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Modul: „Verstehen und Verändern“ WS 2013/2014 Subjekt, Objekt, Bewusstsein Wer ist welches In-welcher-Welt-sein? Essay im Seminar Wie sind Subjekte in einer objektiven Wirklichkeit möglich? Prof. Dr. Dr. Johannes Soukup, Prof. Dr. Nils Ole Oermann Von Malte Joost
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Subjekt, Objekt, Bewusstsein. Wer ist welches In-welcher-Welt-sein?

Apr 07, 2023

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Page 1: Subjekt, Objekt, Bewusstsein. Wer ist welches In-welcher-Welt-sein?

 

Modul:

„Verstehen und Verändern“

WS 2013/2014

Subjekt, Objekt, Bewusstsein

Wer ist welches In-welcher-Welt-sein?  

Essay im Seminar

Wie sind Subjekte in einer objektiven Wirklichkeit möglich?

Prof. Dr. Dr. Johannes Soukup, Prof. Dr. Nils Ole Oermann

Von

Malte Joost

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Joost, Malte

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 2

1 Ich bin. 3

2 Vom In-der-Welt-sein zum jeder ist sein In-seiner-Welt-sein. 4

3 Mein In-meiner-Welt-sein. 7

Page 3: Subjekt, Objekt, Bewusstsein. Wer ist welches In-welcher-Welt-sein?

    Joost, Malte  2  

Einleitung

Die Ausgangsfrage dieses Essays lautet: Sind Subjekte –Ihrer Meinung nach– spezielle

Objekte? Die eigentliche Frage ist dann doch zunächst: Was sind Subjekte, was Objek-

te? Subjekte sollen zunächst als Personen –sprich etwas nicht rein dingli-

ches/materielles– begriffen werden und Objekte als eben jegliche –trivial gesprochen:–

Dinge. Eine explizitere Erläuterung folgt im jeweiligen Kontext. Doch die viel wichti-

gere Frage lautet: Sind Subjekte oder Objekte überhaupt? Und ich will mir nicht anma-

ßen behaupten zu können, darauf eine Antwort zu wissen. Denn allein mit der Ansicht

etwas wirklich zu wissen1 wäre schon die höchste Form der Vermessenheit erreicht. Was

also in diesem Essay folgt ist definitiv kein Wissen. Wenn überhaupt ist es Glaube.

Wissen ist allenfalls Glaube, zumindest und gerade wenn es um die (Sinn)Frage(n) des

Seins geht. Und selbst als das wird es sich nur zum Teil herausstellen. Es wird vielmehr

allenfalls eine Form der Hoffnung sein, eine Hoffnung gewonnen aus Spekulationen.

„Was nun folgt, ist Spekulation, oft weitausholende Spekulation, die ein jeder nach sei-

ner besonderen Einstellung würdigen oder vernachlässigen wird. Im weiteren ein Ver-

such zur konsequenten Ausbeutung einer Idee, aus Neugierde, wohin dies führen wird“

(Freud 1920: 209).

Wenn ich jemanden –also ein Subjekt– zitiere, setze ich dann dessen (ehemalige) Exis-

tenz voraus? Die Frage ist doch zunächst viel mehr, was Existenz konkret bedeutet. Und

dazu muss zuallererst das Ich definiert werden. Denn Ich –und davon gehe ich erst ein-

mal aus– bin.

                                                                                                                         1  Wissen  gibt  es.  Aber  wirkliches  Wissen  nicht.  –  Dazu  später  mehr.  

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    Joost, Malte  3  

1 Ich bin.

Ich bin. Aber in wie fern bin ich? Ich bin soll nichts weiter heißen als, dass ich jetzt

wahrnehme2. Ich bin also, weil ich innerhalb meines (so soll es –des Verständnisses

halber– genannt werden:) Bewusstseins gerade wahrnehme. Das definiert mich, das

definiert Ich. Wo oder wie ich wirklich bin, kann ich dabei nicht wissen. Das heißt, dass

ich erst recht nicht wirklich wissen kann, ob das, was ich wahrnehme wirklich wahr ist.

