6.09.2013 1 Dr. Steffen Gailberger Voraussetzungen für Literarisches Lernen bei erzählenden Texten 6. September 2013 Agenda 0. Eine kurze Geschichte 1. Texte (kompetent) lesen (können) 2. Unterscheidung von literarischen und Sachtexten 3. Anforderungen beim Lesen von und Lernen mit literarischen Texten 4. Fazit und Ausblick 2
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Voraussetzungen für Literarisches Lernen bei … · 6.09.2013 6 A) Textfunktionen bei Sach- bzw. erklärenden Texten: Informationsweitergabe i.w.S. 1. Lehr-/ Informationstexte: Darstellen
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Transcript
6.09.2013
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Dr. Steffen Gailberger
Voraussetzungen für Literarisches Lernen
bei erzählenden Texten
6. September 2013
Agenda
0. Eine kurze Geschichte 1. Texte (kompetent) lesen (können)2. Unterscheidung von literarischen und Sachtexten3. Anforderungen beim Lesen von und Lernen mit literarischen Texten4. Fazit und Ausblick
Agenda
0. Eine kurze Geschichte 1. Texte (kompetent) lesen (können)2. Unterscheidung von literarischen und Sachtexten3. Anforderungen beim Lesen von und Lernen mit literarischen Texten4. Fazit und Ausblick
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0. Eine kurze Geschichte
Wolfgang BorchertNachts schlafen die Ratten doch
Das hohle Fenster in der vereinsamten Mauer gähnte blaurot voll früher Abendsonne. Staubgewölke flimmerte zwischen den steilgereckten Schornsteinresten. Die Schuttwüste döste. […]
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1. Texte (kompetent) lesen (können)
Frage:
Wie lässt sich Lesekompetenz bzw. der kompetente Umgang mit (kontinuierlichen) Texten modellieren? Oder: Wie kann bestmögliches Lese-Verstehen beschrieben werden?
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A6 Mentales Modell
A5 Globale Kohärenz
A4
A3
A2 Inferenz
A1 Informationen (Wort u. Satz)
Vorwissen + Text
Leseprozess psychologisch
Wissen i.w.S.
Lokale Kohärenz
t5
A6 Mentales Modell
A5 Globale Kohärenz
A4
A3
A2 Inferenz
A1 Informationen (Wort u. Satz)
Vorwissen + Text
Leseprozess psychologisch
Wissen i.w.S.
Lokale Kohärenz
t6
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Walter Kintschs 3 Ebenen des Textverstehens
Lesen der Text-Oberfläche
Lesen / Verstehen der Text-Basis
Lesen und Prozessieren eines Situationsmodells / eines Mentalen Modells - inkl. (s)eines Intentums
Lesen ist nicht gleich Lesekompetenz bzw. Textverstehen. Will man lesend einen Text verstehen, bedarf es immer auch der Wissensaktivierung und -anwendung der LeserInnen.
Oder anders: Texte enthalten nie Wissen, sondern immer nur Informationen, die auf der Basis eigenen Vorwissens zu neuem Wissen generiert, aktualisiert oder erweitert werden müssen.
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2. Unterscheidung von literarischen und Sachtexten
Frage:
Warum ist Text nicht gleich Text? Und was ist eigentlich leichter? Das Lesen von literarischen, oder das Lesen von Sachtexten?
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Klassifizierung nach C. Rosebrock (2007):
Funktionen von literarischen bzw. Sachtexten:
Erklären vs.
Erzählen 10
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A) Textfunktionen bei Sach- bzw. erklärenden Texten: Informationsweitergabe i.w.S.
Das kritische und kompetente Lesen und Verstehen von (erklärenden) Sachtexten baut auf …
Vorwissen (1) in den behandelten Domänen (v.a. Sachwissen)
sowie auf
Vorwissen (2) in Bezug auf die verwendete Textart. 12
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Leser (benötigt neben ausreichender Lesefähigkeit
vor allem inhaltliches Vorwissen)
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B) Anforderungen bei erzählenden Texten:
neben speziellem Vorwissen u. Lesekompetenz, vor allem
1. Beachtung der Polyvalenz-Konvention 2. Beachtung der Ästhetik-Konvention
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Cornelia Rosebrock (2007, S. 54ff.):
B) Anforderungen bei erzählenden Texten :
1. Beachtung der Polyvalenz-Konvention 2. Beachtung der Ästhetik-Konvention
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Vier Kategorien zu literarischen Texten nach Link (1994): - ihre Verfremdung von (Alltags)Sprache - ihre Autofunktionalität (‚Form vor Inhalt‘)- das Vorherrschen der Konnotation - das Vorherrschen der Symbolik
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Anforderungen bei erzählenden Texten:
Polyvalenz-Konvention Ästhetik-Konvention
Autor
Lit. Text Mgl. Welt
Reale Welt
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Leser (bezieht den gesamte Text auf
die reale Welt) 19
Polyvalenz-Konvention Ästhetik-Konvention
Der Text verfremdet Alltagssprache, ist autofunktionalund lebt von der Konnotation.
