Wirkungsvolle Anpassungen von Haltungs- systemen an die Bedürfnisse der Milchkuh Master Thesis Vorgelegt von Nathalie Roth Eingereicht bei Dr. med. vet. Samuel Kohler (Betreuer) Ing. Agr. ETH Christian Manser (Co-Experte) Ort und Datum Zollikofen, den 28. Mai 2015 Bern University of Applied Sciences School of Agricultural, Forest and Food Sciences HAFL Master of Science in Life Sciences / Applied Agricultural and Forestry Sciences
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Wirkungsvolle Anpassungen von Haltungs-systemen an die Bedürfnisse der Milchkuh
Master Thesis
Vorgelegt von Nathalie Roth
Eingereicht bei Dr. med. vet. Samuel Kohler (Betreuer)
Ing. Agr. ETH Christian Manser (Co-Experte)
Ort und Datum Zollikofen, den 28. Mai 2015
Bern University of Applied Sciences
School of Agricultural, Forest and Food Sciences HAFL
Master of Science in Life Sciences / Applied Agricultural and Forestry Sciences
Bern University of Applied Sciences | School of Agricultural, Forest and Food Sciences HAFL I
Selbstständigkeitserklärung
Durch meine Unterschrift erkläre ich, dass
- ich den «Verhaltenskodex HAFL zur Verwendung von Informationsquellen» kenne und mir
die Konsequenzen bei dessen Nichtbeachtung bekannt sind,
- ich diese Thesis in Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen erstellt habe,
- ich diese Thesis persönlich und selbstständig erstellt habe.
Ort, Datum ….……………………………………………………………………
Unterschrift ………………………………………………………………………....
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Inhalt
Zusammenfassung
1 Einleitung und Ziel der Arbeit 1
2 Stand der Forschung 2
2.1 Aufstallung von Milchvieh in der Schweiz 2
2.2 Tierwohl und gesetzliche Mindestvorgaben 3
2.3 Bedürfnisse der Milchkuh 4
2.4 Raum- und Ruhebedürfnis der Milchkuh 4
2.4.1 Wichtigkeit der Laufflächengestaltung 4
2.4.2 Wichtigkeit der Abmessungen im Liegebereich 6
2.4.3 Wichtigkeit der Liegeunterlage 10
2.5 Luft- und Lichtbedürfnis der Milchkuh 13
2.6 Futter- und Wasserbedürfnis der Milchkuh 13
2.7 Kühe in besonderen Situationen 14
2.8 Erhebung der Tiergerechtheit in Haltungssystemen 15
2.8.1 Gesundheitsspezifische Indikatoren zur Bewertung von Tierwohl 16
2.8.2 Verhaltensspezifische Indikatoren zur Bewertung von Tierwohl 17
3 Material und Methoden 19
3.1 Zielgruppe und Stichprobe 19
3.2 Befragungsdesign 19
3.3 Vorgehen und Durchführung der Datenaufnahme 20
3.4 Datenverarbeitung 21
4 Resultate und Einzeldiskussion 22
4.1 Struktur der beteiligten Betriebe 22
4.2 Gründe für die Anpassung des Haltungssystems 23
4.3 Wirkungsvolle Anpassungen an das Raum- und Ruhebedürfnis der Milchkuh 24
4.3.1 Anpassungen der Laufflächengestaltung 24
4.3.2 Anpassungen der Abmessungen im Liegebereich 27
4.3.3 Anpassungen der Liegeunterlage 33
4.4 Wirkungsvolle Anpassungen an das Luft- und Lichtbedürfnis der Milchkuh 37
4.5 Wirkungsvolle Anpassungen an das Futter- und Wasserbedürfnis der Milchkuh 40
4.6 Wirkungsvolle Anpassungen für Kühe in besonderen Situationen 42
4.7 Schätzung der Kosten für die Anpassungen 47
4.8 Einschätzung der Landwirte über Veränderungen seit dem Umbau 48
5 Gesamtdiskussion 50
6 Schlussfolgerung 52
7 Literaturverzeichnis 53
8 Dank 58
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Abkürzungsverzeichnis
AS Anbindestall
BCS Body Condition Score
BTS besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme
bzw. beziehungsweise
CHF Schweizer Franken
ebd. ebenda
etc. et cetera
inkl. inklusive
LS Laufstall
RAUS regelmässiger Auslauf im Freien
TGI Tiergerechtigkeitsindex
z.B. zum Beispiel
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Verlauf der Anteile von Rindvieh in Anbinde- bzw. Laufställen basierend auf Statistiken des Schweizerischen Bauernverbands (1991 - 2008) und einer Expertenschätzung (Quelle: Schrade et al. 2011) 2 Abb. 2: Zusammenhang zwischen Liegezeit und Milchleistung von Milchkühen (Quelle: Grant 2007) ........... 7 Abb. 3: Aufstehvorgang einer Kuh mit Kopfschwung ohne Einschränkungen (Quelle: Bachschweller 2009). 10 Abb. 4: Anzahl Schäden pro 100 Tiere der verschiedenen Liegeflächen, unterteilt in die einzelnen Schadenskategorien im Vergleich zu Literaturwerten (Daten Strohmist-Matratze, Komfortmatte, loses Stroh und Gummimatte: Buchwalder 1999, Schaub et al. 1999) (Quelle: Zähner et al. 2009) ................................ 11 Abb. 5: Sampling und Stichprobenauswahl für die Durchführung der Interviews ........................................ 19 Abb. 6: Vorgehensweise der Datenaufnahme auf 36 Praxisbetrieben .......................................................... 20 Abb. 7: Rutschfester Rasenteppich im Stallgang von Anbindeställen ........................................................... 25 Abb. 8: Quergänge ohne geschlossene Seitenwände ................................................................................... 26 Abb. 9: rutschfeste Gummimatten im Warteraum (9a) und auf Treppenaufstieg in Melkstand (9b) .............. 26 Abb. 10: Gummimatte (10b) beim Ausgang vom Abkalbebereich zur Fressachse (10a) ............................... 27 Abb. 11: Anbindeställe ohne Seitenbügel mit unterschiedlicher Anbindevorrichtung .................................. 27 Abb. 12: verbesserter Schwungraum nach der Entfernung des Kopfrohres .................................................. 28 Abb. 13: Entfernung der Holzwand für mehr Schwungraum und Luftqualität im Kopfbereich ...................... 28 Abb. 14: Flexibler Gummilappen als Abtrennung zwischen Fress- und Liegebereich ................................... 29 Abb. 15: Verlängerung des Halsrahmens mit Kette und altem Gülleschlauch .............................................. 29 Abb. 16: Individuell verstellbare Anbindevorrichtung mit Kette (umrandet mit Plastikrohr) ......................... 30 Abb. 17: Variante einer Ketten-Anbindevorrichtung mit maximaler Kopffreiheit .......................................... 30 Abb. 18: Entfernung einschränkender Bauelemente im Kopfbereich von Liegeboxen .................................. 31 Abb. 19: Aufwändiger Anbau für mehr Schwungraum in Stall an Hang ........................................................ 31 Abb. 20 : Aussenliegeboxen mit maximal Luft und Licht ............................................................................. 31 Abb. 21: Neuausrichtung der Liegeboxen mit vergrössertem Schwungraum ............................................... 32 Abb. 22: Zwei verschiedene Varianten (22a bzw. 22b) von einem flexiblen Nackenband mit Spanset .......... 32 Abb. 23: Erhöhung des starren Nackenrohrs mit Aufsatz ............................................................................ 32 Abb. 24: Einbau Kalkstroh-Matratze ohne (24a) und mit (24b) Verlängerung des Lägers ............................. 34 Abb. 25: Unterschiedliche Höhe des Abschlussbrettes der Kalkstroh-Matratze abhängig von der Einbauart 34 Abb. 26: Strohmist-Matratze mit Langstroh im Anbindestall ....................................................................... 35 Abb. 27: Neue Liegeboxeneinrichtungen mit Kalkstroh-Matratze als Liegeunterlage ................................... 36 Abb. 28: Grossraumventilator zur Verbesserung der Luftzirkulation im Stall ............................................... 37 Abb. 29: Klappbarer Ventilator für flexible Tenndurchfahrt im Anbindestall ............................................... 38 Abb. 30: Schliessbare Fensterseite bei extremen Witterungsverhältnissen .................................................. 38 Abb. 31: Einfache Handhabung von Vliesfenster bei extremen Witterungsbedingungen .............................. 