Waldesnacht, du wunderkühle, die ich tausend Male grüß; nach dem
lauten Weltgewühle,
o, wie ist dein Rauschen süß! (aus dem Jungbrunnen von Paul
Heyse)
Man schrieb das Jahr 1850, als Paul Heyses Jungbrunnen erschien.
Es war die Zeit der Hochromantik. Es war aber auch die Zeit nach
den Revolutionsjahren 1848 und 1849. Heyses Zeilen der Sehnsucht
nach einem süßen Waldesrauschen erschienen nach Jahren eines
besonders lauten Weltgewühles. Vieles, was in der Romantik
geschrieben wurde, zeigt diese Tendenz des Rückzugs aus der Welt,
des Träumerischen, des Hangs zu Mythen und Gefühlen. Johannes
Brahms, Robert Schumann, Ludwig Spohr und andere haben wunderbare
Chorsätze zu solchen Texten geschrieben eine Musik, die auch uns,
den NEUEN CHOR STUTTGART, gereizt hat. Deswegen werden wir in
diesem Konzert singen vom Herzlein mild und von der Liebe sacht,
die über Nacht dir Tau ins Herz gegossen hat. Wir werden die
Blümelein, mit Tränen rein begießen und von der Liebsten mein
scheiden müssen. Wir werden unsere Zuhörer mit verzauberten
Fiedlern und der morbiden Liebe eines toten Knaben bekannt machen.
Aber schon damals hat nicht jeder mit individualistischem Rückzug
reagiert. Die Mitte des 19. Jahrhunderts ist nicht nur die Zeit
romantischer Träume einer wohlhabend gewordenen Bürgerschicht, die
sich Träume und deren künstlerische Verarbeitung in Literatur,
Theater und Musik leisten konnte. Es ist die Zeit, in der auch
solche Menschen, für die zu träumen Luxus war, und derer, deren
Träume irdisch und
politisch waren, Lieder geschrieben haben - manche davon betont
garstige Lieder. Einige dieser garstigen Lieder, vertont in unserer
Zeit von Dieter Süverkrüp, werden wir den romantischen Liedern
gegenüberstellen. Damit niemand vergisst, dass unter dem
tränenreichen Gewölk der Romantik der politische Feudalismus einen
garstigen Todeskampf geführt hat mit viel Blut und mit Tränen ganz
anderer Art.