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102 Kapitel 7.Die apriorische Erkenntnis der Prinzipien.
1. Die Frage nach den Prinzipien.Der Gang unserer berlegungen in
den letzten Kapiteln drngt uns eineneue Frage geradezu auf, die
Frage nach den Prinzipien, d. h. nachStzen von einer ber die
unmittelbare Erfahrung hinausgehendenAllgemeingltigkeit, die, weil
sie erst alles Schlieen mglich machen,selbst nicht Ergebnis eines
Schlusses sein knnen, sondern irgendwieunmittelbar sein mssen. So
sahen wir im 5. Kapitel, da alles Schlieenals formale
Mglichkeitsbedingung der logischen Kohrenz, die sich imSchlieen
kundtut, den sogenannten Nichtwiderspruchs-Satz voraussetzt:Alles
Schlieen beruht darauf, da unter Voraussetzung bestimmter Stzeein
weiterer Satz notwendig deshalb angenommen werden mu, weil
sichsonst ein Widerspruch ergibt. Wre der Widerspruch nicht
unbedingtausgeschlossen, so knnte von einem notwendigen
Zusammenhang keineRede sein, d. h. alles Schlieen wre unmglich. ber
diese Notwendigkeitfr die Form des Schlusses hinaus verlangt jeder
Schlu, der ber dieunmittelbare Erfahrung hinaus zu neuen
Erkenntnissen fhren soll, auchmaterial, inhaltlich, einen Satz, der
in seiner Notwendigkeit undAllgemeingltigkeit sich durch die
Erfahrung im Sinn von bloer Feststellungvon Einzeltatsachen nicht
begrnden lt. Denn nur dann kann von einemgegebenen A auf ein
nicht-gegebenes B geschlossen werden, wennzwischen A und B ein
notwendiger Zusammenhang besteht; diesernotwendige Zusammenhang
aber ist etwas wesentlich anderes als eineempirisch feststellbare
Einzeltatsache.So setzt denn auch, wie wir sahen, sogar der
Positivismus stillschweigendimmer wieder nicht empirisch
verizierbare Erkenntnisse voraus, wie z. B.die Zuverlssigkeit der
Erinnerung, die Gltigkeit der Induktion, dieMglichkeit, durch
Aussagen anderer Menschen zu einer Erkenntnis zugelangen usw.1 Wenn
solche Voraussetzungen nicht willkrlich sein sollen,mssen sie sich
von dem unmittelbar Gegebenen her begrnden lassen,d. h. es mu
aufgewiesen werden, da zwischen ihnen und dem unmittelbarGegebenen
ein notwendiger Zusammenhang besteht von der Art, da,wenn die
unmittelbar gegebenen Tatsachen bestehen, notwendig auch
jeneanderen Wirklichkeiten (z. B. das vergangene Erlebnis, an das
ich micherinnere) als real angenommen werden mssen. Im vorigen
Kapitel habenwir zu zeigen versucht, da dieser notwendige
Zusammenhang tatschlichwegen der Konvergenz vieler Grnde, die
einzeln nur Wahrscheinlichkeitergeben, angenommen wird, und da
diese Annahme zu Recht besteht.Weiter haben wir schon darauf
hingewiesen, da die Konvergenz nurdeshalb diesen Schlu erlaubt,
weil fr sie eine hinreichende Ursachevorausgesetzt werden mu. D. h.
der Konvergenzschlu sttzt sich aufjenen Satz, den man gewhnlich den
Satz vom zureichenden Grund nennt.Tatschlich setzt jeder diesen
Satz spontan als gltig voraus.
103 So ergibt sich aber unvermeidlich die Frage: Mit welchem
Recht werdensolche Stze, wie das Nichtwiderspruchs-Prinzip oder der
Satz vomzureichenden Grund, angenommen? Wir werden diese Frage
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Homepage von P.Otto Schrpf S.J.: de Vries 7
J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 7...
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diesem Kapitel im allgemeinen als Frage nach den Prinzipien zu
klrenversuchen, wobei wir als Beispiel vorzglich das
Nichtwiderspruchs-Prinzipals das sogenannte erste Prinzip nehmen.
Im folgenden Kapitel werdenwir uns sodann den besonderen Problemen
zuwenden, die der Satz vomzureichenden Grund der Erkenntnistheorie
aufgibt.2. Historische Einfhrung in die Problematik.Die Philosophen
haben zumeist in irgendeiner Form angenommen, da esauer der
Erfahrung einzelner Dinge und Vorgnge eine zweite
Quelleunmittelbarer Erkenntnisse gibt, die es uns ermglicht,
allgemeine Stzeaufzustellen, ohne da wir die Erfahrung aller
Einzelflle abwarten mssen.Diese Unabhngigkeit von der
Einzelerfahrung wird seit Kant allgemein mitdem Ausdruck a priori
bezeichnet. Es wird also die Mglichkeit einer apriorischen Einsicht
angenommen. Sie unterscheidet sich von derempirischen
Tatsachenerkenntnis grundlegend dadurch, da sie nicht(oder nicht
blo) die Tatschlichkeit in diesem oder jenem Einzelfall,sondern die
Notwendigkeit eines Sachverhaltes erkennen lt. DieAllgemeinheit des
Satzes ist eine Folge dieser Notwendigkeit: Wenn einemSubjekt S
notwendig das Prdikat P zukommt, dann kommt es ihm in allenFllen
zu, in denen S verwirklicht ist.Die Lehre von der apriorischen
Erkenntnis allgemeiner Stze istgeschichtlich in sehr verschiedener
Weise ausgeprgt worden. Dieverschiedenen Lsungsversuche knnen in
zwei Klassen eingeteilt werden,je nach dem wie das Verhltnis
solcher Einsichten zur Einzelerfahrungaufgefat wird. Eine erste
Auassung lt die allgemeine Einsicht in ihremUrsprung vllig
unabhngig sein von der Einzelerfahrung; diese isthchstens die
Gelegenheit, bei der die Einsicht uns zum Bewutseinkommt, hnlich
wie eine gegenwrtige Wahrnehmung fr uns Gelegenheitsein kann, uns
an ein vergangenes Erlebnis zu erinnern. Nach dieserAuassung wren
dann auch die Begrie selbst, aus denen der apriorischeSatz gebildet
wird, gegenber der Einzelerfahrung a priori. D. h. dieseBegrie
werden nicht durch Abstraktion aus der Erfahrung gewonnen,sondern
sind Ideen , deren Ursprung in irgendeiner Weise in
einerbersinnlichen Anschauung liegt. Nach der anderen Auassung ist
auch dieapriorische Einsicht fr die Gewinnung der grundlegenden
Begrie auf dieEinzelerfahrung angewiesen. Nur der notwendige
Zusammenhang zwischenden durch die Begrie erfaten Washeiten wird in
einer Einsicht erkannt,die von der konkreten Einzelerfahrung
wesentlich verschieden ist.
104 Wegbereiter der ersten Auassung ist Platon. Im Menon sucht
er zuzeigen, da ein Sklave, den nie Geometrie gelehrt worden ist,
dengeometrischen Satz schon kennt, da das Quadrat, das den
doppeltenFlcheninhalt hat als ein gegebenes erstes Quadrat, jenes
Quadrat ist,dessen Seitenlnge gleich der Diagonale des ersten
Quadrats ist. Ergewinnt dieses Wissen nicht durch Belehrung von
Seiten anderer, sondernaus sich selbst, das heit durch
Wiedererinnerung.2 Da es aber keineErinnerung an ein in diesem
Leben erworbenes Wissen ist, mu es eineErinnerung sein an ein in
einem frheren Leben gewonnenes Wissen.3 Indiesem Leben vor dem
Leben im Leib hat die Seele die Ideen, dieimmateriellen Urbilder
der materiellen Dinge dieser Welt, in einer reingeistigen Schau
gesehen und aus ihnen jenes Wissen gewonnen, an das siesich bei
Gelegenheit der sinnlichen Wahrnehmung der materiellenNachbilder
der Ideen erinnert.4Die in der platonischen Deutung der
apriorischen Erkenntnis enthalteneLehre von der Prexistenz der
menschlichen Seele ist fr den christlichenDenker Augustinus
unannehmbar. Trotzdem ist er mit Platon davonberzeugt, da die
unbedingt allgemeinen, notwendigen Erkenntnisse nichtvon der
Sinneserkenntnis her erklrt werden knnen.5 Darum nimmt er
einebesondere gttliche Erleuchtung an, durch die wir Anteil
erhalten an denrationes aeternae, den Ideen im Geiste Gottes, und
so die unwandelbarenWahrheiten der Mathematik, der Metaphysik und
Ethik erkennen. So heit
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es etwa in einer bekannten Stelle von De trinitate: Wir knnten
nicht ineinem wahren Urteil sagen, da eines besser ist als ein
anderes, wenn unsnicht eingeprgt wre die Idee des Guten selbst,
dementsprechend wiretwas billigen und eines dem anderen vorziehen.6
Was hier als Einprgung der Idee (durch Gott) bezeichnet wird, wird
gewhnlich durchden Begri einer gttlichen Erleuchtung ausgedrckt.
DieseIlluminationstheorie ist als die augustinische Theorie der
apriorischenErkenntnis aufzufassen.7 Von Augustinus hat der
mittelalterlicheAugustinismus diese Theorie bernommen.8
105 Wieder eine andere Gestalt nimmt die Theorie des Apriori in
der Lehre vonden angeborenen Ideen an, wie sie von Descartes und
Leibniz verteidigtwird. hnlich wie Thomas von Aquin den geschaenen
reinen Geisternspecies connaturales, naturgegebene
Erkenntnisbilder, zuerkannthatte9, so schreibt Descartes auch der
menschlichen Seele angeboreneIdeen (ideae innatae) zu. Diese Ideen
sind bei der Erschaung der Seelevon Gott in sie hineingelegt
worden.10 Freilich sind nicht alle Begrie indiesem Sinne angeborene
Ideen, sondern nur jene, die notwendige oder,wie Descartes zu sagen
pegt, ewige Wahrheiten einsehen lassen, wieetwa die geometrischen
Begrie, die allgemeinsten ontologischen Ideen,die Idee der Seele
und die Gottesidee.11 Leibniz geht diesbezglich nochber Descartes
hinaus. Sie wissen, schreibt er in den Nouveaux Essais,da ... ich
bestndig, wie auch jetzt noch, fr die angeborene Idee Gottesbin,
wie sie Descartes gehalten hat, und folglich auch fr
andereangeborene Ideen, die nicht von den Sinnen stammen knnen.
Gegenwrtiggehe ich... noch viel weiter und glaube sogar, da alle
Gedanken undTtigkeiten unserer Seele aus ihrem eigenen Innern
stammen, ohne da sieihr durch die Sinne gegeben werden knnten.12
Aus besonderem Grundfreilich mssen die angeborenen Ideen im
Hinblick auf die notwendigenWahrheiten angenommen werden. Denn ohne
solche (Ideen) gbe eskein Mittel, zur wirklichen Erkenntnis der
notwendigen Wahrheiten in dendemonstrativen Wissenschaften und zu
den Grnden der Tatsachen zugelangen, und wir wrden nichts vor den
Tieren voraushaben.13Ohne Zweifel weisen diese Lsungsversuche in
eindrucksvoller Weise aufdie wesentliche berlegenheit des
menschlichen Geistes ber allemateriegebundene Erkenntnis und auf
seine Verwandtschaft mit demgttlichen Geist hin, und deshalb
verdienen sie, stets neu bedacht zuwerden. Trotzdem knnen sie heute
nicht mehr befriedigen, weil ihreVerteidiger im Eifer fr den
Vorrang des Geistes die andere Seite, nmlichseine menschliche
Eigenart, vergessen zu haben scheinen.
