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Thüringer Landtag6. Wahlperiode
Plenarprotokoll 6/4129.01.2016
41. Sitzung
Freitag, den 29.01.2016
Erfurt, Plenarsaal
Asyl- und Flüchtlingspaket derBundesregierung zügig
undvollständig umsetzen
3347,
Antrag der Fraktion der CDU- Drucksache 6/1403 -
Der Antrag wird abgelehnt.
Scherer, CDU 3347,Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
3348,Lehmann, SPD 3350,Herrgott, CDU 3352, 3359,Berninger, DIE
LINKE 3354, 3359,Möller, AfD 3356, 3356,
3357, 3357,Dr. Albin, Staatssekretärin 3360,
Zukunft der Thüringer Grund-schulhorte sichern –
ThüringerGrundschulhorte in kommuna-ler Verantwortung zulassen
3362,
Antrag der Fraktion der CDU- Drucksache 6/1404 - Neufas-sung
-
Der Antrag wird abgelehnt.
Kowalleck, CDU 3362,Wolf, DIE LINKE 3363, 3375,
3375,
-
Tischner, CDU 3366, 3369,3369, 3370, 3370,
Skibbe, DIE LINKE 3370,Muhsal, AfD 3370,Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN 3372, 3374,Emde, CDU 3375,Dr. Klaubert, Ministerin
für Bildung, Jugend und Sport 3376,Rosin, SPD 3378,
Begabtenförderung an Thürin-ger Spezialgymnasien attrak-tiv,
zukunftsorientiert und sozi-al verantwortlich gestalten
3378,
Antrag der Fraktion der CDU- Drucksache 6/1405 - Neufas-sung
-dazu: Alternativantrag der Frak-
tion der AfD- Drucksache 6/1526 -
Ministerin Dr. Klaubert erstattet einen Sofortbericht zu Nummer
I desAntrags.
Die Erfüllung des Berichtsersuchens wird festgestellt.
Die beantragte Überweisung der Nummern II bis IV des Antrags
anden Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport wird abgelehnt.
Die Nummern II bis IV des Antrags werden abgelehnt.
Die beantragte Überweisung des Alternativantrags an den
Aus-schuss für Bildung, Jugend und Sport wird abgelehnt.
Der Alternativantrag wird abgelehnt.
Bühl, CDU 3379,Dr. Klaubert, Ministerin für Bildung, Jugend und
Sport 3379, 3393,Muhsal, AfD 3382, 3392,Rosin, SPD 3384,Tischner,
CDU 3384,Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3387,Wolf, DIE LINKE
3389, 3390,
3392,Schulze, CDU 3392, 3392,Emde, CDU 3394,Möller, AfD
3396,
Fragestunde 3396,
a) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kowalleck (CDU)Erhalt
des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt und der Kreisstadt
Saalfeld/Saale- Drucksache 6/1648 -
3396,
wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen.
Kowalleck, CDU 3396, 3397,3397,
3342 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung -
29.01.2016
-
Götze, Staatssekretär 3397, 3397,3397, 3397,
Kuschel, DIE LINKE 3397,
b) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dittes (DIE
LINKE)Gedenkort auf dem Areal der ehemaligen Viehauktionshalle in
Weimar- Drucksache 6/1650 -
3398,
wird von Staatssekretärin Dr. Winter beantwortet.
Zusatzfragen.
Dittes, DIE LINKE 3398, 3399,3399,
Dr. Winter, Staatssekretärin 3398, 3399,3399,
c) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Herold (AfD)Hebammen
in Thüringen- Drucksache 6/1651 -
3399,
wird von Staatssekretärin Feierabend beantwortet.
Herold, AfD 3399,Feierabend, Staatssekretärin 3399,
d) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Tischner
(CDU)Aussetzung der Schulbudgets bei Klassenfahrten in Thüringen-
Drucksache 6/1652 -
3400,
wird von Staatssekretärin Ohler beantwortet. Zusatzfragen.
Tischner, CDU 3400, 3401,3401, 3401,
Ohler, Staatssekretärin 3400, 3401,3401,
e) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Grob (CDU)Aktuelle
Personalsituation an der Staatlichen Grundschule Martin Luther in
Zella-Mehlis- Drucksache 6/1655 -
3401,
wird von Staatssekretärin Ohler beantwortet. Zusatzfrage.
Grob, CDU 3401,Ohler, Staatssekretärin 3401, 3402,Tischner, CDU
3402,
f) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Geibert
(CDU)Direktorenstelle am Staatlichen Humboldtgymnasium Weimar-
Drucksache 6/1656 -
3402,
wird von Staatssekretärin Ohler beantwortet. Zusatzfrage.
Geibert, CDU 3402, 3403,Ohler, Staatssekretärin 3403, 3403,
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung - 29.01.2016
3343
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g) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kräuter (DIE
LINKE)Bürgerservice des Finanzamts Erfurt im ländlichen Raum (hier:
Landkreis und StadtSömmerda)- Drucksache 6/1661 -
3403,
wird von Ministerin Taubert beantwortet.
Kräuter, DIE LINKE 3403,Taubert, Finanzministerin 3404,
h) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Gruhner
(CDU)Stabsstelle des Thüringer Ministeriums für Inneres und
Kommunales zur Erarbei-tung einer Gebietsreform- Drucksache 6/1662
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3404,
wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfrage.
Staatssekretär Götze sagtdem Fragesteller Abgeordneten Gruhner eine
Prüfung und anschließende schriftli-che Beantwortung seiner
Zusatzfrage zu.
Gruhner, CDU 3404, 3405,Götze, Staatssekretär 3405, 3405,
Masterplan Wanderwegenetzfür Thüringen entwickeln –Wandern als
eines der zentra-len Wachstumspotenziale desTourismus stärken
3405,
Antrag der Fraktionen DIE LIN-KE, der SPD und BÜNDNIS90/DIE
GRÜNEN- Drucksache 6/1407 -dazu: Änderungsantrag der Frak-
tion der CDU- Drucksache 6/1711 -
Staatssekretär Maier erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I
desAntrags.
Die Erfüllung des Berichtsersuchens wird festgestellt.
Der Änderungsantrag in Drucksache 6/1711 wird angenommen.
Die Nummer II des Antrags wird unter Berücksichtigung der
Annah-me des Änderungsantrags angenommen.
Hausold, DIE LINKE 3405,Maier, Staatssekretär 3406,Bühl, CDU
3408,Korschewsky, DIE LINKE 3410, 3413,Rudy, AfD 3413,Warnecke, SPD
3414,Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3415,Lieberknecht, CDU 3416,
Die Gesundheit von Pädago-ginnen und Pädagogen stär-ken
3418,
3344 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung -
29.01.2016
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Antrag der Fraktionen DIE LIN-KE, der SPD und BÜNDNIS90/DIE
GRÜNEN- Drucksache 6/1637 -
Ministerin Dr. Klaubert erstattet einen Sofortbericht zu Nummer
I.2des Antrags.
Die Erfüllung des Berichtsersuchens wird festgestellt.
Die Fortsetzung der Beratung zum Sofortbericht im Ausschuss
fürBildung, Jugend und Sport wird abgelehnt.
Die beantragte Überweisung der Nummern I.1 und II des Antrags
anden Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport wird abgelehnt.
Die Nummern I.1 und II des Antrags werden angenommen.
Wolf, DIE LINKE 3418, 3422,Dr. Klaubert, Ministerin für Bildung,
Jugend und Sport 3418,Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
3420,Herold, AfD 3421,Rosin, SPD 3424,Bühl, CDU 3426,
Elektromobilität in Thüringen 3427,Antrag der Fraktionen DIE
LIN-KE, der SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN- Drucksache 6/1638 -
Ministerin Siegesmund erstattet einen Sofortbericht zu Nummer
1des Antrags.
Die Erfüllung des Berichtsersuchens wird festgestellt.
Die Nummern 2 bis 5 des Antrags werden angenommen.
Harzer, DIE LINKE 3427, 3434,3437,
Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz
3428,Möller, AfD 3430, 3431,
3431, 3432,Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3432,Kobelt, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN 3432,Krumpe, fraktionslos 3438,Mühlbauer, SPD
3439,Tasch, CDU 3440, 3440,
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung - 29.01.2016
3345
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Anwesenheit der Abgeordneten:
Fraktion der CDU:
Bühl, Carius, Emde, Fiedler, Floßmann, Geibert, Grob, Gruhner,
Herrgott,Heym, Holbe, Holzapfel, Kellner, Kowalleck, Lehmann,
Lieberknecht,Liebetrau, Malsch, Meißner, Mohring, Primas, Scherer,
Schulze, Tasch,Thamm, Tischner, Walk, Walsmann, Wirkner, Worm,
Zippel
Fraktion DIE LINKE:
Berninger, Blechschmidt, Dittes, Engel, Hande, Harzer,
Hausold,Hennig-Wellsow, Huster, Jung, Kalich, König, Korschewsky,
Kräuter,Kubitzki, Kummer, Kuschel, Leukefeld, Lukasch, Dr. Lukin,
Dr. Martin-Gehl,Mitteldorf, Müller, Schaft, Dr. Scheringer-Wright,
Skibbe, Stange, Wolf
Fraktion der SPD:
Becker, Hey, Höhn, Lehmann, Marx, Matschie, Mühlbauer, Pelke,
Dr. Pidde,Rosin, Taubert, Warnecke
Fraktion der AfD:
Brandner, Herold, Höcke, Kießling, Möller, Muhsal, Rudy
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Adams, Henfling, Kobelt, Müller, Pfefferlein, Rothe-Beinlich
fraktionslos:
Helmerich, Krumpe, Reinholz
Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung:
Ministerpräsident Ramelow, die Minister Taubert, Dr. Klaubert,
Siegesmund,Werner
3346 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung -
29.01.2016
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Beginn: 9.03 Uhr
Präsident Carius:
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeord-neten, die
Regierung ist da mit Frau Werner; ichbegrüße Sie als bislang
einzige Vertreterin. Bei denFraktionen sieht es aber auch noch
nicht so gutaus. Wir fangen dennoch an.
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Bei derAfD sind alle da!)
Ja, bei der AfD ganz hervorragend – Sie haben ei-ne
überdurchschnittliche Präsenz heute Morgen.Sie kriegen ein
Bienchen. Herr Kuschel ist auch da.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich be-grüße Sie alle zur
heutigen Sitzung. Ich freue mich,dass wir auf der Besuchertribüne
49 Azubis von derBerufsschule Erfurt begrüßen dürfen. Herzlich
will-kommen.
(Beifall im Hause)
Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführer HerrAbgeordneter
Schaft neben mir Platz genommen.Die Redeliste führt Frau
Abgeordnete Floßmann.
Es haben sich eine ganze Reihe von Abgeordnetenentschuldigt für
die heutige Sitzung: Herr Abgeord-neter Gentele, Herr Abgeordneter
Henke, Frau Ab-geordnete Meißner, Herr Abgeordneter Höcke
zeit-weise, Herr Minister Prof. Dr. Hoff, Frau MinisterinKeller,
Herr Minister Lauinger, Herr MinisterDr. Poppenhäger und Herr
Minister Tiefensee zeit-weise.
Zur Tagesordnung darf ich darauf hinweisen, dasszu
Tagesordnungspunkt 13 ein Änderungsantragder Fraktion der CDU in
der Drucksache 6/1711verteilt wurde. Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 der
Ge-schäftsordnung sind Änderungsanträge zu selbst-ständigen
Vorlagen, die keinen Gesetzentwurf ent-halten, nur mit Zustimmung
der Antragsteller zuläs-sig. Ich frage deshalb die Fraktionen Die
Linke,SPD und Bündnis 90/Die Grünen, ob sie Zustim-mung zur
Einbringung des Änderungsantrags in derDrucksache 6/1711
erteilen.
(Zuruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN: Ja!)
Ja. Damit ist der Änderungsantrag zulässig. Ich fra-ge, ob es
weitere Wünsche zur Tagesordnung gibt.Das ist nicht der Fall.
Damit rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 10
Asyl- und Flüchtlingspaket derBundesregierung zügig
undvollständig umsetzenAntrag der Fraktion der CDU- Drucksache
6/1403 -
Wünscht die Fraktion das Wort zur Begründung?Ja. Herr
Abgeordneter Scherer hat das Wort. Bitte.