39 Abb. 32: Offene Fenster (32a) bzw. geöffnete Innenwand (32b) für bessere Bedingungen im Stall .............. 39 Abb. 33: Anbindestall mit offenem Scheunentor im Winter ......................................................................... 39 Abb. 34: Entfernte Seitenwände zur besseren Luftzirkulation im Anbindestall ............................................ 40 Abb. 35: Neue Tränkebecken im Anbindestall mit erhöhter Wasserdurchflussrate ...................................... 41 Abb. 36: Tränkebecken mit einer Wasserspiegelhöhe von 60 cm im Laufstall ............................................. 42 Abb. 37: Abfluss der Tränke mit regulierbarem Wasserhahn ausgestattet ................................................... 42 Abb. 38: Stressfreier Abkalbebereich im Anbindestall ................................................................................. 43 Abb. 39: Abkalbelinie in Anbindestall an erweiterter Fressachse der Milchkühe .......................................... 43 Abb. 40: Neu errichtete Abkalbelinie integriert in bestehendem Laufstall ................................................... 44 Abb. 41: Abkalbebucht mit schwenkbarem Fressgitter als Zweiraumsystem in Laufstall ............................. 44 Abb. 42: Abkalbebox (42a) und Krankenbucht (42b) in einem Stall ............................................................. 45 Abb. 43: Stressfreier Abkalbereich mit Zugang zum Melkroboter ................................................................ 45 Abb. 44: Abkalbelinie als Zweiraumsystem mit Videoüberwachung ............................................................. 46 Abb. 45: Investitionskosten der Anpassungen im Stall exklusive Eigenleistung in Schweizer Franken [CHF] 47
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Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Mindestanforderungen an Laufgänge (cm) in der Schweiz und in Österreich ..................................... 5 Tab. 2: Angaben zu Abmessungen von Liegeboxen (cm) in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland .. 8 Tab. 3: Vorgaben zu Mindestabmessungen in Anbindeställen (cm) in der Schweiz und in Österreich ............ 9 Tab. 4: Liegezeit und ihre Abhängigkeit von unterschiedliche Faktoren (Quelle: nach Nuss und Weidmann 2013, verändert) ......................................................................................................................................... 12 Tab. 5: Mögliche Evaluationsparameter zur Bewertung des Gesundheitszustandes von Milchkühen (Quelle : nach Roth 2013, verändert) ......................................................................................................................... 16 Tab. 6: Mögliche Evaluationsparameter zur Bewertung des Verhaltens von Milchkühen (Quelle: nach Roth 2013, verändert) ......................................................................................................................................... 17 Tab. 7: Betriebsstruktur der 36 befragten Milchviehbetriebe mit Anpassungen des Haltungssystems ......... 22 Tab. 8: Genannte Gründe für die Anpassungen des Haltungssystems ......................................................... 23 Tab. 9: Stärken-Schwächen-Analyse der Tiergesundheit auf den besuchten Betrieben ................................. 24 Tab. 10 : Einschätzungen der Landwirte zu positiven, gleichbleibenden oder negativen Veränderungen seit der Anpassung ............................................................................................................................................ 48
Bern University of Applied Sciences | School of Agricultural, Forest and Food Sciences HAFL VI
Zusammenfassung
Wirkungsvolle Anpassungen von Haltungssystemen an die Bedürfnisse der Milchkuh
Nathalie Roth, Zollikofen 2015
Das Ziel der Masterthesis war, wirksame und praxistaugliche Lösungen zur bedürfnisgerechten
Verbesserung von Haltungssystemen der Milchkühe zu präsentieren und die Auswirkungen für
die Praxis aufzuzeigen. Hierzu wurden wissenschaftliche Studien zu Themen «natürliche Bedürf-
nisse der Kuh und Anforderungen an das Haltungssystems» mit Anpassungen und Erfahrungen
in der Praxis verglichen.
Im Rahmen der Thesis wurden insgesamt 36 Betriebsleiter interviewt. Auf den besuchten Betrie-
ben wurde das Haltungssystem zwischen 2010 und 2014 an die Bedürfnisse der Milchkuh ange-
passt. Die Veränderungen wurden schriftlich sowie mit Fotos dokumentiert und die Betriebs-
leiterfamilien zu ersten Erfahrungen aufgrund der Anpassungen befragt. Ebenfalls waren die
Gründe für die Umsetzung wie auch die Zufriedenheit mit dem jetzigen System relevante The-
men bei der Visite.
Die Wichtigkeit des Haltungssystems für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Milchkuh
wird oft unterschätzt. Besonders der Liegebereich spielt eine zentrale Rolle. Die negativen Kon-
sequenzen von mangelhaftem Liegekomfort wurden in der Literatur mehrmals beschrieben und
von den Landwirten bestätigt. Gesundheitliche Probleme der Kühe waren oft genannte Beweg-
gründe eine Optimierung vorzunehmen. Die praxiserprobte Wirkung von einfachen und kosten-
günstigen Anpassungen an die Bedürfnisse der Kuh, überzeugte die Landwirte schlussendlich
den eigenen Stall zu optimieren. Auf 34 Betrieben wurden nach Einschätzungen der Landwirte
bereits innert kurzer Zeit längere Liegephasen und artgerechtes Abliegen und Aufstehen beo-
bachtet. Auch die Tiergesundheit verbesserte sich gemäss ersten Erfahrungen der Betriebsleiter.
Insbesondere wurde ein Rückgang der entzündlichen Veränderungen der Gelenke festgestellt.
Die wirkungsvollen Anpassungen des Haltungssystems haben daher auch positive Auswirkungen
auf den Einsatz von Antibiotika, längerfristig auf die Langlebigkeit der Kühe und die Möglichkeit
Aufzuchttiere zu verkaufen. Zusätzlich wurde eine Tendenz zu höheren Milchleistungen beo-
bachtet. Eine wichtige Auswirkung war auch die zunehmende Freude an der Tierbetreuung und
die verbesserte Lebensqualität der Betriebsleiterfamilien, welche für die Zukunft des Betriebes
eine entscheidende Rolle spielt.
Gemäss den Resultaten dieser Studie ist das Optimierungspotential in bestehenden Milchvieh-
ställen enorm. Doch auch in aktuellen Neubauten sind nach wie vor Einrichtungen anzutreffen,
die nicht den natürlichen Bedürfnissen der Milchkühe entsprechen. Daher sollte ein spezielles
Augenmerk auf die Beratung in der Planungsphase gelegt werden, damit Baufehler in jedem Fall
von Milchkühen beeinflusst erwiesenermassen das Verhalten, die Gesundheit und damit das
Wohlbefinden der Tiere wesentlich (Veissier et al. 2004; Uzal und Ugurlu 2010). Die Mindestan-
forderungen gemäss Schweizer Tierschutznormen sind in der Schweiz Standard. Dennoch sind
immer noch zu viele Verletzungen, Krankheiten oder auch abnormale Verhaltensweisen in Ställen
zu beobachten. Dies kann oftmals auf Mängel in der Haltung zurückgeführt werden (Nuss und
Weidmann 2013). Das Optimierungspotential bestehender Anbinde- und Laufställe ist gross.
Heute werden immer noch viele Ställe gebaut, die einzig auf die Einhaltung der Mindestnormen
ausgerichtet sind. Die Bedürfnisse der Kuh werden zu wenig berücksichtigt, trotz beschriebener
Problematik um Verletzungen und abnormalen Verhaltensweisen. Ein Umdenken ist hier zwin-
gend nötig. Das heisst nicht, dass die Mindestanforderungen angehoben werden müssen, son-
dern Anpassungen der Pläne im Sinne der Kuh getätigt werden sollen. Die fachkundige Unter-
stützung durch Berater ist hier gefordert. Nur so lassen sich Baufehler bei Neubauten vermeiden.
