HSH Nordbank AG Wirtschaftsfaktor Fußball Globale Entwicklungen und die regionalwirtschaftlichen Potenziale des HSV. Studie im Auftrag der HSH Nordbank AG Dr. Henning Vöpel, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) Max Steinhardt, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI)
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WirtschaftsfaktorFußball - HWWI€¦ · Reales Pro-Kopf-Einkommen in Chin a in tausend U S-Dollar 1 0 2 3 6 5 4 2000 2006 2020 Quelle: Weltbank (2008), Prognose des HWWI HSH Nordbank
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HSH Nordbank AG
Wirtschaftsfaktor FußballGlobale Entwicklungen und die regionalwirtschaftlichen Potenziale des HSV.
Studie im Auftrag der HSH Nordbank AG
Dr. Henning Vöpel, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI)
Max Steinhardt, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI)
Inhalt I 3
Inhalt
4 I 1. Einleitung
5 I 2. Die Globalisierung des Fußballs
5 I 2.1 Die weltweite Verbreitung des Fußballs
7 I 2.2 Neue Wachstumsmärkte
14 I 3. Wachstumsbranche Bundesliga
14 I 3.1 Business Fußball: Märkte, Strategien und Akteure
31 I 3.2 Die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesliga
33 I 3.3 Die Bundesliga im internationalen Vergleich
36 I 3.4 Chancen und Perspektiven für die Bundesliga
38 I 4. Der HSV im Norden
38 I 4.1 Die „Raute im Herzen“: Die Erfolgsstory eines Dinos
40 I 4.2 Regionalwirtschaftliche Effekte des HSV
44 I 4.3 Neue Märkte und wirtschaftliche Potenziale
51 I 4.4 Fazit
53 I 5. Literaturverzeichnis
4 I Wirtschaftsfaktor Fußball
1. Einleitung
Was ist Fußball? Die schönste und zugleich wichtigste Nebensache der Welt. Mehr noch:
Leidenschaft, Identifikation und Lebensphilosophie. „Der Ball ist rund“ – wie die Welt. „Und das
Spiel dauert neunzig Minuten“ – so viele Minuten wie das Leben Jahre hat. Fußball als indivi-
duelles Erlebnis ist Sinnbild des Lebens. Fußball als gesellschaftliche Massenbewegung war und
ist immer auch Teil der Kultur- und Sozialgeschichte. Fußball ist ein alltäglich wiederkehrendes,
leidenschaftlich diskutiertes Thema, ob am Arbeitsplatz, in den Kneipen, den Medien oder überall
sonst, wo Menschen sich treffen und unterhalten, ob über umstrittene Schiedsrichterentschei-
dungen, spektakuläre Tore, triumphale Siege und tragische Niederlagen oder alles sonst, was die
Gemüter in Sachen Fußball bewegt.
Fußball ist heutzutage jedoch weit mehr: ein globales Phänomen mit vielfältigen sozialen und
ökonomischen Dimensionen. Selbst die Europäische Kommission weist auf die wachsende gesell-
schaftliche, integrative und wirtschaftliche Bedeutung des Sports und insbesondere des Fußballs
hin (vgl. Europäische Kommission, Weißbuch des Sports, 2007). Die „Lebenswelt Fußball“ zieht
Menschen über Alters-, Geschlechter-, Einkommens- und Landesgrenzen hinweg in ihren Bann.
Diese Begeisterung, die in Deutschland im Zuge der WM 2006 noch einen weiteren Schub
bekommen hat, bildet die Grundlage für den Fußball als Markt und Geschäft, an dem zahlreiche
Akteure in verschiedener Form partizipieren. So ist Fußball mittlerweile von der schönsten
Nebensache der Welt zu einem komplexen Business geworden. Zuschauer, Spieler, Vereine,
Verbände, Sponsoren, Sportartikelhersteller und Medien beteiligen sich in aktiver oder passiver
Form auf dem Fußballmarkt. Steigende Umsätze auf dem internationalen Transfermarkt, im
Merchandising und Sponsoring ebenso wie in der Medienwirtschaft bei den TV- und Vermark-
tungsrechten sowie steigende Zuschauerzahlen im Fernsehen und in den Stadien dokumentieren
die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs. Die Bundesliga boomt wie nie zuvor.
So ist der Gesamtumsatz der Ersten Bundesliga in der Saison 2006/07 im Vergleich zur Vorsaison
um 13% auf 1,45 Milliarden Euro gestiegen, der Umsatz im gesamten Lizenzfußball sogar um 15%
auf nunmehr 1,75 Milliarden Euro. Zu den Spielen der Bundesliga kommen jede Saison etwa
12 Millionen Zuschauer, über 33 Millionen Menschen in Deutschland sind fußballinteressiert
(vgl. DFL 2008).
Die vorliegende Studie analysiert die ökonomischen Dimensionen des Fußballs und zeigt künftige
Entwicklungen auf. Zunächst wird die weltweite Verbreitung und Entwicklung des Fußballs dar-
gestellt. Anschließend werden die fußballbezogenen Märkte rund um die Bundesliga analysiert.
Es folgen eine Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesliga sowie ein internatio-
naler Vergleich. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Hamburger SV, dessen regionalwirt-
schaftliche Effekte auf Hamburg und Norddeutschland im dritten Kapitel analysiert werden.
Darüber hinaus werden die wirtschaftlichen Potenziale des Hamburger SV aufgezeigt, aus denen
sich neue Absatzmärkte ableiten lassen.
2. Die Globalisierung des Fußballs
2.1 Die weltweite Verbreitung des Fußballs
Fußball ist heute unumstritten und mit wachsendem Abstand die Sportart Nummer Eins in der
Welt. In fast jedem Land und auf allen Kontinenten der Erde wird Fußball gespielt – und der
globale Siegeszug setzt sich fort. Im Jahr 2006 wurden weltweit 265 Mio. aktive Spieler (Vereins-
und Freizeitspieler) registriert; gegenüber dem Jahr 2000 mit 242 Mio. Aktiven bedeutet dies eine
Steigerung von rund 9%. Damit sind 4% der Weltbevölkerung aktiv im Fußball. Von den 265 Mio.
Fußballspielern sind mit 239 Mio. zwar 90% Männer, die Zahl der Fußball spielenden Frauen hat
sich gegenüber dem Jahr 2000 jedoch rasant um 19% auf nunmehr 26 Mio. erhöht. Zwar gibt es
von Land zu Land noch erhebliche Unterschiede, was den Anteil der Aktiven an der Gesamt-
bevölkerung betrifft (vgl. Abbildung 1), jedoch ist der Trend in fast allen Ländern positiv.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 5
Fußballergemessen an der Bevölkerung des Landes
>= 12%>= 10%>= 8%>= 6%>= 4%>= 2%>= 0%
Quelle: FIFA (2008), Darstellung und Berechnungen des HWWI Regiograph HSH Nordbank
Anteil der Fußballspieler in % der Bevölkerung, 2006 Abb. 1
6 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Erwartungsgemäß ist der Anteil der Fußballaktiven an der Gesamtbevölkerung am höchsten in
den traditionellen Fußballländern, in denen der Fußball gesellschaftlich tief verwurzelt ist – in
Europa, Südamerika und teilweise auch in Afrika. Stark aufgeholt hat in den letzten Jahren –
nicht zuletzt auch wegen der wachsenden Begeisterung weiblicher Jugendlicher – Nordamerika.
Auch wenn es der Fußball wegen den weitverbreiteten und stark kommerzialisierten Sportarten
wie American Football, Baseball, Eishockey oder Basketball äußerst schwer hat, sich dort nachhal-
tig zu etablieren. Angesichts der Bemühungen vieler Vereine, den asiatischen Markt insbesondere
für das Merchandising zu erschließen, mag es überraschen, dass dort der Fußball noch nicht sehr
verbreitet ist. Allein die Bevölkerungszahlen und die rasante wirtschaftliche Entwicklung in die-
sen Ländern versprechen jedoch ein großes Potenzial.
Derzeit stellt Asien mit 85 Mio. aktiven Spielern absolut zwar das größte Kontingent (vgl.
Abbildung 2), weist mit einem Anteil von 2,2% an der Gesamtbevölkerung aber nach wie vor
den geringsten Wert unter allen Konföderationen der FIFA auf (vgl. Abbildung 3). Ein weiterer
Entwicklungsschub dürfte von der Fußball-WM der Frauen 2007 in China ausgegangen sein.
Fußballspieler nach FIFA-Konföderationen in Mio. und %, 2006
Afrika 46 17,4%
Ozeanien 0,5 0,2%Asien 85 32,1%
Europa 62 23,4%
Concacaf 43 12,7 %
Südamerika 28 10,6%
Quelle: FIFA (2008) HSH Nordbank
Abb. 2
Fußballspieler in % der Bevölkerung nach FIFA-Konföderationen, 2006
3
2
1
0
4
5
8
7
6
Welt Concacaf Südamerika Ozeanien EuropaAfrikaAsien
Quelle: FIFA (2008) HSH Nordbank
Abb. 3
Wirtschaftsfaktor Fußball I 7
Interessant ist, dass mit China, den USA und Indien drei Nationen an der Spitze der Länder mit
den meisten aktiven Fußballspielern stehen, die aufgrund ihrer Bevölkerungsgröße einen großen
Absatzmarkt darstellen, in denen Fußball aber keine lange Tradition hat wie etwa in Deutschland
und Brasilien, die auf den Plätzen vier und fünf folgen (vgl. Tabelle 1). Deutschland befindet sich
mit Platz zwei auch unter den Top 5 der anteilsstärksten Länder; nur Costa Rica weist einen
höheren Bevölkerungsanteil an aktiven Fußballspielern auf.
Rang Land Spieler Rang Land Spieler in %
in Mio. der Bevölkerung
1 China 26,2 1 Costa Rica 27
2 USA 24,5 2 Deutschland 20
3 Indien 20,6 3 Faröer Inseln 17
4 Deutschland 16,3 4 Guatemala 16
5 Brasilien 13,2 5 Chile 16
Quelle: FIFA 2008
2.2 Neue Wachstumsmärkte
Neue Wachstumsmärkte im Profi-Fußball sind insbesondere solche Märkte, die sich durch eine
zunehmende globale Vernetzung auszeichnen bzw. deren Erschließung für inländische Unterneh-
men und Vereine erst durch die Globalisierung möglich geworden ist. Neue Wachstumsmärkte
können im professionellen Fußball generell in drei Kategorien unterschieden werden: Länder,
Technologie und Gesellschaft. In allen drei Bereichen führt Globalisierung zur Entstehung neuer
Marktpotenziale, die von Akteuren des kommerziellen Fußballs genutzt werden können.
