Sommersemester 2017, Stand: 20. Juli 2017 Theoretische Physik 5 — Statistische Physik — Kurz-Zusammenfassungen der zentralen Begriffe und Resultate Thorsten Feldmann Theoretische Physik 1, Department Physik, Naturwiss.-techn. Fakult¨at, Univ. Siegen (Germany)
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Sommersemester 2017,
Stand: 20. Juli 2017
Theoretische Physik 5
— Statistische Physik —
Kurz-Zusammenfassungen der zentralen Begriffe und Resultate
Thorsten Feldmann
Theoretische Physik 1, Department Physik, Naturwiss.-techn. Fakultat, Univ. Siegen (Germany)
1. Vorlesung (Fr 21.4.2017)
Abschnitt 1.1: Motivation
• Beschreibung von Vielteilchensystemen durch makroskopische Zustandsgroßen,
welche statistische Mittelwerte der mikroskopischen Eigenschaften reprasentie-
ren.
• Phanomenologische Thermodynamik: empirische Bestimmung der Gesetzmaßig-
keiten zwischen makroskopischen Großen.
• Statistische Physik: Herleitung aus Wahrscheinlichkeitsanalyse der mikrosko-
pischen Theorie.
• Beispiel: (thermische) Zustandsgleichung fur ideales Gas (d.h. hinreichend verdunnt)
pV = NkBT , (1)
(mit p =Druck, N=Teilchenzahl, V=Volumen), definiert Boltzmann-Konstante
kB ' 1.381 · 10−23 J/K
zur Umrechnung der (absoluten) Temperaturskala in K (=Kelvin) relativ zur Ener-
gieskala (in Joule). Ein Ziel der statistischen Physik wird gerade sein, den Tempe-
raturbegriff mikroskopisch zu begrunden.
Konkretes Beispiel:
Gesetz von Boyle-Mariotte. Im Rahmen der Newtonschen Mechanik betrachten wir einen Stem-
pel der Flache A, welcher mit einem Gewicht der Masse M senkrecht auf ein Gasvolumen V mit Teil-
chenzahl N wirkt. Fur die Kraft auf den Stempel gilt offensichtlich einerseits
F = Mg .
Andererseits bewegen sich die Gasatome mit Geschwindigkeiten ~v = (vx, vy, vz), so dass ein Druck
p = F/A
erzeugt wird, der gerade die Stempelkraft kompensiert.
Wie berechnet sich p (makroskopisch festgelegt durch M und A) aus mittlerer Geschwindigkeit
der Atome (|~v|, festgelegt durch mikroskopische Dynamik)? - Dazu berechnen wir Impulsubertrag der
Teilchen bei (elastischer) Reflektion an der Stempelwand,
|∆~p| = 2m |vz|
Um die Zahl der Teilchen zu berechnen, welche pro Zeitintervall ∆t auf den Stempel treffen, betrachten
wir ein kleines Volumen unterhalb des Stempels:
∆V = A∆z = A |vz|∆t
1
Im Mittel bewegen sich 50% der Teilchen in Richtung des Stempels (d.h. vz > 0), so dass
∆nTreffer =1
2
Ntot
V∆V =
1
2ρA |vz|∆t
Daraus ergibt sich die Kraft der Teilchen auf den Stempel
F = ∆nTreffer|∆~p|∆t
=1
2ρA |vz| 2m|vz| = ρAmv2
z
Aus Symmetriegrunden gilt (im thermodynamischen Gleichgewicht) weiterhin
〈v2x〉 = 〈v2
y〉 = 〈v2z〉 =
1
3〈~v2〉 =
2
3m〈Ekin〉
und somit
p =N
V
2
3〈Ekin〉 ,
welcher einen einfachen Zusammenhang zwischen den Großen Druck, Teilchenzahl/Volumen und mittlerer
kinetischer Energie der Atome (statist. definiert) herstellt.
Anmerkungen:
• Namen beruhmter Physiker, die mit der empirischen Erforschung der Thermodynamik verbunden
sind: Clausius, Kelvin, Gibbs, . . .
• Wichtige Einsichten bei der statistischen Herleitung lieferten: Boltzmann, Planck, Einstein, . . .
• Die Bedeutung der statischen Physik reicht weit uber die traditionellen thermodynamischen An-
wendungen hinaus. Aktuelle Forschungsgebiete reichen von der Erforschung der Eigenschaften
des Quark-Gluon-Plasmas in der Teilchenphysik bis zur Kosmologie.
• Zusammen mit der speziellen Relativitatstheorie und der Quantenmechanik bildet die Statistische
Physik damit einen der Grundpfeiler der modernen Physik.
Abschnitt 1.2: Wahrscheinlichkeitstheorie
• Begriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie:1
Ereignis: i
Haufigkeit: Ni mit∑
iNi = N
relative Haufigkeit: hi = Ni/N mit∑
i hi = 1
Wahrscheinlichkeit: pi = limN→∞ hi
• Bestimmung der relativen Haufigkeit aus
– Zeitmittel (1 System zu mehreren Zeitpunkten)
– Ensemble-Mittel (mehrere gleichartige Systeme)
1Man mache sich die Begriffe zum Beispiel fur einen idealen Wurfel mit pi = 1/6 klar.
2
• Addition von Wahrscheinlichkeiten:
p(i oder j) = pi + pj = limN→∞
Ni +Nj
N(i und j schließen sich aus)
• Multiplikation von Wahrscheinlichkeiten:
p(i und j) = pi · pj = limN,M→∞
Ni ·Mj
NM(i und j sind unabhangig)
• Mittelwert:
〈f(x)〉 =∑i
pif(xi) (2)
wobei die Systemgroße x fur Ereignis i den Wert xi annehme.2
• Schwankung:
∆x =√〈(x− x)2〉 =
√〈x2〉 − 〈x〉2 (3)
Kontinuierliche Ereignisvariable:
Genauer: Ereignisvariable X mit kontinuierlichen Werten x.
• Verallgemeinerung
Wahrscheinlichkeit: pi −→ Wahrscheinlichkeitsdichte: p(x) dx
Mittelwert: 〈x〉 =∑pixi −→ 〈x〉 =
∫x p(x) dx
etc. (4)
Spezialfall diskreter Verteilungen aus p(x) =∑
i piδ(x− xi).
• Charakteristische Funktion aus Fourier-Transformierter:
χ(k) ≡∫dx e−ikx p(x) = 〈e−ikx〉 =
∞∑n=0
(−ik)n
n!〈xn〉
= 1− ik〈x〉 − k2
2〈x2〉+ . . . (5)
µn ≡ 〈xn〉 bezeichnet man auch als Momente von p(x).
2Mathematisch sollten wir zwischen dem theoretischen Mittelwert und dem empirischen Erwartungs-
wert (definiert uber die Haufigkeiten hi) unterscheiden. In der statistischen Physik ist der Unterschied
zwischen den beiden Ausdrucken wegen N ≫ 1 i.A. irrelevant.
– Dann nahert sich die Wahrscheinlichkeitsdichte p(y) fur die zusammengesetzte
Variable
y = x1 + x2 + · · ·xNfur große N beliebig gut einer Normalverteilung an, mit
〈y〉 = N 〈x〉 = N 〈xi〉 und ∆y ≡√〈y2〉 − 〈y〉2 =
√N ∆x (18)
– Insbesondere skaliert die relative Schwankung
∆y
〈y〉=
1√N
∆x
〈x〉∼ 1√
N(19)
und verschwindet im Grenzfall N →∞ (sofern ∆x beschrankt und 〈x〉 6= 0).
• Beweis: Betrachte die verwandte Ereignisvariable
z =1√N
(Y −N〈x〉) =
∑Nn=1(xn − 〈x〉)√
N= z(x1, . . . , xN)
Aus (5) und (6) erhalt man die dazugehorige Wahrscheinlichkeitsverteilung, in-
dem man zeigt, dass die entsprechende charakteristische Funktion faktorisiert (vgl.
Ubung), d.h.
ωz(z0) =
∫dNx (ω(x1) · · ·ω(xN)) δ(z(x)− z0)
⇒ χz(k) =N∏n=1
⟨e−ik (xn−〈x〉)/
√N⟩
= eik√N 〈x〉
(χx(q = k/
√N))N
, (20)
wobei χx(q) die charakteristische Funktion der einzelnen Zufallsvariablen x ist.
Nach Rucktransformation findet man also
ωz(z0) =
∫dk
2πeikz0+ik
√N〈x〉
(χx(k/
√N))N
. (21)
• Um die charakteristische Funktion χx(q) fur kleine Argument q = k/√N zu ent-
wickeln, mussen wir beachten, dass diese zur N -ten Potenz eingeht. Deshalb be-
trachten wir sinnvollerweise die Entwicklung des Logarithmus (d.h. wir entwickeln
6
den Exponenten), was auf die sog. Kumulantenentwicklung fuhrt,3
χx(q) ≡ exp
[∞∑r=1
(−iq)r
r!Cr
]= 1− iqC1 −
q2
2(C2 + C2
1) + . . . , (22)
wobei die Koeffizienten Cn (Kumulanten) aus Vergleich mit der Entwicklung nach
Momenten µn (s.o.) erfolgt, insbesondere
C1 = µ1 = 〈x〉 , C2 = µ2 − µ21 = (∆x)2 .
• Fur den Ausdruck (χx(k/√N))N bedeutet das, dass wir Terme der Ordnung k3/N3/2
in der Entwicklung des Exponenten vernachlassigen konnen. Damit erhalt man
ωz(z0)N→∞−→
∫dk
2πeikz0+ik
√N 〈x〉+N (−iqC1− q
2
2C2) =
∫dk
2πeikz0−
k2
2(∆x)2 (23)
und danach nach Ausfuhren des Gauß-Integrals
ωz(z0)N→∞−→ (2π(∆x)2)−1/2 exp
[− z2
0
2(∆x)2
]bzw. ωy(y) =
dz
dyωz(z(y))
N→∞−→ (2πN(∆x)2)−1/2 exp
[−(y −N〈x〉)2
2N(∆x)2
](24)
was der Aussage des zentralen Grenzwertsatzes entspricht. #
Fur die Anwendung in der Statistischen Physik bedeutet dies, dass wir im sog.
Thermodynamischen Limes: N →∞ , V →∞ ,N
V= ρ = const. (25)
die relativen Schwankungen von (makroskopischen) thermodynamischen Zustandsgrossen
vernachlassigen und Zustandsgroßen Y mit ihrem Erwartungswert 〈Y 〉 identifizieren
konnen.
Abschnitt 1.3: Grundlagen der klassischen statistischen Physik
• Wir betrachten N Atome mit (kanonischen) Orts- und Impulskoordinaten (~qi, ~pi).
Diese bilden den 6N–dimensionalen Phasenraum (im Folgenden auch “Γ-Raum”
genannt)
• Die mikroskopische Dynamik sei durch eine Hamiltonfunktion H(q, p) beschrieben4
(ohne zeitabhangige außere Krafte),
~ iq =∂H
∂~ ip, ~ ip = −∂H
∂~ iq,
∂H
∂t= 0 , (26)
so dass E = H(q, p) eine Konstante der Bewegung ist.
3Man beachte, dass der Term mit r = 0 fehlt, da trivialerweise χx(0) ≡ 1 gelten muss.4Hier steht (q, p) als Kurzschreibweise fur (q1, . . . , qN ; p1, . . . , pN ), und Gradienten nach den Orten
und Impulsen der einzelnen Teilchen sind der Einfachheit halber als d/d~qi etc. notiert.
7
• Jedem Zustand des N -Teilchensystems entspricht somit ein Punkt im Γ-Raum (zu
einem bestimmten Zeitpunkt t).
• Die zeitliche Entwicklung von (q, p) erfolgt gemaß Hamiltonscher Dynamik, so dass
sich eine Trajektorie (q(t), p(t)) ergibt, welche eindeutig durch Anfangsbedingun-
gen (q0, p0) bestimmt ist.
8
3. Vorlesung (Do 4.5.2017)
• Fur abgeschlossene Systeme mit Energieerhaltung, E = H(q, p) = const., verlaufen
die Trajektorien auf einer (6N − 1)-dimensionalen Hyperflache mit E =const.
• Aufgrund der standigen interatomaren Kollisionen ist die Bewegung extrem sen-
sitiv auf die Anfangsbedingungen und verlauft in der Regel “chaotisch“ (nicht-
periodisch). [Verlauf entspricht einem “Random-Walk” unter Vermeidung der be-
reits durchlaufenen Punkte].
• Im Laufe der Zeit erreicht die Trajektorie jeden Bereich der Energiehyperflache
und ist damit reprasentativ fur das N -Teilchensystem.
• alternative Beschreibung: “Wolke“ von N Punkten fur jedes einzelne Atom im 6-dim. “µ–Raum”
– Unterteilung des µ–Raums in einzelne Phasenraumzellen
∆τ = ∆qx∆qy∆qz ∆px∆py∆pz (27)
welche mehr oder weniger haufig belegt sind.
– Mit der Zeit bewegt sich die “N -Punkte-Wolke”, so dass einzelne Phasenraumzellen mehr
oder weniger haufig belegt sind.
• Physikalische (makroskopische) Observable O(q, p) ergeben sich als zeitlicher Mit-
telwert uber Phasenraumtrajektorie:
〈O〉 = limT→∞
1
T
∫ T
0
dtO(q(t), p(t)) . (28)
Große Zeiten T beziehen sich hier relativ zu den typischen Zeitintervallen zwischen
2 interatomaren Kollisionen, die sich fur typische Gase zu τ ∼ 10−9 Sekunden
abschatzen lassen.5
• (Quasi-) Ergodenhypothese: Fur große Zeiten T ∆τ kommt die Trajektorie
im Γ-Raum (fur ein abgeschlossenes System) jedem “zuganglichen Punkt auf der
Energiehyperflache beliebig nahe.
• zugangliche Punkte sind dabei durch außere Parameter oder weitere Erhaltungs-
großen x = x1, x2, ... eingeschrankt (z.B. Volumen V durch unendlich hohes Ka-
stenpotential, oder Teilchenzahl N , . . . ). Diese erscheinen implizit in der Hamilton-
Funktion:
H = H(q, p;x) ≡ E
5Man benotigt dazu die typischen Wirkungsquerschnitte σ ∼ πr20 mit effektiven Atomradien r0 ∼
10−8cm. Aus den typischen Teilchendichten, N/V ∼ 2.7 · 1019/cm3 ergeben sich freie Wegllangen λ =
V/σ/N der Ordnung 10−4cm. Mit typischen atomaren Geschwindigkeiten |~v| ∼ 105cm/s ergibt sich
schließlich die angegebene Abschatzung fur ∆τ .
