Waldbau und Biodiversität Perspektiven und Anforderungen aus der Sicht des NABU Dr. Volker Späth 9. Januar 2011
Waldbau und Biodiversität
Perspektiven und Anforderungen aus der Sicht des NA BU
Dr. Volker Späth
9. Januar 2011
Gliederung1. Einführung – Wo stehen wir heute?
2. Grundlagen für die Biodiversität im Wald
3. Anforderungen an eine naturnahe Waldwirtschaft
4. Neuauflage des Bannwaldprogramms
5. Fazit – zentrale Forderungen
Waldbau und Biodiversität
Begriffsdefinitionen1. Waldbau – Pflege und Verjüngung der Wälder
2. Waldwirtschaft – Bewirtschaftung zum Zwecke der Rohstofferzeugung bei Erhaltung der Schutz- und Erholungsfunktion,
3. Biodiversität – Artenvielfalt, genetische Vielfalt und Vielfalt der Ökosysteme
4. Bannwälder – Totalreservate ohne Nutzung
5. Schonwälder – Waldgebiete mit Nutzungseinschränkungen
Waldbau und Biodiversität
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Das NABU-Waldkonzept
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NABU-Naturwaldgemeinden
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Kriterien einer naturnahe Waldbewirtschaftung:
1. Verzicht auf Kahlschläge und flächige Räumungen
2. Vorrang Naturverjüngung – Pflanzung als Ausnahme
3. Verzicht auf Chemieeinsatz
4. Sanfte Betriebstechnik
5. Aktiver Waldnaturschutz – 5% ohne Nutzung
6. Sicherung waldökologisch tragbarer Wilddichten
Das NABU-Waldkonzept (1994)
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Maßgaben und Zielsetzungen für:- Naturnähe der Baumarten
- Stabilität
- Mischung und Stufigkeit
- Naturverjüngung
- Waldpflege mit dem Ziel „wertvolles Starkholz“
- Wald- und wildgerechte Jagd
- Integrierter Waldschutz
- Naturschutz und Landschaftspflege
Naturnahe Waldwirtschaft 1992–Konzept für den Staatswald verbindlich
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Waldbau im Auewald bei
Rastatt 1985
Wo stehen wir heute?Weg vom Kahlschlag – hin zur Naturverjüngung
Waldbau im Auewald bei
Rastatt 2010
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Wo stehen wir heute?Weg von flächigen Räumungen – hin zum Dauerwald?
Aalen/Oberkochen 2009: Großflächiger Schirmschlag, 50ha-Blöcke ohne Altholz, jahrzehntelange Biodiv-Defizite
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Ziele erreicht:- Reduzierung des Nadelholzanteils (minus 9%)
- Erhöhung des Anteils an Mischbeständen (plus 12%)
- Erhöhung des Anteils an Naturverjüngung (plus 25%)
Ziele nicht erreicht:- Stabilität der Bestände (20 – 40% „Zufällige Nutzungen“)
- Produktionsziel wertvolles Starkholz (Güteklasse B < 40%)
- Angepasste Wildbestände (Anstieg Tannenverbiss seit 2001)
Bilanz Naturnahe Waldwirtschaft –1992 - 2010
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Zunahme der Holzeinschläge?
Staatswälder am Limit?
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Verwaltungspersonal - Leitungsebene:
>> Personalabbau und kaum noch Steuerung
des Waldbaus auf der Fläche!
Verwaltungspersonal - Revierebene:
>> Stärkung der Rolle des RL durch Wegfall der Amtsleitung
>> Reviervergrößerung führt zum Fokus Holzernte
Waldarbeiter/1000 ha und Unternehmereinsatz:
- Staatswald: Rückgang von 8,7 auf 3,5 (1985-2005);
- Holzernte: Waldbau durch den Harvesterfahrer?
