachten Kosten erhoben
und analysiert. Damit ist eine Fundierung der Ergebnisse in Breite
und Tiefe gewährleistet. Die Empfehlungen spiegeln die Diskussio-
nen und Schlussfolgerungen des Beratungsteams unter Einbezie-
hung einer internationalen Vergleichsanalyse wider, sodass die Au-
toren/-innen hierfür verantwortlich zeichnen.
Quantitativer Bedeutungszuwachs der Drittmittelforschung
Drittmittelforschung nimmt an deutschen Hochschulen einen stetig
anwachsenden Anteil der Finanzierung ein. Für eine Spitzengruppe
von Universitäten sind dies bereits z.T. deutlich mehr als 25% der
insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel. Bei den Fachhochschu-
len / Hochschulen für angewandte Wissenschaften zeigt sich eine
vergleichbare Entwicklung, allerdings mit einer schmaleren Spitzen-
gruppe. Bezogen auf einzelne Fächergruppen haben sich die Ver-
hältnisse von Grundmitteln und Drittmitteln bereits umgekehrt, hier
übersteigen die Drittmittel jene für laufende Zwecke zur Verfügung
stehende Mittel. Die Drittmittelforschung nimmt einen wesentlichen
Teil der Forschungsaktivität der Universitäten ein und ist ein wichti-
ges Element der Profilbildung der Universitäten in Deutschland. Ihr
Zuwachs übertrifft bei Weitem die Entwicklungen der Grundmittel-
versorgung sowie auch jene der Studierendenzahlen.
Qualitative Bedeutung der Drittmittelforschung
International wettbewerbsfähige Forschung ist in vielen Disziplinen
ohne geförderte Drittmittel nicht mehr möglich. Sie wird auf nahezu
allen Handlungsebenen über leistungsorientierte Mittelzuweisungen
und Zielvereinbarungen incentiviert. Diese Forschung findet in ei-
nem gleichzeitig zu berücksichtigenden institutionellen Rahmen
151
statt, dessen Ressourcen durch die Projektbearbeitung, aber auch
im akquisitorischen Vorfeld und im Nachgang zu den Projektlaufzei-
ten genutzt und verbraucht werden.
Beanspruchung von Ressourcen durch Drittmittelforschung
Unbestritten ist, dass öffentlich finanzierte Drittmittelforschungspro-
jekte über die reine Zuwendung hinausgehend Ressourcen
verbrauchen und dies unabhängig davon, ob sie vom BMBF, der
DFG oder anderen Zuwendungsgebern finanziert werden. Ange-
sichts des Befundes, dass Drittmittelforschung im Durchschnitt
zweieinhalb Mal so viel zeitliche Kapazitäten bindet wie die grundfi-
nanzierte Forschung, haben sich nicht nur die Rahmenbedingungen
der Forschung sondern auch der Forschungsfinanzierung nachhal-
tig verändert. Die durch die Drittmittelforschung verursachten Kos-
ten müssen in irgendeiner Weise kompensiert bzw. gegenfinanziert
werden.
Reichweite der Drittmittel für Forschung
Die Forschung mit Mitteln der öffentlichen Forschungsförderung
(BMBF, DFG et al.) finanziert im Wesentlichen die Personalkosten
der im Antrag für das Projekt kalkulierten Stellen und die Teile der
unmittelbar durch das Projekt entstehenden Sachkosten. Die Kos-
ten der Verwendung und des Verbrauchs nicht beantragter Res-
sourcen, des Ersatzes, der Instandhaltung, der Erweiterung, des
Aus- oder Umbaus der räumlichen oder technischen Forschungsin-
frastruktur können in den bislang gängigen Modellen nicht im Be-
reich der Sachkosten angesetzt werden. Darüber hinaus bedingen
geförderte Projekte den Einsatz zusätzlicher Personalressourcen,
welche die Projekte von der technischen (Techniker/-innen, Labo-
ranten/-innen, IT-Spezialisten/-innen etc.) und Verwaltungsseite,
aber auch inhaltlich begleiten und in den Projektkosten nicht be-
rücksichtigt werden können. Dieser Aufwand erhöht sich erheblich
um administrativ-organisatorische Aufwendungen bei kooperativen
Forschungsvorhaben.
Finanzierungslücke bedroht Handlungsfähigkeit der Hochschu-
len
Die Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Finanzierungslücke
im Rahmen der Drittmittelforschung in absehbarer Zeit die Bewe-
gungsspielräume in der grundmittelfinanzierten Forschung aber
auch anderer universitärer Funktionen einschränken werden. Dies
gilt sowohl für die drittmittelstarken Hochschulen, die vor allem vor
einem quantitativen Problem stehen, als auch für die weniger dritt-
mittelstarken Hochschulen, die in ihrer Planung und Budgetierung
frühzeitig Prioritäten setzen müssen, um die Rahmenbedingungen
für Drittmittelprojekte zu schaffen bzw. aufrechtzuerhalten.
152
Finanzierungslücke betrifft auch vor- und nachgelagerte Aktivi-
täten der Forschung
Aktivitäten in der Vor- und Nachlaufphase der Vorhaben beanspru-
chen ebenfalls die technischen und infrastrukturellen Ressourcen
der Hochschulen. In allen Phasen nimmt das administrative Perso-
nal für die Antrags- und Projektbearbeitung eine spezifische Rolle
ein. Z.T. werden Strukturen geschaffen, die über die Projektlaufzeit
hinaus kostenverursachend sind, so dass eine Pfadabhängigkeit,
nicht nur in der Forschung selbst, sondern auch in der Aufrechter-
haltung der wissenschaftlich-technischen Infrastruktur entsteht.
Empfehlung 1: Das BMBF sollte an einer zusätzlichen Finanzierung der Kosten
der Drittmittelforschung festhalten und damit langfristig den Handlungsrahmen
für Drittmittelforschung an den Hochschulen sicherstellen.
Eine Kompensation der durch die Drittmittelforschung an den
Hochschulen über die Zuwendung hinausgehenden Aufwände und
Kosten ist auf Grund der vorbeschriebenen Befunde notwendig
und dringlich geboten.. Insbesondere der Auf- und Ausbau der
wissenschaftlich-technischen Infrastruktur sowie deren Instandhal-
tung und Wartung erfordern Mittel, die weder die Drittmittelfinan-
zierung noch die Grundfinanzierung in einem ausreichenden Maße
zur Verfügung stellen. Von daher sollte weiterhin eine zusätzliche
Finanzierung, wie sie derzeit die Projektpauschale oder auch die
Programmpauschale der DFG bieten, gewährleistet werden. Die
Kopplung der Overheadpauschale an ein konkretes Forschungs-
projekt gewährleistet eine zielgerichtete Förderung.
Wie auch anhand des quantitativen und qualitativen Bedeutungs-
gewinns der Drittmittelforschung nachvollziehbar ist, haben die
Hochschulen nahezu keine Alternativen zur Teilnahme am Wett-
bewerb um Drittmittel, sei es zur Gewinnung von finanziellen Res-
sourcen oder aus Gründen der Profilbildung. Das bedeutet auch,
dass die Rahmenbedingungen sicherstellen müssen, dass sich die
Hochschulen Drittmittelforschung langfristig leisten können.
Projektspezifische Kennziffern zur öffentlich-finanzierten Dritt-
mittelforschung fehlen
Vorliegende Kennziffern, z.B. die mit Hilfe der Trennungsrechnung
ermittelten Werte für die Overheadsätze der wirtschaftlichen Tätig-
keit, gehen von Vollkostenansätzen aus und treffen Annahmen hin-
sichtlich zu berücksichtigender Gemeinkosten, die nicht in jedem
Einzelfall verursachungsgerecht sind. Diese beruhen z.B. auf nor-
mativen Setzungen hinsichtlich der Nutzung von zentralen Einrich-
tungen durch Forschung und Lehre, wobei eine weitergehende Dif-
ferenzierung hinsichtlich Grundlagenforschung, öffentlich oder privat
153
finanzierter Drittmittelforschung bei diesen Setzungen nicht erfolgt.
Die Trennungsrechnung kann keine Rücksicht darauf nehmen, in-
wieweit die angesetzten Gemeinkosten für die Durchführung von
Drittmittelforschung besondere Relevanz haben. Die unter diesen
Gesichtspunkten anhand der Trennungsrechnung ermittelten Over-
headsätze beziehen daher ein Mindestmaß an Gemeinkosten ein.
Die überwiegende Anzahl der Hochschulen haben eine nach Fakul-
Die international vergleichende Darstellung soll die Diskussion in
Deutschland um internationale Erfahrungen in Bezug auf Vollkos-
tenrechnung und Overhead-Modelle bereichern. Ziel ist es nicht die
Hochschulsysteme in ihrer Gesamtheit zu beschreiben, sondern auf
– aus Sicht der Diskussion in Deutschland besonders relevante –
Teilaspekte einzugehen, die in Bezug auf die Umsetzung von Voll-
kostenrechnungssystemen und die Ausgestaltung von Overhead-
Finanzierungsmodellen zur besonderen Diskussion stehen.