Auch Erscheinungen (Objekte und Subjekte) die sind, waren und/oder sein werden sind

für mein Bewusstsein im Jetzt. Ob sie vorher und nachher wirklich waren oder sein

werden –ja selbst ob es ein Vorher und/oder ein Nachher wirklich gibt/gab–, darüber

lässt sich ebenfalls nur spekulieren. Ich kann also nur behaupten, innerhalb meines Be-

wusstseins momentan eine Welt wahrzunehmen, die jegliches beinhaltet: Meine Gefüh-

le, meine Gedanken, meinen Körper, alle Subjekte, alle Objekte, alles Gesehene, alles

Gehörte, alles was scheinbar war, ist und sein wird, also auch alle Erinnerungen

bestimmen diese Welt im Jetzt und sind bestimmt durch diese Welt. Doch ob diese Welt

in der Gesamtheit nur meine Welt ist, kann ich nicht sagen. Ob die Subjekte dieser Welt

wiederum ihre eigenen Welten haben –was diese Welt zu meiner alleinigen machen

würde– oder ob die Subjekte nur Teil meiner Welt sind –also nur für mich bestehen–

kann ich nicht wissen. Ebenso verhält es sich mit den Objekten. Sind die Objekte, die

ich wahrnehme auch da, wenn ich sie eben in einem Moment nicht wahrnehme? Gibt es

sie also nur für mich oder sind sie allgegenwärtig? Das wirft wieder die Frage nach der

Existenz oder Nichtexistenz auf. Eine Frage, die sich eindeutig nicht oder zumindest

nicht eindeutig beantworten lässt. Doch diese Frage verliert an Bedeutung, wenn ich

beachte, dass diese Dinge ja offenkundig in dieser Welt (–ob nun meiner Welt oder der

einen Welt ist dabei irrelevant–) sind.

Subjekte und Objekte sind insofern also existent3, unberücksichtigt davon, ob sie es

                                                                                                                         2  Wichtig   ist   dabei,   dass  wahrnehmen   in   diesem  Essay  nie   als  biologischer   Prozess   des  Nervensystems  verstanden  werden  darf.  Wahrnehmung  ist  philosophisch  zu  verstehen  und  soll  alles  beinhalten,  was  in  einem   Moment   erfahren   werden   kann   und   somit   für   wahr   genommen   wird.   Dies   beinhaltet   auch  jegliches  imaginatives  Wahrnehmen.  

3  Später  als  ein  Mitdasein  definiert.  

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    Joost, Malte  4  

wirklich sind oder nur für mich.4 Die einzige Existenz, derer ich mir wirklich sicher sein

kann, ist meine eigene und das nur durch eine –und in Form einer– Wahrhaftigkeit: Ich

nehme innerhalb meines Bewusstseins wahr und zwar in diesem Augenblick. Alles an-

dere ist zwar möglich, aber alles andere ist auch anzuzweifeln.

2 Vom In-der-Welt-sein zum jeder ist sein In-seiner-Welt-sein.

Da die gestellte Frage dieses Essays zunächst im Seminarkontext behandelt werden soll,

bedarf die dort vertretene Auffassung –wie sie von mir verstanden wurde– an dieser

Stelle einer Erläuterung.

Auch im Seminar wird von der Annahme ausgegangen, dass es das gibt, was in dem

eigenen gegenwärtigen Bewusstsein eines Subjekts wahrgenommen wird. Das Bewusst-

sein gilt somit als Maxime alles Seienden neben und aus dem Bewusstsein selbst. Die

Wirklichkeit –verstanden als eben alles als Seiendes wahrgenommene im eigenen Be-

wusstsein– ist somit eine subjektive Wirklichkeit. Eine objektive Wirklichkeit gibt es

nicht. Denn etwas objektiv Wahrgenommenes an sich gibt es nicht –oder zumindest

können wir dies nicht sicher wissen–.