Abgeordneter Scherer, CDU:
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-gen, die
Asyl- und Flüchtlingspolitik ist derzeit einesder wichtigsten
Politikfelder überhaupt und unsereBürger erwarten von der Politik,
sie erwarten vonuns, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, nachdenen
einerseits Asylbewerber und Flüchtlinge beiuns integriert werden
können, aber andererseits un-sere Bevölkerung nicht durch solche
Asylbewerberbelastet wird, bei denen eine Ablehnung des
Asyl-antrags zu erwarten ist. Andernfalls besteht bei wei-ter
wachsenden Asylbewerberzahlen die Gefahr,dass die in weiten Teilen
der Bevölkerung vorhan-dene Akzeptanz ins Gegenteil umschlägt. Es
istdeshalb wichtig, dass mindestens die im Asylpa-ket I durch die
Bundesregierung geregelten Maß-nahmen in Thüringen zügig umgesetzt
werden, un-abhängig davon, dass dringend weitere Maßnah-men wie zum
Beispiel die Begrenzung des Famili-ennachzugs erforderlich sind,
was gestern Abendoffenbar zumindest in Teilen beschlossen
wordenist. Da muss man mal sehen, was da genau be-schlossen
ist.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN:
Allerdings!)
Ja, ich weiß noch nicht, was genau beschlossen ist– Sie wohl
auch noch nicht. Warten wir es ab!
Dazu fordern wir die Landesregierung mit unseremAntrag auf:
konsequente, unangekündigte Abschie-bung, wenn die Gelegenheit zur
freiwilligen Ausrei-se nicht wahrgenommen wird; Begrenzung der
fi-nanziellen Leistungen, wenn die verpflichtendeAusreise nicht
erfolgt; keine Verteilung von Asylbe-werbern auf die Landkreise,
bevor über deren Asyl-antrag entschieden ist, und während dieser
Zeit inerster Linie Sachleistungen zum Lebensunterhaltaber ebenso
auch die vollständige Weitergabe vonBundesmitteln für die Betreuung
unbegleiteter Min-derjähriger. Das sind alles Maßnahmen, die
alsMindestmaßnahmen unbedingt umzusetzen sind,wenn wir nicht Gefahr
laufen wollen, dass ernsthaf-te Spannungen in unserer Bevölkerung
entstehen.Ich will nicht falsch verstanden werden: Zurzeitbesteht
für solche Spannungen noch kein Anlass.Hält der Flüchtlingsstrom
aber unvermindert an,dürfen wir nicht die Augen vor den sich dann
ver-größernden Akzeptanzproblemen verschließen.Danke schön.
(Beifall CDU)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Herr Scherer. Ich eröffne die Ausspra-che. Das Wort
erhält die Abgeordnete Rothe-Bein-lich für die Fraktion Bündnis
90/Die Grünen.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung - 29.01.2016
3347
http://www.parldok.thueringen.de/parldok/tcl/PDDocView.tcl?mode=get&LP=6&DokNum=1403&DokArt=Drs
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Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrtenDamen und
Herren! Liebe Besucherinnen – Auszu-bildende aus Erfurt habe ich
gehört – herzlich will-kommen hier im Thüringer Landtag! Herr
Scherer,ich hätte von Ihnen, ehrlich gesagt, schon erwartet,dass
Sie auf der Höhe der Zeit sind. Der Antrag,den Sie mit der
Überschrift „Asyl- und Flüchtlings-politik der Bundesregierung
zügig und vollständigumsetzen“ in der Drucksache 6/1403 vorgelegt
ha-ben, hätte – um dem gerecht zu werden – aller-dings einer
Überarbeitung bedurft, meine sehr ge-ehrten Damen und Herren.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es greift auch zu kurz, zu sagen, dass Sie nochnicht wüssten,
auf was sich da gestern verständigtwurde. Da hätte ich von Ihnen
ein bisschen mehrerwartet, denn jede und jeder, der heute früh
dieZeitung gelesen oder die Nachrichten gehört hat,konnte dort zur
Kenntnis nehmen, dass man sich inder Großen Koalition offenkundig
darauf verständigthat, das Nachholen von Angehörigen für
Migrantenmit dem sogenannten subsidiären Schutz fürzwei Jahre
auszusetzen. Ich kann Ihnen meine per-sönliche Meinung dazu sagen:
Ich halte das imwahrsten Sinne des Wortes für lebensgefährlich
fürFrauen und Kinder,
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
die damit auf tödliche Fluchtrouten gezwungen wer-den, wenn
Familien nicht mehr nachgeholt werdenkönnen, und auch für ein
riesengroßes Integrations-hemmnis. Das kann nicht in Ihrem
Interesse sein.Außerdem sollen wohl weitere Länder wie Marokkound
Algerien zu sogenannten sicheren Herkunfts-staaten erklärt werden.
Auch das kann nicht meineZustimmung finden, meine sehr geehrten
Damenund Herren, da Sie alle wissen, dass „sichere
Her-kunftsstaaten“ ein politisches Konstrukt sind, wasmitnichten
etwas mit den tatsächlichen Zuständenin den jeweiligen Ländern zu
tun hat.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Die CDU hat in ihrem Antrag unsere Landesregie-rung
aufgefordert, und das finde ich auch span-nend, die von der
Bundesregierung vorgesehenenMaßnahmen auf Landes- und Kommunalebene
zü-gig umzusetzen. Dann benennt sie in ihrem Antrageine Reihe von
asylrechtlichen Aspekten, die in denletzten Monaten auf Bundesebene
verhandelt wur-den und maßgeblich durch das sogenannte
Asyl-verfahrensbeschleunigungsgesetz – man könnte esauch
Asylrechtsverschärfung nennen – Eingang indie bundesdeutsche
Asylgesetzgebung gefundenhaben. Ehrlich gesagt, das hatte ich auch
schon inmeinen Einführungssätzen gesagt, erschließt sich
die Relevanz dieses Antrags nicht wirklich. Besserwäre es
gewesen, Sie hätten diesen Antrag zurück-gezogen und sich
inhaltlich mit den aktuell anste-henden Fragen befasst, die auf
Landesebene zu lö-sen sind, meine sehr geehrten Damen und
Herren.Außerdem sollte die CDU zur Kenntnis nehmen,dass die
Landesregierung sich selbstverständlichan Gesetz und Recht hält. Da
braucht es auch kei-ne Berichterstattung der Landesregierung über
dieUmsetzung von Bundesgesetzen, denn die sind füruns natürlich
maßgeblich. Im Übrigen berichtet dieLandesregierung, und Herr
Scherer weiß das sehrgenau, in jedem Ausschuss über die aktuelle
Situa-tion und hat auch in den letzten Wochen mehr alsein Mal
öffentlich Stellung zu diesen Fragen ge-nommen. Einen Mangel an
Transparenz und Infor-mation können wir also nicht konstatieren.
Der Vor-wurf ist reiner Populismus von der CDU, meinesehr geehrten
Damen und Herren.
Lassen Sie uns aber noch mal zurückschauen:Was ist eigentlich in
den letzten 25 Jahren in Thü-ringen in Sachen Asyl- und
Flüchtlingspolitik pas-siert? Da ist uns die CDU vor allem durch
eineplanlose, eine diskriminierende und eine rechtskon-servative
Flüchtlingspolitik aufgefallen. Daher sindwir gemeinsam, das müssen
Sie sich jetzt anhören,mit den Linken und der SPD im letzten Jahr
ange-treten, um das in den kommenden fünf Jahren zu-mindest in
Thüringen, soweit uns das möglich ist,grundlegend zu ändern. Unser
Anspruch ist es, vorallem die Standards zu verbessern und auf
einePolitik auf Augenhöhe zu setzen, die Selbstbestim-mung und
Menschenwürde, Herr Emde, in den Mit-telpunkt ihres Handelns
setzt.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Lächerlich,Frau
Rothe-Beinlich!)
Die Standards zu verbessern, ist nicht gerade ein-fach
angesichts der Anzahl von Asylsuchenden, diein Deutschland Aufnahme
suchen. Ich will noch ein-mal allen, die das immer nicht so genau
vor Augenhaben, deutlich machen, was das heißt: Nach
demKönigsteiner Schlüssel kommen 2,7 Prozent derAsylsuchenden, die
nach Deutschland kommen, zuuns. Das grün geführte
Migrationsministerium undauch unsere anderen Ministerien haben in
dieserHinsicht bereits viele positive Entwicklungen ange-stoßen.
Mit dem Doppelhaushalt – Sie erinnern sichsicher – haben wir unter
anderem Voraussetzungendafür geschaffen, dass Thüringen seine
Aufgabenim Rahmen der Integration und der Aufnahme vonAsylsuchenden
leisten kann. Dazu gehört eben bei-spielsweise auch, umfassende
Beratung für dieAsylsuchenden anzubieten. Wir wissen zudem
alle,dass Integration langfristig nur durch
ausreichendeBildungsangebote gelingt. Da ist das Allererste
na-türlich immer die Förderung der Sprachkenntnisse
3348 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung -
29.01.2016
-
und die Bereitstellung von menschenwürdiger Un-terkunft, womit
sich unser Ministerium, aber auchalle untergeordneten Behörden
wirklich intensiv be-fasst haben. An dieser Stelle ein herzliches
Danke-schön an alle, die sich tagtäglich darum kümmernund dafür
Sorge tragen, dass in Thüringen niemandin einem Zelt untergebracht
sein muss, sondern je-der Asylsuchende tatsächlich ein festes Dach
überdem Kopf hat. Es geht aber neben der Sicherstel-lung einer
menschenwürdigen Unterbringung per-spektivisch um eine erfolgreiche
Arbeitsmarktinte-gration. Diesen nicht einfachen Weg werden wir
ge-hen, auch wenn uns dies viel Geld kostet, weil unsdas die
Menschen selbstverständlich allemal wertsind, meine sehr geehrten
Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Wir haben die Anzahl der Plätze in den
Erstaufnah-meeinrichtungen verzehnfacht und erst kürzlich
einStrukturmodell für die Ausrichtung der Erstaufnah-me in
Thüringen erarbeitet – Minister Lauinger hates vorgestellt –,
welches nach dem HeidelbergerModell ausgestaltet ist und für klare
Strukturen so-wie feste Abläufe in der Erstaufnahme sorgt.
DieKommunen erhalten die Erstattung der Kosten fürdie Aufnahme der
Asylsuchenden nach dem Flücht-lingsaufnahmegesetz und der
dazugehörigenFlüchtlingskostenerstattungsverordnung. Darin –und das
ist uns besonders wichtig – ist auch dieSozialbetreuungspauschale
enthalten, die wir erstkürzlich auf 46 Euro erhöht haben, um
zumindesteinen Schlüssel von 1 zu 100 zu gewährleisten. Wirhaben
mit dem Doppelhaushalt neben der Investiti-onspauschale für
Gemeinschaftsunterkünfte jetztauch eine Pauschale für die Schaffung
von Plätzenin Wohnungen von 1.000 Euro je Platz zur Verfü-gung
gestellt. Außerdem stellen wir Mittel für Maß-nahmen zur
Integrationsförderung in Höhe von et-wa 3 Millionen Euro jährlich
zur Verfügung. Damitkönnen wichtige Integrationsprojekte, wie zum
Bei-spiel die ThINKA-Plus-Projekte, in den Kommunengefördert
werden. Und, das ist uns auch wichtig, wirstellen mehr Mittel für
Rückführungshilfen zur Ver-fügung. Damit werden die freiwilligen
Ausreisen fi-nanziert. Um die solidarische, ehrenamtliche und
zi-vilgesellschaftliche Hilfe für Geflüchtete zu unter-stützen,
haben wir zudem mit einem Änderungsan-trag zum Haushalt die nötigen
finanziellen Voraus-setzungen für eine wirksame
Ehrenamtskoordinie-rung geschaffen.