9
• In der statistische Physik identifizieren wir nun das oben definierte Zeitmittel mit
dem sog. ”Ensemble-Mittel“, d.h. (gedachte) gleichartige Kopien des Systems
mit Wahrscheinlichkeitsverteilung im Γ-Raum, ρ(q, p, t),
〈O〉Ensemble =
∫dq dpO(q, p) ρ(q, p, t)∫
dq dp ρ(q, p, t). (29)
(Fur ggf. unnormierte W-Verteilungen wurde der Mittelwert hier entsprechend
normiert.) Jedes einzelne System im Ensemble ist dabei durch unterschiedliche
Anfangsbedingungen (q0, p0) charakterisiert.
• Erfahrungssatz: Als thermisches Gleichgewicht bezeichnen wir den Makrozu-
stand, der sich einstellt, wenn wir das System uber einen großen Zeitraum sich
selbst uberlassen. Dann wird 〈O〉 und somit auch ρ zeitunabhangig,
ρ(q, p, t)t groß−→ ρ(q, p)
• Die theoretische Formulierung fuhrt dann auf das Liouville-Theorem:
– Wir betrachten dazu Punkte in einem Gebiet Ω im Γ-Raum zur Zeit t und
t+ ∆t. Deren zeitliche Anderung ist dann einerseits durch∫Ω
dq dp∂ρ(q, p, t)
∂t
gegeben. Andererseits lasst sie sich auch durch den ”Fluss“ von Phasenraum-
punkten durch den Rand von Ω bestimmen,
−∫∂Ω
d~F · ~v ρ(q, p, t) ,
wobei d~F das nach außen gerichtete Flachenelement ist, und
~v = (~q1, . . . , ~qN ; ~p1, . . . , ~pN)
die Phasenraumgeschwindigkeit (nicht die der Teilchen!).
Analog zur E-Dynamik schreiben wir das Oberflachenintegral mit Hilfe des
Gaußschen Satzes um in ein Volumenintegral und erhalten∫Ω
dqdp
(∂ρ
∂t+ ~∇ · (~vρ)
)= 0 . (30)
Da das Gebiet Ω beliebig ist, ergibt sich daraus eine Kontinuitatsgleichung
fur die Wahrscheinlichkeitsdichte,6
∂ρ
∂t+ ~∇ ·~j = 0 (31)
mit
~∇ =
(∂
∂qi,∂
∂pi
)und ~j = ~v ρ = (qi, pi) ρ (32)
6Die dazu gehorende Erhaltungsgroße ist hier die Anzahl von Trajektorien/Phasenraumpunkten.
10
– Ausfuhren der Ableitungen liefert
−∂ρ∂t
=3N∑i=1
(∂
∂qi(qiρ) +
∂
∂pi(piρ)
)
=3N∑i=1
[(∂qi∂qi
+∂pi∂pi
)ρ+
(qi∂ρ
∂qi+ pi
∂ρ
∂pi
)]Gelten die Hamiltonschen Gleichungen, fallt der erste Term in eckigen Klam-
mern heraus, und die verbleibenden Ausdrucke lassen sich als totale Ableitung
schreiben,7
dρ(q(t), p(t), t)
dt= 0 (33)
7Dies ist analog zum Fall einer inkompressiblen Flussigkeit in der Kontinuumsmechanik. D.h. wenn
zur Zeit t0 die Ensemblepunkte ein Gebiet G0 mit Phasenraumvolumen Γ0 belegen, ergibt sich zur Zeit
t > 0 zwar i.A. ein anderes Gebiet Gt, doch das belegte Volumen bleibt gleich, Γt = Γ0, welches eine
alternative Formulierung des Liouville-Theorems ergibt.
11
4. Vorlesung (Fr 5.5.2017)
– Alternativ lasst sich das Ergebnis auch durch sog. ”Poisson-Klammern“
ausdrucken,8
dρ
dt=∂ρ
∂t+ q
∂ρ
∂q+ p
∂ρ
∂p=∂ρ
∂t+∂H
∂p
∂ρ
∂q− ∂H
∂q
∂ρ
∂p
≡ ∂ρ
∂t− H, ρ = 0 , (34)
mit Poisson-Klammern A,B ≡ (∂qA)(∂pB)− (∂pA)(∂qB) = −B,A.– Hangt ρ = ρ(H(q, p), t) nur noch uber die Hamilton-Funktion von (q, p) ab,
ergeben sich somit automatisch stationare Verteilungen, ∂tρ = 0 und ρ(H) =
ρ(E) = const.
• Um die klassische statistische Physik zu entwickeln, ware das nachste Ziel, sol-
che stationaren Verteilungen ρ(q, p) fur klassische Systeme zu bestimmen. — Wir
werden uns aber im Folgenden direkt der quantenmechanischen Beschreibung zu-
wenden . . .
1.4 Grundlagen der Quantenstatistik
Wir mussen nun zwei Arten von ”Unkenntnis“ unterscheiden:
• quantenmechanische Unscharfe bzgl. gleichzeitiger Kenntnis von nicht-kommutierenden
Observablen (hier speziell q und p),
• unvollstandige Information uber die Mikrozustande.
1.4.1 Statistischer Operator (Dichtematrix)
• In der QM definieren wir den Begriff des ”reinen Zustands“, welcher durch
die Messung eines vollstandigen Satzes kommutierender Observablen prapariert
werden kann.
→ Vektor |ψ〉 im Hilbertraum
mit
|ψ〉 =∑n
cn |fn〉 , cn = 〈fn|ψ〉 (35)
8Dies ist insbesondere fur den Vergleich mit der Quantenmechanik (s.u.) hilfreich. Entsprechend lasst
sich die formale Losung der Liouville-Gleichung als
ρ(q, p, t) = e−iLt ρ(q, p, 0)
schreiben, mit dem formalen Liouville-Operator iL ≡ −H, . . ., wobei die Exponentialreihe als ver-
schachtelte Anwendung der Poisson-Klammern zu verstehen ist.
12
und Orthonormalsystem
F |fn〉 = fn |fn〉 , 〈fn|fm〉 = δnm , 1 =∑n
|fn〉〈fn| , (36)
quantenmechanische Erwartungswerte der Observablen F ergeben sich dann als
〈F 〉 = 〈ψ|F |ψ〉 =∑n
fn |cn|2 , (37)
wobei |cn|2 gerade die Wahrscheinlichkeiten angibt, im gegebenen Zustand |ψ〉 den
Wert fn zu messen.
• Falls wir dagegen keine vollstandige Information uber den Zustand besitzen, so liegt
ein gemischter Zustand vor (gilt dann insbesondere auch fur makroskopische
Systeme). D.h. dem System kann kein einzelner Hilbertvektor zugeordnet werden!
Stattdessen befinde sich das System mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit pm in
einem reinen Zustand |ψm〉 (mit m = 1, 2, . . . oder auch kontinuierlich), wobei
0 ≤ pm < 1 und∑m
pm = 1 . (38)
Ziel ware dann wieder die Wahrscheinlichkeiten pm fur bestimmte statistische En-
sembles zu bestimmen.
• Zur weiteren Diskussion nehmen wir der Einfachheit halber an, dass die Zustande
|ψm〉 orthonormiert sind,9 Bei einer Messung der Observable F erhalten wir also
nun eine zusatzliche Mittelung,
〈F 〉 ≡∑m
pm 〈ψm|F |ψm〉 , (39)
wobei die Wahrscheinlichkeiten pm die statistische Mittelung beschreiben, und
〈ψm|F |ψm〉 die einzelnen quantenmechanischen Erwartungswerte. Fur pm = δm0
(d.h. nur ein pm von Null verschieden) reduziert sich die Definition wieder auf die
eines reinen Zustands |Ψ0〉.Man beachte: Die beiden Mittelungen sind von prinzipiell unterschiedlicher Natur:
– Die quantenmechanische Mittelung involviert komplexe Phasen mit Interfe-
renzeffekten etc.
– Die statistische Mittelung geht uber reelle Wahrscheinlichkeiten (keine Inte-
ferenz).
9In der Ubung wird gezeigt, dass es ausreicht, dass die Zustande normiert sind, die Orthogonalitat
aber nicht notwendig ist.
13
Einfaches Beispiel:
2-Niveau–System: |+〉 =
(1
0
), |−〉 =
(0
1
),
mit z.B. p+ = 2/3 und p− = 1/3. Ergibt fur den Erwartungswert von σ3
〈σ3〉 =2
3(1, 0)
(1 0
0 −1
)(1
0
)− 1
3(0, 1)
(1 0
0 −1
)(0
1
)=
2
3− 1
3=
1
3.
• Eine aquivalente Darstellung erhalt man uber
〈F 〉 =∑n
fn ωn , ωn =∑m
pm |〈fn|ψm〉|2 , (40)
denn durch Einsetzen ergibt sich∑n,m
fnpm〈fn|ψm〉〈ψm|fn〉 =∑m
pm∑n
〈ψm|F |fn〉〈fn|ψm〉 =∑m
pm〈ψm|F |ψm〉 = 〈F 〉 .
• Es liegt nahe, den Anteil, der sich nur auf die Zustande |ψm〉 und deren Wahr-
scheinlichkeiten pm bezieht,
ρ =∑m
pm |ψm〉〈ψm| , (41)
als ”Statistischen Operator“ (Dichtematrix) zu definieren,10 so dass folgende
Eigenschaften gelten:
– Erwartungswerte uber die Spur (Summe der Diagonalelemente) des Produkts
von ρ und der Observablen,
〈F 〉 = Sp(ρF). (42)
Denn mit beliebiger Basis |φi〉 gilt
Sp(ρF ) =∑i,j
〈φi|ρ|φj〉〈φj|F |φi〉
=∑i,j,m
pm 〈φi|ψm〉〈ψm|φj〉〈φj|F |φi〉
=∑m
pm∑i,j
〈ψm|φj〉〈φj|F |φi〉〈φi|ψm〉
=∑m
pm 〈ψm|F |ψm〉 #
10Man beachte, dass dieser Operator eine grundlegend andere Rolle spielt, als die Operatoren, die wir
physikalischen Operatoren in der QM zuordnen: Hier reflektiert ρ die quantenmechanischen Zustande,
genauer gesagt die unvollstandige Information daruber!
14
– Hermizitat (weil |ψm〉〈ψm| hermitesch und pm reell):
ρ = ρ† ,
und somit hat ρ reelle Eigenwerte und orthogonale Eigenvektoren.
– Normierung (ergibt sich direkt aus 〈1〉 = 1):
Sp(ρ) = 1 =∑m
pm , (43)
(spiegelt die Wahrscheinlichkeitserhaltung wider).
– ρ ist nicht negativ, d.h.
〈φ|ρ|φ〉 =∑m
pm |〈φ|ψm〉|2 ≥ 0 , (44)
fur beliebiges |φ〉, weil 0 ≤ pm ≤ 1.
• Reine Zustande ergeben sich fur den Spezialfall ρ = |ψ0〉〈ψ0|.
• Das Quadrat des statistischen Operators ergibt sich als
ρ2 =∑m
p2m|ψm〉〈ψm|
und somit
Sp(ρ2) =∑m
p2m ≤
∑m
pm = Sp(ρ) = 1 , (45)
wegen p2m ≤ pm, wobei die Gleichheit gerade genau dann gilt, wenn ein reiner
Zustand vorliegt.
• Der andere Extremfall ware ein gemischter Zustand, bei dem alle individuell bei-
tragenden Zustande (nehmen wir an, das waren N Stuck) gleichverteilt sind, d.h.
ρ =N∑k=1
pk |ψk〉〈ψk| mit pk = 1/N ,
so dass
ρ =1
N
N∑k=1
|ψk〉〈ψk| =1
N1 (auf zuganglichem Unterraum)
woraus sich Sp(ρ2) = 1/N ergibt.
15
5. Vorlesung (Do 11.5.2017)
• Schließlich lasst sich die zeitliche Entwicklung von ρ aus der Schrodinger-Gleichung
fur die individuellen Zustande |ψm〉 bestimmen,11
i~∂ρ
∂t=∑m
pm i~∂t (|ψm(t)〉〈ψm(t)|)
=∑m
pm
(H |ψm(t)〉〈ψm(t)| − |ψm(t)〉〈ψm(t)|H
)= [H, ρ]
”von-Neumann–Gleichung“ (46)
Dies stellt gerade das quantenmechanische Pendant zur Liouville-Gleichung dar.12
Dichtematrix fur zusammengesetzte Systeme:
• Betrachte zwei statistisch unabhangige Teilsysteme. Dann ergeben sich die Zu-
standsvektoren des Gesamtsystems aus denen der einzelnen Systeme als direktes
Tensorprodukt,
|ψ〉 = |ψ1〉 ⊗ |ψ2〉 ≡ |ψ1ψ2〉 =∑ij
cij |ai〉 ⊗ |bj〉 , (47)
wobei |ai〉 und |bj〉 Basisvektoren der Teilsysteme sind.
⇒ Fur statistisch unabhangige Systeme ergibt sich die Dichtematrix ρ des Gesamtsy-
stems ebenfalls als direktes Produkt der Dichtematrizen ρ1,2,
ρ = ρ1 ⊗ ρ2 (statist. unabhangig)
=
(∑i
pi |ψi〉〈ψi|
)⊗
(∑j
qj |φj〉〈φj|
)=∑ij
(piqj) (|ψiφj〉〈ψiφj|) , (48)
so dass die Wahrscheinlichkeit (piqj), das System 1 im Zustand |ψi〉 und das Sy-
stem 2 im Zustand |φj〉 zu finden, gerade faktorisiert.
• Wegen∑
j piqj = pi und∑
i piqj = qj, lassen sich die Eigenschaften der Teilsysteme
einfach projizieren,
ρ1 = Sp(2)ρ , ρ2 = Sp(1)ρ , (49)
11Man beachte, dass die Zeitabhangigkeit des statistischen Operators also im Schrodinger-Bild gege-
ben ist, wahrend die den Observablen zugeordneten Operatoren F zeitunabhangig sind. Im Heisenberg-
Bild ist es dann gerade umgekehrt, so dass die Zeitabhangigkeit von 〈F 〉 wieder in beiden Bildern
identisch ist.12Wieder ist zu beachten, dass die Gleichung zwar ahnlich wie die Heisenberg-Gleichung fur die
Zeitentwicklung von Operatoren im Heisenberg-Bild aussieht, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen.
