Traumhafte Berge und 29 Prozent steile Rampen
Radsportfreunde bewältigten bei Alpenüberquerung 510 km und
11.800 Höhenmeter.
Ein Tourenbericht von Sigi Baumgartner
Reizvolle Landschaften, wechselhaftes Wetter und gastfreundliche
Menschen ließen den diesjährigen Alpencross 2014 wieder zu einem
unvergesslichen Erlebnis werden.
1. Tag: Früh aufstehen hieß es. Um 6 Uhr brachte Franz Langbauer
die Alpenüber-querer Hans Joachimbauer, Sepp (Werki) Werkstetter,
Nicky Heinig, Adi Freilinger, Herbert Würtinger, Franz Kain und
Sigi Baumgartner mit dem VW-Bus zu ihrem Ausgangspunkt am
Spitzingsattel, oberhalb des Schliersee. Nach einem letzten
Radlcheck und dem Zurechtrücken des schweren Bikerucksacks ging es
endlich los. Bei herrlichem Sonnenschein durchquerte man das
Valepptal in Richtung Süden nach Kramsach im Inntal. Ein Abstecher
nach Hagenau zum dortigen Museumsfriedhof mit verschiedenen
tiefsinnigen Sprüchen auf Grabkreuzen und Marterln lockerte die
Tour auf. Dann ging‘s aber zur Sache: Knackige 700 Höhenmeter am
Stück rauf zum Reither Kogel (1250m) ließen die Oberschenkel
glühen. Runter über den Kerschbaumersattel (1111m) war nach 90 km
und 1340 Höhenmeter das erste Etappenziel im Zillertal erreicht, im
Hotel Alpenhof in Zell am Ziller wurde Quartier für die erste Nacht
bezogen.
2. Tag: Einrollen war erst mal angesagt. Entlang der Ziller
radelten wir gemütlich nach Mayrhofen. Die ersten Höhenmeter ging
es über Jochberg rauf nach Finkenberg. Mit der Penkenseilbahn
gondelten wir dann rauf auf das Penkenjoch (2100m). Auf dem
schottrigen Höhenweg mit herrlichem Panoramablick ging es Richtung
Wanglalm (2130m), und von dort mit flottem Tempo auf
Serpentinenpfaden runter ins Tuxertal nach Vorderlanersbach
(1260m), und von hier weiter taleinwärts wieder rauf nach
Hintertux. Über die Bichl- und Sommerbergalm erreichten wir nach
einer längeren und teils sehr steilen Schiebepassage das
Tuxerjochhaus auf 2310 Meter. Kurze Rast zum Erholen, den nun
folgte ein schwieriger Abstieg von gut 600 Höhenmetern auf dem Weg
654 runter in den Kaserer Winkl - nur Tragen und Schieben auf
ausgetretenen Pfaden und Rinnen, Radfahren war hier unmöglich.
Anschießend genossen wir die flotte und schneidige Abfahrt aus dem
Schmirntal raus nach St. Jodok und Steinach am Brenner (1050m).
Eine letzte Rampe rauf nach Plon zum Gasthof Schützenwirt forderte
noch die verbliebenen Kraftreserven. Tagespensum: 68 km und 1.550
Höhenmeter.
Auf dem Tuxerjoch (2310m), im Hintergrund die Gefrorene
Wand-spitzen mit den Tuxer Gletscher.
Das Transalpteam v.l.: Adi, Sigi, Herbert, Hans, Franz, Werki
und Nicky.
3. Tag: Ein kräftiges Frühstück füllte wieder unsere Akkus.
Anfangs ziemlich steil, radelte die Truppe über Nößlach ins
Oberbergtal. Ab Vinaders erreichten wir nach gut fünf Kilometer die
Sattelbergalm (1640m). Bei einer kurzen Rast wurde die herrliche
Vormittagssonne genossen. Ziel war nun die Brenner
Grenzkammstrasse, eine alte Militärschotterpiste aus dem 1.
Weltkrieg die sich auf rund 2000 Meter unterhalb des Steinjoch und
Flachjoch entlang des Berghanges zum Sandjöchl hin schlängelt.
Vorbei an alten Bunkeranlagen und zerschossenen Unterständen, gab
es trotz der aufziehenden Schlechtwetterwolken immer wieder
sagenhafte Blicke in das darunterliegende Tal. Auf der flotten
Abfahrt nach Gossensaß ließen wir dann die Reifen surren und die
Bremsen wurden mal so richtig gefordert. Im Tal angekommen radelten
wir zügig auf dem Brennerradweg nach Sterzing. Das Wetter wurde nun
immer schlechter und ein kräftiger Regenschauer zwang uns kurz vor
unserem Tagesziel, dem Hotel Klammer, noch zu einem schützenden
Unterstand im Sterzinger Stadtzentrum.
Trotzdem geschafft: 54 km und 1460 Höhenmeter.
4. Tag: Ein erster Blick aus dem Fenster: Grauer Himmel und
tiefhängende Wolken ließen für heute wenig Gutes erwarten.