Jetzt will ich noch mal im Einzelnen auf die Punktein Ihrem
Antrag eingehen: Ein positiver Aspekt, wieich meine, an der
Asylrechtsänderung auf Bundes-ebene war die Tatsache, dass Menschen
aus demWestbalkan nun die Möglichkeit haben, in Deutsch-land eine
Arbeit zu suchen, und dass die Einfüh-rung einer elektronischen
Gesundheitskarte erleich-tert wurde. Das Gesundheitsministerium mit
Minis-terin Werner ist gerade dabei, mit den Kassen eine
Vereinbarung für Thüringen auszuhandeln. Wir sindda manchmal
etwas ungeduldig, wir wünschen unsdas alles etwas schneller und
daher eine rascheVerständigung und die flächendeckende landeswei-te
Einführung der elektronischen Gesundheitskartein Thüringen. Positiv
war übrigens auch die finan-zielle Entlastung der Länder und
Kommunen. Aller-dings – das muss sich jeder vor Augen führen –
istder monatliche Pauschalbetrag von 670 Euro proFlüchtling zu
gering und deckt lange nicht die voll-ständigen Kosten der Länder
ab. Dass Flüchtlingenunmehr gezwungen werden können, bis zu
sechsMonate in den sowieso oft schon schwierigen – ichnenne es mal
vorsichtig so – Erstaufnahmeeinrich-tungen zu bleiben, halten wir
allerdings für grundle-gend verfehlt. Wenn wir uns aber die
Realität inThüringen anschauen, ist der Durchlauf – zumGlück – sehr
viel schneller. Insbesondere die Ver-pflichtung zur dauerhaften
Unterbringung vonFlüchtlingen aus sogenannten sicheren
Herkunfts-staaten in diesen Einrichtungen ist falsch, auchwenn die
Zahlen der Asylsuchenden aus diesenLändern sehr stark
zurückgegangen sind. Die For-derungen nach eigenständigen
Einrichtungen fürAsylsuchende aus sogenannten sicheren
Her-kunftsstaaten ist diskriminierend. Das haben wirhier schon
mehrfach ausgeführt und lehnen es des-halb ab.
Ansonsten hält sich die Landesregierung an Bun-desrecht, so auch
beispielhaft beim Vollzug derAusreisepflicht. Die Forderung,
komplett Sachleis-tungen auszugeben, zeugt von der
diskriminieren-den Attitüde der CDU-Flüchtlingspolitik. Wir
sindfroh, dass die Landesregierung sehr genau daraufachtet, den
Verwaltungsaufwand in einem vertret-baren Maß zu halten. Diesen
Spielraum gibt dasAsylbewerberleistungsgesetz den Ländern im
Übri-gen ausdrücklich – lesen Sie nach in § 3 Abs. 1Satz 5. Dort
heißt es: „Soweit mit vertretbarem Ver-waltungsaufwand möglich,
sollen diese durch Sach-leistungen gedeckt werden.“ Wir wissen
alle, dassdies letztlich teurer käme und zudem stigmatisie-rend und
diskriminierend wirkt.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Realsatire pur – anders kann ich es leider nicht sa-gen – ist
die Forderung, die Mittel für unbegleiteteminderjährige Flüchtlinge
eins zu eins an die Kos-tenträger weiterzureichen. Der Bund stellt
hier circa9,5 Millionen Euro für die Aufnahme der unbegleite-ten
Minderjährigen zur Verfügung. Das sind geradeeinmal etwa 10 Prozent
der tatsächlichen Kosten.Etwas mehr Realismus wäre also auch
vonseitender CDU angebracht. Vielleicht sollten Sie sich maldafür
einsetzen, die Finanzierung der Länder in die-ser Hinsicht weiter
zu verbessern, anstatt immer öf-ter Symbolpolitik und
Asylrechtsverschärfungen zubetreiben.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung - 29.01.2016
3349
(Abg. Rothe-Beinlich)
-
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Abschließend lassen Sie mich konstatieren: Wirwerden auch in den
kommenden Monaten und Jah-ren mit den Folgen der weltweiten
Flüchtlingssitua-tion zu tun haben. Über 60 Millionen Menschensind
derzeit weltweit auf der Flucht. Ich sage es hiernoch einmal:
Niemand flieht freiwillig.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Unser Migrationsminister hat immer wieder deutlichgemacht, dass
gewaltige Aufgaben vor uns liegenund wir uns den Aufgaben stellen,
den geflüchtetenMenschen eine menschenwürdige und humaneAufnahme
und einen wirklichen Schutz zu gewäh-ren. Integration gelingt
langfristig nur durch ausrei-chende Bildungsangebote, die Förderung
derSprachkenntnisse, die Bereitstellung von men-schenwürdiger
Unterkunft, die Sicherstellung einermenschenwürdigen und einer
erfolgreichen Arbeits-marktintegration. Weitere
Asylrechtsverschärfun-gen, wie beispielsweise im Rahmen des
Asylpa-kets II, helfen uns nicht weiter.
(Beifall DIE LINKE)
Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung aus aktuel-lem Anlass zum
Schluss: Gestern sind in Schmöllnzwei Asylsuchende aus Syrien, die
vor dem Krieghierher zu uns geflohen sind, von einer Gruppe
vonjugendlichen Menschen angegriffen und verletztworden. Es ist
unser aller Aufgabe, diesen Men-schen Schutz zu gewähren und
Rassismus undGewalt gegen Flüchtlinge immer wieder ganz klarund
entschieden zu begegnen – auch auf der Stra-ße.
(Beifall DIE LINKE, AfD)
Die Gewalt beginnt mitunter auch mit Hetze, wenngegen
Asylsuchende gehetzt wird wie auf den Mitt-wochsdemos der AfD.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Das kann ich Ihnen nicht ersparen, da haben gera-de Sie eine
Verantwortung. Für uns heißt es weiter„refugees welcome“, alle
Menschen sind gleich inihrer Würde und diese ist auch
migrationspolitischnicht zur relativieren. Vielen herzlichen
Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, AfD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sehr gut,Frau Rothe-Beinlich!
Super! Gut, dass esvorbei ist!)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Frau Rothe-Beinlich. Als Nächste hatFrau
Abgeordnete Lehmann für die SPD-Fraktiondas Wort.
Abgeordnete Lehmann, SPD:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damenund Herren
Abgeordnete, gestatten Sie mir zu-nächst eine grundsätzliche
Bemerkung: Wenn wirals Politik wollen, dass die Menschen in
diesemLand das Gefühl haben, dass wir das Problem unddie
Herausforderungen, die wir in Sachen Asylpoli-tik gerade vor uns
haben, im Griff haben, dann tutes uns sicherlich nicht gut, uns von
jeder öffentlichgeäußerten Meinung treiben zu lassen. Und ichmuss
sagen, wenn wir uns die Diskussion zum Fa-miliennachzug ansehen,
dass das gerade eigentlichad absurdum geführt wird.
Wir haben mal damit angefangen, da war die öf-fentlich
vorherrschende, die politische Meinung,dass das Asyl nicht infrage
steht, sondern dass je-der, der hierherkommt, auch das Anrecht hat,
einenAntrag auf Asyl zu stellen. Dann steigen die Zahlenund wir
sagen: Wir akzeptieren Menschen aus Kri-sengebieten und
Kriegsflüchtlinge, aber die aus si-cheren Herkunftsländern, also
vor allem aus denWestbalkanstaaten, haben jetzt nicht mehr
unbe-dingt das Anrecht. Dann kommen fast ausschließ-lich
Kriegsflüchtlinge. Der Anteil von denen, die aussicheren
Herkunftsländern hierherkommen, sinktauf ein Minimum. Dann
diskutieren wir darüber,dass eigentlich nur noch Frauen und Kinder
hier-herkommen sollen. Dann schränken wir das Asyl-recht dahin
gehend ein, dass wir denen, die wir ei-gentlich als besonders
schutzbedürftig definieren,nämlich Frauen und Kinder aus
Kriegsgebieten,nicht mehr die Möglichkeit geben, nach Deutsch-land
zu kommen. Wir müssen dann darüber nach-denken, welche Konsequenzen
das hat. Wenn esdann mehr tote Frauen und Kinder im Mittelmeergibt,
tragen auch wir dafür eine politische Verant-wortung.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir be-sprechen das Thema
„Flüchtlingspolitik“ häufigerhier im Haus. Wenn ich mir den Antrag
der CDU-Fraktion angucke, dann bin ich mir nicht ganz si-cher, ob
Sie tatsächlich den Wunsch haben, sich zudem Thema umfassender zu
äußern und sich mitden tatsächlichen Herausforderungen, über die
wirin den nächsten Jahren sprechen müssen, ausei-nanderzusetzen. Es
herrscht sicherlich Einigkeithier im Haus, dass wir im vergangenen
Jahr vielgeleistet haben, was das Thema „Flüchtlingspolitik“angeht,
und zwar sowohl im Land als auch in denKommunen, weil die wenigsten
tatsächlich aufeinen solchen Anstieg vorbereitet waren. Dennoch
3350 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung -
29.01.2016
(Abg. Rothe-Beinlich)
-
– das ist richtig – haben wir nach wie vor einiges zutun. Wir
müssen über Standards in der Unterbrin-gung reden, und zwar sowohl
in den Erstaufnahme-einrichtungen als auch in den Kommunen.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Aber wenn es teilweise Monate dauert, um zumBeispiel Regale zu
besorgen, damit Kleiderspendensortiert werden können, ist das
etwas, was sicher-lich ein Problem ist, wo wir sagen müssen, dass
wirdas auch tatsächlich lösen müssen.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Der Antrag, den die CDU-Fraktion gestellt hat, istallerdings
hier aus mehrfacher Hinsicht überflüssig.Das
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, waswir am Ende des vergangenen
Jahres auf Bundes-ebene beschlossen haben, ist geltendes
Gesetz.Natürlich wird geltendes Gesetz auch in
Thüringenumgesetzt.
An anderer Stelle suggeriert der Antrag, dass diegesetzliche
Regelung viel schärfer wäre, als sie dasin den realen Punkten ist.
Ich würde gern auf einigePunkte, zum Beispiel die Forderung, dass
wir inden Erstaufnahmeeinrichtungen Sachleistungenstatt
Barleistungen auszahlen müssen, eingehen.Hier wird sowieso schon
ein Teil der Leistungen nurin Barzahlung geleistet, weil zum
Beispiel Unter-bringung und Verpflegung über die Unterkunft
zurVerfügung gestellt werden. Jetzt kann man darüberstreiten, ob
man es sachlich für richtig hält, dassBarleistungen anstatt
Sachleistungen ausgezahltwerden. Wo wir uns doch aber einig sind,
ist, dassder Verwaltungsaufwand deutlich höher ist, wennein
individueller Bedarf für diesen kleinen Teil, dermomentan noch über
Bargeld zur Verfügunggestellt wird, dargestellt werden muss. Wenn
Siesich da unsicher sind, können Sie gern mit
IhrenKommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikernsprechen. Es hat
einen Grund, warum wir das aufkommunaler Ebene nicht mehr machen,
weil derAufwand enorm ist, das für so viele Menschen zurVerfügung
zu stellen. Es wird auch nicht leichter,wenn wir mehr Menschen
versorgen müssen. Dasist eine Ausnahme, die lässt das Gesetz
ausdrück-lich zu und deswegen ist es auch richtig, dass wirdie
machen. Wenn Sie es nicht aus sachlichenGründen richtig finden,
dann zumindest aus diesemVerwaltungsgrund.
Sie wollen, dass es einen längeren Verbleib in derErstaufnahme
gibt. Ich glaube, unser aller Ziel istklar, dass wir sagen: Wir
brauchen eine Beschleu-nigung der Asylverfahren, um schneller
Klarheit zuhaben, nicht nur für uns und die Verwaltung, son-dern
auch, um den Menschen Sicherheit und Klar-heit zu geben, wie lange
sie hier bleiben können.Dass die Bedingungen in der Erstaufnahme
noch
nicht ganz optimal sind, das wissen Sie auch, dasses wenig
Privatsphäre gibt und es deswegen Zielsein muss, den Zeitraum so
kurz wie möglich zuhalten. Das ist sicherlich allen klar.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Wir können das gern mal versuchen, dass wir –fünf oder sechs von
uns – in einem der größerenBüros hier im Hause über mehrere Tage
zusam-men wohnen.
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Wenn Siemitgehen!)
Ich glaube, das fänden die wenigsten von uns tat-sächlich
witzig. Sie wollen außerdem, dass dasGeld, das der Bund für die
unbegleiteten Minderjäh-rigen zur Verfügung stellt, vollständig an
die Kom-munen weitergegeben wird. Ich bin mir da immernicht ganz
sicher, ob Sie die Zahlen verstanden ha-ben. Der Bund stellt für
die Betreuung der unbeglei-teten Minderjährigen insgesamt für alle
Länder350 Millionen Euro zur Verfügung; Thüringen be-kommt davon
9,5 Millionen Euro. Das Land hat –wir haben – ganz real mit dem
Haushalt 76 Millio-nen Euro für die Betreuung unbegleiteter
Minder-jähriger zur Verfügung gestellt. Ich glaube, das isteine
ganz einfache Grundrechenart, die sollte sogarIhnen
einleuchten.
