Vielfäl’ges Lernen in universitären Großlehrveranstaltungen Effekte von Flipped Classroom Formaten auf Par’zipa’onsmöglichkeiten von Studierenden mit unterschiedlichen Bedürfnissen Stefan Oppl 1 , Antonia Milas 1 , Margit Waid 2 1 Ins8tut für Wirtscha=sinforma8k - Communica8ons Engineering 2 Gender & Diversity Management Johannes Kepler Universität Linz 1 Einleitung Universitäre Lehre hat in Studienrichtungen mit hohen Studierendenzahlen vor allem in den ersten Semestern der Grundausbildung oft einen wenig interaktiven, vorrangig un- idirektionalen Charakter. Formate wie Vorlesungen oder Kurse mit bis zu 200 Teilneh- merInnen bieten Studierenden wenig Gelegenheit, individuelle Fragen zu klären oder Rückmeldung bei Verständnisschwierigkeiten zu erhalten. Gleichzeitig bilden diese Lehr- veranstaltungen oft die Grundlage fü r spätere Studieninhalte, so dass VerständnisdeIizite neben unmittelbaren negativen Auswirkungen auch verzögert zu Herausforderungen im weiteren Studienverlauf führen können. Insbesondere Studierende, die sich aus wirt- schaftlichen oder sozialen Gründen nicht ausschließlich dem Studium widmen können, haben hier aufgrund geringerer Partizipationsmöglichkeiten Nachteile. Außerdem führen Lehrkonzepte mit höheren TeilnehmerInnen-Zahlen und frontaler Lehrstoffvermittlung zu einer strukturellen Benachteiligung von Studierenden, die aus unterschiedlichen Grün- den die Möglichkeit der aktiven Partizipation im großen Plenum nicht in Anspruch neh- men können oder wollen (etwa aufgrund wahrgenommener sprachlicher DeIizite und/o- der der dafür notwendigen Exposition der eigenen Person) (Zepke & Leach, 2007; Zerva- kis & Mooraj, 2014). Interaktivere Formate, die eine individuellere Interaktion mit Lehrpersonen ermöglichen, sind ohne eine grundlegende Infragestellung des traditionellen Lehrveranstaltungskon- zeptes nicht umsetzbar. Zudem ergibt sich in Lehrveranstaltungen mit einer hohen An- zahl von TeilnehmerInnen ein Skalierungsproblem, bei dem die beschränkt verfügbaren Ressourcen der Lehrenden einem hohen Bedarf an Interaktionsmöglichkeiten durch Stu- dierende gegenüberstehen. Insgesamt ergibt sich so eine Lernsituation, die für Studie- rende mit geringeren Partizipationsmöglichkeiten benachteiligend wirkt (Zervakis & Mooraj, 2014). Eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen, ist das AuIlösen des klassi- schen vortragslastigen Vorlesungs-Setup und eine Verlagerung hin zu, interaktiveren Lernformaten, die eine individuelle Vertiefung der Lerninhalte bzw. eine unmittelbarere Möglichkeit zur AuIlösung etwaiger Verständnisschwierigkeiten ermöglicht. In den letz- ten Jahren wird hier auch im Hochschulbereich verstärkt auf die Möglichkeit der Umset- zung des Flipped Classroom Konzeptes verwiesen (O'Flaherty & Phillips, 2015). Ermög- licht durch die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre und der mittlerweile all- gegenwärtigen Verfügbarkeit breitbandiger Internetzugänge, schlägt das Flipped Class- room Konzept eine Verlagerung klassischer Theorieinputs aus der Präsenzvorlesung in die Vorbereitungsphase vor. Die üblichen Inhalte der Präsenztermine werden dabei in multimedialer Form (zumeist als Videos von Lehrvorträgen) zur Verfügung gestellt. Die
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Vielfälges Lernen in universitären Großlehrveranstaltungenwägungen als auch die gewonnenen Erkenntnisse ein. In Abschnitt 6 diskutieren wir die Implikationen unserer Arbeit für
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UniversitareLehrehatinStudienrichtungenmithohenStudierendenzahlenvorallemindenerstenSemesternderGrundausbildungofteinenweniginteraktiven,vorrangigun-idirektionalenCharakter.FormatewieVorlesungenoderKursemitbiszu200Teilneh-merInnen bieten Studierendenwenig Gelegenheit, individuelle Fragen zu klaren oderRuckmeldungbeiVerstandnisschwierigkeitenzuerhalten.GleichzeitigbildendieseLehr-veranstaltungenoftdieGrundlagefurspatereStudieninhalte,sodassVerstandnisdeIizitenebenunmittelbarennegativenAuswirkungenauchverzogertzuHerausforderungenimweiteren Studienverlauf fuhren konnen. Insbesondere Studierende, die sich aus wirt-schaftlichenodersozialenGrundennichtausschließlichdemStudiumwidmenkonnen,habenhieraufgrundgeringererPartizipationsmoglichkeitenNachteile.AußerdemfuhrenLehrkonzeptemithoherenTeilnehmerInnen-ZahlenundfrontalerLehrstoffvermittlungzueinerstrukturellenBenachteiligungvonStudierenden,dieausunterschiedlichenGrun-dendieMoglichkeitderaktivenPartizipationimgroßenPlenumnichtinAnspruchneh-menkonnenoderwollen(etwaaufgrundwahrgenommenersprachlicherDeIiziteund/o-derderdafurnotwendigenExpositiondereigenenPerson)(Zepke&Leach,2007;Zerva-kis&Mooraj,2014).
InteraktivereFormate,dieeineindividuellereInteraktionmitLehrpersonenermoglichen,sindohneeinegrundlegendeInfragestellungdestraditionellenLehrveranstaltungskon-zeptesnichtumsetzbar.ZudemergibtsichinLehrveranstaltungenmiteinerhohenAn-zahlvonTeilnehmerInneneinSkalierungsproblem,beidemdiebeschranktverfugbarenRessourcenderLehrendeneinemhohenBedarfanInteraktionsmoglichkeitendurchStu-dierendegegenuberstehen. Insgesamtergibt sich soeineLernsituation,die fur Studie-rende mit geringeren Partizipationsmoglichkeiten benachteiligend wirkt (Zervakis &Mooraj,2014).