Trotzdem, wir mussten von Sterzing nach Olang im Pustertal. Anfangs
noch trocken, wurden wir ab der Einfahrt ins Maulsertal bei der
Auffahrt zum Valserjöchl (2010m) vom Regen eingeholt. Obwohl dicht
in die Regenklamotten eingepackt, erreichten wir nach
beschwerlichem Aufstieg auf teils aufgeweichten Wegen durchnässt
die Anratter Hütte. Ausziehen und Umziehen, rein in trockene
Kleidung, war für die nächsten Minuten angesagt. Wärmender Tee und
ein kräftigendes Nudelgericht zog die beginnende Kälte schnell
wieder aus unseren Gliedern. Aufgewärmt und mit doch etwas
schwindender Motivation folgte eine flotte und teils sehr spritzige
Abfahrt runter ins Valsertal, dann raus Richtung Mühlbach im
Pustertal. Von hier radelten wir bei weiter kräftigem Dauerregen
entlang der Rienz vorbei an Vintl, Ehrenburg, St.Lorenzen, Bruneck
und Percha zu unserem Etappenziel, dem Landhotel Tharerwirt in
Mitterolang (1050m). Der Wellnessbereich mit Sauna und Schwimmbad
war hier willkommen und so war das Tagespensum von 76 km und 1710
hm schnell wieder aus unseren müden Beinen verschwunden.
5. Tag: Leicht bewölkt und sonnig, das Regenwetter vom Vortag
war verflogen. Ein kurzer Radlcheck, Kette schmieren und los ging
es. Am Olanger Stausee entlang folgten wir dem Pustertaler Radweg
nach Welsberg. Auf hügeligem Gelände kurbelten wir bergwärts nach
Schmieden. Über Innerprags gönnten wir uns noch einen kurzen
Abstecher zum Pragser Wildsee (1490m). Am natürlich gestauten
Bergsee, inmitten des Naturparks Fanes-Sennes-Prags, konnten wir
die umliegenden Bergriesen bewundern, die sich im smaragdfarbenen
Wasser des Wildsees spiegelten. Wieder talauswärts, bogen wir bei
Schmieden/Säge ins Altpragser Tal ein und folgten dort der Straße
Richtung Parkplatz Brückele. Ab der Mautstelle wurden die
Steigerungen wieder heftiger und auf zahlreichen Kehren schraubten
wir uns Höhenmeter für Höhenmeter rauf bis zur Plätzwiese. Diese
Hochalm mit der Dürrensteinhütte auf 2040 Meter war unser
Tagesziel. Den Rucksack und sonstigen Ballast in der Hütte
verstaut, gönnten wir uns noch ein „Zuckerl“ – die 3 km lange
Auffahrt zum Gipfel des Strudelkopf auf 2310 Meter. Diese
Anstrengung sollte sich lohnen:
Eine 360-Grad-Panoramasicht von der Hohen Gaisl, bis zu den
Zillertaler Alpen, im Osten die Sextener Dolomiten mit den Drei
Zinnen, der Cristallogruppe und im Südwesten die Tofana. Mit diesen
traumhaften Eindrücken ging es wieder zurück zur Dürrensteinhütte,
wo uns die Wirtin mit deftiger Südtiroler Kost verwöhnte. Nach 45
km und 1570 Höhenmetern war um 22 Uhr Hüttenruhe. Als Schlaftrunk
ab es noch einen Zirbenschnaps – auf Kosten des Hauses, versteht
sich!
6. Tag: Zapfig kalt war es frühmorgens auf gut 2000 Meter, aber
trocken und sonnig. Ärmlinge, Beinlinge und sonstige warme Kleidung
waren für die schneidige Abfahrt durchs Seelandtal nach
Schluderbach (1440m) gefragt. Im Nordschatten der Cristallogruppe
folgten wir dem Radweg, früher eine Bahntrasse, bis wir nach gut 18
km oberhalb von Cortina d’Ampezzo die Skipisten der Tofana querten.
Nach einem „kleinen“ Verfahrer, ich hatte eine Abzweigung
übersehen, gelangten wir bei Pocol auf die Paßstraße Richtung Passo
Falzarego (2105m). Knapp unterhalb des Passo Valparola (2190m)
stoppten wir zu unserer Mittagspause. Ab hier folgten wir der alten
Militärstraße Nr. 18, vorbei an der Eisenofenhütte radelten wir auf
einer Forststraße über Armentarola weiter nach St. Kassian (1550m).
Entlang des Gaderbach verließen wir bei La Villa/Stern (1430m) das
Valle di Cassiano. Leicht ansteigend kamen wir auf dem Rad- und
Wanderweg nach Corvara (1550m). Eine kurze Verschnauf- und
Trinkpause, das Grödnerjoch auf 2120 Meter war unser nächstes Ziel.