Ebenso wichtig sind vereinfachte Arbeitsabläufe für den Tierhalter. Optimierte Abläufe ermögli-
chen Freiräume für die Betriebsleiterfamilien, wodurch die Freude im täglichen Umgang mit den
Kühen noch grösser wird.
Es gibt viele Indikatoren und Indizes zur Beurteilung von Tierwohl. Es existieren jedoch wenige
Anleitungen für die Praxis, wie man in einem bestehenden oder auch neuen Stall den Bedürfnis-
sen der Milchkuh mit wirkungsvollen Anpassungen gerecht werden kann.
Folgende Fragen stellen sich:
Welche Grundbedürfnisse der Milchkühe sollten bei der Anpassung von Haltungssyste-
men berücksichtigt werden?
Wie kann der Landwirt seinen Stall im Sinne der Kuh wirkungsvoll optimieren?
Was hat die Landwirte dazu bewegt, ihren Stall anzupassen?
Welche Erfahrungen haben die Landwirte mit den Anpassungen gemacht?
Das Ziel dieser Thesis ist es, praxistaugliche Lösungen zur bedürfnisgerechten Verbesserung von
Haltungssystemen von Milchkühen zu präsentieren.
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2 Stand der Forschung
2.1 Aufstallung von Milchvieh in der Schweiz
In der Schweiz sind Milchkühe in Anbinde- oder Laufställen eingestallt. Der Anteil der im Lauf-
stall gehaltenen Tiere hat in 20 Jahren von fünf Prozent im Jahr 1990 auf 40 Prozent im Jahr
2010 zugenommen (Schrade et al. 2011). Dies ist in erster Linie auf die grosse Anzahl Neubau-
ten mit einer steigenden Anzahl Kuhplätze zurückzuführen. Laufställe sind häufig mit Liegebo-
xen ausgestattet. Praktiziert werden aber auch Zweiraumsysteme, deren offene Liegeflächen mit
Stroh oder Kompost eingestreut sind und ohne Liegeboxenabtrennungen funktionieren. Tret-
mistställe werden in der Schweiz vorwiegend für die Mutterkuhhaltung oder die Grossviehmast
gebaut. Die freiwillige Teilnahme an tierwohlfördernden Ethoprogrammen wie BTS (=besonders
tierfreundliche Stallhaltungssysteme) und RAUS (=regelmässiger Auslauf im Freien) sind für Lauf-
stall-Betriebe möglich (Regula et al. 2000).
Die Auswertung von Schrade et al. (2011) in Abb. 1 zeigt, dass die Bedeutung von Anbindestäl-
len freilich abnimmt, aber auch im Jahre 2020 voraussichtlich noch ein Drittel aller Milchkühe in
obgenanntem System gehalten werden. Sie sind deshalb nach wie vor ein wichtiger Bestandteil
der Milchviehhaltung in der Schweiz. Betriebe mit Anbindehaltung können sich mit Weide und
Auslauf am RAUS-, jedoch nicht am BTS-Programm beteiligen. Im Berggebiet ist das Vergrösse-
rungspotential oftmals nicht vorhanden. Für kleinstrukturierte Betriebe mit Alpung und viel Wei-
degang im Sommer hat der Anbindestall auch in Zukunft durchaus seine Berechtigung.
Abb. 1: Verlauf der Anteile von Rindvieh in Anbinde- bzw. Laufställen basierend auf Statistiken des Schwei-
zerischen Bauernverbands (1991 - 2008) und einer Expertenschätzung (Quelle: Schrade et al. 2011)
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2.2 Tierwohl und gesetzliche Mindestvorgaben
Der Begriff Tierwohl wird oft mit der Tiergerechtheit gleichgestellt (Elmiger 2005). Fraser et al.
(1997) zeigten drei Aspekte zur Erfassung von Tierwohl auf: 1. Das Tier kann ohne Einschrän-
kungen gute Leistungen erbringen (gute Gesundheit, bedarfsgerechte Fütterung etc.), 2. das Tier
fühlt sich wohl (keine Schmerzen oder schmerzverursachende Einrichtungen vorhanden etc.) und
3. das Tier kann ein möglichst artgerechtes Leben führen (Ausleben von natürlichen Verhaltens-
weisen wie Sozialkontakte pflegen, Weiden etc.). Diese drei Tierwohl-Aspekte sind auch in offizi-
ellen Definitionen, wie beispielsweise die der World Organization for Animal Health aufgeführt
und heute noch gebräuchlich. Ein Tier mit einem guten Welfare-Status wird demnach als gesund,
gut genährt, mit Möglichkeit zu natürlichem Verhalten und frei von Leiden wie Angst, Schmerz
oder Stress beschrieben (World Organisation for Animal Health 2014). Das entspricht den fünf
Freiheiten des europäischen Farm Animal Welfare Councils 0F
1.
Hulsen (2004) definiert mit dem Kuhsignale-Diamanten die sechs Grundbedürfnisse einer ge-
sunden Kuh: Futter und Wasser zur freien Verfügung, Licht und einwandfreie Luftqualität,
ausreichend Ruhe und Raum im Stall.
Gemäss Art. 3, Ziff. 1, Abs. 1 der Schweizer Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV;
SR 455.1; AS 2008) ist mit Tieren so umzugehen bzw. sind Tiere so zu halten, dass «..[..]..die
Körperfunktion und das Verhalten der Tiere nicht gestört werden und die Anpassungsfähigkeit
der Tiere nicht überfordert wird». Die Tierschutzvorschriften sind Minimalanforderungen. Sie
sind nicht gezielt auf den Aspekt Tierwohl ausgerichtet. Nuss und Weidmann (2013) wie auch
Veissier et al. (2004) machen auf Verletzungen, Schürfungen, Schwellungen und abnormale Ver-
haltensweisen in Ställen aufmerksam, die häufig auf unzureichende Tiergerechtheit der Liegebo-
xen und Liegeflächen zurückzuführen sind. Gemäss Nuss und Weidmann (2013) kommen auf
vielen Betrieben Sprunggelenksschädigungen mit einer Häufigkeit von 40 – 70 Prozent der auf-
gestallten Kühe vor, was aus Sicht des Wohlbefindens der Kühe bedenklich ist.
Im Zentrum der Tierschutzgesetzgebung stehen vor allem indirekte Parameter bezüglich Tier-
wohls, die im Stall gemessen werden können. Gemäss Ruetz (2010) sind die Korrelationen zwi-
schen Tierwohl und den indirekt messbaren Parameter nicht immer gegeben oder auch nicht für
alle Tierwohlaspekte bekannt. Fregonesi und Leaver (2001) wie auch Nuss und Weidmann (2013)
zeigten in ihren Untersuchungen auf, dass in der Steigerung von Wohlbefinden der Kuh und Ar-
beitseffizienz noch sehr viel schlummerndes Potential liegt. Durch Einbezug von Praxiserfahrun-
gen und mit Hilfe von einfachen Checklisten kann die Tiergerechtheit auf Betrieben auch ohne
Anpassungen von Richtlinien, Gesetzen oder Verordnungen verbessert werden. Die Erfahrungen
von landwirtschaftlichen Beratern zeigen, dass in Praxisbetrieben durch bedürfnisgerechte An-
passungen des Haltungssystems verbesserte Gesundheit und steigende Milchleistungen zu be-
obachten sind (Manser 2012, Persönliche Mitteilung).