Wie in Abbildung 1 gezeigt, wird Fußball in nahezu allen Ländern der Welt betrieben. Unab-
hängig von kulturellen und historischen Unterschieden fiebern Menschen weltweit mit, wenn der
Ball rollt. Regionale Unterschiede zeigen sich jedoch, wenn es um die Existenz von professionellen
Strukturen und eines Ligabetriebs geht. Während in Europa nahezu jedes Land eine funktionie-
rende Profi-Fußball-Liga besitzt, verfügen weite Teile Asiens und Afrikas über keinen geordneten
Spielbetrieb. Allerdings gibt es diesbezüglich selbst innerhalb Europas große Disparitäten. So
dominieren Italien, England, Spanien, Frankreich und Deutschland mit ihren finanzstarken Ligen
und Vereinen den europäischen Fußball und ziehen weit über die Landesgrenzen die Aufmerk-
samkeit der Menschen und Medien auf sich. Durch die Globalisierung der Märkte sind die
Möglichkeiten für Vereine oder Verbände, sich in anderen Ländern und Kontinenten zu enga-
gieren, sprunghaft gestiegen. Die über lange Zeit gewachsene professionelle Struktur der europäi-
schen Vereine und Verbände ist ein klarer Wettbewerbsvorteil im globalen Wettbewerb, der von
diesen gezielt eingesetzt wird, um sich auf Märkten außerhalb Europas als Marke zu etablieren.
Ein Beispiel aus Vereinssicht für die Internationalisierung der Vermarktungsstrategien sind die
Bemühungen von Real Madrid und dem FC Bayern München, sich frühzeitig auf dem asiatischen
Fußballmarkt als Marke zu positionieren und „first-mover“-Vorteile beim Markteintritt zu reali-
sieren. Als strategische Instrumente hierfür dienen Trainingslager und Vorbereitungsspiele in den
je-weiligen Ländern, der Verkauf von Fernsehrechten an ausländische Anbieter, dort ansässige
Sponsoren, die die Vereinsmarke transportieren sollen, Schauturniere, Jugendakademien und
8 I Wirtschaftsfaktor Fußball
nicht zuletzt Spieler aus diesen Ländern (Beispiel: die japanischen Spieler INAMOTO und
TAKAHAR A von Eintracht Frankfurt), um über personenbezogenes Merchandising Breitenwir-
kung und Bekanntheit zu erzielen. Umgekehrt steigert der Bekanntheitsgrad von Vereinen deren
Chancen auf den dortigen Transfermärkten. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese
Formen der internationalen Vermarktung und des Branding nur wenigen, überregional und
weltweit bekannten und erfolgreichen Vereinen offen stehen. Für alle anderen Vereine stellt die
regionale und oft sogar an einzelne Städte gebundene Verankerung und Identifikation seitens
der Fans in der Vermarktung eine zumindest mittelfristig unveränderliche Restriktion dar.
Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen Verein und Sponsor gemeinsame Interessen auf regionalen
Wachstumsmärkten verfolgen und versuchen, durch gemeinsames Vorgehen Vermarktungs-
synergien und Imageeffekte zu erzielen. So engagieren sich in Deutschland eine Reihe von Unter-
nehmen aus den Bereichen Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Energieversorgung
bei Vereinen der Bundesliga mit dem Ziel, neue Kundengruppen zu erschließen bzw. bestehende
Kundenbindungen zu vertiefen. Eine relativ neue Entwicklung ist die Be- bzw. Umbenennung von
Stadiennamen nach dem eines Sponsors. Die bekanntesten Beispiele sind hier die Allianz-Arena in
München und die HSH Nordbank Arena in Hamburg. Ein gutes Beispiel auf internationaler Ebene
hierfür ist die Partnerschaft zwischen Real Madrid und Siemens Mobile, die gemeinsame Markt-
eintrittsabsichten in China hatten und diesbezüglich eine strategische Allianz gebildet haben.
Exkurs
Wachstumsmarkt China
China ist weltweit eines der Länder, das infolge gesellschaftlicher Modernisierung und wirtschaft-
licher Entwicklung in Zukunft eine steigende Nachfrage nach Fußball als Konsumgut aufweisen
wird. Wie Abbildung 4 zeigt, wird sich die Zahl der Fußballspieler bei ähnlicher Entwicklung wie
in der Vergangenheit bis 2020 deutlich auf über 40 Mio. erhöhen.
Die zweite treibende Kraft für die Kaufkraftentwicklung auf den chinesischen Absatzmärkten ist
das schnell wachsende Pro-Kopf-Einkommen in China. Dieses wird sich bis 2020 annähernd ver-
dreifachen (vgl. Abbildung 5).
Aktive Fußballspieler in China in Mio.
0
10
20
50
40
30
2000 2006 2020
Quelle: FIFA (2008), Prognose des HWWI HSH Nordbank
Abb. 4
Wirtschaftsfaktor Fußball I 9
Nimmt man beide Faktoren zusammen, ergibt sich für die fußballbezogenen Märkte eine enorme
Steigerung der Kaufkraft; sie verfünffacht sich von ca. 50 Mrd. US-Dollar auf rund 250 Mrd. US-
Dollar bis 2020 (vgl. Abbildung 6). Eine frühzeitige Positionie-rung auf diesen Märkten könnte also
langfristig Vorteile ver-schaffen, auch wenn derzeit in diesen Ländern eine fußballspezifische
Tradition fehlt, der Professionalisierungsgrad noch gering ist und die infrastrukturellen Voraus-
setzungen (Medien, Stadien etc.) noch alles andere als günstig sind.
Reales Pro-Kopf-Einkommen in China in tausend US-Dollar
1
0
2
3
6
5
4
2000 2006 2020
Quelle: Weltbank (2008), Prognose des HWWI HSH Nordbank
Abb. 5
Marktpotenzial des Fußballs in China, in Mrd. US-Dollar
50
0
100
150
300
250
200
2000 2006
Quelle: FIFA (2008), Weltbank (2008), Prognose und Berechnung des HWWI HSH Nordbank
2020
HSH Nordbank
Abb. 6
10 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Neben den genannten Initiativen der Vereine gibt es auch auf Seiten der Verbände Bemühungen,
neue ausländische Absatzmärkte zu erschließen. Ein prominentes Beispiel ist hier die strategische
Partnerschaft der DFL mit der Profiliga MLS in den USA (siehe Bundesliga.de vom 14.03.2007).
Fußball erfreut sich in den USA einer steigenden Beliebtheit, wobei insbesondere bei einer jün-
geren und kaufkräftigen Zielgruppe hohe Wachstumszahlen zu verzeichnen sind. Die Koopera-
tion ist aus Sicht der DFL eine strategische Investition, welche dafür sorgen soll, die Bundesliga
auf dem nordamerikanischen Markt zu platzieren. Die Kooperation umfasst einen regelmäßigen
Know-how-Transfer in den Bereichen TV-Produktion, Rechte- und Lizenzvertrieb, Marketing,
Organisation, Ausbildung und Stadionbau. Für die Etablierung der internationalen Marke
„Bundesliga“ ist die Medien-Präsenz im Ausland von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus würde
eine verstärkte TV-Präsenz im Ausland dazu beitragen, die Einnahmen aus der Vermarktung der
Auslandsrechte zu erhöhen. Derzeit wird über die Bundesliga in nahezu allen Ländern regel-
mäßig berichtet (vgl. Abbildung 7).
Übertragung der BL im Ausland 2008 berichterstattende Ländernicht berichterstattende Länder
Quelle: DFL (2008) Regiograph HSH Nordbank
TV-Präsenz der Bundesliga in der Welt Abb. 7
Wirtschaftsfaktor Fußball I 11
Die mittlerweile hohe Zahl internationaler Spieler in der Bundesliga hat dabei sicherlich im
Ausland zu einem steigenden Interesse an der Bundesliga geführt. Die englische Premier League
geht einen Schritt weiter und versucht, ab der Saison 2010/11 ihren Markt zu erweitern, indem
einige reguläre Ligaspiele in aller Welt ausgetragen werden sollen – eine Idee, deren Erfolg mit
Spannung erwartet werden darf. Bei dieser Strategie muss allerdings berücksichtigt werden, dass
sich die Austragung von Spieltagen im Ausland negativ auf die Identifikation der heimischen
Anhänger auswirken kann.
Allerdings verdeutlicht Abbildung 8 exemplarisch für die Saison 2004/05, dass die Bundesliga im
Vergleich zu den anderen europäischen Topligen, der englischen Premier League, der italieni-
schen Serie A und der spanischen Primera Division, relativ geringe Einnahmen aus der Auslands-
vermarktung erzielt. So ist das Erlösvolumen der Premier League aus der TV-Vermarktung im
Ausland zehnmal so hoch wie das der Bundesliga. In der laufenden Saison hat sich das Verhältnis
nicht verändert: Während die Bundesliga ca. 20 Millionen Euro aus der Auslandsvermarktung
einnimmt, kann die Premier League ca. 200 Millionen erlösen. Diese gewaltige Diskrepanz kann
unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass viele Länder – insbesondere in Asien – histo-
risch mit England verbunden sind (Commonwealth), dass Englisch Weltsprache ist und dass der
englische Vereinsfußball durch seine vielen internationalen Stars weltweit eine hohe Attraktivität
aufweist (vgl. 11 Freunde 2007). Jedoch weisen auch Länder wie Italien, Frankreich und Spanien
deutlich höhere Einnahmen auf, die sich nicht bzw. nicht in allen Punkten durch die genannten
Vorteile von Deutschland abheben. Deshalb sollte die Bundesliga ihre bereits unternommenen
Bemühungen verstärken, den Bekanntheitsgrad der Bundesliga auf dem ausländischen Fernseh-
markt in entsprechende Erlöse umzusetzen.
