SÜDAFRIKA einmal Weltmeisterschaft und zurück
Eine jubelnde Menge begrüßte Nelson Mandela in der Frei heit. Das war 1990 und der Beginn einer radikalen Veränderung. Südafrika entwickelte sich von einem Symbol der Unterdrückung zu einem Vorbild für ganz Afrika. Den Südafrikanern gelang der Aufbau einer stabilen Demokratie, mit einer Verfassung, die die Menschenrechte garantiert, und mit einer starken Zivilgesellschaft, die diese Rechte auch gegen die Regierung durchsetzt.
Als Gastgeber der FußballWelt meister schaft 2010 möchte das Land wieder zum Stolz des Kontinents werden. »Stellvertretend für Afrika richten wir diese Weltmeisterschaft aus«, sagt Präsident Jacob Zuma. Ob aber die armen Südafrikaner von dem Großereignis profitieren, ob die Polizei nur die reichen WMTouristen schützt oder auch die Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten, das muss sich erst noch erweisen.
SÜDAFRIKA
EINMAL WELTMEISTERSCHAFT UND ZURÜCK
Willkommen in Hillbrow, einem Hoch hausviertel im Zentrum Johannes burgs. In der Mitte ragt ein Fern seh turm auf, neuerdings mit einem rie sigen Fußball verziert. Ein hübscher Anblick – aus der Ferne. Denn Hillbrow gilt als Hort urbanen Schreck ens. Mindestens 100.000 Menschen leben hier auf engstem Raum. Etliche Bewohner sind illegal eingewandert. Mit um die einhundert Morden pro Jahr, über 400 regis trierten Sexualverbrechen, über 4.000 Körperverletzungen, 2.661 Raub über fällen und unzählbaren Einbrüchen. Hinzu kommen Kidnapping, Drogendelikte und Kindesvernachlässigungen.Einst war Hillbrow ein modernes Weißenviertel. Hier bröckelte die
Apartheid früh. In den achtziger Jahren mutierte der Stadtteil zur »grey area«, zur »grauen zone«. Hillbrow galt nun als coole Partymeile. Bald aber setzten sich die weißen Hausbesitzer in bessere Viertel ab. Flüchtlinge aus Kriegsländern, wie dem Kongo, rückten nach. Und viele Arme von weither, die in der Goldstadt Johannesburg eine bessere Zukunft suchten. Hill brow wurde zum HochhausSlum. Zum Synonym für einen Niedergang. Ich mache eine kleine Rundfahrt durch das Elend. Zu Fuß wäre es zu gefährlich. Manche der riesigen Apart mentBlocks sind völlig verwahrlost. Dreck liegt herum, zerbrochene Scheiben sind notdürftig mit Pappe und Lumpen
Polizisten bei einer Übungvor dem »Royal Bafokeng Stadium» nahe Johnnesburg, einem Austragungsort der Weltmeisterschaft
Mit moderner Überwachungstechnik und massiver Polizeipräsenz will Südafrika die Fußball-WM 2010 sichern. Beamte sollen schnell zur Schusswaffe greifen. Menschenrechte gelten als Störfaktor!
6 Mehr Gewalt
verstärkt auf den Straßen präsent. Das entfaltet eine gewisse abschrekkende Wirkung. In der Nacht aber schwappt das Verbrechen auf die Straßen zurück. Dann herrscht die rohe Gewalt. »Tagsüber ist es etwas besser geworden«, meint Sipho. »Aber sobald es dunkel wird, sollte man besser schnell nach Hause gehn«. Südafrikas Mächtige haben derzeit dringende Probleme: Nur einen Steinwurf von Hillbrow entfernt liegt das Ellis Park Stadium, eine
ausgebessert. Ich sehe Straßenkinder, Betrunkene, aber auch ganz normales Leben. Seit Jahren versuchen Nachbarschaftsorganisationen funktionierende Gemeinschaften aufzubauen.Auf krasse Art verdeutlicht die Realität dieses abgleitenden Stadtteils, das Wechselspiel von Arbeitslosigkeit, Armut, und Krimi na lität. Und demonstriert, dass polizeiliche Maßnahmen alleine nicht fruchten. An manchen Ecken sind jetzt Über wachungskameras installiert. Polizei ist
Dass Weiße besonders unter der Kriminalität zu leiden hätten, ist falsch. Ein Großteil der Gewalt spielt sich unter armen schwarzen Südafrika-nern ab.
