BRÜSSEL. Für Außenstehen- de ist es nicht leicht nachzu- vollziehen: Schon seit Febru- ar steht das EU-Budget für 2014 bis 2020 mit gut 960 Mil- liarden € fest. Gegen diesen Wert, den die EU-Staats- und Regierungchefs vereinbart ha- ben, erhebt das EU-Parlament keine Einwände. Dennoch ver- handeln Regierungen und Par- lament seit Monaten über das finale Haushaltspaket. Man- che setzen auf den Durch- bruch morgen, Dienstag. „Je- der will einen Deal vor Ende Juni und es ist womöglich die letzte Möglichkeit“, heißt es in Kommissionskreisen. Wich- tigster Punkt ist die soge- nannte Flexibilität des Haus- halts. Dabei gehe es um eine grundsätzliche Änderung der Budgetkultur, erläutert ein Di- plomat dem WirtschaftsBlatt. Neue Haushaltskultur Denn das Parlament wünsche sich de facto, das die Zahlen in den Haushaltsplänen künf- tig keine Ausgabenobergren- zen, sondern vielmehr Aus- gabenziele wären. Nicht aus- gegebene Mittel würden die Abgeordneten gerne vom ers- ten und jedem weiteren Jahr bis Ende 2020 mitnehmen. Bisher fließen diese hohen Millionenbeträge im Wesent- lichen zurück in die Budgets der Mitgliedsstaaten. Grund des Ansinnens: Der EU-Haushalt schrumpft an- gesichts der Krise und der Sparzwänge in den Mitglieds- staaten erstmals. Der auslau- fende Finanzrahmen 2007 bis 2013 hätte im Vergleich fast 994 Milliarden € ausgemacht. Kein Freibrief Zudem wünscht sich das Par- lament auch die Umschich- tung von nicht ausgenutzten Finanzierungszusagen von ei- nem Budgetposten zum an- deren. Blieben also etwa Agrarmittel über, könnten sie für Grenzschutz oder anderes verwendet werden. Die Regierung befürworten prinzipiell ebenfalls mehr Fle- xibilität. Allerdings dürfe es keinen Freibrief geben, hieß es in Diplomatenkreisen. Jede Umschichtung – ob zeitlicher oder organisatorischer Natur – dürfe nur kontrolliert über die Bühne gehen. Ebenfalls offen ist noch, wie weit eine Zwischenreform des Haushalts während der Lauf- zeit gehen darf und wie kon- kret auf allfällige künftige ei- genen EU-Einnahmen Bezug genommen wird. Zu guter Letzt hat das Par- lament einen Nachtragshaus- halt von 11,2 Milliarden € für 2013 als Bedingung für einen Deal gemacht. Die Finanzmi- nister haben vorerst 7,3 davon unter Vorbehalt der Mehrjah- res-Einigung freigegeben. Kommissionsvertreter mei- nen, es gebe Dienstagnacht hoffentlich eine Vereinbarung, die Elemente dafür seien vor- handen. EU-Parlamentpräsi- dent Martin Schulz soll indes schon an einem Deal noch im Juni gezweifelt haben. (wot) BUDGET EU-Billionenpoker nähert sich dem großen Finale WIEN/GRAZ. Während VKI und Lyoness Argumente sam- meln, dürfte ungeachtet des Prozessausgangs eines fix sein: Am Ende steht eine Leitent- scheidung, in der zentrale Fra- gen um Multi-Level-Mar- keting an sich geklärt werden. Wie berichtet hat der VKI im Ministeriumsauftrag via Anlegeranwalt Eric Breitene- der die Einkaufsgemeinschaft mit angeschlossenem Struk- turvertrieb Lyoness geklagt. Die Verbandsklage richtet sich gegen intransparente Ge- schäftsbedingungen: Das Sys- tem sei viel zu kompliziert, um von Konsumenten ver- standen werden zu können – und noch dazu „gröblich be- nachteiligend“. Das Klagebe- gehren betrifft Unterlassung der Verwendung der AGB und Urteilsveröffentlichung. In der dem WirtschaftsBlatt vorliegenden Klagebeant- wortung kontert Lyoness-An- walt Ernst Brandl (Kanzlei Brandl & Talos) auf 44 Seiten der 95-Seiten-Klage Breitene- ders: Lyoness hat weltweit 2,8 Millionen Mitglieder, in Österreich sind es (Stand: 2. Mai) 495.284. 