16
wobei die Spur dann jeweils nur bezuglich des einen oder anderen Hilbertraums zu
nehmen ist. Fur obigen Fall mit ρ = ρ1 ⊗ ρ2 fuhrt das auf die triviale Identitat,
Sp(2) (ρ1 ⊗ ρ2) = ρ1 ⊗ Sp(ρ2) = ρ1 =∑i
pi |ψi〉〈ψi| .
Gl. (49) gilt aber auch allgemein (fur korrelierte Teilsysteme), wobei dann ρ1,2
auch als ”reduzierte Dichtematrizen“ (des jeweiligen Teilsystems) bezeichnet
werden.
1.4.2. Entropie (in der Statistik)
• Im Rahmen der allgemeinen statistischen Beschreibung wollen wir einer gegebenen
Dichtematrix ρ eine reelle positive Zahl S(ρ) zuordnen, welche den ”Informations-
inhalt“ des durch die Dichtematrix beschriebenen Systems quantifiziert.
• Dabei soll diese Große insbesondere additiv sein, d.h. fur zwei statistisch un-
abhangige Teilsysteme (s.o.) soll gelten13
ρ = ρA ⊗ ρB!⇒ S(ρ) = S(ρA) + S(ρB) (50)
• Da S nur von den Wahrscheinlichkeiten pi abhangen soll, machen wir den Ansatz∑i pi f(pi), wobei wegen der Additivitat f(piqj) = f(pi) + f(qj) gelten sollte.
Daraus folgt
f(x) = −k lnx ,
mit einer beliebigen (positiven) Konstanten k (damit S ≥ 0 fur 0 ≤ pi ≤ 1).
Nachprufen der Additivitat:
S(ρA ⊗ ρB) = −k∑ij
(piqj) ln(piqj) = −k∑ij
(piqj ln pi + piqj ln qj)
= −k∑i
pi ln pi + k∑j
qj ln qj = S(ρA) + S(ρB) #
Fur eine basisunabhangige Definition schreiben wir das wieder als Spur,14 und
definieren die makroskopische Große ”Entropie“ als
S(ρ) = −k Sp (ρ ln ρ) , (51)
wobei der Logarithmus des statistischen Operators uber die Reihenentwicklung
bzw. die Logarithmen der Eigenwerte definiert ist, so dass sich obige Definition in
der Eigenbasis von ρ (und nur dann) auf obigen Ansatz reduziert.
13Offensichtlich ist das z.B. fur die Große Sp(ρ2) =∑ij(piqj)
2 6=∑i p
2i +
∑j p
2j nicht der Fall.
14D.h. die Wahrscheinlichkeiten pi in obiger heuristischer Herleitung sind gerade die Eigenwerte von
ρ in der Diagonalbasis.
17
• S(ρ) quantifiziert also den Informationsgehalt von (bzw. die Unkenntnis uber) die
zugrundeliegenden Mikrozustande. Die Konstante k entspricht dabei gerade der
Wahl der Basis des Logarithmus:
→ ”naturliche“ Konvention: k = 1, log = ln (von-Neumann)
ergibt (Gleichheit gilt dann wieder gerade fur unkorrelierte Systeme.)
D.h. fur vorgegebene Gesamtentropie SAB sind die Entropien der Teilsysteme in
der Summe großer (oder gleich) dem unkorrelierten Fall.
1.4.3. Master-Gleichung (nach Pauli)
• Wir betrachten im Folgenden zwei Teilsysteme (A und B), welche durch einen
Hamiltonoperator
H = HA ⊗ 1B + 1A ⊗ HB + HAB
beschrieben werden, wobei HAB eine kleine Wechselwirkung zwischen den beiden
Teilsystemen beschreibt, welche als Storung zu behandeln ist.
• Konzentrieren wir uns auf die Dichtematrix des Teilsystems A, so konnen wir diese
allgemein in der Eigenbasis |i〉 von HA entwickeln, so dass
ρA =∑i
pi |i〉〈i|+∑i 6=j
qij |i〉〈j| , mit pi = p∗i und qij = q∗ji. (65)
• Ohne Storung wird die Zeitentwicklung von ρA nur durch HA beschrieben, wobei
die Diagonalelemente unverandert bleiben, wahrend die Nichtdiagonalelemente eine
oszillierende Phase
ei/~ (Ei−Ej) t
erhalten.
Nach Mittelung uber große Zeiten heben sich die oszillierenden Terme i.A. auf,
ρAMittelung−→
∑i
pi |i〉〈i| (HAB = 0) (66)
21
• Bei Hinzunahme der Wechselwirkung als kleine Storung16 mitteln sich die Beitrage
der Nichtdiagonalelemente weiterhin heraus. Allerdings sind die Eigenzustande |i〉von HA jetzt nicht mehr Eigenzustande des Gesamthamiltonians H, so dass die
Wahrscheinlichkeiten pi zeitabhangig werden, mit einem linearen Zusammenhang
pi −→ pi(t) =∑j
Wij(t, t′) pj(t
′) fur t ≥ t′. (67)
Hierbei bezeichnen die Wij reelle ”Ubergangswahrscheinlichkeiten“, mit
Wij ≥ 0 ,∑j
Wij = 1 ,∑i
Wij = 1 . (68)
• Somit konnen wir die Anderung der Wahrscheinlichkeiten pi(t) auch schreiben als
pi(t)− pi(t′) =∑j
Wij(t, t′) pj(t
′)− pi(t′)
=∑j
(Wij(t, t′) pj(t
′)−Wji(t, t′) pi(t
′)) . (69)
• Man beachte, dass obige Konstruktion auf eine irreversible Zeitentwicklung fuhrt,
dann mit W−1(t, t′) = W (t′, t) (als Matrix) und 0 ≤ Wij ≤ 1 fur alle (i, j), konnen
die Matrixlemente von W−1 offensichtlich nicht als Wahrscheinlichkeiten interpre-
tiert werden.
Grund fur die Asymmetrie in der Zeitentwicklung ist die Mittelung uber die Phasen
(→ Dekoharenz).
• Wir konnen das auch in differentieller Form schreiben und fuhren dazu die Uber-
gangsraten
wij ≡d
dtWij(t, t
′)∣∣∣t=t′
, mit∑
iwij = 0 und∑
j wij = 0 , (70)
ein, so dass
pi(t) =∑j
(wij(t) pj(t)− wji(t) pi(t)) . (71)
• Fur die Entropie des Teilsystems A bedeutet dies (hier mit kB ≡ 1)
SA = − d
dt
∑i
pi ln pi = −∑i
pi ln pi −∑i
pipipi , (72)
16Wir beschranken uns hier auf eine heuristische Diskussion. Der allgemeine Formalismus zur
zeitabhangigen Storungstheorie wird im Rahmen der (hoheren) Quantenmechanik diskutiert.
22
wobei der letzte Term wegen Wahrscheinlichkeitserhaltung Null ergibt, und der
erste Term mit (71) geschrieben werden kann als
SA = −∑ij
(wij pj ln pi − wji pi ln pi) = −∑ij
wji pi lnpjpi, (73)
wobei im letzten Schritt die Summationsindizes im ersten Term umbenannt wur-
den. Verwendet man nun, dass (− lnx) ≥ (1−x) gilt (s.o.), erhalt man die Unglei-
chung
d
dtSA ≥
∑ij
wji pi
(1− pj
pi
)=∑ij
(wjipi − wjipj) = 0 , (74)
d.h. unter der Voraussetzung, dass uber die oszillierenden Phasen gemittelt werden
darf, wachst die Entropie des Teilsystems A zeitlich immer an.
• Die Entropie andert sich nicht mehr, wenn pi = 0, d.h. wenn detailliertes Gleich-
gewicht
wijpj = wjipi
erfullt ist.
• Die Entropie nimmt dann im Gleichgewichtszustand den – unter den gegebenen
Nebenbedingungen – maximal moglichen Wert an.
• Die im Gleichgewicht realisierte Dichtematrix ist also jene, welche die Entropie
(der Teilsysteme) maximiert.
In der Thermodynamik17 verstehen wir unter der Entropie stets die Gleichgewichts-
entropie, Sthermo = SGleichgewicht. (Die Entropie lasst sich aber im obigen Sinne auch
fur Systeme außerhalb des thermodynamischen Gleichgewichts definieren.)
• Das physikalische Bild hinter diesem Sachverhalt ist Folgendes:
– Die Menge der reinen Zustande eines Teilsystems ist verschwindend klein (vom
Maß Null im Raum aller moglichen Zustande).
– Ebenso ist die Menge der unkorrelierten Dichtematrizen des Gesamtsystems
vom Maß Null im Vergleich zu allen moglichen Dichtematrizen.
– Somit kann ein Zustand kleinerer Entropie nicht ”zufallig“ erreicht werden,
und die Zeitentwicklung tendiert zum Zustand großerer Entropie.
– Statistische Fluktuationen um das Gleichgewicht sind moglich, aber umso
unwahrscheilicher, je großer dabei die Verminderung der Entropie ist.
Im Folgenden konzentrieren wir uns auf Gleichgewichtszustande und konstruieren die
Dichtematrizen, welche unter den vorgegebenen Nebenbedingungen maximale Entropie
ergeben.
17welche in diesem Sinne eigentlich als Thermostatik zu bezeichnen ware
23
2. Gleichgewichtsensembles
2.1 Mikrokanonisches Ensemble
Das sog. ”mikrokanonische Ensemble“ ist charakterisiert durch ein System mit end-
lich vielen Zustanden, welche (gemaß unserer vorherigen Diskussion) alle a priori alle
gleich wahrscheinlich sind.
• In der Thermodynamik sind das ublicherweise Zustande, welche (nahezu)18 die
gleiche Gesamtenergie E0 haben (bzw. ein vollstandig isoliertes System, in welchen
die Gesamtenergie erhalten ist), d.h.
ρ =1
Ω(E0)
∑n|E=E0
|E, n〉〈E, n| , (75)
wobei die Anzahl dieser Zustande,
Ω(E0) = Sp∑n
|E, n〉〈E, n| , (76)
als ”mikrokanonische Zustandssumme“ bezeichnet wird.19
• Fur die Entropie folgt gemaß voheriger Definition dann einfach
S = S(E) = kB ln Ω(E) , (77)
d.h. die Entropie ist selbst Funktion der (vorgegebenen) Gesamtenergie.
• Der Ubergang zur klassischen Physik erfolgt gemaß
Ω(E) =1
N !
∫d3Np d3Nq
(2π~)3N
∣∣∣E≤H(q,p)≤E+∆E
. (78)
Hierbei gehen zwei zentrale Eigenschaften der Quantenmechanik ein:
– Identische Teilchen sind in der QM ununterscheidbar. Deshalb durfen Konfigurationen im
Phasenraum, die sich nur durch Vertauschung der Teilchen unterscheiden, nicht mehrfach
gezahlt werden, welches einen Faktor 1/N ! fur N identische Teilchen erfordert.
– Das ”Abzahlen“ von Konfigurationen im klassischen Phasenraum erfordert eine ”naturli-
che“ Große einer elementaren Phasenraumzelle. Diese ergibt sich (z.B. uber die Quantisie-
rung des Impulses in einem vorgegebenen Volumen V ) als (2π~)3.
18In der Praxis betrachten wir E ∈ [E0, E0 + ∆E] mit ∆E E0.19Im Falle unendlich vieler Zustande ist ρ als mathematische Distribution zu verstehen, formal
ρ =1
Ω(E0)
∑n
|E,n〉〈E,n| δ(E − E0) .
Um das mathematisch sauber zu diskutieren (vgl. unten), sollte man sich aber immer die δ-Distribution
als Grenzwert einer geeigneten Funktionenschar (z.B. Gauß-Kurven mit infinitesimaler Breite) darstel-
len.
24
In den Ubungen wird als Beispiel die mikrokanonische Zustandssumme fur ein ideales (d.h. nicht-
wechselwirkendes) Gas hergeleitet (mit Teilchenzahl N),
ln Ω(E, V,N)ideal = N
(lnV
N+
3
2lnE
N+ const.
). (79)
• Da die Anzahl der moglichen Realisierungen eines Makrozustands mit der Gesam-
tenergie E = εN fur N 1 Freiheitsgrade exponentiell mit N wachst, ist auch die
Entropie (wie E) S ∝ N eine extensive Zustandsgroße, d.h. die ”spezifische
Entropie“, s = S/N , ist in 1. Naherung unabhangig von der Systemgroße.
2.2 Temperatur
• Wir betrachten nun wieder 2 Teilsysteme, welche untereinander wechselwirken,
so daß (bei festen außeren Parametern)) sie Energie austauschen konnen. Diese
Energieform bezeichnen wir dann als ”Warme“.
• Das Gesamtsystem sei abgeschlossen, die Gesamtenergie E also fest vorgegeben.
• Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Energie gemaß E = E1 + E2 auf die bei-
den Teilsysteme aufteilt, ergibt sich aus den entsprechenden relativen Haufigkeiten
passender Mikrozustande, welche sich aus den mikrokanonischen Zustandssummen
der Teilsysteme berechnen lassen,
p(E1, E2)∣∣E=E1+E2 (fest)
=Ω1(E1) Ω2(E2)
Ω(E1 + E2)=
Ω1(E1) Ω2(E − E1)
Ω(E)= p(E1) . (80)
• Das Maximum dieser Verteilung wird demnach erreicht, wenn
dp
dE1
!= 0 =
Ω′1 Ω2 − Ω1 Ω′2Ω
, (81)
d.h. im Maximum gilt
Ω′1Ω1
=Ω′2Ω2
⇔ d
dE1
ln Ω1(E1) =d
dE2
ln Ω2(E2) . (82)
• Dies lasst sich direkt auf die Aufteilung in mehrere Teilsysteme verallgemeinern,
so dass die Ableitung der Logarithmen der individuellen mikrokanonischen Zu-
standssummen nach der Energie somit eine charakteristische Große darstellt, wel-
che mogliche Teilsysteme in ”Aquivalenzklassen“ einteilt.
Es liegt deshalb nahe, eine entsprechende thermodynamische Zustandsgroße, ”Tem-
peratur“ zu definieren, gemaß
β ≡ d
dEln Ω(E) ≡ 1
kBT⇔ 1
T≡ dS
dE, (83)
25
wobei T die ubliche absolute Temperatur gemessen in Kelvin darstellt.
