Standort Potsdam Universität Potsdam c/o Potsdam Transfer Direktorin Prof. Dr. Uta Herbst August-Bebel-Straße 89, Haus 7 14482 Potsdam Telefon: +49 (0)331-977-3854 E-Mail: [email protected]Standort Stuttgart Universität Hohenheim c/o Hohenheim Management School Direktor Prof. Dr. Markus Voeth Fruwirthstraße 32 70599 Stuttgart Telefon: +49 (0)711-459-22925 E-Mail: [email protected]Herausgeber: Negotiation Academy Potsdam Working Paper No. 3 Wie verhandeln deutsche Manager? Markus Voeth / Uta Herbst / Sandra Haggenmüller / Marie-Christin Weber
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Wie verhandeln deutsche Manager?€¦ · Männer verhandeln erfolgreicher als Frauen. Tools und Prozesse sind nur für Großunternehmen. Künstliche Intelligenz wird zu besseren Ergebnissen
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Wie wird sich die Bedeutung von elektronisch-gestützten Verhandlungen, Ihrer Meinung nach in den nächsten 5 Jahren verändern?
nimmt an Bedeutung zu bleibt gleich nimmt an Bedeutung abn=350
Ja39%
Nein61%
Werden Sie in bei Teilaspekten von Verhandlungen bei Ihren Verhandlungen
von elektronischen Systemen unterstützt?
n=350
Ja24%
Nein70%
Weiß ich nicht6%
Werden bei Ihnen im Unternehmen künstliche Intelligenz, Virtuelle Realität und
Augmented Reality bereits zur Vorbereitung, Führung oder Nachbereitung von
Verhandlungen genutzt?
n=350
>> Für 48% der Befragten steigt die Bedeutung von elektronisch-
gestützten Verhandlungen <<
3. ERGEBNISSE 25
Bei einer genaueren Betrachtung der Funktionsbereiche wird deutlich, dass Vertrieb und
Einkauf neue Technologien wie KI für Verhandlungen deutlich weniger nutzen als die
sonstigen Bereiche. Am deutlichsten ist dies im Einkauf zu beobachten. Hier nutzen mehr als
81% keine dieser Technologien in einer der Verhandlungsphasen. Die Bereiche Personal und
IT hingegen setzen diese Technologien deutlich öfter ein (Personal: 44%; IT: 48%). Alle
weiteren Angaben lassen sich Abbildung 3-24 entnehmen.
Abbildung 3-24 Nutzung neuer Technologien in Verhandlungen nach Arbeitsbereichen
Probanden, die in ihren Verhandlungen bereits von elektronsichen Systemen unterstützt
werden, wurden zusätzlich nach konkreten Nutzungsbereichen für diese
Unterstützungssysteme befragt. Die Mehrheit (71,3%) der Praktiker trainiert mittels
elektronsicher Unterstützung für Verhandlungen. Insgesamt wird die Unterstützung der
Systeme zu einem großen Teil für Aufgaben in der Verhandlungsvorbereitung verwendet
(Abbildung 3-25).
47,6
44,4
36,4
27,3
21
16,1
12,5
52,4
55,6
54,5
63,6
77,3
73,2
81,25
9,1
9,1
1,7
10,7
6,25
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
IT
Personal
Logistik
Produktion
Geschäftsführung
Vertrieb
Einkauf
Werden bei Ihnen im Unternehmen künstliche Intelligenz, virtuelle Realität und Augmented Reality bereits zur Vorbereitung, Führung oder
Nachbereitung von Verhandlungen genutzt? (Vergleich Tätigkeitsbereiche)
Ja Nein Weiß ich nichtn=280
3. ERGEBNISSE 26
Abbildung 3-25 Teilaspekte der Unterstützung mittels elektronischer Systeme
Bei einer genaueren Betrachtung der einzelnen Verhandlungsphasen – Vorbereitung, Führung
und Nachbereitung – wird ebenfalls deutlich, dass eine Mehrheit der Praktiker (70,3%) eine
sinnvolle Unterstützung mittels elektronischer Systeme am ehesten in der Verhandlungsvor-
bereitung sieht. Die genaue Verteilung der Phasen kann Abbildung 3-26 entnommen werden.