106 So rckt ihnen die menschliche Seele nahe heran an einen
reinen Geist, dernur mehr oder weniger uerlich mit dem Leib
verbunden ist, einDualismus, der heute vielfach geradezu
leidenschaftlich abgelehnt wird. BeiPlaton tritt dieses
dualistische Menschenbild besonders deutlich hervor. Soist es nicht
zu verwundern, da schon sein Schler Aristoteles sich gegenPlatons
Erkenntnislehre wendet.Seine Kritik geht allerdings nicht von einem
Menschenbild aus, das vonAnfang an fr ihn feststeht, sondern von
der Erfahrung des menschlichenDenkens. Die Vernunft, ndet er,
gleicht im Anfang einer Schreibtafel, aufder noch nichts
geschrieben ist.14 Wenn wir wirklich von Geburt an einWissen htten,
das dem Wissen durch Beweis noch berlegen ist, so wrees hchst
erstaunlich, da wir davon nichts bemerken.15 Anderseitsverlangt die
Erkenntnis der Prinzipien, die der Erkenntnis durch Beweis
nochberlegen ist, einen Ansatzpunkt, von dem sie ausgeht. Das ist
dieWahrnehmung und die Erinnerung an vergangene Wahrnehmungen,
dieschlielich zu einer einheitlichen Erfahrung (empeiria) fhren.16
Andieses erste Allgemeine anknpfend, erfat die Vernunft (nous)
diePrinzipien (archai)17. Wie das genau geschieht, wird in den
Analyticaposteriora nicht gesagt. Man mu dazu nehmen, was in De
anima(Von derSeele) gesagt wird ber die wirkende Vernunft (nous
poitiks), die einemLicht gleicht, das die sinnlichen Vorstellungen
erleuchtet.18 Aber auch so
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bleibt das Wie dieser Einsicht dunkel. Nur so viel ist klar: Das
Ergebnis derwirkenden Vernunft sind unbedingt gewisse Prinzipien;
von ihnen gilt, daman durch sie nicht nur von den Objekten etwas
wei, deren Dasein (ausErfahrung) bekannt ist, z. B. nur von den
bekannten Zahlen odergeradlinigen Figuren, sondern von allen19;
durch diese Worte wird derapriorische Charakter der Prinzipien zum
Ausdruck gebracht.Die mittelalterliche Scholastik hat diese Lehre
des Aristoteles genauerausgearbeitet. Die Prinzipien nennt sie
durch sich selbst oder aus denBegrien bekannte Stze (propositiones
per se notae bzw. ex terminisnotae). Inwieweit sie unabhngig und
inwieweit sie abhngig sind von derEinzelerfahrung, erklrt Thomas
von Aquin: Aus der Natur der geistigenSeele kommt es dem Menschen
zu, da er, sobald er wei, was Ganzes undwas Teil ist, auch erkennt,
da jedes Ganze grer ist als sein Teil...
107 Aber was Ganzes ist und was Teil ist, kann er nur mit Hilfe
der von densinnlichen Vorstellungen empfangenen geistigen
Erkenntnisbilder erkennen;und in diesem Sinn weist Aristoteles am
Ende der Analytica posterioradarauf hin, da uns die Erkenntnis der
Prinzipien von den Sinnen herzuiet.20 Mit anderen Worten: Die
Begrisbildung ist von derEinzelerfahrung abhngig; wenn die Begrie
aber einmal abstrahiert sind,erfolgt die Einsicht in die
Notwendigkeit und strenge Allgemeingltigkeit desSatzes a priori, d.
h. ohne da wir die Erfahrung aller Einzelflle abwartenmssen.Mit
dieser Auassung kommt Kants Lehre von den synthetischen Urteilena
priori21 darin berein, da nach Kant die Grundstze als
apriorischeStze von der Erfahrung nicht ableitbar, andererseits als
synthetische Stze wesentlich auf die sinnliche Anschauung bezogen
sind. Jedochunterscheidet sich ihr Bezug auf die sinnliche
Anschauung unter zweifacherRcksicht von der thomistischen Auassung:
Einerseits sind nach Kant auchdie begriichen Elemente der
synthetischen Grundstze (die Kategorien) apriori, andererseits sind
diese Begrie, insoweit sie zu synthetischen Stzendienlich sind,
notwendig durch die sinnlichen Bedingungen von Raum undZeit
bestimmt; objektiv gltige synthetische Grundstze sind darumniemals
metaphysische Stze, sondern nur mathematische Stze oderapriorische
Grundstze aller Naturwissenschaften; in beiden Fllen sind sieauf
die Erscheinungswelt eingeschrnkt.Von den nachkantischen
Philosophen ist Edmund Husserl (1859-1938) frdie Weiterentwicklung
der Lehre von besonderer Bedeutung. Gegenberden zu seiner Zeit
herrschenden empiristischen Abstraktionstheorien betonter die
wesentliche Verschiedenheit der Ideation oder
ideierendenAbstraktion von der empiristisch verstandenen
Abstraktion. Zwar muauch die ideierende Abstraktion von
Einzelerfahrungen ausgehen, aber siefhrt zu einer Wesenserschauung,
die apodiktische Wesenseinsichtenermglicht.22 Gegenstand dieser
Einsichten sind Wesensverhalte; auchsie sind gegeben und werden
geschaut; die erkennende Ttigkeit ist nicht Erzeugung von
Gegenstnden (wie bei Kant), sondern Erzeugungder Erkenntnis von
einem selbst gegebenen Gegenstand23.Man kann sich allerdings
fragen, ob nicht Husserl und seine Schler in derBegeisterung fr
ihre Neuentdeckung manche Stze als apodiktisch gewibehauptet haben,
die keineswegs unbedingt notwendige Sachverhalteaussagen.
108 Entsprechend wre auch zu fragen, ob wirklich allen Stzen,
die Kant frsynthetische Urteile a priori hlt (z. B. da in allen
Vernderungen derkrperlichen Welt die Quantitt der Materie
unverndert bleibe, oder da, inaller Mitteilung der Bewegung,
Wirkung und Gegenwirkung jederzeiteinander gleich sein mssen24),
apriorische Notwendigkeit zukommt. Undhaben nicht auch die
Philosophen frherer Jahrhunderte mehr als einmalStze vorschnell als
absolut gewi und endgltig gesichert behauptet, dieaufgrund der
spteren Entwicklung der Wissenschaften keineswegs alssolche gelten
knnen? Und wenn die Philosophen auch heute noch solcheBehauptungen
aufrechterhalten, widersetzen sie sich dann nicht dem
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Fortschritt der Wissenschaft?Solche Fragen werden heute von
vielen Naturwissenschaftlern gestellt, auchvon solchen, die
keineswegs der positivistischen Erkenntnislehre
kritiklosgegenberstehen. Nicht wenige glauben darum alle
apriorischen Einsichtenals Selbsttuschung ablehnen zu mssen. So
meint z. B. Ferdinand Gonseth,die angeblichen metaphysischen Stze
seien in Wirklichkeit nurNaturgesetze der makroskopischen, der
gewhnlichen Erfahrungzugnglichen Wirklichkeit.25 Weil gewisse
scholastische Philosophen dasnicht anerkennen, wirft er ihnen vor,
sie stellten die Forderung auf, die aristotelische Struktur der
realen Welt msse von der Wissenschaftvorgngig zu jeder besonderen
Untersuchung angenommen werden.26 Sostelle sich die Philosophie
gegen die Wissenschaft. Demgegenber fordertGonseth, die Philosophie
drfe keinen Satz von vornherein als unbedingtallgemeingltig
behaupten, sonst verschliee sie sich der Realitt; siemsse vielmehr
oen bleiben, stets bereit, alle ihre Stze auf Grund
derwissenschaftlichen Erfahrung zu berichtigen.27Der Philosoph wird
darauf antworten, diesen Auassungen lgenMiverstndnisse zugrunde,
man verkenne, da dienaturwissenschaftlichen Theorien und die
apriorischen Einsichten derPhilosophie auf verschiedenen Ebenen
liegen.28 Demgegenber betontGonseth, Wissenschaft und Philosophie
bezgen sich auf dieselbe realeWelt, einander widersprechende
Aussagen beider seien also echte, nichtblo scheinbare
Widersprche.29 Als Beispiel solcher Widersprche wirdnicht selten
angefhrt: Die Metaphysiker fordern aufgrund einerangeblichen
apriorischen Einsicht, da jedes Geschehen dem Gesetz derKausa litt
unterliegen msse.
109 Die Quantenphysik aber hat gezeigt, da es tatschlich
akausalesGeschehen gibt. Oder das Paradebeispiel aus der Geometrie:
DiePhilosophen waren aufgrund einer angeblichen apriorischen
Einsicht vonder unbedingten Gltigkeit der euklidischen Geometrie,
insbesondere auchihres Parallelenaxioms berzeugt (oder sind es
vielleicht auch heute noch).Die allgemeine Relativittstheorie aber
beweist, da das euklidischeParallelenaxiom und der aus ihm folgende
Satz, da die Winkelsumme imDreieck = 180 ist, durch die Erfahrung
widerlegt wird. Wolfgang Bchelweist darauf hin, da damit auch die
Glaubwrdigkeit aller jenergrundlegenden philosophischen Prinzipien
gefhrdet erscheinen kann, dieebenfalls nur darum als
notwendigerweise wahr galten, weil sie unmittelbareinsichtig
erschienen. 30Diese und hnliche Schwierigkeiten haben den
Auassungen, die jede echteapriorische Einsicht leugnen, in unserer
Zeit neuen Auftrieb gegeben.Solche Auassungen sind allerdings auch
schon in frheren Jahrhunderten,unabhngig von den Schwierigkeiten
der modernen Wissenschaft, geuertworden.David Hume hlt zwar das
Widerspruchsprinzip noch fr selbstverstndlich:Niemand kann
zweifeln, da Sein und Nichtsein einander aufheben, dasie vollstndig
unvereinbar sind und einander durchaus widerstreiten31; eswre
kleinlich, dabei die psychologisch klingende Ausdrucksweise(niemand
kann zweifeln; nicht: es ist notwendig so) zu bemkeln, wennnicht
die weitere Entwicklung der Lehre Humes den Verdacht
einerpsychologistischen Deutung besttigte. Bei der Erklrung
desKausalprinzips tritt jedenfalls die psychologistische Deutung
klar hervor:Von einer Evidenz, da alles, was zu existieren anfngt,
eine Ursache hat,kann keine Rede sein.32 Unsere berzeugung, da es
trotzdem so ist,beruht vielmehr darauf, da die huge Beobachtung
einer gleichartigenAufeinanderfolge von Vorgngen in uns die Ntigung
bewirkt (!), von demeinen Gegenstand auf seinen gewhnlichen
Begleiter berzugehen. DieGrundlage fr die Annahme einer notwendigen
Verknpfung von Ursacheund Wirkung ist also nur die Tendenz des
bergangs (von Vorstellung zuVorstellung), die sich aus der
gewohnten Verbindung ergibt. Jenenotwendige Verknpfung und diese
bergangstendenz sind also ein und
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dasselbe.33 Es ist klar, da hier anstelle einer Begrndung fr
dieWahrheit des Kausalprinzips nur eine psychologische Erklrung
unsererberzeugung von diesem Prinzip gegeben wird: die
typischpsychologistische Verwechslung.
110 Im Gegensatz zu dieser subjektivistischen Deutung versucht
derfolgerichtige Empirismus, eine objektive Begrndung der
Prinzipien oderAxiome zu geben. Am folgerichtigsten hat John Stuart
Mill (1806-1873) dieempiristische Theorie ausgearbeitet. Er fragt:
Welches ist die Evidenz, aufder die Axiome beruhen?, und antwortet:
Sie sind Erfahrungs-Wahrheiten, sie beruhen auf Induktion. Er ist
sich klar bewut, da er mitdieser Ansicht der berlieferten Auassung
vom apriorischen Charakter derAxiome stracks zuwiderluft.34 Aber er
bleibt dabei; auch die Stze derArithmetik sind nach ihm
Verallgemeinerungen aus der Erfahrung, nicht,wie der Nominalismus
meint, nur worterklrende Stze.35 Dasselbe giltschlielich auch vom
Nichtwiderspruchsprinzip: Ich erkenne in ihm, wie inanderen
Axiomen, eine unserer frhesten und
naheliegendstenVerallgemeinerungen aus der Erfahrung. Ihre
ursprngliche Grundlage ndeich darin, da Annahme und Ablehnung eines
Satzes (belief and disbelief)zwei verschiedene Geisteszustnde sind,
die einander ausschlieen ... Undrichten wir unsere Beobachtung nach
auen, so nden wir auch wieder, daLicht und Dunkel, Schall und
Stille, Bewegung und Ruhe,... kurz jedespositive Phnomen und seine
Verneinung unterschiedene Phnomene sind,im Verhltnis eines
zugespitzten Gegensatzes, und die eine immer dortabwesend, wo die
andere anwesend ist. Ich betrachte das fragliche Axiomals eine
Verallgemeinerung aus all diesen Tatsachen.36 Aber welcheEinsicht
gibt uns das Recht zu dieser Verallgemeinerung? Darauf vermissenwir
bei Mill eine Antwort. Die subjektive Neigung allein gibt uns nicht
dieBerechtigung zur Verallgemeinerung.37 Das Kausalgesetz, das
selbst aufInduktion beruht, kann wohl mit bedeutenden
Einschrnkungen sptere Induktionen begrnden, aber nicht die ersten
Induktionen; diesesind vielmehr nur inductio per enumerationem
simplicem, Induktiondurch einfache Aufzhlung der Einzelflle38. Zur
Begrndung fr ihreGltigkeit heit es: Wir sind berechtigt, solche
Stze als empirischesGesetz aufzustellen, gltig innerhalb gewisser
Grenzen der Zeit, desRaumes und der Verhltnisse, vorausgesetzt, da
die Zahl der Flle desEintreens eine grere ist, als man irgend
wahrscheinlicherweise demZufall zuschreiben kann.39 Also eine Art
Konvergenzbeweis, der freilich inder empiristischen Auassung nicht
weiter begrndet werden kann.
