[email protected] www.ejo.ch Rückzugsgefecht des Journalismus? Wissenschaftskommunikation in der Aufmerksamkeitsökonomie Stephan Russ-Mohl Mitarbeit: Georgia Ertz (Update Schweizer Universitäten) Karlsruhe, April 2015
Rückzugsgefecht des Journalismus?
Wissenschaftskommunikation
in der Aufmerksamkeitsökonomie
Stephan Russ-Mohl
Mitarbeit: Georgia Ertz (Update Schweizer Universitäten)
Karlsruhe, April 2015
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Überblick
1. Zur Einstimmung: Selbstverortung, Spiritus loci, Fehlentwicklungen im Umfeld
2. Bestandsaufnahme: Langfristige Entwicklung von
Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation
3. Folgen und Herausforderungen der Aufmerksamkeitsökonomie, Medienkonvergenz und Digitalisierung
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Auf den Schultern von Riesen
(Robert K. Merton)
Die «üblichen Verdächtigen»:
Luhmann, Habermas, Noelle-
Neumann
Forschung zur
Wissenschaftskommunikation:
Hömberg, Peters, Kohring,
Weingart
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Riesen und Anker
Riesen wirken auch als Anker.
Sie halten einen fest und
versperren mitunter den Blick
auf die veränderte Wirklichkeit
Im konkreten Fall der
Wissenschaftskommunikation:
auf individuelle Leistungen und
(verhaltens-)ökonomische
Grundlagen von Journalismus,
PR, Medienkonvergenz
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Auf den Schultern
“anderer Riesen”
Aufmerksamkeits-Ökonomie
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Eigenproduktion
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Spiritus loci
- Die Stadt, in der der Querdenker Peter Sloterdijk lehrt – der Autor
der «Zynischen Vernunft»
- Die Stadt, in der der soeben verstorbene Klaus Tschira mit seiner
Grossspende die Aktivitäten des NaWik möglich gemacht hat:
Stiftungsziel, Wissenschaftler darin stärken, ihre Arbeit der
Gesellschaft verständlich zu machen.
- 5-Uhr-Morgen-Schock: Nicht einfach nur Vorhandenes
kondensieren…
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Spiritus loci
«Der findige Wissenschaftsjournalist ist weder Kumpan noch Konkurrent des Wissenschaftlers, sondern dessen funktionelles Komplement, das die Informationslage um Beiträge ergänzt, welche die Wissenschaft nicht erbringen und die Wissensgesellschaft nicht entbehren kann»
«Als Agent der Gelegenheitsvernunft untersucht er die Verhältnisse am Ort des Geschehens, befragt im Streitfall die Parteien und Dritte…»
Helmut F. Spinner
Quelle: Spinner, Helmut F. (1987) Das «wissenschaftliche Ethos» als Sonderethik des Wissens, Tübingen: Mohr-Siebeck, 99 f.
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Spiritus loci
Helmut F. Spinners Plädoyer für einen
«findigen Wissenschaftsjournalismus»
«…der Wissenschaftsjournalist macht eigenständige Erkenntnisarbeit in problemlösender Absicht»
«…unternehmerischer (Wissenschafts-)Journalist (ist) derjenige, welcher die News vor Ort jagt, um sie in den gesellschaftlichen Problemlösungsprozess als Kontrollinformation einzubringen.»
Quelle: Spinner, Das «wissenschaftliche Ethos» als Sonderethik des Wissens, Tübingen: Mohr-Siebeck 1987, 96, 87u. 93
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Ineffizienz und Betrug -
von «der Wissenschaft» geduldet
• Mittelverschwendung – nicht nur in der Medizin (Lancet-Serie
• Fragwürdige Publikationszwänge, Rankings, Peer Reviews
• Inflation von Fachzeitschriften, damit einhergehend Korruption
• Organisierte Unverantwortlichkeit von Gremien
• Hilflosigkeit im Umgang mit Cybermobbing etc.
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Höchstleistungen –
von den Medien negiert
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Spin –
von den Medien unentdeckt
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Betrug –
von den Medien veranstaltet
Native Advertising, Content Sponsoring
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…des Journalismus
und der Wissenschaft
Glaubwürdigkeits-Krise
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Aufmerksamkeits-
Ökonomie: Hinterbühne
Transaktionen zwischen Journalismus and
Quellensystem
Öffentlicher Raum –
Journalisten als
Gatekeeper
und Rechercheure
Seeks tomaximize
his own “profits”
Quellensystem
PR Experten als
Gatekeeper
Aufmerksamkeit
Information – Halbe Wahrheit,
aber keine Halbwahrheiten
“subsidies” (Oscar Gandy, 1982)
“nudging” (Sunstein/Thaler, 2008)
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Aufmerksamkeits-Ökonomie:
Vorderbühne
Transaktionen zwischen
Journalismus und Publika
Öffentlicher Raum –
Journalisten als
Gatekeeper
und Rechercheure
Seeks to
maximize
his own “profits”
Publika
Aufmerksamkeit,
eventuell Geld
(veränderte Leistungserwartung bei Bezahlung?)