Der Text schafft eine literarische Eigenweltlichkeit: Das heißt…
So kommt es, dass er vielstimmig‚singt‘, …
… er basiert auf einer (bewussten) poetologischen Gestaltung.
… und dass er vieldeutig zu lesen ist.
… er baut auf Fiktionsvertrag, das „Als-Ob-Spiel“
Anforderungen bei erzählenden Texten:
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Das heißt: es gibt eine Differenz zwischen literarischen und Sachtexten, die mit Horst-Jürgen Gerigk „Poetologische Differenz“ genannt wird (Gerigk 2006):
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Definition Poetologische Differenz:
„Die Poetologische Differenz ist die Differenz
zwischen der innerfiktionalen Begründung und der außerfiktionalen Begründung
eines innerfiktionalen Sachverhalts.“
Vgl. Gerigk (2006, S. 17) 22
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1. Das, was passiert
2. Das, warum 1 auf diese Weise
passiert 23
3. Das Medium (Roman, Film, Song)
Bei Sach- und Fachtexten:
Keine Poetologische Differenz möglich:
die innertextliche Begründung ist von der außertextlichen Begründung abhängig
und kann nicht eigenmächtig vom Autor verändert werden (Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Richtigkeit)
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Poetologische Differenz :
- Der Autor ist der Hermeneut / es gibt keine Zufälle- Alles ist vom Ende her gedacht (Intentum des Textes), aber die Geschehnisse auf der Handlungsebene begegnen uns vorher und lenken unseren Blick (scheinbare Zufälle, Ereignisse, Orte etc.).
Den Text als objektiv gegebenes nehmen und ‚verstehen‘ heißt: - den Text immer als Ganzes betrachten und nach dem innerfiktionalen Weil sowie nach dem außerfiktionalen Weil suchen.
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Zwischenfazit 2:
Die Art des Vorwissens ist eine andere: Bezogen auf Welt und Textartbei Sachtexten einerseits (Stichwort: Information), bezogen auf die Machart, Vorgehen und Wirkungsweise bei erzählenden Texten (Stichwort: bewusste poetologische Gestaltung, Als-ob-Spiel, Fiktionsvertrag etc.).
Der literarische Text ‚zwingt‘ uns, auf eine quasi detektivische Sinnsuche zu gehen, da er sein Intentum zumeist verschleiert. Dies bedarf einer Didaktik der poetologischen Differenz. 26
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3. Anforderungen beim Lesen von und Lernen mit literarischen Texten
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Frage:
Wenn es Anforderungen gibt, die literarische Texte an den kompetenten Leser stellen, wie muss dann dieser Leser (re)agieren, um Texten wie „Nachts schlafen die Ratten doch“ begegnen zu können?
Rinck (2000, S.117f) unterscheidet fünf Bedingungen, die beim Prozessieren eines Situationsmodells erfüllt sein müssen:
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1. LeserInnen müssen lokale und globale Kohärenzen herstellen wollen
(Subjektebene des Lesens: Leseinteresse, Lesemotivation, Volition, Reflektion)
2. LeserInnen benötigen für den jeweilig zu lesenden Text ausreichendes Vorwissen
3. Dieses aber darf nicht träge sein, sondern muss im besten Fall mit den gegebenen
Informationen im Text interagieren
4. LeserInnen müssen lokale und globale Kohärenzen herstellen können:
Erkennen, Sammeln, Selektieren und Kondensieren von Informationen, ggfls.