Die Auswahl der einbezogenen Hochschulsysteme erfolgte deshalb
nicht auf Basis ihrer Ähnlichkeit (und damit grundsätzlichen Ver-
gleichbarkeit) zum deutschen Hochschulsystem, sondern folgte ei-
nem gemischten Ansatz: Einerseits wurden Hochschulsysteme
ausgewählt, die sich durch ihre besondere Leistungsfähigkeit aus-
zeichnen, andererseits solche, die auf besonders umfassende Er-
fahrungen bei der Vollkostenrechnung bzw. dem Einsatz von Pau-
schalen verfügen.
11.2.1 Leistungsfähigkeit
Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit wurden die Forschungsleis-
tungen der Universitäten herangezogen. Der konkrete Vorschlag
basiert dabei einerseits auf bibliometrischen Daten, d.h. auf Daten
auf Basis des Publikationsverhaltens wissenschaftlicher Mitarbei-
ter/-innen der Universitäten und andererseits auf Daten zur interna-
tionalen Studierendenmobilität.
Auch wenn die Forschungsmission von Universitäten sich nicht auf
die Publikation neuer Erkenntnisse beschränken lässt, sondern
auch andere Elemente wie die Ausbildung von Nachwuchsfor-
schern/-innen und die Bereitstellung von Forschungsinfrastruktur
umfasst, stellt die Generierung neuen Wissens ein zentrales Ele-
ment dar. Dieser Umstand und Erwägungen zur Datenverfügbarkeit
erklären die Entscheidung der Länderauswahl auf Basis bibliometri-
scher Informationen zu treffen. Konkret wurde das Leiden-Ranking52
herangezogen.
Ergänzt wurde dies um die Perspektive internationaler Studierender
in Doktorandenprogrammen. Die Attraktivität eines Hochschulsys-
tems für ausländische Doktoranden/-innen ist ein Indikator für die
Qualität der Universität bzw. des Universitätssystems.
52 http://www.leidenranking.com/
170
Exkurs: Das Leiden-Ranking
Das Leiden-Ranking wird vom CWTS (Center for Science and
Technology Studies) der Universität Leiden, Niederlande, erstellt.
Es basiert ausschließlich auf bibliometrischen Daten (ist deshalb
global verfügbar) und umfasst aktuell vier Indikatoren:
Anzahl der Publikationen (P)
Durchschnittliche Anzahl der Zitationen pro Publikation (MCS)
Durchschnittliche Anzahl der Zitationen pro Publikationen im Verhältnis zum Weltdurchschnitt, normalisiert um Fachbe-reichsunterschiede, Publikationsjahr und Dokumententyp (MNCS)
Anteil der Publikationen, die – verglichen mit ähnlichen Publika-tionen in Bezug auf Fachbereich, Publikationsjahr und Doku-mententyp – in einem jener 10% der Journals publiziert wur-den, die am häufigsten zitiert werden (PP(top 10%))
Für alle Indikatoren stehen darüber hinaus folgende Optionen be-
Die Indikatoren MCNS und PP(top 10%) stellen die Hauptindikato-
ren dar, weil diese eine Normalisierung nach wissenschaftlichem
Fachbereich beinhalten. Damit wird verhindert, dass Universitäten
mit einem Fokus auf Fachbereiche, die sich durch ein sehr ausge-
prägtes Zitationsverhalten auszeichnen (bspw. Medizin) in der ver-
gleichenden Darstellung bevorzugt werden.
Das Leiden-Ranking basiert auf Informationen zu allen Universitä-
ten, die jährlich mindestens 400 Publikationen in wissenschaftli-
chen Journals aufweisen, die im Web of Science von ISI-Thomson
gelistet sind. D.h. kleine Universitäten ohne spezifischen Fokus auf
Forschung fließen nicht in die Betrachtung ein. Weltweit erfolgt die
Darstellung der bibliometrischen Indikatoren der 500 besten Uni-
versitäten.
Das Leiden-Ranking 2011/12 bezieht sich auf Publikationen im
Zeitraum von 2005 bis 2009.
53 Nicht-englischsprachige Publikationen werden vielfach – unabhängig von der Qualität der Publikation – schon aufgrund
der Sprache weniger häufig zitiert und sind deshalb nicht direkt mit englischsprachigen Publikationen vergleichbar.
171
11.2.2 Länderauswahl gemäß Leiden-Ranking
Eine Betrachtung der 200 leistungsfähigsten Universitäten des Lei-
den Ranking 2011/12, gemessen anhand der durchschnittlichen
Anzahl der Zitationen pro Publikationen im Verhältnis zum Welt-
durchschnitt, normalisiert um Fachbereichsunterschiede, Publikati-
onsjahr und Dokumententyp (MNCS) bzw. anhand des Anteils der
Publikationen, die – verglichen mit ähnlichen Publikationen in Bezug
auf Fachbereich, Publikationsjahr und Dokumententyp – in einem
jener 10% der Journals publiziert wurden, die am häufigsten zitiert
werden (PP(top 10%)), zeigt, dass diese Universitäten aus 19 Län-
dern kommen (siehe Tabelle 16). Dabei fällt auf, dass fast die Hälfte
dieser Universitäten aus den USA kommt, ein weiteres Achtel aus
Großbritannien. Auch Frankreich weist mit 11 (MNCS) bzw. 10
(PP(top 10%)) noch eine große Anzahl sehr erfolgreicher Universi-
täten auf.
172
Tabelle 16: Nationale Verteilung der 200 leistungsfähigsten Univer-sitäten
Leiden Ranking 2011/12 TOP200
MCNS
[Anzahl Uni-versitäten]
PP(top 10%) [Anzahl Uni-versitäten]
MCNS [Anteil an Top200]
PP (top 10%) [Anteil an Top200]
Australien 4 3 2,0% 1,5%
Belgien 2 2 1,0% 1,0%
China 6 6 3,0% 3,0%
Dänemark 4 4 2,0% 2,0%
Deutschland 17 16 8,5% 8,0%
Finnland 0 0 0,0% 0,0%
Frankreich 11 10 5,5% 5,0%
Großbritannien 25 24 12,5% 12,0%
Irland 1 1 0,5% 0,5%
Israel 1 1 0,5% 0,5%
Italien 1 1 0,5% 0,5%
Kanada 7 7 3,5% 3,5%
Mexiko 1 1 0,5% 0,5%
Niederlande 12 12 6,0% 6,0%
Norwegen 0 0 0,0% 0,0%
Österreich 1 1 0,5% 0,5%
Schweden 3 3 1,5% 1,5%
Schweiz 5 5 2,5% 2,5%
Singapur 2 2 1,0% 1,0%
Spanien 0 0 0,0% 0,0%
Südkorea 1 2 0,5% 1,0%
Vereinigte Staaten 96 99 48,0% 49,5%
Quelle: Leiden Ranking 2011/12
Bezieht man die Größe der nationalen Universitätssysteme mit ein,
zeigt sich, dass insbesondere auch die Niederlande, die Schweiz
und Dänemark sehr leistungsfähige Universitätssysteme aufweisen.
Diese Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass mindestens die
Hälfte der Universitäten in Bezug auf den Publikationsoutput zu den
leistungsfähigsten 200 der Welt gezählt werden können: Für die
Niederlande 12 der 14 wissenschaftlichen niederländischen Univer-
sitäten, für die Schweiz 6 von 12 Universitäten und für Dänemark 4
von 8 Universitäten.
173
Auf Basis dieser Informationen wurde vorgeschlagen, die nationalen
Hochschulsysteme der USA, Großbritanniens, Frankreichs, der
Niederlande, der Schweiz und Dänemarks in den internationalen
Vergleich einzubeziehen.
11.2.3 Ausländische Studierende und Studierende aus dem
Ausland nach Bildungsniveau
Die Zahl der Studierenden, die sich entscheiden im Ausland zu stu-
dieren, sei es für die gesamte Studiendauer oder für einen kürzeren
Zeitraum, hat in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenom-
men. Unterstützende Maßnahmen finden ihre Berechtigung in der
Annahme, dass Studierendenmobilität zukünftige Beschäftigung
und Mobilität fördert sowie auch zur persönlichen Entwicklung bei-
trägt. Auch wenn Auswirkungen eines Studiums im Ausland schwer
messbar sind und Aussagen darüber nur schwer getroffen werden
können, geht aus der OECD Studie „Education at a Glance 2012“
zumindest hervor, dass Studierende in Bezug auf die Studienzeit im
Ausland als Ergebnis die persönliche Entwicklung und Verbesse-
rung der Sprachkenntnisse als positiv hervorheben. Akademische /
berufliche Entwicklungen werden an zweiter Stelle genannt. Obwohl
es keine Beweise dafür gibt, dass sich das Auslandsstudium auf
höheres Gehalt oder höher qualifizierte Arbeitsplätze auswirkt, er-
höht es dennoch die Wahrscheinlichkeit im Ausland zu arbeiten
bzw. internationalen Aufgaben und Tätigkeiten im Beruf nachzuge-
hen.