EineMoglichkeit, diesenHerausforderungen zu begegnen, ist das AuIlosen des klassi-schen vortragslastigen Vorlesungs-Setup und eine Verlagerung hin zu, interaktiverenLernformaten,dieeineindividuelleVertiefungderLerninhaltebzw.eineunmittelbarereMoglichkeitzurAuIlosungetwaigerVerstandnisschwierigkeitenermoglicht.Indenletz-tenJahrenwirdhierauchimHochschulbereichverstarktaufdieMoglichkeitderUmset-zungdesFlippedClassroomKonzeptesverwiesen(O'Flaherty&Phillips,2015).Ermog-lichtdurchdietechnologischenEntwicklungenderletztenJahreunddermittlerweileall-gegenwartigenVerfugbarkeitbreitbandigerInternetzugange,schlagtdasFlippedClass-roomKonzepteineVerlagerungklassischerTheorieinputsausderPrasenzvorlesungindieVorbereitungsphasevor.Die ublichen InhaltederPrasenzterminewerdendabei inmultimedialerForm(zumeistalsVideosvonLehrvortragen)zurVerfugunggestellt.Die
sogewonnenePrasenzzeitwirdzurumfassenderenBehandlungvonFragenundderVer-tiefungderInhalteverwendet.AusdemSchulbereichkommend,gehtdasklassischeFlip-pedClassroomKonzeptvoneinerverhaltnismaßigkleinenGruppeanStudierendenaus,furdieeineLehrpersonalsAnsprechpartnerIn fungiert.Außerdemwird ublicherweisevonAnwesenheitspIlichtwahrendderPrasenzphasenausgegangen.BeideFaktorensindfur universitare Lehre nicht notwendigerweise gegeben; die Existenz einer Anwesen-heitspIlichtstundedemZieleinerverstarktenEinbindungvonStudierendenmitgeringe-renPartizipationsmoglichkeitensogarentgegen.
InAbschnitt2diskutierenwirdasdiesemArtikelzugrundeliegendeVerstandnisvonHe-terogenitatundwiedieseinuniversitarenGroßlehrveranstaltungensichtbarwird.InAb-schnitt3folgteineDarstellungdesFlippedClassroomKonzeptes,welchedieGrundlagefurdasinAbschnitt4vorgestellteLehrveranstaltungsdesignbietet.Abschnitt5stelltdiedurchgefuhrteempirischeUntersuchungdarundgehtdabeisowohlaufmethodischeEr-wagungenalsauchdiegewonnenenErkenntnisseein.InAbschnitt6diskutierenwirdieImplikationenunsererArbeitfurdieweitereForschungsowiediePraxisinderakademi-schen Lehre. Wir schließen mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick auf dienachstenSchritteimubergeordnetenForschungsprojekt.
2 HeterogenitätinderuniversitärenLehre
DasuberlangeJahrebeiUg berlegungenzurGestaltungvonLehrveranstaltungenherange-zogeneBildder„Normalstudierenden“(Zervakis&Mooraj,2014),diemitdeutscherErst-spracheundweitgehendhomogenerBasisausbildunganUniversitatenkommenundsichdortvollstandigihremStudiumwidmenkonnen,ohneanderenFormenvonArbeit(wieErwerbs-oderPIlege-Arbeit)nachgehenzumussen,entsprichtindenletztenJahrzehntenimmerwenigerderWirklichkeit.DiesteigendegeographischeMobilitatpotentiellerStu-dierender,diemitdemBologna-ProzesseinhergehendegroßereHeterogenitatanVor-bildung,dieStudierendemitbringen,undvorallemdiedurch okonomischeund sozialGrundehervorgerufeneVielfaltanAufgabennebendemStudium(siehedazudieStudien-sozialerhebung2015(Zaussinger,Brenner,&Precup,2017))stelltUniversitatenvordieHerausforderung, Studierendenmit unterschiedlichen Bedurfnissen sowohl auf EbenederStudienorganisationalsauchaufEbenederkonkretenLehrveranstaltungenBedin-gungenanzubieten,dieesdiesenermoglichen,ihrStudiumdeneigenenMoglich-keitenentsprechendvorantreiben.
EineweitverbreiteteKonzeptualisierungdes„Diversity“-BegriffsstellendieoftinFormmehrererkonzentrischerKreisedargestellten „4LayersofDiversity“ (Gardenswartz&Rowe,1994)dar:dieEinIlusseaufdieBedurfnisseeinerPersonkonnendemnachunter-schiedlichenDimensionenzugeordnetwerden:derenPersonlichkeit, denpersonlichenEigenschaften(wieAlter,GeschlechtoderHerkunft),denaußerenpersonlichenEinIluss-faktoren(wieFamilienstand,WohnortoderEinkommen)unddenorganisationalenEin-Ilussfaktoren(wiePosition,SenioritatoderArbeitsbereich).WahrenddieseKonzeptuali-sierunggutgeeignetist,umdieVielfalteinerOrganisationbzw.derenMitgliederdarzu-stellen, istsienurbedingtgeeignet,umRichtlinienfurdiemethodischeGestaltungvonLernsettings abzuleiten (Reinmann, 2015). Reinmann (ibid.) unterscheidet hier durchSynthesevonErgebnissenandererAutorenzwischeneinemallgemeinenHeterogenitäts-begriffanUniversitaten,furdensieeinweitgehendhomogenesBegriffsverstandniswieoben beschrieben diagnostiziert, und der lernrelevantenHeterogenität, also jenenEin-Ilussfaktoren,diesichtatsachlichaufdenLernerfolgauswirken.ImBereichderlernrele-vanten Heterogenitat unterschiedet sie soziodemographische Faktoren (wie Alter, Ge-schlecht,Herkunft,Berufstatigkeit,etc.)vonbio-psycho-sozialenFaktoren(wiekorperli-cheundpsychischeVerfasstheit,BegabungenoderfamiliareVerpIlichtungen).BeideKa-tegoriendieserEinIlussfaktorenpragendasLernverhalten, dieLernmotivation unddieLernhaltung.DasLernverhaltenbeschreibtdasVorgehenvonStudierendenbeiderErar-beitung der Lerninhalte, die Lernmotivation bezieht sich auf die Eigenstandigkeit undZielsetzungbeiderPlanungdesLernprozessesunddieLernhaltungbeschreibtdiegrund-legendeZielvorstellungvonStudierendenuberdasLernergebnis(i.S.v.Personlichkeits-bildungvs.Employability).Reinmannbeschreibt,dassdieErwartungenandasVerhaltenderStudierendenindiesendreiBereichinHochschulenstarknormativgepragtsind,dassalso unabhangig von den EinIlussfaktoren bestimmte Einstellungen erwartet werden(etwakontinuierlicheBeschaftigungmitdemLernstoff imBereichdesLernverhaltens,selbstbestimmtePlanungimBereichderLernmotivationoderdasStrebennachBildunguberdiereineBerufsorientierunghinausimBereichderLernhaltung).
Die zentrale These der vorliegendenArbeit ist, dass die normativeHerangehensweisebeimUmgangmitHeterogenitatbeimDesignvonLehrveranstaltungenaufgegebenwer-denmuss.Vielmehrmuss akzeptiertwerden, dassdieheterogenenAuspragungenderlernrelevantenEinIlussfaktoren zuunterschiedlichenLernverhalten, LernmotivationenundLernhaltungen fuhren,deneneinLehrveranstaltungsdesigngerechtwerdenmuss.KonkretmussenalsoimBereichdesLernverhaltensunterschiedlicheStrategienbeiderErarbeitungderLerninhalteunterstutztwerden,diesowohlvonbio-psycho-sozialenals
auchvonsoziodemographischenEinIlussfaktorenabhangen.ImBereichderLernmotiva-tionmussimDesignberucksichtigtwerden,dassStudierendeunterschiedlichstarkeAn-leitung und Unterstutzung in der Planung des Lernprozesses benotigen. LetztendlichmussdasDesignimBereichderLernhaltungberucksichtigen,dassvertiefteErkenntnisuberdieLerninhaltenichtdasgenerelleZielallerTeilnehmendenist,sonderndassauchderErwerbderminimalbenotigtenGrundkenntnisseeinvalidesLernzielist.
