Technische Universität Chemnitz Philosophische Fakultät Institut für Soziologie Soziologie des Raumes Seminar: Urbane Lebensstile Dozentin: Prof. Christine Weiske Referentin Daniela Heine Datum: 24.04.2008 Anthropologische Voraussetzungen des Wohnens
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Technische Universität Chemnitz Philosophische Fakultät Institut für Soziologie Soziologie des Raumes Seminar: Urbane Lebensstile Dozentin: Prof. Christine.
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Technische Universität ChemnitzPhilosophische FakultätInstitut für Soziologie
Soziologie des RaumesSeminar: Urbane Lebensstile
Dozentin: Prof. Christine WeiskeReferentin Daniela Heine
Datum: 24.04.2008
Anthropologische Voraussetzungen des Wohnens
Gliederung
1. Was ist Anthropologie?2. Biographie Arnold Gehlen3. Ansatz anthropologischer Forschung4. Der Mensch als „Mängelwesen“5. Menschliche Bedürfnisse und Plastizität6. Weltoffenheit und Antriebsstruktur7. Kritik an Gehlen8. Bedeutung für das Wohnen9. Quellen
2 Daniela Heine - Urbane Lebensstile
1. Was ist Anthropologie?
anthropos (griech.) = der Menschlogos (griech.) = die LehreZentrale Frage: Was ist der Mensch?
Philosophische Anthropologie: entstand nach dem 1. Weltkrieg Vertreter: Max Scheler, Arnold Gehlen,
Helmuth Plessner Zentrale Frage: In welchem Zusammenhang
stehen Körper und „Geist“ des Menschen?
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2. Biographie Arnold Gehlen*29. Januar 1904 in Leipzig - † 30. Januar 1976 in
Hamburg1923 Abitur in Leipzig1924 -1927 Studium der Philosophie, Philologie,
Germanistik, Psychologie in Leipzig und Köln1933 Eintritt in die NSDAP und als Privatdozent
auch Mitglied im NS-Dozentenbund1934 -1940 Professor in Leipzig, Wien und
Königsberg1941 von der Wehrmacht einberufennach kurzer Unterbrechung Professor in Speyer
und Aachen1969 Pensionierung
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2. Biographie Arnold Gehlen
aufgrund seiner Haltung zum Nationalsozialismus nach dem Zweiten Weltkrieg stark kritisiert
war nicht nur Mitläufer sondern profitierte auch von anderen emigrierten Professoren
Hauptwerk:Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt (1940)
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3. Ansatz anthropologischer ForschungTiere: durch genetisch erzeugte Auslese optimale
Anpassung an bestimmte ökologische Nische→ relativ beschränktes artspezifisches Verhaltensrepertoire
Mensch: keiner ökologischen Situation besonders gut angepasst→ beinahe unerschöpfliche Verhaltensmöglichkeiten,
in jedem Ökosystem jeder Klimazone der Welt lebensfähig
→ gezielte Anpassung an wechselnde Problemlagen durch Einsatz des geistigen und praktischen Vermögens
→ Umwandlung der Umwelt zu seinen Zwecken
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4. Der Mensch als „Mängelwesen“Gehlen greift Ansatz auf und verbindet ihn mit
Resultaten der neueren Ethnologie und Biologiebezeichnet Mensch als „Mängelwesen“
→ durch natürliche Ausstattung nicht lebensfähig
Wesensmerkmales des Menschen: aufrechter Gang, dadurch freiwerdendes Blickfeld
und freier Einsatz der Hände keine Instinkte, dadurch Institutionen, Normen und
Werte nötig um Sicherheit zu erlangen Zwischen Handlungsantrieb (Reiz) und Handlung
selbst besteht eine Kluft = Hiatus
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4. Der Mensch als „Mängelwesen“