der Arenen, in denen FußballWeltmeisterschaft ausgetragen wird. Kriminalität wärend der WM ist ihre größte Sorge.
Den Touristen soll nichts passieren
Seit Jahren ächzt das Land unter einer Kriminalitätsrate, die weltweit herausragt. Mit etwa 50 Morden pro Tag liegt Südafrika nur knapp hinter dem Spitzenreiter Kolumbien. Die Zahlen bei Vergewaltigungen, Raubüberfällen und Einbrüchen sehen nicht besser aus. Untersuchungen unter Opfern zeigten: Ihr Vertrauen in die Polizei ist derart gering, dass viele Straf taten gar nicht mehr angezeigt werden.Für die WM bietet die Regierung 41.000 zusätzliche Polizisten auf. Den Touristen soll bitte nichts pas sieren. Das Image des Reiselandes Südafrika steht auf dem Spiel. »Wir konzentrieren uns auf die Sicher heit der Ereignisse«, sagt
Rich Mkhondo, Sprecher des Organisationskomitees. »Wir sind zuversicht lich: Die Weltmeisterschaft wird sicher sein.« Mit moderner Technik und massiven Polizeieinsatz soll die Kriminalität abgedrängt, von Besuchern und Kameras ferngehalten werden. Was aber hat Südafrika davon?Seit November 2009 rüsten die Ver antwortlichen rhetorisch nach. Cele, neuer nationaler Polizeichef, hat eine neue Strategie. »Shoot to kill« – Schießen um zu töten. Seine Polizisten sollten sich keine Sorgen mehr machen, »was hinterher passiert«, meint der Polizeichef. » Wir ziehen die Schrauben an, wir werden die Kriminellen jagen. Ja, erschießt die Bastarde«. Stimmt sein Vize Mbalula ein und bläst zum »Krieg gegen die Kriminellen«. Wobei der Tod unbeteiligter »Zivilisten« in Kauf genommen werden müsse.
Kriminalität während der WM, ist die größte Sorge des Polizeichefs
Mehr Gewalt 7
Erhöhte Polizeipräsenz in den Townships von Südafrika
Ungleiche Menschenrechte
Neue Gesetze sollen Polizisten den Gebrauch der Schußwaffe erleichtern, sie »befreien«, so Cele. Paragraphen, die schon zu Zeiten weißer Herrschaft das Abknallen eines Laden diebes durch einen erbosten Kaufmann segneten, sollen – nach zwischzeitlicher Reform – nun wieder verschärft werden. »Wir dürfen«, tönt der Polizeiechef, »die Menschenrechte der Opfer und der Täter nicht gleichsetzen«. Auch mangelnde Schieß freudigkeit ist nicht zu beklagen. Über hundert Beamte verloren vergangenes Jahr im Dienst ihr Leben. Zugleich aber erschossen Polizisten etwa 600 Menschen, Verdächtige wie Unbeteiligte. Wer auf den Schutz der Menschenrechte beharrt, hat in dieser emotional aufgepeitschten Debatte einen schweren Stand. Der Ton ist rauer geworden, die Sprache militant. Gerade Jungspunde der Polizei beteuern bei jeder Gelegenheit ihre Bereitschaft, zu den Waffen zu greifen und zu töten.
