gkrampen 1 Thema 5.5 Thema 5.5 Substanzinduzierte Störungen Substanzinduzierte Störungen Universität Trier FB I - Psychologie Abt. Klinische Psychologie, Psychotherapie und Wissenschaftsforschung Prof. Dr. Günter Krampen Klinische Psychologie (A) Klinische Psychologie (A) WS 2004/2005 WS 2004/2005 Vorlesung mit Diskussion (# 1768) Montags, 14-16 Uhr, HS 8
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Thema 5.5 Substanzinduzierte Störungen · • Delirium tremens bei plötzlichem Absinken des Blutalkoholspiegels • primär visuelle und taktile Halluzinationen: de facto „weiße
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5.6 Sexuelle Störungen und Dysfunktionen5.7 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen5.8 Entwicklungsstörungen sowie Verhaltensstörungen und emotionale Störungen mit
Beginn in Kindheit/Jugendalter5.9 Geriatrische Störungen
Exkurs: Abnorme Gewohnheiten und Störungen der ImpulskontrolleExkurs: Intelligenzminderungen
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Literaturhinweise zu Thema 5.5: Substanzinduzierte StörungenBasisliteraturB&P, Kap. 34; D&N, Kap. 12ErgänzungslektüreICD-10: F1x, F55.xDSM-IV-TR: 303.00, 291.x, 292.x, 305.90, 304.80 (Achse I)VertiefungsliteraturElsesser, K. & Sartory, G. (2001). Medikamentenabhängigkeit. Göttingen: Hogrefe.Krampen, G. & Petry, J. (1987). Klinische Evaluation eines Gruppenprogramms zur Motivation und
Information von Alkoholabhängigen. Zeitschrift für Klinische Psychologie, 16, 58-71.Krampen, G. & Petry, J. (1987). Zur Behandlungsmotivation von Alkoholabhängigen: Ein Frage-
bogen zu ihrer Erfassung (EFB), ihre Beeinflußbarkeit durch ein Gruppenprogramm und Bezüge zum Therapieerfolg. Diagnostica, 33, 144-155
Petry, J. (unter Mitarbeit von G. Krampen). (1985). Alkoholismustherapie: Vom Einstellungswandel zur Kognitiven Therapie. München: Urban & Schwarzenberg.
Tretter, F. & Müller, A. (Hrsg.). (2001). Psychologische Therapie der Sucht: Grundlagen, Diagnostik, Therapie. Göttingen: Hogrefe.
Rihs, M. & Lotti, H. (mit Illustrationen von Niki de Saint Phalle). (1993). Frei vom Rauchen: Gezielt aufhören - und das Leben neu genießen. Bern: Huber.
HilfsmittelBandelow, B., Bleich, S. & Kropp, S. (2000). Handbuch Psychopharmaka. Göttingen: Hogrefe.Köhler, T. (2002). Pharmakotherapie in der Psychotherapie: Ein Kompendium für Psychologen und
psychologische Psychotherapeuten. Lengerich: Pabst.Rote Liste Service GmbH (Hrsg.). (2003ff). ROTE LISTE <Erscheinungsjahr>: Arzneimittelver-
zeichnis für Deutschland (einschließlich EU-Zulassungen). Aulendorf: ECV Editio Cantor Verlag.
