Stellen Sie sich folgende Situation vor: EinKunde benötigt
Ersatzteile für eine defekteMaschine. Bis das korrekte Teil
gefundenist, braucht es drei Ansprechpartner undwiederholte
Kontaktaufnahme, die Liefe-rung dauert fünf Tage länger als in der
Auf-tragsbestätigung versprochen und beimversuchten Einbau in die
Maschine fälltauf, dass das falsche Teil geliefert wurde.Und das
alles, obwohl der Hersteller seinehohen Preise für die
Originalteile mit „ex-zellentem Service“ rechtfertigt. Würden
Sieals Kunde wieder bei diesem Herstellerkaufen? Wohl kaum.
Eine vergleichbare Situation ist – un-abhängig von der Branche –
sicherlich invielen Unternehmen vorstellbar. UnsereErfahrung hat
gezeigt, dass die Leistung anden relevanten Kontaktpunkten für
denKunden häufig nicht beachtet wird. Dabeikann die systematische
Messung wichtigerIndikatoren als Ausgangspunkt für
diekontinuierliche Optimierung der Prozess-qualität dienen. Dies
geschieht nicht nurauf Basis von intern errechneten Kennzah-len,
sondern anhand von direktem Kun-
enn Kunden zufrie-den sind, stellt das ei-nen
Wettbewerbs-vorteil dar. Abhängigist dies von deren Er-fahrungen an
relevan-
ten Kontaktpunkten, den sogenanntenMomenten der Wahrheit. Die
Leistung ei-nes Unternehmens an diesen Kontakt-punkten sollte daher
konsequent und ge-zielt gesteuert sowie regelmäßig überprüftwerden,
und zwar durch fallbasierte Zu-friedenheitsmessung und nicht durch
pe-riodische Einmalmessung. Diese Meinungvertritt Markus Pfeifer,
Partner bei Hom-burg & Partner, und erklärt auch warum.
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planung&analyse 6/201726
wissen&forschung thema
planung&analyse 6/2017 27
denfeedback, welches durch fallbasierteZufriedenheitsbefragung,
sogenanntes In-cident-Based-Satisfaction-Tracking, erho-ben
wurde.
Unternehmenserfolg durch Kundenzufriedenheit steigern
Zufriedene Kunden sind ein entscheiden-der Einflussfaktor für
den zukünftigen Un-ternehmenserfolg. Zahlreiche empirischeStudien
von uns haben dies belegt. Dem-zufolge sind Unternehmen, die
Kunden-zufriedenheit als strategische Ausrichtungbegreifen, auf
Dauer erfolgreicher. Dasliegt vor allem daran, dass zufriedene
Kun-den auch loyale Kunden sind. Und loyaleKunden unterstützen den
wirtschaftlichenErfolg durch: ● Wiederholungs-, Mehr- und
Zusatz-käufe: Zufriedene Kunden erwerben mithöherer
Wahrscheinlichkeit auch andereProdukte eines Unternehmens.●
Positive Mund-zu-Mund-Propaganda:Zufriedene Kunden haben eine
positiveWirkung auf Image und Bekanntheitsgraddes Unternehmens.●
Toleranz gegenüber Qualitätsschwan-kungen: Zufriedene Kunden sind
eher be-reit, Qualitätsschwankungen zu akzeptie-ren.● Höhere
Preisbereitschaft: ZufriedeneKunden besitzen eine höhere
Preisbereit-schaft als unzufriedene Kunden.
Besonders relevant für den Markterfolgim B2B-Umfeld ist dabei
der Zusammen-hang zwischen Kundenzufriedenheit undWiederholungs-
oder Zusatzkäufen. Zu-friedene Kunden sehen wenig Anlass, beiNeu-
oder Erweiterungsinvestitionen denLieferanten zu wechseln und damit
unnö-tige Risiken einzugehen. Kundenzufrie-denheit und
Kundenbindung sind alsokein Selbstzweck, sondern eine
Vorausset-
zung für die Steigerung des Unterneh-menserfolgs in Form von
steigendem Um-satz und Ertrag sowie erhöhter Profitabili-tät.