SpeziIischfurdievorliegendeArbeitkommthinzu,dassdasDesignauchfurhoheStudie-rendenzahlen skalierenmuss, ohne proportionalwachsende Lehrendenkapazitaten zubenotigen. Dem Umgangmit Heterogenitat speziell unter derartigen organisationalenRahmenbedingungenwidmensichbislangnurwenigeStudien.(Barrington,2004)nahertsichdemThemaaustheoretischerPerspektiveundschlagtbasierendaufder„MultipleIntelligenceTheory“vor,demDesignvonLehrveranstaltungenkeinenormativeVorstel-lungvonLernprozessenzugrundezulegen,sondernvondenBedurfnissenderStudieren-denauszugehen.WahrenddiesgrundsatzlichmitdenobigenAusfuhrungenkompatibelist,leitetdieArbeitjedochkeinekonkretenGestaltungsrichtlinienab.Einekonkrete,tech-nologiezentrierte Herangehensweise an die Behandlung von Heterogenitat in großenLehrveranstaltungenbieten (MacGeorgeet al., 2008)mit ihrerUntersuchungderWir-kungvon„AudienceResponseTechnology“,alsoWerkzeugenzurSammlungvonunmit-telbaren,anonymenFeedbackvongroßenGruppenzuvorgegebenFragen.Hierwirdje-doch ausschließlich die Herausforderung der Diagnose von potentiellen Verstandnis-problemeninPrasenzlehrveranstaltungenadressiert,einegenerelleDiskussionhinsicht-lichderBerucksichtigungvonHeterogenitatunterbleibt.(Ferreri&O’Connor,2013)und(Ebert-May,Brewer,&Allred,1997)zeigen,wiegroßeVorlesungeninkleinerelernen-den-zentrierteGruppensettingszerlegtwerdenkonnenundwelcheEffektedamiteinher-gehen.AuchhierunterbleibenaberdieDiskussionvonHeterogenitatalsEinIlussfaktor.
(Zervakis&Mooraj,2014)fuhrenan,dassmittels„Blended-Learning“-Formaten,alsodieVerbindungvontechnologiegestutztenLernformatenmitprasenz-basiertenElementen,denBedurfnissenheterogenerStudierendengruppeninLehrveranstaltungengrundsatz-lich entsprochenwerdenkann.Gleichzeitigwird „BlendedLearning“ als einMittel be-trachtet,skalierendeLernsettingszukonzipieren,dieauchfurgroßeGruppenanStudie-rendengeeignetsind(Driscoll,2002).EinaktuellvorgeschlagenesundbreitdiskutiertesKonzeptindiesemBereichistder„FlippedClassroom“.ImnachstenAbschnittbeschrei-benwirdessenGrundelemente,umdieseinderFolgemitdenAnspruchen,dieausderBerucksichtigungvonHeterogenitaterwachsen,konsolidierenzukonnen.
3 FlippedClassroom
DasFlippedClassroomFormatschlagtprinzipiellvor,Lehr-undLernaktivitaten,dietra-ditionellimKlassenzimmerwahrendderUnterrichtszeitstattIinden,ausdiesemKontexthinauszuverlagernunddafurdiefreiwerdendenRessourcenfurjeneLern-Aktivitatenzunutzen,dieublicherweiseaußerhalbderUnterrichtszeitstattIinden(Bishop&Verle-ger, 2013). Ursprunglich aus dem Schulbereich stammend,wir ein Flipped Classroomkonkretoftsoumgesetzt,dassLehrer-InputsdurchVideoaufnahmenersetztwerden,dieanstelleeineransonstendurchzufuhrendenHausaufgabeimSelbststudiumwahrendder
unterrichtsfreienZeitkonsumiertwerden.InderfreiwerdendenZeitimPrasenzunter-richt werden die Inhalte in der Folge praktisch geubt, was die Hausaufgaben ersetzt.DurchdieMoglichkeitzurunmittelbarenUnterstutzungbeiderAnwendungderjeweili-gen Konzepte kann auf auftretende Verstandnisschwierigkeiten gezielter eingegangenwerdenundderLernprozessindividualisiertunterstutztwerden(Palincsar,1986).
WahrenddieKonzeptedesFlippedClassroomFormatsnichtneusindundseitJahrzehn-tenunterdemStichwort„BlendedLearning“diskutiertwerden(Driscoll,2002),zeigtdiewissenschaftlicheDiskussion,dieindenletztenJahrenzumThema„FlippedClassroom“bzw. alternativ „Inverted Classroom“ gefuhrt wird (zusammengefasst etwa durch(O'Flaherty&Phillips,2015)oder(Bishop&Verleger,2013))eineneueQualitatauf.Wa-renForschungsarbeitenunterdemSchlagwort„blendedlearning“oftnochtechnologischgetriebenundfokussiertenaufdieHerstellungdersozio-technischenInfrastrukturzurUmsetzung von entsprechenden Lernszenarien, so zeigen die aktuellen Arbeiten einestarkepadagogischeOrientierung,diesichinderBeschreibunggeeigneterdidaktischerDesignsoderderempirischenUntersuchungvonEffektenaufLernprozessund-erfolgau-ßert.DieseVerschiebunghinzurFokussierungaufdieNutzungundWirkungvonFlippedClassroomFormatenwirdaufdietechnologischeEntwicklungderletztenJahrezuruck-gefuhrt(Bishop&Verleger,2013).
AuchimBereichderakademischenLehreerfahrtdasFlippedClassroomKonzeptindenletzten JahrenverstarkteBeachtung (O'Flaherty&Phillips, 2015).NebendidaktischenUg berlegungenwerdenhieroftauchokonomischeUg berlegungenalsEinIlussfaktorenge-nannt (ibid.), da angenommenwird, dass durch Informationstechnologie unterstutzteLehrformatemittel-bislangfristiginsgesamtkostengunstigerangebotenwerdenkonnen.BetrachtetmandiedidaktischenFormate,diezumEinsatzdesFlippedClassroominderakademischen Lehre beschriebenwerden, ist auffallig, dass hauIig Settings verwendetwerden,diederUnterrichtsorganisationanSchulenahneln.InsbesonderewirdzumeistvonKursenberichtet,indenenAnwesenheitspIlichtherrscht.ImRahmenderRecherchefurdenvorliegendenArtikelkonntelediglicheineStudieidentiIiziertwerden,dieexplizitaufderUmsetzungdesFlippedClassroombeifreiwilligerTeilnahmeandenPrasenzter-
IndiesemAbschnittentwickelnwireinenDesign-RahmenfurdieUmsetzungeinesFlip-ped Classroom in Großlehrveranstaltungen unter Berucksichtigung der unterschiedli-chenRahmenbedingungenundLernvoraussetzungenderpotentiellenTeilnehmerInnen.DieUmsetzungdiesesDesign-RahmesinkonkretenLehrveranstaltungenwirdanhandei-nesBeispielsbeschrieben,daseinerderAutorenhauptverantwortlichumgesetzthat.