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Symptomatologie, Syndromatik und Differentialdiagnostik der SubsSymptomatologie, Syndromatik und Differentialdiagnostik der Substanztanz--induzierten Störungen nach ICDinduzierten Störungen nach ICD--1010
• in ICD-10: vollkommende Neuordnung der durch psychotrope Substanzen bedingten psychischen Störungen und Verhaltensstörungen
• durchgängige Vermeidung des Suchtbegriffs (schimmernder Bedeutungshof)• Implikationen der Weitergabe dieser Diagnosen müssen stets besonders
reflektiert werden• relevante Unterkapitel der ICD-10
• F1x.xx: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen• F55.x: Missbrauch von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen• Differentialdiagnostische Abgrenzung zu
• F63.x: abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle (wie pathologische Spielen, Kleptomanie, Konsumrausch)
• F05.x: wenn organisch bedingtes Delir im Vordergrund steht (ohne Substanzabusus)
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Symptomatologie, Syndromatik und Differentialdiagnostik der SubsSymptomatologie, Syndromatik und Differentialdiagnostik der Substanztanz--induzierten Störungen nach ICDinduzierten Störungen nach ICD--1010
• allgemeine Diagnostische Leitlinien für F1x.xx• für Diagnose sind stets Information aus verschiedenen Quellen (i.d.R. auch
biochemische Laborwerte) notwendig• Spezifikation nach
• verwendeter Substanz (3. Stelle der Kodierung)• F19: ... multipler Substanzgebrauch - nur bei chaotischem wahllosem
• Achtung: interkultureller Konsens führte zu hoher diagnostischer Sensibilität• recht sensible Kriterien bei Alkohol (F10.x) und Tabak (F17.x) für
• „schädlichen Gebrauch“ (F1x.1; ca. 14% der dt. Erwachsenen)• „Abhängigkeit“ (F1x.2; 5-6% der dt. Erwachsenen)
• nach DSM-IV-TR auch hohe diagn. Sensibilität für „schädlichen Gebrauch“und „Abhängigkeit“ durch Koffein (F15.xx) - US-Abrechnungs- und Versicherungssystem!
• allgemeine Diagnostische Leitlinien für F55.x• unnötig verlängerte Einnahme mit oft exzessiver Dosierung von ärztlich ver-
schriebenen und/oder rezeptfreien Medikamenten ohne Abhängigkeitspotential• oft verbunden mit unnötigen hohen Ausgaben und/oder überflüssigen
Kontakten zu Ärzten, Kliniken etc.• 3. Kodierungsstelle: Art der Substanz
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Epidemiologie und Folgen: Substanzübergreifendes (F1x.xx)Epidemiologie und Folgen: Substanzübergreifendes (F1x.xx)
• Epidemiologie (BRD 2000)• Lebenszeitprävalenz für alle psychotropen Substanzen: F: 15% M: 25%• 1-Jahres-Prävalenz für illegale psychotrope Substanzen: F: 10% M: 15%
• Differentialdiagnostik von Abhängigkeit (F1x.2): minimal 3 von 7 Kriterien mit einer Dauer von > 1 Jahr
• Toleranzentwicklung• Entzugssymptome• höhere und längere Dosierung als beabsichtigt• Reduktionsversuche• Zeitaufwand für Beschaffung oder Erholung von Wirkungen• Konsum trotz psychischer/körperlicher Folgen• Aufgabe oder Einschränkung wichtiger sozialer, beruflicher oder privaten
Aktivitäten• Differentialdiagnostik von Missbrauch (F1x.1): minimal 1 von 4 Kriterien
infolge von Substanzkonsum• Versagen bei wichtigen Verpflichtungen (Fernbleiben von Schule/Univ./Arbeit;
Vernachlässigung von Kindern etc.)• körperliche Gefährdung (Autofahren, Bedienung von Maschinen etc.)• Konfrontation mit Gesetz• fortgesetzte soziale oder zwischenmenschliche Probleme
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StStöörungen durch Alkohol (F10.xx)rungen durch Alkohol (F10.xx)• Epidemiologie (BRD 2000)
• Lebenszeitprävalenz in BRD: F: 2% M: 9%• 1-Jahres-Prävalenz in BRD: F: 1% M: 4%• Risikoalter: nimmt mit Alter zu (max. 20-44 Jahre), dann wieder ab (erhöhte Mortalität!)