Auch Objekte –als etwas Gewusstes aus dem subjektiven Bewusstsein verstanden– sind

für uns. Sie sind für uns aber definitiv nur subjektiv aufzufassen, weil sie für jedes Sub-

jekt unterschiedlich sein können. Objekte sind in dieser Hinsicht ebenfalls als etwas

Materielles zu verstehen. Oder um es zusammenfassend mit den Worten Kutscheras zu

formulieren: „Bewußtsein ist immer Bewußtsein eines Subjekts, und vielfach ist es Be-

wußtsein von etwas, einem Objekt oder einem Sachverhalt, also intentional. Nur Sub-

jekten ist etwas bewußt“ (von Kutschera 2000: 12-13). Um diese Gedanken weiter aus-

zuführen: Ein Subjekt definiert sich demnach über (s)ein Bewusstsein, was es gleichzei-

tig von einem Objekt unterscheidet. „Nur im Bewußtsein ist uns überhaupt etwas gege-

ben [...]“ (ebd.: 13). Auch nach der im Seminar vertretenen Auffassung definiert sich

ein Subjekt –also auch Ich– über die eigene subjektive Welt –weiter oben Wirklichkeit

                                                                                                                         4   Wie   deutlich   geworden   ist,   wird   in   diesem   Essay   zwischen   wirklichem   Sein   und   Sein,  Wirklichkeit/Existenz   und   einer   wirklichen  Wirklichkeit/Existenz,   von   der   man   nicht   eindeutig   wissen  kann,  unterschieden.  Damit  hat  ein  und  dasselbe  Wort  zwei  Bedeutungen,  anders  ließe  sich  aber  mein  Gedankengang  nicht  fassen.  Dies  gilt  ebenfalls  für  den  Terminus  Wissen.  

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    Joost, Malte  5  

genannt–.

Ich erinnere mich an eine Formulierung ähnlich folgender: Das Subjekt ist ein In-der-

Welt-sein. Dies ist eine Ausführung die in Anlehnung an die Gedankengänge Martin

Heideggers in seinem Hauptwerk Sein und Zeit (1927/1977) zu verstehen ist. Diese Ge-

dankengänge sollen nun nur ansatzweise aufgeführt werden und lediglich im Seminar-

kontext und im Zusammenhang mit meinem eigenen Verständnis eine Erläuterung fin-

den:

Die Formulierung „Das ‚Wesen’ des Daseins liegt in seiner Existenz“ (ebd.: 42, Her-

vorhebungen i.O.) legt dabei den Grundstein zu Heideggers Überlegungen. Dieses Sein

des Daseins führt er weiter aus als ein „je meines“ (Heidegger 1927/1977: 41), das be-

deutet:

„Wie die Welt für ein uns fremdes Dasein aussieht, ist uns verschlossen. Schon die Un-

terstellung, daß sie anders aussehen könnte, kann strenggenommen nicht getroffen wer-

den, denn wir können nicht einfach in ein anderes Dasein schlüpfen. Jeder kann nur

über sein Dasein sprechen, das ist trivial“ (Luckner 1997: 30).

Dies mache Heideggers Analyse der Existenz nur streng „auf der Innenseite“ (ebd.) des

Daseins ausführbar (vgl. ebd.). Es dürfen also keine „[...] ‚von außen’ an das Dasein

herangetragene Phänomenerklärungen gegeben werden [...]“ (ebd., Hervorhebungen

i.O.). Diese Ausführungen lassen sich auch in dem Gedankengang des Seminars eins zu

eins wiederfinden. Eigenschaften des Daseins –also verstanden als ein rein subjektives

Dasein– lassen sich somit weder sammeln noch klassifizieren usw. (vgl. Luckner 1997:

31). Darin findet sich logischerweise eine kategorische Ausschließung jeglicher Ansät-

ze, die –als Weg zur Beschreibung des Daseins (vgl. Luckner 1997: 32)– alle angebli-

che Seins-Gemeinsamkeiten aller Subjekte voraussetzen. Dies bezieht somit sich auf

wissenschaftliche oder theologische Ansätze sowie den Auffassungen des Menschen

(verallgemeinert) als zoon politikon bei Aristoteles oder als Vernunftwesen, etc..