1 UK Farm Animal Welfare Council, 1991
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2.3 Bedürfnisse der Milchkuh
Die leistende Kuh braucht maximal schmackhaftes Futter und genügend Ruhe in Form von Lie-
gephasen. Die Fressdauer einer Kuh variiert zwischen drei bis fünf Stunden (Wierenga 1991;
Cook et al. 2004; Grant 2007), dabei nimmt sie neun bis vierzehn Mahlzeiten pro Tag zu sich
(Grant 2007). Gemäss ebd. (2007) käut die Kuh sieben bis zehn Stunden wieder und trinkt laut
Cook et al. (2004) über den Tag summiert insgesamt während 30 Minuten. Eine hochleistende
Kuh hat ein Ruhebedürfnis von zehn bis vierzehn Stunden (Wierenga 1991; Grant 2007; Sanftle-
ben et al. 2007; Brandes 2011; Hulsen 2012a; Ohnstad 2012) und sie legt sich zwischen sieben
bis elf Mal pro Tag hin (Cook et al. 2004; Sanftleben et al. 2007; Ito et al. 2009). Eine Ruhephase
dauert in der Regel zwischen 70 bis 90 Minuten (Cook et al. 2004; Sanftleben et al. 2007). Grant
(2007) zeigte zudem auf, dass die Kuh während zwei bis drei Stunden pro Tag ihr Sozialverhal-
ten auslebt. Der Zeitverbrauch für Melk- und Wartezeit belief sich in seiner Studie auf zweiein-
halb bis dreieinhalb Stunden täglich. Ebenso erläuterte er, dass Abweichungen vom natürlichen
Aktivitätsplan einer Herde auf Fehler im Management (inkl. Haltungsumgebung) hinweisen kön-
nen. Schlechter Kuhkomfort verändert gemäss Cook (ohne Jahr) und Munksgaard et al. (2005)
die Aktivität während 24 Stunden. Im Versuch von ebd. (2005) kam zudem heraus, dass Kühe,
die in ihrem freien Verhalten eingeschränkt werden, das Liegen auf Kosten der Fresszeit vorzie-
hen.
2.4 Raum- und Ruhebedürfnis der Milchkuh
2.4.1 Wichtigkeit der Laufflächengestaltung
Die Kuh stellt hohe Anforderungen an das Haltungssystem, die Lauf- wie auch die Liegeflächen.
Der Weideboden hat über Jahrhunderte Klauen und Gelenke geschont. Die harten perforierten
oder nicht perforierten Böden im Laufstall werden diesem Kriterium nicht mehr gerecht. Bei un-
genügendem Liegekomfort und schlechtem Stallkonzept kommt es zu längeren Stehzeiten auf
harten und teils mit Kot und Urin verschmutzen Laufflächen (Cook und Nordlund 2009). Dies
führt zu einer hohen Belastung der Gliedmassen und zu einer höheren Lahmheitsrate (ebd.). Die
feuchte, mit Gülle verschmutzte Umgebung greift zuerst die weiche Ballen- und Zwischenklauen-
haut an, wodurch beispielsweise die Erkrankung wie auch die Verschleppung von Mortellaro be-
günstigt wird (Fiedler et al. 2004). Die Klauen waren ursprünglich für lange Wegstrecken in der
Natur vorgesehen. Diverse Studien haben aufgezeigt, dass Haltungssysteme mit regelmässiger
Bewegungsmöglichkeit einen positiven Einfluss auf Lahmheiten, Mastitis, Veränderungen an Ge-
lenken wie auch auf die Fruchtbarkeit haben (Gustafson und Lund-Magnussen 1995; Regula et al.
2004). Swissgenetics (2008) erwähnt zudem, dass Kühe in einem Laufstall bis zu drei und auf
der Weide je nach Futterangebot sogar bis zwölf Kilometer täglich zurücklegen. Die Bodenver-
hältnisse spielen für eine sichere Fortbewegung eine wichtige Rolle. Neben der Sauberkeit der
Lauffläche ist auch die Rutschfestigkeit von grosser Bedeutung. Kühe, welche sich, auf drei Bei-
nen stehend, im Zwischenschenkelspalt lecken sind ein Indiz für griffige Bodenverhältnisse
(ebd.). Zudem kann aufgrund der Schrittlänge eine Aussage über die Rutschsicherheit gemacht
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werden. Kühe weisen auf gummierten Böden eine höhere Schrittlänge auf als auf rutschigem
Gussasphalt oder auf Betonspalten (Haufe et al. 2009)
Das Raumangebot wie auch die Gangbreiten sind in Laufställen für das Verhalten der Tiere sehr
entscheidend. Können die Tiere ihre Individualdistanz aufgrund enger Verhältnisse beispielswei-
se im Bereich der Tränke oder bei Quergängen nicht einhalten, kommt es unweigerlich zu Rang-
kämpfen und nicht selten auch zu Verletzungen (Waiblinger und Wechsler 2007). Konggaard
(1983) zeigte auf, dass bei zu eng bemessenen Stalldurchgängen in Laufställen besonders rang-
niedrige Tiere nur eingeschränkten Zugang zu den Ressourcen wie Futter, Wasser oder auch Lie-
geplätze haben. Das führt zu Stresssituationen für das Tier. Diese können Auswirkungen auf die
Leistung und das Wohlbefinden der Tiere haben (Hemsworth et al. 2000).
Die Schweizer Tierschutzverordnung (TSchV; SR 455.1; AS 2008) und die Österreichische 1. Tier-
haltungsverordnung (BGBI. II Nr. 485/2004) sind bezüglich gesetzlicher Mindestanforderungen
vergleichbar. In beiden Verordnungen werden bei Umbauten bis zu 40 cm engere Verhältnisse
akzeptiert. In der Schweiz werden dabei Auflagen wirksam, wie beispielsweise, dass keine Sack-
gasse bestehen darf, die Tiere Auslauf haben müssen und die Boxenabtrennungen nicht bis zum
Kotbalken reichen dürfen. In neu eingerichteten Ställen gelten die aktuellen Masse (in Tab. 1,
fettgedruckt).
Tab. 1: Mindestanforderungen an Laufgänge (cm) in der Schweiz und in Österreich
Masse Laufgänge (cm)a
Kühe und hochträchtige Erstkalbende in der Schweiz 1F
2 und in Österreich 2F
3 mit unter-schiedlicher Widerristhöhe (cm) bzw. unter-schiedlichem Gewicht (kg) von
Laufgangmasse nach Manser (2015b, Per-sönliche Mitteilung)
125 ± 5 bis 550
135 ± 5 bis 700
145 ± 5 >700
≥ 145
Breite Fressgang bei Fressachse
290/250b
320/280b
320/280b,c
330/290b
380-500
Breite Laufgang bei Liegeboxen
220/180b
240/200b
250/220b,c
260/220b
260
Querpassage ohne Kreuzungsmöglichkeit
80 – 120 (bei max. 6 m Länge)
120d
Querpassage mit Kreuzungsmöglichkeit
mind. 180 (bei Installation von Tränken usw. mind. 240)
mind. 200
a gesetzliche Mindestmasse sind in der Tabelle fettgedruckt, Empfehlungen normalgedruckt b Bei Umbauten werden von der Gesetzgebung geringere Werte akzeptiert (fett und kursiv), für neu eingerichtete Ställe
gelten die nur fettgedruckten Masse c Unabhängig von Gewichts- oder Grössenunterschiede der Kühe d bei Passagelängen einer Liegeboxentiefe (260 cm)
2 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV) und Tierschutz-Kontrollhandbuch Rinder (BVET 2014)
3 1. Tierhaltungsverordnung, Fassung 10. April 2015, Bundeskanzleramt Rechtsinformation RIS, Österreich
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In Österreich sind die Masse unabhängig vom Gewicht oder der Grösse der Kuh definiert. Waib-
linger und Wechsler (2007) erwähnen in ihre Studie, dass in Boxenlaufställen neben der Breite
der Stallgänge auch die Häufigkeit von Quergängen zwischen Liege- und Fressbereich wie auch
die Länge der Passage einen Einfluss auf die Erreichbarkeit von Liegeplätzen, Futter und Wasser
wie auch auf soziale und gesundheitliche Aspekte haben. Studien zur optimalen Breite von Stall-
gängen sind kaum vorhanden. Bartussek et al. (1995) und Zeeb (1987), zitiert in Waiblinger und
Wechsler (2007), sprachen von Empfehlungen, die sich auf Berechnungen anhand der Körper-
grösse abstützen. Für die Breite des Fressganges wird die Formel „Körperlänge Schulter bis Sitz-
beinhöcker + 2 x Bauchbreite“ verwendet. Hinter einer fressenden Kuh, sollten sich zwei Kühe
problemlos kreuzen können. Empfehlungen von Christian Manser (Lehrer und Berater am Land-
wirtschaftlichen Zentrum St. Gallen) beruhen auf täglichen Beobachtungen an Tieren und ihren
Bewegungsabläufen im Stall wie auch bei Abliege- und Aufstehvorgängen. Gemäss Manser
(2015b, Persönliche Mitteilung) braucht eine laktierende Kuh mit einer Körperlänge von 180 cm
(Schulter bis Sitzbeinhöcker) und einer Bauchbreite von 90 - 100 cm für müheloses Kreuzen eine
Fressgangbreite von 380 cm. Bei grösseren Herden (± 100 Tieren) und dadurch mehr Tierverkehr
empfiehlt er eine Verbreiterung auf bis zu 500 cm. Die Breite vom Laufgang zwischen den Liege-
boxen ist stark abhängig vom Stall- bzw. Melksystem wie ebenfalls von der Herdengrösse. Wird
der Laufgang nicht als Treibgang genutzt, reichen 260 cm aus. Bei Querpassagen sind die Masse
einerseits wieder abhängig von der Grösse der Tiergruppe. Andererseits sind dabei die Über-
sichtlichkeit und die Länge der Passagen entscheidend für den Stressfaktor. Bei Querpassagen
mit Kreuzungsmöglichkeit empfiehlt ebd. (2015b, Persönliche Mitteilung) eine Breite von min-
destens zwei Meter. Dabei sollten im Quergang keine Hindernisse wie beispielsweise eine Tränke
vorhanden sein. Andernfalls muss die Breite entsprechend angepasst werden.