Organische Unspezialisiertheit: keine Angriffs-, Schutz- und Fluchtorgane keine natürlichen Waffen (Bsp.: Klauen) Relativ schwach ausgeprägte Bewegungs-
und Sinnesleistungen (Bsp.: Geruchssinn, Sehen in der Dunkelheit)
kein schützendes Haarkleid→ Mensch ist dem Tier von Natur aus
unterlegen
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4. Der Mensch als „Mängelwesen“
Organische Unfertigkeit: im Vergleich zum nächsten Verwandten
(Affen) bei der Geburt noch auf embryonalem Entwicklungsstand stehengeblieben
bestimmte Merkmale (Bsp.: Bau von Hand, Fuß und Becken, Unbehaartheit) treten bei anderen Primaten nur vorübergehend auf
außerdem lange Jungperiode, Kinder auf Schutz und Versorgung angewiesen
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4. Der Mensch als „Mängelwesen“
Instinktreduktion: im Gegensatz zum Tier komplizierte
angeborene zweckmäßige Verhaltensschemata nur ansatzweise vorhanden
Verhaltensweisen sind nicht wie beim Tier genau vorprogrammiert
diese drei naturgegebenen Mängel werden vom Menschen in Überlebenschancen umgemünzt
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4. Der Mensch als „Mängelwesen“
aufgrund seiner Unspezialisiertheit kann der Mensch seine Organe vielseitig verwenden (Bsp.: Hände)
Fähigkeit muss aber erst entwickelt werdenMängel werden selbsttätig durch planendes
und schöpferisches Handeln ausgeglichendieses Handeln führt den Menschen aus
seiner natürlichen Umwelt heraus, gestaltet sich eigene Umwelt und wird somit aktiver Gestalter der Kulturwelt
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4. Der Mensch als „Mängelwesen“da keine Instinkte vorhanden, muss er seine
Triebe beherrschen lernen um sich als kulturelles Wesen zu verhalten
kann dadurch auch Impulse im eigenen Körper und nicht nur in der Umwelt steuern
Aufgrund der Instinktreduktion = Antriebskräfte für Handeln im Überschuss vorhanden
zum Zweck der inneren und äußeren Kultivierung werden Kräfte über Lernvorgänge und Gesinnungen geregelt und in kulturelle Bahnen gelenkt
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4. Der Mensch als „Mängelwesen“besonders wichtig sind dabei Institutionen:
Ehe, Familie, Kindergarten, Schule, … Rechts- und Staatsordnungen (Gesetze) Bräuche, Sitten, Religionen
dienen als Ergänzung oder Verlängerung der lebenserhalten-den Funktionen des biologischen Lebewesens Mensch
durch die eigene Weltoffenheit bedingte Belastung und Verunsicherung des Menschen wird gemindert
Gehlen: Alle Institutionen haben direkten Erfüllungswert für menschliche Bedürfnisse
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5. Menschliche Bedürfnisse und Plastizität
Bedürfnis = subjektives Begehren; Gefühl eines Mangels verbunden mit dem Streben, dieses zu beseitigen
verschiedene Grundbedürfnisse: Hunger, Durst, Sexualität oder Selbsterhaltungs- und Machtstreben
Besonderheit beim Menschen: Aufschiebbarkeit der Bedürfnisbefriedigung gesellschaftliche Überformung (Vorlieben für
Speisen /Mode) Beherrschung der Bedürfnisse durch den Willen
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5. Menschliche Bedürfnisse und Plastizität
Hegel: Schaffung von Mitteln zur Bedürfnisbefriedigung durch Bearbeitung der Natur und Arbeitsteilung→ System gegenseitiger Abhängigkeit, da jeder über seine eigenen Bedürfnisse hinaus, und somit auch für andere, Güter produziert → gesellschaftliche Bedürfnisse können erst über Austausch der Produkte in der Gesellschaft befriedigt werden
gleichzeitig öffnet sich dadurch ein Freiraum für kulturelle Formung des menschlichen Verhaltens