Im Bereich Technologie hat im Lauf der letzten Jahre eine Reihe von elektronischen Übertragungs-
geräten Marktreife erlangt, die für den Konsum und die Vermarktung von Fußball genutzt werden
können. Neben dem klassischen Übertragungsmedium TV gewinnen vermehrt die neuen Medien
wie Internet und Handy an Bedeutung. So wurden die Internet-Übertragungsrechte der deutschen
Bundesliga 2006 für geschätzte 50 Millionen Euro pro Saison von der Deutschen Telekom erwor-
ben. Allerdings besteht hier aus Sicht des deutschen Lizenznehmers das Problem, dass aufgrund
Einnahmen europäischer Top-Ligen aus der TV-Vermarktung im Ausland in Mio. € (2004/05)
Vereine können bei der Transferpolitik zwei unterschiedliche Arten von Fehlern machen:
Fehler 1. Art: Ein Spieler wird als gut eingeschätzt, obwohl er eigentlich schlecht ist.
Fehler 2. Art: Ein Spieler wird als schlecht eingeschätzt, obwohl er eigentlich gut ist.
Diese beiden möglichen Fehler sind essentiell für die Vereine bei ihrer Bewertung von Spielern.
Aufgrund der verschiedenen Budgetrestriktionen der Vereine ergeben sich daraus unterschiedli-
che strategische Implikationen für die Transferpolitik. Ein Verein mit geringem Budget etwa kann
nicht so lange warten, bis die Qualität eines Spielers am Markt eindeutig offenbart worden ist,
sondern muss Transfers tätigen, so lange der Marktwert des Spielers noch gering genug ist, um
ihn überhaupt verpflichten zu können. Ein Verein mit einem niedrigen Budget tätigt Transfers
also unter größerer Unsicherheit. Umso wichtiger ist es für diese Vereine, über zuverlässige
private Informationen zu verfügen. Bringt ein Spieler auch in der kommenden Saison eine gute
Leistung, sendet er also ein weiteres positives Qualitätssignal, wird der Marktwert womöglich so
weit steigen, dass er nach der nächsten Saison für Vereine mit geringem Budget nicht mehr zu
haben sein wird. Vereine hingegen, die über ein hohes Budget verfügen, können länger abwarten
und Transfers unter geringerem Risiko tätigen. Dieser Modellrahmen erlaubt ebenfalls die
Entstehung von „Herdenverhalten“. Hat etwa ein Verein eine sehr positive private Information
bzgl. der Qualität eines Spielers, wird er schon zu einem frühen Zeitpunkt auf dem Transfermarkt
aktiv werden. Aufgrund der dadurch offenbarten privaten Information können sich andere
Vereine veranlasst sehen, ihre eigenen privaten Informationen nach „oben“ zu revidieren. Auf
diese Weise kann sich die Marktwertentwicklung erheblich beschleunigen.
Bayern München hat immer die Strategie verfolgt, solche Spieler zu kaufen, die sich in der
Bundesliga bei anderen Vereinen bereits durchsetzen konnten. Dies gilt insbesondere für aus-
ländische Spieler, deren Integrationsfähigkeit oft mit großer Unsicherheit behaftet ist. Bayern
München hat demzufolge den „Fehler erster Art“ nur sehr selten begangen. Die Transferstrategie
von Bayern München ist es seit jeher gewesen, Spieler relativ teuer zu verpflichten, deren
Transferrisiko aber sehr gering ist.
Das Gegenbeispiel zu Bayern München ist Schalke 04. Schalke hat Jahre lang die Strategie verfolgt,
aufstrebende Spieler zu verpflichten, deren Marktwert schon stark gestiegen war, über deren
Qualität aber dennoch relativ große Unsicherheit herrschte. Schalke sah sich zu dieser Strategie
gezwungen, da bei einem weiteren positiven Qualitätssignal eines solchen Spielers der Marktwert
derart gestiegen wäre, dass es gegen ein mögliches Gebot der Bayern kaum mehr Chancen zur
Realisierung des Transfers gegeben hätte.
Werder Bremen ist hingegen das klassische Beispiel für einen Verein, der trotz beschränkter finan-
zieller Möglichkeiten traditionell auf sehr gute, d.h. zuverlässige private Informationen zurück-
greifen konnte. Bremen hat oft den Fehler zweiter Art der anderen Vereine für sich ausgenutzt
und Spieler verpflichtet, die lange Zeit als durchschnittlich galten, obwohl sie eigentlich gut
6 Zur endogenen Bestimmung des Transferzeitpunktes siehe analog Gul, F./Lundholm, R. (1995). Unterstellt wird in diesem
Modell eine Verlustfunktion, in der jede Verzögerung der Entscheidung (hier: Transferentscheidung) mögliche Kosten (hier:
gestiegene Ablösesumme und Gehaltsforderungen bzw. geringerer Transfergewinn) verursacht. Im Gleichgewicht beginnt jener
Akteur zuerst damit, seine privaten Informationen zu offenbaren, der über die „extremsten“ Informationen verfügt, da für
diesen die potenziellen Verluste durch zu spätes Handeln am größten sind.7 In dem Vermögen, Marktprozesse zu beobachten und Unsicherheiten durch längeres Abwarten zu verringern, kommt eine
gewisse Marktmacht zum Ausdruck. Ähnlich der Zeitpräferenzrate im sog. „Rubinstein-Spiel“ (vgl. Holler/Illing 2000) kommt
dem Budget in Bezug auf das Abwarteverhalten zur Reduktion von Unsicherheiten eine maßgebliche strategische Bedeutung zu.
8 Zu Grunde liegt hier die so genannte O-Ring-Theorie von Kremer (1993). Ausgangspunkt für diese Theorie ist die Überlegung,
dass bei komplementären „Produktionsfaktoren“ der qualitativ schlechteste Faktor über die Qualität des gesamten Produkts
entscheidet. Hintergrund ist das Challenger-Unglück gewesen, als ein defekter Dichtungsring („O-Ring“) im Wert von wenigen
Dollar das mehrere Millionen Dollar teure Space Shuttle funktionsuntüchtig machte und zu dessen Explosion führte.
waren. Dieser „Bremen-Faktor“ hat sich in letzter Zeit insbesondere bei Spielern wie Frings und
Diego gezeigt. Darüber hinaus hat Bremen aufgrund sehr zuverlässiger privater Information über
die Qualität von Spielern diese oft schon in ihrer frühen Aufstiegsphase zu günstigen Konditionen
bei einem vom Markt noch hoch bewerteten Transferrisiko verpflichtet.
Die langfristige Transferstrategie für Vereine mit geringem Budget, wie etwa des SC Freiburg,
besteht darin, die Qualitätsunsicherheit durch zuverlässige private Informationen des Manage-
ments zu verringern und gute Spieler früh günstig zu kaufen und später teuer zu verkaufen.
Vereine wie Freiburg haben daher für die Spitzenclubs eine Art „Scouting“-Funktion, für die sie
später mit entsprechender Ablöse kompensiert werden.
Die Merkmale sowie die Erfolgsbedingungen der verschiedenen – idealtypischen und stark
stilisierten – Strategien auf dem Transfermarkt sind in nachstehender Tabelle zusammengefasst:
Einnahmen der großen Ligen in der Saison 2005/06 in Mio. Euro*
1.000
500
0
1.500
2.000
Serie A Bundesliga Primera Division Ligue 1Premier League
* Die Premier League und die Primera Division weisen keine „sonstigen“ Einnahmen aus
Quelle: Deloitte (2007) HSH Nordbank
Spielbetrieb Medienrechte Sponsoren Sonstige
179
873
188
655
839
500
159
302
360
208
325
320
432
406
134
16191
524
Abb. 21
34 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Interessant ist, dass sich die Struktur der Einnahmen zwischen den Ligen zum Teil deutlich
unterscheiden (vgl. Abbildung 22). Während die anderen Ligen stark von den Einnahmen aus den
Medienrechten – insbesondere den TV-Rechten – abhängen, weist die Bundesliga einen sehr aus-
geglichenen Finanzierungsmix auf, der gegenüber unerwarteten Ausfällen einen gewissen Schutz
bietet.
Es wird oft argumentiert, dass die vergleichsweise geringen Einnahmen der Bundesliga aus den
TV-Rechten einen Wettbewerbsnachteil gegenüber europäischen Spitzenclubs aus anderen Ligen
darstellen. Die daraus abgeleitete Forderung, man müsse die Fernseherlöse erhöhen, greift ökono-
misch jedoch zu kurz. Fernsehgelder und Sponsoringeinnahmen können nicht unabhängig von-
einander maximiert werden, weil sie in einem unmittelbaren Zusammenhang zueinander stehen;
werden die Fernsehgelder maximiert, indem die Bundesliga nur noch im werbefreien Pay-TV zu
sehen ist, würde dies die Sponsoringeinnahmen aufgrund geringerer Rezipientenzahl reduzieren.
Die maximale Höhe der Gesamteinnahmen und der jeweils optimale Mix der verschiedenen Ein-
nahmequellen hängen in jedem Land neben dem reinen Fußballinteresse auch von den jeweiligen
Konsumgewohnheiten, der Zahlungsbereitschaft der Fans für das Produkt Fußball, dem Rund-
funk- und Medienmarkt sowie der Kaufkraft und Größe des Marktes ab. Dies zeigt sich auch darin,
dass die Bundesliga zwar unter den fünf großen Ligen in Europa das größte Zuschauerinteresse in
den Stadien aufweist, gleichzeitig aber zusammen mit der Ligue 1 den deutlich geringeren durch-
schnittlichen Marktwert aller Vereine besitzt (vgl. Abbildung 23).
Finanzierungsstruktur der fünf großen Ligen, Saison 2005/06, in %*
40
20
0
60
80
100
Bundesliga
Quelle: Deloitte (2007), * Die Premier League und die Primera Division weisen keine „sonstigen“ Einnahmen aus HSH Nordbank
Spielbetrieb Medienrechte Sponsoren Sonstige
Ligue 1
10
18
57
15
Primera Division
37
35
28
18
30
27
25
Serie A
11
14
62
13
Premier League
25
42
33
Abb. 22
Ligavergleich Zuschauerschnitt und Marktwert in der Saison 2007/08
Zuschauerschnitt pro Spiel in 1.000 Marktwert pro Verein in Mio. Euro
15
0
30
45
50
0
100
150
Premier League Serie A Bundesliga Primera Division Ligue 1
Quelle: Transfermarkt (2008) HSH Nordbank
Abb. 23
Betrachtet man die wirtschaftliche Position der Bundesliga in Europa jedoch nicht im Rahmen
eines Liga-Vergleichs, sondern bezogen auf die jeweiligen Spitzenclubs, ergibt sich ein etwas diffe-
renzierteres Bild. So rangiert der FC Bayern München als bestplatzierter Verein der Bundesliga
unter den umsatzstärksten Vereinen in Europa mit einem Umsatz von 223 Mio. Euro nur auf Platz
sieben; es folgen aus der Bundesliga der Hamburger SV mit 120 Mio. Euro auf Platz 15, Schalke 04
mit 114 Mio. Euro auf Platz 16 und Werder Bremen mit 99 Mio. Euro auf Platz 20 (vgl. Abbildung 24).