A1:VermittlungdergrundlegendenInhaltedurchMaterialienzumSelbststudium:ImSinnedesFlippedClassroomKonzeptesmussendiezuerlernendenInhalteineinerForm angebotenwerden, die ein Selbststudium außerhalb vonPrasenzphasen ermog-licht.DiesermoglichtaucheineAnpassunganunterschiedlicheLernverhalten.
UmAnforderung1zugenugen,musseineselbstgesteuerteErarbeitungderLerninhalteermoglicht werden. Dies bedingt, dass die Inhalte in einer asynchron konsumierbarenForm(d.h.Text,AudiooderVideo)vorliegen.UmdergrundsatzlichenForderungnachderUnterstutzungunterschiedlicherLernverhaltennachzukommenundspeziIischeBedurf-nissevonStudierenden,etwahinsichtlichSprachverstandnisoderEinschrankungenderMoglichkeit zum Konsum visueller Medien, zu begegnen, sollten die Inhalte in unter-schiedlicherKodalitätzurVerfugunggestelltwerden.Beitext-basiertenUnterlagenistda-raufzuachten,dassdiese ineinemFormatangebotenwerden,dieeineExtraktiondesdigitalen Textes ermoglicht, um diesen etwa durch Ug bersetzungsalgorithmen oderScreen-Readerweiterverarbeitenzukonnen.
BeiVerfugbarkeitderLerninhalteinunterschiedlicherKodalitatisteineZuordnungzwi-schen Lernmaterialien, die die gleichen Inhalte behandeln, anzustreben, umeinenmog-lichstnahtlosenWechselzwischendenKodalitatenbzw.einensimultanenKonsumder-selbenzuermoglichen.Diesbedingt,dassdieLerninhaltekonzeptuellfeingranularzuun-terteilen.DasKonzeptvon„LearningUnits“(Koper,2003)ausdemeLearningkannhiereineRichtschnurfurdieanzustrebendeGranularitatbieten.
Lernergebnisseermoglichenmussen.IminhaltlichenSinnsollendieangebotenenMog-lichkeiten zum Self-Assessment auch einen Eindruck von der Formder letztendlichenLeistungsfeststellungermoglichen,umdieindividuelleVorbereitungaufdiesezuunter-stutzen.
UmunterschiedlichenLernstilengerechtzuwerden,kanndieaktiveTeilnahmeandenPräsenzterminen als optionale Komponente in der Leistungsfeststellung mit einbezogenwerden.Dabeiistdaraufzuachten,dassauchStudierenden,deneneineaktivePartizipa-tionnichtmoglich ist,dieGelegenheithaben, imRahmenderLeistungsfeststellungdievollstandigeErreichungderLernzielenachzuweisen.
DieSicherstellungderErfullungvonAnforderung3kannnichtausschließlichdurchdieMöglichkeit,währendderPräsenztermineindividuellFragenauchaußerhalbdesPlenumszustellen,abgedecktwerden.UmauchStudierendenohnePartizipationsmoglichkeitandenPrasenzterminendieGelegenheitzur individuellenKontaktaufnahmemitdenLeh-renden zu geben,mussen zusatzlicheKommunikationskanale geschaffenwerden.DieskanndurchdasAngebotindividuellerSprechstundenoderdurchdasAngebotvonOnline-Kommunikationskanälen,wieEmail oder aufdirektemNachrichtenaustauschbasieren-denSystemen,realisiertwerden.
DieForderungderBildungvonLerngruppen,dieinAnforderung4abgebildetist,kannmitunterschiedlichenZielsetzungengefordertwerden.WahrendPrasenzphasenbeiderAusarbeitungvonVertiefungsaufgabenkannessinnvollsein,dieStudierendeninGrup-penmitaufdieAufgabenstellungbezogenheterogenemVorwissenarbeitenzulassen,umgegenseitigeUnterstutzungzuermoglichen(Barrington,2004).BeiderErarbeitungderInhalte außerhalb der Prasenzphasen kann eineGruppenbildung von StudierendenmitähnlichemLernverhaltenunterstutzendwirken,weiletwaigeProblemfeldergemeinsam
DiePrufungselbstsolldenStudierendenimSinnederunterschiedlichenLernmotivatio-nenundLernhaltungendieMoglichkeitbieten,ihrangestrebtesWissensniveaumoglichstselbstzuwahlenunddabeiinformiertbeurteilenzukonnen,obdiesesfurdieErreichungderLernzieleausreicht.DazumussdieStrukturderPrüfung,dieinhaltlichenFokiundderBeurteilungsmodus transparent gemacht werden. Die bereits oben als notwendig be-schriebeneModularisierung der Inhalte bietet sich dabei als Ordnungsrahmen fur diePrufungan.
Bei Einbeziehung der aktiven Partizipation an den vertiefendenAufgaben in die Leis-tungsfeststellungmusssichergestelltwerden,dasseine inhaltlicheZuordnungzwischendenunterschiedlichenKomponentenbesteht,dieindieBeurteilungdesLernerfolgseinbezo-genwerden.Sokannsichergestelltwerden,dassalle inhaltlichenLernziele imRahmenderLeistungsfeststellungberucksichtigtwerdenundesnichtzuinhaltsfremderKompen-sationdurchLeistungeninanderenBeurteilungs-Komponentenkommt(sodassetwaop-tionalzuerwerbendeBonuspunkteausVertiefungsaufgabenineinemThemadiefurBe-antwortungvonPrufungsfragenineinemanderenThemaerreichbarenPunktekompen-sierenkonnen).
4.3 Umsetzung
DieebenvorgestelltenDesigngrundsatzewurdenbislanginzweikonkretenLehrveran-staltungen umgesetzt. Beide sind verpIlichtende Teile des Bachelorstudiums Wirt-schaftsinformatikanderJohannesKeplerUniversitatLinz.ExemplarischsollhierdieVor-lesung„Prozess-undKommunikationsmodellierung“vorgestelltwerden.DiezweiteIn-stanzdesDesignswurdeanalogzurfolgendenBeschreibungumgesetzt.
FurdieVorlesungwurdeeinSkriptumerstellt,indemdieThemeninhaltlichabgeschlos-senundentlangderThemenbereichestrukturiertvorgestelltwurden.JederThemenbe-reichwurdemitVertiefungsliteraturhinterlegt,zujedemThemawurdenSelbstkontroll-fragendeIiniert,dieinKomplexitatundStrukturdenzuerwartendenPrufungsfragenent-sprachen. Anhand dieser Fragen sollte es den Studierenden ermoglicht werden, dieDurchdringungdesjeweiligenThemasselbstzuuberprufen.