Die Existenz der Temperatur wird manchmal auch als ”0. Hauptsatz“ der Ther-
modynamik bezeichnet.
• Anmerkungen:
– Wenn in quantenmechanischen Systemen die Energie unbeschrankt ist, wachst
Ω(E) monoton mit E an, woraus β > 0 folgt.
(Ein Gegenbeispiel wird in den Ubungen diskutiert.)
– Warmekontakt im Gleichgewicht mit einem (unendlich) großen Referenzsy-
stem bekannter Temperatur ermoglicht somit Temperaturmessung.
– Als Verhaltnis zweier extensiver Großen ist die Temperatur als intensive
Zustandsgroße (unabhangig von der Systemgroße) definiert.
• Anmerkungen:
– Gemaß unserer allgemeinen Diskussion im Zshg. mit dem zentralen Grenz-
wertsatz folgt die Wahrscheinlichkeit der Energie E1 im Teilsystem einer
Gauß-Verteilung,
p(E1) ' p(E1) exp
(−(E1 − E1)2
2∆E21
), (84)
wobei das Schwankungsquadrat wieder skaliert wie
1
∆E21
= −∂2 ln p
∂E21
∣∣∣E1=E1
∝ N
E21
, (85)
so dass die relative Schwankung ∆E1/E1 ∝ 1/√N → 0 im thermodynami-
schen Limes verschwindet, d.h. die Energie des Teilsystems im Temperatur-
gleichgewicht ist scharf (!) vorgeben,
E1 = E1
(1 +O
(∆E1
E1
)).
Dies kann man z.B. fur das ideale Gas explizit verifizieren (→ Ubung).
– Warmeaustausch zum Temperaturgleichgewicht fuhrt wieder auf Maximie-
rung der Gesamtentropie (vor Warmekontakt: S = SA + SB; nachher S →SAB ≥ SA + SB).
26
8. Vorlesung (Do 1.6.2017)
2.3 Druck etc.
• I.A. hangt der Hamiltonoperator von einer Reihe außerer Parameter ab (im Beispiel
von Gasen insbesondere vom Volumen V , in dem das Gas eingeschlossen ist),
H = H(α) , α: außere Parameter (86)
• Somit ist auch die Dichtematrix im mikrokanischen Ensemble implizit von diesen
Parametern abhangig,
ρ =1
Ωδ(E − H(α)) = ρ(E,α) , (87)
und ebenso die mikrokanon. Zustandssumme, Ω = Ω(E,α).
• Wenn wir α als infinitesimale Storung betrachten,
H(α) = H0 + α∂H
∂α+ . . .
erhalten wir gemaß quantenmech. Storungstheorie fur die Verschiebung der Ener-
gieniveaus,
∆En(α) = α 〈n|∂H∂α|n〉 , (88)
mit den Eigenzustanden |n〉 des ungestorten Problems, H0|n〉 = En|n〉.
• Aus der Normierung der Dichtematrix folgt dann20
1 ≡ Sp (ρ(E,α)) =1
Ω(E,α)
∑n
〈n|δ(E − H(α))|n〉
=1
Ω(E,α)
∑n
〈n|δ(E −∆En(α)− En)|n〉
⇒ Ω(E,α) =∑n
δ(E −∆En(α)− En) . (89)
Damit lasst sich die Ableitung vom Logarithmus der Zustandssumme leicht aus-
rechnen, denn
∂ ln Ω
∂α=
1
Ω
∂Ω
∂α=
1
Ω
(−∂Ω
∂E
)∑n
∂∆En∂α
=1
Ω
(−∂Ω
∂E
)∑n
〈n|∂H∂α|n〉 = −β Sp
(ρ∂H
∂α
). (90)
20Entsprechend obiger Fußnote ist das mathematisch etwas unsauber. Man stelle sich hier die δ-
Distribution besser als Gauß-Funktion mit Breite δE E vor!
27
• Wir konnen also die partiellen Ableitungen der Entropie als Funktion S = S(E,α)
zusammenfassen,(∂S
∂E
)α
=1
Tund
(∂S
∂α
)E
=1
T
⟨−∂H∂α
⟩E
, (91)
wobei wir eine Notation verwendet haben, bei der die bei der partiellen Ableitung
jeweils festgehaltenen Variablen zusatzlich als Index erscheinen. Dies ist nutzlich
um Verwirrung zu vermeinden, wenn wir ein und dasselbe physikalische Symbol fur
verschiedenen mathematische Funktionen verwenden.21
• Insgesamt erhalten wir also fur das entsprechende vollstandige Differential der
Entropie
dS =1
TdE − 1
T
⟨∂H
∂α
⟩E
dα , (92)
bzw. durch Umstellen (und explizite Summation uber den gesamten Satz αi von
außeren Parametern)
dE = T dS +∑i
⟨∂H
∂αi
⟩E
dαi , (93)
als ”Fundamentalbeziehung der Thermodynamik“, wodurch ein Zusammen-
hang zwischen der infinitesimalen Anderung der Energie, dem Energieubertrag bei
konstanten außeren Parametern αi – welchen wir als ”Warme“ δQ definieren –
und der am System durch Anderung der außeren Parameter verrichteten Arbeit
δW hergestellt wird.
In integrierter Form,
∆E = ∆Q+ ∆W
stellt diese Manifestierung des Energieerhaltungssatz den ”1. Hauptsatz der
Thermodynamik“ dar.
• Allgemein bezeichnen wir die Großen 〈 ∂H∂αi〉 wegen der Analogie zur mechanischen
Arbeit ∆W =∫d~s · ~F als ”verallgemeinerte Krafte“.
Insbesondere erhalten wir fur das Beispiel α = V (Volumen) als verallgemeinerte
Kraft den ”Druck“ p als
p = −
⟨∂H
∂V
⟩E
= T
(∂S
∂V
)E
⇔ ∆W = −∫p dV . (94)
21Z.B. sind S = S(E,α) und S = S(T, α) offensichtlich verschiedene Funktionen mit verschiedenen
partiellen Ableitungen ∂S/∂α.
28
Anmerkung: Man beachte, dass δQ und δW keine vollstandigen Differentiale sind (und damit
keine Zustandsgroßen implizieren), denn die Werte ∆Q =∫T dS bzw. ∆W =∫ ∑
i〈∂H∂αi〉 dαi hangen i.A. von der Prozessfuhrung (d.h. Weg im α-S–Raum ab.22
Die Großen dS = δQ/T und dV = −δWVol./p sind dagegen vollstandige Differentia-
le (und T und p fungieren im mathematischen Sinne als ”integrierende Faktoren“).
• Betrachten wir jetzt zusatzlich zum Warmeaustausch auch “Volumenaustausch“
(oder Anderung eines anderen außeren Parameters in H), konnen wir analog wie
vorher argumentieren, d.h. die Maximierung der Entropie fur ein aus 2 Teilsystemen
zusammengesetztes Gas mit E = EA + EB und V = VA + VB (bei festen anderen
Parametern, z.B. Teilchenzahl N) liefert:
dS =
(∂SA∂EA
)−(∂SB∂EB
)dEA +
(∂SA∂VA
)−(∂SB∂VB
)dVA
=
1
TA− 1
TB
dEA +
pATA− pBTB
dVA (95)
Da dEA und dVA unabhangig sind, folgt daraus sofort TA = TB und pA = pB im
Gleichgewicht (dS = 0). Physikalisch sorgt also Warmeaustausch fur Temperatur-
ausgleich und Volumenaustausch fur Druckausgleich.
• Analog konnen wir Teilchenaustausch mit N = NA + NB fest zulassen. Die zu-
gehorige verallgemeinerte Kraft bezeichnen wir als ”chemisches Potential“ µ,
so dass fur Gase S = S(E,α) = S(E, V,N) bzw. E = E(S, V,N), und die Funda-
mentalrelation nimmt dann die Form
dE = T dS − p dV + µ dN (96)
an. Dabei ist(∂E
∂S
)V,N
= T ,
(∂E
∂V
)S,N
= −p ,(∂E
∂N
)S,V
= µ . (97)
2.4 Kanonisches Ensemble
Im Gegensatz zum mikrokanon. Ensemble betrachten wir nun ein Teilsystem, welches
offen ist, also Energie mit der Umgebung austauschen kann. Das Gesamtsystem (d.h.
Teilsystem plus Umgebung) kann wieder mikrokanonische behandelt werden.
22Zur Erinnerung: mogliche Prozessfuhrungen in der Thermodynamik sind z.B.
– isobar (p =const.)
– isochor (V =const.)
– isotherm (T =const.)
– adiabatisch (δQ = 0)
Da gemaß obiger Diskussion Integrale uber geschlossene Wege nicht verschwinden,∮δQ 6= 0 6=
∮δW ,
ergibt sich damit der Ansatzpunkt fur periodisch arbeitende Warmekraftmaschinen.
29
• Wir schreiben fur die reduzierte Dichtematrix des Teilsystems allgemein
ρ1 =∑E1
p(E1)∑
n,E1fest
|n〉〈n| 1
Ω(E1). (98)
Hierbei ist p(E1) die Wahrscheinlichkeit, dass das System 1 die Energie E1 hat.
• Mit der gleichen Argumentation wie vorher erhalten wir durch Abzahlen der Moglich-
keiten, dass das Umgebungsystem die Energie E2 = E − E1 hat,
p(E1) =Ω2(E − E1)
Ω(E). (99)
• Wir nehmen nun im Folgenden weiterhin an, dass die Umgebung (System 2) groß
im Vergleich zum betrachteten Teilsystem 1 ist, insbesondere
E1 E ≈ E2 , T ≡ T2 .
Dann konnen wir den Logarithmus von p(E1) entwickelne,
ln p(E1) = ln Ω2(E − E1)− ln Ω(E)
' ln Ω2(E)− E1d ln Ω2(E)
dE− ln Ω(E)
= lnΩ2(E)
Ω(E)− E1
1
kBT
⇒ p(E1) = const. e−E1/kBT . (100)
Den Faktor e−βE bezeichnen wir in der Thermodynamik auch als ”Boltzmann–
Faktor“.
• Daraus erhalten wir die ”kanonische Dichtematrix“
ρkanon. = ρ(T ) =1
Z
∑E1
e−E1/kBT∑
n,E1=fest
|n〉〈n| = 1
Ze−H/kBT , (101)
wobei wir im letzten Schritt benutzt haben, dass H |n〉 = E1 |n〉 mit H als Hamil-
tonoperator des Teilsystems 1, und die Summationen gerade die Vollstandigkeits-
relation im entsprechenden Hilbertraum realisieren.
30
9. Vorlesung (Do 8.6.2017)
• Somit ist die kanonische Dichtematrix deutlich einfacher definiert als ρmikro−kanon.,
und die entsprechende ”kanonische Zustandssumme“ ergibt sich aus der Nor-
mierung von ρ einfach zu
Z = Sp(e−βH
). (102)
Anmerkungen:
– Die außeren Parameter gehen wieder uber den Hamiltonoperator ein, d.h.
Z = Z(T, α) = Sp(e−β H(α)
). (103)
– Man beachte, dass einerseits die Anzahl der Zustande im Teilsystem 1 i.A.
mit der Energie E1 exponentiell zunimmt; andererseits nimmt die Anzahl der
zuganglichen Zustande in der Umgebung exponentiell mit E1 ab.
– Vergleicht man den Boltzmann-Faktor mit dem Zeitentwicklungsoperator,
U = e−iHt/~, erkennt man, dass die Temperatur ”formal“ (d.h. mathematisch
im Sinne der analytischen Fortsetzung) einer ”imaginaren Zeit“ entspricht,
β ↔ it/~ .
• Erwartungswerte von Operatoren O ergeben sich im kanon. Ensemble einfach zu
〈O〉 = Sp(ρO) =Sp(e−βHO
)Z
=Sp(e−βHO
)Sp(e−βH
) . (104)
• Insbesondere erhalten wir als Erwartungswert der Energie E im Teilsystem 1
E = 〈H〉 =1
ZSp(e−βH H
)= − 1
ZSp
(∂
∂βe−βH
)= − 1
Z
∂Z
∂β= − ∂
∂βlnZ , (105)
bzw.
E = kB T2 ∂
∂TlnZ . (106)
• Entsprechend fur die Entropie,
S = −kB Sp (ρ ln ρ) = −kBZ
Sp(e−βH
(− lnZ − βH
))=kBZ
lnZ Sp(e−βH) +kBβ
ZSp(e−βH H
)= kB lnZ + kB β E = kB lnZ +
1
TE . (107)
31
• Und fur verallgemeinerte Krafte, wie z.B. den Druck,
p = −
⟨∂H
∂V
⟩= − 1
ZSp
(e−βH
∂H
∂V
)
=1
βZ
∂
∂VSp(e−βH) =
1
β
∂ lnZ
∂V= kBT
∂
∂VlnZ . (108)
• Somit lassen sich im kanonischen Ensemble alle Zustandsgroßen (d.h. genauer ge-
sagt ihre thermodynamischen Mittelwerte23) aus dem Logarithmus der kanon. Zu-
standssumme Z ableiten. Demnach ist es sinnvoll, eine entsprechende Zustands-
große, die sog. ”Freie Energie“ einzufuhren, als
F (T, α) ≡ −kBT lnZ(T, α) , (109)
so dass mit (107)
F = E − T S . (110)
• Mathematisch entspricht der Ubergang von der Energie E = E(S, V,N) zur freien
Energie (F = F (T, V,N)) gemaß (110) gerade einer Legendre-Transformation.24
Fur die entsprechenden totalen Differentiale ergibt sich z.B. fur Gase, mit dE =
T dS − p dV + µ dN ,
dF = dE − T dS − S dT = −S dT − p dV + µ dN , (111)
woraus sich die partiellen Ableitungen direkt ablesen lassen,
S = −(∂F
∂T
)V,N
, p = −(∂F
∂V
)T,N
, µ =
(∂V
∂N
)T,V
. (112)
• Die thermodynamischen Gesetze (d.h. die Beziehungen zwischen den Zustands-
großen im jeweils betrachteten Teilsystem) bleiben beim durch die Legendre-Trans-
formation definierten Koordinatenwechsel bzgl. der zur Definition des entsprechen-
den Ensembles benutzten Zustandsgroßen unverandert!