Die Rangliste führt Real Madrid mit einem Umsatz von 351 Mio. Euro deutlich an; es folgen
Manchester United, der FC Barcelona, Chelsea und Arsenal auf den Plätzen. Es handelt sich hier
jedoch ausdrücklich um die Höhe der Gesamterlöse. Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder
Rentabilität der Vereine lassen sich daraus nicht zwingend ableiten. Ebenso wenig kann eine
Aussage darüber getroffen werden, ob ein Finanzierungsüberschuss oder ein Defizit vorliegt.
Die Zusammensetzung der Top 10 nach Ligen ergibt folgendes Bild: Mit Manchester United, FC
Chelsea, Arsenal London und dem FC Liverpool sind gleich vier Vereine der Premier League, mit
dem AC Milan, Inter Mailand und AS Rom drei Vereine der Serie A, mit Real Madrid und dem FC
Barcelona zwei Vereine aus der Primera División und mit FC Bayern München lediglich ein Verein
aus der Bundesliga vertreten.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 35
Gesamterlöse der „Euro Top 20“ in der Saison 2006/07 in Mio. Euro*
0 100 200 300 400
Real Madrid
Manchester United
FC Barcelona
FC Chelsea
Arsenal London
AC Milan
Bayern München
FC Liverpool
Inter Mailand
AS Rom
Tottenham Hotspur
Juventus Turin
Olympique Lyon
Newcastle United
Hamburger SV
Schalke 04
Celtic Glasgow
FC Valencia
Olympique Marseille
Werder Bremen
Quelle: Deloitte (2008), * Gesamterlöse ohne Transfererlöse und Mehrwertsteuer; Ergebnis zum Teil auf Kalenderjahr statt Saison basierend. HSH Nordbank
Abb. 24
36 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Was die sportliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Vereine betrifft, so zeigt sich hier ein eher
bedenkliches Bild. In der Fünf-Jahres-Wertung der UEFA9 liegt die Bundesliga gegenüber den vier
anderen großen Ligen, der englischen Premier League, der spanischen Primera División, der italie-
nischen Serie A und der französischen Ligue 1, nur auf dem fünften Platz (vgl. Abbildung 25).
3.4 Chancen und Perspektiven für die Bundesliga
Der Fußball wird nach derzeitiger Prognose wirtschaftlich und gesellschaftlich weiter an Bedeu-
tung zunehmen. Davon profitieren werden weiterhin auch Werbung, Sponsoring und Medien. Als
Dienstleistungsbranche mit entsprechend geringer Produktivitätsentwicklung kann der Fußball
allerdings nicht über eine „Mengenausweitung“ expandieren, sondern er muss zusätzliche Nach-
frage in einem Qualitätswettbewerb mit anderen Branchen der Unterhaltungs- und Freizeitwirt-
schaft generieren. Hinzu kommt, dass es vermehrt auch Negativschlagzeilen im Fußball gegeben
hat. Vor allem der Wettskandal im Jahr 2005 mit Manipulation, Betrug und Korruption zeigt, dass
es im Fußball auch zu Fehlentwicklungen gekommen ist. Die Vermarktung des Fußballs hat – bei
aller notwendigen Professionalisierung – ihre natürlichen Grenzen in der gesellschaftlich gewach-
senen und historisch begründeten Identität des Fußballs. Denn immer ist es die Verankerung als
Breitensport in einer Gesellschaft, die eine massenhafte Identifikation mit dem Sport auslöst,
seine Popularität begründet und insoweit eine Kommerzialisierung erst möglich macht. Und wo
Werte wie Fairness und Teamgeist propagiert werden, sind die Gefahr und der Schaden, die durch
Betrug und Missbrauch dieser Werte entstehen, besonders gravierend, weil hierdurch die Glaub-
würdigkeit des Sports in Zweifel gezogen und insoweit seiner Kommerzialisierung schließlich die
moralische Grundlage entzogen wird.
Mit Zunahme der wirtschaftlichen Bedeutung werden sich jedoch auch die Strukturen im Profi-
Fußball nachhaltig verändern. Traditionelle und für den Fußball spezifische Verhaltensmuster
und Organisationsstrukturen werden im Zuge eines höheren Professionalisierungsgrades ver-
UEFA-Fünf-Jahreswertung der fünf großen Ligen
60
50
40
70
20
10
0
30
80
Serie A BundesligaPrimera Division Ligue 1Premier League
Quelle: UEFA (2008), Stand: 7. April 2008 HSH Nordbank
2003/04 2004/05 2004/05 2006/07 2007/08
14,3
12,4
15,6
19,0
13,3
11,3
15,6
14,4
16,6
8,9
14,0
15,4
11,9
9,6
13,5
11,4
10,8
10,0
6,9
4,7
10,6
10,4
9,5
12,8
15,4
Abb. 25
9 Nach der UEFA-Fünfjahreswertung berechnet sich die sportliche Stärke der europäischen Ligen, woraus sich schließlich die
Anzahl der Mannschaften bestimmt, die an den europäischen Wettbewerben teilnehmen dürfen. Die Liga-Wertung für eine
Saison ergibt sich dabei als Durchschnitt der Punkte aller an europäischen Wettbewerben teilnehmenden Vereine einer Liga.
schwinden. Kennzeichen der zunehmenden Professionalisierung wird eine stärkere funktionale
Differenzierung in den Vereinen sowohl im sportlichen als auch im wirtschaftlichen Bereich sein.
Weiterhin stellt sich die Frage, inwieweit sich die althergebrachten und teilweise aus dem spezifi-
schen Wettbewerb auf dem Sportmarkt begründeten Strukturen ökonomisch rechtfertigen lassen.
Insofern ist zu fragen, ob Regulierung des Spielbetriebs hier noch der Sicherstellung des sport-
lichen Wettbewerbs und der Ausgeglichenheit der Liga dient oder aber sich bereits Ineffizienzen
herausgebildet haben, die Struktur erhaltend wirken, statt Reformbedarf aufzudecken. Zusätz-
liche Wettbewerbsparameter für die Vereine, etwa durch eine freiere Vertragsgestaltung, können
helfen, neue Organisations- und Finanzierungsformen, eine effizientere Steuerung von Prozessen
und innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln und im Wettbewerb zu erproben.
Denn trotz aller Kommerzialisierung und auch Professionalisierung weist der Fußball aufgrund
von Marktunvollkommenheiten noch erhebliche, bislang aber ungenutzt gebliebene Effizienz-
potenziale auf. Oft nicht genügend qualifizierte Manager, wenig innovationsfreudige Trainer und
halbprofessionelle Schiedsrichter sind Ausdruck und Folge traditioneller Verhaltensmuster und
Organisationsstrukturen im Fußball, die infolge fehlenden Reformdrucks nie oder nur sehr lang-
sam erneuert worden sind. So ist die gängige Praxis, altgediente Profifußballer nach ihrer aktiven
Karriere in das Fußballgeschäft einzubinden, im Einzelfall sicherlich erfolgversprechend, sollte
allerdings nicht der Regelfall sein. Die Komplexität des Fußballgeschäfts erfordert vielmehr die
Orientierung an marktüblichen Einstellungskriterien, zu denen neben Arbeitserfahrung auch
wirtschaftliche Kompetenzen zählen sollten. Allerdings sollte bei der zunehmenden Professio-
nalisierung nicht der Unterhaltungswert des Fußballs außer Acht gelassen werden, der nicht aus-
schließlich von dem Geschehen auf dem Rasen abhängt. Polarisierende Persönlichkeiten und
schillernde Charaktere haben im deutschen und internationalen Fußball immer eine wichtige
Rolle gespielt und tragen entscheidend zur Anziehungskraft des Fußballs bei.
Weiter voranschreiten wird die Internationalisierung der Vermarktung. Wie schon jetzt werden
auch in Zukunft internationale Top-Clubs verstärkt versuchen, in andere Märkte (v. a. Asien, das
erst am Anfang eines Fußball-Booms steht) einzutreten und sich als Marke dort frühzeitig zu posi-
tionieren. Als strategische Instrumente hierfür dienen Trainingslager und Vorbereitungsspiele in
den jeweiligen Ländern, dort ansässige Sponsoren, die die Vereinsmarke transportieren sollen,
und nicht zuletzt Spieler aus diesen Ländern, um über personenbezogenes Merchandising
Breitenwirkung und Bekanntheit zu erzielen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese
Formen der internationalen Vermarktung und des Branding nur wenigen, international bekann-
ten und erfolgreichen Vereinen wie Real Madrid oder Manchester United offen stehen. Für alle
anderen Vereine stellt die regionale und oft sogar an einzelne Städte gebundene Verankerung und
Identifikation seitens der Fans in der Vermarktung eine zumindest mittelfristig unveränderliche
Restriktion dar.
Auch der gesellschaftliche und soziodemografische Wandel in der Zuschauerstruktur wird anhal-
ten. Hier kann es in Zukunft zu beträchtlichen Verschiebungen auch im Konsumverhalten kom-
men. Bei Funktionären, Spielern und Zuschauern hat dieser Mentalitätswandel schon seit länge-
rer Zeit eingesetzt, der an die Stelle lebenslanger Identifikation mit einem Verein den kurzfristi-
gen Eventkonsum gesetzt hat. Dies kann aus Sicht des traditionellen Fans eine nicht uneinge-
schränkt positive Entwicklung darstellen, wie etwaige Unmutsbekundungen der Fanbasis im
Laufe der aktuellen Saison gezeigt haben.10
Wirtschaftsfaktor Fußball I 37
10 Prominentes Beispiel ist hier die Mitgliederversammlung des FC Bayern München, auf der sich Fans des Vereins über die
schlechte Stimmung der zahlungskräftigen Anhängerschaft beschwert hatten.