Dieses subjektive Dasein nach Heidegger ist als ein ganzheitliches zu verstehendes In-

der-Welt-sein (vgl. Luckner 1997: 34) gefasst: Alles ist dieses je meines In-der-Welt-

sein. Das subjektive Dasein in diesem Sinne kommt vor allem anderen, es ist deren Be-

dingung. Nun ist es wichtig zu erwähnen, dass Heideggers als auch die im Seminar ver-

tretene Auffassung von Subjekten anders sein könnte als die, die man sich als Leser an

dieser Stelle vielleicht vorstellt. Oder anders gesagt: Heidegger würde wohl davon ab-

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    Joost, Malte  6  

sehen den Begriff Subjekt in diesem Kontext überhaupt zu benutzen, ich fasse ihn im

Kontext des Seminars aber in dem Sinne des In-der-Welt-seins. Ein Subjekt ist also kein

weltloses Subjekt, das den Bezug zu einer Welt erst aufbaut. Das Subjekt ist, wie ich es

verstanden habe, im Seminarkontext als das je eigene (im Sinne von der Jemeinigkeit)

In-der-Welt-sein zu verstehen. So ist im Übrigen auch das Objektive im Unterschied

zum Subjektiven im Seminarkontext aufzufassen. Ein triviales Beispiel:

Ein Mann und eine Frau warten auf einen Zug.5 Die Anzeige auf dem Bahnsteig zeigt

an, dass der Zug erst in zehn Minuten eintreffen wird: objektive zehn Minuten. Der

Mann wird diese objektive Zeitspanne subjektiv als länger empfinden, weil er seiner

Auffassung nach schon den gesamten Tag mit Warten verbracht hat und keinerlei Be-

schäftigung auf dem Bahnsteig findet. Die Frau allerdings ist in ein Telefonat vertieft,

welches sie als absolut bereichernd empfindet, weshalb die zehn Minuten für sie wie im

Fluge verstreichen werden.

Und genau darum geht es: Das Subjektive zeigt als einziges die Welt, wie sie ist. Sie ist

eben eine subjektive Welt. „Das umsichtige Ent-fernen der Alltäglichkeit des Daseins

entdeckt das An-sich-sein der ‚wahren Welt’, des Seienden, bei dem Dasein als existie-

rendes je schon ist“ (Heidegger 1927, in: Dünne/Günzel, 2006, S. 143, Hervorhebungen

i.O.). Also: Dasein kommt vor allem anderen. Dasein ist immer schon ein –im erläuter-

ten Sinne– subjektives In-der-Welt-sein. Dieses Dasein kann im Seminarkontext auch

unter dem Begriff Bewusstsein gefasst werden: Wir kommen nicht aus unserem Be-

wusstsein heraus. Ein ganz entscheidender Punkt, der sich im Seminar ebenso wie bei

Heidegger wiederfinden lässt, ist dabei:

„[...] Daß die Weltlichkeit des Daseins nicht die eines solipsistischen Ichs ist, das erst

hernach in seinem Weltaufenthalt feststellt, daß es auch noch andere gibt, sondern daß

Dasein als In-der-Welt-sein immer schon das Mitsein mit Anderen und daher das Mit-

dasein Anderer einschließt“ (Luckner 1997: 57).

Und hier kommt es zur unterscheidenden Auffassung meinerseits zu der im Seminar-

kontext vertretenen Meinung: Wie im ersten Abschnitt bereits deutlich geworden ist,

gehe ich völlig konform mit der Auffassung, dass sich mein Dasein über meine Welt

definiert. Auch dass diese Welt ein Mitdasein Anderer einschließt, entspricht meiner

                                                                                                                         5  Dass  dies  ein  Mann  und  eine  Frau  sind  ist  dabei  selbstverständlich  völlig  irrelevant.  

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    Joost, Malte  7  

Meinung. Doch mit einer ganz entscheidenden Auffassung komme ich nicht überein:

Die Konzipierung des eigentlichen ich bin als ein Heidegger’sches In-der-Welt-sein

formuliert sich –im Seminarkontext– um zu einem jeder ist sein In-seiner-Welt-sein.