• Spezifika des Alkoholabusus und Alkoholismus• deutliche Toleranzsteigerung und unkontrolliertes Trinken• massive psychische und körperliche Entzugssymptome• Delirium tremens bei plötzlichem Absinken des Blutalkoholspiegels
• primär visuelle und taktile Halluzinationen: de facto „weiße Mäuse“, Insekten, Haar- und Staubbüschel aus Lebensalltag durch kortikale Übererregung großer visueller und taktiler Hirnregionen (aber ohne kortikale Fehlfunktionen im auditiven Cortex wie etwa bei Schizophrenen)
• provozierbar durch weißes Blatt mit Bitte, Text vorzulesen - sie tun es (zumindest einige)• erhebliche Versorgungskosten (4 x höher als bei Abstinenten), hohe Unfallzahlen und erhöhte
Kriminalitätsraten (etwa 1/3 aller Straftaten erfolgen unter Alkohol)• unterschiedliche (meist chronifizierende) Störungsverläufe
• fragliche Typologie nach Jellinek (1952):Alpha-Trinker: Konsum ohne Kontrollverlust zur ProblembewältigungBeta-Trinker: Konsum aus Anpassung und Gewohnheit mit evtl. körperlichen FolgenGamma-Trinker: chron. Konsum mit Kontrollverlust, Abhängigkeit, sozialen BeeinträchtigungenDelta-Trinker: Alkoholkrankheit mit Abhängigkeit und Abstinenzunfähigkeit (chron.)Epsilon-Trinker: exzessiver Konsum mit Kontrollverlust für Tage, Wochen oder Monate
• widersprüchliche Befunde zu Jellineks Typologie; passt u.a. kaum auf Frauen• Frauen trinken regelmäßiger, öfter alleine und entwickeln daher schneller eine Abhängigkeit• Männer trinken episodisch-unregelmäßiger sowie in Gesellschaft und öffentlich
• Komorbiditäten und Wirkungen => ff
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StStöörungen durch Alkohol (F10.xx) ffrungen durch Alkohol (F10.xx) ff
• Komorbidität• Alkoholmissbrauch ist oft Teil einer Polytoxikomanie (= mehrere, viele F1x.)• erhöhte Komorbidität (80%) vor allem mit Tabakabusus/Abhängigkeit aufgrund
von Kreuztoleranz: Nikotin und Alkohol verstärken sich gegenseitig in Wirkung• erhöhte Komorbidität mit Persönlichkeitsstörungen; affektiven Störungen;
• massiver Risikofaktor in Schwangerschaft für geistige und körperliche Beh.• mäßiger Alkoholkonsum und Gesundheit?
• „französisches Paradox“: Franz. haben trotz fettreicher Mahlzeiten eher niedrige Cholesterinspiegel <=> mäßiger Rotweinkonsum <=> Lebensstil?
• mäßiger Alkoholkonsum (vor allem Rotwein) reduziert de facto KHK-Risiko• wegen physiologischen Effekten bei Erhöhung der Koronardurchblutung?
ODER• wegen weniger leistungsorientiertem Lebensstil, weniger hostility (Typ-A)?
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StStöörungen durch Opioide (F11.xx)rungen durch Opioide (F11.xx)• Allgemeines
• Opiate: Opium und seine Derivate Morphium, Heroin und Codein• hohes Abhängigkeitspotential• schmerzlindernd und einschlaffördernd• bekannt seit 7000 v.Chr. (Sumerer) als „Pflanze der Freude“• Morphium: Isolation von Rohopium als Pulver (1806) - hoch potentes
Beruhigungs- und Schmerzmittel mit hohem Abhängigkeitspotential• Heroin: Derivat des Morphium (1874) - hoch potentes, schneller wirkendes
„Allheilmittel“ in Medizin des 19. Jahrh. mit hohem Abhängigkeitspotential• Epidemiologie (BRD 2000)
• euphorische Benommenheit mit Träumereien, Beeinträchtigungen der Koordination, starker Initialwirkung (Ekstase, „rush“), Steigerung des Selbstbewusstseins, Sorgen- und Angstfreiheit für 4-6 Stunden mit dramatischem Abfall (bis zum Stupor)
• sehr starke Entzugserscheinungen (bei Heroin schon 8 h nach letzter Injektion) mit langer Dauer (72 h) und Abbau nach 5-10 Tagen