• Im mikrokanonischen Ensemble wurde die Entropie des idealen (klassischen) Gases
berechnet als
S(E, V,N) = kBN
(lnV
N+
3
2lnE
N+ const.
), (113)
23welche gemaß unserer allgemeinen Diskussion relative Schwankungen aufweisen, welche im thermo-
dynamischen Limes vernachlassigbar sind24Vergleiche mit dem Zusammenhang zwischen Lagrange-Funktion, L = L(q, q) und Hamiltonfunktion
H = H(q, p) = L− pq in der klassischen Mechanik.
32
• Aus der Betrachtung der partiellen Ableitungen erhalt man(∂S
∂E
)V,N
= kBN3
2
1
E=
1
T⇒ Eideal =
3
2kBN T (114)
als sog. ”kalorische Zustandsgleichung“ des idealen Gas. Insbesondere hangt
die Energie E hier nur von der Temperatur T ab (allgemein auch von V ).
• Mit dem 1. Hauptsatz erhalt man (fur N = const.)
δQ = dE − δW = dE + pdVE=E(T,V )
=
(∂E
∂T
)dT +
∂E
∂V+ p
dV (115)
Man beachte, dass wir hier zur unterscheiden haben zwischen der Energie als Funk-
tion ihrer naturlichen25 Variablen, E = E(S, V,N) und der aus der kalorischen
Zustandsgleichung erhaltenen Energiefunktion E = E(T, V,N). In der Thermody-
namik verwendet man haufig ein und dasselbe Symbol, kennzeichnet dann aber bei
den partiellen Ableitungen der verschiedenen Funktionen die anderen Parameter
als Indizes rechts der Klammer, also speziell in obigem Fall
∂E
∂T≡(∂E
∂T
)V,N
. (116)
Dies definiert gerade die sog. ”Warmekapazitat“ bei festem Volumen,
CV ≡(δQ
dT
)V
=
(∂E
∂T
)V,N
. (117)
Fur das ideale Gas erhalten wir also insbesondere
C idealV =
3
2kB N . (118)
• Weiterhin haben wir(∂S
∂V
)E,N
ideal= kBN
1
V=p
T⇒ p V
∣∣∣ideal
= NkB T , (119)
als ”thermische Zustandsgleichung“, welche p(T, V/N) definiert.
• Entsprechend erhalt man aus (∂S/∂N)E,V = −µ/T die Funktion µ(T, V/N)
• Die gleichen Relationen konnen wir analog aus der freien Energie herleiten, welche
wir aus S(E, V ) und E(T, V ) gemaß der Legendre-Transformation
F (T, V ) = E(T, V )− T S(T, V )
ideal=
3
2kBN T − kBN T
(lnV
N+
3
2lnE(T, V )
N+ const
)= NkBT
(− ln
V
N− 3
2ln
(3
2kBT
)+ const.
)(120)
25siehe unten
33
erhalten, so dass(∂F
∂T
)V,N
= −S(T, V,N) = −S(E(T, V,N), V,N)
ideal= −kBN
(V
N+
3
2ln
(3
2kBT
)+ const.
)(121)
• Daraus erhalten wir nun wieder die thermische Zustandsgleichung uber(∂F
∂V
)T,N
= −p = −NkBTV
, (122)
(und entsprechend µ = (∂F/∂N)T,V ).
34
10. Vorlesung (Fr 16.6.2017)
Wir wollen nun anhand des obigen Beispiels der Frage nachgehen, ob man z.B. auch aus
der Funktion S(T, V,N) fur die Entropie alleine wieder die Zustandsgleichungen ableiten
konnen. Der Einfachheit halber betrachten wir wieder N =const.
• Aus dem totalen Differential fur S = S(E(T, V ), V ) ergibt sich
dS =
(∂S
∂E
)V
((∂E
∂T
)V
dT +
(∂E
∂V
)T
dV
)+
(∂S
∂V
)E
dV
=1
T
(∂E
∂T
)V
dT +
((∂E
∂V
)T
− p)
1
TdV (123)
• Koeffizientenvergleich ergibt
1
T
(∂E
∂T
)V
=
(∂S
∂T
)V
ideal= kBN
3
2
1
T,((
∂E
∂V
)T
− p)
1
T=
(∂S
∂V
)T
ideal=
kBN
V. (124)
• Daraus erhalt man die partiellen Differentialgleichungen:(∂E
∂T
)V
=3
2kBN ⇒ E(T, V ) =
3
2NkB T + f(V ) ,
⇒ p =NkB T
V−(∂E
∂V
)T
=NkB T
V− f ′(V ) . (125)
D.h. um die Zustandsgleichungen eindeutig bestimmen zu konnen, benotigen wir
noch zusatzliche Information aus E(T, V ) !
Fazit: Die Funktion S(T, V ) ist zwar eine thermodynamische Zustandsgroße (festgelegt
im thermodynamischen Gleichgewicht), aber kein sog. ”Thermodynamisches Poten-
tial“, aus welchem alle thermodynamischen Beziehungen fur das konkrete System abge-
leitet werden konnen! In diesem Sinne sind die Funktionen
F (T, V ) und S(E, V ) und E(S, V ) ,
ausgedruckt durch ihre ”naturlichen Variablen“ dagegen thermodynamische Poten-
tiale! – Weitere Potentiale werden im nachsten Abschnitt eingefuhrt.
2.5. Thermodynamische Potentiale
Offensichtlich lassen sich durch weitere Legendre-Transformationen andere thermodyna-
mische Potentiale generieren. Diese konnen fur spezielle physikalische Fragestellungen
jeweils nutzlicher sein als andere.
35
Beschranken wir uns auf ein Gas mit konstanter Teilchenzahl N ergeben sich folgende
Moglichkeiten:
Entropie:
S(E, V )
dS =1
T(dE + p dV )
← mikrokanon. Ensemble
↓ umstellen/auflosen ↓ kanon. Ensemble
(innere) Energie:
E(S, V )
dE = T dS − p dV
T,S↔
Freie Energie:
F (T, V ) = E − TS
dF = −S dT − p dV
l p, V l p, V
Enthalpie:
H(S, p) = E + pV
dH = T dS + V dp
T,S↔
Freie Enthalpie:
G(T, p) = H − TS = F + pV
dG = −S dT + V dp
2.5.1. Enthalpie
Die Enthalpie H = E + p V taucht z.B. auf, wenn wir die Warmekapazitat bei festem
außeren Druck betrachten,
Cp ≡(δQ
dT
)p
(126)
mit
δQ = dE + p dV = dH − V dp (127)
und
H(T, p) = H(S(T, p), p) (128)
ergibt sich direkt
Cp =
(∂H
∂T
)=
(∂H
∂T
)p
. (129)
36
• z.B. fur das ideale Gas mit E = 32NkBT und pV = NkBT
dE =3
2NkB dT , d(pV ) = NkB dT
⇒ dH =5
2NkB dT ⇒ C ideal
p =5
2NkB > C ideal
V =3
2NkB . (130)
2.5.2 Freie Enthalpie und Gibbs-Duhem Relation
G = F + pV = H − TS = G(T, p,N)
• Fur homogene Systeme (d.h. nur eine Teilchensorte) hangt die freie Enthalpie
G(T, p,N) nur von einer extensiven Große, N , ab. Da G selbst eine extensive
Zustandsgroße ist, muss demnach zwingenderweise gelten
⇒ G(T, p,N) ≡ N · g(T, p) (131)
mit der spezifischen freien Enthalpie g(T, p).
• Wegen(∂G∂N
)T,p
= µ ergibt sich die sog. ”Gibbs-Duhem–Relation“:
µ(T, p) ≡ g(T, p) ⇔ G = N µ (132)
• Daraus erhalt man alternativ
N µ = E − TS + pV (analog mit F,H) (133)
bzw.
SdT − V dp+Ndµ = 0 , (134)
d.h. die 3 intensiven Großen T, p, µ konnen nicht unabhangig variiert werden!
• Weiterhin ist also µ = µ(p, T ) selbst ein thermodynam. Potential mit den naturli-
chen Variablen p, T , und
dµ =V
Ndp− S
NdT = vspezif. dp− sspezif. dT . (135)
• Fur das Beispiel des idealen Gases gilt dann
µ = F/N +pV
N= kBT
(3
2− ln
kBT
p− 3
2ln(
3
2kBT ) + const.
)= kBT
(−5
2ln(kBT ) + ln p+ const.
). (136)
37
2.5.3. Maxwell-Relationen etc.
Fur vollstandige Differentiale vetauschen die partiellen Ableitungen, z.B.
dE = TdS − pdV + µdN
⇒ ∂2E
∂V ∂S=
∂
∂V
(∂E
∂S
)=
(∂T
∂V
)S,N
=∂
∂S
(∂E
∂V
)= −
(∂p
∂S
)V,N
(137)
Analog fur andere Potentiale aus dF , dH, dG:
• Die Relationen lassen sich schnell herleiten, wenn man die naturlichen Variablen
von E,F,H,G parat hat. (Fur entsprechende Merkregeln wird auf die Literatur
verwiesen.)
Weitere Relationen folgen aus den Eigenschaften der Jacobi-Determinante fur Funk-
tionen mehrerer Veranderlicher. (→ Ubung)
2.6. Großkanonisches Ensemble
• Ahnlich wie beim Ubergang vom mikrokanonischen zum kanonischen Ensemble
konnen wir das zu betrachtende Teilsystem jetzt auch gegenuber Teilchenaustausch
offnen, d.h. N ist nicht mehr fest vorgegeben, sondern N = N(
1 +O(1/√N)
fluktuiert (z.B. Teilchenaustausch durch permeable Wand, chemische Reaktionen,
relativistische Teilchen).
• D.h. zusatzlich zum unendlich großen Warmereservoir betrachten wir jetzt auch
ein unendlich großes Teilchenreservoir.
• Die Beschreibung der Umgebung (System 2) erfolgt wieder mittels der mikrokano-
nischen Zustandssumme,
Ω2 = Ω2(E2, N2) = Ω2(E − E1, N −N1) , (138)
mit N1 N und E1 E.
• Die Entwicklung von ln Ω2 bezuglich E1 und N1 liefert dann entsprechend
∂ ln Ω2
∂E2
=1
kB
(∂S2
∂E2
)= β2 ≡ β ,
∂ ln Ω2
∂N2
=1
kB
(∂S2
∂N2
)= −β2µ2 ≡ −βµ . (139)
. . . d.h. durch die Umgebung werden jetzt die Temperatur und das chemische Potential
(uber die Teilchensorte des Reservoirs) fest vorgegeben.
38
• Zusatzlich zum Boltzmann-Faktor e−βE1 erhalten wir jetzt einen Faktor (→ ”Fu-
gazitat“) e+βµN1 , so dass die ”großkanonische Zustandssumme“ lautet
Y (T, V, µ) =∑N1
eβµN1 Z(T, V,N1) = Sp(e−β(H−µN)
), (140)
wobei N dann als Anzahloperator im Teilsystem 1 definiert ist (d.h. Eigenwerte
N1 auf Basisvektoren mit entsprechender Teilchenzahl hat).
• Das zugehorige ”großkanonische Potential“ definieren wir als
J(T, V, µ) = −kBT lnY . (141)
Erwartungswerte der anderen Zustandsgroßen ergeben sich im großkanonischen
Ensemble mit dem entsprechenden ”großkanonischen Dichteoperator“,
ρg.k. =1
Yexp
(−β(H − µN)
). (142)
• Insbesondere ergibt sich fur die Entropie
〈S〉 = −kB 〈ln ρ〉 = −kB(− lnY − β 〈H〉+ βµ 〈N〉
)=
1
T
(−J + E − µN
), (143)
was der Legendre-Transformation
J = E − T S − µN (144)
entspricht, wobei bzgl. E(S, V,N) gerade die Rollen von (S ↔ T ) und (N ↔ µ)
vertauscht werden. In differentieller Form ergibt sich
dJ = −S dT − p dV −N dµ , (145)
so dass sich die Zustandsgroßen (S, p,N) wieder aus den entsprechenden partiellen
Ableitungen von J(T, V, µ) ergeben, welche wieder Maxwell-Relationen genugen
etc.
39
11. Vorlesung (Do 22.6.2017)
• Weiterhin folgt aus der Gibbs-Duhem–Relation (s.o.)
J = E − TS − µN = −pV ⇔ Y = exp
(pV
kBT
)bzw. p(T, µ) = − 1
VJ(T, V, µ) , (146)
d.h. Druck entspricht (bis auf ein Vorzeichen) gerade dem volumenspezifischen
großkanon. Potential.
2.6.1 Verteilungsfunktion fur ideale Quantengase
Als Anwendung fur die großkanonische Zustandssumme diskutieren wir ideale (d.h. nicht
wechselwirkende) Quantengase. Ein wichtiger Aspekt bei der Behandlung von Vielteil-
chensystemen in der Quantenmechanik ist die prinzipielle Ununterscheidbarkeit von iden-
tischen Teilchen, d.h. wir konnen quantenmechanisch nicht entscheiden, welches von je-
weils zwei Teilchen sich in dem einen bzw. anderen Quantenzustand befinden.
Betrachten wir zwei identische Teilchen, dann besteht der zugehorige Hilbertraum
aus dem direkten Produkt der jeweiligen 1-Teilchen-Hilbertraume:
H2-Teilchen = H(1)1-Teilchen ⊗H
(2)1-Teilchen
Den Austausch der Rollen von Teilchen 1 und 2 konnen wir formal durch den (unitaren)
Permutationsoperator beschreiben, dessen Wirkung auf den Basiszustanden |λ1λ2〉 von
H(1)1−Teilchen ⊗H
(2)1−Teilchen definiert ist:
P12 |λ1λ2〉 ≡ |λ2λ1〉 . (147)
• Keine quantenmechanische Messung einer Observablen O kann die beiden Zustande
unterscheiden, also insbesondere
〈P12ϕ|O|P12ψ〉 = 〈ϕ|P †12OP12|ψ〉!
= 〈ϕ|O|ψ〉 ⇒ [P12, O] = 0. (148)
D.h. physikalische Observablen kommutieren immer mit P12, was z.B. fur einen
Hamiltonoperator der Form
H =p2
1
2m+
p22
2m+ V (x1) + V (x2) +W (|x1 − x2|)
offensichtlich ist.