Dies setzt neben der eigenen Existenz (im Sinne des In-der-Welt-seins) die wirkliche6

Existenz der Anderen als Definitivum voraus. Zu der Innenwelt kommt somit de facto

eine Außenwelt, weil etwas neben dem eigenen Selbst als wirklich gegeben angenom-

men wird. Was heißt, dass es im Endeffekt hauptsächlich um folgenden Punkt geht:

„Wir erleben und verstehen uns selbst in einer bestimmten Weise, die ganz verschieden

sein kann von der Weise, wie andere uns erfahren. Mit dem Bewußtsein entsteht eine

Innenwelt, und während die Außenwelt eine gemeinsame Welt ist, hat jedes Subjekt

seine eigene Innenwelt, die für andere nur indirekt zugänglich ist“ (von Kutschera 2000:

14).

Und insofern sind im Seminarkontext nämlich auch Objekte in einer Spaltung zu Sub-

jekten zu verstehen:

„Die Teile ihrer Umgebung, auf die Handlungssubjekte reagieren, sind für sie vielmehr,

wie wir gemeinsam unterstellen, ‚Objekte’, denen sie in einem gewissen Sinne ‚gegenüber-

stehen’, und denen gegenüber sie sich nach Maßgabe ihrer jeweiligen psychischen Verfas-

sung ‚selber einrichten’ können“ (Ros 2005: 521, Hervorhebungen i.O.).

Aus dem Seminarkontext ergibt sich also: Jedes Subjekt ist sein eigenes In-seiner-

Innenwelt-sein, wobei diese Subjekte alle in einer Außenwelt nebeneinander existieren.

Auch Objekte existieren in dieser Außenwelt, sie sind allerdings –so wie sie jedem sub-

jektiv sind– als Produkte der Subjekte zu verstehen und haben kein Bewusstsein, kein

subjektives In-ihrer-Welt-sein.

3 Mein In-meiner-Welt-sein.

Zusammenfassen lässt sich die eben aufgeführte Auffassung aus dem Seminar wie folgt:

Subjekte sind wirklich. Und sie sind unabhängig voneinander. Jedes Wesen –Subjekt–

exisitiert wirklich und erst aus dieser (subjektiven) Welt ergibt sich die Existenz (das

                                                                                                                         6  Siehe  Fußnote  4.  

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    Joost, Malte  8  

Dasein) der Objekte für das Subjekt. Auch diese Objekte gibt es allerdings in einer Au-

ßenwelt, sie erscheinen nur jedem subjektiv7. Passend hierzu könnte man Heideggers

Licht und Lichtung interpretieren: „Die Lichtung ist das Offene für alles An- und Abwe-

sende“ (Heidegger 1988: 72); Jeder ist eine Lichtung und die Lichtung ist die Voraus-

setzung für Licht (vgl. Heidegger 1964, hg. von: Boss 1987: 16). Und nur je nachdem,

ob das Licht des Seins anderer Objekte oder eben Subjekte im Prozess8 des eigenen

Subjekt-Werdens in die je meine Lichtung fällt, können diese Dinge (Objekte und/oder

Subjekte) einem selbst als Seiendes erscheinen. Sprich, alles wird nur existent –zu et-

was Seiendem, also Teil meiner Welt–, wenn ich ihm begegne. Dies ist dabei individu-

ell nicht vorhersehbar.

Ebenfalls gibt es in dieser Auffassung keine Eigenschaften, die das Dasein des Subjekts

(der Subjekte) definiert, welches unabhängig von der jeweiligen Existenz (der jeweili-

gen Welt) zu verorten ist: Auch eine alles übergreifende Erklärung für das Sein aller,

wie ein Gott oder der Urknall kann kein Fundament sein, auf dem die Existenz der Sub-

jekte erklärt werden kann. Soweit zu der Auffassung, die ich aus dem Seminarkontext

entnommen habe.