• massiv erhöhte Mortalität (50% durch Suizid, Mord und Unfälle; 30% durch Überdosis)
StStöörungen durch Cannabinoide (F12.xx)rungen durch Cannabinoide (F12.xx)
• Allgemeines• Marihuana: getrocknete und zerriebene Blätter/Blüten von Cannabis sativa• Haschisch (viel stärker): getrocknetes Harz aus Spitzen „guter“ Cannabis sativa• bis 19. Jahrh.: Verwendung für Hanf-Seile/-Tuche sowie als Medikament gegen Rheuma,
Gicht, Depression, Cholera, Neuralgien (schmerzlindernd und stimmungsaufhellend)• seit 70er Jahren es 20.Jahrh.: Studien zum Nutzen bei Linderung der Nebenwirkungen von
Chemotherapie & zum Nutzen gegen Begleitsymptome von AIDS (etwa gegen Übelkeit)• Epidemiologie (BRD 2000)
• Lebenszeitprävalenz für Probieren bei < 40jährigen: 20%• 1-Jahres-Prävalenz für anhaltenden Cannabisabusus/-abhängigkeit: 0,3%• Risikoalter: Adoleszenz und frühes Erwachsenenalter
• Spezifika • psychische Wirkungen
• kurzfristig: Stimmungsveränderungen (zwischen entspannt bis panisch); kognitive Beeinträchtigungen (vor allem KZG-Verlust); psychomotorische Beeinträchtigungen für komplexere Abläufe (Autofahren)
• längerfristig: Hinweise auf langfristige Gedächtnisbeeinträchtigungen und erhöhte Inzidenz psychischer Störungen im Erwachsenenalter
• körperliche Wirkungen:• kurzfristig: leichter Blutdruckanstieg, Augenrötung und -jucken, Mund- und
Rachentrockenheit, Appetitzunahme; irreversible Lungengewebsschäden bei C.-Rauchen
• langfristig: Toleranzentwicklung ist nachgewiesen, körperliche Entzugssymptome sind bislang unklar (falls Abhängigkeit, dann weniger schwerwiegend als bei Nikotin, Kokain, Alkohol)
• Phänomen der Toleranzumkehr: erfahrene C.-Raucher erreichen Effekte sehr schnell ...
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StStöörungen durch Sedativa oder Hypnotika (F13.xx)rungen durch Sedativa oder Hypnotika (F13.xx)
• Allgemeines• Sedativa: Beruhigungs-, Schlaf- und Entspannungsmittel, die körperliche Aktivität und
Reaktionsbereitschaft mindern• synthetische Barbiturate und Tranquilizer wie Alprazolam (Tafil), Bromozapem
(Lexotanil), Larazepam (Tavor) und Diazepam (Valium) sowie auch Opiate => F11.x• Barbiturate (ab 1903) mit erheblichem Abhängigkeitspotential (erkannt 1944)• Benzodiazepine (z.B. Valium): heute verbreiteter
• Hypnotika: Untergruppe der Schlafmittel wie etwa Flurazepam (Dalmadorm, Staurodorm Neu), Loprazolam (Sonin), Triazolam (Halcion)
• Epidemiologie• Weltjahresproduktion von Sedativa reicht für 50 Tabletten/Jahr für jeden Erdenbürger ...
• Spezifika • Wirkungen bei niedriger Dosierung: Muskelentspannung, Angstmilderung („Anxiolytica“),
und leichte Euphorie durch GABA-System-Stimulierung• Wirkung bei hoher Dosierung: Beeinträchtigungen von Motorik (Sprechen, Gehen etc.),
Konzentration, Urteilsvermögen, Arbeitsfähigkeit; erhöhte Reizbarkeit und Aggressivität mit Abfall in tiefen Schlaf
• sehr hohe Dosierung kann tödlich sein (Erstickung wegen max. Entspannung der Zwerchfellmuskulatur) => Suizide
• langer Abusus führt zu Abhängigkeit mit starker Toleranzentwicklung, schweren Entzugssymptomen, Hirn- und Persönlichkeitsschäden - typologische Differenzierung
• 1. meist junge, oft antisoziale Drogenabhängige mit Polytoxikomanie• 2. Mittelschichtangehörige mit initialer und anhaltender ärztlicher Verschreibung• 3. Ärzte, Pflegepersonal, Pharmazeuten