95 Prozent der Mitglieder seien bloß Rabatt- karteninhaber – der Rest sei „unternehmerisch tätig“. Viele Erklärungen Und genau um diesen kleinen Rest („Business-Paket“- Bezieher, „Premium-Mitglie- der“ usw.) geht es in der Kla- ge vorrangig. Die Replik wid- met 17 Seiten der Erklärung von insgesamt elf Varianten von Vergütungen sowie der Funktionsweise von „Business- Paketen“. Zusammengefasst meint man, dass das System zwar komplex sein mag, aber verständlich erklärt wurde. Eines der Haupt-Verteidi- gungsargumente von Lyoness ist die Unterscheidung von Konsumenten und Unterneh- mer. Die Verbandsklage stützt sich unter anderem auf das Konsumentenschutzgesetz. Viele Klauseln betreffen aber nur „unternehmerisch“ tätige Lyoness-Mitstreiter: Für sie gelte das Konsumenten- schutzrecht nicht, deshalb feh- le dem VKI die Klags-Legiti- mation, argumentiert Brandl. Dieser Punkt, ab wann Ver- braucher im Multi-Level- Marketing „Unternehmer“ werden, ist im Hinblick auf mannigfaltige Rechtsfolgen eine zentrale, aber weitgehend ungelöste Rechtsfrage. Es geht darum, wann aus der Hobby- Mitarbeit im Vertrieb unter- nehmerische Tätigkeit wird. Ein weiteres Hauptargu- ment von Lyoness ist, dass die Gemeinschaft ihren Mitglie- dern bloß zum Vorteil gerei- che und von einer „gröblichen Benachteiligung“ keine Rede sein könne. Wie berichtet hat- te es schon zuvor Klagen ge- geben, es läuft ein Ermitt- lungsverfahren – das Beweis- verfahren dürfte spannend werden. Auch andere Ver- triebe streichen Vorteile für Mitglieder besonders hervor. „Unternehmer“-Schutz Kläger Breiteneder: „Das Ar- gument, dass die AGB nur für Unternehmer gelten, ist falsch.“ Und wenn schon: „Auch Vorbereitungshandlun- gen einer Unternehmens- gründung sind vom Konsu- mentenschutzgesetz erfasst.“ Brandl verweist darauf, dass die überwiegende Mehrheit der 61 gerügten Klausen alte AGB betreffen würden. VERBANDSKLAGE Lyoness’ Antwort auf VKI-Klage Der Rechtstreit VKI ver- sus Lyoness dürfte auf eine Leitentscheidung über zentrale Fragen des Multilevel-Marke- tings hinauslaufen. De- tails der Replik der Ein- kaufsgemeinschaft. Aus der Klage- beantwortung: Lyoness räumt ein, das System sei komplex – zu begreifen sei es aber trotzdem, meint man OLIVER JAINDL [email protected] WIEN. Auf dem Markt der Compliance-Dienstleis- tungen wird das Angebot immer breiter: Anwälte kooperieren mit PR- Unternehmen und Soft- warehersteller versuchen, Compliance-Aufgaben an Datenbanken auszulagern. Die Wiener Kanzlei Lansky, Ganzger + Partner etwa startete eine Koope- ration mit dem PR-Unter- nehmen Kobza integra. Ziel sei, die unterneh- mensinterne Kommunika- tion von Compliance zu unterstützen, erklären An- walt Gerald Ganzger und Beatrix Skias, Geschäfts- führerin der PR- und (im Register eingetragenen) Lobbying-Agentur. In Ganzgers Kanzlei pflege man eine strenge Compliance-Tradition: Bei heiklen Causen wie Begas gebe es eine „chinesische Mauer“, die zwischen die- sen Mandaten und jenen Aufträgen