111 Die empiristische Deutung der Axiome hat sich auch der
dialektischeMaterialismus zu eigen gemacht, ob in Abhngigkeit vom
Empirismus derbrgerlichen Philosophie, ist schwer zu entscheiden.
Roman Ingardenmeint, an sich sei mit dem Materialismus der
Empirismus nicht notwendigverbunden, sondern diese Verbindung
ergebe sich eher aus denhistorischen Bedingungen, in denen er sich
im 19. Jahrhundert entwickelthat40. Engels und Lenin sind hier
allerdings anderer Auassung; fr sie istjeder Gedanke an apriorische
Erkenntnisse idealistisch und stehtdarum im schrfsten Gegensatz zum
Materialismus.41 Engels fgt zu denblichen empiristischen
Begrndungen einen neuen Gedanken hinzu: Dadie reine Mathematik eine
von der besonderen Erfahrung jedes einzelnenunabhngige Geltung hat,
ist allerdings richtig.42 Es ist also nichtnotwendig das einzelne
Individuum, das erfahren haben mu; seineEinzelerfahrung kann bis zu
einem gewissen Grade ersetzt werden durchdie Resultate der
Erfahrungen einer Reihe seiner Vorfahren. Wenn bei uns z.B. die
mathematischen Axiome jedem Kind von acht Jahren
alsselbstverstndlich, keines Erfahrungsbeweises bedrftig
erscheinen, so istdas lediglich Resultat gehufter Vererbung. Einem
Buschmann oderAustralneger wrden sie schwerlich durch Beweis
beizubringen sein.43Lenin macht sich diesen Gedanken zu eigen;
daher kann er von dermilliardenfachen Wiederholung 44 sprechen, die
den logischen Gesetzenihren axiomatischen Charakter gegeben hat.
Diese Gedanken sind von den
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Theoretikern des dialektischen Materialismus bis in unsere Zeit
unzhligeMale wiederholt worden.45
112 Auerhalb des Bereichs des dialektischen Materialismus wird
dieempiristische Deutung der Axiome heute allgemein abgelehnt.
Diewestliche empiristische Philosophie unserer Zeit, der logische
Empirismusoder Neupositivismus, betrachtet die Axiome vielmehr als
konventionelleAnnahmen, wie wir schon im 5. Kapitel dargelegt
haben.46 Der dialektischeMaterialismus lehnt diese
konventionalistische Deutung der Axiome alsidealistisch ab. In der
Tat kann sie nicht erklren, wie wir mit Hilfeallgemeiner Stze etwas
ber die Realitt selbst aussagen knnen.Darber hinaus kann der
berblick ber die geschichtliche Problematik, denwir hiermit
beenden, als das Grundproblem der Prinzipienerkenntnisfolgendes
Problem hervortreten lassen: Wenn erstens, wie wir frher47sagten,
nur die Erfahrung einen unmittelbaren Realittsbezug einschlietund
wenn zweitens unsere Erfahrung stets auf verhltnismig
wenigeEinzelobjekte eingeschrnkte bleibt, wie ist es dann mglich,
von allenObjekten einer bestimmten Klasse oder gar von allem
Seienden eineendgltige Aussage zu machen?
1133. Das Nichtwiderspruchsprinzip.Diese Frage mu sich schon an
dem Satz, den man oft das erste Prinzipnennt und an dem wir
sozusagen als an einem Musterbeispiel die Lehre vonden Prinzipien
erlutern wollen, das heit am sogenanntenNichtwiderspruchsprinzip
(principium contradictionis) klren lassen. EinigeWorte ber den Sinn
des Nichtwiderspruchsprinzips sind hier notwendig. Wirverstehen es
im Sinn des Aristoteles, der ihm folgende Fassung gibt: Es
istunmglich, da dasselbe demselben in derselben Beziehung
zugleichzukommt und nicht zukommt.48 Dasselbe: Dabei ist nicht in
erster Liniean dasselbe (logische) Prdikat zu denken, das nicht von
demselben(logischen) Subjekt zugleich bejaht und verneint werden
kann, sondern andieselbe reale Bestimmung, die nicht zugleich
demselben Seiendenzukommen und nicht zukommen kann. Der Satz ist
also an erster Stelle eineAussage ber das Seiende, ein Prinzip der
Ontologie, nicht ein Prinzip derLogik. Logisches Prinzip ist der
Satz freilich auch; denn weil derselbeSachverhalt nicht zugleich
sein und nicht sein kann, darum knnen aucheinander widersprechende
Aussagen nicht beide wahr sein. Diearistotelische Formel enthlt
zwei Einschrnkungen: Zugleich (das ruhigim zeitlichen Sinn
verstanden werden kann) und in derselben Beziehung;denn zu
verschiedener Zeit und unter verschiedener Rcksicht kanndasselbe
recht wohl sein und nicht sein; zu verschiedener Zeit: das ist
ohneweiteres verstndlich; unter verschiedener Rcksicht: so kann
etwa die Zahlhundert gro und auch nicht gro genannt werden; gro
etwa im Vergleichmit der Zahl fnf, nicht gro im Vergleich mit der
Zahl 10 000. Man kann dieEinschrnkungen des Aristoteles es sind im
Grund sogar drei in derKurzformel zusammenfassen: Was ist, kann,
insoweit es ist, nicht nichtsein. Das insoweit es ist besagt dabei:
1. gem der gleichenSeinsbestimmung (insofern es unmglich ist, da
dasselbe demselbenzukommt und auch nicht zukommt); 2. zu gleicher
Zeit (zugleich); 3.unter der gleichen Rcksicht.Durch diese
Einschrnkungen unterscheidet sich Aristoteles wesentlich
vonParmenides, der ohne jede Einschrnkung sagt: Ist oder nicht
ist!Entschieden ist aber nun, wie notwendig, den einen Weg als
undenkbar,unsagbar, beiseite zu lassen (es ist ja nicht der wahre
Weg), den anderenaber als vorhanden und wirklich-wahr zu
betrachten. Wie knnte aber dannSeiendes zugrunde gehen, wie knnte
es entstehen? Denn entstand es, soist es (vorher) nicht und ebenso
ist es (jetzt) nicht, wenn es erst in Zukunfteinmal sein sollte. So
ist Entstehen verlscht und verschollen Vergehen.49Hier ist jede
denkbare Besonderung und Vervielfltigung des Seinsausgeschlossen,
weil Sein und Seiendes einfachhin gleichgesetzt
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werden, und damit ist auch jede Mglichkeit des Entstehens und
Vergehensund der Vernderung geleugnet.50
114 Die Notwendigkeit bzw. Unmglichkeit (es ist unmglich ...),
die dasNichtwiderspruchsprinzip besagt, wird als eine unbedingte
(absolute)verstanden, das heit als eine Unmglichkeit, die von
keiner (irgendwievernderlichen) Bedingung abhngig ist.51
4. Transzendentale Deduktion desNichtwiderspruchsprinzips.Wenn
nach einer Begrndung des Nichtwiderspruchsprinzips gefragtwird,
kann die Frage selbstverstndlich nicht auf einen eigentlichen
Beweiszielen; fr das erste Prinzip aller Beweise wiederum einen
Beweis fordern,wrde, wie Aristoteles sagt, von Mangel an Bildung52
zeugen. Wohl aber,meint Aristoteles, knne die Unmglichkeit der
Leugnung des Prinzips aufdem Wege der Widerlegung53 gezeigt werden,
sobald jener, der den Satzbestreitet, irgend etwas (mit einem
bestimmten Ausdruck) bezeichnet,was fr ihn und auch fr den anderen
gelten soll; das aber mu ernotwendig tun, wenn er irgend etwas
sagt.54 Aristoteles will wohl sagen:Wenn der Leugner des
Nichtwiderspruchsprinzips sagt: Das ist einMensch, dann wird er
nicht zugeben, da man ebensogut sagen kann:Das ist kein Mensch;
sonst wrde er jede Verstndigung unmglichmachen; damit gibt er aber
das Nichtwiderspruchsprinzip implizit selbst zu.Indem er das Wort
(durch Leugnung des Widerspruchsprinzips) aufhebt,lt er das Wort
doch gelten55, d. h. er hlt seine Leugnung nicht aufrecht.
115 Man kann den Gedanken auch unmittelbar auf die Leugnung
desNichtwiderspruchsprinzips anwenden: Wenn jemand dieses Prinzip
leugnetund man ihm antwortet: Du hast unrecht, das Prinzip gilt
doch, so wird erentgegnen Nein, ich habe recht; es gilt wirklich
nicht. Damit gibt er aberselbst zu: Wenn es wahr ist, da dieses
Prinzip nicht gilt, dann ist es falsch,da es gilt; d. h. er erkennt
das Nichtwiderspruchsprinzip implizit an. Sonstmte er entgegnen:
Ja, du hast recht, das Widerspruchsprinzip gilt auch,obwohl es
nicht gilt. So wrde aber nicht nur jede sprachlich
formulierteBehauptung sinnlos, sondern auch das (innere) Urteil
selbst wrdeaufgehoben. D. h.: Die Leugnung des
Nichtwiderspruchsprinzips hebt jedesUrteil auf. Solange ich damit
rechne, da etwas nicht so ist, wie ich esbehaupte, kann ich nicht
einfachhin behaupten: Es ist so. Und sogar, wennich nur behaupte,
es sei wahrscheinlich so, schliee ich damit aus, da esnicht
wahrscheinlich ist, da es sich so verhlt.56Man nennt diese Art von
Widerlegung Retorsion: Es wird sozusagen derSpie umgedreht und
gegen den Angreifer selbst gekehrt, indem man ihmzeigt, da die
Behauptung, die er aufstellt, sich eben dadurch, da sieaufgestellt
wird, als falsch erweist. Der Selbstwiderspruch liegt also nicht
inder durch die Worte bezeichneten Aussage (in actu signato), als
ob dasGegenteil des behaupteten Satzes sprachlich formuliert wrde,
sonderndarin, da im Vollzug der Behauptung selbst (in actu
exercito) das Gegenteildessen behauptet wird, was in den Worten
ausgesagt wird. Es wird alsogezeigt, da die Behauptung selbst
unmglich wre, wenn das in ihrausdrcklich Behauptete zutrfe.Mit
anderen Worten heit das: Das Nichtwiderspruchsprinzip ist
Bedingungder Mglichkeit jedes ernst gemeinten Urteils, wenigstens
in demnegativen Sinn, da seine Leugnung jedes Urteil unmglich
macht. DieseArt der Rechtfertigung eines Begries oder eines Urteils
nennt man seitKant transzendentale Deduktion dieses Begries bzw.
Urteils.57
116 Eine Art transzendentaler Deduktion des
Nichtwiderspruchsprinzips lagauch schon in dem Aufweis, da in der
Annahme der logischen Kohrenzeines Systems dieses Prinzip implizit
mitbehauptet wird.58 Nur ist dieAnnahme eines formalen Systems
nicht so unvermeidlich, wie das Urteilberhaupt.
J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 7...
