Strafrecht BT Tötungsdelikte (Fortsetzung) und Schwangerschaftsabbruch Vorlesung vom 1. November 2010 HS 2010 Jonas Weber Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Bern
Strafrecht BT
Tötungsdelikte (Fortsetzung)und Schwangerschaftsabbruch
Vorlesung vom 1. November 2010
HS 2010
Jonas WeberInstitut für Strafrecht und KriminologieUniversität Bern
Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 10) Tötungsdelikte (Teil 4) und Schwangerschaftsabbruch − Folie 2
Vorsätzliche Tötungsdelikte (Art. 111 - 116)Grundtatbestand: Vorsätzliche Tötung (Art. 111)
Qualifizierter Tatbestand:Mord (Art. 112)besondere Skrupellosigkeit
Privilegierte Tatbestände
Sondertatbestand:Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord (Art. 115)selbstsüchtige Beweggründe
Kindestötung (Art. 116)nur Mutter kann Täterin sein (Sonderdelikt)Einfluss des Geburts-vorgangs
Tötung auf Verlan-gen (Art. 114)ernsthaftes und ein-dringliches Verlan-gen des Opfersundachtenswerte Beweggründe
Totschlag (Art. 113)heftige Gemüts-bewegungoder grosse seelische Belastung
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Sterbehilfe
Sterbehilfe
Sterbehilfeorganisationen wie Exit oder Dignitas
Ärztliche Sterbehilfe
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Sterbehilfe: Ärztliche Sterbehilfe
Ärztliche Sterbehilfeim Rahmen der ärztlichen Behandlung oder Betreuung;
bei unheilbarer Krankheit mit baldigem Todeseintritt; reales od. mutmassliches Einverständnis des Betroffenen
Aktive Sterbehilfe(Handeln)
Passive Sterbehilfe(Unterlassen)
Verzicht auf lebensver-längernde Therapien; nach h.L. auch Abbruch von lebensverlängern-den Therapien
nicht strafbar
Indirekteaktive Sterbehilfeschmerzlinderde Mittel mit Herabset-zung der Lebens-dauer als Nebenwir-kung
nicht strafbar
Direkteaktive Sterbehilfe
zielgerichtete Tötung zur Verkürzung des Leidens
strafbar gemäss Art. 114
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Art. 114 Abs. 2 – Vorschlag Expertenkommis-sion 1999
Bericht der Arbeitsgruppe Sterbehilfe vom März 1999 an das EJPD
Art. 114: Tötung auf VerlangenWer aus achtenswerten Beweggründen, namentlich aus Mitleid, einen Menschen auf dessen ernsthaftes und eindringliches Verlangen tötet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.Hat der Täter eine in ihrer Gesundheit unheilbar beeinträchtigte, kurz vor dem Tod stehende Person getötet, um sie von unerträglichen und nicht behebbaren Leiden zu erlösen, so sieht die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung ab.
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Sterbehilfe: Sterbehilfeorganisationen
Sterbehilfeorganisationen wie Exit oder Dignitas
Hilfeleistung für Sterbewillige durch Zurverfügungstellung von tödlichen Stoffen und/oder Anleitung zur SelbsttötungKonzept: Tatherrschaft beim Suizidenten; keine "tatherr-schaftliche" Tötungshandlung durch den SterbehelferProblem: Urteilsfähigkeit des Sterbewilligen (v.a. bei psychisch Kranken)
fehlende Urteilsfähigkeit des Sterbewilligen: Art. 115 und Art. 114 scheiden aus;anwendbar ist grundsätzlich Art. 111evtl. Sachverhaltsirrtum betreffend Urteilsfähigkeit des Sterbewilligen; dann u.U. Art. 116 fahrl. Tötung
Urteilsfähigkeit des Sterbewilligen gegeben (Normalfall): Beihilfe zum Selbstmord (Art. 115) selbstsüchtige Beweggründe?• in der Praxis meist zu verneinen• jedoch: Entschädigung für Hilfeleis- tung; Aufmerksamkeit in Medien und
Öffentlichkeit ("Geltungssucht")
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VE Art. 115 Abs. 2 - 4: Organisierte Suizidhilfe
Vorentwurf des Bundesrates vom 28. Oktober 2009 zur Regelung derorganisierten Suizidhilfe
2 Wer im Rahmen einer Suizidhilfeorganisation jemandem Hilfe zum Suizid leistet (Suizidhelfer), wird, wenn der Suizid ausgeführt oder versucht wird, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, es sei denn, die folgenden Voraussetzungen sind erfüllt:
a. Der Entscheid zum Suizid wird von der suizidwilligen Person frei gefasst und geäussert und ist wohlerwogen und besteht auf Dauer.
b. Ein von der Suizidhilfeorganisation unabhängiger Arzt stellt fest, dass die suizidwillige Person im Hinblick auf den Suizidentscheid urteilsfähig ist.