Für die Auswahl der Vergleichsländer sollte nicht das allgemeine
Mobilitätsverhalten von Studierenden herangezogen werden, son-
dern vielmehr die Mobilität von Promotionsstudierenden. Promoti-
onsstudien haben einen wissenschaftlichen Fokus und eine hohe
Attraktivität eines Universitätssystems für Promotionsstudierende
und können deshalb als Indiz für die Qualität des Universitätssys-
tems gewertet werden. Für die Auswahl sollte deshalb in Ergänzung
zu bibliometrischen Daten auf Basis der Zahl ausländischer Studie-
render und internationaler Studierender auf die Qualität von Univer-
sitätssystemen geschlossen werden.
Es zeigt sich, dass insbesondere Frankreich, Großbritannien und
die Schweiz überdurchschnittlich attraktive Universitätssysteme für
Doktoranden/-innen aufweisen (siehe Tabelle 17). Internationale
Studierende bzw. Studierende aus dem Ausland repräsentieren
mehr als 40% der gesamten Doktoranden/-innen dieser Länder54.
54 Mit internationalen Studierenden sind mobile Studierende gemeint, die in ein anderes Land ziehen um dort zu studieren.
Ausländische Studierende sind Studierende, die nicht die Staatsangehörigkeit des Landes besitzen, in dem sie studie-
ren.
174
Tabelle 17: Ausländische und internationale Studierende nach Bil-dungsniveau
EUROSTAT (educ_mofo_orig) OECD (Education at a glance 2012)
Anteil ausländi-sche Studieren-de ISCED 5 & 6 an der Studen-tenpopulation im Gastgeberland (in %) im Jahr 2009
Anteil ausländi-sche Studieren-de ISCED 6 an der Studenten-population im Gastgeberland (in %) im Jahr 2009
Anteil internatio-nale Studierende (ISCED 5 und 6) an Studierenden des tertiären Bil-dungsbereichs 2010
Anteil internatio-nal Studierende (ISCED 6) an Dok-torats-studenten 2010
Australien n.v. n.v. 21,25 28,68
Belgien 11,82 31,65 8,80 18,50
China n.v. n.v. n.v. n.v.
Dänemark 9,62 19,65 7,54 20,83
Deutschland 10,57 n.v. 9,02* n.v.
Finnland 4,25 9,34 4,09 7,96
Frankreich 11,47 40,93 n.v. n.v.
Großbritannien 20,66 47,54 16,04 41,75
Irland 8,61 n.v. 7,03 27,11
Israel n.v. n.v. n.v. n.v.
Italien 3,27 8,25 n.v. n.v.
Kanada n.v. n.v. 6,60 20,46
Mexiko n.v. n.v. n.v. n.v.
Niederlande 7,27 n.v. 4,30 n.v.
Norwegen 7,98 29,07 1,54 4,73
Österreich 19,35 27,53 15,40 22,35
Schweden 9,35 25,88 6,93 24,16
Schweiz 21,16 47,03 15,36 48,26
Singapur n.v. n.v. n.v. n.v.
Spanien 4,72 22,01 2,98 12,16
Südkorea n.v. n.v. n.v. n.v.
Vereinigte Staa-ten n.v. n.v. 3,35 27,76
Quelle: OECD, EUROSTAT, eigene Berechnungen *2009
175
Auf Basis dieser Informationen wurde vorgeschlagen, die nationalen
Hochschulsysteme Großbritanniens, Frankreichs und der Schweiz
in den internationalen Vergleich einzubeziehen.
Ausschließlich auf der Leistungsfähigkeit (gemessen anhand von
bibliometrischen und Mobilitätsindikatoren) wurde deshalb vorge-
schlagen folgende Länder in den Ländervergleich einzubeziehen:
USA
Großbritannien
Frankreich
Niederlande
Schweiz
Dänemark
11.2.4 Spezifische Erfahrungen bei Vollkostenmodellen bzw.
dem Einsatz von Pauschalen
Im Gegensatz zu Informationen zur Leistungsfähigkeit von Universi-
tätssystemen liegen Informationen zu Erfahrungen in Bezug auf
Vollkostenmodelle und den Einsatz von Pauschalen nicht flächen-
deckend vor. Trotzdem sollte – sofern Informationen in ausgewähl-
ten Publikationen einfach verfügbar vorlagen – betrachtet werden,
inwiefern ein reicher Erfahrungshintergrund besteht der die Einbe-
ziehung eines Landes rechtfertigen würde, auch wenn dieses auf-
grund der Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt werden würde.
In folgendem Abschnitt wird deshalb der Frage nachgegangen, wel-
che Systeme und Erfahrungen aus dem internationalen Raum zum
Thema Vollkostenrechnung und Projektpauschalen im Hochschul-
bereich genutzt werden konnten.
Aus der Sicht der öffentlichen Verwaltungen in Europa ergeben sich
die Anreize, die Entwicklung der Hochschulsysteme in Richtung
Vollkostenrechnung voranzutreiben durch den möglichen Abbau
von Informationsasymmetrien, welche grundsätzlich principal-agent-
relations belasten, sowie die Steuerbarkeit über Drittmittelversor-
gung zu erhöhen. Die nationalen Fördereinrichtungen in Europa wie
auch die Europäische Union haben durchaus unterschiedliche tem-
porale Regelungen eingeführt, die einerseits Anreize zum Umstieg
zur Vollkostenrechnung geben sollen und andererseits die Wettbe-
werbsfähigkeit von Hochschulen im Bereich traditioneller Schemata
beim Einwerben von Drittmitteln (einer der Hauptantriebskräfte) er-
halten soll.
Tabelle 18 gibt einen Überblick über die Vollkosten- und Projekt-
pauschalenmodelle einzelner Länder. Einige davon, wie beispiels-
weise Großbritannien, haben sehr früh begonnen, die Vollkosten-
rechnung zu verankern, wobei hier die Lehre nicht ausgenommen
176
bleibt. Das System der Vollkostenrechnung in Großbritannien ist
einheitlich und gesetzlich geregelt. Andere Länder haben im Über-
gang zur Vollkostenrechnung stärker auf die Verankerung aner-
kannter Overheadraten gesetzt.
Auf Basis der Informationen wurde vorgeschlagen Finnland, Groß-
britannien, Schweden, die Schweiz und die USA in den internationa-
len Vergleich einzubeziehen.
Tabelle 18: Überblick der Vollkosten- und Projektpauschalenmodelle
Projektpauschalen - Mo-
delle
Vollkostenrechnung („full costing“)
Australien bisher keine Overheads; Vollkostenmodell in Planung
Belgien Flandern: wird implemen-tiert
Vollkostenmodell in der Flämischen Gemeinschaft: in den meisten Universitäten begann der Prozess im Jahr 2010, die Ausprägung und Entwicklung ist bis heute von Universi-tät zu Universität unterschiedlich. Die Katholieke Universiteit Leuven und die Universiteit Gent haben bereits ein entwickeltes Vollkostenmodell. Vollkostenmodell in der Französischen Gemeinschaft: in Planung und Entwicklung, Unterschiede der Universitäten im Fortschritt.
China n.v. n.v.
Dänemark n.v. n.v.
Deutschland DFG seit 07/08; 20%; BMBF: seit 2011
Unterschiedliche Regelungen (je Bundesland) zum Vollkos-tenmodell. In erster Linie wird das Vollkostenmodell bei Drittmittelprojekten genutzt um eine höhere Kostenerstat-tung für indirekte Kosten zu erzielen.
Finnland Academy of Finnland: frü-her 12,5%, Tekes: Vollkos-ten zu 60-80% (als Anreizcheck) ab 2009
Alle finnischen Universitäten haben ein Vollkostenmodell eingeführt. Obwohl es keinen national geführten Prozess gab sind die Modelle ähnlich; es gibt aber kein verpflich-tendes System. Das Vollkostenmodell wird meist bei För-derungen von der Academy of Finland, Tekes und der Eu-ropäischen Kommission angewandt.
Frankreich n.v. Die Entwicklung des Vollkostenmodells wurde im Jahr 2005 von AMUE initiiert. Obwohl es seitens der AMUE eine Methodologie, Tools, etc. gab, hat jede französische Uni-versität ihren eigenen Ansatz gewählt. Ein paar Universitä-ten sind in der Umsetzungsphase bereits sehr fortgeschrit-ten, viele andere befinden sich noch in der Anfangsphase.