Für die nach ebd. (2015b, Persönliche Mitteilung) geltenden Masse sind bedürfnisgerechte Lie-
geboxenverhältnisse die Voraussetzung für die Verbindlichkeit der Angaben.
2.4.2 Wichtigkeit der Abmessungen im Liegebereich
Das Liegeboxen-Tier-Verhältnis ist in der Schweiz wie auch in Österreich in der
Tierschutzverordnung bzw. in der Tierhaltungsverordnung festgelegt. Jeder Kuh muss ein
Liegeplatz im Stall zur Verfügung stehen. In anderen Ländern sind nur Empfehlungen vorhanden
(beispielsweise Europaratsempfehlung 2000). Es gibt etliche Studien, welche die negativen
Auswirkung von Überbelegung aufzeigen. Fregonesi et al. (2007a) zeigten reduzierte Liegedauer
und Liegezeiten bei Überbelegung auf, was folglich auch das Auftreten von Lahmheiten durch
lange Stehzeiten und Aggressionen in der Herde erhöht. Damit Kühe gesund bleiben und hohe
Leistungen erbringen können, benötigen sie viel Ruhe und ausgiebige Liegephasen. Dies ist nur
möglich, wenn den Kühen bedürfnisgerechte Liegebereiche zur Verfügung stehen. Die Wichtig-
keit von tiergerechter Liegeboxengestaltung wird oft unterschätzt. Untersuchungen zeigten auf,
dass vermehrte Liegephasen und somit mehr Liegezeit pro Tag den gesamten Bewegungsapparat
erwiesenermassen entlastet, die Klauen trocknen ab und Lahmheiten gehen zurück (Hulsen
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2004; McFadden 2007). Zudem wirken sich lange Liegezeiten positiv auf die Wiederkautätigkeit
aus, was durch die erhöhte Speichelbildung wiederum die Pansenpufferung verbessert (Sanftle-
ben et al. 2007).
Weitere Studien belegten, dass der Blutfluss zu den Milchdrüsen 25 Prozent (Metcalf et al. 1992)
bzw. bis zu 30 Prozent (Hulsen 2004) höher ist, wenn die Kühe liegen. Diese erhöhte Durchblu-
tung des Euters ermöglicht eine höhere Milchsynthese. Grant (2007) fand in seiner Untersuchung
heraus, dass eine liegende Kuh pro Stunde bis zu 1.7 Kilogramm mehr Milch produziert (Abb. 2).
Die Mindestmasse für Liegeboxen gemäss Schweizer Tierschutzverordnung (TSchV; SR 455.1;
AS 2008) und Österreichischer 1. Tierhaltungsverordnung (BGBI. II Nr. 485/2004) sind in Tab. 2
fettgedruckt. Die gesetzlichen Mindestanforderungen dieser beiden Länder sind grundsätzlich
vergleichbar. Zu beachten ist jedoch, dass in der Schweiz Lichtmasse gelten und in Österreich
die Achsmasse zählen. Je nach Abtrennung kann so die tatsächliche Breite der Liegeboxe zwi-
schen fünf bis zehn Zentimeter variieren. Normalgedruckt sind empfohlene Masse der For-
schungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART (Zähner 2009) wie auch von Christian Man-
ser (Küenzi 2014). Bei den Angaben von Kanswohl und Sanftleben (2006) handelt es sich um
Empfehlungen für Holsteinkühe (>700 kg Lebendgewicht). In Deutschland sind keine gesetzli-
chen Mindestmasse für die Haltung von Rindern über 6 Monate festgelegt (Waiblinger und
Wechsler 2007).
Abb. 2: Zusammenhang zwischen Liegezeit und Milchleistung von Milchkühen (Quelle: Grant 2007)
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Tab. 2: Angaben zu Abmessungen von Liegeboxen (cm) in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland
Boxenmasse (cm)a
Kühe und hochträchtige Erstka-lbende in der Schweiz (Zähner 2009) und in Österreich 3F
4 mit un-terschiedlicher Widerristhöhe (cm) bzw. unterschiedlichem Ge-wicht (kg) von
Liegenboxen-masse nach Manser (Küenzi 2014)
Holsteinkühe in Deutschland (Kanswohl und Sanftleben 2006)
125 ± 5 bis 550
135 ± 5 bis 700
145 ± 5 >700
≥ 145 >700 kg
Boxenlänge wandständig
230 230
240 240
260 260
260b 270
Boxenlänge ge-genständig
200 210
220 220
235 240
260 240
Länge Liegefläche Kotkante bis Bugbalken
165 185 190 200 170-175
Kopfraum bei wandständiger Boxe
65 55 70 120 95-100
Bodenfreiheit unter dem Trennbügel bis Liegefläche
min. 40 min. 40 min. 40 70 max. 25-30
Höhe des Na-ckenriegels 100-105 110-115 115-120 125-130 120-125
Diagonale Boxen-kante bis Nacken-rohr
180-185 190-195 200-205 215
Boxenbreite 110 115
120 120
125 125
125
122c 122
Abstand Ober-kante Liegefläche und Oberkante Bugholz
max. 10 max. 10 max. 10 <5
a gesetzliche Mindestmasse sind in der Tabelle fettgedruckt, Empfehlungen normalgedruckt b Mauer im Kopfbereich ragt max. 10 cm über Liegefläche (Gewährleistung Schwungraum), sonst 320 cm c empfohlene Masse bei flexiblen Boxenelementen
Tab. 3 zeigt eine Zusammenstellung der gesetzlichen Mindestabmessungen in Anbindeställen in
der Schweiz (Art. 10 Anhang 1 TSchV) und in Österreich (Anlage 2, BGBI. II Nr. 485/2004). Für
Kühe über 700 kg bzw. einer Widerristhöhe von 145 cm ± 5 cm sind die Angaben mit 185 bis
195 cm mit den Angaben von Manser (2015b, Persönliche Mitteilung) vergleichbar. Der Mittel-
langstand wird von Christian Manser als System nicht empfohlen, da diese Aufstallungsform den
Kopfschwung nach vorne nicht erlaubt und dies entgegen den natürlichen Bedürfnissen der Kuh
ist. Der vordere Krippenrand ist nach wie vor das Hauptproblem für fehlenden Schwungraum in
Anbindeställen (ebd.)