steht, die etwa die Vertretung einer Me- diengruppe betrifft. Zuletzt kam die Kanzlei bzw. Ganzgers Partner wegen (nicht neuer und oft de- mentierter) Vorwürfe im Fall Aliyev ins Rampen- licht: Man habe somit auch Erfahrung damit, selbst im Schussfeld zu stehen. Rationalisierung Statt auf Compliance- Mitarbeiter setzt etwa Am- ber Road auf IT. Das Soft- warehaus versucht den Markteinstieg in Öster- reich mit Datenbanken, die automatisch im interna- tionalen Handel Embar- gos, Zölle und „gelistete“ Lieferanten abfragen und Tabus aufzeigt. In den ver- gangenen Jahren habe man Umsatzsteigerungen im dreistelligen Prozentbe- reich erzielt. Die Daten- anwendung wird direkt mit SAP vernetzt. (jai) COMPLIANCE Das Angebot wird immer vielfältiger Projekt PR und Lobby- ing: Gerald Ganzger APA/Neubauer WIEN. Die Österreicher ste- hen ob der schwachen Kon- junktur auf der Konsum- bremse. Das bekommt auch das Logistik-Unternehmen Kühne + Nagel Österreich zu spüren. Geschäftsführer Franz Braunsberger macht vor allem der Einzelhan- delsbereich Sorgen. Dieser habe sich im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjah- res leicht rückläufig entwi- ckelt. „Im zweiten Quartal ist das wieder aufgefangen worden, aber ich bin noch nicht euphorisch. Da ist noch Luft“, sagt Braunsberger. Besser läuft es im Außen- handelsgeschäft. Import und Export wachsen derzeit im zweistelligen Prozentbe- reich. Treiber sind hier die USA, China und Indien. Po- sitive Zeichen kommen auch aus der heimischen Indus- trie. Dort ziehen laut Brauns- berger der Maschinenbau und die Autozuliefererbran- che stark an. Zuwächse gibt es auch im Pharmabereich. Für das Gesamtjahr ist Braunsberger dennoch nur vorsichtig optimistisch. Er hofft auf ein Umsatzplus von drei bis vier Prozent. In den vergangenen Jahren war das Unternehmen in Österreich durchschnittlich knapp im zweistelligen Prozentbereich gewachsen. Der Jahresum- satz lag 2012 bei 370 Millio- nen €. Der Schweizer Mut- terkonzern hat im Vorjahr 16,95 Milliarden € umgesetzt und ein umfassendes Kos- tensenkungsprogramm ge- startet. Expansion auf Eis Bei Kühne + Nagel Öster- reich liegen deshalb einige Investitionen auf Eis. „Was Lagerflächen betrifft, ist die Expansion sicher erst einmal hintangestellt“, sagt Brauns- berger. Personalabbau soll es zwar keinen geben, dennoch „sind wir beim Aufbau von administrativem Personal vorsichtiger“, so der Chef von Kühne + Nagel Öster- reich. Weiter investieren muss Braunsberger aller- dings in die Qualifikation seiner Mitarbeiter. Vor allem den Berufsanfängern fehle es teilweise an nötigem Grund- wissen in Geografie: „Man- che tun sich zum Beispiel schwer mit Bangladesch“, sagt Braunsberger. Wie geplant weitergehen soll auch der Ausbau der Produktpalette. Braunsber- ger schweben maßgeschnei- derte Lösungen für die ein- zelnen Branchen vor. Dabei soll sich das Logistikunter- nehmen weg vom reinen Transporteur hin zu einem vernetzten Teil der Vertrieb- und Informationskette des Kunden entwickeln. (spe) LOGISTIK Kühne + Nagel umschifft die Konjunkturdelle Franz Braunsberger, Chef von Kühne + Nagel Österreich, hofft heuer auf ein Umsatzplus von drei bis vier Prozent Beigestellt ANZEIGE 4 UNTERNEHMEN & MÄRKTE wirtschaftsblatt.at MONTAG, 10. JUNI 2013