Naturnaher Waldbau ohne ausreichend Personal ?
undFörstermangel
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Grundlagen der Forstverwaltung:
>> Konzept Naturnahe Waldwirtschaft (1992) >> Fortschreibung
>> Alt- und Totholzkonzept (AuT) - 2009
Maßgaben der Politik:
>> anhaltende Verwaltungsreformen >> ForstBW - 2010
>> Gewinnvorgaben und Kostenreduktion
Globale Veränderungen:
>> Klimaerwärmung – Zunahmen von Witterungsextremen
>> Steigender Holzverbrauch, steigende energetische Nutzung
Wo stehen wir heute – Wald und Förster als Opfer der Politik:
Gliederung2. Grundlagen für die Biodiversität im Wald
• Schlüsselfaktor Buche
• Schlüsselfaktor Spechte
• Stellgröße Umtriebszeit
• Stellgröße Waldbau
Waldbau und Biodiversität
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Waldbau und Biodiversität – die Bedeutung der Buche
¼ des natürlichen Rotbuchenareals liegt in Deutschland
Potenzial der
Buchenwälder im
Temperaturbereich
4 – 12 °C
(Quelle: Kölling 2006)
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Biodiversität im Buchenwald
ca. 10.000 Arten
~ 5.000 Insektenarten
~ 2.000 Großpilze(Fotos Luis G. Sikora)
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Waldbau und Biodiversität – die Bedeutung von Totholz
Bei Pilzen, Flechten, Moosen,
Schnecken, Käfern, Vögeln und
Säugern sind - je nach
Literaturstellen - zwischen 20 bis 50
% der Arten auf das Vorhandensein
von Totholz angewiesen.
Der Erhalt Urwald-Reliktarten ist an
das Vorkommen echter Altbäume
(Buche > 180 Jahre, Eiche und
Nadelholz > 300 Jahre ) gebunden
(Schaber-Schoor 2008).
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Waldbau und Biodiversität – die Bedeutung alter Bäume
Europäisch geschützte Arten sind oft Bewohner von A ltbäumen/Altbeständen:
z.B. Hirschkäfer, Grünes Besenmoos, Grauspecht, Hal sbandschnäpper,
Hohltaube, Mittelspecht, Raufußkauz, Schwarzspecht, Dreizehenspecht,
Weißrückenspecht, Bechsteinfledermaus, Alpenbock, H eldbock und Eremit.
(LUBW Management-Handbuch Version 1.2)
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Waldbau und Biodiversität – die Bedeutung der Spechte
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0
50
100
150
200
250
300
350
Mittel
spech
t
Grün
spech
t
Bunts
pech
t
Grau
specht
Schw
arzs...
Kleins
pech
t
Zunahme von Spechtarten im Naturschutzgebiet "Kühkn opf-Knoblochsaue" nach Einstellung der forstlichen Nutz ung im Jahr 1983
1979
1994/96
Zunahme:•Mittelspecht: 480%•Grünspecht: 257%•Buntspecht: 210%•Grauspecht: 205%•Schwarzspecht: 173%•Kleinspecht: 171%Quelle: C. HEINRICH
Waldbau und Biodiversität – die Bedeutung der alter Wälder
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Schonwälder in den Rheinauen bei Mannheim:- ca. 50 Mittelspechte auf 300 ha
Waldbau und Biodiversität – die Bedeutung alter Wälder
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Waldbau und Biodiversität Höhlenmangel im Wirtschaftwald : Verlustrate = Neubaurate
Nach SIKORA liegt die Neubaurate und Verlustrate be im Schwarzspecht derzeit
bei ca. 1 Höhle pro Jahr und 1000 ha. Regelmäßige Ve rluste durch Fehlfällungen!
Die Gesamtbilanz ist im Wirtschaftswald im besten F all ausgeglichen!
Nur 6% für Höhlenbau geeignete
Althölzer im LK Reutlingen
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Waldbau und Biodiversität Höhlenüberfluss im Dauerwald Pfullingen
NABU-Naturwaldgemeinde Pfullingen: Höhlenbaummarkierung: 35 Schwarzspechthöhlen auf
1000 Hektar – Spitzenreiter im LK Reutlingen
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Altersklassenwald und BiodiversitätFlächenanteile bei einer Umtriebszeit von 150 Jahre n
3% 3% 13% 33% 13% 33%
Flächenanteile bei einer Umtriebszeit von 100 Jahre n
5% 5% 20% 50% 20% -
Stellgröße Umtriebszeit
-Flächenanteile mit alten Bäumen im Altersklassenwald
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Welche
Verjüngungsverfahren
ermöglichen dauerhaft das
Vorhandensein von alten
Bäumen auf der Fläche?