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StStöörungen durch Kokain (F14.x) und andere Stimulantien, einschlierungen durch Kokain (F14.x) und andere Stimulantien, einschließßlichlichKoffein (F15.xx)Koffein (F15.xx)
Allgemeines• Stimulantien: wirken auf Gehirn und Sympathikus, verstärken Wachheit und motorische
Aktivität• natürliches Stimulans: Kokain = Alkaloid-Derivat aus Kokablättern• synthetische Stimulantien (seit 1927): Amphetamine wie Benzedrin, Dexedrin, Methedrin
(„speed“; vorher gab es schon Ephedrin = natürliches Alkaloid aus Wüstenstrauch)• nat. Stimulans: Koffein in Kaffee, Tee, Kakao, Cola, Erkältungsmitteln, einigen Appetitzügl
Spezifika• Kokain (F14.xx)
• Südamerika: traditionelle Droge; 19. Jahrhundert: Isolation des Alkaloid-Derivats Kokain• Freud (1884 - „Über Coca“): Behandlungsversuche bei depressiven Störungen, wobei er im
Einzelfall die Entwicklung eines psychotischen Zustandes beobachtete• Kokain schnupfen, rauchen, schlucken, injizieren ...• mit Äther erhitztes Kokain („freebase“; ab 1985: „crack“) wirkt schneller und extremer• Prävalenz in USA bei < 40jährigen: 1,5%-2%• sehr schnelle Wirkung durch Blockade der Wiederaufnahme von Dopamin: euphorische
paranoide Gedanken, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Ess- und Schlafstörungen; erhöhtes KHK-Risiko; hohes Schwangerschaftsrisiko (Abort bzw. geistige Behinderung; Kokainabhängigkeit des Kindes)
• schwerste Entzugssymptome ff
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StStöörungen durch Kokain (F14.x) und andere Stimulantien, einschlierungen durch Kokain (F14.x) und andere Stimulantien, einschließßlichlichKoffein (F15.xx) ffKoffein (F15.xx) ff
• Amphetamine (F15.xx)• Benzedrin seit 1927 als Inhalationsmittel gegen Schnupfen, gegen Depressionen, als
Appetitzügler und gegen Müdigkeit (auch bei Soldaten im 2. WK)• heute z.T. Medikation bei hyperkinetischen Störungen• kurzfristige Wirkungen: Freisetzung von Noradrenalin und Dopamin und Blockade der
Wiederaufnahme dieser Neurotransmitter => gesteigerte Wachheit, gehemmte intestinale Funktionen, Appetitreduktion, Herzrate steigt, Blutgefäßverengung, Steigerung des Selbstvertrauens und subjektiver Energie
• längerfristig: rasche Toleranzsteigerung mit Abhängigkeitspotential; ggfs. Entwicklung eines Zustandes ähnlich zu paranoider Schizophrenie mit Wahnvorstellungen
• Amphetamin-Missbrauch zur Leistungssteigerung in Schule, Univ. und Beruf, der oft mit Toleranzentwicklung und Abhängigkeit sowie Alkoholabusus danach zur Dämpfung verbunden ist
• Koffein (F15.xx)• führt kurzfristig zu Wachheit, Reduktion des Schlafbedürfnisses, erhöhter Stoffwechsel-
Schlafstörungen, Tod bei überdosierter Tabletteneinnahme möglich• führt langfristig zu Toleranzentwicklung und Entzugserscheinungen• starke Kulturunterschiede in Konsum (EU: M = 400 mg/Tag); F:M = 1:2 im Konsum• Koffeinkonsum ist erhöht bei Tabak- und Alkoholkonsumenten• Koffein-Sensibilität nimmt mit Alter zu
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StStöörungen durch Halluzinogene (F16.xx)rungen durch Halluzinogene (F16.xx)
Allgemeines• 1938: Albert Hoffmann(-La Roche) Synthese von d-Lysergsäurediethylamid (LSD)• 1943: (zufälliger?) Selbstversuch mit LSD => Halluzinationen
• chemische Struktur aller Substanzen ähnelt der Struktur mehrerer Transmitter => ff
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StStöörungen durch Halluzinogene (F16.xx) ffrungen durch Halluzinogene (F16.xx) ff
Spezifika
• Wirkung von Halluzinogenen ist Funktion von Dosis, Konsumentenzustand und Konsumeinstellung sowie Konsumkontext