• Desweiteren mussen physikalische Zustande |ψ〉 und P12 |ψ〉 linear abhangig sein,
ansonsten hingen Wahrscheinlichkeitsaussagen davon ab, welche Linearkombina-
tion von |ψ〉 und P12|ψ〉 man benutzt, um quantenmechanische Erwartungswerte
40
auszurechnen, denn
〈O〉 =
(a∗ 〈ψ|+ b∗ 〈P12ψ|
)O(a |ψ〉+ b |P12ψ〉
)(a∗ 〈ψ|+ b∗ 〈P12ψ|
)(a |ψ〉+ b |P12ψ〉
)
=(|a|2 + |b|2) 〈ψ|O|ψ〉+
(a∗b 〈ψ|O|P12ψ〉+ h.c.
)|a|2 + |b|2 +
(a∗b 〈ψ|P12ψ〉+ h.c.
) . (149)
Damit das i.A. unabhangig von den Koeffizienten a, b ist, muss gelten
⇒ P12 |ψ〉 = α |ψ〉 . (150)
Da P12 ja als unitar angenommen wurde, gilt |α| = 1, Weil P12P12 = 1 (nach
Definition) ist P12 aber auch hermitesch, d.h. die Eigenwerte α sind auch reell.
Demnach gibt es nur 2 Moglichkeiten:
⇒ P12 |ψ〉 = ±|ψ〉.
Fur positives Vorzeichen erhalt man symmetrische Wellenfunktionen, fur negatives
• Der 3. Hauptsatz impliziert die Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunktes,
weil mit ∆S ≥ δQ/T fur T → 0+ auch keine Warme mehr umgesetzt wurde, d.h.
dem System kann auch nicht weiter Energie entzogen werden.
• Andererseits kann man sich fur ein reales System durch endlich viele abwechselnde
Schritte von isothermer Kompression und adiabatischer Expansion dem Wert T →0+ beliebig gut nahern. Dabei ist zu beachten, dass sich die Isochoren im S − T–
Diagramm alle bei (T → 0+, S = S0) treffen (→ Skizze).
52
3. Ideale Quantengase
3.1 Strahlungfeld ↔ Photonengas
Wir diskutieren nun ein elementares Beispiel fur die Thermodynamik eines Quanten-
gases, namlich die Eigenschaften des elektromagnetischen Strahlungsfeldes im Vakuum
(unter Berucksichtigung der Quanteneffekte).
Einschub: Quantisierung des elektromagnetischen Feldes (heuristisch) In der
Quantentheorie mussen auch die elektromagnetischen Felder als Operatoren auf einem Hilbertraums
aufgefasst werden. Wir geben im Folgenden eine heuristische Herleitung.
• Wir betrachten zunachst die allgemeine Fourierzerlegung des freien elektromagnetischen Feldes
(siehe Elektrodynamik):
~A(x, t) = ~A∗(x, t) =∑α=1,2
∫d3k
(2π)3
cα(~k)~εα(~k) ei
~k~x−iωkt + c∗α(~k)~ε ∗α(~k) e−i~k~x+iωkt
. (188)
Hierbei wird jede individuelle Mode durch den Wellenzahlvektor ~k und die Polarisationsrichtung
α (z.B. links- oder rechts-zirkular) charakterisiert, mit
Fassen wir alle Terme zusammen erhalten wir somit die klassische Hamiltonfunktion ausgedruckt
durch die Fourierkoeffizienten,
Hklass = 2ε0∑α
∫d3k
(2π)3c∗α(~k)cα(~k)ω2
k (198)
Um beim ubergang zum quantisierten Hamiltonoperator die kanonische Normierung der Oszillatorener-
gie zu erhalten, mussen wir lediglich einen relativen Normierungsfaktor definieren, d.h. unsere obige
Ersetzungsvorschrift prazisieren,
aα(~k)=
√2ε0ωk~
cα(~k) (199)
und erhalten damit
⇒ H =∑α
∫d3k
(2π)3~ωk a†α(~k)aα(~k) (+E0) (200)
wobei wir angedeutet haben, daß wir in dieser Herleitung keine Aussage uber die Grundzustand-
senergie treffen konnen (die sich aus der Ambiguitat hinsichtlich der Operatorordnung von a und a†
ergibt).
In diesem neuen Zugang konnen wir also Zustande des elektromagnetischen Feldes jetzt charakteri-
sieren durch
|0〉 =”elektromagnetisches Vakuum“ mit aλ(~k)|0〉 = 0 (201)
a†α(~k)|0〉 = |1(~k, α)〉= 1 Photon (~k, α) (202)
a†α1(~k1)a†α2
(~k2)|0〉 = |1(~k1, α1), 1(~k2, α2)〉 (203)
1√2
(a†α(~k))2|0〉 = |2(~k, α)〉 (204)
... usw. (205)
Die Photonen stellen also die quantisierten Zustande des elektromagnetischen Feldes in der Besetzungs-
zahldarstellung dar.
• Gemaß obiger heuristischer Diskussion kann der Hamiltonoperator fur Photonen
also wieder im Besetzungszahlformalismus geschrieben werden,
H =∑~k
∑λ=±1
ε(~k) n(~k, λ) , (206)
55
wobei wir berucksichtigt haben, dass elmg. Strahlung zwei unabhangige Polari-
sationen λ haben kann, und n(~k, λ) die Zahl der angeregten Schwingungsmoden
bezeichnet, die wir als Quasiteilchen (“Photonen”) interpretieren.29
• Die kanonische Dichtematrix lautet dann
ρ =1
Ze−βH =
1
Zexp
−∑~k,λ
ε(k)
kBTn(~k, λ)
=1
Z
∏~k,λ
exp
(− ε(k)
kBTn(~k, λ)
).
(207)
• Bei der Berechnung der kanonischen Zustandssumme als Spur summieren wir wie-
der uber alle Besetzungszahlen, n(~k, λ) = 0, 1, . . ., da Photonen, als quantisierte
Moden des elektromagnetischen Vektorpotentials, als Spin-1–Teilchen, also Boso-
nen, zu behandeln sind. Somit
Z = Spe−βH =∏~k,λ
(∞∑n=0
e−β ε(k)n
)=∏~k,λ
1
1− e−β ε(k)=∏~k
(1− e−β ε(k)
)−2(208)
Hierbei ist der Fall ~k → 0 mit ε(~k → 0) = 0 im Folgenden auszuschließen.
• Hieraus berechnet sich die freie Energie zu
F (T, V ) = −kBT lnZ = 2kBT∑~k 6=0
ln(
1− e−βε(~k)). (209)
Die Summe uber die Wellenzahlen lasst sich im thermodynamischen Limes als
Integral schreiben,30
∑~k 6=0
−→ V
(2π)3
∫d3k fur ki = 2π
Lzi ,
und damit
F (T, V ) = 2kBTV
(2π)3
∫d3k ln
(1− e−β ~c |~k|
)= 2kBT
V
(2π)3
(kBT
~c
)3
4π2
∫ ∞0
r2 dr ln(1− e−r
). (210)
29Eine genauere Begrundung erfolgt in den fortgeschrittenen Vorlesungen zur Quantentheorie oder
auch in der Vorlesung “Theoretische Teilchenphysik I”. Eine Besonderheit von Photonen ist, dass sie
keine Ruhemasse besitzen und nicht (direkt) miteinander wechselwirken; dies hat zur Folge, dass das
chemische Potential verschwindet (s.u.).30wobei ~k = 0 in der Tat nicht beitragt, solange der Integrand fur |~k| → 0 schwacher divergiert als
1/k2
56
Das Integral ergibt −π4/45, so dass sich das Endergebnis schreiben lasst als
F (T, V ) = −4
3
σ
cT 4 V , mit σ =
π2
60
(k4B
~3c2
), (211)
wobei σ als “Stefan-Boltzmann–Konstante” bezeichnet wird.
• Daraus lassen sich wieder alle thermodynamischen Eigenschaften des Photongas
ausrechnen, z.B.
Entropie: S = −(∂F
∂T
)=
16σ
3cT 3 V ,
Druck: p = −(∂F
∂V
)=
4σ
3cT 4 ,
innere Energie: E = F + TS =4σ
cT 4 V (“Stefan-Boltzmann–Gesetz”) ,
Warmekapazitat: CV =
(∂E
∂T
)V
= T
(∂S
∂T
)V
=16σ
cT 3 V . (212)
Insbesondere erhalt man aus dem Vergleich die Zustandsgleichung
p V =1
3E (Photongas) (213)
(zu vergleichen mit pV = 23E fur klassisches ideales Gas).
• Fur die mittleren Besetzungszahlen n(~k, λ) (sprich den Anregungen der Schwin-
gungsmoden) gilt wieder die Bose-Einstein-Verteilung (jetzt mit µ = 0)31
〈n(~k, λ)〉 =1
eβε(k) − 1, (214)
so dass sich fur die Gesamtphotonenzahl schreiben lasst,
〈N〉 =∑~k,λ
〈n(~k, λ)〉 = 2V
(2π)3
∫d3k
1
eβ~c |~k| − 1(215)
mit |~k| = ω/c erhalt man
〈N〉 = 2V
(2π)3
4π
c3
∫ ∞0
ω2 dω
eβ~ω − 1≡ V
∫ ∞0
n(ω) dω , (216)
wobei
n(ω) =1
π2c3
ω2
eβ~ω − 1(217)
die spektrale Anzahldichte (pro Volumen) reprasentiert.
31Die freie Enthalpie berechnet sich mit obigen Formeln in der Tat zu G = µN = F + pV = 0.
57
• Durch Multiplikation mit den 1-Photonenergien ~ω lasst sich daraus direkt die
spektrale Energiedichte bestimmen,
E = V
∫ ∞0
u(ω) dω , mit u(ω) =~π2c3
ω3
eβ~ω − 1, (218)
was gerade dem “Planckschen Strahlungsgesetz” entspricht.
(Die Grenzfalle kleiner und großer Temperaturen werden in den Ubungen disku-
tiert.)
14. Vorlesung (Do 6.7.2017)
Herleitung der thermischen Zustandsgleichung fur Photonengas:
• Integration uber die spektrale Anzahldichte ergibt (nach Variablensubstitution)
N =V (kBT )3
~3π2c3
∫ ∞0
t2 dt
et − 1=
2ζ(3)
π2
(kBT
~c
)3
V , (219)
wobei das Integral die sog. Riemannsche Zeta-Funktion definiert.
• Aus den oben berechneten Formeln fur pV und E ergibt sich dann
pV =1
3E =
π2
45
(kBT
~c
)3
kBT V
=
(π4
90 ζ(3)
)NkBT ≈ 0.9004 . . . NkBT , (220)
d.h. man erhalt eine etwa 10%-tige Abweichung vom idealen-Gas-Gesetz.
• Entsprechend ergibt sich dann fur die Entropie
S =
(2π4
45ζ(3)
)NkB ∝ N . (221)
Diese ist also nur von der Photonzahl N abhangig!
3.2 Ideales Bosegas und Bose-Einstein–Kondensation
Wir betrachten ein Gas von Bosonen, insbesondere bei niedrigen Temperaturen. Wir ver-
nachlassigen der Einfachheit halber weitere Wechselwirkungen und definieren das ideale
Bosegas durch
np =1
exp(β(εp − µ))− 1, (222)
mit nicht-relativistischer Dispersionsrelation
εp = p2/2m. (223)
58
• Damit die Besetzungszahl np fur εp = µ nicht divergiert, muss µ < 0 sein (beim
Bosonengas). Dann lasst sich np als unendliche geometrische Reihe schreiben,
np =∞∑`=1
(e−β(εp−µ)
)`. (224)
• Wie im Falle des Photonengases ersetzen wir im thermondynamischen Limes die
Summe uber Impulseigenzustande p durch ein Impulsintegral, so dass
N =∑p
np →V
(2π~)3
∫d3p
∞∑`=1
(eβµ)`e−β
p2
2m` . (225)
• Das Impulsintegral ist elementar und liefert die 3. Potenz der sog. “thermischen
Wellenlange”,
λT =h√
2πmkBT, (226)
mit einem zusatzlichen Faktor 1/l3/2 aus dem Exponenten. Fur die Gesamtteil-
chenzahl ergibt sich somit
N(T, V, µ) =V
λ3T
∞∑l=1
zl
l3/2≡ V
λ3T
g3/2(z) (227)
wobei die unendliche Reihe in der Fugazitat z eine spezielle transzendente Funktion,
die sog. “verallgemeinerte Riemannsche Zetafunktion” definiert,
gν(z) ≡∞∑l=1
zl
lν. (228)
• Wenn wir also V/N und T festlegen, erhalten wir eine implizite Definition von µ
als Funktion von v und T . Insbesondere:
– Fur T →∞ geht die thermische Wellenlange gegen Null, λT → 0. Damit ein
endlicher Wert fur N/V definiert ist muss also dann auch g3/2(z)→ 0 gehen,
d.h. fur die Fugazitat z → 0⇔ µ→ −∞.
– Da gν(z) eine monoton wachsende Funktion von z ist und λT monoton fallend
mit T mussen auch das chemische Potential und die Fugazitat monoton von
der Temperatur abhangen.
– D.h. die Fugazitat (das chem. Potential) haben einen Maximalwert von zmax =
1 (entspricht µmax = 0) und fallen monoton mit der Temperatur auf z → 0
bzw. µ→ −∞.
59
• Der Wert z = 1 markiert also eine kritischen Temperatur (in Abhangigkeit von
V/N), fur die
λ3Tc
N
V= g3/2(1) ≡ ζ(3/2) ' 2.612 . . . (229)
gilt, wobei ζ(ν) die eigentliche Riemannsche Zetafunktion ist. Im Einklang mit
unseren vorherigen Uberlegungen entspricht das (bis auf einen Zahlenfaktor der
Ordnung 1) der Situation, dass die thermische Wellenlange dem mittleren Teil-
chenabstand entspricht.
• Unsere bisherige Herleitung liefert keine physikalische Losung fur Temperaturen
unterhalb von Tc. Grund hierfur ist die implizite Annahme, dass der thermody-
namische Limes (der Ubergang von einer Impussumme zu einem Impulsintegral)
unproblematisch ist. Fur µ → 0 ist dies aber nicht mehr gewahrleistet, denn bei
µ = 0 verhalt sich die Besetzungszahl des Grundzustandes (p→ 0), wie
npµ→0−→ 1
eβ p2/2m − 1
p→0−→ ∝ 1
p2(230)
und ergibt einen divergenten Beitrag zur Impulssumme. Diese Divergenz geht beim
Ubergang zum Impulsintegral verloren, denn∫ ε
0d3p/p2 ist regular (und tragt im
thermodynamischen Limes sogar nur mit Maß Null zum Gesamtintegral bei). D.h.
die Besetzung des Grundzustandes n0 fur µ→ 0 wird in der bisherigen Herleitung
vollkommen falsch beschrieben.