Wo immermoglich, wurde aufMaterialien unter freien Lizenzen zuruckgegriffen unddiesefurdenEinsatzinderLehrveranstaltungerganztunddidaktischauIbereitet.Beije-nenThemenbereichen indenenderartige Inhalte—etwa aufgrundderAktualitat derThemen—nichtverfugbarwaren,wurdendieInhalteaufderBasisvoninhaltlichpas-senden Artikeln aus anwendungsorientierten Forschungszeitschriften auIbereitet. Das
ZusatzlichwurdezujedemThemawurdeeinVideoerstellt,indemdiesesineinemLehr-vortragimAusmaßvon20-45Minutenvorgestelltwurde.UmdiezielgerichteteNaviga-tion in denVideos zu ermoglichen,wurde jedemdiskutiertenTeilaspekt eine Sprung-markezugewiesen,dieingangigenVideo-Playerngenutztwerdenkann.ImVideoselbstistnebendemLehrvortragauchderjeweilsrelevanteTeildesSkriptumszusehen,aufdemdirektannotiertwirdund indembeiBedarfzusatzlicheerlauterndeAbbildungengezeichnetwerden.Abbildung2zeigtbeispielhafteinesdereingesetztenVideosmitAn-notationenamSkriptum.
DieinitialeErarbeitungderInhalteerfolgtselbstgesteuertundeigenverantwortlichdurchdieStudierendenaufBasisderzurVerfugunggestelltenVideossowiedesSkriptums.DiedazuzurVerfugungstehendeZeitbetrugjeweils2Wochen.IndiesemZeitraumbestanddieMoglichkeit, in einer Online-Lernplattform unmittelbare Verstandnisfragen an alleTeilnehmerInnen,eine freiwahlbareGruppevonKollegInnenoderdenLehrveranstal-tungsleiterzustellen.Insbesonderewaresauchmoglich,indenVideoszurLehrveran-staltungwahrendderenKonsumStellenzumarkieren,diealsbesondersrelevantoderunklarerachtetwurden.DieseMarkierungenwurdenalsAusgangspunktefurdieDiskus-sionindenPrasenzterminenverwendet.
UmdieaktiveTeilnahmeandenPrasenzterminenindieLeistungsbeurteilungmiteinzubeziehen,konnteinjedemPrasenztermindurchMitarbeitundAbgabeeinerindividuellenDokumentationeinerVertiefungsaufgabeeinBonusaufdiebeiderPrufungfurjeweiligenThemenbereicherreichbarenPunkteerreichtwerdenkann.DieserBonusbetrugmaximal33% der fur den Themenbereich erreichbaren Punkte. Bei der schriftlichen PrufungselbstkonntenproThemenbereichbeidermaximal100%dervorgesehenenPunkteer-reichtwerden. Eine vollstandig korrekteBeantwortungder jeweiligen Fragenund einvollstandigerBonusfuhrtalsotrotzdemnichtzueinerKompensationvonLuckenindenanderenThemenbereichen, andererseits ist einErreichender vollstandigenPunktzahlauchbeiausschließlicherTeilnahmeanderPrufungmoglich.
Insgesamt zeigt sich, dass die Gestaltungsrichtlinien praktisch implementiert werdenkonnen.WahrendderinitialeVorbereitungsaufwanddurchdieNotwendigkeitderErstel-lungangepassterMaterialienbetrachtlichist,wirdausdenaktuelllaufendenInstanzenderLehrveranstaltungen(inderzweitenImplementierungdesgleichenUmsetzungskon-zeptes)sichtbar,dasssichbeiWiederverwendungderselbeninFolgesemesternderGe-samtaufwandfurLehrendeetwaimgleichenUmfangbewegtwiebeiklassischerPrasenz-lehre.
5 Evaluierung
DieersteUmsetzungderinitialenVariantedesobenbeschriebenenDesignsimWinterse-mester2016/17wurdedurcheineempirischeUntersuchungbegleitet,inderdieNutzungderonlinezurVerfugunggestelltenMaterialienundderinteraktivenElementeindenPra-senzterminenausStudierenden-SichtmittelsFragebogenundInterviewserhobenwur-den.Zielwareshier,VerbesserungspotentialfurfolgendeDesign-Iterationenzuerheben.InderAnalysederInterviewsundinderdirektenInteraktionmitdenTeilnehmerInnenwahrendderPrasenzzeitenwarauffallig,dassdieaktivePartizipationderStudierendengenerellhohererschienalsinvergleichbarenLehrveranstaltungen,dienachtraditionel-lemModusabgehaltenwurden.InsbesondereentstandderEindruck,dassdurchdenMo-dusPotentialinderPartizipationvonStudierendengruppengehobenwerdenkonnte,dieinfruherenInstanzenderLehrveranstaltungdieInhalteaugenscheinlicheherpassivkon-sumiert hatten.Dadiese vorlauIigeDiagnose ausschließlich auf subjektivenWahrneh-mungen des Lehrveranstaltungsleiters basierte, wurde im Sommersemester 2017 diePartizipationderStudierendenineinerFlipped-Classroom-LehrveranstaltungnachdemobenbeschriebenenDesignumfassendauchhinsichtlichderHeterogenitatderTeilneh-mendendetaillierterempirischuntersucht.
DieersteForschungsfrageuntersuchtdiedemographischeZusammensetzungderTeil-nehmerInnenandenLehrveranstaltungenunddieUmstande,unterdenendieseihrStu-diumbetreiben.DieseFrageistdurchdieVermutunggetrieben,dassdieunterschiedli-chenRahmenbedingungen,unterdenenStudierendeihrStudiumvorantreiben,EinIlussauf derenPartizipationsmoglichkeitenundBedurfnisse hinsichtlich der zurVerfugunggestellten Lernangebote haben. Ziel der Untersuchung ist es, herauszuIinden, welche(nichtnotwendigerweiseeinanderausschließende)Gruppen innerhalbderTeilnehme-rInnenidentiIiziertwerdenkonnenundwelcheTeilnehmerInnenwelchenGruppenzu-geordnetwerdenkonnen.
FurdieUntersuchungderForschungsfrage1beziehenwirunsaufKonzeptederDiver-sitats-Forschung,umdiegrundsatzlichinFragekommendenEigenschaftenvonStudie-renden, die deren Partizipationsmoglichkeiten beeinIlussen konnen, zu identiIizieren.KonkretwireinanderDiversitats-Landkarte(Iber&Pauser,n.d.)undderStudierenden-Sozialerhebung2015(Zaussingeretal.,2017)orientiertesStudierendenproIilerhoben,dassichandenvon(Reinmann,2015)beschriebenenpotentielllernrelevantenEinIluss-faktorenorientiert.DiefolgendenAspektegeheninunsereAnalyseein(inKlammersinddieabgefragtenAuspragungenangefuhrt,eswarzusatzlichimmermoglich,keineAngabezumachen):
DieErhebungdieserDatenerfolgteanonym,dieTeilnahmeandenjeweiligenBefragun-gen war freiwillig und erfolgte mittels online ausfullbaren Fragebogen. GrundsatzlichwurdenbeideLehrveranstaltungen,indenendasDesignbislangimplementiertwurde,indieUntersuchungeinbezogen.Allerdingswurdenerst inderzweitenInstanzsamtlichederobenangefuhrtenAspekteabgefragt,daerstdorteinexpliziterFokusaufdieHetero-genitatderStudierendengruppengelegtwurde.DiesfuhrtinKombinationmitderFrei-willigkeitderTeilnahmeandergesamtenUntersuchungsowiederFreiwilligkeitderBe-antwortungeinzelnerFragendazu,dasssichdieAnzahlderStudierenden,furdieDatenzueinemAspektvorliegen,jeweilsunterscheiden.InderAuswertungistdeshalbimmerdieGesamtanzahlderAntwortenabsolutunddieAnteiledereinzelnenAuspragungenre-lativangefuhrt.