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Die Methode der Retorsion hat besonders Gaston Isaye
eindringlichempfohlen.59 Er begrndet in dieser Weise nicht nur
dasNichtwiderspruchsprinzip, sondern sucht auch zu zeigen, da die
Leugnungaller allgemeinen Stze sich selbst aufhebt.60 In der Tat
ist der Satz: Es gibtkeine allgemeinen Stze (kein allgemeiner Satz
besteht) selbst einallgemeiner Satz. Allerdings drfte damit die
Existenz von a priori unbedingtallgemeingltigen Stzen nicht
erwiesen sein. Der empiristische Leugnersolcher Stze knnte sich
darauf beschrnken, nur die empirischeAllgemeinheit zu behaupten, da
sich bisher ein solcher apriorischer Satznicht hat nachweisen
lassen.Die Methode der Retorsion hat ohne Zweifel eine starke
berzeugungskraft,auch fr solche, die gegen jede Berufung auf
unmittelbare Evidenz oder Intuition uerst mitrauisch sind. Das ist
psychologisch verstndlich; dasVorgehen erweckt den Eindruck, als
habe man hier ein Argument, dasvon jeder unmittelbaren Evidenz
unabhngig ist. Aber ist das wirklich so?Oder wird nur durch das
dialektische Verfahren die Aufmerksamkeit von denstillschweigend
vorausgesetzten unmittelbaren Einsichten abgelenkt?61Dies letztere
wre klar, wenn die Widerlegung in dem Aufweis gesehenwrde, da der
Gegner sich widerspricht. Wenn seine Behauptung deshalbals falsch
abgelehnt wird, weil sie einen Widerspruch enthlt, wird
dasNichtwiderspruchsprinzip oenbar vorausgesetzt. Aber so wird die
Retorsionnicht verstanden. Gewhnlich will sie vielmehr auf die
Unvermeidlichkeitder Annahme des Satzes hinweisen, der auch dann
noch implizit gesetztwird, wenn er geleugnet wird. Aber besagt
Unvermeidlichkeit notwendigWahrheit? Sicherlich nicht, wenn die
Unvermeidlichkeit nur einepsychologische Denknotwendigkeit wre.
Aber diese Mglichkeit kommthier nicht in Betracht.
117 Nicht ein rein psychologischer, subjektiver Drang ntigt uns
zur Annahmedes betreenden Satzes, sondern die Einsicht, da der Sinn
des ernstgemeinten Urteils selbst aufgehoben wrde, wenn jener
unvermeidlicheSatz geleugnet wrde. In diesem Sinn ist die
Notwendigkeit der Annahmedieses Satzes sicher nicht eine rein
psychologische, sondern einetranszendentale; jener Satz (z. B. das
Nichtwiderspruchsprinzip) istwirklich (in dem erklrten Sinn)
Bedingung der Mglichkeit jedes Urteils.Damit ist klar, da die
Leugnung dieses Satzes den allgemeinenSkeptizismus bedeutet. Unter
Voraussetzung dieser Einsicht und derUnmglichkeit, im Ernst an
allem zu zweifeln, steht die transzendentaleUnvermeidlichkeit des
Satzes fest. Aber wiederum mu die Frage gestelltwerden auch sie ist
unvermeidlich: Ist mit dieser transzendentalenUnvermeidlichkeit die
Wahrheit des betreenden Satzes sichergestellt?Begriich sagt
Wahrheit oenbar etwas anderes als die genannteUnvermeidlichkeit.
Aus der Unvermeidlichkeit scheint die Wahrheit abernur dann zu
folgen, wenn eine doppelte Evidenz vorausgesetzt wird: 1.
DieEvidenz der Wahrheit mindestens eines Satzes (etwa des Satzes
Ich bin);2. die Evidenz des Satzes: Wenn jener andere Satz (z. B.
dasNichtwiderspruchsprinzip) nicht gilt, dann stnde auch die
Wahrheit desersten Satzes nicht mehr fest. Dieser zweite Satz ist
aber ein Satz, der denAnspruch auf unbedingte Notwendigkeit erhebt,
und es lt sich bezweifeln,ob er leichter einzusehen ist als das
Nichtwiderspruchsprinzip selbst. DieBerufung auf unmittelbare
Evidenz wird also durch die transzendentaleMethode nicht
entbehrlich.Man wird vielleicht entgegnen, die Wahrheit des ersten
Satzes msse nichtvorausgesetzt werden, da schon das bloe Bestehen
des Vollzugs desUrteils das Bestehen der Bedingungen seiner
Mglichkeit garantiere.62 Aberabgesehen davon, da auch so noch das
Bestehen des Vollzugs als evidentvorausgesetzt wird, ist die so
geforderte Einsicht in den notwendigenZusammenhang dieses Bestehens
und des Bestehens dervorauszusetzenden bestimmten Bedingungen der
Mglichkeit63 nurnoch schwieriger. Es mte evident sein, da ein
Urteil, sogar ein falschesUrteil, schlechthin unmglich ist, wenn z.
B. das Nichtwiderspruchsprinzipnicht gilt (nicht etwa nur: wenn die
berzeugung von seiner Geltung fehlt).
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Denn wenn dies nicht evident ist, mit welchem Recht schliee ich
dann aufdessen unbedingte Geltung? Die hier geforderte Einsicht
scheint aber an dieKraft der Vernunft hhere Anforderungen zu
stellen als die Einsicht in dasNichtwiderspruchsprinzip selbst. Die
transzendentale Methode kann also dieBerufung auf unmittelbare
Evidenz nicht entbehrlich machen.
118 Der Schein, als sei es anders, kann nur solange bestehen,
als der Blick aufdie diskursiven Methoden deren letzte
Voraussetzungen zurcktreten lt.Dieses Im-Halbdunkel-lassen der
letzten Voraussetzungen scheint eine demmenschlichen rationalen
Denken eigene Not zu sein. Wer htte nichtschon die Versuchung
erfahren, bei einer Begrndung immer wieder zueinem neuen Weil oder
Denn anzusetzen? Es ist, als ob wir eine Scheuhtten, uns auf
letzte, unmittelbare Evidenzen zu berufen und als ob wirgegenber
dem Beweis, der Deduktion, doch mehr Vertrauen htten alsgegenber
allem Sehen. Und doch wissen wir, da jeder Beweis aufunmittelbaren,
unbeweisbaren Einsichten beruhen mu und da dieseEinsichten genauer
(strenger), besser bekannt (oenbarer), ja wahrersind als alle
Folgerungen, wie schon Aristoteles sagt.64 Warum also dieseScheu,
sich auf unmittelbare Einsicht zu berufen? Solange wir uns in
logischeinwandfreien Ableitungen bewegen, wird uns nicht leicht
jemandwidersprechen. So erscheint die Ableitung zwingend, wir fhlen
uns in ihrgesichert. Aber wir bersehen dabei leicht, da die
Ableitung als solchenicht mehr geben kann als ein Wenn dann, das
uns auch der radikalstePositivist nicht absprechen wird: Wenn man
diese Voraussetzungen macht,dann ergeben sich diese Folgerungen.
Der Gegner wird aber um sonachdrcklicher auf die Voraussetzungen
und ihre Ungesichertheithinweisen. Von der Stellungnahme zu ihnen
hngt also letztlich alles ab. Diealte Auassung, die Zustimmung zu
den Prinzipien ergebe sich mitNotwendigkeit, drfte auf einem Mangel
an Reexion beruhen; man dachtenur an Selbstverstndlichkeiten wie
etwa, da das Ganze grer ist als derTeil, und dergleichen. In
Wirklichkeit drften in den Prinzipien dieeigentlichen
Entscheidungen fallen, wenigstens wenn die Reexion einmaljene Stufe
erreicht hat, in der sie klar zum Bewutsein kommen. Die
rechteEntscheidung setzt hier ein unbedingtes Wahrheitsethos
voraus. Einerseitsdarf man sich der sich darbietenden Evidenz nicht
verschlieen, anderseitssich auch nicht in Selbsttuschung eine
Evidenz einreden, die es inWirklichkeit nicht gibt. Diese
unbedingte Redlichkeit und Wahrheitsliebe istbei der Berufung auf
Evidenz unabdingbar. Daher die Versuchung, dieBerufung auf Evidenz
mglichst zu vermeiden und an ihre Stelle zwingendnotwendige, rein
wissenschaftliche Deduktionen zu setzen. Aber eben dieAuassung, da
dies mglich sei, ist eine Tuschung. Die grundlegendenEvidenzen und
die Notwendigkeit, sich ihnen gegenber zu entscheiden,werden
vielleicht eine Zeitlang verdeckt, treten dann aber an anderer
Stelleum so deutlicher zutage.
119 Diese Erwgungen lassen es geraten erscheinen, nicht bei den
vorletztenBegrndungen der Prinzipien durch Retorsion oder
transzendentaleDeduktion stehenzubleiben, sondern die letzte Frage
nach ihrer Evidenz zustellen. Noch eine weitere berlegung drngt in
dieselbe Richtung: Nur derRckgri auf die zugrunde liegende Evidenz
fhrt zur bestmglichenKlrung des Sinnes der Prinzipien, die
ihrerseits zur Vermeidung falscherDeutungen derselben notwendig
ist. Aus diesen Grnden wenden wir unsnunmehr der Evidenz der
Prinzipien zu; wir erlutern sie am Beispiel
desNichtwiderspruchsprinzips.5. Die Evidenz des
Nichtwiderspruchsprinzipsbetrit grundlegend nicht das Verhltnis von
Wahrheit und Falschheit vonStzen oder Urteilen, wie wir schon frher
gesagt haben65, sondern dieSeinsordnung selbst. Aber es ist hier
eine noch genauere Sinnbestimmungerforderlich. Grundlegend fr das
Nichtwiderspruchsprinzip ist nicht eineAussage ber das Seiende,
sondern ber das Sein und sein Verhltnis zumNicht-sein. Unter
Seiendem verstehen wir dabei etwas, dem Sein
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zukommt; Seiendes ist also gegenber dem Abstractum Sein
derkonkrete und daher wenigstens begriich zusammengesetzte
Begri.66Das Wort etwas bedeutet hier, obwohl es grammatisch ein
Neutrum ist,nicht blo Sachen, sondern das, was das Wort bedeutet,
kannebensowohl eine Person oder etwas Personales sein (wie man ja
von jeher,um Sachliches und Personales mit einem beides
zusammenfassenden Wortzu bezeichnen, auf die grammatische Form des
Neutrums zurckgegrienhat; vgl. 'ens', 'Seiendes'.) Sein knnte hier
zunchst im Sinn von realemDasein, realer Existenz, im Gegensatz zu
bloer Mglichkeit oder auchzu blo idealem (gedachtem) Sein
verstanden werden. Das wrde frunsern jetzigen Zweck, an einem
Beispiel die Eigenart der Prinzipien zuzeigen, gengen; denn oenbar
schliet Sein im Sinn von Existenz dasNicht-sein (die
Nicht-Existenz) aus. Thomas von Aquin versteht unterSein allerdings
mehr als die bloe Existenz, obwohl es wesentlich auchdie Existenz
einschliet. Existenz ist ja nie sozusagen leere Existenz,sondern
notwendig stets Existenz von etwas, und zwar von etwasPositivem,
einem positivem Sosein, in diesem Sinn Existenz einerVollkommenheit
(perfectio). So bezeichnet Sein bei Thomas nicht dasbloe Dasein,
sondern auch, freilich unbestimmt, das Sosein, soweit esreine
Seinsvollkommenheit (nicht aber deren begrenzende
Einschrnkung)besagt.67
120 Auch so verstanden, schliet das Sein das Nicht-sein, d. h.
das Fehlender Existenz und jeglichen positiven Soseins, aus. Sollte
aber jemandemdiese Auassung des Seins noch zu groe Schwierigkeiten
machen, sokann er vorlug ruhig bei dem als Existenz verstandenen
Seinstehenbleiben.Der Begri des Nicht-seins kann natrlich nicht auf
eine Erfahrung68des Nichtseins zurckgehen. Was nicht ist, kann sich
weder an sich selbstzeigen noch auf unsere Sinne einwirken. Man
geht wohl nicht fehl, wennman den Begri nicht bzw. Nicht-sein auf
Erfahrungen wie etwa dieEnttuschung ber das Ausbleiben von etwas
Erwartetem zurckfhrt. Auchdiese Frage ist nicht entscheidend. Das
Wissen, das jeder vom Sinn derNegation hat, gengt, um den Sinn des
Nichtwiderspruchsprinzipshinreichend klar zu erfassen.Sobald wir
uns aber den Sinn der Worte Sein und Nicht-seinvergegenwrtigen,
stellt sich unwillkrlich die Einsicht ein, da SeinNicht-sein
ausschliet. (Dieser Satz, der zunchst meine eigene
Erfahrungaussagt, soll den Leser mahnen, darauf zu achten, ob es
ihm ebensoergeht; denn auf die eigene Einsicht kommt es hier an.