• kurzfristig: häufig sind Synästhesien (intermodale sensorische Erlebnisse), massive Veränderung des Zeitgefühls, Entfremdungs- und Auflösungserlebnisse, unerwartete Erinnerungsphänomene, starke Stimmungslabilitäten, nach 4-5 h evtl. magische Omnipotenzgefühle
Störungen durch Störungen durch Tabak (Nikotin) (F17.xx)Tabak (Nikotin) (F17.xx)• Epidemiologie
• Risikoalter: Probieralter liegt in BRD inzwischen bei 12-13 Jahren, nimmt im Jugendalter weiter zu, im Erwachsenenalter ab
• massiv erhöhte Morbiditäts- und Mortalitätsraten• jeder 6. Todesfall in EU geht auf Tabakkonsum zurück (vor allem KHK, Neoplasmen)• Zigarren und Pfeifen weniger schädlich, aber markant erhöhtes orales Krebsrisiko
• Spezifika von Tabakabusus und -abhängigkeit• Nikotin: suchterzeugende Substanz im Tabak; stimuliert nikotinerge Rezeptoren im Kortex• Pankow (2003; Chemical Research in Toxicology): Analyse der freien Nikotinanteile
• freies, nicht an Rauchpartikel gebundenes Nikotin, das nicht auf Packung deklariert ist• Gas-Chromatographischer Vergleich von Markenzigaretten mit Standardzig. ohne Beimischung• Camel: 3facher Anteil; Marlboro: 10fach; Winston: 6fach; Gauloises Blondes: 7,5fach; Gauloises
Classic: 25fach; American Spirit: 36facher Anteil des suchtfördernden freien Nikotins => Abb• weitere schädliche Tabaksubstanzen: Kohlenmonoxid, Teer, synthetische Zusatzstoffe• Körperliche Folgen: KHK, Karzinome, irreversible Zerstörung von Lungengewebe,
Erektionsprobleme• massive psychische und körperliche Entzugssymptome• erhöhte Versorgungskosten stehen wegen erhöhter Mortalität in Frage
• Komorbiditäten• primär Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit
• Passivrauchen• Konfrontation mit Ammoniak, Kohlenmonoxid, Nikotin und Teer im Rauch• bei ausgedehnter Exposition erhöhte Risiken von Lungenschäden, Frühgeburten
und pränatale Schädigungen, allergischen Reaktionen sowie bei Kindern von Rauchern Atemwegs-Infektionen, Bronchitis, Asthma, Mittelohrentzündungen
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Störungen durch flüchtige Lösungsmittel (F18.xx)Störungen durch flüchtige Lösungsmittel (F18.xx)• „Schnüffelstoffe“ (Öl-Derivate, Lösungsmittel, Kleber)• erhöhte Prävalenz bei Kindern und armen Menschen• Wirkung: kurzfristig berauschend, dämpfen Hunger, Schwindelgefühle und
Koordinationsstörungen (Sprache, Gehen etc.), Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen
• Gefahren des Erstickungstodes
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum andererStörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum andererpsychotroper Substanzen (F19.xx)psychotroper Substanzen (F19.xx)• chaotischer und wahlloser Gebrauchs unterschiedlichster legaler und illegaler
psychotroper Substanzen, ggfs. Experimentieren mit allen möglichen Substanzen und deren Kombinationen (= „chaotische Polytoxikomanie“)
• Ausschlussdiagnose: spezifische, identifizierbare F1x.xx mit anhaltendem Konsum, die einzeln diagnostiziert werden können, ggfs. auch kombiniert konsumiert werden (= Polytoxikomanie)
• Substanzinduzierte Störungen haben i.d.R. eine lange Ätiologie - z.B. Phasen:• 1. Entwicklung einer positive Einstellung gegenüber Substanz (Peers!)• 2. Probier- und Experimentierstadium• 3. regelmäßiger, stärkerer Konsum• 4. Toleranzentwicklung und Angst vor Entzugsyndrom (Teufelskreis)• 5. Missbrauch und ggfs. Abhängigkeit