Ich selbst frage mich allerdings, warum ich a priori davon ausgehen können soll, dass

andere Subjekte –für sich alleine– überhaupt wirklich sind. Warum soll ich nicht davon

ausgehen können, dass nur ich (es) bin? Warum soll ich nicht davon ausgehen, dass die

anderen Subjekte erst durch mich existieren? Dadurch würden diese Subjekte dann tat-

sächlich einfach zu einer speziellen Form von Objekten. Objekte und Subjekte sind

dann erst einmal einfach da, ob wirklich oder nicht.9 Subjekte sind wie Objekte zunächst

lediglich ein Mitdasein und zwar mit in meiner Welt. Ob Subjekte wirklich auch ein

eigenes In-ihrer-Welt-sein sind, kann ich doch eigentlich nicht wissen.

Denn vorauszusetzen, Subjekte (Plural) gebe es als individuelle Subjekte, versucht zwar

nicht deren implizite Existenz zu erklären, setzt aber ebenso etwas a priori voraus wie

eine Religion mit einem Gott als Schöpfer oder wie den Urknall als Anfang einer Ent-

wicklungsgeschichte aus Materie.                                                                                                                          7  Ob  subjektiv  auch  gleich  unterschiedlich  bedeuten  muss,  kann  dabei  nicht  gesagt  werden.  

8   Denn   auch   wenn   In-­‐der-­‐Welt-­‐sein   als   Momentzustand   aufgefasst   wird,   ist   im   Seminarkontext   das  Subjekt   als   Subjekt-­‐Werden   definiert.   Jeder   ist   zwar   Subjekt,   aber   untersteht   ebenso   stetigen  Veränderungen.  

9  Siehe  vergleichend  Abschnitt  1.  

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    Joost, Malte  9  

Der Fakt, dass eine Voraussetzung Basis aller danach folgenden Erkenntnisfragen ist,

macht diese Theorie lediglich zu einer weiteren Glaubensrichtung. Weil jede überzeugt

verfolgte Theorie auf Glaube basiert. Und mehr als Theorie kann es auch nicht sein. Ich

möchte dabei nicht falsch verstanden werden und betone deshalb noch einmal: Diese –

von mir jetzt als weitere Glaubensrichtung titulierte– Denkweise, dass es zwar nichts

Übergeordnetes (Gott, Urknall, etc.) gibt, was das Sein der Subjekte erklären kann, die

aber davon ausgeht, dass die Subjekte unabhängig voneinander sind (i.S.v. selbstständi-

ges Dasein, so wie: eigene Welt), versucht nicht, etwas diese Existenzen Erklärendes

vorauszusetzen. Sie setzt aber etwas neben der eigenen Existenz (und zwar nur der ei-

genen, im oben erläuterten Sinne: 1. Ich bin.) als wirklich voraus! Sie behauptet fest,

dass es andere Bewusstseine gibt, obwohl sie der eigentlichen Überzeugung ist, nichts

außerhalb des eigenen Bewusstseins feststellen zu können –und ob das individuelle

Dasein anderer nun wirklich ist, wäre für die Frage nach der Existenz der Objekte

(und/oder Subjekte) für das Ich selbst, wie oben erläutert, ja eigentlich gar nicht rele-

vant–. Etwas neben dem eigenen (Bewusst)Sein vorauszusetzen, reicht in meinem Den-

ken schon dafür aus, eine Theorie mit einer derartigen Feststellung als eine Glaubens-

richtung zu beschreiben.

Noch einmal: Dass die anderen Subjekte sind, darüber lässt sich nicht streiten. Ob sie es

aber nur in meiner Welt sind oder aber auch an und für sich, sprich wirklich, und da-

durch mit einer je eigenen Welt, kann nicht festgehalten werden. Jeder Mensch ist sein

In-seiner-Welt-sein setzt voraus, dass jeder Mensch ein eigenes In-der-Welt-sein ist. Es

schließt gleichzeitig aus, dass jeder andere Mensch (neben mir) nur In-meiner-Welt-sein

könnte, ohne eigene Welt.

