Teleosemantik / Biosemantik Vorlesung: Was ist Naturalismus? FS 13 / Di 1012 / Markus Wild & Rebekka Hufendiek Sitzung 10 (6.5.2013)
Teleosemantik / Biosemantik Vorlesung: Was ist Naturalismus?
FS 13 / Di 10-‐12 / Markus Wild & Rebekka Hufendiek
Sitzung 10 (6.5.2013)
Vertreterinnen
Ruth Millikan Karen Neander
Vertreter
Fred Dretske David Papineau
Was ist Teleosemantik?
Eine Familie von Theorien über intentionale (= mentale und semantische) Gehalte, die solche Gehalte mithilfe des Begriffs der biologischen Funktion naturalistisch erklären. Beispiele 1. Der Satz „Der Apfel ist rot“ handelt (wenn wahr) von einem bestimmten
Apfel, der rot ist. 2. Der Gedanke DER APFEL IST ROT handelt (wenn wahr) von einem
bestimmten Apfel, der rot ist. 3. Die Wahrnehmung eines roten Apfel, handelt (wenn wahr) von einem
bestimmten roten Apfel. Sätze, Gedanken, Wahrnehmungen sind Beispiele von Dingen, die von Objekten, Eigenschaften und Sachverhalten (= Objekt + Eigenschaft) handeln. Es sind Beispiele für Repräsentationen. Repräsentationen haben einen intentionalen Inhalt, d.h. sie handeln von etwas als etwas, z.B. von diesem Apfel (Objekt) als rot (Eigenschaft). Struktur Repräsentation — Inhalt
Das Problem der Intentionalität
„Auf welchem Grunde beruhet die Beziehung desienigen, was man in uns Vorstellung [Repräsentation] nennt, auf den Gegenstand [Inhalt]?“ (Kant an Herz, 21.2.1772 ) Wie kommt eine Repräsentation dazu, von einem bestimmten Inhalt zu handeln? Anders: Wie kommen Repräsentationen zu ihrer Intentionalität? Schlechte Antwort Wir wollen uns mit Sätzen, Gedanken, Wahrnehmungen auf etwas beziehen. Woher hat dieses Wollen seinen Intentionalität? Besonderheiten der intentionalen Relation 1) Wahrheit: Repräsentationen können wahr oder falsch sein 2) Irrealität: Repräsentationen können von nicht real existierenden
Dingen handeln 3) Aspekt: Repräsentationen handeln von etwas (Apfel) als etwas (rot) 4) Asymmetrie: Repräsentationen handeln von einem Inhalt, aber
Inhalte handeln nicht von Repräsentationen
Grundidee der Teleosemantik
Teleologische Theorien erklären die Intentionalität von Repräsentationen mithilfe des (teleologischen) Begriffs der Funktion. Vage Grundidee: Eine Repräsentation handelt von einem Inhalt, wenn sie die Funktion hat, diesen Inhalt zu repräsentieren. Aber: Funktion = Selektierte Wirkung! Hat eine Repräsentation die selektierte Wirkung einen Inhalt zu repräsentieren? Bewirkt die Repräsentation, dass sie repräsentiert? Genauere Grundidee: Was eine Repräsentation repräsentiert (d.h. ihre Intentionalität) hängt von der Funktion des Systems ab, das die Repräsentation (a) erzeugt (produziert) und/oder (b) nutzt (konsumiert). Neander, Dretske (a) // Papinenau (b) // Millikan (a) & (b)
Beispiel 1: Magnetbakterium
• Bakterien in der nördlichen Hemisphäre: Magnete richten sich zum geomagnetischen Nordpol aus.
• Zug Richtung Norden, Antrieb durch Geisseln. • Magnetische Erd-Linien weisen in tiefere (= sauerstoffarme) Wasser-
schichten. • Bakterium kann nur in sauerstoffarmen Schichten überleben. • Intuitiv: Zeigen die Magnete (a) Richtung Nordpol, (b) Richtung
sauerstoffarme Schicht, (c) etwas anderes, (d) gar nicht?
(b) Richtung sauerstoffarme Schicht
1) Wahrheit 2) Irrealität 3) Aspekt 4) Asymmetrie
1) Auf der südlichen Hemis-phäre / Magnet im Labor: Fehlrepräsentation
2) ??? 3) Richtung als sauerstoffarm 4) Magnet repräsentiert die
Richtung, nicht Richtung den Magnet
Beispiel 2: Sandskorpion
S = ‚Hirn‘ des Sandskorpions V = Vibrationssinn R = neuronale Repräsentation L = Laufrichtung
K = Kakerlake B = Beute Q = Quelle der Vibration
• Was wird durch R repräsentiert? Was ist die Funktion des Systems in S (Neuronen-Ensemble), das R (Zustand des Neuronen-Ensembles) hervorbringt? K, B, Q, etwas anderes (X), gar nichts (0)?