c. Ein anderer von der Suizidhilfeorganisation unabhängiger Arzt stellt fest, dass die suizidwillige Person an einer unheilbaren Krankheit mit unmittelbar bevorstehender Todesfolge leidet.
d. Mit der suizidwilligen Person werden andere Hilfestellungen als der Suizid erörtert und sie werden, soweit von ihr gewünscht, ihr vermittelt und bei ihr angewandt.
e. Die Suizidhandlung wird mit einem ärztlich verschriebenen Mittel ausgeführt. f. Der Suizidhelfer verfolgt keinen Erwerbszweck. g. Die Suizidhilfeorganisation und der Suizidhelfer erstellen über den Suizidfall
gemeinsam eine vollständige Dokumentation.
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VE Art. 115 Abs. 2 - 4: Organisierte Suizidhilfe (Fortsetzung)
3 Die für eine Suizidhilfeorganisation verantwortliche Person wird nach Absatz 1 bestraft, wenn:
a. der Suizidhelfer im Einvernehmen mit ihr zum Suizid Hilfe leistet, obschon eine in Absatz 2 genannte Voraussetzung nicht erfüllt ist, oder
b. wenn die Suizidhilfeorganisation von der suizidwilligen Person oder von ihren Angehörigen geldwerte Leistungen erhält; ausgenommen sind Mitgliederbeiträge und Zuwendungen, die mindestens ein Jahr vor dem Tod ausgerichtet oder verfügt wurden.
(…)
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Fahrlässige Tötung (Art. 117) – Allgemeines
Art. 117: Fahrlässige Tötung
Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
>Tathandlung: fahrlässiges Verursachen des Todes eines anderen
- fahrlässig: pflichtwidrig unvorsichtig– Verstoss gegen eine Sorgfaltspflicht: besondere
(insbesondere gesetzlich geregelte) Sorgfaltspflichten und allgemeine Grundsätze
– besondere Sorgfaltspflichten: z.B. SVG– allgemeine Grundsätze: z.B. allgemeiner Gefahrensatz
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Fahrlässige Tötung (Art. 117) – Konkurrenzen
> zu Gefährdungsdelikten: echte Konkurrenz, wenn neben der verletzten Person noch weitere Personen konkret gefährdet worden sind
- z.B.: Art. 90 SVG
Art. 90 SVG: Verletzung der Verkehrsregeln
1. Wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt, wird mit Busse bestraft.
2. Wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt, wird mit Freiheits-strafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
3. (...)
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Tötungsdelikte (Art. 111 - 117) – Strafmass
Vorsätzliche Begehung(Art. 111 - 116)
Fahrlässige Tötung(Art. 117)
FS 1 Tag bis 3 JahreVE 2010: FS 1 Tag bis 5 JahreGrundtatbestand:
Vorsätzliche Tötung (Art. 111)FS 5 bis 20 Jahre
Qualifizierter Tatbestand:Mord (Art. 112)FS 10 bis 20 Jahre oder lebenslänglich
Privilegierte Tatbestände:- Totschlag (Art. 113)
FS 1 bis 10 Jahre- Tötung auf Verlangen (Art. 114)
FS 1 Tag bis 3 Jahre- Kindestötung (Art. 116)
FS 1 Tag bis 3 JahreVE 2010: Art. 116 aufgehoben
Sondertatbestand:Verleitung und Bei-hilfe zum Selbstmord (Art. 115)FS 1 Tag bis 5 Jahre
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Schwangerschaftsabbruch (Art. 118 - 120) –Systematik
> Straftaten gegen Leib und Leben- Tötungsdelikte (Art. 111 - 117)- Schwangerschaftsabbruch (Art. 118 - 121)- Körperverletzungsdelikte (Art. 122 - 126)- Gefährdung des Lebens und der Gesundheit (Art. 127 - 136)
> Art. 118: Strafbarer Schwangerschaftsabbruch- Abs. 1: durch Dritte mit Einwilligung der Schwangeren- Abs. 2: durch Dritte ohne Einwilligung der Schwangeren- Abs. 3: durch die Schwangere nach der zwölften Schwangerschaftswoche
> Art. 119: Strafloser Schwangerschaftsabbruch- Abs. 1: Indikationenregelung- Abs. 2: Fristenregelung
> Art. 120: Übertretungen durch Ärztinnen und Ärzte bei Fristenregelung
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Schwangerschaftsabbruch (Art. 118 - 120) – Rechtsgut
> Primär geschütztes Rechtsgut: (entstehendes) menschliches Leben während der Schwangerschaft (pränataler Lebensschutz)
- (eingeschränkter) Schutz auch gegenüber der Mutter; allerdings (aufgrund der Fristenregelung) erst nach Ablauf der zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode
> Sekundär geschütztes Rechtsgut: Gesundheit und Selbstbestimmungs-recht der schwangeren Frau
- Indikationsregelung: Gesundheit der Frau- Fristenregelung: Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau
> Spannungsverhältnis zwischen den beiden Rechtsgütern bzw. Interessen
- pränataler Lebensschutz versus Gesundheit und Selbstbestim-mungsrecht der schwangeren Frau
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Schwangerschaftsabbruch (Art. 118 - 120) – Tatobjekt und Tathandlung> Tatobjekt: Schwangerschaft = "Leibesfrucht"
- menschliche Embryonen bzw. Föten– Embryo: von der Kernverschmelzung von Eizelle und Samen bis zum
Abschluss der Organentwicklung (d.h. circa bis zur 8. SSW)– Fötus: vom Abschluss der Organentwicklung bis zur Geburt
(d.h. circa ab 9. SSW)– unabhängig von der Lebensfähigkeit nach der Geburt
- Beginn der Schwangerschaft (im strafrechtlichen Sinn)– Nidation: Einnistung der befruchteten Einzelle in der Gebärmutter-
schleimhaut (gleichgestellt: Implantation)– Art. 118-120 nicht anwendbar zwischen Befruchtung und Einnistung
- Ende der Schwangerschaft (im strafrechtlichen Sinn)– Beginn der Geburt = Einsetzen der Eröffnungswehen; danach Schutz
gemäss Art. 111 ff.
> Tathandlung: Abbrechen der Schwangerschaft- jedes Abtöten eines Embryos oder Fötus
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Strafbarer Schwangerschaftsabbruch (Art. 118) – 1. TB-Variante: durch Dritte mit Einwilligung (Abs. 1)
Art. 118: Strafbarer Schwangerschaftsabbruch1 Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht
oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
> Täterperson: jede Person ausser der Schwangeren selbst> Einwilligung der Schwangeren: Urteilsfähigkeit, keine Willensmängel,
ausdrückliche oder konkludente Mitteilung> drei Tathandlungsvarianten
- 1. Abbrechen der Schwangerschaft- 2. Anstiftung einer schwangeren Frau zum Abbruch der
Schwangerschaft- 3. Hilfe an die schwangere Frau bei Abbruch der Schwangerschaft
> subj. TB: mind. Eventualvorsatz
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Strafbarer Schwangerschaftsabbruch (Art. 118) – 2. TB-Variante: durch Dritte ohne Einwilligung (Abs. 2)
2 Wer eine Schwangerschaft ohne Einwilligung der schwangeren Frau abbricht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
> Unterschied zu Abs. 1 Var. 1: fehlende Einwilligung der Schwangeren
> Besondere Konstellation: Tötung einer schwangeren Frau- bei Wissen oder Inkaufnahme, dass Opfer schwanger ist: echte Konkurrenz
zwischen Tötungsdelikt und Art. 118 Abs. 2
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Strafbarer Schwangerschaftsabbruch (Art. 118) – 3. TB-Variante: durch Schwangere (Abs. 3)
3 Die Frau, die ihre Schwangerschaft nach Ablauf der zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode abbricht, abbrechen lässt oder sich in anderer Weise am Abbruch beteiligt, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 Absatz 1 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
> Objektiver Tatbestand- Täterkreis: nur Schwangere selbst- Zeitpunkt: nach Ablauf der zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode;
vorher bleibt die Schwangere in jedem Fall straflos- Tathandlungen
– aktiver Schwangerschaftsabbruch– passiver Schwangerschaftsabbruch– Beteiligung am Abbruch in anderer Weise
> Subjektiver Tatbestand: Vorsatz
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Strafbarer Schwangerschaftsabbruch (Art. 118) – Strafmass und Verjährung
> Strafmass- Abs. 1: FS bis 5 Jahre oder GS (Verbrechen)- Abs. 2: FS von 1 bis 10 Jahren (Verbrechen)- Abs. 3: FS bis 3 Jahre oder GS (Vergehen)
> Verjährung (Abs. 4)- Abs. 1: verkürzte Verjährungsfrist von 3 Jahren- Abs. 2: normale Verjährungsfrist von 15 Jahren (Art. 97 Abs. 1 lit. b)- Abs. 3: verkürzte Verjährungsfrist von 3 Jahren
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Strafloser Schwangerschaftsabbruch (Art. 119) – Systematik
> Rechtsnatur: Rechtfertigungsgründe
- Abs. 1: Indikation (bzw. Indikationsregelung)– relevant nach der 12. SSW seit Beginn der letzten Periode
- Abs. 2: 12-Wochenfrist (Fristenregelung)– anwendbar im Zeitraum zwischen der Nidation und dem Ablauf der
zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode– Wichtig: für die Strafbarkeit der Schwangeren selbst ist der Rechtferti-
gungsgrund der Fristenregelung bedeutungslos, da ihr Verhalten im betreffenden Zeitraum gemäss Art. 118 Abs. 3 gar nicht tatbestands-mässig ist.