Abbildung 3-26 Unterstützung nach Verhandlungsphasen
53,7
54,4
56,6
57,4
58,8
61
61
66,2
66,2
71,3
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Analyse erzielter Verhandlungsergebnisse
Identifikation geeigneter Strategien
Erkennen von Win-Win Potenzialen
Übernahme von Routineaufgaben
Strukturierung von Verhandlungen
Analyse der Position der Gegenseite
Kommunikation (in Form von Chats)
Zieldefinition für anstehende Verhandlungen
Prozessunterstützung
Verhandlungstraining und -vorbereitung
Häufigkeit der Nennungen (in %)
Werden Sie bei den folgenden Teilaspekten Ihrer Verhandlung von elektronischen Systemen unterstützt? (Mehrfachantworten möglich)
n=136
34,9
34,9
70,3
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Verhandlungsnachbereitung
Verhandlungsführung
Verhandlungsvorbereitung
Häufigkeit der Nennungen (in%)
In welcher Verhandlungsphase würde Ihnen die Unterstützung durch elektronische Systeme besonders helfen?
n=350
3. ERGEBNISSE 27
Obwohl die Befragten in der Verhandlungsvorbereitung das größte Unterstützungspotenzial
für elektronische Systeme sehen, nimmt ein Großteil von ihnen lieber traditionelle Hilfe wie
Schulungen in Anspruch und ist in der Vorbereitung eher konservativ eingestellt. Dies verdeut-
licht das Ergebnis zur präferierten Unterstützung der Befragten während der Vorbereitung auf
Verhandlungen. Eine Mehrheit der Praktiker erachtet die Unterstützung mittels eines erfahre-
nen Kollegen (77,1%) oder durch eine Schulung zu Verhandlungsstrategien (75,1%) eher als
hilfreich, wohingegen die Befragten bei der Unterstützung durch virtuelle Agenten im virtuellen
Raum eher skeptisch bzw. geteilter Meinung sind. Ungefähr die Hälfte empfindet dies als eher
hilfreich bzw. nicht hilfreich (Abbildung 3-27).
Abbildung 3-27 Möglichkeiten zur Verhandlungsvorbereitung
Dass bei neuen und innovativen Technologien zur Verhandlungsunterstützung noch große
Unsicherheit bei vielen Unternehmen und Verhandlungspraktikern besteht, machen auch die
Ergebnisse zum konkreten Einsatz von virtueller Realität in Verhandlungen deutlich. Jeweils
ein Drittel der Befragten glaubt, durch das Training mit einem virtuellen Agenten bessere
(32,9%) bzw. keine besseren Ergebnisse (28,9%) zu erzielen. Ein weiteres Drittel (38,3%) ist
sich unsicher (Abbildung 3-28). Zusätzliche Informationen zur beispielhaften Nutzung solcher
Systeme in Verhandlungen sind nötig, um die Skepsis der Praktiker weiter abzubauen.
44,6
46,6
24,9
22,9
55,4
53,4
75,1
77,1
0 20 40 60 80 100
Verhandlungssimulation mit einem virtuellen Agenten
Verhandlungstraining mit einem virtuellen Agenten
Schulung zu Verhandlungsstrategien
Beratung durch erfahrene Kollegen im Vorfeld
Welche der folgenden Optionen würden Sie zur Vorbereitung auf Verhandlungen als hilfreich einstufen?
eher nicht hilfreich (1-3) eher hilfreich (4-6)Skala von 1= gar nicht hilfreich bis 6= sehr hilfreich
%n=350
3. ERGEBNISSE 28
Abbildung 3-28 Verhandlungstraining mit virtuellem Agenten
Ja33%
Nein29%
Weiß ich nicht38%
Denken Sie, dass Sie durch ein Verhandlungstraining in Form einer Verhandlungssimulation mit einem virtuellen Agenten anschließend bessere Verhandlungsergebnisse in Ihren Verhandlungen erzielen
könnten?
n=350
VERGLEICH VS. VS. IT
Verwendung von KI, AI und AR 16% 13% 48%
4. FAZIT 29
4. FAZIT
Im Herbst 2014 wurde von Voeth et al. eine der ersten Untersuchungen zur Verhandlungsfüh-
rung in der Praxis durchgeführt. Um die mittlerweile mehr als vier Jahre zurückliegenden Er-
kenntnisse auf ihre Aktualität zu prüfen sowie Entwicklungen und Zukunftstrends zu identifi-
zieren, wurde nun die vorliegende Studie verfasst. 350 erfahrene Verhandlungspraktiker wur-
den in einer Online-Untersuchung gebeten, Auskünfte zu den von ihnen geführten Verhand-
lungen zu geben. Dafür wurde das Befragungskonzept der Studie von Voeth et al. (2015) zu-
grunde gelegt und um zusätzliche Fragen zu aktuellen Verhandlungsthemen – insbesondere
zum Einsatz neuester Technologien wie der künstlichen Intelligenz - erweitert. Neben bran-
chen- und tätigkeitsübergreifenden allgemeinen Erkenntnissen, die das Verhandlungsverhal-
ten, die Verhandlungsorganisation, die Verhandlungsvorbereitung und die Digitalisierung von
Verhandlungen in der Praxis beschreiben, geht die Untersuchung in einigen Fällen noch weiter
ins Detail und vergleicht gezielt die Verhandlungspraktiken von Einkauf und Vertrieb, da diese
Bereiche durch ein besonders hohes Maß an Verhandlungsaktivitäten charakterisiert sind und
dadurch einen direkten Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben.