• Intuitiv: Es ist die Funktion des Ensembles R hervorzubringen, die B repräsentieren
Intentionale Repräsentation
Repräsentation: -semantik Ein Zeichen/Vehikel/eine Struktur/... Zeigt X an/ trägt Info über X/ kovariiert mit X/ bildet X strukturell ab /...
Aber was genau wird repräsentiert? Intentionalität: Teleo-
Es ist die Funktion des Zeichens/des Vehikels/der Struktur... Xe anzuzeigen/ Info über X zu tragen/ mit X zu kovariieren / X strukturell abzubilden/...
Es ist die Funktion des Neuronen-Ensembles Beute zu repräsentieren
1) Wahrheit 2) Irrealität 3) Aspekt 4) Asymmetrie
1) Ungeniessbares Tier/ Fressfeind/ Stein, der fällt/ Manipulation im Labor etc.: Fehlrepräsentation
2) Künstliche Reizung des Neuronen-Ensembles
3) Vibrationsquelle als Beute 4) Neuronen-Ensemble
repräsentiert Beute, nicht umgekehrt
Beispiel 3: Kellenschlag & Bienentanz
Inhalt: Jetzt-hier-Gefahr Funktion: Bewirkt Abtauchen bei Artgenossen Sender/Erzeuger: Biber à Kellenschlag Empfänger/Nutzer: Biber à Abtauchen
Inhalt: Jetzt-dort-Futter (von der Art...) Funktion: Bewirkt Abflug bei Artgenossen Sender/Erzeuger: Tänzerin à Tanz Empfänger/Nutzer: Sammlerin à Abflug
Intentionale Repräsentation
Repräsentation: Ein Zeichen/Vehikel/eine Struktur/... zeigt X an/ trägt Info über X/ kovariiert mit X/ bildet X strukturell ab /...
Aber was genau wird repräseentiert? Antwort mithilfe der Funktion! Intentionalität:
Es ist die Funktion des Zeichens/des Vehikels/der Struktur... Xe anzuzeigen/ Info über X zu tragen/ mit X zu kovariieren / X strukturell abzubilden/...
Aber was genau ist die Funktion? Antwort mithilfe der Reaktion!
Nochmals Bsp. 1 & 2
Magnetbakterium Inhalt: Richtung saurerstoff-arm • Erzeuger: Magnetotakti-
sches System • Repräsentation R: Aus-
richtung der Magnetteile • Funktion von R: zeigt
sauerstoffarme Richtung an • Nutzer: Motorisches System
für Fortbewegung (Geissel) • Funktion von Nutzer: Bewirkt
Fortbewegung nach...
Sandskorpion
Inhalt: Jetzt-dort-Beute • Erzeuger: Neuronen-
Ensemble • Repräsentation R: Zustand
des Neuronen-Ensembles • Funktion von R: Kovariiert mit
Beute • Nutzer: Motorisches System
für Fortbewegung (Beine) • Funktion von Nutzer: Bewirkt
Fortbewegung nach...
Zwei Arten Repräsentationen
Innere Repräsentationen
Magnet (Sauerstoffarmes Wasser: Los!) Neuronenensemble (Richtung von Beute: Los!)
Äussere Repräsentationen
Kellenschlag (Gefahr: Abtauchen!) Bienetanz (Futter: Sammeln!)
• Solche einfachen (angeborenen)Repräsentations-systeme sind sowohl indikativ (sie zeigen etwas an) als auch direktiv (sie weisen etwas an)
• Ruth Millikan nennt solche Repräsentationen Pushmi-Pullyu-Repräsentationen
Pushmi-Pullyu-Repräsentationen
Tänzerin Tanz
Futter Entfernung Richtung Qualität
Arbeiterin
Flug Richtung Futter
Tanz bildet strukturell Sachverhalt ab
Evolution der Repräsentationssysteme
P-P-Repräsentation
Indikative Repräsentation
Innere R z.B. Wahrnehmung
z.B. Überzeugung
Äussere R z.B. Aussagesatz
Direktive Repräsentation
Innere R z.B. Trieb
z.B. Absicht
Äussere R z.B. Befehlssatz
P-P-Repräsentation und indikative Repräsentation
Indikative intentionale Repräsentation
Retinamuster
Indikativer Satz (S-O-Struktur)
V1-5 Areal X „Schau, ein Reh“
Sprecherin Hörer [Schaut hin]
Reh 100m entfernt