Zweifler aus den eigenen Reihen werden barsch zum Schweigen gebracht. Als der ehemalige Minister Kadar Asmal die von Mbalula erwünschte Militarisierung der Polizei als »Verrücktheit« qualifizierte und sagte, er hoffe nicht mehr am Leben zu sein, sollte Mbalula Polizeichef werden, verhöhnte der ihn als »rasenden Irren«. Der Verein der Veteranen von Umkhonto we Sizwe, ein früherer militärischer Bund riet Asmal, er möge doch »zum nächsten Fried hof gehen«. In einer solchen politischen Atmosphäre, mahnt Asmal, verliere der »moralische Kompass, der auf die Grundwerte meiner Bewegung weist, seine Richtung«.
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Gewalt fehlt bei unserer Polizei die Kontrolle. Eine aufgeheizte politische Rhetorik, die die rücksichtslose oder ungesetzliche Anwendung tödlicher Gewalt sogar noch unterstützt, hilft den Polizisten nicht, sie verwirrt sie nur«.Laut einem Bericht des »Independent Complaints Directorate«, das Todesfälle bei Polizeieinsätzen untersucht, sind in Südafrika im vergangenen Jahr durch Polizeieinwirkung 612 Menschen gestorben, 25 Prozent mehr als noch 2007. 32 Opfer waren demnach Passanten, die sich zufällig am Tatort eines Verbrechens befunden hatten, 213 Menschen wurden bei einer Verhaftungsaktion getötet, 300 starben in Polizeigewahrsam. Andere büßten ihr Leben ein, weil die Polizei »fahrlässig mit Schusswaffen umgegangen« war, wie es in dem Bericht heißt.Aber auch die Gangster Südafrikas rüsten auf – und die Polizei muss einen hohen Blutzoll zahlen. Im August wurde Sergeant Charles Komba bei der Routinekontrolle eines Taxis im Kapstädter Township Nyanga von hinten erschossen. Die Täter flüchteten mit der Dienstpistole des Polizisten. In Kapstadts Nobelvorort Constantia wurde ein 32jähriger Constable erschossen. Polizeisprecherin Sally de Beer sagte, landesweit seien im vergangenen
Gerät die Polizei außerKontrolle?
Wenige Monate vor der FußballWM in Südafrika liefern sich kriminelle Banden in den Städten offene Kämpfe. Die überforderte Staatsmacht versucht, ihr Versagen mit Härte zu kaschieren. In Khayelitsha bei Kapstadt erschlugen acht Polizisten einen 18Jährigen, den sie bereits festgenommen hatten, weil sie vermuteten, dass er einen Polizisten ermordet hatte. In Atteridgeville fiel der 21jährige Kgothatso Ndobe Polizeikugeln zum Opfer – ebenfalls unschuldig. Die Liste der Opfer von Polizeieinsätzen wird wöchentlich länger.Der Tod des 18Jährigen hat die Diskussion über die Verhältnismäßigkeit der Mittel bei Polizeieinsätzen allerdings neu angefacht. Johan Burger vom renommierten Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria erklärte: »Man muss sich fast fragen: Was kommt zuerst? Gerät die Kriminalität außer Kontrolle oder die Polizei«? David Bruce, Verbrechensforscher am Centre for the Study of Violence and Reconciliation, warnt: »Beim Einsatz tödlicher
Über hundert Beamte verloren vergangenes Jahr im Dienst ihr Leben. Zugleich aber erschossen Polizisten etwa 600 Menschen, Verdächtige wie Unbeteiligte.
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Dass Weiße besonders unter der Kriminalität zu leiden hätten, ist falsch. Ein Grßteil der Gewalt spielt sich unter armen schwarzen Südafrikanern ab.