Dasselbe gilt vonallen folgenden Stzen.) Diese Einsicht ist nicht
eine leere Tautologie, als obSein von Anfang an nichts anderes
besagte als den Ausschlu des Nicht-seins. Das Sein, wie wir es in
unsern eigenen Akten vornden, besagtvielmehr ursprnglich etwas rein
Positives. Wenn wir einsehen, da diesesPositive das Nichtsein
ausschliet, so ist das eine Erkenntnis, die zumersten Begri des
Seins etwas Neues hinzufgt. Diese Hinzufgungerkennen wir durch den
schlichten Hinblick auf den Sinngehalt der WrterSein und Nicht-sein
als zu Recht bestehend, weil durch dieseSinngehalte gefordert. Eben
eine solche Erkenntnisart nennen wirEinsicht.Mit der Einsicht, da
Sein Nicht-sein ausschliet, haben wir aber noch nichtdas
Nichtwiderspruchsprinzip im vorhin dargelegten Sinn. Dieses
istvielmehr eine Aussage ber das Seiende. Es ist unschwer
einzusehen,da vom Seienden nicht einfachhin das gleiche gesagt
werden kann wievom Sein. Wir erleben in jedem Augenblick den
Neubeginn oder dasAufhren von Seiendem, etwa der eigenen
Wahrnehmungen. Diese knnenalso sehr wohl auch nicht sein, sie
schlieen das Nicht-sein nicht einfachhinaus. Nur insoweit und
solange sie sind oder Sein haben, schlieen siedas Nicht-sein aus.
Dies allerdings ist mit dem Ausschlu des Nichtseinsdurch das Sein
einsichtig mitgegeben, sobald wir uns den Sinngehalt derWrter klar
vergegenwrtigen. Das heit aber mit anderen Worten:
DasNichtwiderspruchsprinzip, wie wir es formuliert haben (Das
Seiende kann,
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insoweit es ist, nicht nicht sein), ist evident.121 Durch ein
genaueres Bedenken dieser Evidenz soll nunmehr ihre Eigenart
und die damit gegebene Eigenart der Geltung und des
Geltungsbereichesdes Nichtwiderspruchsprinzips mehr im einzelnen
entfaltet werden; dieseberlegungen werden uns zugleich Gelegenheit
geben, zu verschiedenenabweichenden Auassungen Stellung zu nehmen.
Zunchst ist gegenberder psychologistischen und der
konventionalistischen Deutung derPrinzipien auf deren objektive
Geltung hinzuweisen. Gewi ist es wahr, dawenigstens beim
Nichtwiderspruchsprinzip (normalerweise) auch einepsychologische
Denknotwendigkeit vorliegt; wir knnen nicht im Ernstannehmen, da
das Seiende zugleich ist und nicht ist. Aber dieseNotwendigkeit ist
keine rein psychologische, so wie etwa die Notwendigkeit,mit der
wir beim Hersagen des Alphabets die Buchstabenreihe (a, b, c,
dusw.) aufeinander folgen lassen, eine rein psychologische, auf
hugerWiederholung und der durch sie geschaenen Assoziation
beruhendeNotwendigkeit ist. Nicht ein unbegreiicher oder nur durch
Gewohnheiterklrlicher subjektiver Drang ntigt uns zur Annahme des
Satzes, sonderndie Evidenz des Sachverhalts, der sich uns im
Vergleich der DenkinhalteSein und Nicht-sein kundtut. Eine solche
Notwendigkeit nennen wireine objektive. Sie ist nicht notwendig
stets zugleich eine psychologischeNotwendigkeit des Aktvollzugs,
wie etwa schwierigere Rechenoperationenzeigen; da z. B. 23 x 17 =
391 ist, kann evident nicht anders sein, d. h. esist objektiv
notwendig; trotzdem kann es vorkommen, da sich jemandverrechnet und
ein anderes Produkt als das richtige annimmt; es bestehtalso nicht
immer eine psychologische Notwendigkeit des objektivnotwendigen
Urteils.Noch weniger als die psychologistische Umdeutung kommt
beimNichtwiderspruchsprinzip die konventionalistische Auassung in
Betracht.Alle bereinkunft wrde ja jeden Sinn verlieren, wenn
zugleich mit derSpielregel, auf die man sich einigt, auch deren
Gegenteil gelten knnte.Das ist eine transzendentale Begrndung.
Letzlich entscheidend ist aberauch hier die genannte unmittelbare
Evidenz.Ist mit dieser objektiven Geltung auch schon die
ontologische Geltung,die Realgeltung (Seinsgeltung) des Prinzips,
d. h. seine Geltung fr dasreale Sein selbst gegeben? Nicht ohne
weiteres. Es wre denkbar, da imBereich des Denkens aufgrund der
Denkinhalte (also nicht aufgrund einessubjektiven, psychologischen
Dranges) eine Notwendigkeit auftrte, diedoch nicht Notwendigkeit
des realen Seins selbst ist. Eine solcheNotwendigkeit wre z. B. die
transzendentale Notwendigkeit im SinneKants.69 Ein Grund, der diese
Auassung nahe legen kann, ist die Tatsache,da wir die Prinzipien
allem Anschein nach durch den Vergleich bloerBegrie, nicht durch
eine Schau des realen Seienden selbst gewinnen. DieBegrie sind aber
nicht das reale Seiende selbst. Mit welchem Rechtbehaupten wir
also, da die Notwendigkeit, die uns im Vergleich derBegrisinhalte
aueuchtet, zugleich eine Notwendigkeit des real Seiendenist?
122 Dieser Einwand mte als berechtigt anerkannt werden, wenn der
Begrides realen Seins nur eine Kategorie im Sinne Kants wre. Denn
dannwrde dieser Begri nur durch die Handlung der Synthese, die
dastranszendentale Subjekt vollzieht, dem empirisch Gegebenen
sozusagenbergestlpt. Eine Garantie, da damit eine Synthese im
Ansichseiendenwiederholt wrde, gbe es nicht. Tatschlich verhlt sich
die Sache abernicht so; das haben wir bereits im 4. Kapitel
gesehen. Der Begri ist nichteine bloe Zutat des Subjekts und sei es
auch des transzendentalenSubjekts, sondern eine Form der Erkenntnis
des Seienden selbst. Wenn derBegrisinhalt Sein uns das
Ausgeschlossensein des Nicht-seins zeigt, soist es das Sein des
Seienden selbst, welches das Nicht-sein ausschliet;denn dieses und
nichts anderes denken wir im Begri. Man darf also denBegri nicht
als eine vllig selbstndige Gre betrachten; er ist, soweit eraus dem
Seienden abstrahiert ist, eine Form der Erkenntnis des
Seiendenselbst. Allerdings vermag der Begri allein nicht das reale
Dasein des
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gedachten Gegenstandes sicherzustellen, aber wenn dieser
Gegenstanddurch Erfahrung (oder durch Schlufolgerung aus der
Erfahrung) alsexistierend gewhrleistet ist, so sind die Einsichten,
die aufgrund desBegries gewonnen werden, Erkenntnisse ber das real
Seiende selbst.Man wird vielleicht einwenden: Im Begri hat der
Gegenstand nur eingedachtes (ideales) Sein; wie kann aus diesem
etwas ber sein realesSein entnommen werden? Die Antwort kann nur
lauten: Gewi ist dieSeinsweise, die der Gegenstand im Begri hat,
die ideale Seinsweise.Diese Seins weise ist Bedingung der
Mglichkeit des Gedachtseins desGegenstandes. Aber auch nicht mehr;
insbesondere wird sie im ersten(direkten) Begri im Gegensatz zum
reexen Begri70 nicht selbstGegenstand oder Inhalt des Begris.
Inhalt und Gegenstand des Begris istvielmehr reales Seiendes oder
realer Mensch usw. Soweit dieserBegrisinhalt verwirklicht ist,
kommt ihm auch in der Wirklichkeit all das zu,was sich als absolut
notwendig mit ihm verbunden evident zeigt. In diesemSinne ist die
Erkenntnis mit Hilfe von Begrien Seinserkenntnis.71
123 Man wird noch mehr sagen mssen: Die Prinzipien, soweit sie
Aussagenber das Seiende sind, betreen in erster Linie das real
Seiende. Freilichsagen sie nicht dessen reale Existenz aus, setzen
diese vielmehr voraus.Was sie aussagen, sind vielmehr notwendige
Wesensverhalte des realSeienden. Negativ: Die Prinzipien sind nicht
in erster Linie Aussagen berdas blo Mgliche oder ber bloe
Wesenheiten ohne Existenz. Freilichgelten sie auch vom nur
Mglichen, aber selbst bezglich des Mglichenscheint der erste Sinn
der Prinzipien zu sein: Wann immer und wo immer esverwirklicht
wird, da kommt ihm notwendig dieser oder jener Wesensverhalt zu. So
wollen wir etwa durch den Satz 2 x 2 = 4 sagen: Wann immerund wo
immer es 2 x 2 gibt, da machen sie 4 aus.Damit kommen wir zur Frage
nach der unbedingten Allgemeingltigkeit derPrinzipien. Diese knnte
nicht feststehen, wenn die Prinzipien, wie derEmpirismus annimmt,
nur auf einer induktiven Verallgemeinerung derErfahrung beruhten.
Aber eben dies ist jedenfalls fr dasNichtwiderspruchsprinzip durch
alles bisher Gesagte ausgeschlossen.Empirische Induktion, wie wir
sie im vorigen Kapitel72 kennen gelernthaben, kommt bei den
Prinzipien berhaupt nicht ins Spiel. Sie beruhenvielmehr auf einer
apriorischen Einsicht, die zeigt, da nicht etwa diesemoder jenem
einzelnen Seienden, sondern dem Seienden als solchem (bzw.Seiendem
von einer bestimmten Art oder Gattung als solchem) notwendigeine
bestimmte Eigenschaft oder Beziehung zukommt; so besagt
dasNichtwiderspruchsprinzip, da es dem Seienden als solchem
zukommt, dasNicht-sein auszuschlieen.Was bedeutet hier der Ausdruck
als solches? Da etwa der Mensch alssolcher sterblich ist, will
besagen, da die Sterblichkeit mit der Formnotwendig gegeben ist,
durch die der Mensch Mensch ist, d. h. mit seinemMenschsein. So
bedeutet der Satz, das Seiende als solches knne nichtnicht sein, da
der Ausschlu des Nicht-seins mit jener Form notwendiggegeben ist,
durch die etwas ein Seiendes ist, d. h. mit dem Sein. Ebendies aber
haben wir als den eigentlichen Sinn desNichtwiderspruchsprinzips
erkannt. Das Sein des Seienden ist der Grund,der das Nicht-sein
ausschliet, und zwar allein das Sein. Nicht weil einSeiendes dieses
ist, oder weil es Mensch ist, oder weil es gerade jetzt oderhier
ist, schliet es das Nicht-sein aus, als ob ein anderes
existierendesEinzelwesen, oder etwa ein Tier, oder ein zu anderer
Zeit oder an anderemOrt bestehendes Seiendes das Nichtsein nicht
ausschlsse, sondern alleindeshalb, weil dieses Seiende ist, weil
ihm Sein zukommt, schliet esdas Nichtsein aus. Ebensowenig schliet
das Seiende nur deshalb dasNicht-sein aus, weil es unter diesen
oder jenen Bedingungen besteht, als obes unter anderen Bedingungen
das gleichzeitige Nichtsein nichtausschlsse. Das besagt, da unter
keinerlei Bedingung das Sein mit demNichtsein vereinbar ist. Eben
das aber meinen wir, wenn wir sagen, dasNichtwiderspruchsprinzip
gelte unbedingt, es sei von unbedingterAllgemeingltigkeit.73
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124 Wenn das Ausgeschlossen-sein des Nichtseins mit dem Sein
unbedingtgegeben ist, dann kann es auch nicht von einem bestimmten
freienWillensentschlu Gottes abhngen, so da es unter Voraussetzung
einesanderen Willensentschlusses nicht gelten wrde. Das bedeutet
keineEinschrnkung der gttlichen Allmacht. Es ist keine Einschrnkung
derAllmacht, da Gott das, was nichts ist, nicht hervorbringen kann.