Allerdings sind die Wirkungszusam-menhänge zwischen den
dargestelltenElementen entgegen der Erwartung nicht-linear und
asymmetrisch. Ressourcen zurSteigerung von Kundenzufriedenheit
soll-ten vor diesem Hintergrund sehr gezielteingesetzt werden, um
eine optimale Wir-kung auf die Kundenbindung zu erzielen.Eine
besonders positive Wirkung wird bei-spielsweise bei Kunden mit
niedriger Zu-friedenheit in der Abwanderungszone er-zielt. Bei
diesen Kunden muss ein Wechselzum Wettbewerb verhindert werden.
Auf die entscheidenden Kontaktpunkte konzentrieren
Zufriedenheit oder Unzufriedenheit einesKunden mit einem
Lieferanten oderDienstleister entsteht aus dem Vergleichzwischen
der Erwartung und der wahrge-nommenen Leistung. Sind diese im
Ein-
klang, so resultiert daraus noch kein po-sitiver Effekt auf die
Kundenzufriedenheit.Erst bei einer positiven Abweichung
wirdZufriedenheit, beziehungsweise bei negati-ver Abweichung
Unzufriedenheit, erzeugt.
Die Leistungswahrnehmung resultiertaus den Erlebnissen an den
Kontaktpunk-ten mit dem Lieferanten oder
Dienstleister.Kontaktpunkte sind dabei Ereignisse imVerlauf einer
Kundenbeziehung, die eineInteraktion erforderlich machen, wie
zumBeispiel die Lieferung und Inbetriebnahmeeiner neuen Maschine,
die Bestellung vonErsatzteilen oder die Buchung eines
Ser-vicetechnikers.
Während das Produkterlebnis in derRegel innerhalb einer
Produktgenerationkonstant ist und meist nur in längeren Zy-klen –
nämlich mit der Modernisierungoder der Einführung eines neuen
Modells– beeinflusst werden kann, hat die Zufrie-denheit mit
Kontaktpunkten hauptsäch-lich mit Prozessqualität zu tun. Diese
kanndurch kontinuierliche Messung undSteuerung aktiv gemanagt und
auch kurz-
Phasen der Kundenzufriedenheit
Quelle: Homburg & Partner planung&analyse 6/2017
Kundenzu-friedenheit
Bin
du
ng
Zufriedenheit
Abwanderungszone Zufriedenheitszone Vertrauenszone
Sättigungszone
Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg
Quelle: Homburg & Partner planung&analyse 6/2017
Produkt-qualität
Kundenzu-friedenheit
Kunden-bindung
Unterneh-menserfolg
Auf die entscheidenden Kontaktpunkte konzentrieren
Quelle: Homburg & Partner planung&analyse 6/2017
Kundenzu-friedenheit
Leistungserwartung
•individuelles Anspruchsniveau•Image des
Anbieters•Leistungsversprechen des Anbieters•Wissen um
Alternativen
Leistungswahrnehmung
•Aktuelle Erfahrungen•Subjektive Wahrnehmung•Individuelle
Problemlösung
Ja – negativ
Unzufriedenheit ZufriedenheitIndifferenz
Nein
Vergleich
Ja – positiv
Erhebliche Abweichung
planung&analyse 6/201728
wissen&forschung thema
fristig beeinflusst werden.Messung und Steuerung gehenhierbei
Hand in Hand, dennnur was gemessen werdenkann, lässt sich auch
steuern.Genau an dieser Stelle setzenfallbasierte
Zufriedenheits-messungen an.
Im Gegensatz zu periodi-schen Zufriedenheitsmessun-gen, die in
größeren Zeitab-ständen Zufriedenheit messen,konzentrieren sich
fallbasierteZufriedenheitsmessungen aufdie zeitnahe Messung von
Zu-friedenheit an ausgewähltenKontaktpunkten.