durch Lesestrategien
5. Letzteres wird unterstützt, wenn verbale und/oder visuell-räumliche
Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses vorliegen
6. (Rinck nennt ferner noch das Leseziel – das ist aber bereits oben abgedeckt)
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Rinck (2000, S.117f) unterscheidet fünf Bedingungen, die beim Prozessieren eines Situationsmodells erfüllt sein müssen:
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1. LeserInnen müssen lokale und globale Kohärenzen herstellen wollen
(Subjektebene des Lesens: Leseinteresse, Lesemotivation, Volition, Reflektion)
2. LeserInnen benötigen für den jeweilig zu lesenden Text ausreichendes Vorwissen
3. Dieses aber darf nicht träge sein, sondern muss im besten Fall mit den gegebenen
Informationen im Text interagieren
4. LeserInnen müssen lokale und globale Kohärenzen herstellen können:
Erkennen, Sammeln, Selektieren und Kondensieren von Informationen, ggfls.
durch Lesestrategien
5. Letzteres wird unterstützt, wenn verbale und/oder visuell-räumliche
Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses vorliegen
6. Rinck nennt ferner noch das (Leseziel) – das ist aber bereits oben abgedeckt
Spinner (2006, S. 7) unterscheidet elf Aspekte Literarischen Lernens als Teil des Lesekompetenzerwerbs:
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1. Beim Lesen und Hören Vorstellungen entwickeln
2. Subjektive Involviertheit und genaue Wahrnehmung miteinander ins Spiel bringen
5. Narrative und dramaturgische Handlungslogik verstehen
6. Mit Fiktionalität bewusst umgehen
7. Metaphorische und symbolische Ausdrucksweisen verstehen
8. Sich auf die Unabschließbarkeit des Sinnbildungsprozesses einlassen
9. Mit dem literarischen Gespräch vertraut werden
10. Prototypische Vorstellungen von Gattungen und Genres gewinnen und nutzen
11. Literaturhistorisches Bewusstsein entwickeln
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Einige Stimmen zu Spinner 2006:
Clemens Kammler (2006, S. 16) attestiert Spinner, „bislang [den] überzeugendsten Versuch einer Systematisierung nicht nur des literarischen Lernens, sondern auch der entsprechenden Lern- und Kompetenzbereiche“ vorgelegt zu haben.
Iris Kruse (2013) bestätigt dies und schreibt der Aufzählung Spinners gar das ‚Niveau‘ eines Kompetenzstrukturmodells (i.S.v. Hartig/Klieme 2006) zu.
S.G.: Das interessiert mich! Indes: bräuchte es dafür nicht Ebenen, Hierarchien und Strukturen, die zeigen, wie die einzelnen Aspekte miteinander zusammen hängen, ob sie miteinander zusammenhängen und ob sie sich überhaupt auf diese Weise isoliert darstellen lassen? 31
Close Reading: Wenn Text und Leser aufeinandertreffen
Wolfgang BorchertNachts schlafen die Ratten doch
Das hohle Fenster in der vereinsamten Mauer gähnte blaurot voll früher Abendsonne. Staubgewölke flimmerte zwischen den steilgereckten Schornsteinresten. Die Schuttwüste döste. […]
STOP!!! 32
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Vier Aspekte, die bereits vor dem Lesen greifen:
6. Bewusster Umgang mit Fiktionalität üben (V, W, D)8. Den Sinnbildungsprozess als unabschließbar ansehen (V, W, D)10. Prototyp. Vorstellungen von Gattungen/ Genres gewinnen und nutzen (V, W, D)11. Literaturhistorisches Bewusstsein entwickeln und nutzen (V, W)
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Vier Aspekte, die bereits vor dem Lesen greifen. Im Detail:
6. Bewusster Umgang mit Fiktionalität üben
Es bedarf einer ‚Didaktik der poetologischen Differenz‘, einer Didaktik, die einen Habitus der Lust an der detektivischen Sinnsuche ermöglicht und legt.
Mutmaßungen und Unterstellungen i.S.v. Beuys und Schlingensief.
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Walter Kintschs 3 Ebenen des Textverstehens
Lesen der Text-Oberfläche
Lesen / Verstehen der Text-Basis
Lesen und Prozessieren eines Situationsmodells / eines Mentalen Modells - inkl. (s)eines Intentums
8. Den Sinnbildungsprozess als unabschließbar ansehen
Die Polyvalenz-Konvention, notwendig durch die (sprachliche) literar-ästhetische Gestaltung und sich manifestierend im „Fiktionsvertrag“ zwischen Text und Leser/in.