Großbritannien Research Councils: 80%; auf dem Weg zur Vollfi-nanzierung
einheitliches, gesetzliches System
Irland n.v. Prozess startete im Jahr 2007. Es wurde ein einheitliches System für alle sieben Universitäten eingeführt. Änderun-gen werden zentral koordiniert um die Einheitlichkeit des Modells zu erhalten.
Israel 15% Overheads n.v.
Italien n.v. n.v.
177
Projektpauschalen - Mo-
delle
Vollkostenrechnung („full costing“)
Kanada 20%-80% Overheads; Schwellenmodell: 80% die ersten 100 Tsd. C$, 50% die nächsten 900 Tsd C$, 40% die nächsten 6 Mio. C$
n.v.
Mexiko n.v. n.v.
Niederlande nicht einheitlich; individuell ausverhandelt
Alle Universitäten haben ein Vollkostenmodell. Auch wenn die Regierung kein Vollkostenmodell von den Universitäten fordert, haben die meisten Universitäten Vollkostenmodelle entwickelt. Im Jahr 2007 haben alle Universitäten einem Set von spezifischen Grundsätzen für die Entwicklung ihres Vollkostenmodells zugestimmt. Ziel war es die Universitä-ten untereinander vergleichbar zu machen. Ab diesem Zeitpunkt haben Universitäten jedoch individuell an der Entwicklung ihrer Vollkostenmodelle gearbeitet, mit dem Ergebnis, dass sich diese nun sehr unterscheiden.
Norwegen n.v. n.v.
Österreich FWF: 20%, Kostenrechnung verpflichtend; aber kein einheitliches Sys-
tem; keine Trennung von Forschung-Lehre
Schweden Vollkostenmodell imple-mentiert
Einheitliches System eingeführt (SUHF-Model; SUHF = the Association of Swedish Higher Education), Implementie-rung wurde koordiniert.
Schweiz NSF: max. 20% Overhead seit 2009
unterschiedliche Regelungen
Singapur n.v. n.v.
Spanien n.v. n.v.
Südkorea n.v. n.v.
Vereinigte Staa-ten
eingeschränktes Vollkos-tenmodell; individuelle Overhead-Rate auf Institutionenebene; im Schnitt 50%
einheitliche Regeln
Quellen: Sekundärliteratur, eigene Darstellung Auswahl der Länder auf Basis Leiden-Ranking 2011/12
Unter Berücksichtigung sowohl der Leistungsfähigkeit, als auch des
spezifischen Erfahrungsschatzes ergab die Auswahl folgende Län-
der in Ländervergleich einzubeziehen:
Dänemark,
Finnland,
Frankreich,
Großbritannien,
Niederlande,
178
Schweden,
die Schweiz und
die Vereinigten Staaten von Amerika (USA).
11.3 Kurzdarstellung Vergleichsländer
Da eine Interpretation der Erfahrungen in Bezug auf die Finanzie-
rung indirekter Kosten sowie in der Anwendung der Vollkostenrech-
nung nur vor dem Hintergrund des jeweiligen Hochschulsystems
und dessen Weiterentwicklung sinnvoll möglich ist, erfolgt im nächs-
ten Abschnitt für alle Vergleichsländer eine konzise Darstellung des
Hochschulsystems und der wesentlichen Entwicklungslinien, insbe-
sondere in Bezug auf Governance und Finanzierung.
11.3.1 Dänemark
Das dänische Hochschulsystem umfasst einen Universitätssektor
und einen College Sektor (professionally oriented higher education
sector)55. Folgende Hochschultypen existieren:
Berufsbildende Hochschulen (Academies of Professional Higher
Education (Erhvervsakademi)
University Colleges (Professionshøjskole)
Universitäten (Universitet)
Kunsthochschulen (University level institutions of fine and per-
forming arts, design and architecture)
Für den Großteil der Hochschuleinrichtungen ist das Ministerium für
Forschung, Innovation und Hochschulausbildung (Ministeriet for
Forskning, Innovation og Videregående Uddannelser) verantwort-
lich, lediglich für einen Teil (in den Bereichen der Künste und Kultur)
der Hochschulen trägt das Kulturministerium die Verantwortung
(Kulturministeriet)56.
University Colleges dienen in der Regel dazu spezifische Berufs-
ausbildungen anzubieten. Beispiele sind die Ausbildung von Ingeni-
euren/-innen, Lehrern/-innen, Krankenpflegern/-innen oder Journa-
55 Eurydice (2006), “Regulatory frameworks in higher education governance. Policies, rights and responsibilities. Den-
mark.” 56 The Danish Ministry of Science, Innovation and Higher Education (2012), The Danish Higher Education System.
Ausbildungen (Bachelorprogramme) auf Hochschulniveau an58.
Im dänischen Hochschulsystem kam es in den vergangen Jahren zu
signifikanten Reformen, die das Ziel hatten die Wettbewerbsfähig-
keit des Hochschulsektors und die Innovationsfähigkeit der däni-
schen Wirtschaft zu erhöhen59. Zu diesem Zwecke kam es zu einer
umfangreichen Neuordnung der öffentlichen Forschungslandschaft.
Die Zahl der Universitäten wurde von 12 auf 8 reduziert, wobei die
Fusionen auf freiwilliger Basis erfolgten60. Außerdem erfolgte im
Zuge der Neuorganisation des Forschungssystems auch eine teil-
weise Integration von öffentlichen Forschungseinrichtungen in Uni-
versitäten. Die Zahl der öffentlichen Forschungseinrichtungen (inkl.
Universitäten) sank damit von 25 auf 11, d.h. das öffentliche For-
schungssystem besteht nunmehr aus 8 öffentlichen Universitäten
und 3 außeruniversitären, öffentlichen Forschungseinrichtungen.
Wesentliche Grundlage für die Umstrukturierung des dänischen
Universitäts- und Forschungssystems war die Globalisierungsstra-
tegie („Fortschritt, Innovation und Kohäsion. Strategie für Dänemark
in der globalen Wirtschaft“) aus dem Jahr 2006. Diese Strategie
identifizierte Bildung und Forschung als zentrale Elemente. Sie um-
fasst insgesamt 350 spezifische Initiativen, die dazu beitragen sol-
len (Aus-)Bildung, Forschung und unternehmerisches Handeln (=
entrepreneurship) und die allgemeinen Bedingungen für Wachstum
und Innovation in der dänischen Gesellschaft zu verbessern61.
Forschungsfinanzierung
Die wichtigsten öffentlichen Forschungsakteure sind in Dänemark
die Universitäten. Verglichen mit den öffentlichen Forschungsein-
richtungen (mit 2,9 %) betrug ihr Anteil an den gesamten For-
schungsaufwendungen im Jahr 2009 30%.
Die Finanzierung von Universitäten erfolgt in erster Linie mit öffentli-
chen Mitteln durch institutionelle Basisfinanzierung und kompetitiv
vergebene Projektmittel. In den vergangenen Jahren wurde dabei
der Anteil der kompetitiv vergebenen Mittel schrittweise erhöht,
57 Eurydice (2009), National summary sheets on education system in Europe and ongoing reforms. 2009 Edition. Eurydice,
the information network on education in Europe. 58 Frølich, N. (2010), Governance and Funding Reform in the European Higher Education Area: National system analyses
Denmark, in: H. De Boer, B. Jongbloed, J. Enders and J. File (Hrsg.): Progress in higher education reform across
Europe. Governance and funding reform. Volume 2: Methodology, performance data, literature survey, national system
analyses and case studies, Brussels, 2010. 59 IPTS (2008), Research in Universities: Changes and Challenges, Institute of Prospective Technological Studies, Sevilla 60 Frølich, N. (2010), Governance and Funding Reform in the European Higher Education Area: National system analyses
Denmark, in: H. De Boer, B. Jongbloed, J. Enders and J. File (Hrsg.): Progress in higher education reform across
Europe. Governance and funding reform. Volume 2: Methodology, performance data, literature survey, national system
analyses and case studies, Brussels, 2010. 61 Eurydice (2008), The Education System in Denmark. 2007/08. Eurydice, the information network on education in
Europe.
180
auch wenn die Basismittel z.T. leistungsorientiert (auf Basis ausge-
wählter Indikatoren) vergeben werden.
Die Finanzierung der Universitäten erfolgt in Dänemark über fünf
Kanäle:
leistungsorientierte Basismittel für die Lehre: ca. 30%
Basismittel für Forschung: ca. 30%
kompetitive, nationale Forschungsmittel: ca. 25%
forschungsbasierte Services für den öffentlichen Sektor: ca. 5%
Sonstiges: ca. 10%
Die kompetitive Vergabe der projektbezogenen Forschungsmittel er-
folgt primär durch die Councils:
Das Danish Council for Independent Research fördert For-
schung bottom-up mittels offener Ausschreibungen.