FallbasierteZufriedenheitsmessung kannsomit dazu beitragen, die
Leis-tung eines Unternehmens anden relevanten Stellen
konti-nuierlich zu beobachten undso zu steuern, dass
exzellenteLeistung erreicht wird. Zur erfolgreichenImplementierung
von fallbasierter Zufrie-denheitsmessung empfiehlt sich ein
Vor-gehen in sieben Schritten:
Schritt 1: Zielsetzung festlegen. Die Ziel-setzung für die
Zufriedenheitsmessungsollte aus der Unternehmensstrategie
abge-leitet werden. Hier ist der grundsätzlicheStellenwert von
Kundenzufriedenheit,auch gegenüber konkurrierenden
Unter-nehmenszielen, zu klären. Ist Kundenzu-friedenheit in den
strategischen Unterneh-menszielen verankert, ergeben sich
Kon-sequenzen für den Umfang der Zufrieden-heitsmessung und den
Umgang mit denErgebnissen.
Schritt 2: Relevante Kontaktpunkteidentifizieren. Der Einfluss
einzelner Kon-taktpunkte auf die Kundenzu-friedenheit ist in der
Regel sehrunterschiedlich. Begrenzte Res-sourcen machen die
Kontrollesämtlicher Kontaktpunktemeist unmöglich. Empfohlenwird
daher die Konzentrationauf Kontaktpunkte mit demhöchsten Einfluss
auf die Kun-denzufriedenheit, die soge-nannten Momente der
Wahr-heit. Bestimmen kann man sieentweder quantitativ,
durchmultivariate Verfahren, die denEinfluss einzelner
Kontakt-punkte auf die Gesamtzufrie-denheit errechnen. Oder
aberqualitativ, indem man durchMitarbeiter oder Kunden dieBedeutung
jedes Kontaktpunk-
tes für die Kundenbeziehungmithilfe einer Punkte-Skalabewerten
lässt. Die Nutzungmultivariater Verfahren solltenach unserer
Meinung bevor-zugt werden. Dafür wird eineperiodische, aber
möglichstganzheitliche Zufriedenheits-befragung unter
Berücksichti-gung unterschiedlichsterKontaktpunkte durchgeführt.Auf
Basis der generierten Da-tenbasis wird beispielsweisedurch eine
Regressionsanaly-se der Einfluss einzelner Kon-taktpunkte auf die
Gesamtzu-friedenheit bestimmt.
Schritt 3: Erhebungsmetho-de und Befragungsumfangbestimmen. Im
nächstenSchritt ist zu entscheiden, zuwelchem Zeitpunkt und in
welcher Form die Erhebung erfolgen soll.Entweder erfolgt die
Befragung direkt imAnschluss an ein Ereignis, etwa nach erfolg-ter
telefonischer Bestellaufnahme, eine Be-wertung des
Bestellprozesses. Oder die Er-hebung wird mit zeitlichem Abstand,
einbis zehn Tage nach Kontakt durchgeführt.In der
Investitionsgüterindustrie zum Bei-spiel kommt für die meisten
relevantenKontaktpunkte eher eine nachgelagerte Be-trachtung
infrage. Die Erhebung kann tele-fonisch oder online erfolgen.
Aufgrund derbesseren Automatisierbarkeit der Prozesseund dem damit
verbundenen niedrigerenAufwand sollte unseres Erachtens die
On-line-Befragung verstärkt in Betracht gezo-gen werden. Am Markt
stehen zahlreicheSoftware-Lösungen zur Verfügung, die fall-basierte
Kundenzufriedenheitsmessungenunterstützen. Bei der Auswahl sollte
darauf
geachtet werden, dass die in-dividuellen Use Cases
desUnternehmens ideal unter-stützt werden und die Soft-ware zu
überschaubaremAufwand auf die unterneh-mensspezifischen
Prozesseadaptierbar ist.
Schritt 4: Trigger bestim-men. Hier geht es darum, dieAuslöser
oder Trigger zu be-stimmen, die eine Befragungveranlassen. Hierbei
ist da-rauf zu achten, dass die Be-fragung erst dann erfolgt,wenn
der zu bewertende Pro-zess vollständig abgeschlos-sen ist und
beurteilt werdenkann.