• Soziokulturelle Einflussfaktoren => Abb.• Kulturbedingte Einstellung: wahnsinnige Kultur- und Zeitunterschiede• Zugänglichkeit und Gesetzeslage: z.B. Automaten, JSG, Prohibition, Kosten• familiäre Konsum-Situation: Modelle• soziales Umfeld: Peers in Freizeit, Schule, Beruf...• Vorbilder in Massenmedien, Werbung
• dysfunktionales Coping: Spannungsreduktion bei Stress• dysfunktionales Coping: Spannungsreduktion bei Angst, Depression etc.• Wirkungserwartungen und Selbststimulation
• irrationale Überzeugungen über eigene Konsumhäufigkeit und -risiken• Persönlichkeitsmerkmale als Diathese
• ausgeprägter negativer Affekt (Feindseligkeit, Widerspenstigkeit, Aggress.)• Sensation seeking: erhöhtes Bedürfnis nach Neuem, Erregendem• antisoziale Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung• Hyperaktivität in K&J als Prädiktor für Alkohol-, Tabak- und Cannabis-Abusus
• neben Alkoholismus zumeist multiple Problembelastetheit der Pat.• Zusatztherapie: Angstst., affektive St., antisoziale Persönlichkeitsst., Polytoxikomanie• aktuelle: differentielle Indikationsforschung für Störungstyp mit/ohne Komorbiditäten
• häufig geringe Krankheitseinsicht und extrinsische Therapiemotivation• externe Gründe für Behandlungsaufnahme (Verlust oder drohender Verlust von
Ehepartner, Arbeitsplatz, Führerschein; Gerichtsauflage etc.)• Eingestehen des Problems („Besinnungsphase“)
• Behandlungsaufnahme durch nur etwa 10% der Alkoholabhängigen• hohe Selbsthilfequote (Spontanremission): 40%• 1. Fachdiskussion: Therapieziel „Abstinenz“ versus „kontrolliertes Trinken“?• 2. Fachdiskussion: ambulante Therapie versus stationäre Kurz- vs. Langzeitbehandlung?
Vitamin B und Antikonvulsium (ggfs. auch Tranquilizer - Suchtrisiko!)• Motivierungsphase: zumeist in der Entzugsphase zur Information und Motivation• Rehabilitationsphase: Fachkliniken mit „Baustein-Behandlungsprogramm“
• Antabus®-Einnahme am Morgen, das in Verbindung mit Alkohol zu Erbrechen führt• Prognose: keine Effektnachweise; 80% Abbrecher; Nebenwirkungen auf ZNS
• medikamentöse Blockade des Alkoholverlangens• z.B. Opiatantagonisten Naltrexon und Naloxon blockieren Endorphin-Stimulation
durch Alkohol• Effektnachweis für Kombinationsbehandlung mit kognitiv-behavioraler Therapie
• Behandlung komorbider Störungen im körperlichen und psychischen Bereich• Selbsthilfegruppen => ff Paar- und Familientherapie => ff Kognitiv-behaviorale Therapieansätze => ff
• Reizkontrolle (Trinken nur in best. Situationen), Veränderung des Konsumverhaltens (etwa nur noch Cocktails, nur nippen..), Selbstbelohnung für Abstinenz
• Rückfall-Prophylaxe• Förderung von Verhaltensalternativen und persönlicher Verantwortung bei
empathischer Stärkung des Selbstvertrauens (leichter bei kontrolliertem Trinken)
• Behandlungsaufnahme: nur etwa 10% der Raucher• Selbsthilfeversuche: jedes Jahr ca. 30% der Raucher• 90% der Ex-Raucher haben ohne professionelle Hilfe aufgehört• Spezielle stationäre Entwöhnungsprogramme: ca. 20% Erfolg in 1-Jahres-Katamnesen
• Psychologische Therapien• Widerwillen-gegen-Rauchen durch „negative practice“ (rapid smoking oder smoke
holding in Spezialraum mit wenig Lüftung): hohe Rückfallquoten• kognitive Kontrolltechniken durch Entspannung, positive Selbstgespräche, coping
Strategien: wenig ermutigende Ergebnisse• Geplantes Rauchen mit Nikotinreduktion über mehrere Wochen (Zeitplan):
Belege für 44% Erfolg nach einem Jahr => Selbstkontrollprogramme => z.B. =>• ärztlicher Rat in Zusammenhang mit Diagnose ...