4 1. Tierhaltungsverordnung, Fassung 10. April 2015, Bundeskanzleramt Rechtsinformation RIS, Österreich
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Tab. 3: Vorgaben zu Mindestabmessungen in Anbindeställen (cm) in der Schweiz und in Österreich
Lägermasse (cm)a
Kühe und hochträchtige Erstkalbende in der Schweiz 4F
5 und in Österreich 5F
6 mit unter-schiedlicher Widerristhöhe (cm) bzw. un-terschiedlichem Gewicht (kg) von
Lägermasse nach Manser (2015b, Per-sönliche Mitteilung)
125 ± 5 bis 550
135 ± 5 bis 700
145 ± 5 >700
≥ 145
Standlänge Kurzstand 165 165
185 175
195 185
Max. 195
Standlänge Mittellang-stand
180 200
200 210
240 220
Wird als System nicht empfohlen
Standbreite 100 115
110 120
120 125
120
a gesetzliche Mindestmasse sind in der Tabelle fettgedruckt, Empfehlungen normalgedruckt
Die Dimensionierung und die Ausstattung des Liegebereiches bzw. der Liegebox sind für das
Ausleben normaler Verhaltensweisen einer Kuh zentral (Kanswohl und Sanftleben 2006; Sanftle-
ben et al. 2007). Zu enge Abmessungen und harte Unterlagen im Liegebereich führen unweiger-
lich zu haarlosen Stellen, Schwellungen bis hin zu offenen Wunden an Beinen, Hüfthöcker, Rück-
grat wie auch an den Rippen (Wechsler et al. 2000; Nuss und Weidmann 2013). Hörning (2003),
zitiert in Sanftleben et al. (2007), wies in seiner Studie nach, dass es mit steigenden Boxenmas-
sen zu weniger Abweichung vom normalen Liegeverhalten der Kühe kommt. Das heisst die An-
zahl Liegeperioden wie auch die Gesamtliegezeit nahmen zu und die Verzögerungen beim Auf-
stehen bzw. beim Abliegen nahmen ab. Experimente von Tucker et al. (2004) zeigten, dass brei-
tere Boxen (126 cm im Vergleich zu 106 cm) zu längeren Liegezeiten, aber auch zu längerem
Stehen mit allen vier Beinen in der Box führte. Dabei nahm die Stehzeit mit nur zwei Beinen in
der Box und zwei Beinen auf der Lauffläche ab. Restriktiv eingestellte Nackenrohre auf einer Hö-
he von 118 Zentimeter und einem horizontalen Abstand zum Kotbalken von 130 Zentimeter ha-
ben aber den Effekt, dass die Kühe nicht mit allen Vieren in der Box stehen können (Bernardi et
al. 2009). Das zwingt die Kuh dazu zurückzutreten. So wird Kot und Harn ausserhalb der Liege-
box abgesetzt. Das verbessert die Hygiene (Fregonesi et al. 2009). Doch Fitzgerald et al. (2000)
bestätigten den negativen Einfluss der Feuchtigkeit auf die Klaue bei Stehzeiten im Gülle-Harn-
Gemisch. Stehen die Kühe nur mit den Vorderbeinen in der Box, wird das Gewicht auf die Hinter-
beine verlagert, was das Risiko von Lahmheiten nochmals erhöht. Sanftleben et al. (2005), zitiert
in Sanftleben et al. (2007), werteten das Stehen mit zwei Vorderbeinen bei Holsteinkühen in Lie-
geboxen auch als Versuch zur Entlastung von Pansen- und Bauchraum. Bernardi et al. (2009) und
Fregonesi et al. (2009) erwähnten, dass ein Kompromiss zwischen sauberen Kühen und der
Klauengesundheit einzugehen ist. Sie empfehlen aufgrund ihrer Erfahrungen Boxen ohne restrik-
tive Nackenrohre. Zudem konnten Potterton et al. (2011) aufzeigen, dass Nackenrohre mit einer
senkrechten Höhe von mehr als 124 cm und weiter als 199 cm vom Kotbalken entfernt (Diagona- 5 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV)
6 1. Tierhaltungsverordnung, Fassung 10. April 2015, Bundeskanzleramt Rechtsinformation RIS, Österreich
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le) angebracht, mit signifikant weniger Haarverlusten bzw. Gelenksveränderungen einhergehen.
Grosszügigere Boxenmasse werden mit einem Mehraufwand für die Boxenpflege beschrieben
(Sanftleben et al. 2007), bringen aber mehr Liegequalität für die Kuh.
Ein wichtiger Aspekt in der bedürfnisgerechten Liegeboxengestaltung ist der Bedarf an Kopf- und
Schwungraum von Kühen zum natürlichen Aufsteh- und Abliegeverhalten. Bachschweller (2009)
hat den Kopfraumbedarf von Fleckvieh- und Holsteinkühen genauer untersucht. Dabei wurden
die kritischen Punkte (0-7 in Abb. 3) bei der Aufstehphase von Kühen definiert, welche in Hal-
tungssystemen durch Stallbauelemente beeinträchtigt werden können. Als Ausgangspunkt 0 galt
das abgelegte Karpalgelenk. Um ein artgemässes Aufstehen zu ermöglichen, benötigt die Kuh
einen Kopf- und Schwungraum von 120 cm, 25 % der beobachteten Kühe brauchten sogar 135
cm Raum nach vorne (ebd.). Die geltenden Masse nach baulichem Tierschutz für Krippen im An-
bindestall (BVET 2014) ermöglichen mit 60 cm keinen natürlichen Kopfschwung nach vorne. Wird
der Schwungraum nicht gewährt, sind oftmals längerdauernde Aufstehversuche wie auch pferde-
artiges Aufstehen mit Rückwärtsbewegungen vor dem Aufstehen zu beobachten (Bachschweller
2009). Dies belastet die Vordergliedmassen sehr stark und hat zudem Auswirkungen auf Verän-
derungen an den Sprunggelenken (Nuss und Weidmann 2013).
Abb. 3: Aufstehvorgang einer Kuh mit Kopfschwung ohne Einschränkungen (Quelle: Bachschweller 2009)
2.4.3 Wichtigkeit der Liegeunterlage
Neben den Boxenmassen spielt auch die Qualität der Liegefläche eine wichtige Rolle für das Ru-
heverhalten von Milchkühen. Die Menge an Einstreu wie auch die Qualität und das Material der
Liegeflächen wurden in verschiedenen Studien untersucht. Veränderungen an Sprunggelenken
weisen unter anderem auf mangelnde Tiergerechtheit der Unterlage hin. Zähner et al. (2009)
zeigten auf, dass die Anzahl Schäden bei Betrieben mit Komfortmatten, Gummimatten oder lo-
sem Stroh deutlich höher ist, als bei weichen, verformbaren Unterlagen mit Kompost, Strohmist,
Kalkstroh, Feststoffen (Gülleseparationsgut) oder Sand (Abb. 4). In deren Studie wird zudem er-
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wähnt, dass die unterschiedlichen Ergebnisse zwischen den Betrieben darauf hindeuten, dass
neben dem Füllmaterial auch die Einstreuhöhe, die Liegenboxenpflege und –abmessungen sowie
die Steuerungseinrichtungen für die Tiergerechtheit massgebend sind (ebd.).
Abb. 4: Anzahl Schäden pro 100 Tiere der verschiedenen Liegeflächen, unterteilt in die einzelnen Scha-
denskategorien im Vergleich zu Literaturwerten (Daten Strohmist-Matratze, Komfortmatte, loses Stroh und
Gummimatte: Buchwalder 1999, Schaub et al. 1999) (Quelle: Zähner et al. 2009)
Gleichbedeutende Ergebnisse fanden auch Nuss und Weidmann (2013). Sie verglichen die Liege-
zeit in Abhängigkeit verschiedener Faktoren (Tab. 4). Die Liegedauer in Tiefboxen mit Einstreu
wie Sand, Stroh oder Sägemehl war in jedem Versuch verlängert im Vergleich zu Gummimatten.
Im Anbindestall stellt Alder (2012) eine verlängerte Gesamtliegedauer von 1.8 Stunden auf Kalk-
stroh-Matratzen im Vergleich zu Läger mit Gummimatten fest. Das Risiko von Gelenksverände-
rungen bzw. haarlosen Stellen am Sprunggelenk war bei Hochboxen mit Gummimatten im Ver-
gleich mit Tiefboxen und einer Strohmist-Matratze klar höher (Kanswohl und Sanftleben 2006).
Die Kühe zogen weichere, verformbare Unterlagen Gummimatten bzw. geotextilen Matratzen mit
Sägemehlschicht vor. Zudem zeigten Tucker et al. (2009) im Anbindestall auf, dass ein zusätzli-
ches Kilogramm Stroh eine Verlängerung der Liegezeit von zwölf Minuten bringt.