Das Danish Council for Strategic Research fördert strategische
und politikrelevante Forschung auf Basis von themenbezogenen
Calls.
Das Danish Council für Technology and Innovation fördert pri-
mär Technologietransfer und Wissensdiffusion.
11.3.2 Finnland
Das finnische Hochschulsystem besteht aus zwei Arten von Hoch-
schulen:
Fachhochschulen (Ammattikorkeakoulu) und
Universitäten (yliopisto).
Alle Universitäten sind staatliche Universitäten und werden größten-
teils auch vom Staat finanziert. Während die Universitäten akademi-
sche Lehre und Forschung betreiben, konzentrieren sich die Fach-
hochschulen auf eine berufsbezogene Ausbildung. Im Gegensatz zu
den Universitäten befinden sich die Fachhochschulen nicht im staat-
lichen Besitz, sondern werden von den Kommunen oder privaten
Institutionen getragen. Die Etablierung der Fachhochschulen erfolg-
te 1992 durch die Aufwertung von zuvor postsekundären Bildungs-
einrichtungen und war eine direkte Konsequenz der Anforderungen
der Wirtschaft an gut ausgebildete Absolventen/-innen. Seit 2002
dürfen Fachhochschulen Masterstudiengänge anbieten, wobei sich
diese Masterstudiengänge an Absolventen/-innen von Fachhoch-
schulen (oder vergleichbaren Ausbildungen) richten, die schon eine
181
Berufserfahrung von mindestens drei Jahren aufweisen können. Sie
stellen damit ein wichtiges Element der Erwachsenenbildung dar62.
Forschungsfinanzierung
Die Academy of Finland ist rechtlich Teil des Bildungsministeriums
und der wichtigste Fördergeber kompetitiv vergebener For-
schungsmittel. Neben klassischer, thematisch nicht gerichteter För-
derung wurden in den letzten Jahren auch zunehmend thematische
Forschungsprogramme definiert, die vor allem die interdisziplinäre
Forschung fördern sollen. Tekes ist die Forschungsfinanzierungs-
gesellschaft, die dem Ministerium für Industrie und Handel unter-
steht und primär industrielle Forschung und Innovation finanziert.
Forschungsprogramme werden auch in Kooperation mit der
Academy of Finland definiert. Der Finnische Nationalfonds für For-
schung und Entwicklung (Finish National Fund for Research and
Development – Sitra) untersteht direkt dem Parlament und fördert
und finanziert Innovation in ausgewählten Themenfeldern wie etwa
Gesundheit.
Forschungseinrichtungen
16 Universitäten
Universitätskliniken
25 Fachhochschulen (Polytechnics, Universities of Applied Sci-
ences)
18 Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen
Forschung erfolgt in Finnland mehrheitlich und mit steigender Ten-
denz an Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen
(der Anteil an F&E-Aufwendungen im Unternehmenssektor sinkt).
Diese Entwicklung wurde durch die in Finnland gesetzten Reformen
sowie die Einrichtung von so genannten SHOKs (Strategic Centres
for Science, Technology and Innovation) erreicht. Von den gesam-
ten Forschungsaufwendungen war im Jahr 2010 der Unterneh-
menssektor für 69,9% verantwortlich und damit um -4,4 Prozent-
punkte niedriger als im Jahr 2008, wohin gehend der Anteil der
Hochschulen an den gesamten Forschungsaufwendungen im Jahr
2010 erstmals die 20%-Marke erreicht hat und damit höher ist
(2010: 20,4%) als in öffentlichen Forschungseinrichtungen mit 9,3%.
Finnland hat in den letzten Jahren sowohl die Grundfinanzierung als
auch die Finanzierung durch kompetitive Forschungsmittel ausge-
baut. Die kompetitive Finanzierung soll dabei zukünftig weiter aus-
62 Niederl A. und M. Ploder (2009), Internationale Rahmenbedingungen und Entwicklungen, Kurzinput zum Hochschulent-
wicklungsplan Österreich, Version 2, Graz.
182
gebaut werden, vor allem um eine weitere Spezialisierung voranzu-
treiben.
Bemerkenswert ist vor allem der Ausbau der Förderung durch die
Academy of Finland. Zwischen 1995 und 2000 ist das Förderbudget
um etwa 80% gestiegen. Durch die höhere Dotierung der Budgets
der Academy of Finland, aber auch von TEKES, standen den Uni-
versitäten mehr Forschungsmittel zur Verfügung. Der Drittmittelan-
teil variiert jedoch stark zwischen einzelnen Universitäten und Dis-
ziplinen, in Finnland etwa zwischen 33% und 61%63. Der – auch im
internationalen Vergleich – hohe Anstieg der Finanzierung über
Drittmittel wird in Finnland kritisch diskutiert, vor allem was die Fi-
nanzierung der Infrastruktur und die längerfristige Ausrichtung der
Forschung betrifft.64 Erste Befunde deuten darauf hin, dass die For-
schungs- und Lehrproduktivität nicht wie intendiert gestiegen, son-
dern in den letzten 15 Jahren sogar leicht gesunken sind.65
2008 zeigt sich die Finanzierung der Universitäten wie folgt:
Finnish Funding Agency for Technolo-gy and Innovation TEKES
93 4,3 %
Finnische Unternehmen 108 5,0 %
andere finnische Quellen 292 13,4 %
EU-Mittel 69 3,2 %
andere internationale Finanzierung 26 1,2 %
GESAMT 2.175 100 %
Quelle: Ministry of Education (2009)
11.3.3 Frankreich
Das französische Hochschulsystem hat sich im Laufe seiner Ent-
wicklung zu einem komplexen System entwickelt. Dabei existiert ei-
ne Reihe von Institutionen mit Unterschieden in Auftrag, Struktur
63 Oksanen et al. 2003. 64 Vgl. ebd. sowie Leitner et al. 2007. 65 Vgl. Tammi 2009.
183
und Zulassungsbedingungen. Folgende Typen von Institutionen
können dabei unterschieden werden:
Universitäten
Instituts Universitaires de Technologie (IUT)
Instituts Universitaires Professionnalisés (IUP)
Grande Ecoles (Ecoles Supérieures)
Ecoles Spécialisées
Die Grandes Ecoles oder auch Ecoles Supérieures sind Elitehoch-
schulen, die meistens auf eine oder wenige Fachrichtungen spezia-
lisiert sind. Die Instituts Universitaires gehören zwar zu den staatli-
chen Universitäten, sind aber relativ eigenständig. Zu ihnen zählen
die Instituts Universitaires Professionnalisés (IUP), die sich auf
hauptsächlich kaufmännische, technische und naturwissenschaftli-
che Studiengänge spezialisiert haben und einen direkten Berufsbe-
zug aufweisen. Um hier aufgenommen zu werden, müssen die Stu-
dierenden bereits ein Jahr in der relevanten Fachrichtung studiert
haben. Die IUPs ähneln den deutschen Fachhochschulen, denn sie
arbeiten eng mit Unternehmen aus der Wirtschaft zusammen und
sind sehr praxisorientiert. Nach drei Jahren des Studiums schließt
man hier sein Studium mit dem Ingénieur-maître ab.
Auch die Instituts Universitaires de Technologie (IUT) sind sehr be-
rufsorientiert und bilden in ihren zweijährigen Kurzstudiengängen
hauptsächlich Assistenten/-innen und Techniker/-innen für den In-
dustrie- und Dienstleistungsbereich aus. Diese erlangen nach er-
folgreichem Studium das diplôme universitaire de technologie
(DUT). Für medizinische Studiengänge sowie Kunst, Musik und Ar-
chitektur gibt es die Ecoles Spécialisées.
Die französischen Universitäten werden unterteilt in die Unités de
Formation et de Recherche (UFR), die Fakultäten. Zurzeit gibt es in
Frankreich mehr als 80 staatliche Universitäten, an denen kostenlos
studiert werden kann. Im Gegensatz zu den Universitäten sind die
„grandes écoles“ meist auf eine oder wenige Fachrichtungen spe-
zialisiert und nur zum Teil dem Erziehungsministerium unterstellt.
Eine größere Zahl von ihnen untersteht der Aufsicht anderer Mini-
sterien oder wird von privaten bzw. öffentlich-rechtlichen Trägern
(z.B. Berufsverbänden oder Industrie- und Handelskammern) ver-
waltet.
Die französische Hochschul- und Forschungslandschaft hat in den
vergangenen Jahren noch zusätzliche Akteure, die higher education
clusters (Clusterung von Hochschuleinrichtungen, indem diese sich
zu Lehr- und Forschungsclustern zusammenschließen) (pôles
derecherche et d’enseignement supérieur – PRES) dazugewinnen
können. Ziel dieser ist es, die Sichtbarkeit und Attraktivität der fran-
zösischen Hochschulen zu steigern.