Wenn Sie aber – und da würde ich gern noch malzu meinem
Ausgangspunkt zurückkommen – tat-sächlich Interesse haben, sich mit
dem Thema in-tensiv zu beschäftigen und darüber zu reden, wel-che
Herausforderungen wir in den kommendenJahren leisten müssen, dann
lassen Sie uns da-rüber sprechen, wie wir Integration
sicherstellen,weil das die gesellschaftspolitische Frage
dernächsten Jahre sein wird. Hier hilft es eben nicht,nur über
ordnungspolitische Maßnahmen zu reden,die dann noch nicht mal real
die Probleme lösen,
(Beifall DIE LINKE)
sondern wir brauchen eine Diskussion darüber,welche Angebote der
Staat machen muss, die wirpolitisch begleiten müssen, was wir
brauchen, da-mit Integration in Bildung gelingt, damit wir
schuli-sche Erstqualifikationen sicherstellen können, damitKinder
in Kindertagesstätten gehen können, damitJugendhilfe darauf
vorbereitet ist, dass mehr Men-schen mit Migrationshintergrund da
sind, damit wirIntegration in Arbeit und Vereinsarbeit schaffen
unddamit wir Ehrenamtliche unterstützen können. Alldiese
Diskussionen braucht es; das müssen wir tat-sächlich dringend
klären.
(Beifall DIE LINKE)
Dazu gehört – und da sind wir uns sicherlich aucheinig –, dass
die Menschen, die hierherkommen,dieses Angebot auch annehmen und
sich integrie-ren wollen. Dazu gehört aber auch, dass wir eine
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung - 29.01.2016
3351
(Abg. Lehmann)
-
Diskussion in unserer Gesellschaft brauchen unddass auch die
sich öffnen muss, weil es bei Integra-tion eben nicht um Anpassung
geht, sondern da-rum, wie wir zusammenleben. Diese Frage müssenwir
ganz dringend klären. Und, Herr Scherer, ichglaube, dass es diese
ernsthaften Spannungen, wieSie es genannt haben, längst gibt. Denn
natürlichwird der Konsens, mit dem wir zusammenleben, in-frage
gestellt. Das Grundgesetz, auf das wir uns indiesen Tagen immer
wieder gern berufen, wird im-mer wieder von Nazis, von Rassisten,
von Men-schenfeinden, die in Thüringer Städten demonstrie-ren oder
die Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfteangreifen, infrage
gestellt. Und das stellt die Basis,auf der wir zusammenleben, sehr
wohl infrage.
Wenn wir also zeigen wollen, dass wir das nicht to-lerieren,
dann müssen wir zeigen, wie wichtig Inte-gration von Flüchtlingen
ist und dass sie gelingenkann. So groß diese Aufgabe auch sein mag,
wirmüssen zeigen, dass wir eine Idee davon haben,wie wir sie
meistern. Dieser Antrag leistet dazu kei-nen Beitrag. Aus diesem
Grund bitte ich um Ableh-nung.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Präsident Carius:
Danke schön, Frau Lehmann. Als Nächster hat dasWort Abgeordneter
Herrgott für die CDU-Fraktion.
Abgeordneter Herrgott, CDU:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrtenDamen und
Herren, liebe Besucher auf der Tribüneund am Livestream, wir
diskutieren seit Novemberdes letzten Jahres über das Asylpaket II
im Bund.Und bis gestern gab es trotz vieler Ankündigungenund
vermeintlicher Einigungen kein wirkliches Er-gebnis. Hoffen wir,
dass nach dem gestrigen Abendnun ein Ergebnis auf dem Tisch liegt,
was auch um-gesetzt wird, und dass die vereinbarten Rege-lungen
schnell Gesetzescharakter erlangen,
(Beifall CDU)
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Geht das
mit der CSU?)
sei es die Ausweisung weiterer sicherer Herkunfts-staaten wie
Marokko, Algerien und Tunesien, dieDiskussion um die schon lange
angekündigten Ein-reisezentren oder die bessere Unterstützung
derKommunen bei der Unterbringung und Betreuungder Asylbewerber und
Flüchtlinge. Auch die Be-grenzung des Familiennachzugs ist ein
wichtigesErgebnis des gestrigen Abends, auch wenn die Kol-legen auf
der linken Seite von mir das etwas anderssehen. Hoffen wir, dass
dies schnell Eingang in dieGesetzeslage findet.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Ich
denke, Familie ist Ih-nen so wichtig?)
All diese Maßnahmen sollten dazu dienen, die Ver-fahren zu
beschleunigen und damit schneller Klar-heit zu schaffen, wer
tatsächlich ein Anrecht auf un-seren Schutz in Deutschland hat und
hierbleibendarf und wer das Anrecht eben nicht hat und zügigwieder
in sein Heimatland zurückkehren muss, mei-ne Damen und Herren.
(Beifall CDU)
Doch bevor dieses neue Asylpaket beschlossen istund umgesetzt
werden kann, erwarten wir von derLandesregierung zunächst eine
zügige Umsetzungder bereits beschlossenen Asylpakete des
letztenJahres im Rahmen des Asylverfahrensbeschleuni-gungsgesetzes,
das seit dem Herbst bereits Ge-setzeskraft hat. Kollegin
Rothe-Beinlich, die Umset-zung ist tatsächlich ein wichtiger Punkt
und hierhinkt die Landesregierung in einigen Teil hinterherund
schöpft die Möglichkeiten, wie wir sie sehenund wie sie die Gesetze
eröffnen, auch nicht aus.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN:
Vielleicht schöpfen wirsie anders aus, als Sie das wollen. Das
kannschon sein!)
Da haben wir unterschiedliche Auffassungen. Aberin der Wirkung
hat das Gesetz eine ganz klare Ziel-richtung und dann sollte die
Landesregierung die-ses Gesetz auch vollumfänglich ausschöpfen,
an-sonsten bleibt sie hinter ihren Möglichkeiten zurück.Aber Sie
sehen das ja ganz offensichtlich anders.
(Beifall CDU)
Meine Damen und Herren, beim Thema „Asylbe-werber aus sicheren
Herkunftsstaaten“ ist uns na-türlich bewusst, dass diese im Moment
weniger als10 Prozent der Neuzugänge sind, was im Übrigenauch
zeigt, dass ein Teil der von der Bundesregie-rung beschlossenen
Maßnahmen an dieser Stellewirkt. Denn Anfang letzten Jahres hatten
wir nochweit über 40 Prozent Menschen aus sicheren
Her-kunftsstaaten, die hier bei uns Schutz und Asyl ge-sucht haben,
aber eine Anerkennungsquote vonunter 1 Prozent. Das liegt nicht an
dem Label „si-chere Herkunftsstaaten“, sondern daran, dass
sietatsächlich kein Anrecht auf einen Schutzstatus hierbei uns
haben. Diese Staaten werden als sichereHerkunftsstaaten
klassifiziert, weil eben die Grün-de, aus denen die Menschen bei
uns Asyl beantra-gen, zu 99 Prozent der Fälle nicht tragen.
Deswe-gen sind es sichere Herkunftsstaaten und nicht
um-gekehrt.
(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN-KE: Was für ein
Quatsch!)
Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sollennun bis zu
sechs Monate in Landeserstaufnahme-
3352 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung -
29.01.2016
(Abg. Lehmann)
-
einrichtungen verbleiben. Das hat auch seinen voll-kommen
richtigen Grund: Zum einen, um die Kraftund die Anstrengungen
hinsichtlich der Integrati-onsmaßnahmen in den Kommunen auf die
Men-schen zu konzentrieren, die eine Bleibeperspektivehier in
Deutschland haben. Zum anderen, um dieBewerber aus sicheren
Herkunftsstaaten nach ei-nem zügigen Verfahren unter sechs Monaten
– waswir ja alle anstreben – und einer erfolgten Ableh-nung direkt
aus den Erstaufnahmeeinrichtungenauch wieder in ihre Heimatländer
zurückzu-schicken, entweder durch freiwillige Ausreise oder,wenn
dies nach einem Monat nicht erfolgt, durchzwangsweise Rückführung
in die Heimatländer. DerEinwand, dafür gäbe es in Thüringen keine
Kapazi-täten, trägt an dieser Stelle nicht, da es sich im Mo-ment,
wie gesagt, um lediglich 10 Prozent der Neu-zugänge pro Monat
handelt. Selbst wenn die Bun-desregierung per Gesetzeskraft weitere
sichereHerkunftsstaaten wie die drei genannten ausweist,wird dies
die Zugangszahlen aus sicheren Her-kunftsstaaten maximal auf 20
Prozent in Thüringenverdoppeln. Das ist immer noch keine
Größenord-nung, bei der wir darüber sprechen, dass
unsereKapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungennicht ausreichen
würden, um diese Menschen aussicheren Herkunftsstaaten für sechs
Monate dort zubeherbergen, bis die Verfahren abgeschlossensind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir er-warten von der
Landesregierung, dass bestands-kräftige Ausreiseverpflichtungen
konsequent umge-setzt werden. In den letzten zwei Monaten des
al-ten Jahres – und dafür habe ich den Innenministerim Dezember
schon sehr deutlich gelobt – war esein richtiger Weg, der hier
eingeschlagen wurde.Wir erwarten, dass dieser so fortgesetzt wird
unddiesem nicht bereits nach zwei Monaten zu Beginndes Jahres 2016
wieder die Puste ausgeht. Ab-schiebehindernisse müssen konsequent
nach dreiMonaten überprüft werden und nicht erst nachsechs Monaten
wie bisher. Wenn die Hinderungs-gründe weggefallen sind, ist
konsequent abzuschie-ben, meine Damen und Herren, ohne
Ankündigungund wenn es nicht anders geht, auch nachts. Men-schen,
die abgeschoben werden, wissen dies be-reits sehr lange,
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist gar
nicht wahr, HerrHerrgott. Das ist eine falsche Annahme!)
mit der bestandskräftigen Ablehnung ihres Asylan-trags und dem
Verstreichen der Möglichkeit derfreiwilligen Ausreise. Eine
nochmalige Ankündigungdes konkreten Abschiebetermins führt dieses
ge-samte System der Zwangsausweisung ad absur-dum, meine Damen und
Herren, und ist deswegennicht durchzuführen.
(Beifall CDU)
Bei Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sindund bei
denen ein Ausreisedatum und eine Rei-semöglichkeit zur freiwilligen
Ausreise feststehen,sind die Leistungen auf das konkrete
Ausreiseda-tum zu befristen. Sollte der
Ausreisepflichtigeschuldhaft die Möglichkeit der Ausreise nicht
wahr-nehmen, sind ihm nur noch Leistungen für das un-abdingbar
Notwendige zu gewähren, bis erzwangsweise in sein Heimatland
zurückgeführtwird. Dieses Vorgehen minimiert Fehlanreize undträgt
womöglich sogar zu einer verstärkten Wahr-nehmung der Möglichkeiten
der freiwilligen Ausrei-se bei, was natürlich von uns allen zu
begrüßenwäre, weil die freiwillige Ausreise eben das
kosten-günstigere Element im Gegensatz zur zwangswei-sen
Abschiebung ist. Aber wer nicht freiwillig aus-reist, muss in
letzter Konsequenz zwangsweisenach Hause zurückgeführt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieRückkehr zum
Sachleistungsprinzip, gerade in Erst-aufnahmeeinrichtungen, ist ein
wichtiger Punkt derim Herbst getroffenen Entscheidungen. Die
konse-quente Reduzierung von möglichen Fehlanreizenfür nicht
berechtigte Asylbewerber, Flüchtlinge undMigranten ist ein
Baustein, um den Zustrom vonnicht Berechtigten weiter zu
reduzieren.
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: DieMenschenwürde ist
migrationspolitisch nichtzu relativieren!)
Die auszureichenden Sachleistungen können auchin Form von
Wertgutscheinen ausgegeben werdenund Wertgutscheine und
Sachleistungen sind keineReduzierung der Würde, Frau Berninger,
sondernsie sind eine Ersatzleistung und zwar in gleicherHöhe wie
Bargeld.
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Das ist doch
lächerlich!)
Sollte es trotzdem notwendig sein, Geldleistungenauszureichen,
sind diese maximal einen Monat imVoraus zu gewähren. Das findet in
Thüringen wei-testgehend statt und ist auch stringent so
anzuwen-den.