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5. Menschliche Bedürfnisse und Plastizität
Erlernen der verschiedenen Kulturweisen spielt sich hauptsächlich in langer Aufzuchtphase ab
funktioniert durch das Zusammenspiel dreier Schlüsselbereiche der menschlichen Natur
alle zeichnen sich durch ein Ausmaß an Flexibilität und Formbarkeit aus
Bedürfnisse sind plastisch und wachsen entsprechend der Handlungen
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5. Menschliche Bedürfnisse und PlastizitätPlastizität der Bedürfnisse:
Voraussetzung ist Formbarkeit und Durchlässigkeit der menschlichen Bedürfnisse und Neigungen
Mensch lernt in langwierigen Prozessen seine Bedürfnisse in praktikable Formen zu „gießen“
aber: nicht nur aktuelle Bedürfnislage treibt Mensch zum Handeln an sondern auch vorausschauende Wahrnehmungen
Bedürfnisse schwanken in ihren Intensität (z.B. Hunger)
werden in ihrer Erfüllung gehemmt um intelligentere und nachhaltigere Stillung zu ermöglichen
auf Dauer lernt der Mensch seine Mittel besser kennen und handhaben
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5. Menschliche Bedürfnisse und PlastizitätErwerbsmotorik:
menschliche Motorik nicht angeboren sondern entwickelt sich erst langsam im Säuglingsalter
schafft sich dadurch nahezu grenzenloses Potential an Bewegungsmustern, das durch Routine gefestigt werden kann
steht ähnlich wie Instinkthandlung beim Tier jederzeit zur Verfügung
Möglichkeit zur Modifizierung und Erweiterung des eigenen Handlungsarsenals(Bsp.: spezifische Formung der menschlichen Hand = Vielzahl von Griffarten)
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5. Menschliche Bedürfnisse und Plastizität
Wahrnehmungsmuster: Tiere: häufig stark auf ökologische Nische
eingeschränktes Wahrnehmungsvermögen Mensch: lernt erst durch zunehmenden
Umgang mit seiner Umwelt aus der „offenen Weltfülle“ Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden
Dank seines Gedächtnisses ist ihm Begrenztheit des aktuell wahrgenommenen Ausschnittes bewusst
Erweiterung durch Erfahrung
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6. Weltoffenheit & Antriebsstrukturaufgrund seiner biologischen Ausstattung =
Aufgabe des Menschen die Mittel seiner Existenz durch aktives Handeln und zweckdienliche Umgestaltung seiner äußeren Welt selbst zu schaffen
nur so ist Überleben möglichim Gegensatz zum tierischen Verhalten steht
vor der menschlichen Handlung Reflexiondazu zwingt ihn der Hiatus zwischen
Handlungsantrieb und HandlungGehlen: Wesen des Menschen zeichnet sich
durch Weltoffenheit aus20 Daniela Heine - Urbane Lebensstile
6. Weltoffenheit & AntriebsstrukturGrundlagen:aus Tier-Mensch-Vergleich lassen sich typisch
menschliche Eigenschaften herausfiltern = Mensch als „Mängelwesen“
Tier lebt, indem es auf nichtausblendbare Reize reagiert
Mensch „führt“ sein Leben, nimmt Stellung zu sich selbst→ reflektiert Erfahrungen und Handlungen und kann
somit Handlungsabläufe durch freie Komposition seiner Bewegungen variieren und vergrößern
tritt dadurch in Distanz zu sich selbst, seinen Trieben und den Objekten seiner Umwelt
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6. Weltoffenheit & AntriebsstrukturMensch folgt keinem bestimmten Zweck sondern
kann sich selbst Zwecke vorschreiben, diese kontrollieren und seinem Willen unterwerfen (Bsp.: Hunger)
kann sich zu seinen Trieben negativ verhalten, sie ablehnen oder unterdrücken = Handlungen erfolgen nicht blind