-
Takejiro Hasegawa und seine Buchkunstwerke
- DIE DEUTSCHEN AUSGABEN - MichaelThun
____________________________________________________________________________
Obwohl er sich als Bibliothekar ein Leben lang mit Büchern befasst
hat, von Krepp-Papier Büchern hatte mein Bruder noch nie etwas
gehört, geschweige denn jemals eins in der Hand gehalten, obwohl
diese Bücher vor 100 Jahren in großen Auflagen weltweit, besonders
in Deutschland, ein begeistertes Publikum fanden.
Es war der japanische Herausgeber TAKEJIRO HASEGAWA, der ab 1884
in Tokyo, auf Krepp-
Papier, CHIRIMEN-BON, gedruckte und mit farbigen Holschnitten
illustrierte Bücher,
herausgab.
Auf der Weltausstellung 1900 in Paris, dann in St. Luis,
Portland, Liège und London 1910
gewann er für seine Druckprodukte Goldmedallien.
Wir müssen uns bei der Begeisterung über diese Bücher vor Augen
halten, dass der Farbdruck in der westlichen Welt zu dieser Zeit
noch in den Anfängen steckte, während in Japan, ausgehend von
China, seit Jahrhunderten herrlichste Farbdrucke mit Holzplatten in
hohen Auflagen hergestellt wurden. Nur in Handarbeit, nicht mit
Pressen, war dies möglich. 1457 entstand das erste mehrfarbig
gedruckte Buch des Westens, der Mainzer Psalter – 117 Jahre nach
dem CHIN-KANG CH’ING CHÛ (Kommentar zum Diamant–Sûtra). Selbst
Sachbücher beschränkten sich im Westen meist auf schwarzweiße
Abbildungen. Handcolorierte Illustrationen waren ein teures
Verfahren für kleine Auflagen. So waren farbige Drucke um 1900 noch
selten. Sammelalben mit bunten Sammelbildern, die z.B. teuren
Produkten wie Fleischextrakt, Schokolade und Kakao beigegeben
wurden, galten deshalb als ein begehrtes Statussymbol.
**************** Das Krepp-Papier Buch DICHTERGRÜSSE AUS DEM OSTEN,
mit einhundert farbig illustrierten Seiten, konnte für 6.- Mark vor
100 jahren in Deutschland verkauft werden, da der Japanische Yen
nach der erzwungenen Öffnung des Landes 1853, stark unterbewertet
gehandelt wurde.
Mit der Holzdruckplatte rechts, wurden die Umrißlinien der
Abbildung links gedruckt. Für jede Farbe wurde eine separate
Druckplatte verwendet. Das Bild stammt aus dem Märchenbuch MOMOTARO
DER PFIRSCHLING. Es zeigt den Moment, als Momotaro dem Pfirsich
Entsteigt. Es ist die Ausgabe auf glattem Papier von 1890.
-
- 2 - Seite für Seite war mit mehreren Holzplatten in Farbe auf
Spezialpapier handgedruckt und dann in einem aufwendigen Verfahren
gekreppt worden. ****************** Karl Florenz (1865 – 1939),
lebte von 1888 bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 in
Japan. Schon im Jahre 1889 nahm Florenz eine Stelle als Lektor für
Deutsche Sprache an der Kaiserlichen Universität Tokyo an. Für
seine umfangreichen Arbeiten zur japanischen Literatur wurde ihm
die höchste geisteswissenschaftliche Auszeichnung, die einem
Ausländer damals zuteil werden konnte, zuerkannt: Er erlangte den
Grad eines bungaku hakushi. 1900 wird ihm der „ Orden vierter
Klasse“ und der Kyokujitsu-Orden verliehen. Karl Florenz hatte für
Takejiro Hasegawa, u.a. japanische Poesie ins Deutsche übersetzt
und damit die Grundlage für mehrere Buchpublikationen geschaffen.
Das mit Farbholzschnitten illustrierte, 100seitige, Krepp-Papier
Buch DICHTERGRÜSSE AUS DEM OSTEN ist eine Sammlung von
Lyrikübersetzungen u.a. mit Manyôshû-Texten, in der Florenz dem
westlichen Leser zum ersten mal Einblick in die japanische
Haiku-Dichtkunst gibt. Das Buch hatte einen außerordentlichen
Erfolg beim deutschen Publikum und erlebte in einem Zeitraum von 20
Jahren 15 Auflagen bis zum Eintritt Japans in den Ersten Weltkrieg
1914. Es wurde sogar, von Rev. A. Lloyd, ins Englische übersetzt
1896 herausgegeben. Ähnliche Erfolge hatte die Bücher WEISSASTER
(1895) und JAPANISCHE DRAMEN (1900) zu verzeichnen. Auch ihr
Erscheinen endete 1914, als Japan Kriegsgegner wurde und die
Deutsche Kolonie Tsingtau in China besetzte.