Abschließend, meine Damen und Herren, erwartenwir, dass die
Thüringer Landesregierung die Mittel,die vom Bund für die Kommunen
bereitgestellt wer-den, auch eins zu eins durchreicht und keine
Teilefür den Landeshaushalt oder Landesaufgaben ein-behält, wie das
zum Teil der Fall ist. Dies gilt für al-le Mittel, die die Kommunen
für die Unterbringungund Betreuung von Asylbewerbern und
Flüchtlingenerhalten sollen. Eine hundertprozentige Erstattungfür
die Aufwendungen findet hier immer noch nichtstatt. Die Mittel, die
der Bund für den sozialen Woh-nungsbau zur Verfügung stellt, sind
zweckgebun-den und sinnvoll in ganz Thüringen einzusetzen,denn
Wohnraum wird nicht nur für Asylbewerberund Flüchtlinge benötigt,
meine Damen und Herren,
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung - 29.01.2016
3353
(Abg. Herrgott)
-
sondern er wird auch für die Menschen benötigt,die Anerkennung
erhalten haben und die alsRechtskreiswechsler nun vom Jobcenter in
Thürin-gen betreut werden. Die Menschen mit anerkann-tem
Schutzstatus, die in Thüringen bleiben wollen –und das ist ein
Anteil, denn es gehen nicht alle, dieeine Anerkennung haben, aus
Thüringen weg, auchnicht aus dem ländlichen Raum –, sollten hier
dieBedingungen finden, gerade in punkto Wohnraum,um hier auch
bleiben zu können.
(Beifall CDU)
Meine Damen und Herren, unser Antrag zielt daraufab, dass
gesetzliche Selbstverständlichkeiten, dieseit dem Herbst 2015
gelten und für die Bewälti-gung der Asyl- und
Flüchtlingsproblematik notwen-dig sind, zügig, konsequent und
umfassend umge-setzt werden, und zwar bevor wir über die
neuenGesetzlichkeiten aus dem gestern hoffentlich ab-schließend
vereinbarten Asylpaket II reden. Wir set-zen da auf Ihre
Unterstützung, dass diese Selbst-verständlichkeiten, die wir in
diesem Antrag einfor-dern, auch umgesetzt werden. Vielen Dank.
(Beifall CDU, AfD)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Herr Herrgott. Als Nächster hat dasWort die Frau
Abgeordnete Berninger für die Frak-tion Die Linke.
Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr ge-ehrter Herr
Präsident, auf den ersten Blick könnteman den Antrag der Fraktion
der CDU folgender-maßen zusammenfassen: Gesetze sind umzuset-zen.
Wenn man aber einen zweiten Blick auf denAntrag wirft, dann wird
deutlich, dass sich dieChristdemokratinnen und Christdemokraten
imThüringer Landtag – für die CDU-Mitglieder in Thü-ringen
insgesamt kann man das meines Erachtensnicht sagen, da bin ich mir
ziemlich sicher, aber dieAbgeordneten in der CDU-Landtagsfraktion –
im-mer weiter von einem menschenrechtsorientiertenund wie ich meine
auch von einem christlichen An-satz in der Flüchtlingspolitik
entfernen, meine Da-men und Herren.
(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/DIEGRÜNEN)
Sie wollen mit diesem Antrag - lesen Sie Ihren An-trag mal ganz
genau durch – die ohnehin zum Teiltatsächlich inhumanen
Neuregelungen im Asylge-setz noch verschärfen. Dass Sie da von
Selbstver-ständlichkeit sprechen, Herr Abgeordneter Herrgott,
(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Nicht ver-schärfen,
ausschöpfen!)
(Beifall AfD)
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sehr gut!)
da fehlen mir die Worte.
Zum Beispiel mit der Forderung nach eigenständi-gen
Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge aus so-genannten sicheren
Herkunftsländern, in Punkt 2 aIhres Antrags, oder mit der Forderung
„Abschie-bung um jeden Preis“, spätestens nach drei Mona-ten, in
Punkt 2 b Ihres Antrags, oder durch die Leis-tungseinschränkung,
auch um den Preis der Kos-tensteigerung für die Verwaltung, bei den
Leistun-gen zur Deckung des persönlichen Bedarfs. Siewollen diese
zwingend in Sachleistungen umwan-deln in Punkt 2 c Ihres
Antrags.
Und zum Schluss noch durch fast kompletten Leis-tungsentzug für
Menschen, denen unterstellt wird,ihre Ausreisemöglichkeit
schuldhaft – in § 1a desAsylbewerberleistungsgesetzes heißt es „aus
Grün-den, die sie nicht zu vertreten haben“ – nicht wahr-genommen
haben. Letzteres ist zwar keine Ver-schärfung, die auf dem Mist der
CDU-Fraktion inThüringen gewachsen ist, sondern tatsächlich
Ge-setzeslage. Sie finden Sie aber offenbar gut, meineDamen und
Herren von der CDU.
(Zwischenruf Abg. Herrgott, Abg. Mohring,CDU: Wir finden die
Gesetze gut!)
Pro Asyl, meine Damen und Herren der CDU, be-fürchtet, dass
dieses „schuldhaft“ nahezu allenFlüchtlingen mit einer Duldung
vorgeworfen werdenkönnte, weil sie etwa keine
Identitätsdokumentevorlegen können. Da will ich mal die
AbgeordneteHolbe oder den Herrn Fiedler fragen: Erinnern Siesich,
wie es um die Registrierung der Minderheiten-angehörigen im Kosovo
stand, als wir mit dem In-nenausschuss dort gewesen sind? Roma
habensehr häufig keine Geburtsurkunde, keinen Pass,kein
Sozialversicherungsdokument oder Ähnliches,weil sie nicht
registriert werden.
Die Folge dieser Gesetzesverschärfung kann sein,dass diese
Menschen künftig um circa 40 Prozentgekürzte Leistungen erhalten;
40 Prozent gekürztesExistenzminimum, meine Damen und Herren.
Dasaber ist verfassungswidrig, Herr Herrgott. Sie erin-nern sich:
Die Intention, Flüchtlinge abzuschreckenkann in keiner Weise die
Absenkung des men-schenwürdigen Existenzminimums rechtfertigen.Das
sagt nicht nur Die Linke, das sagen nicht nurdie Grünen, das sagt
das Bundesverfassungsge-richt, das nicht im Verdacht steht, ein
linkes Partei-buch zu haben.
(Beifall DIE LINKE)
Ich will wieder einmal das Bundesverfassungsge-richt zitieren:
„Migrationspolitische Erwägungen,“ –das ist so etwas, was Sie
gerade angestellt haben,Herr Herrgott – „die Leistungen an
Asylbewerberund Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize
fürWanderungsbewegungen durch ein im internationa-
3354 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung -
29.01.2016
(Abg. Herrgott)
-
len Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zuvermeiden,
können von vornherein kein Absenkendes Leistungsstandards unter das
physische undsoziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Diein
Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierteMenschenwürde ist
migrationspolitisch nicht zu re-lativieren.“
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Meine Damen und Herren, ich kann versichern, dashaben meine
Vorrednerinnen von Rot-Rot-Grünauch schon gemacht: Ja, Bundesrecht
wird einge-halten. Aber selbstverständlich halten wir auch dasdarin
verankerte Ermessen ein, erst recht, wenn esum Menschen geht.
Rot-Rot-Grün wird unter allenUmständen versuchen, an seinem
menschen-rechtsorientierten flüchtlingspolitischen
Anspruchfestzuhalten.
Wir mussten mit Entsetzen im Spätsommer undHerbst letzten Jahres
zur Kenntnis nehmen, wie dieBundespolitik nicht nur auf die
gestiegene Zahl derin der Bundesrepublik angekommenen Geflüchte-ten
und die damit entstehenden und zum großenTeil hausgemachten
Probleme, sondern wie dieBundespolitik vielmehr auf aus Unkenntnis,
ausAngst entstehende Vorbehalte, auf vorurteilsbehaf-tete
Abwehrreaktionen und auf rassistische Hetzeund Panikmache
reagierte. Mit den falschen Ant-worten nämlich – eigentlich gar
nicht mit Antworten,sondern nur mit Scheinlösungen –, mit dem
Asyl-verfahrensbeschleunigungsgesetz, mit dem nichtetwa Maßnahmen
zur Asylverfahrensbeschleuni-gung beschlossen wurden, sondern fast
aus-schließlich Asylrechtsverschärfungen und Ein-schränkungen des
Grund- und Menschenrechts aufAsyl. Meine Damen und Herren, das
hatten wirschon mal.
Mit dem Asylpaket II will die Bundesregierung nundie Aushebelung
des Asylrechts „perfekt“ machenund hat gestern entschieden,
Familien auf lebens-gefährliche Fluchtwege zu schicken und
erneutLänder als „sicher“ zu deklarieren, für die
Men-schenrechtsverletzungen dokumentiert sind – ichempfehle einfach
einen Blick in die Berichte vonAmnesty International zu diesen drei
Ländern. Mankann eigentlich nicht mehr von Asylrecht
sprechen,sondern muss sagen, die Bundespolitik macht Asyl-unrecht.
Man kam und kommt sich vor wie in einemfalschen Film, nämlich einem
Film aus den frühen90ern, meine Damen und Herren. Anstatt den
vie-len, in der Flüchtlingsunterstützung ehrenamtlichengagierten
Menschen – 9,6 Millionen Menschen inder Bundesrepublik – den Rücken
zu stärken, fallenSie, fällt die Bundespolitik ihnen in den
Rücken.Nichts anderes ist es nämlich, wenn man in dieKerbe der
Höckes und der Bachmanns, der Thü-gidiotinnen und Nazi-Parteien
schlägt.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Anstatt Rassismus und Diskriminierung mit der Um-setzung der
Menschenrechte zu begegnen, betrei-ben Sie ganz nach Vorbild des
großen Onkels See-hofer das Geschäft der Rechtspopulisten und
ver-mitteln durch Statements, durch Reden wie
eben,Pressemitteilungen und Anträge wie dem vorliegen-den den
Eindruck, die Menschenfeinde lägen rich-tig. Und dieser Eindruck
verfängt, meine Damenund Herren. Heute Morgen hat es in
Baden-Würt-temberg einen Anschlag auf ein Flüchtlingsheimgegeben.
Eine scharfe Handgranate, deren Splintgezogen wurde, wurde auf eine
Flüchtlingsunter-kunft geworfen, in der 170 Menschen leben. Es
warein unheimlich großes Glück, dass diese Handgra-nate nicht
losgegangen ist! Solche Anschläge sindAuswirkungen der Art, wie
Bundespolitik gerade aufdie Flüchtlingssituation reagiert. Und Sie
machendas genauso – Sie klären damit nicht auf, sondernSie wiegeln
auf mit diesem Antrag. Sie nehmen kei-ne Ängste und vermitteln auch
nicht Empathie oderein Gefühl der Willkommenskultur oder diese
Ak-zeptanz, von der Herr Scherer heute Morgensprach, sondern Sie
bestärken vorurteilsbehafteteÄngste, falsche Vorstellungen und
Ressentiments,meine Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Ja, es stimmt, es gibt große Herausforderungen,was die
Unterbringung und Versorgung, wasDeutschkurse, was die Bildung in
Kita und Schuleund was das ganze Paket an Integrationsmaßnah-men
betrifft. Diese sind – und das wissen Sie auch– nicht zuletzt
potenziert durch eine Art Arbeitsver-weigerung von Politik und
Verwaltung in den letztenJahren und Jahrzehnten – auch und gerade
hier inThüringen, meine sehr geehrten Damen und Her-ren der CDU.
Diese Herausforderungen meistertman aber nicht durch die
Einschränkung verfas-sungsmäßiger Rechte oder durch das
möglichstschlechte Behandeln von Menschen, Herr Herrgott.Die
Herausforderungen können nur gemeistert wer-den, indem man
Unterstützungsstrukturen stärkt,indem man Behörden fit macht, indem
man denMenschen Integration und ein selbstbestimmtes Le-ben
ermöglicht.
Verwenden Sie doch Ihre Energie bitte nicht auf be-sorgte
Briefe, Asylrechtsverschärfungsanträge oderUnterstellungen gegen
die Landesregierung, siewürde die Gelder für sich behalten, anstatt
sie denKommunen weiterzureichen, wie Sie das in denPunkten e) und
f) Ihres Antrags machen! Sondernsetzen Sie sich lieber in Berlin
dafür ein, dass die2015 erwirtschafteten 12 Milliarden Euro nicht
zueiner schwarzen Null gemacht, sondern in das „Wirschaffen das!“
investiert werden, Herr Herrgott undHerr Scherer,
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung - 29.01.2016
3355
(Abg. Berninger)
-
in das „Wir schaffen das!“ zur Unterstützung derer,die daran in
den Landesaufnahmeeinrichtungen, inden Kommunen, in den
Verwaltungen, in denSchulen und Kitas, in den Unterkünften und in
vie-len Vereinen und Initiativen haupt- und ehrenamt-lich mit viel
Enthusiasmus und mit großartigem En-gagement arbeiten. Ihr Antrag,
meine sehr geehr-ten Damen und Herren der CDU, ist – genau wiedie
gestern in Berlin getroffenen Vereinbarungen –für das „Wir schaffen
das!“ nicht geeignet, sondern– im Gegenteil – ausschließlich
kontraproduktiv.Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Präsident Carius:
Vielen Dank. Frau Berninger, wenn ich vielleicht ei-nes ergänzen
darf: Wir bemühen uns alle um eineordentliche Sprache, damit hier
auch nichts eska-liert. Begriffe wie „Thügidioten“, „die komplette
Un-tätigkeit der Verwaltung über Jahre hinweg“ – dashilft nicht
wirklich, die Debatte angemessen zu be-ruhigen.