Jahr 107 Polizisten ermordet worden. Die Police and Prison Civil Rights Union beklagt, die Polizisten Südafrikas seien mittlerweile zu »Kanonenfutter« für »bis an die Zähne bewaffnete Kriminelle« geworden.Südafrikas Gangs liefern sich derzeit nationalen Medienberichten zufolge untereinander erbitterte Kämpfe um die Kontrolle von Drogenhandel und Prostitution während der FußballWM. Im Oktober wurden laut »Sunday Times« im Westkap 30 GangMitglieder Opfer von Banden
kämpfen. Die Banden tragen Namen wie »Americans«, »Hard Livings«, »Junky Funky« oder »Clever Kids« und rekrutieren immer jüngere Mitglieder. »Ich bin besorgt darüber, dass die jüngere Generation sich zunehmend den Gangstern zuwendet«, sagt Lennit Max, Sicher heitsminister der Provinz Westkap und ehemaliger Polizist. Allein in der Provinz Westkap wurden binnen eines Jahres elf seiner früheren Kollegen getötet.
Johannesburg und Kapstadt gelten als zwei der gefähr- lichsten Städte der Welt.
Mehr Gewalt 11
Kinder posieren mit echten Waffen im Township Alexandra in Johannesburg
Bereits 2008 wurden in landesweiten Progromen mehr als 85.000 afrikanische Migranten aus ihren Häusern vertrieben. Ein gutes Drittel floh damals in provisorische, von der Regierung errichtete Flüchtlingslager. 62 Menschen starben. Das Bild des Mosambikaners Ernesto Alfabeto Nhamuave, der im Johnnesburger Township Alexandra bei lebendigem Leib verbrannte, ging um die Welt. Als die Welle der Angriffe schließlich abebbte, verschwand das Thema aus den Medien. Doch das Problem, der Hass, die Vorurteile, der erbitterte Kampf um begrenzte Resourcen in den Armenvierteln blieb. Und mit ihm blieb die Angst der Einwanderer und Flüchtlinge.Agathe Kwisera und ihr Mann Nor
bert, beide politische Flüchtlinge aus Ruanda, waren unter den Zehntausenden, die allein in Kapstadt in Lagern unterkamen. Mehr als ein halbes Jahr lebten sie mit ihren Kindern in Zelten, die kaum den Winterstürmen stand hielten. Als die Regierung im Januar 2009 das letzte der Lager in Kapstadt schloss und die Essensversorgung einstellte, blieben die Kwiseras noch für Wochen in ihrem Zelt. Sie sollten sich wieder integrieren, forderten die Behörden. Doch das könnte lebensgefährlich sein. »Wir sind einmal an unseren alten Wohnort zurückgegangen«, erzählt Agathe Kwisera, »und sofort wieder bedroht worden. Wir hatten kein Geld. Wir wussten einfach nicht wohin«. Glaubt man
207.200 Personen haben 2008 in Südafrika Asyl beantragt. Davon kamen 115.800 aus Simbabwe
Der Mythos von der Regenbogen-Nation, die in ihrer Vielfalt und Toleranz als Vorbild galt, ist zerbrochen. Ein Land, das von Rassis-mus geprägt wurde, kann sich nicht davon lösen.
14 Ohne Heimat
Bereits wenige Wochen später gab es weitere Überfälle. In vier Kapstädter Townschips planten Südafrikanische Ladenbesitzer systematisch die Vertreibung ausländischer Konkur renten. Im Dezemeber 2009 wurden 200 Ausländer in der LimpopoProvinz aus einem Townschip ver jagt. Immer wieder kam es in den vergangen Monaten zu Morden, Verfolgungen und Plünderungen.
den Kwiseras, dann hat sich die Lage der Ausländer in Südafrika in den letzten Monate weder verbessert noch verschlechtert. Die Feindsehlichkeiten sind über Jahre gewachsen und lösen sich nicht in wenigen Monate auf. Allein 2006 waren in und um Kapstadt nach Angaben somalischer Behörden 40 somalische Händler gezielt umgebracht worden. Die Übergriffe von 2008 mögen ein Tiefpunkt dieser langfristigen Entwicklung gewesen sein, aber längst nicht ihr Ende.