Thomasvon Aquin sagt hierzu: Alles, was den Charakter des Seienden
hat oderhaben kann, gehrt zum Bereich des absolut Mglichen, und auf
all diesbezieht sich die gttliche Allmacht. Das Nicht-seiende aber
und es allein istdem Seienden entgegengesetzt. Was also zugleich
Sein und Nicht-sein insich enthlt, das widerstreitet dem Begri des
absolut Mglichen und damitdem, was Gegenstand der gttlichen
Allmacht ist. Es ist nicht Gegenstandder gttlichen Allmacht, nicht
wegen eines Mangels der gttlichen Allmacht,sondern weil es nicht
den Charakter des 'Machbaren' (factibile) undMglichen hat...
(Darum) sagt man sinngemer, da so etwas nichtwerden kann, als da
Gott es nicht machen kann.74
6. Verhltnis der Prinzipien zur Erfahrung.Dies ist eine Frage,
die noch der Errterung bedarf. Bei der Begrndung derRealgeltung
haben wir im Sinne derer, die diese angreifen, vorausgesetzt,da die
Evidenz der Prinzipien im Vergleich von Begrien, hier der Begriedes
Seins und des Nichtseins, aueuchtet. Wir haben also
vorausgesetzt,da die Evidenz nicht unmittelbar in dem in der
Erfahrung gegebenenrealen Seienden selbst aueuchtet. Aber haben wir
damit nicht zu vielzugegeben? Es gibt in der Tat Autoren, die dies
annehmen. Indem wir unsmit ihrer Auassung auseinandersetzen,
stellen wir noch einmal die Fragenach dem Verhltnis der Prinzipien
zur Erfahrung.Dabei geht es nicht darum, die empiristische Auassung
der Prinzipien nocheinmal zum Gegenstand der Untersuchung zu
machen. Es handelt sichvielmehr um eine Theorie der
Prinzipienerkenntnis, wie sie im Anschlu anAristoteles in der
scholastischen Philosophie entwickelt worden ist und auchin unserer
Zeit wieder Verteidiger gefunden hat.
125 Schon in der geschichtlichen Einfhrung in die Problematik
wurde auf diearistotelische Lehre im letzten Kapitel der Analytica
posteriorahingewiesen.75 In diesem Kapitel wird zunchst eine Lehre
ber diePrinzipien dargelegt, die in der Tat empiristisch klingt:
Aus derWahrnehmung entsteht die Erinnerung, wiederholte Erinnerung
fhrt zueiner Erfahrung, aus ihr entsteht das Wissen (epistm). So
werden diePrinzipien durch Induktion (epagg) gewonnen.76 Dann folgt
unvermitteltein Abschnitt, nach dem die Einsicht der Vernunft
(nous) die Prinzipienerfat.77Vielleicht hat P. Gohlke recht mit der
Annahme, da dieser letzte Abschnittspter hinzugefgt worden ist und
da der Satz: Was vorzeiten (plai)gesagt wurde,... wollen wir noch
einmal sagen darauf hinweist, daAristoteles in diesem Zusatz auf
eine Lehre zurckgreift, die ihm aus seinerplatonischen Frhzeit
vertraut war.78 Solche textkritischen berlegungenwaren dem
Mittelalter fremd, und so betrachtete man das ganze Kapitel alseine
Einheit und suchte aus ihm eine einheitliche Theorie
derPrinzipienerkenntnis zu entwickeln. Bei Cajetan hat diese
Theorie wohl ihreklarste Fassung gefunden.79Worum geht es bei
dieser Theorie? Nach der gngigen Erklrung derPrinzipien, wie wir
sie bisher dargelegt haben, erfolgt zwar dieBegrisbildung durch
Abstraktion aus der Erfahrung, die Einsicht in dasPrinzip selbst
(als Urteil und Satz) aber setzt die Abstraktion der
Begrie(termini) bereits voraus, erfolgt also im Bereich des
begriichenDenkens. Im Gegensatz dazu nimmt Cajetan an, da die
Termini alleinnicht gengen, um den Verstand eher zu dieser als zu
einer anderen Urteils-Zusammensetzung zu bestimmen ... Auer den
einfachen (incomplexi)Begrien und ihren Bezeichnungen (termini) mu
also noch etwas anderes
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als bestimmender Grund (determinatio seu motivum) fr
dieseZusammensetzung angenommen werden. Das mu eine
sinnlicheWahrnehmung sein ... Also setzt die zusammengesetzte
(complexa)Erkenntnis der Prinzipien eine (ebensolche,
zusammengesetzte) sinnliche,erfahrungsmige, voraus.80 Es ist also
notwendig, die Verbindung, diesich im Urteil als Verbindung von
Subjekt und Prdikat darstellt, zuvor alsVerbindung der
entsprechenden Washeiten im Gegenstand der Erfahrungwahrzunehmen.
Und zwar scheint es, da die notwendige Erfahrung(ganz im Sinn des
Aristoteles) eine wiederholte Wahrnehmung (collatiomultorum
particularium) sein mu.
126 Wie unterscheidet sich dann aber diese Auassung noch von
derempiristischen? P. Hoenen drfte recht haben, wenn er sie durch
dieAnnahme von der empiristischen Auassung abhebt, es werde durch
denHinzutritt des wirkenden Verstandes (intellectus agens; der nous
desAristoteles!) der betreende Sachverhalt im konkreten Fall seinem
Wesennach und damit als notwendig erkannt.81 Dann fragt man sich
allerdings,wozu die oftmalige Wiederholung der Wahrnehmung
notwendig ist; diesehat doch nur fr die induktive Verallgemeinerung
eine Bedeutung; woWesenseinsicht vorliegt, gengt ein einziger Fall
ebensogut wie hundertoder tausend, hnlich wie ein geometrischer
Beweis durch die grere Zahlder gezeichneten Figuren nichts
gewinnt.Hier zeigt sich deutlich die Zwiespltigkeit der
aristotelischen Theorie(vorausgesetzt, da sie als eine einzige
betrachtet wird). Man hat denEindruck, da in ihr die induktive
Erkenntnis von Naturgesetzen und dieapriorische Einsicht der
Prinzipien auf einen Nenner gebracht werden sollen.Tatschlich
bringt Cajetan Beispiele der ersten und zweiten Art von Stzen:da
dieses Kraut sich gegen diese Krankheit als zutrglich erwiesen
hat82und da Gleiches von Gleichem abgezogen, gleiche Reste ergibt
83. Dabeide Arten von Stzen wesentlich verschieden sind, lt sich
wohl nichtleugnen, und auch nicht, da ihre Verschiedenheit gerade
das Verhltnis zurErfahrung betrit.Bei den Naturgesetzen ist eben
deshalb eine Vielheit von Wahrnehmungenerforderlich, weil wir im
Einzelfall nur die Tatsache feststellen, da z. B.dieses Wasser bei
niedriger Temperatur gefriert, dagegen keineWesenseinsicht haben,
da dieses Gefrieren aufgrund gerade der niedrigenTemperatur
notwendig erfolgt. Bei den Prinzipien dagegen ist eine Vielheitvon
Wahrnehmungen nicht erforderlich, weil wir nicht nur eine
Tatsachefeststellen, sondern einsehen, da dem betreenden Seienden
eineBestimmung notwendig zukommt, weil es ein solches ist, da es z.
B. demSeienden als solchem zukommt, das Nichtsein auszuschlieen,
weil es ist.
127 Die strittige Frage ist also, ob diese Wesenseinsicht
bereits im Bereich derErfahrung erfolgt, so da die Erfahrung selbst
nicht nur Feststellung derTatsache, sondern zugleich Einsicht in
die Notwendigkeit ist, oder ob dieEinsicht in die Notwendigkeit
erst im Bereich des abstrakten Denkensmglich ist. Auch wer der
letzteren Ansicht ist, wird gern zugeben, da dieErfahrung der
Einzeltatsache, wo sie mglich ist, eine wertvollepsychologische
Hilfe fr die Verbindung der Termini und damit fr dieEinsicht in ihr
notwendiges Zusammengehren ist. Wir sagten: wo siemglich ist; denn
gerade beim Nichtwiderspruchsprinzip scheint dieseMglichkeit nicht
zu bestehen. Denn wie soll man das Nichtsein erfahrenund damit die
Nicht-Identitt von Sein und Nicht-sein als Tatsache
empirischfeststellen? Franz Surez scheint recht zu haben, wenn er
sagt: Gewiknnen wir von einem Einzelding erfahren, da es ist, aber
da ihm zurgleichen Zeit das Nicht-sein nicht zukommt, das knnen wir
nicht durch einevon der Wahrnehmung seines Seins verschiedenen
Wahrnehmung positiverfahren, sondern nur durch Vernunfteinsicht
sehen, wenn die Terminihinreichend geklrt sind.84 Mit anderen
Worten: Wie wir das Nicht-sein nurim Begri erfassen knnen, so knnen
wir auch das Verhltnis von Sein undNicht-sein nur in einem
Begrisgebilde erfassen. Dasselbe gilt bei allenPrinzipien von ihrer
allgemeinen Aussage; alle Seiende oder auch nur alle
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Menschen sind uns nie in der Erfahrung gegeben. Die Frage kann
also nursein, ob in rein positiven Prinzipien die Notwendigkeit des
Sachverhalts amempirisch gegebenen Einzelfall wahrgenommen werden
kann, oder besser:wahrgenommen wird. Wenn dies der Fall ist, so wre
das allerdings fr diePrinzipienerkenntnis von grter Bedeutung; denn
die Verallgemeinerungergibt sich fr das Denken ohne weiteres, wenn
einmal die unbedingteNotwendigkeit feststeht.Albert Flic hat in
einer Abhandlung in der Revue Philosophique de Louvainim Gegensatz
zu dem soeben Gesagten die Auassung vertreten, die
imNichtwiderspruchsprinzip ausgesagte Notwendigkeit werde in der
konkretenErfahrung des Seienden, z. B. in der Erfahrung des eigenen
Seins, sogleichmiterkannt.85 Die Notwendigkeit fat er dabei als
etwas an sich reinPositives auf, das nur nachtrglich durch die
doppelte Negation ausgedrcktwird. Dieses Positive drckt er
gelegentlich durch das Wort solidit,Festigkeit, aus.86 Natrlich sei
damit nicht gemeint, das erfahreneSeiende zeige sich als notwendig,
da es sich ja im Gegenteil als kontingentzeige. Was die Festigkeit
wirklich besagt, kann auch er nicht anders klarmachen als durch das
Nicht-gleichzeitig-nicht-sein-Knnen.
128 Dann ist aber wohl zu vermuten, da sie von uns auch nicht
anders erfatwird. So, d. h. als Beziehung zum Nichtsein, gefat,
kann die Notwendigkeitaber gewi nur im begriichen Denken erkannt
werden. Dieses Denken istallerdings, wie schon vorhin87 gesagt
wurde, eine Erkenntnis, die sich aufdas Seiende selbst, nicht etwa
blo auf den Begri des Seienden, bezieht.Man mag es sogar mit Flic
eine Analyse des Seienden selbst nennen.Aber diese Analyse
geschieht nicht in der schlichten Erfahrung allein,sondern in einem
Denken ber das erfahrene Seiende, d. h. mit Hilfe
vonBegrien.Dasselbe scheint auch bezglich der rein positiven
Prinzipien (bei denen diebesondere Schwierigkeit einer etwa
notwendigen Erfahrung des Negativennicht auftritt) zu gelten. Und
das eben deshalb, weil die Erfassung desSachverhalts, da einem
Seienden eine Bestimmung notwendig zukommt,eine Analyse des
betreenden realen Seienden fordert. Durch dieseAnalyse mu jenes
Merkmal aus dem konkreten Seienden herausgehobenwerden, aufgrund
dessen ihm die betreende Bestimmung notwendigzukommt (so wie es z.