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:„Komplette Untätigkeit“
habe ich nicht ge-sagt!)
Sie können ja alle Ihre Meinung sagen, das ist nichtdie Frage,
aber ich möchte darauf hinweisen. Jetzthat als Nächster
Abgeordneter Möller das Wort.
Abgeordneter Möller, AfD:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolle-ginnen und
Kollegen, liebe Gäste! Wir haben jetztschon einiges gehört,
einiges, was eigentlich uner-träglicher Unsinn ist.
(Unruhe DIE LINKE)
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Jetztkommt wieder
kompletter Unsinn!)
Unter anderem hat zum Beispiel Frau Kollegin Ro-the-Beinlich
gesagt, dass die menschenwürdigeUnterbringung von Asylbewerbern zu
Integrationführen würde. Also ich bin ja der Meinung, zu
Inte-gration führt vor allen Dingen Anpassungsdruckund der fehlt in
diesem Land.
(Beifall AfD)
(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Siepassen sich auch nicht
an!)
Frau Lehmann bedauert die Einschränkungen beimFamiliennachzug,
will also weiterhin, dass diestärksten, nur die stärksten
Asylbewerber, die diebeschwerliche Reise nach Europa schaffen, hier
inEuropa, hier in Deutschland ankommen und dannihre Familien
nachziehen können. Das ist ein er-staunlich sozialdarwinistischer
Anspruch
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN: Sparen
Sie sich IhrenZynismus!)
für die SPD, muss ich sagen.
(Beifall AfD)
Den Vogel abgeschossen hat natürlich die FrauKollegin Berninger,
die meint: „Bundesrecht wirdeingehalten.“ Ja, wo lebt sie denn, die
Frau Bernin-ger!
(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Aufder Grundlage des
Grundgesetzes!)
Also wir haben 1 Million Rechtsbrüche im letztenJahr gehabt.
Denn Artikel 16 a Abs. 2 Grundgesetzsagt klipp und klar, wer keinen
Anspruch auf Asylhat; das sind nämlich diejenigen, die aus
sicherenDrittstaaten kommen, und Deutschland ist von si-cheren
Drittstaaten umzingelt, Frau Kollegin Bernin-ger.
(Beifall AfD)
Das, was hier stattfindet, ist millionenfacher
Verfas-sungsbruch. Man kann auch sagen, das ist einPutsch, ein
Putsch gegen die Verfassung, den dieBundeskanzlerin nämlich
durchführt.
(Beifall AfD)
Dieser Putsch gegen die Verfassung ist, wie soziemlich alles von
der Bundeskanzlerin, was mitRechtsbrüchen zu tun hat,
europarechtlich odereuropapolitisch bestimmt.
(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Das fing an beim ersten Griechenland-Rettungspa-ket und hört
jetzt bei der Asylpolitik auf, bei derWeigerung, die Grenzen zu
sichern, weil sie näm-lich Angst hat, dass sie damit Schengen in
die Ton-ne klopft.
Präsident Carius:
Herr Möller, den Begriff des Putsches werde ich Ih-nen auch
rügen. Ich bitte Sie um Besserung.
Abgeordneter Möller, AfD:
Bitte schön, aber davon lasse ich mich nicht abhal-ten. Also ich
halte „Putsch“ für eine normale Be-zeichnung.
(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Der Staatsrechtler Vosgerau von der UniversitätKöln hat genau
diesen Begriff verwendet, den Be-griff des verfassungsrechtlichen
Putsches und ichhalte den auch für angemessen.
(Beifall AfD)
3356 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung -
29.01.2016
(Abg. Berninger)
-
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt
reicht‘s mal lang-sam!)
Zurück zum Antrag.
Präsident Carius:
Es steht Ihnen dennoch nicht zu, den Präsidenten –egal, wer hier
sitzt – zu kommentieren.
(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: So ist das!)
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Abgeordneter Möller, AfD:
Das tue ich auch nicht.
Präsident Carius:
Deswegen rüge ich erneut Ihre Behauptung, es seiein Putsch.
Abgeordneter Möller, AfD:
Dazu sage ich jetzt nichts mehr.
(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Gehen Siedoch in anderes Parlament!
Dort können Siesagen, was Sie wollen!)
Sie sind ja der große Rechtsexperte, Herr Hey. Sei-en Sie mal
lieber ein bisschen still.
Es ist ja putzig genug, dass wir hier über einenCDU-Antrag
reden.
(Unruhe CDU)
Denn erstens ähneln die behandelten Maßnahmen,die die CDU hier
vorschlägt, überraschend starkden Forderungen der AfD. Als wir
diese vor einpaar Monaten hier eingestellt haben, wurden sie
imKreise der Altparteien noch als rassistisch, men-schenfeindlich
und in jedem Fall als rechtspopulis-tisch bezeichnet.
(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Selber Altpar-tei!)
(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Uralt-partei!)
Das gilt also insbesondere für die gesonderte Un-terbringung von
Asylbewerbern mit einer aussichts-losen Bleibeperspektive. Das
hatten wir schon am17. August entsprechend beantragt. Die
konse-quente Durchsetzung von Ausreiseverpflichtungenhaben wir
natürlich auch schon immer gefordert,auch am 17. August noch einmal
in einem Antragfür das Plenum fertig gemacht. Die Rückkehr
zuSachleistungen statt Geldleistungen – ebenfalls einAntrag von
uns, den wir hier im August schon ein-gebracht hatten.
(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Wahnsinn!Wahnsinn!)
Und das Gegenteil übrigens haben in völliger Reali-tätsferne –
na, Herr Hey, wer war es? – die SPDund die CDU beschlossen.
Richtig. Gemeinsam mitden Grünen.
(Beifall AfD)
Das war gerade mal ein Jahr vorher, eine Peinlich-keit
sondergleichen. Das zeigt, was Sie hier füreinen Realitätsverlust
haben.
(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Wie kommenSie mir hier überhaupt
vor?)
Genau so ist es.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Wer sind
Sie denn?)
Das wissen Sie doch.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Nichtreagieren!)
(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Wir freuen uns jedenfalls, meine Damen und Her-ren, über die
späte Einsicht der CDU, dass die An-träge der AfD doch ganz
hilfreich sind. Wir habenauch dafür Verständnis, denn es ist nun
mal geradein asylpolitischen Fragen so, dass manchen die
Er-kenntnis leicht und anderen eben etwas schwererfällt. Leicht
fällt sie zum Beispiel uns von der AfD,schwerer fällt es der CDU,
aber immerhin kommtdie Erkenntnis noch. Eine ganze Menge
Journalis-ten hat mittlerweile auch mitbekommen, dass
etwasschiefläuft in der Asylpolitik. Dann gibt es noch dieFälle der
ausgeprägten Lernresistenz, die findetman hier in der Runde bei dem
rot-rot-grünen Lagerund natürlich auch bei einigen Kommentatoren
inden Medien, zum Beispiel bei „Spiegel Online“.
Bevor Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von derCDU, jetzt über
diese mittlere Platzierung vor Stolzan die Decke schweben, muss ich
Ihnen allerdingswieder eine Erdung verpassen. Sie müssen sich
mitsolchen veralteten Anträgen nicht an die Landesre-gierung
wenden. Die ist in Sachen Asylpolitik Kom-plettversager aus
Überzeugung,
(Beifall AfD)
weil sie das Konzept einer multikulturellen Gesell-schaft gerade
durch offene Grenzen und eine mög-lichst lange ungeregelte
quantitativ große Zuwan-derung zum Ziel hat.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN:
Unerträglich ist Ihr Rede-beitrag hier!)
Sie haben als CDU-Mitglieder viel bessere Möglich-keiten,
unserem Land aus der Asylkrise zu helfen.Schließlich stellt und
stützt Ihre Partei nicht nur die
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung - 29.01.2016
3357
(Abg. Möller)
-
aktuelle Bundeskanzlerin, die diese Asylkrise
durchmillionenfachen Rechtsbruch überhaupt erst mög-lich gemacht
hat, und auf Kritik mit Phrasen wie„Wir schaffen das“, „Nun sind
sie halt da“ und„Dann ist es nicht mein Land“ reagiert. Frau
Merkel,Ihre Bundeskanzlerin, wäre zwar immerhin einebessere
Ansprechpartnerin als die Landesregie-rung, aber ein guter
Ansprechpartner wäre auch sienicht, denn Frau Merkel hat sich
längst von derRealität abgekoppelt und da wird sie noch
unter-stützt von Zahlenakrobaten wie dem Noch-Innenmi-nister Thomas
de Maizière. Das ist eigentlich einTrauerspiel, was da auf
Bundesebene stattfindet.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Na klar!
Das, was Sie lie-fern, ist trauriger!)
Die Bundeskanzlerin glaubt auch Geschichten wiedie, die unser
Ministerpräsident Bodo Ramelow hierin Thüringen gern erzählt: Das
Märchen von der Lö-sung des Fachkräftemangels durch
Asylbewerber,die angeblich unser Sozialsystem bereichern, stattes
zu belasten. Ihre Bundeskanzlerin glaubt auchan die Fähigkeit
unserer Gesellschaft, MillionenMenschen völlig fremder Herkunft und
Kultur zu in-tegrieren. Dabei scheitert diese Integration
schondaran, dass ein Großteil unseres Volkes diese
Inte-grationsleistung – aus gutem Grund übrigens –überhaupt nicht
erbringen will.
(Beifall AfD)
Statt die Meinung des eigenen Volkes konstruktivaufzugreifen,
spaltet Ihre Bundeskanzlerin gemein-sam mit dem Bundespräsidenten
Joachim Gaucksowie der SPD – Herr Hey – die Gesellschaft inHell-
und Dunkeldeutschland, in Zivilgesellschaftauf der einen Seite und
in „Pack“ auf der anderenSeite. Dabei wird sie – und das sollte
jedem Christ-demokraten zu denken geben – durch Linksparteiund
Grüne von der Seitenlinie tatkräftig unterstützt.
Ihre Ansprechpartner, meine Damen und Herrenvon der CDU, die
Ihnen vermutlich gern zuhörenwürden, sind eigentlich die große
schweigende,vernünftige Mehrheit innerhalb der CDU; das sinddie
CDU-Mitglieder und -Funktionäre, die schonlange auf eine politische
Wende warten. Auf eineWende, die Schluss macht mit der Politik der
Bun-deskanzlerin, die nach unserer festen Überzeugungweder
christlich noch demokratisch, noch bürger-lich, noch sozial, noch
familienfreundlich ist.
(Beifall AfD)
Ihre Ansprechpartner sind CDU-Mitglieder, die sodenken wie der
ehemalige CDU-Präsidentschafts-kandidat Steffen Heitmann, Herr
Kollege Emde.
(Unruhe CDU)
Der hatte seinen Austritt aus der CDU damit be-gründet, dass er
seine weitere Mitgliedschaft nichtals Tolerierung oder sogar
Begrüßung der Flücht-
lingspolitik von Angela Merkel verstanden wissenmöchte. Er hat
gesagt: „Ich habe mich noch nie –nicht einmal in der DDR – so fremd
in meinem Landgefühlt.“
(Beifall AfD)
Das sind die Worte Ihres Ex-Mitglieds. Diese Ein-stellung teilt
ein großer Teil unseres Volkes, dermal Hoffnungen in die CDU
gesetzt hat, dass gera-de Ihre Partei die Schutzfunktion gegenüber
denderzeitigen Zuständen in unserem Land sicherstellt.
(Unruhe CDU)
Wenn Ihnen das nicht reicht, dann sollte Ihnen spä-testens zu
denken geben, dass dank dieser kata-strophalen Asylpolitik Ihrer
Bundeskanzlerin dieCDU von Wählern erstmals als „Partei links der
Mit-te“ eingestuft wird.