Die Kühe bevorzugten in einem Wahlversuch klar trockene (86.4% TS) im Vergleich zu feuchter
(26.5% TS) Unterlage. Bei feuchter Unterlage wurde die Liegezeit bis zu fünf Stunden pro Tag
verringert (Fregonesi et al. 2007b). Hinsichtlich Klauenleiden wurde bei feuchter Liegefläche ein
erhöhtes Risiko festgestellt (Fitzgerald et al. 2000).
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Bei Stallumbauten mit Vergrösserung der Liegefläche konnte eine verlängerte Liegedauer und
eine signifikante Abnahme von Hautschäden und Umfangsvermehrung der Gelenke beobachtet
werden (Liebhart 2009). Die Lahmheit hatte in der Studie von Blackie et al. (2011) eine verlänger-
te Liegedauer von zwei Stunden zur Folge. Ein Gemisch von Stroh-Kalk-Wasser im Liegebereich in
Tiefboxen oder auf Läger im Anbindestall brachte Vorteile für die Euter- und die Klauengesund-
heit (Vögel 2001).
Tab. 4: Liegezeit und ihre Abhängigkeit von unterschiedliche Faktoren (Quelle: nach Nuss und Weidmann
2013, verändert)
Faktor Liegezeiten / Liegephasen Quelle
Menge der Einstreu 12 Minuten längere Liegedauer für jedes zusätzliche Kilo-gramm Stroh
Tucker et al. 2009
Kuhlenbildung Verkürzung der Liegezeit um 2.33 h/Tag bei Verminderung der Höhe der Liegefläche um mehr als 13 cm unterhalb der Oberkante der Liegeflächenbegrenzung
Drissler et al. 2005
Polstermaterial/-qualität
Länger auf Gummimatratzen als auf Gummimatten Chaplin et al. 2000
Liegeflächen-Wahlversuch: 44.1 % der Gesamtliegezeit in Sandboxen, 33.2 % in Strohboxen, 11.6 % auf Gummimatten
Calamari et al. 2009
40 Minuten längere Liegezeit/Boxenaufenthalt in Hochtief- als in Hochboxen
Knell 2008
Erhöhung der Liegedauer in tiefen Sand-/Sägemehlboxen im Vergleich zu geotextilen Matratzen mit Sägemehlschicht
Tucker et al. 2003
Erhöhung der Gesamtliegedauer um 1.8 h auf Kalkstroh-Matratzen im Vergleich zu Gummimatten im Anbindestall
Alder 2012
trockene bis feuchte Liegeflächen
Wahlversuch: Kühe wählten 12.5 h/Tag trockene Liegeflä-chen, 0.9 h/Tag feuchte Liegeflächen Verringerung der Liegezeit um 5 h/Tag bei feuchtem Pols-termaterial (26.5 % TS) verglichen mit trockenem Polstermate-rial (86.4 % TS)
Fregonesi et al. 2007
Betrieb (Mittelwert) Liegedauer variierte zwischen 9.5 und 12.9 h/Tag 7 bis 10 Liegephasen pro Tag Dauer einer Liegephase 65 – 112 Minuten
Ito et al. 2009
Individuum Liegedauer variierte zwischen 5.6 – 17.5 h/Tag Fregonesi und Leaver 2001
Liegedauer variierte zwischen 4.3 – 19.5 h/Tag Ito et al. 2009
Tier-Boxen-Verhältnis
Reduktion der Liegezeiten um 1.7 h/Tag von einem Verhält-nis von 12 Tieren zu 12 Boxen bis zu einem Verhältnis von 12 Tieren zu 8 Boxen
Fregonesi et al. 2007
Alter Stall/Stallneubau mit Vergrösserung der Liegefläche
Verlängerung der Liegedauer von 9 h 26 min auf 11 h 45 min Verminderung der Liegeperiode von 12.3 auf 10.5 73.1 % ungehindertes Ablegen im alten und 85.9 % im neuen Stall Signifikante Abnahme von Integumentsschäden und Um-fangsvermehrung im neuen Stall
Liebhart 2009
Lahmheit Lahme Tiere lagen 13 h/Tag, nicht lahme 10.9 h/Tag Blackie et al. 2011
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2.5 Luft- und Lichtbedürfnis der Milchkuh
Das Klima im Stall unterscheidet sich bezüglich Lufttemperatur, -feuchte und Geschwindigkeit
wie auch der Belastung durch Schadgase oder Schwebstaub mehr oder weniger von der Aussen-
luft (BVET 2013). Das Stallklima leistet einen wesentlichen Beitrag zur Tiergerechtheit eines Hal-
tungssystems und zur Tiergesundheit. Gemäss Tierschutzverordnung (Art. 11, Abs. 1) muss im
Stall ein dem Tier angepasstes Klima herrschen. Der Tierhalter und/oder –besitzer hat die Ver-
antwortung, dem Rechnung zu tragen. Die thermoneutrale Zone einer Milchkuh liegt zwischen 5
und 25° Celsius, das heisst bereits ab einer Temperatur von 25° Celsius hat eine Kuh Hitzestress
(Roenfeldt 1998). Bei Temperaturen über 25° kann sich die Kuh nicht mehr genügend abkühlen,
was sich erwiesenermassen negativ auf ihre Leistung auswirkt (Kadzere et al. 2002). Die Tempe-
ratur der Stallluft korreliert stark mit der Luftzufuhr (Curt und Gooch ohne Jahr). Mit Hilfe von
Ventilatoren und dadurch erhöhter Luftgeschwindigkeit oder auch Sprinkleranlagen kann das
Tier die Körpertemperatur regulieren (BVET 2013). Gemäss Curt und Gooch (ohne Jahr) kann der
Luftaustausch mittels natürlicher Querlüftung des Gebäudes oder mit mechanischer Lüftung wie
beispielsweise mit einem Grossraumventilator geregelt werden. Welches System gewählt wird,
hängt stark von den Gegebenheiten des Stalles ab. In Neubauten kann die natürliche Lüftung frei
eingeplant werden, in älteren Stallgebäuden bringt die Unterstützung durch zusätzliche Ventila-
toren oder die Öffnung von Fenster und Scheunentore eine mögliche Alternative die Stallluft zu
verbessern.
Die gesetzlich vorgeschriebene Minimallichtintensität im Stall beträgt gemäss Art. 33, Ziff. 3,
Abs. 1 der Tierschutzverordnung 15 Lux. Gemäss Phillips und Schofield (1989) haben eine ver-
längerte Lichtphase bis zu 16 Stunden pro Tag sowie höhere Lichtintensitäten einen positiven
Effekt auf den TS-Verzehr und die Milchleistung. Dies bestätigten Buchanan et al. (2000) und
Dahl (2006) in ihren Untersuchungen. Die optimale Lichtintensität für laktierende Kühe liegt bei
a Veränderungen bezüglich allg. Gesundheitszustand, Gelenksveränderungen, Stoffwechsel, Klauen- und Eutergesundheit b Rückmeldung im Februar 2015 von insgesamt 13 Anbindeställen und 5 Laufställen; deutliche Milchzunahme (mehr als 500 kg); Zunahme (mehr als 200 kg); mehr oder weniger gleich (+/- 200 kg) bis leichte Abnahme (bis -200 kg)
In allen besuchten Betrieben wurde der Liegebereich verbessert. Das zeigt sich klar in der Ein-
schätzung der Liegezeit. Bis auf zwei Betriebe beobachteten alle eine Verlängerung bzw. höhere
Frequenz der Liegephasen innert kurzer Zeit nach der Anpassung. Dies zeigt die Relevanz eines
optimalen Liegebereiches, den die Kühe auch sehr schnell angenommen haben. Im Anbindestall
wurde ein höherer Bedarf an Einstreumaterial in 17 Fällen festgestellt. Im Laufstall blieb der Be-
darf mehr oder weniger gleich. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in Anbindeställen meist eine
grössere Veränderung im Einstreubereich vorgenommen wurde. Die Kalkstroh-Matratze im Ver-
gleich zur Gummimatte war gemäss Aussagen der Betriebsleiter arbeitsintensiver und der Ein-
streubedarf nahm vor allem am Anfang stark zu. Hier wurde oft erwähnt, dass die Kalkstroh-
Matratze erst nach drei bis sechs Monaten so richtig griffig und optimal wurde.