B. das Sein ist, aufgrund dessen jedem Seiendender Ausschlu des
gleichzeitigen Nicht-seins zukommt). DiesesHerausheben scheint aber
nichts anderes zu sein als eben die Abstraktion des betreenden
Begris. Sollte jemand wirklich ohne dieseAbstraktion die Einsicht
in die Notwendigkeit gewinnen knnen, so soll ihmdas natrlich nicht
verwehrt sein. Der Verfasser gesteht freilich, da ihmdas notwendige
Zusammengehren von Merkmalen erst dann aufgeht,wenn er die
betreenden Merkmale durch Abstraktion aus dem konkretenGanzen
herausgelst hat.Flic meint allerdings, in der Anerkennung der
unbedingten Gewiheit desBewutseinsurteils sei die Anerkennung der
Erfahrung des Nicht-nicht-sein-Knnens der bewuten Akte in actu
exercito eingeschlossen.88 Dennohne die Erfahrung dieser
Notwendigkeit knnte das Bewutseinsurteil, dassich allein auf die
Erfahrung sttzt, keinen notwendigen Charakter haben.In Wirklichkeit
aber drnge sich uns das unmittelbare Bewutseinunausweichlich auf
(s'impose inluctablement)89.Hier scheint zweierlei verwechselt zu
werden: die Notwendigkeit derWahrheit, die im Begri der Gewiheit
enthalten ist, und die Notwendigkeitdes erkannten Gegenstandes
selbst. Die erstere besteht nur im Verhltnisder Evidenz (des
Sichzeigens des Seins) und der Wahrheit des Urteils: Wenndas Urteil
das sich-zeigende Sein ausdrckt, ist es notwendig wahr. Damitist
aber nicht gesagt, da im Gegenstand des Urteils selbst
(imsich-zeigenden Sein selbst) schon eine Notwendigkeit erfat sein
mu.Nicht deshalb, weil wir wissen: Dieses da kann jetzt nicht nicht
sein,wissen wir: Dieses da ist, sondern umgekehrt: weil wir wissen:
Dieses daist, knnen wir mit Gewiheit sagen: Es kann jetzt (da es
ist) nichtzugleich nicht sein.
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129 Die schlichte Seinserkenntnis (die freilich etwas wesentlich
anderes ist alseine positivistisch verstandene
Tatsachenfeststellung) ist das erste, allesandere, was vom Seienden
als solchen aussagbar ist, wird durch eineHinzufgung zum Seienden
erfat, wie Thomas von Aquin sagt.90 Auchdas
Nichtwiderspruchsprinzip hngt ab von (nicht: ist enthalten in)der
Einsicht des Seienden.91 Gewi, die Leugnung
desNichtwiderspruchsprinzips wrde jede Gewiheit wieder ins
Wankenbringen, aber das sagt nicht, da jede Gewiheit positiv von
diesem Prinzipabhngt. Wir brauchen an die Mglichkeit oder
Unmglichkeit desNichtseins berhaupt nicht zu denken, und knnen doch
eine Gewiheitvom Sein des Seienden haben.Es sei noch bemerkt, da es
sich bei diesen Ausfhrungen um letzteFeinheiten der Analyse
handelt, von denen die schlichte Einsicht
desNichtwiderspruchsprinzips nicht abhngt. Sie bleibt bestehen, mag
mansich in diesen Fragen so oder so entscheiden.Aber vielleicht mu
hier doch noch ein mgliches Miverstndnisausgeschlossen werden. Es
soll keineswegs gesagt werden, eine Einsichtvon Prinzipien sei nur
mglich in der ganz reexen Weise, wie sie in diesemKapitel am
Nichtwiderspruchsprinzip eingebt worden ist. Das, was in
ihmausgesagt wird, wei doch schlielich jeder wenn auch nicht in
scharferAbgrenzung gegen Miverstndnisse , auch wenn er im
abstraktenDenken keine bung hat und darum dieses Prinzip nicht zu
formulierenversteht. Hier geht es um den Unterschied zwischen dem
sogenanntennatrlichen Denken und dem reex-wissenschaftlichen
Denken. Wasdamit gemeint ist, kann an einem Text aus Augustinus
erlutert werden. Erstellt sich einmal die Frage: Was ist die Zeit?
Und er antwortet darauf:Wenn mich niemand danach fragt, wei ich es,
wenn ich es aber einem,der mich danach fragt, erklren will, vermag
ich es nicht.92 Warum knnenwir es nicht, obwohl wir im Gesprch
nichts so hug und soselbstverstndlich erwhnen wie die Zeit und
obwohl wir doch verstehen,was wir da sagen, und verstehen, wenn wir
einen andern davon redenhren? Oenbar gengt das schlichte Verstehen
nicht dazu, die durch dieFrage Was ist die Zeit? geforderte
Begrisbestimmung (Denition) zugeben. Dazu ist ein reexes,
zergliederndes und die gefundenenElemente sprachlich festlegendes
Denken erforderlich. Aber was ist nun dasschlichte Verstehen, das
den Bemhungen um eine wissenschaftlicheDenition vorangeht? Gewi
geht diesen Bemhungen eine Erfahrungvoraus, eine Erfahrung von
Beginnen und Aufhren von etwas, eineErinnerung an Gewesenes, ein
Erwarten von Zuknftigem usw. Aber wennwir von der Zeit sprechen, so
ist das doch schon eine ersteVerbegriichung, ein Gebilde eines
anfnglichen Denkens, dasverschiedenes Erfahrenes zusammenfat, ohne
sich doch schon derStruktur dieser Synthese reex bewut zu sein.
Eben darum ist es aufdieser Stufe noch nicht mglich, eine Antwort
auf die Was- Frage zu geben.
130 Man wird noch einen Schritt weiter gehen mssen: Das
anfngliche Denkenkann sogar noch ganz ohne sprachliche Bezeichnung
bleiben jedenfallsohne Bezeichnung in einer Sprache, die in einer
Sprachgemeinschaftverstndlich ist. Das geht daraus hervor, da man
oft lange suchen mu,bis man den geeigneten Ausdruck fr einen
gefaten Gedanken gefundenhat. Ein solches Denken erscheint gnzlich
vorbegriich. Es ist es auch,wenn man nur jenes Denken begriich
nennt, das sich in Worten einergemeinsamen Sprache ausdrcken
lt.Jedenfalls scheint es notwendig zu sein, zwischen der
konkretenErfahrung und dem Denken in wissenschaftlich scharfer
Begriichkeit einnatrliches, gewhnlich noch nicht scharf
abgrenzendes undzergliederndes Denken anzunehmen. Ein solches
Denken vollzieht sichzumeist nicht in bewut und gewollt geformten
Begrien, Stzen undSchlssen, sondern drngt sich unwillkrlich auf, so
da der Eindruck einesEmpfangens den eines durch eigene Denkbemhung
Gefundenenberwiegt. Dazu verbindet sich der gedankliche Gehalt oft
mitanschaulichen Vorstellungen, die das Gemeinte sinnbildlich
darstellen.
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Beides bedeutet eine analoge hnlichkeit solchen Denkens mit
derErfahrung in dem Sinn, wie das Wort im berlieferten
philosophischenSprachgebrauch verstanden wird. Daher ist es nicht
zu verwundern, dasolches Denken ebenfalls mit dem Wort Erfahrung
bezeichnet wird.93Dagegen ist natrlich nichts einzuwenden. Nur darf
man diese Erfahrungnicht einfach gleichsetzen mit der Erfahrung,
wie sie in derphilosophischen Erkenntnislehre von jeher dem Denken
entgegengesetztwird. Erfahrung eines Seienden in diesem Sinn liegt
nur dann vor, wennsich ein Seiendes an sich selbst und durch sich
selbst (nicht blo durch einestellvertretende Vorstellung oder einen
Begri) zeigt. Ein wesentlicherUnterschied beider Arten von
Erfahrung besteht darin, da dieErfahrung im lteren philosophischen
Sprachgebrauch den Gegenstand,soweit sie ihn berhaupt zeigt, stets
in seinem Einzelsein und in jederHinsicht bestimmt gibt, whrend das
in der Erfahrung im weiteren SinnErkannte oft noch recht allgemein
und nicht bis ins letzte bestimmt erfatwird.94 Es kann auch etwas
Negatives sein, whrend das Negative alssolches in der Erfahrung im
engeren Sinn des Wortes sich nicht zeigenkann. Die Erfahrung im
weiteren Sinn wird auch nicht Empirie genannt.
Anmerkungen Kapitel 71 Vgl. S. 69-72 12 Menon, Kap. 15-21; 82 a-
86 b. 23 Vgl. Phaidon, 18-22; 72 e - 77 a. 34 Vgl. das
Hhlengleichnis in: Politeia VII, 514 a -521 b, und die
mythische Darstellung vom himmlischen Umzug der Gtter undder sie
begleitenden Seelen: Phaidros 246 d - 248 e.
4
5 Vgl. z. B. De vera religione c. 32; Migne, PL 34, 148 f. 56 De
trinitate 8, c. 3 n. 4; Migne PL 42, 949. 67 Vgl. B. Jansen, Zur
Lehre des heiligen Augustinus von dem
Erkennen der Rationes aeternae, in: M. Grabmann und J.Mausbach,
Aurelius Augustinus, Kln 1930, S. 111-136.
7
8 So z. B. Bonaventura. Vgl. E. Gilson, Die Philosophie
desheiligen Bonaventura, 2. Au., Kln 1960, S. 371-432. 8
9 S. th. 1 q. 55 a. 2; vgl. q. 58 a. 1. 910 Meditationes de
prima philosophia, med. 3: Adam-Tannery, 7.
Bd., S. 51. 1011 Vgl. Meditationes de prima philosophia. med. 5
und Quintae
responsiones: Adam Tannery. 7. Bd. S. 64 f. und 381; Med. 3,
S.38 (res, veritas, cogitatio); Discours de la methode
4:Adam-Tannery, 6. Bd., S. 37; Med. 5, S. 68.
11
12 Nouveaux Essais, 1. Buch, I. Kap., 1: Philosophische
Schriften,ed. Gerhardt, 5. Bd., S. 66. 12
13 Ebd. 25: Gerhardt, S. 72. 1314 De anima 3.4: 430 a 1 f. 1415
Analytica posteriora 2. Kap. 19: 99 b. 25-27. 1516 Ebd. 99 b.
32-100 a. 6. 1617 Ebd. 100 b. 5-17. 1718 De anima 3.5: 430a. 10-25.
1819 Analytica posteriora 1.1: 71 a. 33-71 b. 5. 1920 S. th. 1,2 q.
51 a. 1. Vgl. In 3 De anima, lect. 10, n. 729. 2021 Vgl. S. 49 2122
Vgl. Logische Untersuchungen, 2. Band, II: Die ideale Einheit
der Spezies und die neueren Abstraktionstheorien.
Ferner:Erfahrung und Urteil, Hamburg 1948.
22
23 Erfahrung und Urteil, S. 235. 2324 Kritik der reinen Vernunft
B 17. 24
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25 Gonseth in: La mtaphysique et l'ouverture l'exprience,hrsg.
v. Ferd. Gonseth, Paris 1960, S. 139. 25
26 Ebd. S. 163. 2627 Ebd. S. 177. 2728 Vgl. z. B. Beda Thum, in:
Gonseth, La mtaphysique..., S.
144-149. 2829 Ebd. S. 15 f.. 139 f. 2930 Wolfgang Bchel,
Philosophische Probleme der Physik, Freiburg
1965, S. 243. 3031 A Treatise of Human Nature, Part III, Sect.
1: The Philosophical
Works, ed. Th. H. Green and Th. H. Grose, London 1886, Vol. 1,p.
373; deutsche bers.: Traktat ber die menschliche Natur,hrsg. v. Th.
Lipps, 4. Au., Leipzig 1923, Bd. 1, S. 95.
31
32 Ebd. Sect. 3: S. 380-384; dt. bers.: S. 106-110. 3233 Ebd.
Sect. 14: S. 459 f.; dt. bers.: S. 223 f. 3334 A System of Logic.
Ratiocinative and Inductive. 8. Au.. London
1872. Book II. Chapter 5. 4: S. 266: deutsche bersetzung:System
der deduktiven und induktiven Logik, bers, v. Th.Gomperz. 2. Au..
Leipzig 1884. 1. Bd.. S. 267.
34
35 Ebd. Book II. Ch. 6. 2: S. 292-297; dt. bers.: 1. Bd.
S.295-300. 35
36 Ebd. Book II. Ch. 7. 5: S. 321; dt. bers.: 1. Bd.. S. 326,
Vgl.dazu die Kritik von E. Husserl: Logische Untersuchungen. I.
Bd..3. Au.. Halle 1922. S. 78-97.