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Walter Kintschs 3 Ebenen des Textverstehens
Lesen der Text-Oberfläche
Lesen / Verstehen der Text-Basis
Lesen und Prozessieren eines Situationsmodells / eines Mentalen Modells - inkl. (s)eines Intentums
10. Prototyp. Vorstellungen von Gattungen/Genres nutzen
- die fragmentarische Darstellung des narrativen Settings,- die Unvermitteltheit und Offenheit von Anfang und Schluss, - die maximale Reduktion der handelnden Figuren, - die auf den Punkt bringende Dialogisierung, oder - die verwendeten Stilelemente von Parataxe und Ellipse …
… dürfen die lesenden SchülerInnen weder irritieren noch belästigen, sondern sollen (im Sinne der poetologischen Differenz) im besten Fall Teil des „Als-ob-Spiels“ sein und die Schüler/innen eben zu diesem einladen – nicht ab- oder vor den Kopf stoßen.
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Walter Kintschs 3 Ebenen des Textverstehens
Lesen der Text-Oberfläche
Lesen / Verstehen der Text-Basis
Lesen und Prozessieren eines Situationsmodells / eines Mentalen Modells - inkl. (s)eines Intentums
11. Literaturhistorisches Bewusstsein entwickeln und nutzen
Hier: Borchert und sein ganz eigens Verhältnis zu Städten wie Hamburg, zu Krieg und Zerstörung, zu Tod, Verstörung, Traumatisierungen, aber auch zu Hoffnung und Neuanfang.
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Walter Kintschs 3 Ebenen des Textverstehens
Lesen der Text-Oberfläche
Lesen / Verstehen der Text-Basis
Lesen und Prozessieren eines Situationsmodells / eines Mentalen Modells - inkl. (s)eines Intentums
FiktionalitätsbewusstseinSinnbildung ist unabschließbarGattungen usw. kennen/nutzenLit.Geschichte kennen/nutzen
Vier Aspekte, die bereits vor dem Lesen greifen:
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Close Reading: Zweiter Versuch!
Wolfgang BorchertNachts schlafen die Ratten doch
Das hohle Fenster in der vereinsamten Mauer gähnte blaurot voll früher Abendsonne. Staubgewölke flimmerte zwischen den steilgereckten Schornsteinresten. Die Schuttwüste döste. […]
Wieder STOP!!! 43
Während des Lesens taucht nun ein weiterer Aspekt auf, der Spinner fast der wichtigste zu sein scheint:
1. Beim Lesen und Hören Vorstellungen entwickeln
Vor dem inneren Auge (im „Kopf-Kino“) sollen Bilder entstehen, flexibel und trennscharf, im besten Fall auch als Gerüche, als Geschmäcker oder als taktile Reize.
Aber wofür eigentlich? 44
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Die Bilderimagination muss während des Lesens wissensbasiert untermauert werden. Sie ist nicht spielerischer Selbstzweck, sondern notwendige Vorbedingung für weitere Aspekte literarischen Lernens:
7. Metaphorische u. symbolische Ausdrucksweisen verstehen
Unterscheidung (z.B. nach Huber/Stückrath 2007, S. 82f.):
- z.B. metaphorische Symbole (semantische Schnittmenge) - z.B. metonymische Symbole (Zusammenhang in der Realität)- z.B. synekdochische Symbole (Teil-Ganzes-Beziehung)
7. Metaphorische u. symbolische Ausdrucksweisen verstehen,
was wiederum nicht möglich ist ohne erneutes Aufrufen des dafür nötigen
11. Literaturhistorischen Wissens
(Hamburg 1944, Dresden 1945, NN 1946; Traumatisierungen; Zusammenhalt in der Bevölkerung; „Stunde Null“ etc.pp.)
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Während des Lesens dieses Textes (!) wird man unter der besonderen Berücksichtigung
- der wissensbasierten Bilderimagination, - der Kenntnis um die metaphorischen und symbolischen
Ausdrucksweisen - und des nötigen literaturhistorischen Wissens
dann endlich auch dazu in die Lage versetzt, die
3. sprachliche Gestaltung des literarischen Textes aufmerksam wahrzunehmen.