Schritt 5: Prozesse testen und automati-sieren. Die Prozesse zur
Durchführung derBefragung sollten vor dem Feldstart getes-tet und
optimiert werden. Hierbei sollteauf eine möglichst hohe
Automatisierunggeachtet werden, um manuellen Aufwandzu reduzieren,
die Prozessstabilität zu stei-gern und damit die Fehleranfälligkeit
zureduzieren.
Schritt 6: Daten auswerten und Ergeb-nisse kommunizieren. Die
erhobenen Da-ten sollten zeitnah ausgewertet und die Er-gebnisse in
leicht interpretierbarer Formdargestellt werden. Dies erlaubt eine
schnel-le Reaktion und im Falle von Unzufrie-denheit das Einleiten
geeigneter Maßnah-men. Außerdem sollten die Informationenim
Unternehmen so gestreut und der Um-gang mit diesen durch Prozesse
geregelt wer-den, dass ein maximaler Nutzen aus demdirekten
Kundenfeedback gezogen werdenkann. Befragung und Reporting sollten
je-doch nicht nur die Unzufriedenheit feststel-len, sondern auch
die Ursachen in ausrei-chender Detailtiefe ermitteln.
Schritt 7: Maßnahmen ableiten. Maßnah-men können sowohl per
Einzelfall, also be-zogen auf einen einzelnen Kunden, als auchim
Rahmen eines Kontinuierlichen Verbes-serungsprozesses (KVP)
erfolgen. Wäh-rend die einzelfallbasierte Betrachtung da-rauf
zielt, die Unzufriedenheit einzelnerKunden gezielt zu beheben und
damit etwaden Verlust des Kunden an den Wettbe-werb zu verhindern,
dienen die Maßnah-men im KVP zur grundsätzlichen Opti-mierung eines
Kontaktpunktes durch dieVeränderung von Abläufen. Solche
pro-zessbezogenen Maßnahmen wirken ehermittel- bis langfristig.
Kundenzufriedenheitals Steuerungsinstrument
Aus der kontinuierlichen Messung vonKundenzufriedenheit ergibt
sich ein wirk-sames Führungs- und Steuerungsinstru-ment für
Unternehmen. Aus zahlreichenProjektbeispielen wissen wir, dass
alleindas Vorhandensein einer
kontinuierlichenZufriedenheitsbefragung einen messbarenEinfluss auf
die wahrgenommene Bedeu-tung des Themas unter den Mitarbeiternund
deren tägliches Verhalten hat. Unter-nehmen, die sich höchste
Kundenorientie-rung zum Ziel setzen, erreichen das nichtohne
entsprechende Steuerungsinstrumen-te. Kundenzufriedenheitsmessung
kann so-mit Taktgeber für kontinuierliche Verbes-serung und
Instrument für die marktorien-tierte Unternehmensführung sein.
Markus Pfeifer ist Partnerbei Homburg & Partner,einer
international tätigenManagementberatung fürMarket Strategy, Sales
&Pricing. Der Fokus seinerArbeit liegt dabei auf denThemen
Marktstrategie,Vertriebs- und Preis-strategien,
Organisations-entwicklung, After-SalesService Strategien
sowieMarket & CustomerInsights.
[email protected]
DerAutor
Homburg, C.; Becker,A.; Hentschel, F. (2008):Der
Zusammenhangzwischen Kunden-zufriedenheit undKundenbindung,
in:Bruhn, M./ Homburg,C. (Hrsg.): HandbuchKundenbindungs-management
—Strategien und Instru-mente für ein erfolg-reiches CRM, 6.
Aufl.,Wiesbaden 2008, S. 103-134.
Hermann, A.; Huber, F.;Braunstein, C. (2000)in: Die
Betriebswirt-schaft, Vol. 60, Heft 3, S. 293-313
Literatur
PAXX_6_2017_026_23-11-2017-113303PAXX_6_2017_027_23-11-2017-113308PAXX_6_2017_028_23-11-2017-113312