184
Entsprechend dem allgemeinen Trend, konnten auch in Frankreich
in den vergangenen Jahren Schritte hin zu mehr Autonomie der
Universitäten und zu einer Ausweitung der kompetitiven For-
schungsförderung beobachtet werden66.
Forschungsfinanzierung
Unter den Forschungsakteuren sind in Frankreich die Hochschulein-
richtungen, die weit mehr umfassen als Universitäten und ‘grandes
écoles’, hauptverantwortlich für F&E. Forschung wird in Frankreich
jedoch auch von öffentlichen Forschungseinrichtungen durchge-
führt; zu den wichtigsten außeruniversitären Forschungseinrichtun-
gen zählen das National Centre for Scientific Research (CNRS), das
National Institute for Agronomic Research (INRA), das National In-
stitute for Computer Science and Automation (INRIA), das National
Institute for Health and Medical Research (INSERM), und das
Atomic Energy Commission (CEA). Gemessen an den gesamten
Forschungsaufwendungen sind mit einem Anteil von 20,6% die
Hochschulen aktiver als die öffentlichen Forschungseinrichtungen
mit 16,4%. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass in Frankreich diese
beiden Sektoren durch gemeinsame Laboreinrichtungen des CNRS
und der Universitäten eng verbunden sind.
Die Finanzierung der französischen Hochschulen erfolgt im Wesent-
lichen durch öffentliche Mittel und Studiengebühren67. Die öffentli-
che Finanzierung der Forschung der Hochschulen erfolgt dabei
überwiegend in der Form von Basismitteln, kompetitive vergebene,
projektorientierte Mittel tragen zu etwa 20% zur Forschungsfinanzie-
rung bei. Die Agence Nationale de la Recherche (ANR), als wich-
tigste öffentliche Forschungsförderungseinrichtung, wurde im Jahr
2005 u.a. mit dem Ziel gegründet, ein geeignetes Instrument zu ha-
ben, um die kompetitiv vergebenen Mittel auszuweiten.
11.3.4 Großbritannien
Hochschulbildung in Großbritannien wird von Universitäten, Higher
education colleges und einer geringen Zahl von University colleges
angeboten. Gemeinsam bilden diese die Higher education instituti-
ons (HEIs). Es gibt in Großbritannien rund 340 Universitäten und
Colleges/ Institutes of Higher Education.
Die ältesten Universitäten stammen dabei aus dem 12. (Oxford) und
13. Jahrhundert (Cambridge). Die großen City-Universitäten wurden
Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet. Univer-
66 Niederl, A. und Ploder, M. (2009), Internationale Rahmenbedingungen und Entwicklungen, Kurzinput zum Hochschul-
entwicklungsplan Österreich, Version 2, Graz 67 De Boer, H., Jongbloed, B., Enders, J., File, J. (2010), Progress in higher education reform across Europe. Governance
and funding reform. Volume 2: Methodology, performance data, literature survey, national system analyses and case
studies, Brussels.
185
sitäten der jüngeren Generation wurden zwischen 1960 und 1970
meist als Campus-Universitäten errichtet. Den ebenfalls in den
sechziger und siebziger Jahren entstandenen Polytechnics wurde
1992 Universitätsstatus verliehen. Sie werden noch heute häufig un-
ter dem Begriff „New Universities“ zusammengefasst. Die Zahl der
Universitäten hat sich dadurch seit den 1960er Jahren verdreifacht.
Heute ist der britische Hochschulsektor damit eine extrem hetero-
gene Sammlung von Institutionen, die das gesamte Spektrum von
großen, forschungsintensiven, international renommierten Universi-
täten bis zu eher kleinen, auf die Lehre ausgerichteten Instituten,
die insbesondere auf regionale oder sektorale Anforderungen rea-
gieren, umfasst.
Forschungsfinanzierung
Universitäten sind die wichtigsten öffentlichen Forschungsakteure in
Großbritannien. Sie waren im Jahr 2010 mit 27,2% und die öffentli-
chen Forschungseinrichtungen mit 8% an den gesamten For-
schungsaufwendungen beteiligt. Ihre Finanzierung erfolgt zu 38%
durch Basismittel, 24% durch Studiengebühren und 38% durch
Drittmittel. 68
Das Higher Education Funding Council for England (HEFCE) über-
nimmt dabei die regulierende Rolle für die Hochschulen in England,
das Scottish Higher Education Funding Council (SHEFC) in Schott-
land , das Higher Education Funding Council for Wales (HEFCW) in
Wales sowie das Department for Employment and Learning Nor-
thern Ireleand (DELNI), einige wenige werden durch die charities
commissions reguliert.
Im Folgenden wird auf die Situation in England Bezug genommen:
Die öffentliche Finanzierung der Universitäten erfolgt großteils durch
das Higher Education Funding Council, das für die Grundfinanzie-
rung der Forschung und Lehre verantwortlich ist, gefolgt von den
Research Councils, die für die Finanzierung von Forschungsprojek-
ten zuständig sind und von Regierungsstellen direkt. In den vergan-
genen Jahrzehnten wurde die öffentliche Finanzierung zunehmend
in ein leistungsorientiertes, formelgebundenes System überführt.
Damit ist das britische Hochschulsystem im Gegensatz zu anderen
europäischen Hochschulsystemen gekennzeichnet durch a) eine
starke Trennung von Forschung und Lehre sowie b) eine ausge-
prägte kompetitive Vergabe öffentlicher Mittel, in der ebenfalls zwi-
schen Forschung und Lehre differenziert wird.69 Diese Trennung hat
zur Folge, dass viele Hochschulen ausschließlich mit Lehraufgaben
betraut sind, das sie auf Basis des Research Assessment Exercises
68 Vgl. de Boer et al. 2010a 69 Vgl. Leitner, K., Leo, H., Nones, B., Streicher, G. (2007), Finanzierungsstruktur von Universitäten. Internationale Erfah-
rungen zum Verhältnis zwischen Basisfinanzierung und kompetitiver Forschungsfinanzierung, Wien.
186
(RAE) keinen Zugang zu Basismitteln für die Forschung haben. Die
Grundfinanzierung der Forschung dient vor allem der Sicherstellung
von Forschungsinfrastruktur70. Finanziert werden insbesondere Ge-
hälter des (fix) angestellten wissenschaftlichen Personals, Räum-
lichkeiten, Bibliotheken und zentrale EDV-Kosten.
11.3.5 Niederlande
Das niederländische Hochschulsystem umfasst grundsätzlich zwei
Arten von Hochschulen71:
Universitäten und
Hogescholen (Höhere Berufsbildung)
Das duale Universitätssystem, bestehend aus höherer Berufsbil-
dung (hoger beroepsonderwijs oder HBO) und universitärer Bildung
(wetenschappelijk onderwijs oder WO) setzt sich aus 41
Hogescholen und 14 öffentlichen Universitäten zusammen.
Die 14 öffentlichen Forschungsuniversitäten kombinieren die unab-
hängige, wissenschaftliche Forschung und die forschungsbasierte
Lehre 72. Die Universitäten unterscheiden sich in ihrer Größe (zwi-
schen 6.000 und 30.000 Studierenden) und ihrer thematischen Aus-
richtung. Es gibt drei technische Universitäten (in Delft, Eindhoven
und Twente) und die Wageningen University, die sich auf Lebens-
und Naturwissenschaften konzentriert. Die verbleibenden neun Uni-
versitäten haben eine allgemeine Ausrichtung.
Die Open Universiteit in the Netherlands, die 14. niederländische
Universität, stellt eine Fernuniversität mit Fokus auf Angeboten für
lebenslanges Lernen auf Hochschulniveau dar. Hinzu kommen noch
weitere acht Medizinzentren (UMCs).73
Universitäten in den Niederlanden erhalten ihre Basisfinanzierung
vom Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft (Ministry of
Education, Culture and Science – OCW), ausgenommen ist hier die
Universität Wageningen. Aufgrund ihrer Ausrichtung bezieht sie ihre
Basisfinanzierung (first flow funds) vom Ministerium für Wirtschaft,
Landwirtschaft und Innovation (Ministry of Economic Affairs,
Agriculture and Innovation – EL&I).74
Die Forschungsagenden von Hogescholen umfassen großteils an-
wendungsorientierte Forschung und Entwicklung, während Universi-
70 Ebd. 71 Jongbloed 2010 72 Niederl, A. und M. Ploder (2009), Internationale Rahmenbedingungen und Entwicklungen, Kurzinput zum Hochschul-
entwicklungsplan Österreich, Version 2, Graz. 73 Niederl et al. 2011 74 Dutch Ministry of Education, Culture and Science, 2012
187
täten das gesamte Spektrum an F&E-Arten abdecken. Die F&E an
Hogescholen soll einerseits für die direkte Anwendung in der Wirt-
schaft geeignet sein und andererseits zum Wissens- und Technolo-
gietransfer beitragen75. Zusätzlich zu den Universitäten und
Hogescholen gibt es in den Niederlanden auch private Hochschu-
len.