Vertriebene warten in Flüchtlingslager auf ihre Essensration
Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft fehlt
Am Kap ist ein Mythos zerbrochen: das Bild der RegenbogenNation, einer multikulturellen Gesellschaft, die in ihrer Vielfalt und Toleranz selbst vielen westlichen Ländern als Vorbild galt. Bezeichnenderweise waren es nie Weiße – die ehemaligen Unterdrücker – die zur Zielscheibe wurden, sondern Simbabwer, Mosambikaner, Malawier, Somalis, Ango laner und Kongolesen. Europäischen FussballTouristen werden von der südafrikanischen Form der Fremdenfeindlichkeit wenig zu spüren bekommen. Ausländerhass am Kap beschränkt sich auf Afrikanische Immigranten, viele von ihnen politische oder Armutsflüchtlinge. Die Einwanderer kommen mit leeren Taschen und versuchen, in Südafrikas ärmsten Gemeinden Fuss zu fassen – ohne jegliche Unterstützung vom Staat. Wo sie Erfolg haben ziehen sie Neid auf sich. Ihre Südafrikanischen Nachbarn genießen Freiheit, politische Rechte und Demokratie, doch es fehlt an Jobs, guten Schulen und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Südafrikas
Arme sind frustriert und richten ihre wachsende Wut gegen ihre afrikanischen Nachbarn. Hinzu kommt, dass Politiker und Behörden versuchen das Problem herunterzuspielen. Zwar haben sowohl der frühere Präsident Mbeki, als auch sein Nachfolger Zuma die Übergriffe ver urteilt, doch genutzt hat es wenig. So erklärte vor kurzem der Bügermeister des kleinen Ortes Riviersonderend im Westkap der Wochen zeitung »Mail & Guardian« mit folgen den Worten die Vertreibung von 20 Somalis in seinem Dorf: »Ich möchte nicht, dass Sie in der Zeitung von Ausländerhass sprechen. In ein paar Wochen haben wir hier die FußballWM. Das gäbe doch einen Aufstand – dabei geht es nur um 20 Leute! Wissen Sie, ich liebe mein Land und ich liebe das Westkap«.
»Ich möchte nicht, dass Sie in der Zeitung von Ausländer-hass sprechen. In ein paar Wochen haben wir hier die Fußball-WM.
Ohne Heimat 15
Die armen Südafrikaner und Flüchtlinge leben in so genannten »Townships«
Wie ernst ist denn die Lage zur Zeit? Sehen Sie langfristige Trends im Umgang mit Aus-ländern in Südafrika?Die Lage ist stabil, aber stabil auf einem gefährlichen Niveau. Es gibt ständig irgendwo neue Übergriffe. Und das ist nicht wirklich überraschend, wenn man bedenkt, unter welchen Bedingungen arme Menschen in Südafrika überleben. Gleichzeitig leben wir auf einem Kontinent mit Ländern wie Somalia, Kongo und Simbabwe, die so instabil sind, dass die Menschen von dort in Scharen nach Südafrika flüchten. Und das erhöht hier natürlich den Druck.
Sozio-ökonomische Probleme sind sicher eine wichtige Erklärung für Übergriffe gegen Aus-länder. Aber Armut alleine erzeugt ja noch keinen Ausländerhass...In Vierteln in denen die Mehrheit der Menschen arbeitslos ist, wird es immer Spannungen geben. Da können auch wir in unseren Projekten nur an die Menschlichkeit appelieren. Das funktioniert allerdings auch. Oft sind die Südafrikaner hier völlig überrascht, zu hören, was genau in Ruanda los war, oder was derzeit im Kongo passiert. Und wenn sie diese Geschichten hören, dann entwickeln sie auch Mitgefühl und Verständnis.