Die Frage ist also, warum verwirft man alle möglichen Erklärungen für das Dasein der

Subjekte als nichtig, weil nicht belegbar, beharrt aber auf dem Gedanken der definitiven

Existenz (i.S.v. selbstständiges Dasein, so wie: eigene Welt) dieser Subjekte –was eben-

so eine Mutmaßung ist–? Ich denke, die Erklärung dafür ist recht simpel:

„Warum irren wir uns in unseren Mutmaßungen, warum geben sogar die Skeptiker oft den

Reizen der Naivität nach? Weil es widernatürlich ist, sich vor der Allmacht des endgültigen

Nicht-Sinnes zu beugen“ (Cioran 1990, in: Sloterdijk 1990: 667).

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    Joost, Malte  10  

Die Idee ergibt sich –womit wir spätestens beim spekulativen und schon fast psycho-

analytischen10 Teil wären– aus dem Gedanken der Unerträglichkeit des Alleine-seins.

Denn wie finster ist die Vorstellung, wirklich nur (m)ein In-meiner-Welt-sein zu sein?

Aber daraus lässt sich ganz gut meine Auffassung vom Sein verstehen: Alles kann sein.

Ich glaube zwar nicht an die Außenwelt, zweifle sie aber auch nicht dauerhaft an. Das

ist die widersprüchliche Philosophie, die ich persönlich verfolge. Ich würde sie eine

Philosophie nennen, die den Skeptizismus lebbar macht.

Wenn ich eigentlich alles in Form einer „[...] tiefgründigen und abstrakten Philosophie

[...]“11 (Hume hg. von: Herring 1967/1982: 24) anzweifle, könnte man meinen, dass kein

einziges Gespräch möglich wäre, kein Auseinandersetzen mit Themen/Theorien, dessen

Wissen –welches eigentlich kein wirkliches Wissen ist12, weil es– aus Voraussetzungen

entspringt. Damit wäre also die Frage berechtigt, warum ich in diesem Uni-Semester

beispielsweise Hausarbeiten über Die Uhr bei Lacan und die Ordnung der Wissenschaft

durch das symbolisierte Reale, über einen Film von Ulrich Seidl und über Das objektive

Bild der Physiognomik, einen umfassenden Cultural Turn geschrieben habe; warum ich

überhaupt etwas studiere, mich mit Dingen befasse. Zunächst einmal dient das Befassen

mit Dingen ganz klar als Beschäftigungstherapie. Auf der anderen Seite, weil es für

mich schon erstrebenswert ist Theorien zu erlernen, die wahr sein könnten; und nicht

zuletzt, um darüber schmunzeln zu können, wie andere –ob nun nur mir existent oder

wirklich existent– ihrem Nicht-Sinn entgehen, bzw. einen Sinn geben. Und darüber hin-

aus, um ihnen die Nichtigkeit ihrer Überlegungen im Lichte des Sich-der-Wahrheit-der-

Theorie-eigentlich-nicht-sicher-sein-könnens vorzuhalten. Um ihnen klar zu machen,

dass sie „[...] über kein Kriterium verfügen, in irgendeinem Fall sicherzustellen, daß die

Bedingungen für [wirkliches] Wissen erfüllt sind“ (Gabriel 2012: 157).

Ich bin der festen Ansicht: Alles ist anzuzweifeln, aber nichts als Möglichkeit auszu-

schließen. So ist es genau so gut möglich, dass ein Gott alles erschaffen hat, wie die

Möglichkeit besteht, dass ich das einzig wirklich existierende Subjekt bin und die ande-

ren Subjekte dadurch zu einer speziellen Form von Objekten werden –weil ich sie ein-                                                                                                                          10  Eine  –meiner  Meinung  nach–  sehr  fortgeschrittene  Form  der  Spekulation.  