*****************************************************
An der Herstellung der Bücher waren außerdem Künstler, die die
Illustrationen ausführten, beteiligt. Darunter waren so berühmte
Leute wie Kason, dem Lehrer von Koson, und Yoshimune. Sie lieferten
die Bildentwürfe, die sich dem Text anpassten, als Vorlage für die
Druckplattenschneider. Diese hatten nun für jede Seite die
Druckplatten zu schneiden. Und zwar für jede Farbe eine gesonderte
Platte. ********
Dann traten die Drucker in Aktion; auch sie Meister Ihres
Faches. Sie waren in der Lage am Tag 100 bis
200 Seiten mehrfarbig mit der Hand zu drucken. ********
-
- 3 - Von der Druckerei wanderten die Stapel bedruckten Papiers
zu den Krepp-Papier Herstellern, die in vielen Arbeitsgängen mit
der Hebelpresse, momi-dai, das Papier auf 70% der Originalgröße
zusammenpressten. Danach hatte das Papier eine stoffartige
Struktur. Das Zusammenpressen des, ansich schon sehr reißfesten,
Papiers aus der Rinde des Maulbeerbaumes, läßt es weicher werden
und die Farben dunkler erscheinen. Zuletzt wurde der Buchbinder
beschäftigt. Die einseitig bedruckten Blätter wurden beschnitten,
zu Doppelseiten gefaltet und mittels japanischer Bindung mit
Seidenfäden zu einem Blockbuch gebunden. Dann bekamen noch einige
eine Schutzhülle aus Pappe mit farbiger Illustration und zwei
Elfenbein-Schließen.
Detail einer gekreppten Seite
JAPANISCHE DRAMEN, Teracoya & Asagao wurden in französischer
Sprache, auf hosho-Papier, für die Weltausstellung in Paris 1900,
herausgegeben. Dieses Buch wurde mit einer Golmedallie
ausgezeichnet.
-
- 4 - In deutscher Sprache erschienen bei T. Hasegawa auf
Krepp-Papier und hosho-Papier Übersetzungen vom Japanischen ins
Deutsche von Karl Florenz DICHTERGRÜSSE AUS DEM OSTEN, 1894–1914,
15 Auflagen á 1000 Stck WEISSASTER, Japanische Dichtungen,
1895–1914, 9 Auflagen á 1000 Stck JAPANISCHE DRAMEN, Teracoya &
Asagao 1900-1914, 7 Auflagen á 1000 Stck Verleger war die Firma
C.F. Amelang in Leipzig.
BUNTE BLÄTTER, Japanische Poesie auf hosho Papier 1896 und
1936
BLÜTEN-UND SCHWERTLIEDER, Band I & II auf hosho Papier
1914,1921,1941
Nachdichtungen Japanischer Lieder von Manfred Schneider Mit
Bildern von HIROSHIGE, KOHO, KASON, SHOSON, HOKUSAI, YOSHIMUNE
Schneelandschaft von HIROSHIGE
-
- 5 - 12 Bändchen JAPANISCHE MÄRCHEN (kleine Ausgabe) 1885-1931
Lt. Kolophon im Märchenbuch Momotaro oder der Pfirschling Ausgabe
von 1931
An den Übersetzungen der Märchenbücher waren neben Karl Florenz,
Hedwig Schipplock,
Dr. A. Groth und Leopoldine Knauer, beteiligt. (in Kommission
bei Otto Harrassowitz, Leipzig)
No. 1 Momotaro oder der Pfirschling Japanischer Titel: Momotaro
No. 2 Der Sperling mit der geschlitzten Zunge Japanischer Titel:
Shitakiri Suzume No. 3 Der Kampf der Krabbe mit dem Affen
Japanischer Titel: Saru Kani Kassen No. 4 Vom alten Mann, der
verdorrte Bäume zum blühen brachte Japanischer Titel: Hanasaki Jiji
No. 5 Der Katschi-Katschi Berg Japanischer Titel: Kachi Kachi Yama
No. 6 Die einfältige Qualle Japanischer Titel: Nedzumi no Yumeiri
No. 7 Der alte Mann und die Teufel Japanischer Titel: Kobutori No.
8 Der Fischersohn Urashima Japanischer Titel: Urashima No. 9 Die
achtköpfige Schlange Japanischer Titel: Yamata no Orochii No. 10
Der Spiegel zu Matsuyama Japanischer Titel: Matsuyama Kagami No. 11
Der wunderbare Hammer Japanischer Titel: Inaba no Shiro-Usagi No.