Während des Lesens sprachliche Gestaltungsmittel aufmerksam wahrzunehmen, bedeutet hier z.B. Folgendes zu erkennen:
Die (bewusst) gewählten Wörter steil / gereckte / Schornstein / Reste
passen lautlich zueinander: sie ‚assonieren‘ (lat. assonare = anklingen). Funktion: Lautmalerischer Nachvollzug ‚scharfer‘ in den Himmel ragender Mauerskelette, Stahlträger oder Starkstromkabel, einer in sich zusammenbrechenden Stein- und Betonmasse >> wird erreicht durch einen vierhebigen Trochäus bei den betonten Silbeninitialen: sch-r-sch-r >> diese Alliteration als sprachliches Gestaltungsmittel passt also inhaltlich wie strukturell (Autofunktionalität).
Beispiel 2: “Die Schuttwüste döste” > als semantisches und synekdochischesSymbol, sowie als Mittel der Anthropomorphisierung (die Stadt, dargestellt als ein [menschenähnliches] Ungeheuer, das jederzeit wieder Feuer speien, den Boden erschüttern und Wände zum Einsturz bringen kann)
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Vor d. Lesen
FiktionalitätsbewusstseinSinnbildung ist unabschließbarGattungen usw. kennen/nutzenLit.Geschichte kennen/nutzen
[…] Er hatte die Augen zu. Mit einmal wurde es noch dunkler. Er merkte, daß jemand gekommen war und nun vor ihm stand, dunkel, leise. Jetzt haben sie mich! dachte er. Aber als er ein bißchen blinzelte, sah er nur zwei etwas ärmlich behoste Beine. Die standen ziemlich krumm vor ihm, daß er zwischen ihnen hindurchsehen konnte. Er riskierte ein kleines Geblinzel an den Hosenbeinen hoch und erkannte einen älteren Mann. Der hatte ein Messer und einen Korb in der Hand. Und etwas Erde an den Fingerspitzen. Du schläfst hier wohl, was? fragte der Mann und sah von oben auf das Haargestrüpp herunter. Jürgen blinzelte zwischen den Beinen des Mannes hindurch in die Sonne und sagte: Nein, ich schlafe nicht. Ich muß hier aufpassen. Der Mann nickte: So, dafür hast du wohl den großen Stock da? Ja, antwortete Jürgen mutig und hielt den Stock fest. Worauf paßt du denn auf? Das kann ich nicht sagen. Er hielt die Hände fest um den Stock. Wohl auf Geld, was? Der Mann setzte den Korb ab und wischte das Messer an seinen Hosenbeinen hin und her. Nein, auf Geld überhaupt nicht, sagte Jürgen verächtlich. Auf ganz etwas anderes. Na, was denn? Ich kann es nicht sagen. Was anderes eben. Na, denn nicht. Dann sage ich dir natürlich auch nicht, was ich hier im Korb habe. Der Mann stieß mit dem Fuß an den Korb und klappte das Messer zu. 50
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[…] Er hatte die Augen zu. Mit einmal wurde es noch dunkler. Er merkte, daß jemand gekommen war und nun vor ihm stand, dunkel, leise. Jetzt haben sie mich! dachte er. Aber als er ein bißchen blinzelte, sah er nur zwei etwas ärmlich behoste Beine. Die standen ziemlich krumm vor ihm, daß er zwischen ihnen hindurchsehen konnte. Er riskierte ein kleines Geblinzel an den Hosenbeinen hoch und erkannte einen älteren Mann. Der hatte ein Messer und einen Korb in der Hand. Und etwas Erde an den Fingerspitzen. Du schläfst hier wohl, was? fragte der Mann und sah von oben auf das Haargestrüpp herunter. Jürgen blinzelte zwischen den Beinen des Mannes hindurch in die Sonne und sagte: Nein, ich schlafe nicht. Ich muß hier aufpassen. Der Mann nickte: So, dafür hast du wohl den großen Stock da? Ja, antwortete Jürgen mutig und hielt den Stock fest.Worauf paßt du denn auf? Das kann ich nicht sagen. Er hielt die Hände fest um den Stock.Wohl auf Geld, was? Der Mann setzte den Korb ab und wischte das Messer an seinen Hosenbeinen hin und her. Nein, auf Geld überhaupt nicht, sagte Jürgen verächtlich. Auf ganz etwas anderes. Na, was denn? Ich kann es nicht sagen. Was anderes eben. Na, denn nicht. Dann sage ich dir natürlich auch nicht, was ich hier im Korb habe. Der Mann stieß mit dem Fuß an den Korb und klappte das Messer zu. 51
Close Reading: Fortsetzung
[…] Er hatte die Augen zu. Mit einmal wurde es noch dunkler. […] Jetzt haben sie mich! dachte er. […] zwei etwas ärmlich behoste Beine. Die standen ziemlich krumm vor ihm […]. Er riskierte ein kleines Geblinzel [sieht einen älteren Mann]. Der hatte ein Messer und einen Korb in der Hand. Und etwas Erde an den Fingerspitzen. […] Haargestrüpp […] Nein, ich schlafe nicht. Ich muß hier aufpassen.[Der Stock?] Ja, antwortete Jürgen mutig und hielt den Stock fest.Worauf paßt du denn auf? Das kann ich nicht sagen. Er hielt die Hände fest um den Stock.