x x x x
Stellgröße Verjüngungsverfahren
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Waldbau und Biodiversität -Unterschiedlich alte Bäume als Grundlage der Biodiversität im
Wald (Scherzinger 1985)
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3. Anforderungen an eine naturnahe Waldwirtschaft
Gliederung3. Anforderungen an eine naturnahe Waldwirtschaft
• Dauerwaldwirtschaft mit Buche und Tanne
• Femelwaldwirtschaft mit Esche und sLb
• Spezialfall Eiche
• Umsetzung des Alt- und Totholzkonzeptes
Waldbau und Biodiversität
Begriffsdefinitionen1. Dauerwald – Bewirtschaftung erhält Waldcharakter, i.d.R.
am Einzelbaum ausgerichtet, >> innige Mischung unterschiedlich alter Bäume
2. Femelwald – Bewirtschaftung ist an Gruppe >> kleine Flächen unterschiedlicher Altersstadien und Säume
3. Baumgruppe – Durchmesser eine Baumlänge, ca. 30m
4. Heister – ältere Laubholzpflanze
5. Umtriebszeit – Zeitraum von Begründung bis Endnutzung
Waldbau und Biodiversität
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Dauerwaldwirtschaft mit der BucheBuchen- und Buchenmischwälder als Basis
Natürliche und naturnahe Buchenwälder
sind für den Klimawandel meist gut
gerüstet
Genetische Variation sehr hoch, hohes
Potential an selektiver Anpassung
(Quelle: Kölling 2006, Jenssen 2009)
>> Übergang zum Dauerwald
>> Schonende Behandlung von Althölzern
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- reife Waldstrukturen und hohes Wertschöpfungspotenzia l
- Stärkung des Dauerwaldprinzips – Pflege Waldinnenklim a
- Absage an pflanzaktiven Waldbau und „Kurzumtrieb“
- Hochwertiger Waldbau durch Förster - „nicht durch Harves terfahrer“
Dauerwaldwirtschaft mit Buche&Tanne- Buchen- und Tannenmischwälder
Stromberg 2009 Baden-Baden 2010
•Seite: 32•Seite: 32
Dauerwaldwirtschaft mit der Buche- Mischwälder mit gruppenweiser Mischung
Gruppenmischungen aus: an der Trockengrenze: Buche, Eiche, Winterlinde, Hainbu che, Spitzahorn, Kirsche, Kiefer, Tanne, Douglasie ...
Rammert 2009 Rammert 2009
•Seite: 33•Seite: 33
Femelwaldwirtschaft mit der Esche- Mischwälder mit gruppen- bis kleinbestandsweiser Mischung
Gruppenmischungen aus: auf Auenstandorten Esche, Bergahorn, Eiche, Feldahorn, Nuss, Pappel, Weide, Erle, ...
Graf Neippberg 2009 Rastatt 2010
•Seite: 34•Seite: 34
Spezialfall EicheSchirmschlagverfahren nach Mastjahren
Naturverjüngung in Eichenaltbeständen
- Verjüngung unter einem lichten Schirm des Altholzes
- Übernahme geeigneter Altbäume in eine 2. Umtriebszei t (Bienwald)
- Belassen einzelner Altbäume aus ökologischen Gründen
Östringen 2010 Bienwald 2010
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Spezialfall EicheIntegration der Eiche als Mischbaumart
Gruppenanbau der Stieleiche
- Große Eichenheister (140-160er) verwenden (Selbstanz ucht)
- flexible, standortsorientierte Vorgehensweise (Gruppen anbau)
- Ggf. Astung als Wertinvestition
Rammert 2009Rastatt 2010 Rastatt 2010
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Spezialfall EichePflanzung von neuen Eichenbeständen auf „Katastrophe nflächen“
Ersatz von Fichte (colline Stufe) und Pappel (Aue)
- flexible, standortsorientierte Integration von Mischba umarten
- Zäunung oder Heisterpflanzung (Aue)
Stromberg 2008
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1. Umsetzung innerhalb von 10 Jahren (Forsteinrichtu ng)
2. Ausweisung von Waldrefugien auf ca. 10.000 ha
3. Ausweisung von Habitatbaumgruppen auf ca. 5.700 h a
4. Nutzungsverzicht im Staatswald ca. 5%
5. Nutzungsverzicht incl. Bannwälder ca. 7%
Alt- und Totholzkonzept (Forst BW 2010)- Habitatbaumgruppen und Waldrefugien für den Artens chutz
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1. AuT auf 100% der Fläche, nicht erst ab Alter 100
2. In mittelalten Beständen frühes Totholz durch
Weichlaubhölzer
3. Mehr Freiheit, kein Schema F im Dauerwald
4. Einführung von AuT-Begleitern durch zusätzliches
Fachpersonal
Erweiterung, Umsetzung AuT- Habitatbaumgruppen und Waldrefugien für den Artens chutz
Gliederung4. Neuauflage des Bannwaldprogramms
• Bannwälder in BW – Status quo
• Vorschläge für ein Bannwaldprogramm
• Vorschläge für die Umsetzung
Waldbau und Biodiversität
•Seite: 40•Seite: 40
Warum Waldschutzgebiete?