Wie schätzen Sie die Reaktion der südafrika-nischen Regierung auf das Problem ein?Es ist die erste Pflicht der Regierung, dafür zu sorgen, dass die Millionen armer Menschen in Südafrika ein Dach über dem Kopf haben, Zugang zu akzeptablen Schulen und so weiter. Gleichzeitig ist es ihre Pflicht, die Flüchtlinge hier im Land vor Übergriffen zu schützen. Als die Vertriebenen in den Zeltlagern mit Essensrationen versorgt wurden, hat das den Ausländerhass der Südafrikaner zum Teil noch weiter angefacht. Es ist fast unmöglich, da eine Balance zu wahren bei so großen – und berechtigten – Bedürfnissen auf beiden Seiten. Die Situa tion ist extrem schwierig, einfache Lösungen gibt es nicht.
Wo sehen Sie den dringendsten Handlungs-bedarf?Nach den Übergriffen 2008 wurden mehr als tausend mögliche Täter verhaftet. Doch im Fall des in Alexandra verbrannten Mosambikaners zum Beispiel wissen wir immer noch nicht, wer die Mörder waren, obwohl es so viele zeugen gab. Es gibt keine Verurteilungen. Gerade in diesen Fällen, die für so viel öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt haben, ist es unglaublich wichtig, eine klare Botschaft zu senden: Wer so etwas tut, wandert ins Gefängnis. So lange das nicht passiert, erreicht man das genaue Gegenteil. Gewalt wird akzeptabel. Es ist absolut erschreckend, dass hier nicht konsequent durchgefriffen wird.
Ein Gespräch mit Dean Peacock, einem der Gründer des »Sonke Gender Justice Network«, über Fremdenfeindlichkeit in Südafrika und Projekte zur Integration von Flüchtlingen und Migranten.
Interview 17
Die FußballWM in Südafrika muss vor dem Hintergrund der wachsenden internationalen politischen und ökonomischen Relevanz von Sportgroßveranstaltungen und der Beziehung zwischen Sport und Politik in PostapartheidSüdafrika gesehen werden. Das Eliteturnier des Weltfußballverbandes Fifa ist ein erstrangiges MegaEvent, wie es im Buche steht: Das heißt, es ist ein groß angelegter und prestigeträchtiger Sportwettbewerb mit Spitzensportlern, der regelmäßig und abwechselnd an unterschiedlichen Orten der Welt veranstaltet wird. Sportliche Großereignisse kennzeichnet, dass sie international ein hohes Maß an Interesse hervorrufen, große Publikumsmengen anziehen und
über hohe Unternehmensinvestitionen und erträge verfügen können. Hinsichtlich der Zuschauerzahlen und Einnahmen ist die FußballWM das größte Ereignis seiner Art, dicht gefolgt von den Olympischen Spielen. Sie unterscheiden sich darin, dass die WM in mehreren Städten ausgetragen wird. Beide sind jedoch globale Medienereignisse mit enormer wirtschaftlicher Bedeutung für Interessengruppen innerhalb und außerhalb des Sportsektors. Allgemein ist es für viele Regierungen auf der ganzen Welt immer attraktiver geworden, Gastgeber von Sportgroßveranstaltungen zu werden. Mehrere Faktoren spielen hier – im Zusammenhang mit der wachsenden Bedeutung von Sport im
Die Fußball-WM ist ein globales Medienereigniss mit enormer wirtschaftlicher Bedeutung
Dass Südafrika die WM austragen wird, geht weit über die Tat sache hinaus, dass dieses Ereignis zum ersten Mal in Afrika ausgetragen wird. Die WM wird positive Aus wirkungen, sowohl auf die wirtschaft-liche, als auch auf die soziale Entwicklung Südafrikas haben.
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Kommerzialisierung groß angelegter Sportveranstaltungen, was wiederum dazu beiträgt, dass die Gastgeberschaft derartiger Veranstaltungen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden wird.