Nach 10 Kilometer war auch diese Passhöhe geschafft, aber nicht
genug: Die Bergstation der Dantacepies, zirka 1½ Kilometer und 180
Meter oberhalb des Grödnerjochs auf 2300 Meter „musste“ noch
bezwungen werden. Teils fahrend und schiebend wurde auch diese
Herausforderung gemeistert. Zur Belohnung erwartete uns oben auf
der Bergstation eine atemberaubende Dolomitenrundsicht. Auf dem Weg
Nr. 12 ging es auf traumhaften Schotter- und Forstwegen stetig
bergab runter nach Wolkenstein (1560m). Im der Pension Garni Astrid
hatten wir wieder Zimmer reserviert. Der Empfang von Wirtin Tania
war wie schon in früheren Jahren wieder freundschaftlich und
herzlich. Die Königsetappe mit 79 Kilometer und 2.040 Höhenmeter
war geschafft!
7. Tag: „Die Wetteraussichten sind für heute nicht besonders!“ –
war die (noch) vorsichtige Prognose von Tania’s Ehemann Bruno; er
sollte leider Recht behalten. Kurz vor 9 Uhr nahm man Abschied von
Wolkenstein. Bei tief verhangenem Himmel ging es über Monte Pana
rauf zur Seiser Alm. Nach hartem Anstieg durch den Ochsenwald
erreichten wir noch halbwegs trocken die Zallingerhütte (2040m).
Eine kurze Rast, und ab der Stampfalm war Dauerregen unser
Begleiter für den Rest des Tages. Beim Übergang am Mahlknechtjoch
(2170m) runter ins Val Duron erhielten wir dann eine
wolkenbruchartige Dusche. Ein Stopp auf der Micheluzzi-Hütte
(1860m) zum Klamottenwechsel war somit absolute Pflicht. Die
anschließende teils sehr steile Abfahrt nach Campitello machte bei
diesem Sauwetter keinen so richtigen Spaß. Ansporn war nur noch,
das Fassatal möglichst schnell zu durchfahren und ab Vigo di Fassa
zügig bergwärts Richtung Karer-Paß (1745m) das heutige Tagesziel,
das Hotel Castel Latemar, zu erreichen. Durchnässt, ausgekühlt und
abgekämpft beendeten wir nach 49 Kilometer mit 1310 Höhenmeter
unversehrt diese Regentour.
8. Tag: Die Latemargruppe strahlte in der Morgensonne, die
Schlechtwetterfront hatte sich während der Nacht verzogen. Ab dem
Karerpaß bogen wir auf den Weg 21, den Agatha-Christie-Rundweg,
ein. Die bizarren Latemargipfel über uns, kämpften wir mit dem
rutschigen und teils morastigen Untergrund. Eine Durchfuhrsperre
wegen Waldarbeiten zwang uns zu allem Übel noch zu einem etwas
schwierigen Umweg mit Heben und Tragen unserer Bikes. Nach gut 12
Kilometern hatten wir aber trotz der nicht so eingeplanten
Anstrengungen die Epircher-Laner-Hütte (1830m) erreicht. Nach einem
schneidigen Downhill runter ins Zangenbachtal ging es wieder
bergwärts Richtung Passo Lavaze, und von dort weiter zum Jochgrimm
(1990m). Im Wintergarten des dortigen Gasthauses genossen wir die
herrliche Bergsonne und die Aussicht zum Schwarzhorngipfel. Nun
wurde „zum Finale geblasen“: Ab hier ging es nur noch talwärts, aus
2000m Höhe in einem Stück runter uns Etschtal (200m), ein
30-Kilometer-Downhill auf kurvigen Schotter- und Teerstraßen, dann
auf dem Fleimstalbahnweg durch unbeleuchtete Tunnel, vorbei an
Obst- und Weingärten zu unserem Tourfinale in Auer. Eine supertolle
Abfahrt zum Abschluss einer Transalp, die uns strecken- und
geländemäßig wieder einiges abverlangt hatte und uns auch vom
Wetter her nicht verschonte. Wohlbehalten bezogen wir Quartier im
Hotel Amadeus in Auer, und wir konnten uns nach acht Tagen „Bergauf
und Bergab“ am und im Swimmingpool wieder mal so richtig entspannen
und relaxen. Die Schlussetappe: 51 km und 860 Höhenmeter.
Erleichtert, froh und stolz auf die eigene Leistung wurde abends
das „Finishing“ bei Südtiroler Speck und Käse, ergänzt mit einigen
Gläsern Rotwein ausgiebig gefeiert. Die Alpen allein nur mit
Muskelkraft überquert zu haben, das gemeinsame Kämpfen, sowie das
Gefühl der Zusammengehörigkeit, bleiben ein einmaliges Erlebnis,
das sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Tags darauf, am Samstag, wurden wir von Franz Langbauer mit
Nicky’s VW-Bus wieder wohlbehalten in unsere niederbayerische
Heimat zurücktransportiert.
Gesamttour: 511 Kilometer, 11.822 Höhenmeter, 38 Stunden im
Sattel