• Zur Korrektur behandeln wir den Beitrag des Grundzustandes n0 ≡ N0 separat
und schreiben
N =∑p
np = n0 +V
(2π~)3
∫d3p np ≡ N0(T ) +
V
λ3T
g3/2(z) (231)
mit der FallunterscheidungT > Tc : n0
N→ 0 im thermodyn. Limes (s.o.)
T < Tc : N0 = O(N) makroskopisch besetzter Grundzustand
(232)
• Unterhalb der kritischen Temperatur32 vereinfacht sich die obige Formel zu
N = N0 + Vλ3Tζ(3/2) (T ≤ Tc) (233)
Wenn wir das wieder auf die kritische Temperatur (s.o.) beziehen, erhalten wir
N0(T )
N= 1−
(T
Tc
)3/2
(T ≤ Tc) (234)
Hieraus lesen wir ab: (→ Skizze)
32Dort verhalt sich µ ' −kBTN0→ 0− fur N0 ∼ O(N) im thermodynamischen Limes.
60
– Makroskopische Besetzung des Grundzustands unterhalb von Tc.√
– Fur T → 0 geht N0 → N√
– Tc lasst sich als Ubergangstemperatur fur die sog. “Bose-Einstein–Kondensation”
interpretieren (ahnlich wie beim Kondensieren von Wasserdampf, bilden die
N0 Teilchen im Grundzustand ein Kondensat, dass z.B. nicht mehr zum Druck
beitragt).
• Die innere Energie des idealen Bosegases lasst sich analog berechnen. Zunachst
schreiben wir unter Verwendung von (224)
εp np =∞∑l=1
zl(− 1
β
∂
∂l
)(e−βεp
)l. (235)
Wegen ε0 → 0 tragt hier der Grundzustand nicht zur inneren Energie bei, und wir
erhalten fur alle Werte von T
E(T, V, µ) =∑p
εp np =V
λ3T
∞∑l=1
zl(− 1
β
∂
∂l
)1
l3/2
=3
2kBT
V
λ3T
∞∑l=1
zl
l5/2=
3
2kBT
V
λ3T
g5/2(z) . (236)
• Hieraus lasst sich die spezifische Warmekapazitat CV berechnen:
– Fur T < Tc mit µ = 0, z = 1 ergibt sich einfach (mit λT ∝ 1/√T )
CV (T )
NkB=
1
NkB
(∂E
∂T
)V,N
=15
4
v
λ3T
ζ(5/2) (237)
Wenn wir dies wieder durch Tc ausdrucken, ergibt sich
CV (T )
NkB=
15
4
(T
Tc
)3/2ζ(5/2)
ζ(3/2)(238)
∗ Die kondensierten Teilchen tragen nicht zur Warmekapazitat bei.
∗ Fur T → 0 verschwindet CV (T ) ∼ T 3/2 (vgl. 3. Hauptsatz)
∗ Unterhalb von TC wachst CV monoton mit der Temperatur bis auf einen
WertCV (Tc)
NkB=
15
4
ζ(5/2)
ζ(3/2)>
3
2
(mit ζ(5/2) = 1.341 . . .)
– Fur T > Tc muss auch die Temperaturabhangigkeit des chemischen Potentials
berucksichtigt werden. Als Ergebnis erhalt man (s.u.)
61
∗ CV (T ) ist stetig bei T = Tc
∗ C ′V (T ) ist nicht stetig → Warmekapazitat als Ordnungsparameter fur
Phasenubergang zum BE-Kondensat.
∗ Oberhalb von Tc fallt CV (T ) fur große Temperaturen monoton auf den
Wert 32NkB des klassischen idealen Gases ab.
62
15. Vorlesung (Do 13.7.2017)
Berechnung der Warmekapazitat des Bosegase oberhalb von Tc: Fur
T > Tc mussen wir die Temperaturabangigkeit von z = eβµ berucksichtigen, da
jetzt µ 6= 0. Somit erhalten wir
CV (T )
NkB=
15
4
v
λ3T
g5/2(z) +3
2
v
λ3T
g′5/2(z)
(∂z
∂T
)V
, mit v ≡ V/N (239)
Aus dem Ergebnis fur N bei T > Tc (d.h. N0(T ) = 0) ergibt sich andererseits
1 =v
λ3T
g3/2(z) , , (240)
und, bei Ableiten nach der Temperatur
0 =3
2T
v
λ3T
g3/2(z) +v
λ3T
g′3/2(z)
(∂z
∂T
)V
. (241)
Wenn wir das in die obige Gleichung einsetzen, lasst sich das Ergebnis fur CVrelativ kompakt schreiben,
CV (T )
NkB=
15
4
g5/2(z)
g3/2(z)− 9
4
g′5/2(z)
g′3/2(z)=
15
4
g5/2(z)
g3/2(z)− 9
4
g3/2(z)
g1/2(z), (242)
wobei im letzten Schritt benutzt wurde, dass mit der Darstellung von gν(z) als
unendliche Reihe folgt, dass z g′ν(z) = gν−1(z) gilt. An der kritischen Temperatur,
T → T+c , gilt also:
– Da g1/2(z → 1) =∑∞
`=11√l→ ∞, verschwindet der zweite Term bei Tc, und
der erste Term ist identisch zum Fall T → T−c (s.o.). Somit ist CV (T ) stetig
bei T = Tc.
– Fur die Ableitung der Warmekapazitat, C ′V (T ) gilt dass dann allerdings nicht
mehr, d.h. die entsprechende Kurve hat einen Knick bei T = Tc.
– Somit steigt CV (T ) unterhalb von Tc zunachst auf einen Wert CV (Tc) >32NkB
an und fallt dann oberhalb von Tc monoton auf den Wert des idealen Gases,
CV (T Tc)→ 32NkB, ab.
Anmerkungen:
– In der Realitat ergibt sich fur Helium-4 eine Ubergangstemperatur von Tc =
2.17 K, wobei Helium-4 bei diesen Temperaturen flussig ist (und damit das
spezifische Volumen festliegt, v = 46 A3). Das entspricht nicht ganz dem
Wert, der sich fur das ideale Bose-Gas ergibt (3.13 K). Offensichtlich sind im
flussigen Helium die interatomaren Wechselwirkungen nicht vernachlassigbar.
Trotzdem ist das ideale Bose-Gas ein gutes Modell, um den Phasenubergang
qualitativ zu verstehen, denn im Vergleich dazu zeigt das fermionische Helium-
3 keinen solchen Phasenubergang.
63
– Fur die thermische Zustandsgleichung des idealen Bose-Gas gilt unterhalb der
kritischen Temperatur
p =2
3
E
V=kBT
λ3T
ζ(5/2) = p(T ) (T < Tc) (243)
d.h. unterhalb von Tc hangt der Druck nicht von Volumen/Dichte ab (bei
festem T ). D.h. versucht man die Flussigkeit zu komprimieren (V kleiner),
vergrossert sich nicht der Druck, sondern es gehen einfach mehr Teilchen ins
Kondensat uber −→ horizontale Isotherme im p-V –Diagramm!
3.3 Phononengas ↔Quasiteilchen fur Schallanregungen im Festkorper
Ahnliche Argumentation wie beim Photongas:
• Fur ein periodisches Kristall konnen wir die unabhangigen Schwingungsmoden
durch ebene Wellen beschreiben.
• Diese lassen sich dann als harmonische Oszillatoren quantisieren, so dass der Ha-
miltonoperator
H =∑k,λ
ε(~k) n(~k, λ) + E0 (244)
lautet, mit der Grundzustandsenergie E0 = Ngε0.
• Im Unterschied zu Photonen, gehorchen die Gitterschwingungen i.A. komplizier-
teren Dispersionsrelationen.33 Weiterhin weisen die Gitterschwingungen mehr Po-
larisationen auf (fur ein kubisches Gitter zwei in transversaler Richtung und eine
in longitudinaler Richtung). Fur Details wird auf die Vorlesungen zur Festkorper-
physik verwiesen.
• Beim Ubergang von der Summe uber Wellenzahlen zur Integration uber Energie-
bzw. Frequenzwerte mussen wir deshalb jetzt eine allgemeine Zustandsdichte g(ω)
annehmen, so dass ∑~k
−→ 3Ng
∫ ∞0
g(ω) dω , (245)
33Z.B. ergibt ein einfaches Modell einer linearen Kette von Atomen mit Masse m, Gitterabstand a
und Federkonstante f eine Dispersionsrelation
ε(k) = ~ω = 2~√f
msin
ka
2.
64
wobei wir den Faktor fur die 3 Polarisationen und die Ng Gitterplatze herausgezo-
gen haben, so dass g(ω) auf den Wert 1 normiert ist.34
• Ansonsten erfolgt die Herleitung analog zum Photonengas, so dass jetzt z.B.
F (T, V ) = E0 + 3Ng kBT
∫ ∞0
dω ln(1− e−β ~ω) . (246)
• Daraus lassen sich dann wieder andere thermodynamische Großen ableiten. Insbe-
sondere ergibt sich der Beitrag der Phononen zur Warmekapazitat gemaß
S = −∂F∂T
,
E = F + TS = F − T ∂F
∂T= −T 2 ∂
∂T
F
T
= E0 + 3Ng
∫ ∞0
dω g(ω)~ω
eβ ~ω − 1,
CV =∂E
∂T=
3Ng
kBT 2
∫ ∞0
dω g(ω)(~ω)2 eβ ~ω
(eβ ~ω − 1)2 (247)
– Im Grenzfall T → 0 sind nur kleine Energien/Wellenzahlen relevant. Dann
kann man die Dispersionsrelation linear nahern,
ω(~k) = cS |~k| .
Hierbei entspricht cS der Schallgeschwindigkeit, wobei i.A. zwischen den Schall-
geschwindigkeiten fur longitudinale und transversale Wellenausbreitung zu
unterscheiden ist (im Folgenden cL bzw. cT ).
Damit kann man direkt die Ergebnisse des Photonengas ubernehmen, wobei
lediglich die Ersetzung2
c3−→ 2
c3T
+1
c3L
vorzunehmen ist. Insbesondere erhalt man fur die Energie und Warmekapa-
zitat bei kleinen Temperaturen dann (s.o.)
E =π2
30
k4B
~3
(2
c3T
+1
c3L
)T 4 V + E0 ,
CV =2π2
15
k4B
~3
(2
c3T
+1
c3L
)T 3 V , (kleine T ) (248)
wobei die zweite Gleichung als “Debye-Gesetz” bekannt ist.
34Man darf hier die Anzahl Ng der Gitterplatze (Multiplizitat der unabhangigen Oszillatoren) nicht
mit der Gesamtzahl N =∑~k
n(ε) der Phononenanregungen verwechseln!
65
– Im Grenzfall T →∞ vereinfacht sich der Integrand, denn
1
eβ ~ω − 1
β→0−→ 1
β~ω,
so dass
E = E0 + 3Ng kBT
∫ ∞0
g(ω) dω = E0 + 3Ng kBT ,
CV = 3Ng kB , (249)
was als “Dulong-Petit-Gesetz” bezeichnet wird. Insbesondere hangt die
Warmekapazitat bei großen Temperaturen also nicht mehr von den Details
des Festkorpers (und der Dispersionsrelation) ab, sondern nur von der Anzahl
der Freiheitsgrade der Schwingungsmoden.
3.4 Ideales Fermi-Gas
Wir interessieren uns wieder fur den Grenzfall tiefer Temperaturen, wo λ3T ∼ V .
• Wegen Pauli-Prinzip gibt es keine makroskopische Besetzung des Grundzustands.
• Vielmehr ergibt sich aus der Fermi-Dirac–Verteilung
n(ε) =1
εβ(ε−µ) + 1
T→0−→
1 fur ε < µ
0 fur ε > µ(250)
d.h. es werden die tiefst moglichen Energieniveaus aufgefullt (modulo Spin-Entartung).
• Man bezeichnet den Wert des chem. Potentials bei T = 0 als “Fermi-Energie”,
εF ≡ µ(T = 0, V/N) , (251)
so dass
n(ε)∣∣∣T=0
= θ(εF − ε) (252)
mit der Stufenfunktion θ(x).
• Fur ein freies Fermigas (welches z.B. als Modell fur die Leitungselektronen im Me-
tall dient) lauten die 1-Teilchen-Energien wieder einfach ε = p2/2m. Entsprechend
definieren wir den “Fermi-Impuls” uber
εF =p2F
2m(fur freies Fermi-Gas). (253)
66
• Die makroskopischen Zustandsgroßen erhalten wir gemaß
E(T, V, µ) =∑sz
∑~p
p2
2mn(ε) ,
N(T, V, µ) =∑sz
∑~p
n(ε) , etc. (254)
Fur Elektronen ergibt die Spinsumme einfach den Spin-Entartungsgrad, und im
thermodynamischen Limes ersetzen wir die Impulssumme wieder uber ein Integral,∑sz ,~p
→ 2V
(2π~)3
∫d3p (Spin-1/2). (255)
• Fur T = 0 ergibt sich dann einfach
N =2V
(2π~)3
∫ pF
0
4πp2 dp =2V
(2π~)3
4π p3F
3, (256)
wobei der zweite Faktor einfach das Volumen der sog. “Fermi-Kugel” im Impuls-
raum ist. Umstellen nach pF bzw. εF liefert
pF = ~(
3π2 N
V
)1/3
, εF =~2
2m
(3π2 N
V
)2/3
. (257)
• Aus der allgemeinen Relation pV = 23E (fur eine Dispersionrelation ε ∼ p2 in 3
Dimensionen) ergibt sich entsprechend der sog.
“Fermi-Druck”: PF =2
5εFN
V=
~2
5m
(3π2)2/3
(N
V
)5/3
. (258)
Im Vergleich zum Bose-Gas geht der Druck also fur T → 0 nicht gegen Null,
sondern nimmt einen endlichen Wert an. (Dieser Druck ist z.B. fur die Stabilisation
von Neutronensternen (gegen die Gravitationskraft) und fur die Inkompressibilitat
von festen und flussigen Korpern verantwortlich.)
