Typische Strategien der Lebensbewältigung Schon in ganz jungen Jahren scheiden sich bei Auseinandersetzungen die Geister: Manche Kinder strotzen vor Angriffslust, während andere schüchtern zurückweichen. Und wer sich als Kind anderen gegenüber offensiv durchsetzen konnte, wird gewöhnlich auch als Erwachsener munter „kontra geben“. Umgekehrt werden kleine Angsthasen wahrscheinlich auch in ihrem späteren Leben den Kürzeren ziehen. Führen wir uns dazu ein Beispiel vor Augen: Der dreijährige Ralf spielt im Kindergarten hingebungsvoll mit einer bunten Holzlokomotive. Der gleichaltrige Peter kommt hinzu und greift sich das Spielzeug. Wie reagiert Ralf? Er hat „theoretisch“ die Möglichkeit, entweder um das Spielzeug zu kämpfen oder sich dieses wegnehmen zu lassen. In letzterem Fall gibt es noch weitere Optionen: Ralf könnte entweder lautstark protestieren oder es stillschweigend „mit sich machen lassen“. Wie er tatsächlich reagieren wird, darüber entscheidet ein unbewusstes Verhaltensprogramm, das – auch in späteren Phasen der Entwicklung – den typischen Lebensstil eines Menschen prägt. Dieser „Masterplan“ bestimmt unser ureigenes Temperament. Er ist einerseits genetisch bestimmt, andererseits wird er durch Wirkkräfte der Erziehung und Sozialisation beeinflusst. Wie diese zusammenwirken, werden wir gleich sehen. Gerade in Konfliktsituationen greifen wir unwillkürlich auf Strategien der Problembewältigung zurück, die wir im Laufe unseres Lebens eingeübt haben. Diese Verhaltensweisen sind für uns insofern typisch, als sie unsere jeweiligen Reaktionen vorhersehbar machen. Diese Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens bemerkten schon antike Forscher. So beschrieb der römische Arzt Galen Temperamentstypen, die bis auf den heutigen Tag ein Begriff sind. Dies sind im Einzelnen der … unbeschwerte Sanguiniker jähzornige Choleriker trübsinnige Melancholiker träge Phlegmatiker
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Typische Strategien der Lebensbewältigung
Schon in ganz jungen Jahren scheiden sich bei Auseinandersetzungen die Geister:
Manche Kinder strotzen vor Angriffslust, während andere schüchtern zurückweichen.
Und wer sich als Kind anderen gegenüber offensiv durchsetzen konnte, wird gewöhnlich
auch als Erwachsener munter „kontra geben“. Umgekehrt werden kleine Angsthasen
wahrscheinlich auch in ihrem späteren Leben den Kürzeren ziehen. Führen wir uns dazu
ein Beispiel vor Augen:
Der dreijährige Ralf spielt im Kindergarten hingebungsvoll mit einer bunten
Holzlokomotive. Der gleichaltrige Peter kommt hinzu und greift sich das Spielzeug. Wie
reagiert Ralf? Er hat „theoretisch“ die Möglichkeit, entweder um das Spielzeug zu
kämpfen oder sich dieses wegnehmen zu lassen. In letzterem Fall gibt es noch weitere
Optionen: Ralf könnte entweder lautstark protestieren oder es stillschweigend „mit sich
machen lassen“. Wie er tatsächlich reagieren wird, darüber entscheidet ein unbewusstes
Verhaltensprogramm, das – auch in späteren Phasen der Entwicklung – den typischen
Lebensstil eines Menschen prägt.
Dieser „Masterplan“ bestimmt unser ureigenes Temperament. Er ist einerseits genetisch
bestimmt, andererseits wird er durch Wirkkräfte der Erziehung und Sozialisation
beeinflusst. Wie diese zusammenwirken, werden wir gleich sehen.
Gerade in Konfliktsituationen greifen wir unwillkürlich auf Strategien der
Problembewältigung zurück, die wir im Laufe unseres Lebens eingeübt haben. Diese
Verhaltensweisen sind für uns insofern typisch, als sie unsere jeweiligen Reaktionen
vorhersehbar machen.
Diese Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens bemerkten schon antike Forscher. So
beschrieb der römische Arzt Galen Temperamentstypen, die bis auf den heutigen Tag
ein Begriff sind.
Dies sind im Einzelnen der …
unbeschwerte Sanguiniker
jähzornige Choleriker
trübsinnige Melancholiker
träge Phlegmatiker
Extravertierte und introvertierte Typen
C. G. Jung schuf in den 1920er Jahren eine neue Typenlehre, die das Temperament eines
Menschen von seiner (ihrer) Einstellung gegenüber der Lebenswelt herleitet. Dabei
ergeben sich diese beiden Möglichkeiten:
Extraversion. Dieser offene Typus ist nach außen, zur Welt hin ausgerichtet. Er
(sie) ist kontaktfreudig und aufgeschlossen.