Allgemeinen und Sportgroßereignissen im Besonderen – eine Rolle. Zu nennen sind hier etwa die Suche staatlicher Einrichtungen nach alternativen Entwicklungsmöglichkeiten, in der zunehmend verflochtenen und konkurrenzbetonten Welt, sowie neue symbolische und politische Werte, die Freizeit und Konsum zugeschrieben werden. All dies resultiert in der extremen
Fussball war schon während der Apartheit der Sport der schwarzen Bevölkerung
Enge Beziehung zwischen Sport und Politik
Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die FußballWM als Höhepunkt einer erweiterten Strategie der südafrikanischen Regierung zu betrachten, Sportveranstaltungen zu nutzen, um das Land auf internationaler Bühne prominenter zu positionieren. Auf diese Weise sollen ausländische Direktinvestitionen angezogen und die Attraktivität des Landes als Urlaubsziel gesteigert werden. Tatsächlich hat sich Südafrika seit dem Ende der Apartheid um eine ganze Reihe von bedeutenden Sportveranstaltungen bemüht. So richtete es 1995 die RugbyWM aus, und 1996 war das Land Austragungsort der alle zwei Jahre stattfindenden kontinentalen Fußballmeisterschaft, des Africa Cup of Nations. 1999 fanden die Panafrikanischen Spiele sowie 2003 zwei weitere Weltmeisterschaften in Südafrika statt – die des CricketWeltverbandes und die GolfWM der Damen. Der Zuschlag für die Austragung der FußballWM 2010 stellt jedoch einen besonderen Triumph dar und eine einzigartige Gelegenheit, das Land
der Weltöffentlichkeit zu präsentieren.Das Bestreben südafrikanischer Politiker, große internationale Sportveranstaltungen ins Land zu holen, hängt zudem mit einer historisch bedingten engen Beziehung zwischen Sport und Politik zusammen. Schon vor geraumer Zeit haben Historiker und Soziologen darauf hingewiesen, dass Sport eine wichtige Rolle bei der Entstehung gesellschaftlicher Identitäten und der Aufrechterhaltung der Rassentrennung spielt.
Sport spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung gesellschaftlicher Identitäten
Neuer Traum 21
Insgesamt gesehen, ist Sport ein Bereich, in dessen Rahmen viele Fragen zu Südafrikas Rassenpolitik debattiert worden sind – und das oft mit großer Tragweite. Da Sport einen derart wichtigen Teil der soziokulturellen Vorstellungswelt ausmacht, bedeuteten die internationalen Boykotts, durch die Südafrika während der Apartheid von der Teilnahme an großen Wettkämpfen ausgeschlossen war, sehr konkrete Konsequenzen für die Gesellschaft als Ganzes.
Soccer – Sport der Schwarzen
Rugby wurde während der Apartheid von einigen Angehörigen der Afrikaner Community mit Werten wie Männlichkeit, Kulturstolz und Überlegenheit verbunden und von ihnen als symbolisches Schlüsselattribut des »Afrikanertums« betrachtet. Im Gegensatz dazu entwickelte sich Fußball (bzw. Soccer in Südafrika) zum Sport vornehmlich der schwarzen Bevölkerung. Ab den 1950er Jahren und mit zunehmender Beliebtheit wurde Fußball zu einem Teil der sozialen Protestbewegung gegen die weiße Minderheitsregierung.