FurdieUntersuchungderForschungsfrage2wurdenimRahmenderBefragungoffeneItems verwendet, in denen die TeilnehmerInnen derenwahrgenommene Starken undSchwachendesDesignsbzw.die ImplementierungderDesigns, sowieAnregungen furVerbesserungenundwahrgenommeneHerausforderungeninderLehrveranstaltungan-fuhrenkonnten.DieFragenwarendabeisoformuliert,dasssieneutraldieWahrnehmun-genderTeilnehmerInnenabfragenundkeineUnterstutzungselementeoderintendierteEffektederselbendurchexpliziteNennungherausstellen.IndensogesammeltenAntwor-tenwurdemiteinerinduktiventhematischenAnalyse(Braun&Clarke,2006)nachlaten-tenThemengesuchtunddieseinderFolgedenKategorien„Starke“,„Schwache“,„Poten-tial“oder„Herausforderung“zugeordnet,umdieQualitateinesThemasexplizitsichtbarzumachen.FurjedesidentiIizierteThemawurdedessenNennungsfrequenzerhoben.Zu-satzlichwurdefurjedesThemabetrachtet,obsichbeiBerucksichtigungderHeterogeni-tatsdimensionwesentlicheUnterschiedeindenNennungsfrequenzenergeben.
FurdieUntersuchungderForschungsfrage3wurdeinderBefragungeinAbschnittmitItemseingefugt,diesichaufdenLernprozessinderLehrveranstaltungunddenwahrge-nommenenLernerfolgbeziehen.DieimFolgendendemerstenTeilderAnalysezugrundeliegendenVariablenwurdenausjeweilsmehrerenItemsdesFragebogensaggregiert.DieItemsstammenausexistierendenInstrumentendiezurDiagnosederWirkungvonFlip-ped-Classroom-Formaten eingesetzt wurden (Davies et al., 2013; Fietze, 2010; Zim-merman&Pons,1986)sindausPlatzgrundenhiernichtdetailliertbeschrieben.Derein-gesetzteFragebogenkannbeidenAutorenangefordertwerden.DieItemswurdendurchdieStudierendenauf4-teiligen aquidistantenLikert-Skalenbewertetundwurdendes-halbalsmetrischeVariablenquantitativausgewertet.AuchhierwurdenAuswertungennachdenunterschiedlichenAuspragungenindenbetrachtetenHeterogenitatsdimensio-nendurchgefuhrtundggf.statistischsigniIikanteUnterschiedezwischendenAuspragun-genidentiIiziert.
ZusatzlichwurdezurUntersuchungdesLernerfolgsauchdasErgebnisderLeistungsfest-stellungbetrachtetundinBeziehungzudenAufzeichnungenuberdasAusmaßunddieQualitat der aktiven Partizipation der Teilnehmenden gesetzt. Diese ZusammenhangewurdenebenfallswiederumnachHeterogenitatsdimensionenaufgeschlusseltbetrachtet,wobeihiernichtdasdetaillierteDiversity-ProIilzumEinsatzkommenkonnte,dadiesesanonymbetrachtetwurde.DievorhandenenDatenuberHeterogenitatsaspektewurdenhierausdenStudierendenstammdatenundBefragungenwahrendderAbgabegespracheinderbegleitendenUg bungs-Lehrveranstaltungerhoben.
DieerstebetrachteteVorlesungbeschaftigtsichmitdemsozio-technischenDesignver-teilterSystemeundwirdidealtypischim5Studiensemesterabsolviert.Insgesamthaben67 Personen die betrachtete Lehrveranstaltung abgeschlossen. Die zweite betrachteteVorlesungfuhrtindieProzess-undKommunikationsmodellierungeinundwirdidealty-pischim2Studiensemesterabsolviert.Hierhaben113PersonendiebetrachteteLehrver-anstaltungabgeschlossen.
ZusatzlichwurdennebenderAuswertungproAspekteauchKreuztabellenerstellt,dieeserlauben,gemeinsamauftretendeMerkmalsauspragungenzuidentiIizieren.DanichtalleAspektevoneinanderunabhangigsind(etwaAlterundAlterbeiStudienbeginn),sindhierinTeilenhoheKorrelationenzwischeneinzelnenAspektenzuerwarten.EinedetaillierteDarstellung dieser Kreuztabelle unterbleibt hier, da dies den Rahmen dieses Artikelssprengenwurde.Grundsatzlichistzuerkennen,dassderAnteilanberufstatigenStudie-rendenuberdieAltersgruppenhinwegetwastabilbeietwa55%liegt,dasAusmaßderwochentlichgeleistetenArbeitsstundenabermitdemAlterderPersonenansteigt.BeiBe-trachtungvonGeschlechtundMigrationshintergrundergebensichinBezugaufdasAus-maßderBerufstatigkeitindeneinzelnenAuspragungenkeinewesentlichenUnterschiedezumDurchschnittallerDatensatze.
FurdenausmehrerenItemsaggregierteWert,derdieEinstellungzumStudiumcharak-terisiert,wurdefurjedenHeterogenitatsaspektgetestet,obsichzwischendeneinzelnenAuspragungenstatistischsigniIikanteUnterschiedezeigen(furAspektemitzweiAuspra-gungen:Mann-Whitney-U-TestfurunabhangigeStichproben,furAspektemitmehrals2Auspragungen: Kruskal-Wallis-Test fur unabhangige Stichproben). Fur keinen Aspektkonnten in der grundlegenden Einstellung zu Studium signiIikante Unterschiede zwi-schendenAuspragungenidentiIiziertwerden.
ImerstenSchrittwurdeeineinduktivethematischeAnalysenachlatentenThemen.DieseThemenwurden ineinemzweitenSchrittkategorisiert.DieGrundlagehierfurwardasSWOT-Schema (Strengths,Weaknesses, Opportunities, Threats). Die Ergebnisse dieserSchritte sind im folgendenUnter-Abschnitt zusammengefasst. In einemdritten Schrittwurdeuntersucht,obdieidentiIiziertenKategorienvonunterschiedlichenStudierenden-gruppenunterschiedlicheoft(relativzuderjeweiligenGruppengroße)genanntwurden.DieErgebnissediesesSchritteswerdenamEndediesesAbschnittsdargestellt.