38 I Wirtschaftsfaktor Fußball
4. Der HSV im Norden
4.1 Die „Raute im Herzen“: Die Erfolgsstory eines Dinos
Als am 29. September 1887 der SC Germania gegründet wurde, war dies die Geburtsstunde eines
der ältesten, größten sowie traditions- und erfolgreichsten Fußballvereine Deutschlands. Es dauer-
te dann noch einige Jahre, bis sich am 2. Juni 1919 der SC Germania mit dem FC Falke 1906 und
dem Hamburger FC 1888 offiziell zum Hamburger Sportverein zusammenschlossen und der neu
gegründete Verein seine sportliche Heimstätte am Hamburger Rothenbaum fand, wo schon seit
1910 der Hamburger FC beheimatet war. Zu den Vereinsfarben wurden die Farben rot und weiß
der Hansestadt Hamburg bestimmt. Blau und schwarz waren die Vereinsfarben des SC Germania
und wurden aus diesem Grund in das Vereinswappen übernommen; die Raute entstammt der
Hamburger Handelsschifffahrt.
Zunächst stand der HSV jedoch im Schatten anderer Hamburger Traditionsvereine, wie St. Pauli
oder Altona 93. Doch der sportliche Aufstieg des HSV verlief rasant. Und mit ihm sind in Ham-
burg und auch darüber hinaus unvergessene Namen verbunden: Uwe Seeler und Charly Dörfel in
den 50er und 60er Jahren, Rudi Kargus und Kevin Keegan in den späten Siebzigern, Trainer Ernst
Happel und Felix Magath in den legendären Achtzigern, Miroslav Okonski und Valdas Ivanauskas
in den Neunzigern sowie aktuell Trainer Huub Stevens und Rafael van der Vaart.
Als in der Saison 1963/64 zum ersten Mal die eingleisige Bundesliga stattfand, gehörte der HSV
zu den 16 Gründungsmitgliedern. In der Saison 1995/96 stiegen der 1. FC Kaiserslautern und
Eintracht Frankfurt und 1997/98 der 1. FC Köln jeweils zum ersten Mal aus der Bundesliga ab. Der
HSV blieb als letztes Gründungsmitglied der Bundesliga übrig, das in der nunmehr fast 45-jäh-
rigen Geschichte der Bundesliga ununterbrochen der höchsten deutschen Spielklasse angehörte.
Völlig zu Recht also kann sich der HSV damit als Dino der Bundesliga titulieren. Der HSV konnte
sowohl national als auch international zahlreiche Titel gewinnen (vgl. Tabelle 3).
Die Erfolge des Hamburger SV
Erfolge Jahr
Deutscher Meister 1922 (offiziell verzichtet ), 1923, 1928, 1960, 1979, 1982, 1983
Deutscher Pokalsieger 1963, 1976, 1987
Europapokal der Pokalsieger 1977 (2:0 gegen RSC Anderlecht )
Europapokal der Landesmeister 1983 ( 1:0 gegen Juventus Turin)
Quelle: HSV (2008)
Höhepunkt in der Vereinsgeschichte waren die Jahre zu Beginn der 80er mit der Krönung 1983,
als im Finale des Europapokals der Landesmeister Juventus Turin durch ein Tor von Felix Magath
mit 1:0 bezwungen wurde. Seitdem wartet der HSV jedoch – abgesehen von dem DFB-Pokalsieg
1987 – auf einen weiteren großen Titel. Zwar rangiert der HSV in der ewigen Bundesligatabelle
auf dem dritten Platz (vgl. Tabelle 4), die letzten beiden Jahrzehnte waren aber – von wenigen
Ausnahmen abgesehen – von sportlichem Mittelmaß geprägt (vgl. Abbildung 26). Es deutet jedoch
derzeit vieles darauf hin, dass der HSV wirtschaftlich und sportlich gut aufgestellt ist und in
naher Zukunft wieder an alte erfolgreiche Zeiten wird anknüpfen können.
Die ewige Tabelle
Rang Verein Spiele G U V Tore Differenz Punkte
1 FC Bayern München 1449 814 341 294 3079:1695 1384 2783
Quelle: DFL (2008), Darstellung des HWWI HSH Nordbank
Abb. 26
40 I Wirtschaftsfaktor Fußball
4.2 Regionalwirtschaftliche Effekte des HSV
Der HSV hat in den vergangenen fünf Jahren seinen Umsatz deutlich steigern können (vgl.
Abbildung 27).
Entsprechend haben sich auch die regionalwirtschaftlichen Effekte des HSV auf Hamburg und
den Norden erhöht. Für die Höhe und Richtung der Effekte spielt die Verteilung des Umsatzes
eine wichtige Rolle. So sind aufgrund des hohen Zuschauerzuspruchs in der HSH Nordbank Arena
mit einem Schnitt von über 55.000 Zuschauern die Einnahmen aus dem Spielbetrieb bzw. dem
Ticketing im Vergleich zu anderen Bundesligavereinen sehr hoch (vgl. Abbildung 28).
Der Fußballbundesligist Hamburger SV hat eine Vielzahl von wirtschaftlichen Effekten für die
Stadt Hamburg, deren Ausmaße die üblichen Dimensionen eines klassischen Sportvereins weit
übersteigen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit empfiehlt es sich, die regionalwirtschaftlichen
Auswirkungen eines Fußballbundesligisten in nachfrage- und angebotsseitige Aspekte zu unter-
scheiden (vgl. Hamm 1998 und 1999).
Gesamterlöse des HSV in Mio. Euro*
80
60
40
63 66 7075
102
120
10
0
100
120
2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07
* Gesamterlöse ohne Transfererlöse und Mehrwertsteuer.
Quelle: Deloitte (2007, 2008) HSH Nordbank
Abb. 27
Verteilung der Einnahmen in der Saison 2006/07 nach Kategorien in %
TV-Einnahmen 30,0%
Werbung 34,0%Spielbetrieb 36,0%
Quelle: Deloitte (2008) HSH Nordbank
Abb. 28
Auf der Nachfrageseite stellt sich folgendes Bild dar: Zunächst hat die Existenz des HSV direkte
Einkommens- und Beschäftigungseffekte für Hamburg. So beschäftigt der Hamburger Sportverein
insgesamt 100 Personen, darunter Spieler, Trainer und Betreuer sowie ein umfangreiches Verwal-
tungs- und Managementteam. Hinzu kommen pro Heimspiel (17 Bundesligaheimspiele pro Saison
zzgl. internationale Spiele) rund 1500 Teilzeitkräfte, die zum Ordnungspersonal, Catering etc.
zählen und insoweit in der hier verwendeten Abgrenzung nicht den direkten Beschäftigten zu-
geordnet werden. Allein aufgrund der direkten Beschäftigung kann der HSV somit als ein mittel-
ständisches Unternehmen charakterisiert werden.
Von den direkten Einkommens- und Beschäftigungseffekten gehen wiederum induzierte Effekte
aus, da ein Großteil des Einkommens über Konsum und Investitionen in Hamburg verbleibt (siehe
Abbildung 29). Dies hat zur Folge, dass durch die erhöhte Nachfrage in Hamburg über einen
regionalen Multiplikatoreffekt wiederum neue Arbeitsplätze und Einkommen entstehen. Ent-
scheidend ist dabei, inwieweit die direkten Einkommen in Hamburg ausgabewirksam werden und
zu weiterer Wertschöpfung führen. Die Höhe der Multiplikatorwirkung hängt von verschiedenen
Faktoren ab und muss im Einzelfall für jeden Verein und Standort berechnet werden. Darüber
hinaus tätigt der HSV in unregelmäßigen Abständen umfangreiche Investitionen in die Infra-
struktur, die indirekte Beschäftigungs- und Einkommenseffekte zur Folge haben. So wurden im
Rahmen des Neubaus der HSH Nordbank Arena 94 Millionen Euro investiert und kurzfristig neue
Arbeitsplätze geschaffen. Zusätzlich wurden in den letzten Jahren diverse Bauvorhaben und Um-
baumaßnahmen realisiert, um die Vermarktungsmöglichkeiten der Arena zu optimieren oder die
Nachwuchsarbeit zu intensivieren. Da ein Großteil der ausführenden Bauunternehmen und Sub-
unternehmer aus Hamburg stammt, verzeichnet die Region Hamburg positive Beschäftigungs-
und Einkommenseffekte. Ein weiterer indirekter Effekt resultiert aus dem Umstand, dass der HSV
eine Reihe von Produkten und Dienstleitungen als Vorleistungen aus der regionalen Wirtschaft
bezieht, um seine eigene Dienstleistung „Profifußball“ zu erbringen. Diese Posten reichen von
Ausgaben für Sportausrüstung oder Vermarktung bis zur Beauftragung eines externen
Ordnungsdienstes, der den reibungslosen Ablauf am Spieltag regelt.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 41
Einkommens- und Beschäftigungseffekte
Quelle: Darstellung des HWWI HSH Nordbank
Fußball-Bundesliga-Club
Vorleistungsverflechtungen
Direkte EffekteEinkommenswirkung
Angrenzende Effekte
Indirekte EffekteInduzierte Effekte
Gesamte Einkommens- und Beschäftigungseffekte
Abb. 29
42 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Schließlich kommt zu einem Bundesligaspiel des HSV ein Teil der Zuschauer aus dem Hamburger
Umland sowie aus anderen Regionen Deutschlands. Diese Besucher konsumieren im Rahmen des
Bundesligaspiels diverse Güter und nehmen verschiedene regionalbezogene Dienstleistungen in
Anspruch (z.B. Restaurants, Schnellimbiss, Kneipen, Taxis). Zudem verknüpfen viele Zuschauer,
die von außerhalb kommen, den Besuch eines Bundesligaspiels mit einer oder mehreren Über-
nachtungen in Hamburg, um sich die touristischen Attraktionen anzusehen, kulturelle Angebote
wahrzunehmen oder in der Innenstadt einzukaufen. Diese Form von Kurzreisen in Metropolen,
der so genannte Städtetourismus, verbindet Sightseeing mit Shopping und erfreut sich in
Deutschland einer steigenden Beliebtheit (vgl. Opaschowski et. al. 2006). Somit profitiert nicht
nur der HSV von den Besuchern eines Fußballspiels, sondern auch die regionale Gastronomie,
Hotellerie und verschiedene kulturelle Institutionen. In diesem Zusammenhang spricht man von
angrenzenden Beschäftigungs- und Einkommenseffekten, die im Rahmen des Bundesligaspiels
durch Konsum und Inanspruchnahme von fußballfernen Gütern und Dienstleistungen geschaffen
werden. Ein Teil dieser Ausgaben würde jedoch auch ohne die Existenz des HSV getätigt werden und
muss insoweit aus den regionalwirtschaftlichen Nettoeffekten des HSV herausgerechnet werden.