11  Eine  Philosophie,  die  ganz  eindeutig  nicht  nur  “[...]  beschwerlich  und  ermüdend  [ist],  sondern  auch  die  unvermeidliche  Quelle  von  Ungewißheit  und  Irrtum”  (Hume  hg.  von:  Herring  1967/1982:  24).  

12  Es  handelt  sich  aber  um  eine  From  von  Wissen.  Ich  würde  es  uneigentliches  Wissen  nennen  gegenüber  dem  eigentlichen/wirklichen  Wissen,  welches  es  nicht  gibt.  

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    Joost, Malte  11  

fach anders wahrnehme–, dass sie –wie Objekte– nur in und durch mich (meine Welt)

sind. Ich glaube aber an beides ebenso wenig, wie an den Urknall oder den Solipsismus.

Ich hoffe allenfalls auf eine Sinngebung. Aber wirklich wissen kann ich nicht und werde

ich nie. Mir könnte etwas leibhaftig begegnen, alles verschwinden lassen und anders

wieder erscheinen und behaupten, es sei (m)ein Schöpfer: Was sagt mir, dass dies nicht

nur Produkt meines Bewusstseins war/ist oder dass über diesem etwas noch etwas steht?

Das Was der Erscheinungen in meinen Bewusstsein wird somit reduzierend zu einem

Dass des Erscheinens.13 Denn ob das was mir erscheint wirklich wahr ist kann ich nie-

mals wirklich wissen und ich muss es somit einfach akzeptieren. Ich weiß lediglich über

mein In-meiner-Welt-Sein.

                                                                                                                         13   Dies   ist   eine   Formulierung   die   Franz   Vosman   (vgl.   2008   in:   Hoppe   2008:   211)   bezüglich   Rolf   Kühns  Überlegungen  bereits  ähnlich  äußerte.  

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    Joost, Malte  12  

Quellenverzeichnis

Literatur:

Cioran, E. M., 1990, “Die negative Seite des Fortschritts”, in: Sloterdijk, Peter, 1990

(Hrsg.): Vor der Jahrtausendwende: Berichte zur Lage der Zukunft, zweiter

Band, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 660-667

Freud, Sigmund, 1920, “Jenseits des Lustprinzips”, in: Freud Sigmund, 2001/1992,

Das Ich und das Es: Metapsychologische Schriften, Frankfurt/Main:

Fischer Taschenbuch Verlag (9. Auflage)

Gabriel, Markus, 2012, Die Erkenntnis der Welt – Eine Einführung in die

Erkenntnistheorie, Freibug/München: Verlag Karl Alber

Heidegger, Martin, 1927/1977, Sein und Zeit, Tübingen: Max Niemeyer Verlag

Heidegger, Martin, 1927, “Die Räumlichkeit des Daseins”, in: Dünne, Jörg/Günzel,

Stephan, 2006 (Hrsg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und

Kulturwissenschaften, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 141-152

Heidegger, Martin, 1964, Zollikoner Seminare, herausgegeben von Boss, Medard, 1987

(Hrsg.), Frankfurt/Main: Vittorio Klostermann Verlag

Heidegger, Martin, 1988, Zur Sache des Denkens, 3. Auflage, Tübingen: Max Niemeyer

Verlag

Hume, David, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, übersetzt und

herausgegeben von: Herring, Herbert, 1967/1982, Ditzingen: Reclam

Luckner, Andreas, 1997, Martin Heidegger: “Sein und Zeit”: Ein einführender

Kommentar, Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh

Von Kutschera, Franz, 2000, Die großen Fragen. Philosophisch-theologische

Gedanken, Berlin/New York: Walter de Gruyter

Page 14: Subjekt, Objekt, Bewusstsein. Wer ist welches In-welcher-Welt-sein?

    Joost, Malte  13  

Vosman, Franz, 2008, “Moraltheologie und die «Radikale Phänomenologie» des

Lebens”, in: Hoppe, Thomas, 2008 (Hrsg.): Körperlichkeit – Identität:

Begegnung in Leiblichkeit, Freiburg/Schweiz: Academic Press Fribourg, S. 203-

214