Introversion. Dieser verschlossene Typus ist in sich gekehrt und hält Distanz zur
Welt. Er (sie) ist kontaktscheu und verschlossen.
Jungs Typologie wurde durch Alfred Adler modifiziert und erweitert. Er führte dabei die
zusätzlichen Bestimmungsmerkmale „Aktionsradius“
(bzw. Handlungsspielraum) und „Aktivitätsgrad“ ein. Extravertierte Menschen besitzen
dabei generell einen weiten Aktionsradius, während der Handlungsspielraum von
introvertierten Menschen begrenzt ist. Außerdem lässt sich feststellen, ob sich die
betreffenden Menschen eher aktiv oder passiv verhalten. Dies soll an einem Beispiel
erläutert werden.
Während einer Fahrt mit der U-Bahn wird die Dame, die Ihnen gegenüber sitzt, von
einem betrunkenen Jugendlichen belästigt. Wie reagieren Sie? Werden Sie den Rowdy
zur Rede stellen? Werden Sie sich auf einen anderen Platz setzen? Oder werden Sie
unverwandt aus dem Abteilfenster blicken?
Aktionsradius und Aktivitätsgrad
In einer Situation wie dieser zeigt sich deutlich, wie wir uns typischer Weise verhalten:
aggressiv oder regressiv (Aktionsradius)
aktiv oder passiv (Aktivitätsgrad)
Um auf unser Beispiel zurückzukommen: Falls Sie den rüpelhaften Jugendlichen spontan
zur Rede stellen, verhalten Sie sich aktiv. Und wenn Sie sich auch noch von Ihrem Sitz
erheben und sich vor dem Flegel aufbauen, weisen Sie klar auf Ihr Aggressionspotenzial
hin. Falls Sie Ihren Platz wechseln, handeln Sie zwar ebenfalls aktiv, zeigen aber auch an,
dass Sie den ausweichenden („regressiven“) Weg bevorzugen. Doch wenn Sie, scheinbar
ungerührt, zum Fenster hinausblicken, signalisieren Sie: Ich halte mich aus diesem
Konflikt heraus! Damit lassen Sie erkennen, dass Ihr Aktivitätsgrad passiv und Ihr
Aktionsradius regressiv ist.
Dieser Zusammenhang wird durch das folgende Schaubild veranschaulicht:
Die horizontale Achse umfasst den allmählich ansteigenden Aktivitätsgrad, der vom
regungslosen Zustand eines Starrsüchtigen bis zum ungezügelten Bewegungsdrang eines
Tobsüchtigen reichen kann.
Die vertikale Achse entspricht dem Aktionsradius, der durch die fiktiven Endpunkte maximaler
regressiver Zurückhaltung und aggressiver Tatkraft fixiert wird. Somit wären am unteren Ende
dieser Achse Menschen zu finden, die völlig verschlossen sind. Den Gegenpol nehmen
Menschen ein, deren Kontaktbereitschaft keine Grenzen kennt.
Wenn wir uns die verschiedenen Reaktionsweisen anschauen, die sich aus dem
Zusammenwirken von Aktivitätsgrad (aktiv oder passiv) bzw. Aktionsradius (aggressiv
oder regressiv) jeweils ergeben, gelangen wir zu diesen Grundformen typischen
Verhaltens:
aktiv und aggressiv: der Typus des mächtigen „Bosses“;
passiv und aggressiv: der Typus des attraktiven „Stars“;
aktiv und regressiv: der Typus des fleißigen „Eremiten“;
passiv und regressiv: der Typus des armen „Lazarus“.
Sobald Sie den Fragebogen im Anhang ausgewertet haben, können Sie diejenigen
Verhaltensmuster ermitteln, die für Sie am ehesten bzw. weniger bestimmend sind.
Bevorzugen Sie die Bewältigungsstrategie des mächtigen „Bosses“? Oder folgen Sie
intuitiv eher den Motiven des attraktiven „Stars“? Solche Menschen sind eindeutig
weltzugewandt (extravertiert). Sie nehmen einen ziemlich weiten Handlungsspielraum
in Anspruch, der es ihnen erlaubt, auf andere „aggressiv“ zuzugehen.
Oder kommt Ihnen der Lebensstil des fleißigen „Eremiten“ eher bekannt vor? Möglicher
Weise können Sie auch das typische Aktionsprogramm des armen „Lazarus“ gut
nachvollziehen? Beides Mal handelt es sich um einen weltabgewandten
(introvertierten) Persönlichkeitstyp, dessen „regressiver“ Handlungsspielraum mehr
oder weniger stark eingeschränkt ist. Defensive Zurückhaltung ist das typische
Markenzeichen dieser Menschen.