Die quantitativen Ausmaße der beschriebenen Effekte in Bezug auf Einkommen und Beschäfti-
gung sind im Ergebnis sehr unterschiedlich (vgl. Tabelle 5). Insgesamt entsteht im Zusammen-
hang mit dem HSV netto ein Einkommenszufluss bzw. zusätzliche Wertschöpfung in Höhe von
84 Mio. Euro für die Region Hamburg und das Umland. Das Hamburger Bruttoinlandsprodukt
betrug im Jahr 2007 zum Vergleich knapp 90 Mrd. Euro. Dem Einkommenseffekt des HSV steht
ein Beschäftigungseffekt in Höhe von rund 740 Vollzeitarbeitsplätzen gegenüber. Der anfängliche
Ausgabenimpuls muss dabei um Vorleistungen, Importe sowie Steuern und Ersparnis bereinigt
werden, um von der Umsatzgröße auf Wertschöpfung und schließlich das Einkommen schließen
zu können. So ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Wertschöpfungskette außerhalb
Hamburgs angesiedelt ist, z.B. findet die Produktion von Merchandising-Artikeln vornehmlich im
Ausland statt.
Regionalwirtschaftliche Einkommens- und Beschäftigungseffekte des HSV*
Einkommen Beschäftigung in
in Mio. Euro Vollzeitäquivalenten**
Direkter Effekt 52 100
Angrenzender Effekt 10 200
Indirekter Effekt 10 200
Induzierter Effekt 12 240
Gesamteffekt 84 740
Quelle: Schätzungen und Berechnungen des HWWI
* Es finden hier ausschließlich dauerhafte Effekte Berücksichtigung (Berechnungen auf Basis des Jahres 2007). Einmalige Effekte durch Bauinvestitionen werden nicht
erfasst.
** Für die Berechnung der Beschäftigung in Vollzeitäquivalenten wurde der durchschnittliche Bruttoarbeitgeberlohn in vergleichbaren Branchen und Berufen zugrunde
gelegt.
Schätzungen für den SV Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach haben zum Vergleich in
der Summe aller Effekte 334 bzw. 347 Arbeitsplätze ergeben (Hamm 2007; Willms & Fischer 2001).
Für den HSV und Hamburg sind aufgrund der Größe des regionalen Marktes und der Attraktivität
des Standortes die Einkommens- und Beschäftigungseffekte deutlicher größer.
Auf Seiten des Angebotes lassen sich grundsätzlich drei verschiedene regionalwirtschaftliche
Effekte des HSV unterscheiden: Erstens erhöht der HSV vor allem durch Spiele in europäischen
Wettbewerben oder anderen internationalen Turnieren, aber auch durch Trainingslager, Transfers
und ausländische Spieler den Bekanntheitsgrad der Stadt. Bei jeder Berichterstattung über den
HSV wird nicht nur der Name des Clubs genannt, sondern automatisch auch der Name der
Stadt Hamburg. So ist davon auszugehen, dass der HSV und die Stadt Hamburg in Italien vielen
Menschen durch die Niederlage von Juventus Turin im Endspiel um den Landesmeisterpokal 1983
bekannt geworden und in nachhaltiger Erinnerung geblieben sind. Die Steigerung des Bekannt-
heitsgrades wirkt sich einerseits positiv auf die Anziehungskraft für ausländische Touristen aus.
Andererseits kann der größere Bekanntheitsgrad das Interesse ausländischer Investoren und
Unternehmen wecken, sich in der Stadt anzusiedeln (vgl. Hamm 2007).
Zweitens hat der HSV direkte Auswirkungen auf das Image der Stadt Hamburg. Während der
Bekanntheitsgrad einen neutralen Charakter hat, bezeichnet das Image die Wahrnehmung der
Stadt Hamburg in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit. In der regionalökonomi-
schen Forschung ist es mittlerweile Konsens, dass das Image einer Region ein zentraler Standort-
faktor für Unternehmen und Arbeitskräfte ist. Im europäischen Wettbewerb der Metropolen
gewinnen so genannte weiche Standortfaktoren, wie das Image oder die Toleranz einer Region,
zunehmend an Bedeutung. Dies erklärt sich damit, dass diese Faktoren für die Standortentschei-
dung von hochqualifizierten Arbeitskräften häufig den Ausschlag geben (vgl. Florida 2002). Hier
fällt dem HSV eine Schlüsselrolle zu, indem er mit seiner Außendarstellung, seinen sportlichen
Erfolgen und seinen Fans aktiv das Image der Stadt Hamburg prägt. Zeiten des Erfolges wie die
Jahre 79–83 wirken sich unmittelbar positiv auf das Bild der Stadt Hamburg aus, wobei sich die
Assoziation der Stadt mit sportlichem Erfolg noch über Jahre auch bei ausbleibenden Titeln halten
kann (hier sei auf das Beispiel Mönchengladbach verwiesen). Neben der sportlichen Leistung zählt
auch die Haltung und Botschaft, die ein Verein an die Öffentlichkeit transportiert. So vermittelt
der HSV durch sein mit internationalen Spielern gespicktes Team nach außen Toleranz und
Weltoffenheit, was in Einklang mit dem Image von Hamburg steht, welches der Stadt traditionell
zugeschrieben wird und welches sie aktiv für sich reklamiert.
Drittens ist der HSV selbst ein Standortfaktor für die Stadt Hamburg. Auf der einen Seite wirkt
sich die Existenz eines Bundesligisten positiv auf die Ansiedlung weiterer mit dem Fußball oder
der Freizeitwirtschaft verbundener Unternehmen aus. Neben Herstellern und Verkäufern von
Fanartikeln sind hier Reiseunternehmen und Catering-Firmen zu nennen, die von einem Fuß-
ballbundesligisten profitieren bzw. sich in dessen Umfeld gründen. Dieser Effekt verstärkt sich
durch das Prinzip der kumulativen Attraktivität, dem zufolge der Erfolg verschiedener Freizeit-
angebote mit räumlicher Nähe zueinander steigt. Fußballstadien haben demnach dann den größ-
ten Zulauf und ökonomischen Mehrwert, wenn sie mit fußballfernen Angeboten aus Gastronomie
und Unterhaltung kombiniert werden. Genau dieses Prinzip scheint bereits zu greifen, wenn man
die Entwicklung in den neuen deutschen Stadien wie der HSH Nordbankarena betrachtet. (vgl.
Hamm 2007). Darüber hinaus schafft die Existenz eines Fußballvereins mit seiner Infrastruktur
Wirtschaftsfaktor Fußball I 43
44 I Wirtschaftsfaktor Fußball
(Anbindung öffentlicher Nahverkehr, Parkplätze etc.) ein attraktives Umfeld für andere Sport-
anbieter und Institutionen, sich dort anzusiedeln. Im Falle Hamburgs ist hier die ColorLineArena
zu nennen, die in unmittelbarer Nähe zum Stadion des HSV errichtet wurde, um Größenvorteile
zu realisieren. Schließlich kann der HSV indirekt ein Standortfaktor sein, indem er die Attrak-
tivität der Stadt Hamburg erhöht. So kann es für fußballinteressierte Menschen ein vorrangiges
Standortkriterium sein, ob es in einer Stadt möglich ist, Spiele der Fußballbundesliga bzw. des
Europapokals zu besuchen.
4.3 Neue Märkte und wirtschaftliche Potenziale
Für die sportliche und wirtschaftliche Zukunft des HSV ist es von Bedeutung, neue Märkte zu
erschließen und existierende ökonomische Potenziale zu entdecken und auszuschöpfen. Der zen-
trale Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Potenzial an Fans und Zuschauern, da diese als
Konsumenten des Spiels und Adressaten der Werbewirtschaft die zentrale Voraussetzung für die
Erschließung von Einnahmequellen für den Verein darstellen.11 Zu diesem Kreis zählen sowohl
aktive Fans, die zu einem Bundesligaspiel ins Stadion kommen, als auch passive Anhänger, die aus
unterschiedlichen Gründen nicht ins Stadion gehen und ihre Identifikation und Unterstützung
auf andere Weise ausdrücken. Das Fan- und Zuschauerpotenzial eines Fußballbundesligavereins
lässt sich durch drei verschiedene Determinanten charakterisieren (siehe Abbildung 30): das
räumliche Potenzial, das Image-Potenzial und das soziodemographische Potenzial.
Das räumliche Potenzial eines Vereins definiert sich über die Größe des regionalen Einzugs-
gebiets, das einem Verein zur Verfügung steht. Dieses ist sowohl von der geographischen Lage
eines Clubs als auch von der Anzahl und der Entfernung anderer Vereine im regionalen Umfeld
abhängig. Das Image-Potenzial wird bestimmt durch das Bild, das ein Verein in der Öffentlichkeit
besitzt, und welches bestimmte Personengruppen anspricht. Als Beispiel kann hier der SC
Freiburg genannt werden, der in Deutschland das Image eines alternativen Fußballvereins hat,
und somit Personen anzieht, die eine gewisse Nonkonformität im Profifußball zu schätzen
11 Darüber hinaus bilden die Anhänger eines Fußballvereins die zentrale Basis eines Clubs, ohne die der Spielbetrieb reiner
Selbstzweck wäre und seinen eigentlichen Charakter verlieren würde.
Determinanten des Fan- und Zuschauerpotenzials
RegionalwirtschaftlichesPotenzial
Soziodemografisches Potenzial
Image-Potenzial
Quelle: Darstellung des HWWI HSH Nordbank
Abb. 30
wissen. Schließlich bestimmt sich das Zuschauerpotenzial eines Vereins über die soziodemogra-
phische Struktur der Personen, die er erreicht. Hier haben die Ausführungen in Kapitel 3 gezeigt,
dass im Laufe der letzten Jahre ein Wandel stattgefunden hat, so dass nun auch vermehrt ehemals
fußballferne Schichten sich mit dem Fußballsport identifizieren.