Als eine der wichtigsten Erkenntnisse, vor allem im Vergleich zur Studie von 2014, zeigt die
vorliegende Untersuchung, dass mittlerweile mehr Manager das Thema Verhandlungen sys-
tematisch erlernt zu haben scheinen. Sei es in der Ausbildung an Hochschulen und Universi-
täten oder mit Unterstützung des Unternehmens selbst. Viele Unternehmen haben demnach
die Bedeutung von Verhandlungen erkannt; der Ansatz des „Learning by Doing“ scheint einer
gezielten Ausbildung gewichen zu sein. Dies wird auch erhärtet durch das Ergebnis, dass bei
jüngeren Verhandlungspraktikern häufiger als bei älteren das Thema Verhandlungen Teil der
Ausbildung oder des Studiums war. Gleiches gilt für die Vorbereitung vor der Übernahme von
Verhandlungen in Unternehmen. Je jünger die Befragten, desto eher werden sie vor der Über-
nahme von Verhandlungstätigkeiten auf diese vorbereitet. Diese Ergebnisse unterstreichen
die Entwicklungen in den letzten Jahren. Bei der Differenzierung von Vertrieb und Einkauf wird
deutlich, dass der Einkauf zu Beginn der Übernahme von Verhandlungstätigkeiten stärker auf
diese vorbereitet wird als der Vertrieb. Der Vertrieb zieht im Laufe der Zeit allerdings nach und
bildet sich häufiger mit Schulungen und Trainings weiter. Somit ist in beiden Bereichen, jedoch
an unterschiedlichen Stellen, noch weiteres Optimierungspotenzial vorhanden. Insgesamt sind
Schulungen die häufigste Methode zur Weiterbildung im Verhandlungsmanagement. Deutlich
weniger werden Verhandlungsliteratur oder elektronische Systeme genutzt.
Mit ihrer Verhandlungsperformance sind die Befragten insgesamt zufrieden. Falls in einer Ver-
handlung kein gutes oder sehr gutes Ergebnis erzielt wurde, dann liegt dies, nach Einschät-
zung der Befragten, häufig an der Gegenseite, beispielsweise an deren Machtdominanz oder
Verhandlungsstil.
4. FAZIT 30
Trotz der Zufriedenheit mit dem Verhandlungsergebnis wünschen sich die Befragten, dass das
Thema Verhandlungen bei ihrem Unternehmen einen noch größeren Stellenwert einnimmt.
Dies ist für Unternehmen nicht nur vor dem Hintergrund der gezielten Weiterbildung und För-
derung der Karrieren ihrer Mitarbeiter sinnvoll. Auch nehmen die Kosten für Verhandlungen
einen zunehmend größeren Teil des Wertvolumens der gesamten Verhandlung ein; was wie-
derum die ökonomische Relevanz erfolgreicher Verhandlungen und die Notwendigkeit gut ge-
schulter Verhandlungspraktiker verdeutlicht.
In der Phase der Verhandlungsorganisation verhandelt über die Hälfte der Befragten immer
oder zumindest teilweise im Team. Das Team besteht dabei in zwei Drittel der Fälle aus zwei
bis drei Personen. Verglichen mit 2014 verhandeln allerdings zugleich auch immer mehr Per-
sonen alleine. In der Verhandlungsvorbereitung setzt sich ein Großteil der Befragten konkrete
Ziele. Das Setzen konkreter Ziele hat damit von 2014 auf 2018 um 11 Prozentpunkte zuge-
nommen und ist in der Praxis noch wichtiger geworden. Vor allem dem Vertrieb ist die Zielset-
zung wichtig, der Einkauf legt darauf hingegen weniger Wert. In der Verhandlungsführung wird
durchschnittlich die Hälfte aller Verhandlungen persönlich, also „Face-to-Face“, geführt. Etwas
seltener kommt das Telefon oder die E-Mail zum Einsatz. Verhandlungsunterstützungssys-
teme werden hingegen kaum genutzt.