36
37 Ebd. Book III, Ch. 3. 2: I. Bd.. S. 360: dt. bers.: I. Bd.,
S. 365. 3738 Ebd. Book III. Ch. 21. 2: 2. Bd.. S. 100: dt. bers.:
2. Bd., S.
300. 3839 Ebd. 3: S. 103; dt. bers.: S. 303. 3940 Der Streit um
die Existenz der Welt. I: Existentialontologie,
Tbingen 1964, S. 171 f. 4041 Fr. Engels, Herrn Eugen Dhrings
Umwlzung der Wissenschaft,
Berlin 1948, S. 40. W. I. Lenin, Materialismus
undEmpiriokritizismus, Berlin 1949, S. 116. Vgl. auch: A. Scha,
Zueinigen Fragen der marxistischen Theorie der Wahrheit,
Berlin1954, S. 67.
41
42 Herrn Eugen Dhrings Umwlzung ..., S. 44. 4243 Ebd. S. 459.
4344 Aus dem philosophischen Nachla, Berlin 1949, S. 110. 4445 Erst
in jngster Zeit haben zwei sowjetische
Erkenntnistheoretiker, S. B. Certeli und L. P. Gokieli,
einenanderen Weg versucht. Sie lehnen es ab, da die
AxiomeErfahrungsstze sind. Ihre Begrndung geschieht durch
eineMethode, die Cereteli inniten Schlu, Gokieli Urschlunennt.
Gedacht ist an jene Methode der Widerlegung, in dergezeigt wird, da
die Leugnung gewisser Stze ihre Setzungimpliziert: Was im Wort
ausdrcklich geleugnet wird, das wird inder Tat, d. h. im Vollzug
des Urteils, implizit gesetzt. So, meintCereteli, ergebe sich die
Apodiktizitt der betreendenAxiome. Vgl. hierzu: Eduard Huber, Um
eine dialektischeLogik, Mnchen 1966, S. 132-136. Von anderen
wirdwenigstens die Engelssche Auassung von der
biologischenVererbung der Denkformen abgelehnt; die Erfahrung
derVorfahren werde durch die Sprache weitergegeben. Vgl.
OweGustavs, Sind Denkformen erblich?, in: Deutsche Zeitschrift
frPhilosophie 15 (1967), S. 458-465.
45
46 Vgl. S. 63. Vgl. hierzu z. B.: I. Rougier, Trait de la
connaisance,Paris 1955, S. 38-41,47-52. 46
47 Vgl. S. 21.40.58. 47
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48 Metaphys. 4,3; 1005 b 19 f. 4849 H. Diels, Fragmente der
Vorsokratiker, 6. Au., 1. Bd., Berlin
1951, Fragm. 8 des Parmenides, S. 236 f., Z. 16-21. 4950
Gegenber einem so gefaten Nichtwiderspruchssatz ist der
Vorwurf einiger Vertreter des dialektischen Materialismus,
dasNichtwiderspruchsprinzip schliee jede Vernderung aus,berechtigt,
nicht aber gegenber dem aristotelischen Satz, derdie Mglichkeit der
Vernderung eigens bercksichtigt. Sowerden auch von den heutigen
sowjetischen Philosophen dieAngrie gegen das recht verstandene
Nichtwiderspruchsprinzipberwiegend abgelehnt; vgl. Ed. Huber, Um
einedialektische Logik, Mnchen 1966, S. 81.
50
51 Die Abhngigkeit vom (vllig unvernderlichen) Wesen
des(subsistierenden) Seins bzw. Gottes selbst wird dadurch
nichtausgeschlossen, wohl aber eine Abhngigkeit vom freien
WillenGottes, der. wenn er wollte, das Widersprechende
verwirklichenknnte. Die letzere Auassung wird nicht nur
Descarteszugeschrieben (wegen uerungen wie in Ouevres,
ed.Adam-Tannery I 151 f., II 138 und V 224). sondern auch
PetrusDamiani; ob mit Recht, bedrfte vielleicht doch einer
neuenUntersuchung. Vielleicht will der entscheidende Text in
Dedivina omnipotentia (Migne, PL 145,619) nur sagen, da in
Gottstets die doppelte Mglichkeit (simultanea possibilitas)
bleibt(z. B. da Rom gebaut wurde und da es nicht gebaut
wurde),nicht aber, da fr Gott die Mglichkeit des gleichzeitigen
Seinsund Nichtseins der Stadt Rom (possibilitas
simultaneitatis)besteht.
51
52 apaideusia: Metaph. 4. 4; 1006a 6. 5253 Ebd. !2. 5354 Ebd. 21
f. 5455 Ebd. 26. Adolf Lasson (Aristoteles, Metaphysik, Jena 1924,
S.
67) bersetzt geradezu: Indem er den Satz aufhebt, vertritt erden
Satz. Das wird zwar im Text nicht direkt gesagt, aberletztlich luft
das Gesagte darauf hinaus. Thomas von Aquininterpretiert: Wer seine
Aussage zerstrt, indem er sagt, dasWort habe keine Bedeutung, hlt
trotzdem seine Aussageaufrecht; denn gerade das, was er leugnet,
kann er nursprechend und dadurch etwas bezeichnend zum
Ausdruckbringen: In 4 Metaph., lect. 7, n. 611.
55
56 Dagegen ist es mglich, ohne Widerspruch zu behaupten: Daes so
ist, ist wahrscheinlich, und auch, da es nicht so ist,
istwahrscheinlich. Denn dies besagt nur: Es besteht (mindestens)ein
Grund anzunehmen, da es so ist, und es besteht auch einGrund
anzunehmen, da es nicht so ist. Das ist keinWiderspruch, solange
die beiderseitigen Grnde nicht evidentsind.
56
57 Kritik der reinen Vernunft B 117. Vgl. Anm. 45. 5758 Vgl. S.
68. 5859 Gaston Isaye S. J., La justication critique par rtorsion:
Revue
philosophique de Louvain 52 (1954) S. 205-233. 5960 Ebd. S. 213.
6061 Sehr deutlich tritt die Meinung, die Retorsion bedrfe
keiner
unmittelbaren Einsicht, z. B. bei L. P. Gokieli (vgl. Anm.
45)zutage. Er meint: Als grundlegendes Moment der Logikerscheint
nicht ... eine unbeweisbare Prmisse, sondern einedurch den Ur-Schlu
dargestellte bewiesene Wahrheit. DieWahrheit zeigt sich entweder in
der Gestalt des Ur-Schlusses,oder sie wird durch das Funktionieren
der abgeleiteten Schlsseerschlossen. Die Wahrheit als solche ist
untrennbar mit demSchlu verbunden: Dialektika i logika. Formy
myslenija,
61
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Moskau 1962, S. 220 f., zitiert bei E. Huber, Um
einedialektische Logik, S. 135.
62 Vgl. O. Muck, Die transzendentale Methode, Innsbruck 1964,
S.291. 62
63 Um auf eine bestimmte Bedingung der Mglichkeit schlieenzu
knnen, gengt nicht die Einsicht in dieSelbstverstndlichkeit, da
nichts ohne die Bedingungen seinerMglichkeit sein kann;
entscheidend ist vielmehr die Einsicht,da dieser oder jener
bestimmte Sachverhalt "Bedingung derMglichkeit ist.
63
64 Analytica posteriora 1.3; 71b, 34. 6465 Vgl. S. 113 6566 ber
den Sinn des logisch Abstrakten und Konkreten vgl. J.
de Vries, Logica, 3. Au., Barcelona 1964, S. 109, n. 185. 6667
Vgl. Jos. de Vries, Existenz und Sein in der Metaphysik des hl.
Thomas, in: Miscellanea mediaevalia, Bd. 2: Die Metaphysik
imMittelalter, Berlin 1963, S. 328-333, und die dort in Anm.
1erwhnten Arbeiten.
67
68 Zum Begri der Erfahrung vgl. S. 58 f. 6869 Vgl. S. 47-50.
6970 Vgl. S. 53-56. 7071 In diesem Sinne sagt Thomas von Aquin:
Similitudo rei
intellectae, quae est species intelligibilis, est forma,
secundumquam intellectus intelligit... Sed id, quod intelligitur
primo, estres, cuius species intelligibilis est similitudo: S. th.
1 q. 85 a.2.Frei bersetzt: Das Abbild des Gegenstandes, das
(nichtsanderes als) das geistige Erkenntnisbild ist, ist das, was
dasdenkende Erfassen des Gegenstandes konstituiert...
ErsterGegenstand des denkenden Erfassens aber ist das realeSeiende
selbst, dessen Abbild das geistige Erkenntnisbild ist. Der Text
drfte gleichermaen von dem Erkenntnisbild gelten,das Thomas species
intelligibilis nennt, wie von dem, das erverbum mentis nennt.
71
72 Vgl. S. 82 f. 7273 Unbedingte Allgemeingltgikeit in diesem
Sinn ist also nicht
das gleiche wie die Transzendentalitt
desNichtwiderspruchsprinzip, d. h. seine Geltung ber
alleeingeschrnkten Bereiche hinaus. Auch einem Satz, dessenSubjekt
nicht alles Seiende sondern etwa nur alleskontigente Seiende ist,
kann unbedingte Allgemeingltigkeitin dem hier gemeinten Sinn
zukommen, insofern es z. B. unterkeiner Bedingung mglich ist, da
ein kontingentes Seiendesunverursacht ist.
73
74 S. th. 1 q. 25 a. 3. 7475 Vgl. S. 106. 7576 Analytica
posteriora 2,19; 99 b 35-100 b 5. 7677 Ebd. 100 b 5-17. 7778
Aristoteles, Die Lehrschriften, hrsg. v. Paul Gohlke: Zweite
Analytik, Paderborn 1953, S. 10-12, 149 f. Gohlke mu
dabeiallerdings die Annahme machen, da der zitierte Satz (100 a
14f.) einige Zeilen zu frh im Text steht. Vgl. auch E. Treptow,Der
Zusammenhang zwischen der Metaphysik und der ZweitenAnalytik des
Aristoteles, Mnchen 1966, S. 60-63.
78
79 Vgl. dazu P. Hoenen S. J., De origine primorum
principiorumscientiae, in: Gregorianum 14 (1933) S. 153-184. Es
scheint,da Caietanus in dieser Frage, wie auch sonst,
diearistotelischen Elemente bei Thomas von Aquin
einseitigherausgearbeitet hat.
79
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80 Caietanus, In 2 Posteriorum cap. 13; zitiert bei
Hoenen(a.a.O.Anm. 79) S. 157 f. und im 1. Bd. der Editio Leonina
derWerke des Thomas von Aquin, S. 403, Anm. Omega.
80
81 Hoenen S. 180 (requiritur ut ipsa natura nexus inspiciatur
incasu concreto). Vgl. auch Heinrich Maier, Die Syllogistik
desAristoteles II, 1, Tbingen 1900, S. 426.
81
82 Haec herba contulit huic morbo: Cajetan bei Hoenen a.a.O.,
S.158. Das Beispiel entspricht dem von Aristoteles selbsterwhnten
Beispiel: Metaphysik l, 1; 981 a, 7-12. P. Gohlke (vgl.Anm. 78)
weist daraufhin, da Aristoteles hier am Anfang derMetaphysik den
Gedankengang von Anal. post. 2,19 wiederholt,jedoch ohne seine
Krnung durch den Nus zu bercksichtigen(a.a.O. S. 11), was wieder
daraufhinweist, da der Abschnittber den nous in Anal. post. 2,19
ein spterer Zusatz ist.
82
83 Si ab aequalibus aequalia demas, quae remanent suntaequalia:
Cajetan in: Opera S. Thomae, ed. Leonina, tom. I, p.403.
83
84 Disputationes metaphysicae, d. 1 s.6 n.27. 8485 La pense et
l'tre, in: Revue Philosophique de Louvain 60
(1962) S. 592-607, bes. S. 599-604. 8586 A.a.O. S. 602. hnlich
fat auch Heinrich Beck die
Notwendigkeit der Identitt als einen Festhalte-Akt auf:
DerAkt-Charakter des Seins, Mnchen 1965, S. 161.
86
87 Vgl. S. 123. 8788 A.a.O. S. 600. 8889 A.a.O. S. 601. 8990
Oportet quod omnes aliae conceptiones intellectus accipiantur
ex additione ad ens. De veritate q.l a.l. 9091 ... hoc
principium, impossibile est esse et non esse simul,
dependet ex intellectu entis: In 4 Metaph. lect. 6 n. 605. 9192
Confessiones 11, 14 n.17: CSEL 33, 292. 9293 Vgl. den Artikel
Erfahrung des Verf. in W. Brugger,
Philosophisches Wrterbuch, 14. Au., 88-90. 9394 Vgl. S. 57.
94
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J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 7...
http://82.135.31.182/deVries/kritik7.htm
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