Die Dimension des Zuschauerpotenzials eines Vereins hängt nun von zwei Komponenten ab: Von
der Größe der einzelnen Potenziale sowie deren Schnittmenge. So nützt es wenig, wenn ein Ver-
ein ein großes Einzugsgebiet hat, aber das Image des Vereins nur bestimmte Gruppen anspricht,
die in der Region nur wenig vertreten sind. Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass ein
Verein wie Schalke 04 sein Image als Arbeiter- und Bergbauverein kultiviert, um möglichst viele
Personen im Ruhrgebiet zu erreichen und die Identifikation mit ihm zu ermöglichen.
Im Folgenden wird das Fan- und Zuschauerpotenzial des HSV charakterisiert, um den Status Quo
abzubilden und mögliche Entwicklungschancen aufzuzeigen. Das räumliche Zuschauerpotenzial
des HSV kann erfasst werden, indem man die regionale Verteilung der Fanclubs betrachtet (siehe
Abbildung 31).12 Je dunkler die Farbe einer Region, desto mehr Einwohner sind Mitglied in einem
HSV Fanclub. Wie erwartet, zeigt sich eine deutliche Konzentration rund um die Stadt Hamburg,
wobei insbesondere im Süden Hamburgs viele Anhänger des HSV in Fanclubs organisiert sind.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 45
12 Bei dieser Methode werden zwar lediglich die organisierten Fans erfasst, es ist jedoch davon auszugehen, dass mit einem
Fanclub in der Regel proportional eine Reihe zusätzlicher Anhänger assoziiert sind. Darüber hinaus werden insbesondere
Regionen mit einem hohen Anteil an HSV-Fans eine große Anzahl an mitgliederstarken Fanclubs aufweisen.
HSV-FanclubsAnzahl der Mitglieder in Fanclubspro PLZ-Bezirk
>= 300
>= 150
>= 80
>= 30
>= 15
>= 1
Quelle: FIFA (2008), Darstellung und Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Regionale Verteilung der HSV-Fanclub-Mitglieder Abb. 31
46 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Weiterhin wird deutlich, dass im Norden Hamburgs bis zur dänischen Grenze viele organisierte
HSV-Fans beheimatet sind, was sich mit der Position des HSV als nördlichstem Bundesligaclub
erklären lässt. Interessant ist, dass dieser Zusammenhang auch für die Regionen zwischen
Hannover und Frankfurt zu gelten scheint. Hier ist zwar kein Bundesligist ansässig, doch wäre zu
erwarten gewesen, dass im Norden Hannover 96 und im Süden Eintracht Frankfurt das Einzugs-
gebiet begrenzen. Dass dies nicht der Fall ist, und der HSV trotz der beiden Vereine starke Anhän-
gerschaft aufweist, kann mit der überregionalen Attraktivität des HSV als auch mit dem wechseln-
den sportlichen Erfolg von Hannover und Frankfurt begründet werden. In den neuen Bundes-
ländern hat der HSV seine meisten organisierten Fans zwischen Berlin und Cottbus, was darauf
zurückzuführen sein könnte, dass mit Thomas Doll und Frank Rohde zwei prominente Spieler
vom BFC Dynamo Berlin Anfang der 90er Jahre zum HSV wechselten. Insgesamt zeigt sich, dass
der HSV im nördlichen Raum bis auf den SV Werder Bremen keine Konkurrenten hat und dass
sein Einzugsgebiet weit über den Hamburger Raum hinausreicht.
Die zweite Determinante des Fan- und Zuschauerpotenzials ist das regionalwirtschaftliche Umfeld
eines Vereins. Wie Abbildung 32 zeigt, verfügt der HSV mit 160,4 Mrd. Euro im Vergleich zu
Bayern München mit 159,8 Mrd. Euro über ein fast identisches regionales Marktpotenzial, gegenü-
ber Werder Bremen mit 91,4 Mrd. Euro ist der Abstand sogar relativ deutlich. Das Marktpotenzial
setzt sich dabei zusammen aus dem Eigenmarktpotenzial, dem Bruttoinlandsprodukt der jeweils
betrachteten Region, sowie dem gewichteten Bruttoinlandsprodukt der umliegenden bzw. angren-
zenden Regionen; die Gewichtung erfolgt dabei nicht nach räumlicher Distanz, sondern nach
zeitlicher Erreichbarkeit (vgl. Schlitte und Niebuhr 2008). Wie die Abbildung zeigt, werden für
den HSV, Werder Bremen und den FC Bayern München das Kerngebiet sowie die jeweils angren-
zenden Raumordnungsregionen zugrunde gelegt. Diese bilden das engere Einzugsgebiet ab und
bestimmen daher zum einen das unmittelbare Fan- und Zuschauerpotenzial, zum anderen die
Kaufkraft und Größe des regionalen Marktes. Um das Marktpotenzial spezifischer auf Fußball ein-
zugrenzen, könnten zielgruppenbezogen weitere konstituierende soziodemografische Merkmale,
wie z.B. Alter, Geschlecht, Bildung etc., herangezogen werden.
Wirtschaftliche Kennzahlen
Mitglieder Zuschauerschnitt Transferwert Umsatz 06/07
Bayern München 140.000 69.000 240 Mio. Euro 226 Mio. Euro
Hamburger SV 53.000 55.343 1 12 Mio. Euro 140 Mio. Euro
Werder Bremen 33.000 40.272 144 Mio. Euro 106 Mio. Euro
Quelle: Transfermarkt (2008)
Das Marktpotenzial ist insbesondere für regionale und lokale Sponsoren von Interesse, deren
Aktivitäten auf einen hohen Werbe- und Imageeffekt abzielen. Insoweit ist mit Blick auf die
Akquise von Sponsoren ein großes Marktpotenzial auch für die Vereine selbst vorteilhaft. Spon-
soren jedoch, die mehr auf überregionale Werbeeffekte abzielen, machen ihr Engagement öfter
vom sportlichen Erfolg eines Vereins abhängig. So finden sich bei weniger erfolgreichen Vereinen,
deren Medienpräsenz entsprechend gering ist, häufig lokale Sponsoren, während erfolgreiche
Vereine oder solche, die in Image und Tradition über Alleinstellungsmerkmale verfügen, von
zumeist überregional bekannten Unternehmen gesponsert werden. Insgesamt zeigt sich, dass von
den wirtschaftlichen Voraussetzungen her der HSV langfristig zu Bayern München aufschließen
und sich im Norden gegenüber Werder Bremen durchsetzen sollte, wenngleich es neben der
Größe des regionalen Marktes noch andere wichtige Determinanten für die langfristige
Entwicklung von Fußballvereinen gibt.
Befasst man sich mit dem Image-Potenzial des HSV, wird schnell deutlich, dass die Stadt Hamburg
durch eine besondere Situation gekennzeichnet ist, da mit dem HSV und dem FC St. Pauli zwei
Profifußballvereine in der Stadt beheimatet sind. Beide Vereine müssen sich die Sympathien, die
Medienpräsenz und den Zuschauermarkt in Hamburg teilen, so dass das Image eines Vereins ein
zentrales Differenzierungskriterium darstellt. Grundsätzlich bietet der Sport dabei ein breites
Spektrum an Werten wie Fairness, Wettbewerbsgeist, Authentizität, Modernität etc. Der HSV
besetzt und pflegt seit vielen Jahren das Image eines bürgerlich-hanseatischen Vereins, der für
Tugenden wie Sportsgeist, Einsatzbereitschaft, Seriosität und Weltoffenheit steht. Ein weiteres
wichtiges Element im Image des HSV ist die lange ruhmreiche Tradition des Clubs, in der auf
zahlreiche nationale und internationale Titel zurück geblickt werden kann. Zudem profitiert der
HSV davon, das einzige Gründungsmitglied der Bundesliga zu sein, das noch nie abgestiegen ist.
Exemplarisch für das Image des HSV steht die Person Uwe Seeler, der auf und neben dem Platz als
tadelloser Sportsmann galt und gilt, und herausragende Leistungen glaubhaft mit Werten wie
Fairness und Bescheidenheit verbindet.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 47
Quelle: VGR der Länder (2008), Modell und Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Marktpotenziale für Hamburg, Bremen und München
Bremen
München
91,4 Mrd €
159,8 Mrd €
Hamburg
160,4 Mrd €
Abb. 32
48 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Im Gegensatz hierzu hat der FC St. Pauli das Image eines alternativen Vereins, der vornehmlich
durch die ungewöhnliche Fankultur geprägt ist. Während die Stimmung bei Fußballspielen in der
Regel eng mit dem sportlichen Erfolg der Mannschaft verknüpft ist, scheint dieser Zusammen-
hang beim FC St. Pauli nicht zu gelten. Selbst nach dem Abstieg in die Regionalliga waren der
Zuschauerzuspruch und die Euphorie ungebrochen. Dies kann damit erklärt werden, dass sich
die Anhänger nicht primär über sportliche Erfolge definieren, sondern ihre Identifikation mit
dem Verein mehr Ausdruck eines allgemeinen Lebensgefühls ist. So sind die Fans größtenteils
einer alternativ-toleranten Szene zuzuordnen, und sie bestimmen das Image des Clubs als
„Freibeuter und Freudenhaus“ des deutschen Fußballs.
Die inhaltlichen Unterschiede im Image der beiden Clubs werden durch die Tatsache verstärkt,
dass der HSV für die Stadt Hamburg steht, während der FC St. Pauli einen bestimmten Stadtteil
und dessen Lebensgefühl in Hamburg repräsentiert. Dies drückt sich nicht nur in den Namen
beider Vereine aus, sondern spiegelt sich auch in der Außendarstellung wider. Der HSV versteht
sich als Repräsentant der Stadt Hamburg und hat viele traditionelle Elemente und Werte der
Stadt Hamburg in seine Außenkommunikation integriert. Aktuell wird diese Verknüpfung durch
das Gemeinschafsprojekt „Hamburger Weg“ institutionalisiert, um in Zusammenarbeit mit der
Stadt und lokalen Unternehmern Hamburg als Sportstadt zu positionieren.13 Im Gegensatz hierzu
bezieht sich der FC. St Pauli immer wieder auf die Verwurzelung in seinem Stadtteil und firmiert
auch als „Kiezclub“. Es sind somit die diametral unterschiedlichen Charakteristika beider Vereine,
die Identifikation seitens der Fans schaffen und die oft schon im Kindesalter sozialisierte Zuge-
hörigkeit zu der einen oder der anderen Anhängerschaft bestimmen. Aus ökonomischer Sicht ist
diese inhaltliche Abgrenzung der beiden Vereine zu begrüßen, da durch die unterschiedlichen
Profile der Markt potenzieller Anhänger nahezu vollständig abgedeckt wird. Im Fall des FC St.