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Vor allem in der Anfangsphase war Geduld gefragt. Die Aussagen bestärken aber, dass sich der
Aufwand für das Wohlbefinden der Kuh längerfristig lohnt. Die meisten Landwirte beobachteten
betreffend Hygiene keinen grossen Unterschied. Im Anbindestall waren neun Betriebsleiter der
Meinung, dass die Kühe sauberer sind als vorher. In fünf Aufstallungssystemen hat sich die Sau-
berkeit der Kühe leicht verschlechtert. Dies kann mit dem Wechsel zur Kalkstroh-Matratze und
deren noch nicht optimaler Kompaktheit zusammenhängen. Zudem sind die Ansprüche der
Landwirte bezüglich der sauberen Kuh sehr unterschiedlich und die Aussagen auch mit persönli-
chen Vorstellungen von Sauberkeit verknüpft.
Veränderungen der durchschnittlichen Herdenleistung von Januar 2014 bis Januar 2015 wurden
per Mail erfragt, dabei sind 18 Rückmeldungen eingegangen. Elf Betriebe konnten eine Zunahme
von mehr als 200 kg Milch bis zu einer deutlichen Zunahme von mehr als 500 kg Milch des Her-
dendurchschnitts feststellen. Die Betriebsleiter erwähnten jedoch, dass es schwierig ist, diese
Beobachtung einem Aspekt zuzuordnen. So können im Vergleich über zwei Jahre die Futter-
grundlage und der Tierbestand mehr oder weniger stark schwanken. Grundsätzlich schreiben die
Landwirte die Zunahme der Milchleistung der bedürfnisgerechten Anpassung zu.
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5 Gesamtdiskussion
Milchviehhalter haben ein grosses Interesse daran, durch bedürfnisgerechte Haltung und Pflege
die Gesundheit der Tiere zu verbessern und dadurch eine gute Leistungsbereitschaft der Kühe zu
sichern (Sanftleben et al. 2007). Dies zeigte sich ebenfalls in der Befragung der 36 Betriebsleiter.
In den Gesprächen wurde klar, dass sich die Anpassung des Haltungssystems auf verschiedenen
Ebenen positiv ausgewirkt hat. Nach ersten Einschätzungen der Betriebsleiter zeigten sich Ver-
änderungen in steigender Milchleistung, verbesserter Tiergesundheit und dadurch abnehmen-
dem Tierarzneimittelverbrauch.
Einschlägige wissenschaftliche Ergebnisse von Wierenga (1991), Cook et al. (2004), Hulsen
(2004) oder auch Sanftleben et al. (2007) bestätigten die Wichtigkeit des natürlichen Liegebe-
dürfnisses einer Kuh. Die Landwirte beobachteten nach der Optimierung des Liegebereiches län-
gere Liegephasen, artgerechtes Abliegen und Aufstehen und eine Abnahme haltungsbedingter
Schäden wie Verletzungen an Sprunggelenken, Eutergelenken und Knien.
Gewisse Bedenken vor dem Umbau wie z.B. «wird es auch funktionieren ohne Wand?» wurden
von einigen Landwirten geäussert. Die Argumente und positiven Beispiele von Berufskollegen
sowie die geringen Investitionskosten überzeugten die Landwirte jedoch. Es war möglich, bereits
mit minimalen Massnahmen wirkungsvoll zum Wohle der Kuh beizutragen. Ein weiterer Ent-
scheidungsfaktor für die Optimierung war eine Vielzahl von Verletzungen oder sonstigen Erkran-
kungen in den bestehenden Systemen. Dies schlug auf das Gemüt der Landwirte. Es führte sogar
soweit, dass einige mit der Entscheidung für oder gegen Milchkühe haderten. Die positive Aus-
wirkung der Stallanpassungen führte gemäss der Betriebsleiter zu einer steigenden Arbeitszu-
friedenheit und einer erhöhten Lebensqualität. Die Zeit, die man mit Risikotieren verbringt,
macht gemäss Hulsen (2012b) bis zu 80 Prozent der täglichen Arbeit aus. Es ist gemäss Landwir-
te nicht die tägliche Arbeitszeit die zählt, sondern die eingesparte jährliche Arbeitszeit durch
weniger Patienten und langlebigere Kühe im Stall.
Der höhere Arbeitseinsatz beim Einbau einer Kalkstroh-Matratze war in den ersten zwei Monaten
anspruchsvoll, bis sich eine kompakte Matratze entwickelte. Die Landwirte waren sich einig, dass
sich die Geduld lohnt. Auch die Kühe brauchten eine gewisse Anpassungszeit an das optimierte
System. Eine gute Unterstützung von Berater oder Berufskollegen in der heiklen Anfangsphase ist
auf jeden Fall sehr hilfreich. Bis auf zwei Biobetriebe waren alle Ställe mit einem Kuhtrainer aus-
gestattet. Ob eine Kalkstroh- oder eine Strohmist-Matratze auch ohne diese Steuerungseinrich-
tung den Hygienevorschriften genügen würde, wurde von den Betriebsleitern ohne biologische
Produktion kritisch beurteilt. Dass es sich auf alle Fälle lohnt die Kalkstroh-Matratze einzubauen,
berichten Landwirte, die schon seit zwei bis drei Jahren Erfahrungen gesammelt haben. Die bes-
sere Tiergesundheit und das artgerechte Aufstehen und Abliegen spart viel Zeit in der individuel-
len Tierbetreuung. Die Beobachtungen der Landwirte decken sich mit bisherigen wissenschaftli-
chen Untersuchungen.
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Die Anpassungslösungen beweisen, dass in der Optimierung von Tierwohl in bestehenden Stäl-
len noch viel Potential liegt. Die positiven Auswirkungen auf das Verhalten und die Gesundheit
der Milchkühe wird längerfristig auch die Langlebigkeit und die Remontierungsrate beeinflussen.
Anbindeställe werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle für kleinstrukturierte Betriebe mit viel
Weidegang oder Alpung spielen. Das Optimierungspotential von Anbindeställen ist ebenso gross,
wie das bestehender Laufställe. Es sollte in Zukunft in jedem Fall verhindert werden, dass be-
kannte Fehler, die in bestehenden Ställen optimiert wurden, in Neubauten wieder gemacht wer-
den. Zu guter Letzt hat dies für die Betriebsleiterfamilie positive wirtschaftliche sowie persönli-
che Konsequenzen.
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6 Schlussfolgerung
Ziel der Arbeit war die Präsentation praxistauglicher Lösungen zu wirkungsvollen Anpassungen
von Haltungssystemen für Milchkühe. Die Gründe für die Anpassungen wie auch erste Erfahrun-
gen der Landwirte wurden ebenfalls erfasst und ausgewertet. Folgende Schlussfolgerungen kön-
nen gezogen werden:
Wirkungsvolle Anpassungen von Haltungssystemen an die Bedürfnisse der Milchkuh
In der Optimierung bestehender Anbinde- und Laufställe ist viel Potential vorhanden
Schlechter Liegekomfort und störende Einrichtungen führen vielfach zu unnatürlichen Verhal-
tensweisen und Verletzungen am Tier
Beurteilung des Haltungssystems von unabhängiger Fachperson ist lohnenswert
Wirkungsvolle Anpassungen lassen sich kostengünstig realisieren
Genauer hinschauen und handeln bezahlt sich in jedem Fall aus
Sichtbare Verbesserung der Tiergesundheit und der natürlichen Verhaltensweisen zeigten
sich durch bedürfnisgerechte Anpassungen
Die Betriebsleiter bestätigten positive Auswirkungen der Anpassungen auf das Verhalten und die
Gesundheit
Verlängerte Liegezeiten und natürliches Aufsteh- und Abliegeverhalten resultierten
Verletzungen und Schwellungen an Gelenken gingen offensichtlich zurück
Moderner Stallbau orientiert sich an den Grundbedürfnissen der Milchkuh
Das Liegebedürfnis der Milchkuh ist enorm
Ruhe und Raum sind die Eckpfeiler jedes Haltungssystems für Milchkühe