Das in den Niederlanden zurzeit geltende Hochschulsystem wurde
ab den 1980 Jahren – und damit deutlich früher als in den meisten
anderen europäischen Ländern – umfangreichen Reformen unter-
zogen. Diese frühen Reformen werden als wesentlich für die gute
Position des niederländischen Universitätssektors im internationalen
Vergleich angesehen.
Universitäten und Hogescholen weisen heute einen sehr hohen
Grad an Autonomie auf. Sie können frei über die Einstellung von re-
gulären Vollzeitanstellungen von leitenden wissenschaftlichen Mit-
arbeitern/-innen, über die Gehälter ihrer Mitarbeiter/-innen, über
Geldaufnahmen am Kapitalmarkt, über die Bildung von Rücklagen,
die Übernahmen von unverbrauchten finanziellen Mitteln vom einem
Jahr zum anderen sowie darüber entscheiden, wofür sie ihre von
der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Zuwendungen aus-
geben und künftige Kategorien von Drittmittelfinanzierungsquellen
(private Mittel) schaffen. Forschung an Universitäten wird zuneh-
mend in eigens dafür geschaffenen Strukturen durchgeführt (re-
search schools, graduate schools, focus areas etc.)76.
Forschungsfinanzierung
Die Niederlande weisen ein relativ komplexes Governance-System
im Bereich der Forschungspolitik auf, da seit dem Jahr 2006 jedes
Ministerium im Besitz einer untergeordneten Einheit, einer so ge-
nannten „knowledge chamber“, ist, die sich mit der Ausformulierung
von Themen für Wissensgenerierung beschäftigt („policy for
knowledge” and „knowledge for policy“). Die F&E-Mittel, die die Mi-
nisterien und ihre Räte (knowledge chambers) zur direkten Verfü-
gung haben, fallen jedoch abgesehen vom Ministerium für Unter-
richt, Kultur und Wissenschaft (OCW) und zu einem etwas geringe-
ren Anteil dem Ministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten (EZ)
relativ niedrig aus. Die beiden letztgenannten Ministerien sind auch
die zentralen Akteure im Bereich der niederländischen Forschungs-
politik, die anderen Ministerien konzentrieren sich bei F&E-
Aktivitäten nicht auf generische F&E-Politik, sondern auf F&E und
Innovation innerhalb ihres spezifischen Politikbereiches.
75 Niederl, A. und M. Ploder (2009), Internationale Rahmenbedingungen und Entwicklungen, Kurzinput zum Hochschul-
entwicklungsplan Österreich, Version 2, Graz. 76 Van Steen, J. (2011), The Science System in the Netherlands. An Organisational Overview, Ministry of Education, Cul-
ture and Science, Research and Science Policy Department.
188
Das niederländische Forschungssystem verfügt über eine Reihe
von Forschungsakteuren und umfasst 14 Universitäten, 18 KNAW-
Institute (unter der Königlichen Niederländischen Akademie der
Wissenschaften), 9 NWO-Institute (unter der Niederländischen Or-
ganisation für Wissenschaftliche Forschung), 5 große Technologie-
institute (Large Technological Institutes – LTIs), die in den Berei-
fahrt und Hydraulik forschen und entwickeln, die Niederländische
Organisation für Angewandte Forschung (TNO) ist eine der größten
niederländischen Forschungseinrichtungen mit fünf Schwerpunkten,
landwirtschaftliche Forschungsinstitute der DLO Foundation, staatli-
che Forschungs- und Kompetenzzentren sowie andere Institute in
den Bereichen Gesundheit und Sozialwissenschaften.77 Hinsichtlich
der Forschungsaufwendungen sind dennoch die Universitäten die
wichtigsten Forschungsakteure. Sie übernehmen mit 40,8% den
größeren Anteil der gesamten Forschungsaufwendungen im Ver-
gleich zu den öffentlichen Forschungseinrichtungen mit 11,9%
(2010).
Die Finanzierung der niederländischen Universitäten und
Hogescholen ist dreigliedrig und erfolgt primär mit öffentlichen Mit-
teln anhand von unterschiedlichen Finanzierungsströmen.
Das Finanzierungsmodell der Universitäten basiert auf drei Säulen
(Finanzierungsströmen = funding flows). Die erste Säule (auch als
„first flow“ bezeichnet) besteht aus der Basisfinanzierung in Form
eines Globalbudgets durch das Ministerium für Bildung, Kultur und
Wissenschaft (OCW). Die zweite Säule („second flow“) besteht aus
Projekt- und Programmförderung durch Forschungsförderungsagen-
turen (primär zur Einstellung von Forscher/-innen bzw. Academy
Professors78. Mit der dritten Finanzierungssäule werden nationale
und internationale Auftragsprojekte durch öffentliche und private
Organisationen, aber auch internationale, öffentliche Subventionen
zusammengefasst79.
Für die Niederlande ergibt sich folgende Zusammensetzung des
Gesamtbudgets der Universitäten80:
Globalbudget („first flow“): 60% (inklusive ca. 6% Studienge-
bühren)
Forschungsförderungsfonds („second flow“): 10%
77 Deuten 2009
78 Van Steen, J. (2011), The Science System in the Netherlands. An Organisational Overview, Ministry of Education, Cul-
ture and Science, Research and Science Policy Department. 79 Ebd. 80 Jongbloed, B. (2010), Governance and Funding Reform in the European Higher Education Area: National system analy-
ses The Netherlands, in: H. De Boer, B. Jongbloed, J. Enders and J. File (Hrsg.): Progress in higher education reform
across Europe. Governance and funding reform. Volume 2: Methodology, performance data, literature survey, national
system analyses and case studies, Brussels, 2010
189
marktorientierte Aktivitäten („third flow“): 30%
Für die Hogescholen wird ein harmonisiertes System gemeinsam
mit den Universitäten eingeführt werden, zumindest was die Lehr-
komponente der Basisfinanzierung betrifft (Hogescholen erhalten
keine Basismittel für die Forschung). Bis heute beziehen
Hogescholen ihre finanziellen Mittel aufgeschlüsselt nach einer
Formel: Diese bezieht sich auf die Anzahl der Studierenden, die An-
zahl der Studienabschlüsse (nur Bachelor), die Anzahl an Studien-
abbrechern/-innen und die Studiendauer der Studierenden. Das Fi-
nanzierungssystem ist demzufolge leistungsorientiert, besonders
was den Anteil an Absolventen/-innen betrifft81.
11.3.6 Schweden
Das schwedische Hochschulsystem unterscheidet zwischen Univer-
sitäten und Högskala (Hochschulen, public university colleges). Es
umfasst
14 staatliche Universitäten,
24 staatliche Hochschulen,
drei „unabhängigen Institutionen“ (Chalmers University of Tech-
nology in Gothenburg, Stockholm School of Economics and
Jönköping University Foundation), und
zehn „unabhängige Programmanbieter“,
die alle das Recht haben untergraduierte Studienabschlüsse anzu-
bieten82. So steht es seit dem 1. Januar 2010 allen unabhängigen
Institutionen im Bereich der Hochschulbildung offen, sich um die
Akkreditierung zur Verleihung von Forschungsgraden zu bewerben.
Die Bewerbungen werden vom Schwedischen Zentralamt für Höhe-
re Bildung geprüft. Postgraduale Ausbildung kann an allen Universi-
täten und ausgewählten Högskala und den unabhängigen Institutio-
nen angeboten werden.
In Schweden sind das Parlament (Riksdag) und die Regierung für
die Hochschulbildung und die Forschung zuständig, was auch be-
deutet, dass sie die Entscheidungen im Hinblick auf Ziele, Richtli-
nien und Mittelverwendung treffen. Bildung und Forschung fallen
entsprechend in den Aufgabenbereich des Ministeriums für Bildung
und Forschung. Das Schwedische Zentralamt für Höhere Bildung
(Swedish National Agency for Higher Education) war bisher die
wichtigste staatliche Stelle für Hochschulbildungsangelegenheiten.
81 De Boer, H., Jongbloed, B., Enders, J., File, J. (2010), Progress in higher education reform across Europe. Governance
and funding reform. Volume 2: Methodology, performance data, literature survey, national system analyses and case
studies, Brussels. 82 Swedish National Agency for Higher Education (2012), Swedish Universities and University Colleges: Short Version of
Annual Report 2012.
190
Seine Agenden werden seit 1.1.2013 vom Swedish Council for
Higher Education und der Swedish Higher Education Authority
weitergeführt.