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Sport zur Stärkung des Nationalstolz
Bei der RugbyWM 1995, kurz nach den ersten demokratischen Wahlen, wurde erstmals im Rahmen einer Großveranstaltung die Verbindung von Sport und Nation Building geknüpft. Der Turniersieg der größtenteils weißen südafrikanischen Rugbymannschaft wurde nach dem letzten Spiel vom damaligen Präsidenten Nelson Mandela gefeiert, der bei seiner Ankunft am Stadion ein springboksTrikot trug – und somit die Farben der RugbyNationalmannschaft, die in der Zeit des Befreiungskampfes als ein Symbol des Apartheidrassismus galten. Mandelas offene Übernahme dieses Symbols signalisierte eine neue Ära der Versöhnung, an der alle Bevölkerungsgruppen teilhaben sollten, um ein vereintes und blühendes Südafrika zu zeigen, das bereit ist, seinen Platz in der internationalen Gemeinschaft einzunehmen. Dieselbe Symbolik war auch während der 1996 in Südafrika ausgetragenen FußballAfrikameisterschaft offen kundig. Die erstmalige Teilnahme an diesem Turnier sollte die Integration
In der Zeit nach der Apartheid gewann Sport neue Bedeutung als ein Mittel zur Überwindung von Rassenunterschieden und zur Schaffung einer gemeinsamen nationalen Identität. Der ehemalige Sportminister Makhenkesi Stofile zum Beispiel stellte fest, Sport sei »ein sehr wichtiger Teil der Gesellschaft (...). Auch unser Land trägt eine Verantwortung, Sport als Hilfsmittel zu nutzen, um das Land und unser Volk in eine bestimmte Richtung zu lenken – die Richtung eines vom Rassismus befreiten Südafrikas (...). Also müssen wir den Sport für das Nation Building nutzen. Wir müssen ihn nutzen, um Selbstwertgefühl und Nationalstolz zu stärken. Wir dürfen nicht an Paradigmen festhalten, die Apartheidstereotype aufrechterhalten«.
Der ehemalige Sportminister Makhenkesi Stofile stellte fest, Sport sei »ein sehr wichtiger Teil der Gesellschaft.«
Die WM soll als Katalysator für die Einheit des Landes genutzt werden und soll das Land innerhalb von Afrika und darüber hinaus zu einer einflussreicheren Rolle verhelfen
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Dass Weiße besonders unter der Kriminalität zu leiden hätten, ist falsch. Ein Grßteil der Gewalt spielt sich unter armen schwarzen Südafrikanern ab.
des Landes in den afrikanischen Kontinent verdeutlichen.Südafrikas Bewerbungskampagnen für die Austragung großer Sportereignisse werden seither von diesen Aspekten beflügelt. Durchaus bemerkenswert sind dabei zwei Elemente, welche die Bewerbung um die WM 2010 charakterisierten: erstens der Versuch, die Veranstaltung als Katalysator für die Einheit des Landes zu nutzen, und zweitens die Betonung darauf, wie das Ereignis dem Land innerhalb von Afrika und darüber hinaus zu einer einflussreicheren Rolle verhelfen könnte. Im Rahmen der letzten Bewerbungsrunde im Mai 2004 erklärte
der damalige Präsident Thabo Mbeki gegenüber der FifaFührung beispiels weise, dies sei »eine afrikanische Hoffnung, dass wir in einer Zukunft ankommen werden, in der unser Kontinent frei ist von Krieg, Flüchtlingen und Vertriebenen, frei von Gewaltherrschaft, von rassistischen, ethnischen und religiösen Konflikten, von Hunger und dem Ge wicht unserer jahrhundertelangen Leugnung der Menschenwürde. (...) Nichts könnte unserem Volk jemals mehr Antrieb geben, sich für den eigenen und Afrikas Aufschwung einzusetzen, als (...) die erfolgreiche Austragung der FußballWM 2010«.
»Nichts könnte unserem Volk jemals mehr Antrieb geben, sich für den eigenen und Afrikas Aufschwung einzusetzen, als (...) die erfolgreiche Austragung der Fußball-WM 2010.«
Neuer Traum 25
Südafrikanische Fans jubeln ihre »bafana bafana« zu.(die jungs, die jungs)
Nils Merkel
Editorial DesignProf. Lindauer
SS 2010Hochschule Mannheim
Südafrika – Einmal Weltmeisterschaft und zurück