Pauli kann man sogar davon sprechen, dass der Markt erweitert wird, da das Image über das
traditionelle Rekrutierungsfeld von Fußballfans hinausreicht.
Die soziodemografische Struktur des Fanpotenzials des HSV kann anhand von Daten des AWA
Sportprofils abgebildet werden, die zuletzt im Frühjahr 2007 mittels einer Umfrage unter der
deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren in Privathaushalten erhoben wurde. Als Abgrenzungskrite-
rium wurden in der vorliegenden Studie alle Personen ausgewählt, die angaben, „ganz besonders
am HSV“ interessiert zu sein. Diese sehr weite Definition eines Fans wurde bewusst ausgewählt,
da alle Personen mit großem Interesse der potenziellen Zielgruppe des HSV und seiner Sponsoren
zuzurechnen sind. Um einen Vergleich mit dem demografischen Potenzial mit anderen Bundes-
ligisten zu ermöglichen, wurden exemplarisch die entsprechenden Daten für den FC Bayern
München und den SV Werder Bremen ausgewertet. Während sich die Auswahl von Bayern
München mit seiner Rolle als Branchenprimus begründet, wurde Werder Bremen als nördlicher
Rivale des HSV ausgewählt.
Die Auswertungen zeigen, dass ca. 7,7 Millionen Menschen großes Interesse am HSV zeigen. Zum
Vergleich: Am FC Bayern München zeigen sich 14,5 Millionen Menschen sehr interessiert, wäh-
rend sich für den SV Werder Bremen 10,3 Millionen Menschen ganz besonders interessieren. Die
im Vergleich zum SV Werder Bremen relativ gering anmutende Anhängerschaft des HSV kann
damit erklärt werden, dass der HSV in den letzten Jahren nur sporadisch und mit wechselndem
13 Die Initiative wurde bereits mit zwei Preisen ausgezeichnet; zum einen mit dem Politikaward 2007, zum anderen mit
dem 15. International Sponsoring Award 2008 in der Kategorie „Innovation“.
Erfolg an internationalen Wettbewerben teilgenommen hat. Auch nationale Titel konnten nicht
errungen werden. Im Gegensatz hierzu hat der SV Werder Bremen durch seine Meisterschaften
und Pokalsiege sowie die Präsenz in der Champions League überregional eine hohe Aufmerksam-
keit genossen und konnte so viele neue Anhänger außerhalb des eigenen regionalen Einzugs-
gebietes gewinnen. Von den HSV-Fans sind knapp 25 % weiblich. Dieser hohe Anteil an Frauen
mag aufgrund der traditionellen Rolle des Fußballs als Männersport überraschen, deckt sich aber
mit der zunehmenden Öffnung und Attraktivität des Fußballs für Frauen. Interessant ist hier,
dass diese Entwicklung beim FC Bayern München bereits weiter fortgeschritten ist (31% weiblich),
während der Anteil bei Werder Bremen nahezu gleich ist. Bei der Altersstruktur weisen die Aus-
wertungen darauf hin, dass sich die Anhängerschaft über alle Alterstufen verteilt.
Es wird aber auch deutlich, dass der HSV vor allem bei den älteren Bevölkerungsgruppen einen
hohen Zuspruch findet (vgl. Abbildung 33). Demnach sind lediglich 30% der am HSV interessier-
ten Personen unter 40. Diese Verteilung ist einerseits eine Folge der demographischen Struktur
in Deutschland, andererseits spiegelt sie das hohe Sportinteresse der älteren Bevölkerung wider.
So ist die Alterstruktur der Anhänger von Werder Bremen nahezu identisch. Dass diese Alters-
verteilung jedoch nicht zwangsläufig ist, wird am Beispiel des FC Bayern München deutlich,
dessen Anhängerschaft zu 36 % jünger als 40 ist. Dies zeigt, dass in der Identifikation des HSV
bei jüngeren Fußballinteressierten noch Spielraum besteht.
Auch in Relation zur Gesamtbevölkerung zeigt sich, dass der HSV in den jüngeren Bevölkerungs-
gruppen nur unterproportional, in älteren Bevölkerungsgruppen dagegen überproportional
vertreten ist (vgl. Abbildung 34).
Wirtschaftsfaktor Fußball I 49
HSV-Fans nach Alter in %
14-19 6,1%
40-49 15,7%
50-59 17,0%
60-69 21,8%
70 und älter 15,0%
30-39 13,6%
20-29 10,8%
Quelle: Sportfive (2007), Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Abb. 33
50 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Schließlich zeigt die Abbildung 35, dass der HSV in allen Einkommensgruppen über Anhänger
und Fans verfügt. Auffällig ist, dass die traditionelle Vorstellung über ein überproportional starkes
Fußballinteresse in den unteren Einkommensschichten durch die Daten nicht bestätigt wird. Die
Auswertungen belegen vielmehr, dass der HSV insbesondere in den mittleren und oberen Ein-
kommensgruppen auf reges Interesse stößt. Die Berechnungen für den FC Bayern München und
den SV Werder Bremen deuten darauf hin, dass dieses Strukturmerkmal kein Einzelfall ist, son-
dern dass dieser positive Zusammenhang für den Bundesligafußball allgemein gilt.14
Bezogen auf die Gesamtbevölkerung zeigt sich, dass die HSV-Fans leicht überproportional in den
mittleren Einkommensklassen vertreten sind (vgl. Abbildung 36). Insgesamt folgt die Fanstruktur
des HSV in der Einkommensverteilung weitgehend der Gesamtbevölkerung. Dies bestätigt, dass
Fußball über alle Einkommensklassen hinweg in gleichem Ausmaß in der Gesellschaft etabliert ist.
HSV-Fans nach Alter in Relation zur Gesamtbevölkerung
in % der Bevölkerung in % der HSV-Fans
15
10
50
0
20
25
14-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70 und älter
Quelle: Sportfive (2007), Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Abb. 34
HSV-Fans nach monatlichem Haushaltsnettoeinkommen in %
unter 1.000 9,2%
2.000 bis 2.500 16,0%
2.500 bis 3.000 23,0%
3.500 und mehr 16,1%
1.500 bis 2.000 19,6%
1.000 bis 1.500 16,1%
Quelle: Sportfive (2007), Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Abb. 35
14 Diese Verschiebungen in der Zuschauerstruktur werden aktuell in einem Forschungsprojekt des HWWI analysiert.
4.4 Fazit
Der HSV ist einer der traditionsreichsten Sportvereine Deutschlands, der aktuell versucht, an
die ruhmreiche Vergangenheit anzuknüpfen. Es konnte gezeigt werden, dass der HSV eine große
regionalwirtschaftliche Bedeutung für die Stadt Hamburg hat, die weit über die klassischen
Dimensionen eines Sportvereines hinausreichen. So gehen vom HSV jährlich direkte und indirekte
Einkommens- und Beschäftigungseffekte in Höhe von 84 Millionen Euro bzw. 740 Beschäftigten
aus. Darüber hinaus erzielt der HSV auch auf Seiten des Angebotes regionalwirtschaftliche
Effekte: Neben der Steigerung des Bekanntheitsgrades der Stadt Hamburg nimmt der HSV großen
Einfluss auf das Image, mit dem die Stadt in der Öffentlichkeit assoziiert wird. Zudem ist der HSV
ein Standortfaktor, da er die Ansiedlung von Unternehmen der Freizeitwirtschaft begünstigt und
die Attraktivität der Stadt erhöht.
Für die sportliche und wirtschaftliche Zukunft des HSV wird es von Bedeutung sein, neue Zu-
schauerpotenziale zu entdecken und auszuschöpfen. Hier zeigt sich, dass der HSV über ein großes
räumliches Fanpotenzial verfügt, das sich in Deutschland bis an die dänische Grenze erstreckt.
Bezüglich des regionalwirtschaftlichen Umfelds, das sich nach dem regionalen Bruttoinlands-
produkt bemisst, hat der HSV im Vergleich zum SV Werder Bremen eine hervorragende Aus-
gangsposition. Während das Image des HSV aufgrund der Koexistenz des FC St. Pauli wenig
Gestaltungsspielraum offen lässt, zeigt sich, dass der Verein über ein großes soziodemografisches
Potenzial verfügt, das nur zu Teilen genutzt wird. Insbesondere Frauen und jüngere Alters-
gruppen sind im Vergleich zu anderen Vereinen eher unterrepräsentiert.
Es kann somit konstatiert werden, dass der HSV trotz seiner langjährigen sportlichen „Under-
performance“ Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre noch immer über hervor-
ragende „Fundamentaldaten“ verfügt. Insbesondere das wirtschaftliche und soziodemografische
Umfeld in Hamburg birgt große Potenziale für den HSV. Zur Ausschöpfung dieser Potenziale wird
es von entscheidender Bedeutung sein, sportlichen Erfolg zu erzielen. Neben nationalen Titeln
zählt hier vor allem die Teilnahme an internationalen Wettbewerben, da diese eine überregionale
Aufmerksamkeit garantieren und die Erschließung neuer Finanzierungsquellen ermöglichen.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 51
HSV-Fans nach Einkommen in Relation zur Gesamtbevölkerung
in % der Bevölkerung in % der HSV-Fans
15
10
5
0
20
25
unter 1.000 1.000 bis 1.500 1.500 bis 2.000 2.000 bis 2.500 2.500 bis 3.000 3.500 und mehr
Quelle: Sportfive (2007), Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Abb. 36
52 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Neben den sportlichen Parametern kann die Anhängerschaft durch gezielte Marketingmaß-
nahmen weiter vergrößert werden. Hierbei sollte das langfristige Fanpotenzial nicht außer Acht
gelassen werden. Dieses zeichnet sich durch eine enge emotionale Bindung der Anhänger zum
Verein aus, die mehr durch Identifikation geprägt ist als durch den kurzfristigen Eventkonsum
eines Spitzenspiels in der Bundesliga. Ausschließlich den Eventcharakter des Spiels zu kommuni-
zieren und auszubauen, erhöht daher das langfristige Fanpotenzial nicht nachhaltig. Gelingt es
dem HSV, die aufgezeigten Potenziale zu erschließen und auszuschöpfen, verfügt der HSV über
alle Vorraussetzungen und Standortbedingungen für eine große wirtschaftliche und sportliche
Zukunft.
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