Auch im naturnahen Wirtschaftswald können nicht all e
natürlichen Lebensphasen des Waldes abgebildet werd en
Aus Artenschutzgründen sind ergänzende Maßnahmen no twendig,
z.B.
>> Bannwälder, Waldrefugien
>> Schonwälder mit lichten Waldstrukturen
•Seite: 41•Seite: 41
Bannwälder in BW – Aufgaben und Ziele
Aufgaben und Ziele
• Wissenschaftliche Untersuchung der unbeeinflussten Waldentwicklung
• Refugien für Tier- und Pflanzenarten
• Anschauungsobjekte für Alt- und Totholz
•Seite: 42•Seite: 42
- 129 Bannwälder
- Fläche: 8.858 ha
- 0,63% der Waldfläche BW
- Durchschnitt: 68, 7 ha
-„Fischburger Tal
Hirschkopf-Scheibe“
auf der Schwäbischen
mit 295,6 ha
- „Wildseemoor“ im
Nordschwarzwald mit
291,6 ha
Bannwälder in BW – Status quo
•Seite: 43•Seite: 43
- Bannwälder zu 91% im Staatswald
- Staatswald nur 24% am Gesamtwald
- Im RPS: 0,29% der Waldfläche
- Im RPF: 0,45% der Waldfläche
- Im RPK: 0,75% der Waldfläche
- Im RPT: 1,16% der Waldfläche
Bannwälder in BW – Verteilung
•Seite: 44•Seite: 44
Bannwälder in BW – Wuchsgebiete
•Seite: 45•Seite: 45
Bannwälder in BW – Baumarten
•Seite: 46•Seite: 46
Bannwälder auf 5% der Landeswaldfläche- Neue Ausweisungen auf insgesamt 61.000 ha,
- dies entspricht 18,5% des Staatswald BW
>> es geht nicht ohne Ausweisungen im
Kommunal- und Privatwald
>> es geht nicht ohne finanzielle Ausstattung
>> es geht nicht ohne eine Überarbeitung der Zielsetz ungen
Bannwälder in BW – Forderungen
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Neuauflage des Bannwaldprogramms
- Alle Naturräume und Waldtypen berücksichtigen
- Erholung weiterhin ermöglichen
- Waldpädagogik integrieren
- Biodiversität in Bannwaldforschung integrieren
>> Budget für Entschädigungen im Privatwald
>> Bannwälder als Kompensationsmaßnahmen bei Großprojek ten
>> Bannwälder im Kommunalwald auf Basis des Ökokontos
Bannwälder in BW – Umsetzung
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Bannwälder über 1000 ha
Bannwälder in BW – Vorschläge
< im Nordschwarzwald
im Schönbuch >
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Suchräume für neue Bannwälder- Tannen-Mischwälder in der Adelegg (z.B. Weißrückensp echt)
- Schwetzinger Wiesen und Ketscher Rheininsel
- Neckarhänge im Odenwald zwischen Neckarsteinach und E berbach
- Waldgebiete zwischen Crailsheim und Ellwangen
- Albtrauf und Kocherhänge zwischen Aalen und Heidenh eim
- Waldgebiete im Kreis Tuttlingen und im Schwarzwald -Baar-Kreis
- Waldgebiete im Kreis Waldshut und Hochschwarzwald
Bannwälder in BW – Vorschläge
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Verbesserung der naturnahen Waldwirtschaft >> Dauerwald
Ausreichend Personal für den Waldbau auf der Fläche
Erhöhung des Anteils an Waldschutzgebieten >> 5 % BW
Umsetzung und Erweiterung AuT
Mehr Investitionen in Wissenschaft und Waldbau
Zentrale Erfordernisse
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Die Politik ist gefordert!
Weniger Försterund Waldarbeiter
Hohe Gewinne und Nutzungen
Niveauloser Waldbaugeringe Biodiversität
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