5.2.2.1 Iden8fizierteThemen
FurjedesThemaistinTabelle2angefuhrt,wieoftdiesesabsolutgenanntwurdeundwel-cherAnteil der gesamtenStichprobe (n=130eingereichteFragebogen)dieses genannthat.AuffalligistimBereichderStarken,dasssichdie3amhauIiggenanntenThemenaufEigenschaftendesSelbststudiumsbeziehen.JeneThemen,diederinteraktivenVertiefungzuzuordnensind,werdenwenigerhauIiggenannt.Generellsteheninsgesamt181Nen-nungenvonThemenimBereichderStarken48NennungenvonThemenimBereichvonSchwachengegenuber.Generellwurdenhiernur5Themenmehralseinmalgenannt.DiebeidenamhauIigstengenanntenSchwachenbeziehensichbeideaufdieKomponentedesSelbststudiums.AmhauIigstenwirddasFehleneinesforciertenLernverhaltenskritisiert,welches bei aufschiebender Lernmotivation zu mangelhafter Vorbereitung fuhrt. AnzweiterStellewirddiemangelndeMoglichkeitzurunmittelbarenNachfragebeiauftre-tendenFragenzudenLerninhaltenkritisiert.
PersonenmitdeutscherErstsprachefuhrenimBereichderSchwächenetwashauIigeran als Personenmit nicht-deutscher Erstsprache, dassmehr Selbstdisziplin notwendigwarealsinanderenLehrveranstaltungen,umaktivanderLehrveranstaltungzupartizi-pieren. DieVerzögerung bei der Fragenbeantwortung, die durch die Entkopplung zwi-schenSelbststudiumundPrasenzterminentsteht,wirdvonPersonenmitnicht-deutscherErstspracheetwashauIigeralsSchwachegenannt.EinahnlichesMusterzeigtsichinderWahrnehmung,dassdasumgesetzteDesignwenigerinteraktivalseinetraditionelleLVAware.
UnterschiedenachAlter:ImBereichderStärkennennenTeilnehmerInnenbis25JahredieAnpassbarkeitdesKonsumsderVideos(Pausierenetc.)ofteralsaltereTeilnehmerIn-nen. Dienochmalige Konsumierbarkeit von Videos wird dagegen von TeilnehmerInnenuber20JahreofteralsvonJungerenalsStarkegenannt.DieMoglichkeit,Videosdannzukonsumieren,wennausreichendeKonzentrationsfähigkeitgegebenist,wirdnurvonTeil-nehmerInnenunter30JahrenalsStarkegenannt.
BeieinerBetrachtungnachMigrationshintergrundzeigtsich,dassderberichteteKon-sumderLehrvideosbeiTeilnehmerInnenmitMigrationshintergrundwenigerumfassendistalsbeijenenohneMigrationshintergrund(p<0.05).DiewahrgenommeneQualitätderVorbereitung sowiediewahrgenommeneQualität derMediennutzung ist jedoch inderGruppederPersonenmitMigrationshintergrundsigniIikantbesser(p<0.05).
IndererstenuntersuchtenLehrveranstaltung(verteiltesozio-technischeSysteme,5.Semester)konntenhinsichtlichdesErgebnissesderabschließendenPrufungensowiedesUmfangsderTeilnahmeandenPrasenzterminenkeinesigniIikantenUnterschiedezwi-schendenAuspragungenindenbetrachtetenKategorienfestgestelltwerden.DieQualitätderPartizipationandenPräsenzterminen(max.40erreichbarePunkte)warbeiStudie-renden,diezumerstenMalteilnahmen(n=51,mean=27.7,std.-dev.=10.3),signiIikantho-her (p < 0.05) als bei Studierenden, die zum wiederholten Mal teilnahmen (n=16,mean=18.5,std.-dev.=14.8).
DieErgebnissefurForschungsfrage1zeigen,dassdieTeilnehmerInnenandenbeidenbetrachtetenLehrveranstaltungenhinsichtlichderbetrachtetenHeterogenitatsdimensi-oneneinahnlichesProIilaufweisen,wiejenederJohannesKeplerUniversitatLinz(JKU)generell(siehedazu(Zaussingeretal.,2017)).InsbesonderebedeutetdiesimVergleichzumosterreichischenDurchschnitteinenhoherenAnteilanStudierendendienebenih-remStudiumberufstatigsind.AuchistderAnteilanStudierenden,dieihrStudiumnichtunmittelbar nach der Schule begonnen haben, hoher als im osterreichischen Durch-schnitt.DerAnteilanweiblichenStudierendenisthoheralsinanderentechnischorien-tierteStudienrichtunganderJKU.DieskannaufdiestarkeresozialwissenschaftlicheAus-richtungderLinzerWirtschaftsinformatikunddengenerellhoherenAnteilanweiblichenStudierendenandersozial-undwirtschaftswissenschaftlichenFakultatzuruckzufuhrensein.DerAnteilanStudierendenmitnicht-deutscherErstspracheistannahernddoppeltsohochwieimosterreichischenDurchschnittund2,5sohochwieimJKU-Durchschnitt.DerAnteilvonStudierendenmitMigrationshintergrundistfunfmalsohochwieimJKU-Durchschnittundbetragtdas3,5-fachedesosterreichischenDurchschnitts.InsgesamtistalsobeidenbetrachtetenEigenschaftenderTeilnehmerInneneinegroßereHeterogenitatals im osterreichischenDurchschnitt festzustellen.DerAnteil vonStudierenden,die indenpotentielllernrelevantenHeterogenitatsaspektenAuspragungenaufweisen,dievom„Normalstudenten“ abweichen, ist dementsprechend hoher als im osterreichischenDurchschnitt.
BetrachtetmandieErgebnissefurForschungsfrage2,soistauffallig,dassgenerelljeneAspektedesLehrveranstaltungsdesignsalsStarkedesKonzepteswahrgenommenwer-den, die dieMoglichkeit bieten, die Lerninhalte sowohl zeitlich als auch den Ausliefe-rungskanalbetreffendIlexiblerzukonsumieren.DerFokusdesDesignsaufdasAnbietenvonUnterstutzungsmaßnahmenimLernprozessbeigleichzeitigerAbwesenheiteinesfor-ciertenLernverhaltenswirdmehrfachalsSchwachekritisiert.EineHypothesezurErkla-rungdieserWahrnehmungenist,dassdiesevonStudierendenmitwenigselbstgesteuer-terLernmotivationgetroffenwurdenunddassdasDesignhinsichtlichdiesesAspektesnochzuwenigUnterstutzungsangeboteenthalt.TatsachlichfokussierteinGroßteilderindenGestaltungsrichtlinienangefuhrtenMaßnahmenaufUnterstutzungunterschiedlicherLernverhalten,nichtaberaufStudierendemitunterschiedlicherLernmotivation.
UnterscheidetmannachGruppen,soscheinendieimDesignintendiertenEffektezurUn-terstutzung von Studierenden, die ihr StudiumunterunterschiedlichenRahmenbedin-gungenvorantreiben,erreichtwordenzusein.StudierendemitnichtdeutscherErstspra-cheschatzenetwadieMoglichkeit,dieLehrvideoswiederholtanzusehen, inderenGe-schwindigkeitzuverandernoderzupausieren,hoheralsStudierendemitdeutscherErst-sprache.BerufstatigeStudierendeschatzenvorallemdieFlexibilitatimKonsumderIn-halte.DieMoglichkeit,FragenindenPrasenzphasenzustellen,wirdverstarktvonweib-lichenStudierendenalsStarkegenannt.InKombinationmitder(empirischnichtbeleg-ten)Beobachtung,dasssichintraditionellenPlenarformatenehermannlicheStudierendezuWortmelden,weißtdiesdaraufhin,dassdieinteraktivenVertiefungsaufgabenmitih-reneherkleinteiligenGruppenstruktureneineDiskussionmitdemLehrendenauchjenenStudierendenermoglicht,diesichinanderenFormatennichtsoaktiveinbringenkonnten.