(Beifall AfD)
Wir als Abgeordnete der AfD können der Sachefreilich auch etwas
Positives abgewinnen: Wir be-danken uns bei Ihnen für den großen
Platz, den Sieuns gemacht haben, der uns natürlich auch die
ent-sprechende Entfaltung ermöglicht. Aber lieber wärees uns
natürlich, wenn die Zustände in unseremLand in Ordnung gebracht
würden.
(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: So etwas Lä-cherliches!)
Ihre Ansprechpartner, liebe Kollegen von der CDU,sind die
CDU-Mitglieder, die mit dem Kurs von FrauMerkel nicht einverstanden
sind, wissen übrigenslängst, wie der Ausweg aus der Asylkrise
aussieht:90 Prozent der Unionswähler halten einer aktuellenUmfrage
von Emnid zufolge einen Kurswechsel inder Asylpolitik der Kanzlerin
für geboten. Umso un-verständlicher ist es, dass die CDU-Mitglieder
dabeiimmer wieder enttäuscht werden. Auf dem letztenParteitag der
CDU, auf dem Merkels Asylpolitik mit99,5 Prozent abgesegnet wurde,
erhielt ein ver-nünftiger Antrag von Wolfgang Bosbach, der
dieAbweisung von über sichere Drittstaaten eingerei-sten Migranten
forderte, nur wenige Stimmen, ob-wohl im Kern genau dasselbe im
Grundgesetzsteht, meine Damen und Herren. Anders ausge-drückt: Die
Stimme der Vernunft bei den CDU-Dele-gierten ist leider auch bei
dem Wähler kaum ver-nehmbar. Ihre Aufgabe wäre es spätestens
nachder Silvesternacht, Ihrer Basis endlich wieder Ge-hör zu
verschaffen – eigentlich eine demokratischeSelbstverständlichkeit.
Mit dieser Basis im Rückenkönnten Sie Frau Merkel und ihren
Erfüllungsgehil-fen im Bund endlich die rote Karte zeigen und
de-ren katastrophale Asylpolitik beenden,
(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Wer hat Ihnendenn das
aufgeschrieben?)
die unser Land nicht nur finanziell ruiniert.
(Beifall AfD)
3358 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung -
29.01.2016
(Abg. Möller)
-
Sie sind im Grunde doch selbst nicht überzeugt,dass das gute
CDU-Politik ist. Das können Sie ei-nem doch nicht erzählen.
Stattdessen drücken Siesich leider vor den wichtigen
Entscheidungen: derWiedereinführung einer Asylobergrenze, der
Grenz-sicherung und der Abschaffung des
regelmäßigenFamiliennachzugs, nicht nur für subsidiär
Schutzbe-dürftige und auch nicht nur für zwei Jahre, sondernfür die
Dauer. Das ist wichtig. Stattdessen schrei-ben Sie leider
Briefchen. Das führt zu gar nichts;Briefchenschreiben führt zu gar
nichts. Das ist auchder Grund, warum Sie als reformunfähig
gelten,warum die CDU als realitätsfern gilt, warum sie
alsmitverantwortlich für den millionenfachen Rechts-bruch an der
deutschen Grenze gilt – wegen derDuldung dieser illegalen
Einwanderung.
(Beifall AfD)
Vor dem Hintergrund dieser Möglichkeiten hätteman eigentlich
erwarten können, dass Sie Ihren An-trag zurücknehmen, zumal Frau
Klöckner ausRheinland-Pfalz mittlerweile einen eindeutig
weitergehenden Plan A2 vorgeschlagen hatte, der zwarauch noch nicht
ausreicht, aber allemal besser istals Ihr Antrag, den man unter der
Register-nummer 08/15 am besten knickt, locht und abhef-tet.
(Beifall AfD)
Genau aus dem Grund werden wir diesen Antragnatürlich auch nicht
unterstützen. Danke schön.
(Beifall AfD)
Präsident Carius:
Danke schön, Herr Möller. Weitere Wortmeldungenaus den Reihen
der Abgeordneten? Bitte schön,Herr Abgeordneter Herrgott, dann Frau
Abgeordne-te Berninger.
Abgeordneter Herrgott, CDU:
Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es wenigstenslustig, Kollege
Möller.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Die einen sa-gen so, die anderen
sagen so!)
Aber was ich hier gerade so hören musste
vonPutsch-Phantasien,
(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Für vieleDeutsche ist es nicht
mehr vertretbar, wasFrau Merkel in der Asylpolitik macht!)
acht Wochen noch Kanzlerin – vom KollegenBrandner –,
(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Wunschvorstellungen vom AfD-Rest in diesem Par-lament,
(Beifall CDU)
der wahrscheinlich mehr Ex-Mitglieder hat als alleAltparteien
zusammen.
(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)
Gemessen an der prozentualen Kraft Ihrer Partei istdas wirklich
eine Aufblähung von ein paar Zwergenin diesem Parlament zu einer
politischen Größe, dieSie sich selbst zuschreiben. Ich sage, das
ist wirk-lich exzellent, Kollegen. Ich muss sagen, wirklichrichtig
gut.
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Acht Wo-chen!)
Acht Wochen – Kollege Brandner, wir gucken aufdie Uhr, was in
acht Wochen passiert. Vielleicht ha-ben Sie Ihre Immunität dann
wieder, aber dannschauen wir mal, wie wir hier weiter verfahren
indiesem Parlament. Wir als CDU erwarten die Um-setzung von Recht
und Gesetz. Das haben wir hierklargemacht, aber wir werden auch
nicht die Beleh-rungen der AfD, die glauben, die Weisheit in
irgend-einer Form gepachtet zu haben, hier annehmen.
(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Dann gehenSie doch auch mal auf
die Argumente ein!)
(Unruhe AfD)
Wenn Sie die entsprechenden Dinge, die Sie imAugust bei Ihren
Anträgen eingebracht haben, nuntatsächlich irgendwo in anderen
Anträgen wieder-finden sollten, macht das Ihre Intention, mit der
Siehier Anträge stellen, mit der Sie hier versuchen,Teile von
Politik zu machen, nicht besser, sondernes macht sie selbst
allenfalls unerträglicher, meineDamen und Herren.
(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Herr Herrgott. Jetzt hat Frau Abgeord-nete
Berninger für die Fraktion Die Linke das Wort.
Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:
Ich will nur ganz kurz noch mal meinen Appell andie Damen und
Herren der CDU erneuern.
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Bravo!)
(Beifall AfD)
Ich habe es eben gesagt, Sie betreiben mit Anträ-gen wie dem
vorliegenden das Geschäft derRechtspopulisten. Den Beleg dafür hat
der Rednernach mir gegeben, der nicht nur Ablehnung zu Ih-rem
Antrag, sondern zu einigen Dingen auch Beifallgespendet hat, meine
Damen und Herren der CDU.Ich kann Sie nur auffordern, an Sie
appellieren:Kommen Sie mit uns auf den Weg einer menschen-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung - 29.01.2016
3359
(Abg. Möller)
-
rechtsorientierten und integrativen Flüchtlingspoli-tik.
Unterstützen Sie uns darin,
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
lassen Sie uns das gemeinsam schaffen und habenSie dabei keine
Angst vor Ihren Wählerinnen undWählern, meine Damen und Herren der
CDU.
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Die sind jaschon weg!)
Fast die Hälfte, nämlich 49 Prozent der in einer Em-nid-Umfrage
von ein bisschen mehr als 1.000 Per-sonen am 12. und 13. Januar
befragten CDU-Wäh-lerinnen und -Wählern finden, die
Bundesregierungtäte zu wenig zur Verbesserung der Situation
derFlüchtlinge. Das kann Ihnen doch Ansporn seinoder den Rücken
stärken für den gemeinsamen An-satz menschenrechtsorientierter
Flüchtlingspolitik.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Präsident Carius:
Danke schön. Aus den Reihen der Abgeordnetensehe ich jetzt keine
weiteren Wortmeldungen. Fürdie Landesregierung Frau
Staatssekretärin Albin,bitte.
Dr. Albin, Staatssekretärin:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damenund Herren
Abgeordnete, die Fraktion der CDU for-dert die Landesregierung in
ihrem Antrag zunächstauf, die von der Bundesregierung zur Asyl-
undFlüchtlingspolitik vorgesehenen Maßnahmen aufLandes- und
Kommunalebene zügig und vollstän-dig umzusetzen. Zudem fordert sie,
näher bezeich-nete, konkrete Maßnahmen umzusetzen und biszum 31.
März 2016 im Landtag über den Stand derUmsetzung zu berichten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassenSie mich kurz an die
Genesis der gesetzlichen Än-derungen im letzten Herbst erinnern,
auf die dieCDU mit ihrem Antrag abzielt. Am 24. September2015 haben
die Bundeskanzlerin und die Regie-rungschefinnen und -chefs der
Länder ein Maßnah-menpaket beschlossen. Dadurch sollen die
großenHerausforderungen, die die hohe Zahl an Asyl-
undSchutzsuchenden sowohl an den Bund als auch andie Länder stellt,
besser bewältigt werden. In Um-setzung dieses Maßnahmenpakets wurde
noch imOktober 2015 ein Gesetzgebungsverfahren durch-geführt und
innerhalb weniger Wochen das soge-nannte
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ver-abschiedet. Das Gesetz
wurde am 15. Oktober2015 vom Deutschen Bundestag beschlossen undist
nach Zustimmung des Bundesrats am 24. Okto-ber 2015 in Kraft
getreten. Durch das Asylverfah-rensbeschleunigungsgesetz wurden
wesentliche
Punkte umgesetzt, die zuvor im Maßnahmenpaketvom 24. September
zwischen Bund und Ländernvereinbart worden waren. Darunter sind im
Wesent-lichen auch die unter Ziffer 2 des CDU-Antrags ge-nannten
Punkte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möch-te nun
nachfolgend zu einigen Punkten aus demAntrag Stellung nehmen. Unter
Ziffer 2 a) des An-trags wird angesprochen, dass Asylsuchende
ver-pflichtet werden sollen, bis zu sechs Monate, sol-che aus den
sogenannten sicheren Herkunftsstaa-ten bis zum Abschluss des
Asylverfahrens, in denErstaufnahmeeinrichtungen zu verbleiben.
DieseRegelungen sind neu in § 47 des Asylgesetzes auf-genommen
worden.