67
16. Vorlesung (Fr 14.7.2017)
Fermi-Verteilung bei kleinen Temperaturen
Wir betrachten im Folgenden kleine Temperaturen, bei denen
• µ(T, V/N) ≈ µ(0, V/N) = εF
• εF kBT bzw. T TF ≡ εF/kB (“Fermi-Temperatur”)35
Dann macht es Sinn, die Fermi-Verteilung entsprechend umzuschreiben,
n(ε) := θ(µ− ε) + η(x) , mit x = β(ε− µ) ,
⇔ η(x) =1
ex + 1− θ(−x) . (259)
• Die Funktion η(x) ist ungerade in x,
η(−x) =1
e−x + 1− θ(x) =
ex
1 + ex− (1− θ(−x)) =
ex − ex − 1
1 + ex+ θ(−x) = −η(x) #
• Die Funktion η(x) ist nur im Bereich ε = εF±O(kBT ) signifikant von Null verschie-
den. D.h. die “Fermi-Kante” in der Stufenfunktion bei T = 0 wird entsprechend
“aufgeweicht” (→ Skizze)
Sommerfeld-Entwicklung
Zur Berechnung thermodynamischer Großen (z.B. spezifischer Warme) benotigen wir
Integrale uber die Fermi-Dirac-Verteilung,
I =
∫ ∞0
dε f(ε)n(ε) . (260)
• Mit den obigen Uberlegungen fur T TF schreiben wir das um
I =
∫ µ
0
dε f(ε) +
∫ ∞0
dε f(ε) (n(ε)− θ(µ− ε)) . (261)
Der erste Term entspricht dem Fall T = 0, wahrend der Ausdruck in Klammern
im 2. Term gerade unserer Funktion η(x) entspricht.
• Da η(x) nur fur kleine Argumente x beitragt, konnen wir im 2. Integranden auch
die Funktion f(ε) um ε = µ entwickeln, so dass nach Variablensubstitution
I =
∫ µ
0
dε f(ε) +1
β
∫ ∞−βµ
dx
(f(µ) + f ′(µ)
x
β+ . . .
)η(x) . (262)
35Z.B. haben Elektronen in Natrium eine Fermi-Energie von 3.24 eV, was TF = 3.77 ·104 K entspricht,
d.h. die folgenden Naherungen sind dort sogar bei Zimmertemperatur anwendbar.
68
• Schließlich gilt nach Voraussetzung, dass βµ 1. Da gleichzeitig η(x) fur x→ −∞exponentiell abfallt, konnen wir die untere Integrationsgrenze im 2. Integral auf
−∞ setzen. Dann tragt aber wegen η(−x) = −η(x) nur der ungerade Anteil der
Taylorreihe von f(x) bei, so dass
I '∫ µ
0
dε f(ε) +f ′(µ)
β2
∫ ∞−∞
dx η(x) +O(T 4) =
∫ µ
0
dε f(ε) +π2
6β2f ′(µ) +O(T 4) .
(263)
Dieser Ausdruck lasst sich fur gegebene Funktion f(ε) leicht auswerten.
Wir wenden die Sommerfeld-Naherung nun auf die Gesamtteilchenzahl an:
• Startpunkt ist das Integral
N =2V
(2π~)3
∫d3p n(ε) , ε =
p2
2m. (264)
Wenn wir jetzt die Variablensubstitution
d3p = 4π p2 dp = 2π√ε (2m)3/2 dε (265)
einfuhren und weiterhin benutzen, dass
εF =~2
2m
(3π2 N
V
)2/3
⇒ (2m)3/2 =~3
ε3/2F
3π2 N
V, (266)
entspricht das dem Fall
f(ε) =3
2Nε1/2
ε3/2F
. (267)
• Wenn wir das entsprechende Integral I durch 3N/2ε3/2F teilen, erhalten wir aus
(263)
2ε3/2F
3=
∫ µ
0
dε ε1/2 +π2
6β2
1
2õ
=2
3µ3/2 +
π2
12(kBT )2 1
õ
(268)
• Wir schreiben µ = εF + (µ− εF ) = εF + ∆µ und entwickeln in ∆µ ∼ T 2,
2ε3/2F
3=
2
3(εF + ∆µ)3/2 +
π2
12(kBT )2 1√
εF + ∆µ
' 2
3ε
3/2F + ε
1/2F ∆µ+
π2
12(kBT )2 1
εF+O(T 4) , (269)
woraus folgt, dass
∆µ = µ− εF ' −π2
12
(kBT )2
εF= −π
2
12
(T
TF
)2
εF . (270)
69
Analog zum Bosegas verhalt sich das chemische Potential des Fermigases bei sehr
großen Temperaturen wieder wie µ → −∞. Daraus ergibt sich das qualitative Bild des
Temperaturverhaltens von µ(T ) bei festem V/N :
[→ Skizze]
• Fur T → 0 ist µ = εF (V/N).
• Danach fallt µ zunachst quadratisch ab.
• Im Bereich der Fermitemperatur wechselt µ das Vorzeichen.
• Weit oberhalb der Fermitemperatur fallt µ weiter monoton ab.
Im Falle der Berechnung der inneren Energie ergibt sich analog
f(ε) =3
2Nε3/2
ε3/2F
(271)
und somit
E∣∣∣TTF
' 3
2N
1
ε3/2F
(∫ µ
0
dε ε3/2 +π2
6β2
3
2
õ
)
=3
2N
1
ε3/2F
(2
5µ5/2 +
π2
6β2
3
2
õ
)(272)
Jetzt kann man noch µ = εF + ∆µ mit (270) zur Ordnung T 2 entwickeln, so dass sich
insgesamt
E∣∣∣TTF
' 3
5N εF +
π2
4N kB
(T
TF
)2
(273)
ergibt.
• Daraus erhalt man insbesondere fur die Warmekapazitat des idealen Fermigases
bei tiefen Temperaturen:
CV =π2
2
(T
TF
)NkB , (274)
also einen linearen Anstieg mit der Temperatur.
• Das ist physikalisch plausibel, denn fur T TF tragt gerade nur der Bruchteil
der Teilchen bei, welche Energien in der Nahe der Fermikante besitzen, und dieser
Bruchteil skaliert wie T/TF .
• Fur hohere Temperaturen T TF geht CV stetig (von unten) in den klassischen
Wert, 32NkB uber. [→ Skizze]
70
• Anmerkung: Wenn wir das Ergebnis z.B. auf die Leitungselektronen im Metall
anwenden, mussen wir beachten, dass auch die Atomschwingungen zur Warmeka-
pazitat beitragen, d.h. die experimentell zugangliche Große ist von der Form
CtotV = CPhononen
V + CElektronenV = αT 3 + γ T , (275)
wobei die Koeffizienten α und γ experimentell zu fitten sind und dann mit der
theoretischen Vorhersage verglichen werden konnen.
71
17. Vorlesung (Do 20.7.2017)
3.5 Reale Gase (und Flussigkeiten)
Bisher sind wir bei der Berechnung der Zustandssummen stets von idealisierten Systemen
ausgegangen, d.h. insbesondere
• keine Wechselwirkungen untereinander
• punktformige Teilchen (keine innere Struktur)
Im Folgenden wollen wir untersuchen, was sich ohne obige Naherungen andert.
3.5.1 Virialentwicklung
• Berucksichtigung der Wechselwirkung zwischen den Molekulen zur Beschreibung
von realistischen Gasen/Flussigkeiten⇒Naherungsverfahren fur hinreichend verdunn-
te Systeme (N/V klein).
• Ausgangspunkt: Kanonische Zustandssumme mit 2-Teilchen-WW:
Z =1
N !
∫dΓ e−βH
mit H = H0 +Hint =N∑i=1
|~pi|2
2m+
1
2
∑i 6=j
w (|~qi − ~qj|) (276)
Nach Integration uber die Impulse:
Z(T, V,N) =1
N !
∫ N∏k=1
d3qkλ3T
e−βHint (277)
mit thermischer Wellenlange λT (s.o.).
• Ubergang zur großkanonischen Zustandssumme:
Y (T, V, µ) =∞∑N=0
zN Z(T, V,N) mit Fugazitat: z = eβµ (278)
Aufgrund der Gibbs-Duhem–Relation gilt allgemein
lnY =pV
kBTund N = N =
1
β
∂ lnY
∂µ
• Betrachten wir das ideale Gas als Referenzfall, erhalten wir gerade
Zideal =1
N !
(V
λ3T
)N,
Yideal =∞∑N=0
zN1
N !
(V
λ3T
)N= exp
(zV
λ3T
)(279)
72
und damit
lnYideal = zV
λ3T
=pV
kBT= N (280)
– fur das ideale Gas ist lnY linear in der Fugazitat z.
– fur verdunnte Systeme ist z ≈ NVλ3T ein geeigneter Entwicklungsparameter
• Deshalb: Entwicklung fur allgemeine Systeme:
pV
kBT= lnY ' zb1 + z2b2 + . . .
z↔N/V' N
(1 +
N
VB1 +
N2
V 2B2 + . . .
)(281)
Der Koeffizient B1 beschreibt dann die 1. Korrektur zur thermischen Zustandsglei-
chung des idealen Gases.
• Aus dem Zusammenhang zwischen großkanonischer und kanonischer Zustandssum-
me kann man die Entwicklung in der Fugazitat direkt konstruieren:
lnY = ln
(∞∑N=0
zN Z(T, V,N)
)= ln
(1 + z Z(T, V, 1) + z2 Z(T, V, 2) + . . .
)= z Z1 + z2
(Z2 − Z2
1/2)
+ . . . (282)
mit
Z1 ≡ Z(T, V, 1) =
∫d3q
λ3T
=V
λ3T
,
Z2 ≡ Z(T, V, 2) =1
2!
∫d3q1 d
3q2
λ6T
e−βHint (283)
Daraus ergeben sich die Entwicklungskoeffizienten:
b1 = Z1 , b2 = Z2 − Z21/2 =
1
2
∫d3q1 d
3q2
λ6T
(e−βHint − 1
)Wir benotigen also lediglich ein Integral uber die 2-Teilchen-WechselwirkungHint =
w(|~q1 − ~q2|).
• Aus der Virialentwicklung von lnY ergibt sich direkt die Entwicklung der Teilchen-
zahl,
N =1
β
∂ lnY
∂µ' b1 z + 2b2 z
2 + . . . (284)
73
und daraus durch Quotientenbildung
pV
NkBT=
b1z + b2z2 + . . .
b1z + 2b2z2 + . . .= 1− b2
b1
z + . . .
z'N/b1= 1− b2
b21
N + . . . ≡ 1 +B1(T )N
V+ . . . (285)
woraus wir den ersten (nicht-trivialen) Virialkoeffizienten ablesen,
B1(T ) = −b2
b21
V = − 1
2V
∫d3q1 d
3q2
(e−βHint − 1
)(286)
• Fur radialsymmetrische Wechselwirkungen konnen wir Radial- und Relativkoordi-
naten einfuhren, ~R = ~q1+~q22
, ~r = ~q1 − ~q2, Hint = w(r), ergibt sich
B1(T ) = −2π
∫dr r2
(e−βw(r) − 1
)(287)
• Aus dem makroskopischen Virialkoeffizienten B1(T ) lassen sich damit Ruckschlusse
auf die mikroskopische Wechselwirkung w(r) ziehen, und umgekehrt.
3.5.2 van-der-Waals–Zustandsgleichung
Aus einem Ansatz fur das WW-Potential w(r) unter der weiteren Annahme, dass |w(r)| <kBT , berechnen wir den Virialkoeffizienten B1(T ) und erhalten ein Modell fur ein “reales
Gas” bzw. fur eine reale Flussigkeit:
• Bei kleinen Abstanden stoßen sich die Elektronenhullen der einzelnen Atome/Molekule
ab: In erster Naherung verhalten sich die Teilchen dort wie harte Kugeln, so dass
w(r)→∞ fur r < r0
• Bei großeren Abstanden ergibt sich durch die Polarisation der Atome/Molekule ein
(schwaches) anziehendes Potential (z.B. van-der-Waals–Wechselwirkung zwischen
Wassermolekulen)
Ansatz: w(r) = −w0
(r0
r
)sfur r ≥ r0 (288)
mit einer positiven Potenz s (s.u.) und w0 < kBT .
• Fur die Berechnung des Virialkoeffizienten B1(T ) erhalten wir
B1(T ) = −2π
∫dr r2
(e−βw(r) − 1
)= 2π
∫ r0
0
dr r2 + 2π
∫ ∞r0
dr r2(1− e−βw(r)
)' 2π
∫ r0
0
dr r2 − 2πβw0
∫ ∞r0
dr r2(r0
r
)s(289)
74
Das 2. Integral existiert fur s > 3 (in der Praxis betrachtet man haufig s = 6) und
man erhalt durch elementare Integration insgesamt
B1(T ) =2π
3r3
0
(1− 3
s− 3
w0
kBT
)≡ b− a
kBT(290)
• Qualitativ konnen wir den Virialkoeffizienten also (unabhangig von den Details der
Wechselwirkung) durch 2 Koeffizienten, a, b, charakterisieren, wobei
– b mit dem durch das “hard-core”–Potential ausgeschlossene Volumen korre-
spondiert, b ∝ r30;
– a proportional zur anziehenden Wechselwirkung ist, a ∝ w0, und im Virialko-
effizienten mit einem Faktor 1/kBT eingeht.
• Damit lasst sich die Korrektur zur thermischen Zustandsgleichung angeben
pV
NkBT'(
1 + bN
V− a
kBT
N
V
)⇔
(p+ a
(N
V
)2)
(V −Nb) ' NkBT
“van-der-Waals–Zustandsgleichung”
(291)
Im Einklang mit der physikalischen Anschauung reduziert der Parameter b im Ver-
gleich zum idealen Gas (mit als punktformig angenommenen Atomen) das zur
Verfugung stehende Volumen, V → V − b; wahrend der Parameter a einer effekti-
ven Vergroßerung des außeren Drucks entspricht, p→ p + a(N/V )2, welche durch
die attraktive WW zwischen den Atomen zustande kommt und deshalb proportio-
nal zum Quadrat der Teilchendichte (N/V )2 ist.
Qualitativer Verlauf der Isothermen des vdW-Gases
Wir betrachten
p(V )∣∣T
=NkBT
V − bN− a N
2
V 2
• Bei Multiplikation mit V 2 ergibt sich ein Polynom 3. Grades in V . Somit hat die