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Strafloser Schwangerschaftsabbruch (Art. 119) – Fristenregelung (Abs. 2)
Art. 119: Strafloser Schwangerschaftsabbruch2 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist ebenfalls straflos, wenn er innerhalb
von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsaus-übung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten.
> Fünf Voraussetzungen- 1. Vornahme des Schwangerschaftsabbruchs innerhalb der Frist von
12 Wochen seit Beginn der letzten Periode- 2. Schriftliches Verlangen der Schwangeren- 3. "Notlage"- 4. Ausführung durch zugelassenen Arzt- 5. Beratungsgespräch
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Strafloser Schwangerschaftsabbruch (Art. 119) – Indikationsregelung (Abs. 1)
Art. 119: Strafloser Schwangerschaftsabbruch
1 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
> Drei Voraussetzungen- 1. Medizinische oder sozial-medizinische Indikation
– Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung der schwangeren Frau
– Gefahr einer schweren seelischen Notlage für die schwangere Frau
- 2. Zustimmung der Schwangeren- 3. Ausführung durch zugelassenen Arzt
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Strafloser Schwangerschaftsabbruch (Art. 119) – Organisationsvorschriften (Abs. 4 und 5)4 Die Kantone bezeichnen die Praxen und Spitäler, welche die Voraussetzungen
für eine fachgerechte Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und für eine eingehende Beratung erfüllen.
5 Ein Schwangerschaftsabbruch wird zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet wird und das Arztgeheimnis zu wahren ist.
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Vorschriften für Ärztinnen und Ärzte (Art. 120) – ÜbertretungsstraftatbeständeArt. 120: Übertretungen durch Ärztinnen oder Ärzte1 Mit Busse wird die Ärztin oder der Arzt bestraft, die oder der eine Schwangerschaft in
Anwendung von Art. 119 Abs. 2 abbricht und es unterlässt, vor dem Eingriff:a. von der schwangeren Frau ein schriftliches Gesuch zu verlangen;b. persönlich mit der schwangeren Frau ein eingehendes Gespräch zu führen und sie
zu beraten, sie über die gesundheitlichen Risiken des Eingriffs zu informieren und ihr gegen Unterschrift einen Leitfaden auszuhändigen, welcher enthält:1. ein Verzeichnis der kostenlos zur Verfügung stehenden Beratungsstellen,2. ein Verzeichnis von Vereinen und Stellen, welche moralische und materielle Hilfe anbieten, und3. Auskunft über die Möglichkeit, das geborene Kind zur Adoption freizugeben;
c. sich persönlich zu vergewissern, dass eine schwangere Frau unter 16 Jahren sich an eine für Jugendliche spezialisierte Beratungsstelle gewandt hat.
2 Ebenso wird die Ärztin oder der Arzt bestraft, die oder der es unterlässt, gemäss Art. 119 Abs. 5 einen Schwangerschaftsabbruch der zuständigen Gesundheitsbehörde zu melden.
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Fall: BGer-Urteil 6S.6/2004 vom 27. April 2004
Zwischen September 1999 und Januar 2000 erhielt X. von Y. mehrmals Geldbeträ-ge von jeweils 300 bis 500 Franken, damit er A., welche von Y. schwanger war, so heftig in den Bauch schlage, dass diese ihr Kind verliere.
Mit einer Ausnahme schritt X. nie zur Tatausführung, sondern behauptete gegenü-ber Y. jeweils lediglich, dessen Ansinnen nachgekommen zu sein. Am 3. Novem-ber 1999 hingegen wurde X. um ca. 07.00 Uhr von Y. mit dessen Auto in die Nähe der Wohnung von A. gefahren. Während Y. in seinem Auto in einer Seitenstrasse wartete, begab sich X. als Jogger verkleidet vor das Wohnhaus von A. Nachdem diese den Hauseingang verlassen und die Strasse überquert hatte, rannte X. auf dem Gehsteig aus einer Entfernung von ca. vier bis fünf Metern direkt auf die schwangere Frau zu, holte mit seiner linken Faust nach hinten aus und führte einen Schlag, wobei er auf den Unterleib von A. zielte. Da sich A. seitlich abdrehte, traf sie der Schlag nicht in den Unterleib, sondern im Bereich des linken Ellenbo-gens, und streifte deren linke Beckengegend. Dabei stiess X. im Schulterbereich so mit seinem Opfer zusammen, dass er selbst das Gleichgewicht verlor und auf den Gehsteig stürzte. A. hingegen blieb unverletzt.
Strafbarkeit von X. und Y.?