[…] auf Geld überhaupt nicht, sagte Jürgen verächtlich. Auf ganz etwas anderes.Na, was denn? Ich kann es nicht sagen. Was anderes eben.
Na, denn nicht. Dann sage ich dir natürlich auch nicht, was ich hier im Korb habe. Der Mann stieß mit dem Fuß an den Korb und klappte das Messer zu.
PÜ durch Imagination, Perspektiv-wechsel und allg. Weltwissen
Symbol. Ausdrucksweise durch Imagination, sprachl. Wahrnehmung und hist. Weltwissen
PÜ durch allg. WeltwissenPot. Bedrohung durch Bilderimagination Symbol. Ausdrucksweise durch Imagination
Symbol. Ausdrucksweise durch Imag. + sprachl. WahrnehmungPÜ erwünscht, aber noch nicht möglich
s. Oben
PÜ – wenn überhaupt (!) – nur möglich durch spez. hist. VW
Perspektivenübernahme, s. oben (z.B. Traumatisierung)
PÜ des Mannes, nur mgl. durch BilderImag., spez. hist. VW oder Leseerfahrung bzw. Vorerwartung (Erkennen der Handlungslogik)
Close Reading: Fortsetzung
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Vor d. Lesen
FiktionalitätsbewusstseinSinnbildung ist unabschließbarGattungen usw. kennen/nutzenLit.Geschichte kennen/nutzen
Weitere Aspekte, die während des Lesens hinzukommen:
Imagination als Kernaspekt und Prädiktor lit. Lernens.Übernahme der Perspektive lit. Figuren (ihr Handeln verstehen)Lit.-Geschichte kennen/nutzenSymbolische AusdrucksweiseSprachl. Gestaltung wahrnehmen
5. Synthese: Fortsetzung
[…] - Mann reizt ihn.- Jürgen erzählt von seinem Bruder.- Jürgen hat sich die unlösbare Aufgabe erteilt, seinen toten Bruder zu
retten. - Der Mann erkennt diesen nicht zu erfüllenden Plan und beschließt,
ihn durch eine Lüge zu erlösen:- „Nachts schlafen die Ratten doch“. - Er verspricht Jürgen ein Kaninchen (vs. Ratten)- Grünes Kaninchenfutter (vs. Grauer Staub) - … [offenes Ende / Polyvalenz-Konvention]
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… während des Lesens (Fortsetzung)
Während d. Lesen fff.
Imagination Hist. Vorwissen
Symbole
Perspektivenübernahme
Erkennen der Handlungs-Logik der Geschichte
durch Lesekompetenz
Fiktionalitätsbewusstsein(als Suche nach Sinn)
notwendig
Situationsmodelle enthalten „die Haupt- und Nebenpersonen, ihre Ziele, Emotionen und Charaktereigenschaften, räumliche und zeitliche Aspekte der Situation, sowie Ursachen und Auswirkungen der beschriebenen Handlungen […]“.
Bezug zu Rinck (2000, S.17):
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4. Fazit und Ausblick: Eine Didaktik der poetologischen Differenz
Das Lesen literarischer Texte im Literaturunterricht bedarf immer auch
- einer Didaktik der Bewusstmachung literarischen ‚Lesens‘,
- einer Didaktik des Fährtenlesens,
- einer Didaktik des doppelten Verstehens infolge eines doppelten Weils:
- eines innerfiktionalen Weils und
- eines außerfiktionalen Weils.
- einer Didaktik des Verdachts,
- die zunächst eine Didaktik des literarischen Lernens sein muss.