12 Die zerbrochenen Bildsäulen Japanischer Titel: Kitsune no
Tegara
Anzeige aus einem Japan-Reiseführer von 1896
-
- 6 -
Japanische Märchen, kleine Ausgabe 10 x 15 cm 3 Bände JAPANISCHE
MÄRCHEN (große Ausgabe) Lt. Kolophon im Märchenbuch Momotaro oder
der Pfirschling Ausgabe von 1931 No. 1 Momotaro oder der
Pfirschling No. 2 Die drei Spiegelbilder No. 3 Die Blumen
„Treu-Gedenke-Mein“ und „Vergessenheit“ Bekannt ist noch ein Titel
: „Die Hölzerne Schale“ übersetzt von Hedwig Schipplock. Erschienen
1890 im KOBUNSHA Verlag, der später von T. Hasegawa übernommen
wurde. Die Erstausgaben der Märchenbücher erschienen im Kobunsha
Verlag auf glattem Papier. Die Märchenbücher in Krepp-Papier wurden
in 10 Sprachen übersetzt und weltweit exportiert. Die meisten waren
in Englisch, Französisch und Deutsch, aber auch in
Spanisch,Portugiesisch, Italienisch,Holländisch, Schwedisch,
Dänisch und ein Märchenbuch wurde sogar ins Russische übersetzt.
Warum wählte nun Hasegawa Krepp-Papier für die meisten seiner
Bücher? Obwohl diese besondere Art Papier seit etwa 1800 in
Gebrauch für vielerlei Zwecke, wie auch für Kleidungsstücke,
Verwendung fand, war Hasegawa der Erste, der es zum Drucken ganzer
Bücher verwendete. Er warb mit dem Slogan: „ Hasegawa’s reißfestes
Krepp“. So nimmt man an, er habe es z.B. für die, für Kinder
gedachten, Märchenbücher verwendet, um diese haltbarer zu machen
.
-
- 7 - Angesichts der Tatsache, dass es heute noch viele
guterhaltene Exemplare gibt, ist es wohl warscheinlicher, dass
diese kleinen Kunstwerke, seltener in Kinderhände gelangten. Das
ebenfalls von Hasegawa verwendete (nicht gekreppte) hosho-Papier
ist ein dickes, festes, cremig weißes und saugfähiges Papier. Das
in Fukui hergestellte Echisen-Papier, vor allem der als hosho
bezeichnete Typ, eignet sich besonders gut für den Farbholzschnitt.
Bis in die 1970er Jahre wurden die Bücher in Japan angeboten. Doch
obwohl der Enkel von Takejiro Hasegawa, der noch heute in dem Haus
seines Großvaters wohnt, alle Holzblöcke besitzt, ist eine
Produktion dieser Bücher nicht mehr möglich, weil die an dem
Produktionsprozess beteiligten Handwerker, nicht mehr zur Verfügung
stehen. Krepp-Papier Herstellung Anfang des 20. Jahrhunderts
-
- 8 - Weltweit gab es 1995 nur noch drei Handwerker, die den
Beruf des Krepp-Papier Herstellers ausübten. Der Amerikaner DAN
FLETCHER ist der einzige nicht-Japaner in der Geschichte, der die
Herstellung von japanischem Krepp-Papier bei Arasawa Eijiro in
Japan erlernt hat. Der 87 Jahre alte Arasawa Eijiro beim kreppen an
dem momi-dai ca.1990
********************************************************************
Bibliographie: MICHAEL HOLLANDER : Books published by Hasegawa
ANTIQUARIAN BOOK MONTHLY REVIEW (ABMR) Vol. IX, No. 9, Issue 101
September 1982 FREDERIC A. SHARF : Takejiro Hasegawa – Meiji
Japan’s Preeminent Publisher of Wood-Block-Illustrated Crepe-Paper
Books PEABODY ESSEX MUSEUM COLLECTIONS, Volume 130 October 1994,
Number 4 DAN FLETCHER : Chirimen-gami: Japanese Crushed Paper HAND
PAPERMAKING Volume 10, Number 2, Winter 1995 ALEXANDER BYRNE :
Legacy of Craftsmanship on Crêpe Paper KATEIGAHO, Japan’s Arts
& Culture Magazine, 2005 SPRING ISSUE ALEXANDER BYRNE :
Chirimen-bon or Crêpe Paper Books DARUMA Japanese Art &
Antiques Magazine, Issue 47, Vol. 12 No. 3, Summer 2005
Seiten 1 – 8 Michael Thun