Der Digitalisierung von Verhandlungen stehen die Befragten gespalten gegenüber. Zum jetzi-
gen Zeitpunkt gibt es noch wenige Erfahrungen mit elektronischen Systemen zur Verhand-
lungsunterstützung, weswegen ein Großteil der Befragten Vorbereitungen und Schulungen
durch den Menschen den Vorzug gibt. Die Praktiker, die bereits eine Unterstützung durch
elektronische Systeme erhalten, nutzen diese hauptsächlich zu Trainingszwecken oder für die
Verhandlungsvorbereitung. Zwar halten viele Praktiker den Einsatz elektronischer Systeme
gerade in dieser Verhandlungsphase für sinnvoll, trotzdem wird ein Großteil der Befragten
noch nicht von diesen Systemen unterstützt. Und noch weniger Praktiker nutzen in Verhand-
lungen neue Technologien wie künstliche Intelligenz oder virtuelle Realität.
Insgesamt haben Unternehmen die Schlüsselfunktion von Verhandlungen für den gesamten
Unternehmenserfolg erkannt und sich innerhalb der letzten Jahre auf die Vorbereitung und
Unterstützung ihrer Mitarbeiter in Verhandlungsaktivitäten konzentriert. Trotzdem hat immer
noch die Hälfte der Verhandlungspraktiker keine Unterstützung erhalten. Hier gilt es weiter in
die Schulung und Ausbildung von Mitarbeitern zu investieren.
Das Potenzial von Unterstützungssystemen, vor allem solcher, die auf Basis künstlicher Intel-
ligenz agieren, ist offensichtlich, jedoch sind viele Systeme noch nicht ausreichend weit entwi-
ckelt, um die Bedarfe der Verhandlungspraxis vollständig abzudecken. Daher sollte nicht nur
die Akzeptanz der Nutzung gefördert, sondern gezielt in die Forschung derartiger Systeme
4. FAZIT 31
investiert werden. An dieser Stelle sind Kooperationen zwischen verschiedenen Forschungs-
bereichen wie der Informatik, Psychologie, Kognitionswissenschaften und Betriebswirtschafts-
lehre in Kombination mit der Praxis sinnvoll und notwendig und sollten von beiden Seiten aktiv
angestrebt werden.
LITERATURVERZEICHNIS 32
LITERATURVERZEICHNIS
Broekens, J./ Harbers M./ Brinkman W.P./ Jonker C.M./ Van den Bosch K./ Meyer, J.J. (2012): Virtual Reality Negotiation Training Increases Negotiation Knowledge and Skill, in: Intelligent Virtual Agents, Springer LNCS, 7502, 218-230.
Graham, J. L. (1986): The problem-solving approach to negotiations in industrial marketing, Journal of Business Research, 14(6), 549-566.
Kersten, G.E./Lai, H. (2007): Negotiation Support and E-negotiation Systems: An Overview, Group Decision Negotiation, 16(6), 553-586.
Pruitt, D. G. (1981): Negotiation Behavior, New York: Academic Press.
Schoop, M./ Jertila, A./ List, T. (2003): Negoisst: A Negotiation Support System for
Electronic Business-to-Business Negotiations in E-Commerce, in: Data & Knowledge
Engineering, Jg. 47, Nr. 3, S. 371-401.
Voeth, M./ Herbst, U./ Stief, S. (2015): Wie verhandelt die Praxis? Ergebnisse einer Befragung von deutschen Managern; in: Negotiation Academy Potsdam (Hrsg.), Working Paper No. 1, Stuttgart 2015.
Voeth, M./ Herbst, U. (2015): Verhandlungsmanagement - Planung, Steuerung und Analyse, 2. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2015
BISHER ERSCHIENENE WORKING PAPER IN DIESER REIHE 33
BISHER ERSCHIENENE WORKING PAPER IN DIESER REIHE
Voeth, M./ Herbst, U./ Sand, J./ Weber, M. (2017): Wie verhandeln deutsche Politiker? Eine Bevölkerungs- und Politikerbefragung; in: Negotiation Academy Potsdam (Hrsg.), Working Paper No. 2, Stuttgart 2017.
Voeth, M./ Herbst, U./ Stief, S. (2015): Wie verhandelt die Praxis? Ergebnisse einer Befragung von deutschen Managern; in: Negotiation Academy Potsdam (Hrsg.), Working Paper No. 1, Stuttgart 2015.