• Somatische Therapien• Nikotin-Kaugummi: mildert Entzugssymptome - unterstützend zu VT-Programm• Nikotin-Pflaster: dito - 9 Monate nach Absetzen keine Differenz zu Placebos• Inhalator: Nikotinsubstitution über Plastikschlauch - 28% 1-Jahres-Erfolg• Antidepressiva: indiziert bei Rauchern während Entwöhnung, die vorher schon
einmal eine depressive Episode hatten (zur Rezidivvermeidung)
• hohe Rückfallgefährdung bei Rückkehr in früheren Lebenskontext• Primär: Entgiftung, Drogenentzug
• Somatische Therapien• Heroinsubstitution durch synthetische Narkotika (etwa Methadon), die selbst
(kontrolliert von legaler Substanz) bei Kreuztoleranz mit Heroin süchtig machen• Vorteile: orale Einnahme; Entkriminalisierung; weniger starke Entzugssymptome =
besserer Einstieg in Rehabilitation• hohe Abbruchquote, da bei Substitut keine euphorischen Effekte
• Opiatantagonisten: stufen-weiser Heroinentzug und Naloxonsteigerung mit geringer Compliance und vielen dropouts wegen Anhalten des Heroinverlangens
• Desipramin und Imipramin als Substitute für Kokain: erste Erfolgshinweise• Clonidin und Bromocription: dito bei Kokain
• Physiologische Behandlungsformen• Psychosoziale und psychodynamisch fundierte Unterstützung der Substitutions-
behandlung fördert deren Effekte• Kognitiv-behaviorale Therapie: erste Effektnachweise bei Kokain-Abhängigkeit• Operante Verfahren (Token-Programme): ein Effektnachweis• Selbsthilfe in therapeutischen WGs (Synanon): Effektbelege bei professioneller
Unterstützung
5.5 Substanzinduzierte Störungen
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5.5 Substanzinduzierte Störungen
Prävention des SubstanzmissbrauchsPrävention des Substanzmissbrauchs
• Generelles Primat der primärer Prävention
• Strukturelle Präventionsmaßnahmen („public health“)• Gesetzgebung und Verordnungen wie Jugendschutzgesetz; rauchfreie öffentliche
Gebäude und Räume; keine/wenige Automaten; Werbeverbote bzw. Werbeeinschränkungen; Warnhinweise auf Packungen, Flaschen, Dosen; hohe Steuer; Prohibition; Polizeimaßnahmen etc.
• Populationsorientierte Präventionsmaßnahmen• Aufklärungskampagnen in den Massenmedien wie etwa „Keine Macht den
Drogen“• Medienberichte über harte Strafen bei Vergehen (Alkohol am Steuer; illegale
• Vorsorgeuntersuchungen für Risikogruppen (Karzinomerkrankungen)• Information von Risikogruppen (Schwangere; Eltern; Autofahrer)• betriebliche Suchtberatungsstellen und Präventionsmaßnahmen• Anti-X-Programme in Schulklassen, Sportvereinen etc.
• vor Probier- und Experimentierphase: inzwischen bei immer jüngeren Kindern (etwa primäre Tabak- und Alkoholprävention inzwischen in 5. und 6. Klassenstufe)
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Missbrauch von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen (FMissbrauch von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen (F55.x)55.x)
• Allgemeines• in aller Regel keine Primär-, sondern Nebendiagnose• unnötig verlängerte Einnahme mit oft exzessiver Dosierung von zunächst ärztlich
verschriebenen, ggfs. auch rezeptfreien Medikamenten• häufig mit unnötigen hohen Ausgaben und überflüssigen Arztbesuchen
verbunden• schädliche körperliche Auswirkungen sind häufig (chronifizierte Nebeneffekte)
wie etwa Nierenfunktionsstörungen, Elektrolytstörungen, intestinale Störungen• Widerstand bei Absetzen der Medikation oder Rat dazu• subjektiv starkes Verlangen nach Substanz, aber keine Abhängigkeits- und
Entzugssymptome• Art der Substanz
• F55.0: Antidepressiva wie tri- und tetrazyklische Antidepressiva, MAO-Hemmer• F55.1: Laxantien (Abführmittel)• F55.2: Analgetika (wie Aspirin®, Paracetamol®)• F55.3: Antazida (zur Neutralisation der Magensäure)• F55.4: Vitamine• F55.5: Steroide oder Hormone• F55.6: bestimmte pflanzliche oder Naturheilmittel• F55.7: anderes (wie z.B. Diuretika zur Entwässerung)