Es kommt auf die Anteile an
Im Alltagsleben werden wir einem Persönlichkeitstyp in Reinform praktisch nie
begegnen. Das reale Leben kennt nur Mischformen, die allerdings eine vorrangige
Neigung besitzen.
Dabei gibt ein bestimmter Typus die bevorzugte Richtung im Leben vor, während
andere Typen – mehr oder weniger – die weiteren Akzente setzen. Um dies zu
veranschaulichen, wollen wir uns den Lebensstil eines Mannes anschauen, der für viele
der Inbegriff eines „Bosses“ ist: Es ist Napoleon Bonaparte (1769 – 1821).
Claire Élisabeth de Vergennes de Rémusat (1780 – 1821) war eine Hofdame an
Napoleons Hof. In ihren berühmten Memoiren hebt sie zunächst den unbedingten
Machtwillen des Usurpators hervor. Näheres werden wir noch an anderer Stelle
erfahren. Daneben beschreibt sie Napoleons Befähigung, auf seine Umgebung wie ein
talentierter Schauspieler einzuwirken. Dabei habe er die Menschen – ganz im Gegensatz
zu seiner ansonsten sehr unwirschen Art – durch ein „verführerisches, herzgewinnendes
Lächeln“ in seinen Bann zu ziehen gewusst.
Diese biografischen Hinweise lassen vermuten, dass sich in der Wesensart Napoleons
nicht nur die Grundhaltung eines „Bosses“ widerspiegelt, sondern – wenn auch in
geringerem Ausmaß – die besondere Charaktereigenschaften eines „Stars“.
Wir können also feststellen: Die dynamische Ausrichtung eines Menschen spiegelt sich
in seiner (ihrer) erstrangigen Bevorzugung von Strategien, die einem bestimmten
Grundtypus entsprechen. Sein (ihr) tatsächlicher Lebensstil kann aber auch durch einen
nachrangigen Grundtypus beeinflusst werden. So kann ein Mensch, der erstrangig ein
typischer „Eremit“ ist, nachrangig Anteile eines typisches „Bosses“ besitzen.
Fragebogen
Diese Aussage ...
stimmt
genau
stimmt
etwas
stimmt
nicht
Kriterium
Punktwert
1. Ich setze alles daran, nicht bedeutungslos
zu sein.
2. Ich kann mühelos Kontakt zu Fremden
herstellen.
3. Wenn man mich in Ruhe lässt, mache ich
gute Arbeit.
4. Schon in jungen Jahren habe ich mich auf
den Ruhestand gefreut.
5. Andere Menschen ordnen sich mir unter.
6. Ich fürchte nichts so sehr wie soziale
Isolation.
7. Andere Menschen sind wenig verlässlich.
Daher verlasse ich mich nur auf mich selbst.
8. Im Arbeitsleben gibt es zu viel Stress. Daher
sehne ich mich nach einem Ort der Ruhe und
Sicherheit.
9. Ich setze mir Ziele, die ich energisch angehe,
auch wenn es Hindernisse und Gegendruck
gibt.
10. Ich kann mich gut in andere einfühlen und
bin ein angenehmer Gesprächspartner.
11. Ich kann mich besser mit mir selbst
beschäftigen als mit anderen Menschen
zusammen sein.
12. Wichtiger als finanzieller Erfolg ist mir
Sicherheit.
13. Ich spüre in mir den Drang, besser zu sein
als andere.
14. Wenn es mir schlecht geht, kann ich das
vor anderen kaum verbergen.
15. In Gesellschaft fühle ich mich fremd und
gehemmt.
16. Wenn ich allein auf mich gestellt bin,
bekomme ich Angst und weiß mir nicht zu
helfen.
17. Für meine Art zu leben bezahle ich den
Preis, dass ich sehr viel leisten muss.
18. Enge Freunde sind mir wichtiger als
Karriere.
19. Auch wenn es im Leben viele
Enttäuschungen und Widerstände gibt, spüre
ich viel Kraft und Energie in mir.
20. Ich lasse mir gerne von anderen helfen.
21. Andere kommen sich klein vor, wenn sie
sehen, was ich aus meinem Leben mache.
22. Auch wenn in meinem Leben manches
schief ging, gab es in meinen Beziehungen
keine Probleme.
23. Mein idealer Beruf: von niemandem
abhängig sein.
24. Wenn ich mich unter Druck fühle, finde ich
schon einen Weg, die Probleme zu umgehen.
25. Weil ich nicht eine(r) unter Vielen sein will,