Auch wenn diese beiden Einrichtungen eine zentrale Rolle in Hoch-
schulbildungsangelegenheiten übernehmen, sind Hochschuleinrich-
tungen regierungsunabhängige Institutionen und entscheiden selbst
über die Inhalte ihrer Lehrveranstaltungen, die Zulassungen, die
Verwendung finanzieller Mittel83 sowie administrativer Angelegen-
heiten. Seit dem 1. Januar 2010 steht es allen unabhängigen Institu-
tionen im Bereich der Hochschulbildung offen, sich um die Akkredi-
tierung zur Verleihung von Forschungsgraden zu bewerben. Die
Bewerbungen werden vom Schwedischen Zentralamt für Höhere
Bildung geprüft.
Die jüngste Reform, in Kraft getreten am 1. Januar 2011, gesteht
den Hochschuleinrichtungen größere Autonomie zu, um sie beson-
ders gut für den intensiven internationalen Wettbewerb zu rüsten.
So werden unter anderem die Rechte der Hochschuleinrichtungen
gestärkt, ihre internen Strukturen selbst festzulegen.
Die jüngste Veränderung im schwedischen Hochschulsystem betrifft
die Auflösung der Swedish National Agency for Higher Education
(Högskoleverket), des International Program Office for Education
and Training (Internationella programkontoret) und der Swedish
Agency for Higher Education Services (VHS) mit 31. Dezember
2012. Ihre Agenden wurden ab 1. Januar 2013 von zwei neuen Or-
ganisationen übernommen: von der Swedish Higher Education Au-
thority (Universitetskanslersämbetet) und dem Swedish Council for
Higher Education (Universitets- och högskolerådet).
Forschungsfinanzierung
In Schweden sind die Hauptakteure der Forschung die Universitä-
ten. In Bezug auf die F&E-Ausgaben sind die Universitäten an den
gesamten Forschungsausgaben nach den Unternehmen (70%), für
den Hauptanteil der F&E-Ausgaben (25%) verantwortlich. Der Anteil
an Forschungsaufwendungen an den gesamten Aufwendungen bei
öffentlichen Forschungseinrichtungen betrug im Jahr 2009 4%.
Der Anteil der staatlichen Zuschüsse am Gesamtbudget der schwe-
dischen Universitäten beträgt 75%. Die Forschungslandschaft rund
um die außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist groß und
gestaltet sich darüber hinaus relativ heterogen. Es gibt in der For-
schungslandschaft eine Reihe von staatlich-kofinanzierten
Agencies, wie das Swedish Defence Research Agency (FOI), das
Swedish Institute for Infectious Disease Control (SMI), die Swedish
83 Ebd.
191
Radiation Protection Authority (SSI) und das Swedish
Meteorological and Hydrological Institute (SMHI). Weiters umfasst
das schwedische Forschungssystem NGOs, die ebenfalls den
Großteil ihrer Finanzierung vom schwedischen Staat erhalten. Die
homogenste Subgruppe im schwedischen Forschungssystem stel-
len wahrscheinlich die Forschungseinrichtungen, definiert als „Re-
search and Technology Organisations“, dar, wobei es auch hier Un-
terschiede in der staatlichen Finanzierung gibt.
Gemäß dem, seit kurzem eingeführten Budget Bill 2013, soll direkte
Finanzierung für Forschung an Universitäten und Colleges im Jahr
2014 um 600 Mio. SEK und mit 2016 mit zusätzlichen 300 Mio. SEK
versehen werden. Staatlich finanzierte „Bottom-up“/„free funding“-
Projekte an Universitäten und Colleges werden entweder direkt
durch den Staat oder durch eine der drei Research Councils
(Swedish Research Council (VR), Swedish Research Council for
Environment, Agricultural Sciences and Spatial Planning (Formas),
Swedish Council for Working Life and Social Research (FAS), aus-
gezahlt.
11.3.7 Schweiz
Die Schweizer Hochschullandschaft besteht aus drei Hochschulty-
pen: Universitäre Hochschulen, Fachhochschulen und Pädagogi-
sche Hochschulen.
Das Schweizer Universitätssystem besteht aus
zwei Eidgenössischen Technischen Hochschulen und 10 kanto-
nalen Universitäten,
neun Fachhochschulen,
14 Pädagogischen Hochschulen,
sowie Universitätsinstitutionen, die der Bund unterstützt. Dazu
gehören vor allem das „Institut universitaire des hautes études
internationales et du développement (IHEID)“ in Genf, das „Insti-
tut de hautes études en administration publique (IDHEAP)“ in
Lausanne, das „Institut Universitaire Kurt Bösch (IUKB)“ in Sion
und die „Stiftung Universitäre Fernstudien Schweiz“ in Brig.
In Abgrenzung zum Fachhochschulsektor sind unter dem Begriff
„universitäre Hochschulen“ die ETH Zürich und die EPFL Lausanne
als Eidgenössische Technische Hochschulen und die zehn kantona-
len Universitäten zusammengefasst. Zu den zehn kantonalen Uni-
versitäten zählen dabei: die Universität Basel, die Universität Bern,
die Universität Freiburg / Université de Fribourg, die Université de
Genève, die Université de Lausanne, die Universität Luzern, die
Université de Neuchâtel, die Universität Zürich, die Universität St.
Gallen und die Università della Svizzera italiana.
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Gerade die ETHs verfügen auch im internationalen Vergleich über
höchstes Renommee als Spitzenuniversitäten. Die Schweiz zeich-
net sich, als eine der führenden Wissenschaftsnationen weltweit,
insgesamt durch eine absolute Spitzenposition beim Forschungs-
output (pro Einwohner/-in) aus84.
Was die Historie des Schweizerischen Hochschulsystems betrifft, so
ist dieses föderalistische duale System gewachsen und zeichnet
sich heute anhand einiger Besonderheiten wie folgt aus: (1) Bund
und Kantone hatten bzw. haben stets unterschiedliche Verantwort-
lichkeiten und Zuständigkeiten über; (2) die zwei universitären
Hochschulbereiche (ETH / kantonale Universitäten) werden daher
auch von unterschiedlichen Trägern geführt und finanziert; (3) der
ETH-Bereich hat stets einen Sonderstatus eingenommen; (4) die
zehn kantonalen Universitäten sowie die zahlreichen universitären
Institutionen sind meist regional verankert sowie (5) auf kantonaler
Ebene gilt die interkantonale Finanzierungs- und Freizügigkeitsver-
einbarung für die Universitäten (IUV); d.h. Studierende der Verein-
barungskantone werden zu den gleichen Bedingungen aufgenom-
men wie die eigenen; im Gegenzug verpflichten sich die Herkunfts-
kantone, den Standortkantonen einen bestimmten Beitrag pro Stu-
dierenden zu entrichten85.
Können die genannten Vorteile durchaus als Stärken des Schweize-
rischen Hochschulsystems gewertet werden, so ist es gerade Punkt
(1), welcher in den letzten Jahren zu vermehrter Kritik geführt hat. In
Folge dessen haben sich Bund und Kantone geeinigt, in Zukunft die
Steuerung des Schweizerischen Hochschulraums gemeinsam stär-
ker wahrzunehmen. Im Zuge dessen wurde mit September 2011
von den eidgenössischen Räten das Bundesgesetz über die Förde-
rung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen
Hochschulbereich (Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz,
HFKG) verabschiedet. Die darin enthaltenen neuen Koordinations-
und Fördergrundlagen sollen jedoch nur für die kantonalen Universi-
täten gelten; von der Reform unberührt bleibt der ETH-Bereich86.
Forschungsfinanzierung
Das Schweizerische Forschungssystem ist durchaus komplex, was
nicht zuletzt darin zu begründen ist, dass in der Agenda Bildung und
damit auch in der Forschungspolitik der Bund und die Kantone seit
jeher stets unterschiedliche Verantwortungen und Zuständigkeiten
übernommen haben. Heute spricht man von einem historisch ge-
wachsenen dualen System, das nicht zuletzt dazu geführt hat, dass
84 Niederl, A., Breitfuss, M., Ecker B., Leitner K.H. (2011), Modelle der universitären Forschungsfinanzierung: Ausgewählte
Internationale Erfahrungen. Im Auftrag vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Graz. 85 Niederl, A., Breitfuss, M., Ecker B., Leitner K.H. (2011), Modelle der universitären Forschungsfinanzierung: Ausgewählte
Internationale Erfahrungen. Im Auftrag vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Graz. 86 Ebd.
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Agenden der Bildungs- und Forschungspolitik immer wieder Gegen-
stand politischer Auseinandersetzungen waren bzw. sind.
Abgesehen von den zentralen zukünftigen Veränderungen (wie z.B.
die Schaffung eines gemeinsamen hochschulpolitischen Organs),
welche das HFKG mit sich bringt, umfasst das Schweizerische For-
schungssystem heute folgende relevante öffentliche Forschungsein-