Auf die Unterbringungssituation in den
Landesauf-nahmeeinrichtungen und das Thüringer Konzeptzur Aufnahme
und Betreuung von Flüchtlingen, dasdamit zusammenhängt, werde ich
zum Schlussmeiner Ausführungen zurückkommen. An dieserStelle nur
zwei kurze Anmerkungen: Die Zahl derAsylsuchenden aus den
sogenannten sicheren Her-kunftsländern des westlichen Balkans ist
im Ver-hältnis zum Beginn des Vorjahres stark zurückge-gangen. So
beträgt der Zugang an Asylsuchendenaus diesen Ländern in den
Erstaufnahmeeinrich-tungen nur noch circa 2 Prozent. Vor diesem
Hin-tergrund ist es nicht erforderlich, diese Personen
ineigenständigen Aufnahmeeinrichtungen unterzu-bringen. Dies wird
im Übrigen auch bundesgesetz-lich nicht gefordert. Warum aber nach
dem Antragder CDU-Fraktion auch Asylsuchende mit
sichererBleibeperspektive über die absolut notwendige Zeithinaus in
den Landeserstaufnahmeeinrichtungenverbleiben sollen, erschließt
sich uns nicht. DasGegenteil ist richtig. Für diese Asylsuchenden
ist ei-ne schnellere Anerkennung und Integration gebo-ten.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In Ziffer 2 b) des CDU-Antrags wird gefordert, be-standskräftige
Ausreiseverpflichtungen konsequentdurchzusetzen und geplante
Abschiebungen vorhernicht mehr anzukündigen. Letztgenannte
Forderungist neu in § 59 Abs. 1 Satz 8 des Aufenthaltsge-setzes
geregelt. Ich kann Ihnen versichern, dassdiese Vorschrift auch in
Thüringen beachtet wird.Ergänzend möchte ich darauf hinweisen, dass
seitOktober 2015 durch Änderung eines entsprechen-den Erlasses
keine Verpflichtung der Ausländerbe-hörden mehr besteht, die
Ausländerakten vor einergeplanten Abschiebung der Zentralen
Abschie-bestelle im Landesverwaltungsamt vorzulegen. Da-durch
entfällt eine doppelte Aktenprüfung vor einerAbschiebung. Diese
Maßnahme hat bereits dazugeführt, dass die Abschiebezahlen in den
letztenWochen gestiegen sind. So wurden am 2. Dezem-ber 2015 63
Personen nach Mazedonien abge-schoben, am 16. Dezember 2015 wurden
106 Per-
3360 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung -
29.01.2016
(Abg. Berninger)
-
sonen nach Serbien zurückgeführt. Insgesamt wur-den im Jahr 2015
461 Personen abgeschoben. Indiesem Zusammenhang möchte ich nochmals
aus-drücklich betonen, dass für uns nach wie vor diefreiwillige
Ausreise Vorrang vor einer Abschiebunghat. Erst, wenn trotz
Beratung zur Ausreisemöglich-keit und Androhung der Abschiebung die
Ausreisenicht freiwillig erfolgt und im Einzelfall auch
keineAbschiebungshindernisse vorliegen, kommt eineAbschiebung in
Betracht. In der Praxis reisen mehrals doppelt so viele vollziehbar
Ausreisepflichtigefreiwillig aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord-neten, ich möchte
nun noch zu einigen weiterenPunkten des CDU-Antrags Stellung
nehmen. UnterZiffer 2 c) wird zunächst gefordert, dass der
bishermit dem Taschengeld abgedeckte Bedarf künftig
inErstaufnahmeeinrichtungen weitestgehend in Formvon Sachleistungen
zu erbringen sein soll. Bereitsjetzt erhalten Asylsuchende bei
einer Unterbringungin Aufnahmeeinrichtungen Leistungen zur
Deckungdes Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung,Kleidung,
Gesundheitspflege und Gebrauchs- undVerbrauchsgütern des Haushalts,
den sogenanntennotwendigen Bedarf in Form von Sachleistungen.Eine
Neuregelung in § 3 Abs. 1 Asylbewerberleis-tungsgesetz sieht vor,
dass darüber hinaus Leistun-gen zur Deckung persönlicher
Bedürfnisse des täg-lichen Lebens, das heißt der notwendige
persönli-che Bedarf, auch als Taschengeld bezeichnet, inForm von
Sachleistungen gewährt werden sollen,wenn dies – darauf hat Frau
Abgeordnete Rothe-Beinlich schon hingewiesen – mit vertretbarem
Ver-waltungsaufwand möglich ist. Soweit Sachleistun-gen nicht mit
vertretbarem Verwaltungsaufwandmöglich sind, können auch Leistungen
in Form vonWertgutscheinen, von anderen vergleichbaren un-baren
Abrechnungen oder von Geldleistungen ge-währt werden. Die
Umsetzbarkeit dieser Regelungwird derzeit in den Ländern geprüft.
Aus praktischerSicht wird sie von den meisten Ländern eher
kri-tisch beurteilt. Der bürokratische Aufwand in Thü-ringen, an
sämtlichen Aufnahmestandorten Sach-leistungen auszugeben, ist
unverhältnismäßighoch.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dies betrifft vor allem die Kosten für zusätzlichesPersonal, das
für Bedarfsplanung, Beschaffung undAusgabe der Sachleistungen
erforderlich wäre. Da-rüber hinaus müssen in der Praxis bestehende
örtli-che Besonderheiten berücksichtigt werden. Bei-spielsweise ist
die Erbringung der im gesetzlichenLeistungskatalog vorgesehenen
Bildungs- und Kul-turangebote als Sachleistung nicht in allen
Einrich-tungen möglich. Es besteht zumindest die Gefahr,dass die
verfassungsrechtlich verankerte vollständi-ge oder auch lückenlose
Deckung des menschen-würdigen Existenzminimums nicht durchgängig
ge-währleistet werden könnte. Aus diesen Gründen
und vor dem Hintergrund der derzeit laufenden Prü-fungen ist
diese Regelung nicht umgesetzt worden.Zudem dürfte der
offensichtlich mit der Regelungverfolgte Zweck einer
Anreizminimierung für dieAsylsuchenden aus den sogenannten sicheren
Her-kunftsstaaten durch die aktuellen Flüchtlingszahlenüberholt
sein.
Die CDU fordert weiter, dass Geldleistungen höchs-tens für einen
Monat im Voraus zu zahlen sind.Dies wird bereits jetzt in Thüringen
praktiziert. Sowird in den Erstaufnahmeeinrichtungen in der Re-gel
Mitte des Monats das Taschengeld für den je-weiligen Monat
ausgezahlt. In den Landkreisen undkreisfreien Städten erfolgt die
Zahlung der Geldleis-tungen teilweise einmal monatlich, teilweise
zwei-mal im Monat.
Ein weiterer Punkt im CDU-Antrag ist die Forde-rung, dass die
Mittel, die der Bund für unbegleiteteminderjährige Flüchtlinge
bereitgestellt hat, eins zueins an die Kostenträger weitergereicht
werden.Diese Forderung geht an der Sach- und Rechtslagevorbei. Die
Zahl der unbegleiteten Minderjährigenist in diesem Jahr stark
gestiegen und es ist mit ei-nem weiterhin hohen Niveau zu rechnen.
So wur-den bundesweit bis zum 26. Januar 201667.864 unbegleitete
minderjährige Ausländer ge-zählt, wovon Thüringen bisher 1.169
aufgenommenhat. Für die Kosten, die mit der Unterbringung,
Ver-sorgung und Betreuung der unbegleiteten minder-jährigen
Ausländer zusammenhängen, stellt derBund 350 Millionen Euro bereit.
Davon entfallen aufThüringen circa 9,5 Millionen Euro. In jedem
Fallhat nach § 89 d Sozialgesetzbuch VIII das Landden Jugendämtern
die entsprechenden Kosten zuerstatten. Selbstverständlich erfüllt
die ThüringerLandesregierung diese Verpflichtung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kom-me schließlich
noch zum letzten Punkt des CDU-Antrags. Danach sollen die vom Bund
zur Verfü-gung gestellten Mittel zweckgebunden und vollstän-dig für
den sozialen Wohnungsbau in den Kommu-nen bereitgestellt werden.
Durch den Bund wurdeden Ländern für den sozialen Wohnungsbau
einBetrag von 500 Millionen Euro zur Verfügunggestellt. Nach dem
Verteilerschlüssel erhält Thürin-gen davon 28 Millionen Euro. Die
Länder habensich im Rahmen des Maßnahmenpakets vom24. September
2015 verpflichtet, diese Mittelzweckgebunden für die soziale
Wohnraumförde-rung einzusetzen. Auch die Thüringer Landesregie-rung
wird diesen zweckgebundenen Mitteleinsatzsicherstellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unabhän-gig von der
Behandlung des vorliegenden Antragsder Fraktion der CDU möchte ich
Ihnen gern Fol-gendes zur Kenntnis geben: Am 15. Januar 2016hat
Minister Lauinger die Presse über die vorgese-henen Neuregelungen
der Flüchtlingsaufnahme
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 41. Sitzung - 29.01.2016
3361
(Staatssekretärin Dr. Albin)
-
und -betreuung in Thüringen informiert. Nach demgegenwärtigen
Stand unserer Planungen sollenneuankommende Asylsuchende zunächst
in einerder vier in Ostthüringen gelegenen Aufnahmeein-richtungen
untergebracht werden, die als An-kunftsportal fungieren. Hier
sollen sie registriertwerden und die medizinische Erstuntersuchung
ein-schließlich Röntgen sowie eine Erstorientierung er-halten. Im
weiteren Verlauf soll perspektivisch inAbhängigkeit von den
Maßnahmen des Bundes-amts für Migration und Flüchtlinge die
Aufnahme inSuhl erfolgen, wo ein beschleunigtes
Asylverfahrendurchgeführt werden soll. Das heißt, Asylsuchendemit
hoher Schutzquote, wie etwa syrische Antrag-steller, sollen bereits
in Suhl anerkannt werden undso sehr raschen Zugang zu den regulären
Sozial-systemen und zum Arbeitsmarkt erhalten. Asylan-träge mit
teils unklarer Rechtslage bzw. abzuleh-nende Asylanträge sollen
dagegen in der Außen-stelle des Bundesamts in Mühlhausen
bearbeitetund die betreffenden Antragsteller in den
Aufnah-meeinrichtungen in Ohrdruf, Gotha sowie in der ge-planten
Einrichtung in Sonneberg untergebrachtwerden. Ziel dieser
Verfahrensumstellung ist es ins-besondere, eine schnellere
Abwicklung der Asylver-fahren und eine schnellere Integration zu
ermögli-chen, was ja auch Ziel des Antrags der CDU bzw.der auf
Bundesebene erlassenen Regelungen ist,auf die sich der Antrag
bezieht. Bei diesen genann-ten Planungen handelt es sich um
Zielvorstellun-gen. Notwendig ist jetzt die sehr schnelle
Ertüchti-gung der Außenstelle Suhl des Bundesamts für Mi-gration
und Flüchtlinge zum sogenannten Ankunfts-zentrum mit der
entsprechenden Personalstärkezur beschleunigten Entscheidungen von
Asylanträ-gen. Einfluss auf diese Prozesse haben natürlichauch die
Entwicklung der Zusammensetzung derAsylsuchenden nach
Herkunftsstaaten und nichtzuletzt die Gesamtankunftszahl in
Thüringen, diederzeit weder für den Bund noch für die
Landesre-gierung vorsehbar sind. Ich danke für Ihre
Aufmerk-samkeit.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Präsident Carius:
Danke schön, Frau Staatssekretärin. Ich habe kei-ne weiteren
Wortmeldungen vorliegen, Überwei-sung des Antrags ist auch nicht
beantragt worden,sodass wir direkt über den Antrag der Fraktion
derCDU in der Drucksache 6/1403 abstimmen. Werdafür ist, den bitte
ich jetzt um das Handzeichen.Das sind die Stimmen aus der
CDU-Fraktion. Ge-genstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen und
derAfD-Fraktion. Enthaltungen? 1 Enthaltung vonHerrn Abgeordneten
Krumpe. Damit ist der Antragabgelehnt.
Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufeauf den
Tagesordnungspunkt 11
Zukunft der Thüringer Grund-schulhorte sichern –
ThüringerGrundschulhorte in kommuna-ler Verantwortung
zulassenAntrag der Fraktion der CDU- Drucksache 6/1404 -
Neufas-sung -
Wünscht die Fraktion das Wort zur Begründung?Herr Abgeordneter
Kowalleck, Sie haben das Wort.
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen undHerren, wir beraten
heute über die ThüringerGrundschulhorte, ein Thema, das uns seit
vielenJahren hier an dieser Stelle beschäftigt. Auch in derletzten
Legislaturperiode habe ich schon mehrmalszu dem Thema gesprochen.
Es ist auch ein wichti-ges Anliegen für alle Parlamentarier in
diesem Ho-hen Hause.
Meine Damen und Herren, der Thüringer Hort istein Erfolgsmodell.
Thüringen ist das einzige Bun-desland, in dem der Hort als fester
Bestandteil derGrundschule im Schulgesetz verankert ist. In
denvergangenen Jahren hat sich gerade im Bereichder
Arbeitsgemeinschaften mit der Unterstützungunserer Kommunen ein
zartes Pflänzchen zu einemstarken Baum mit vielen Ästen und
Möglichkeitenentwickelt. Das sehen Sie auch gerade vor Ort –von der
Fußballgemeinschaft über das Basteln undviele andere Möglichkeiten
haben sich die Erziehe-rinnen und Erzieher und auch die Vereine mit
ein-gebracht.
Im Februar 2008 begann die Pilotphase des Erpro-bungsmodells
„Weiterentwicklung der ThüringerGrundschule“. Zum 31. Juli 2012
lief die erste Pha-se des Erprobungsmodells aus. Alle beteiligten
Trä-ger haben sich positiv über die Ergebnisse des Mo-dellversuchs
geäußert und sich für eine Fortset-zung eingesetzt. Die
schwarz-rote Landesregierungentschloss sich in der vergangenen
Legislaturperi-ode, das Erprobungsmodell auf freiwilliger Basisum
weitere vier Jahre zu verlängern. Diese zweitePhase des Projekts
läuft nunmehr am 31. Juli 2016aus.
Unser Antrag greift die aktuelle Diskussion um dieZukunft der
Thüringer Grundschulhorte auf. Siewissen, dass schon länger darüber
diskutiert wird,wie das Zusammenspiel von Schule, Hort und
ge-sellschaftlichem Umfeld organisiert werden kann.Insbesondere die
stärkere Verantwortung derSchulträger für die inhaltliche und
organisatorisc