DieAnalysederLernergebnisseunddieKorrelationmitdenDatenzuraktivenPartizipa-tionandeninteraktivenVertiefungsaufgabenweistdaraufhin,dassvorallemStudienan-fangerundStudierendemitnichtdeutscherMuttersprachevonderTeilnahmeandenVertiefungsaufgabenproIitierenkonnen.HinsichtlichderLernergebnisse ist festzustel-len,dasszumindestineinerderbetrachtetenLehrveranstaltungendasZiel,dendurch-schnittlichenLernerfolgunabhangigvondenAuspragungenderbetrachtetenHeteroge-nitatsaspektezuhalten,nichterreichtwerdenkonnte.HierlagderLernerfolgvonPerso-nenmitnicht-deutscherErstsprachesigniIikantunterjenemvonPersonenmitdeutscherErstsprache.DieserFaktorwird inzukunftigen ImplementierungendesDesigns inderbetreffendenLehrveranstaltungverstarktzuberucksichtigensein.Generellzeigtsichje-doch,dassdasZiel,etwaigeNachteileindenRahmenbedingungenbeiderTeilnahmeandenLehrveranstaltungen,durchangepassteUnterstutzungsmaßnahmenzukompensie-ren und den Lernerfolg unabhangig von diesen Rahmenbedingungen sicherzustellen,weitgehenderreichtwerdenkonnte.
6 ZusammenfassungundImplika'onen
IndieserArbeithabenwirGestaltungsrichtlinienfureinLehrveranstaltungsformatent-wickelt,dasesStudierendenerlaubensoll,aktiventsprechendihrerheterogenenMog-lichkeitenundAnspruchenanderErarbeitungder Inhalte teilzunehmen.DieseGestal-tungsrichtlinienwurdenaufBasisderAnnahmeabgeleitet,dassderEinIlussvonlernre-levantenHeterogenitatsaspektenaufLernverhalten,LernmotivationundLernhaltungalsInvarianteindiePlanungderDidaktikundMethodikvonLehrveranstaltungenakzeptiertwerdenmuss. Davon ausgehendmuss das Design auf die Entwicklung von Unterstut-zungsmaßnahmenfokussieren,dieeinenselbstgesteuertenLernprozessermoglichen.InderUntersuchungvonzweiexemplarischenAnwendungenderGestaltungsrichtlinieninzweiGroßlehrveranstaltungenkonntenwirzeigen,dassdieintendiertenEffektegrund-satzlicherreichtwerdenkonnten.
Obwohleineumfassendere,langfristigereBeobachtungundAnalysederEffektederGe-staltungsrichtliniennotwendigerscheint,umunsere initialenErgebnissezuvalidieren,lassensichdochersteImplikationenfurdieGestaltunguniversitarerLehreableiten.FurLehrendestelltsicheinerseitsdieHerausforderung,dieInhalteihrerLehrveranstaltungensoaufzubereiten,dasssieinasynchronkonsumierbarerForminunterschiedlichenKoda-litaten vorliegen. Andererseits mussen Unterstutzungangebote fur Selbststudium undPrasenzphasenkonzipiertwerden,dieauchbeiInanspruchnahmeinunterschiedlichemUmfangfurStudierendenutzbringendsind.GleichzeitigdarfStudierendeninderLerner-folgskontrolle kein Nachteil entstehen, wenn sie Unterstutzungsangebote nicht in An-spruchnehmenkonnen.Soferninder jeweiligenFachdidaktikmoglich,mussenVertie-fungsangeboteimSinneeinerKompetenzorientierungaufeineHandlungsbefahigungderTeilnehmerInnenabzielen.
FurdieStudienorganisationanUniversitätenstelltsichdieHerausforderung,diefurdieGestaltungundDurchfuhrungderartigerLehrveranstaltungennotwendigenRessourcenzurVerfugungzustellen.AusSichtdernotwendigenpersonellenRessourcendarfaufBa-sisderErfahrungenausdenexemplarischenUmsetzungennichtdavonausgegangenwer-den,dassdieVerlagerungderLehrvortrageausdenHorsalenhinauszuEinsparungspo-tential indiesemBereichfuhrt. ImGegenteilmuss imZugeder initialenErstellungderInhaltemithoheremAufwandgerechnetwerden,derinderRessourcenplanungberuck-sichtigtwerdenmuss.AusSichtdernotwendigenInfrastrukturmusseineStudienorgani-sationsicherstellen,dasssowohldieAusstattungfurdieErstellungvonInhaltenundin-teraktiven Unterstutzungsangeboten als auch fur deren Ausrollung im Studienbetriebvorhandenist.EinetechnischeUnterstutzungdurchentsprechengeschultesPersonaler-scheintimLichtederErfahrungenderexemplarischenUmsetzungensinnvollzusein.
HochschulpolitischwareaufBasisderbeobachtetenpositivenAuswirkungenvonhetero-genitats-bewusster Lehre anzudenken, zur Beurteilung der Leistung einer UniversitatnichtnurIndikatorenfurunmittelbareEffektewieAbsolventInnenzahlenoderdieZahlderprufungsaktivenStudierendenheranzuziehen,sondernauchmittelbarwirksamwer-dendeAktivitaten,wiedieErstellungvonoffenverfugbarenLerninhalten,einzubeziehen.
UnabhangigvondiesenImplikationenfurubergeordneteEbenenplanenwir,unsereAr-beit im hier vorgestellten Forschungsvorhaben fortzusetzen. Zum einen begleitenwirweiterhinaktuelllaufendeundzukunftigeImplementierungendesvorgeschlagenenKon-zeptesmitdenhiervorgestelltenInstrumenten,umdiebeobachtetenEffektezuvalidie-renunddieAuswirkungenvonVeranderungenderUmsetzungderGestaltungsrichtlinienbeurteilenzukonnen.Zumanderenarbeitenwiranweiterenmethodischenundtechni-schenUnterstutzungsmoglichkeiten fur die Implementierung der vorgestellten Gestal-tungsrichtlinienundtestenhieraktuellWerkzeugeumasynchroneInteraktionzwischendenTeilnehmerInnenundLehrendenzudenzurVerfugunggestelltenLehrvideoszuer-moglichen,umbeiVerstandnisproblemenunmittelbarerunterstutzenzukonnen.
Vedder,G.(2015).DiversitatsmanagementandeutschenHochschulenlehren--EinErfah-rungsbericht.InDiversität, Diversifizierung und (Ent) Solidarisierung(pp.73–84).SpringerFachmedienWiesbaden.