News,
Information
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Wissenschafts-PR und
Wissenschaftsjournalismus
in der Aufmerksamkeits-Ökonomie
Marktmodell: „normale“ Routine
PR1
PR2
PRn
NR1
NR2
NRn
Tauschbeziehungen
Nachrichten vs.
Aufmerksamkeit
(Win-Win Situationen)Wettbewerb
zwischen PR-
Einheiten
Wettbewerb
zwischen
Redaktionen
Bypassing
Strategien:
Stakeholder-Ansprache
unter Umgehung
der Journalisten
Bypassing
Strategien:
Recherche
unter Umgehung
der PR-Einheiten
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Wissenschaftskommunikation:
Bestandsaufnahme
Mehr und besser ausgebildete
Wissenschaftsjournalisten
Sehr viel mehr und sehr viel besser ausgebildete PR-
Experten im Wissenschaftsbetrieb
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Wissenschaftskommunikation:
Konventionelle Kritik
Wissenschaftler-Konkurrenz um Reputation:
Geringe Bereitschaft, sich öffentlich zu exponieren
Mediale Konkurrenz um Aufmerksamkeit :
Seriositätsverlust und Sensationsmache
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Wissenschaftskommunikation:
Konventionelle Kritik
Themenwanderung,
Kompetenzverluste
Medienkompetenz vs.
Forscherkompetenz
“An ihnen kommt keiner
vorbei…”
Die Medien präsentieren
immer dieselben Forscher...
www.ejo.chSource: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.5.02
“An ihnen kommt keiner
vorbei…”
Fachkomptenz oder
Medienkompetenz?
Die Medien präsentieren immer
dieselben Forscher...
Rechercheökonomie
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Wissenschaftsjournalismus wird
tendenziell abgelöst von
Wissenschaftsjournalismus.
Entwicklungstendenz
1980 - 2005
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Bestätigung des Trends in
Deutschland
Vergleich der Wissenschaftsberichterstattung von FAZ, Welt, und
Süddeutscher Zeitung 2003/04 und 2006/07:
Auslöser für Artikel mit wissenschaftlichem Bezug sind immer öfter Naturkatastrophen, politische Debatten, o.ä.
Orientierung an den Nachrichtenwerten „Nähe“ und „Relevanz“
Wissenschaftliches Publikum und Standards stehen weniger im Mittelpunkt
Mehr Zitate von Experten (statt aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften)
Quelle: Holger Wormer et al.
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Wissenschaftsjournalismus wird
tendenziell abgelöst von
Wissenschaftskommunikation.
Entwicklungstendenz
seit 2000
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“Gute, alte Zeit”:
Profitable Medien
PR Publika
WerbungDirekte Subventionen:
50-100 Prozent der
Kosten von
Medienproduktion
0-50 Prozent der Kosten
von Medienproduktion
(direkte Finanzierung)
Indirekte Subvention:
Ca 20 - 50 % der
Redaktionskosten
durch Zulieferungen
Journalismus
Nicht berücksichtigt:
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
50 –100 %
indirekte
Finanzierung 100%
50 %
100%
50 %
50 %
0 %
50 %
0 %
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Journalismus
im Bermuda-Dreieck
PR Publika
Werbung
Journalis-
mus
- nimmt überhand (drei-
bis vierfach)
- nutzt die geöffneten
Schleusen in
geschrumpften
Redaktionen
- ersetzt zum Teil
Werbung
- wandert ins Internet
- dort herrscht Wettbewerb, die
Margen schrumpfen
- Kleinanzeigen gibt es gratis
- wandern ins Internet
- Zahlungsbereitschaft
geht gegen Null (online
„Gratis“produkte)
2015
1995
1995
2015
PR-Sektor
als
Wachstums-
branche...
...und lässt
Redaktionen
schrumpfen
(lean
management)
...liefert
Pressemeldungen als
Gratis-Nachrichten...
Dynamik: PR in der Aufrüstungs-,
Redaktionen in der Abrüstungsspirale
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Alles hat seinen Preis: “There is no such thing as a free lunch“.
(Milton Friedman 1975)
„Wer zahlt, schafft an.“
Gratiskultur?
Ökonomen-Binsenwahrheit:
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„Public Relations wird vom Journalismus unabhängiger, während
der Journalismus immer mehr in die Abhängigkeit von der PR
gerät.“
John Lloyd/ Laura Toogood, Reuters
Institute for the Study of Journalism,
Oxford
„Die Bullshit-Daten-Woge nimmt überhand, und jetzt ist es an uns,
herauszufinden, wie wir von ihr nicht fortgeschwemmt werden.“
Jacob Harris, Software Architect,
New York Times
Quellen: Jacob Harris (2014): A wave of PR Data, in: Nieman Journalism Lab v. 17.12.2014
John Lloyd/Laura Toogood (2014): Journalism and PR. News Media in the Digital Age, London: I.B. Tauris & Co
PR-Aufrüstung –
redaktionelle Abrüstung
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Prinzipal-Agenten-
Theorie
auf Wissenschafts-PR und
Wissenschaftsjournalismus
bezogenJournalisten
als Prinzipale
PR-Experten/
Forscher
als “Agenten” Informations-
Asymmetrie
zwischen den
Transaktions-
Partnern
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Aufmerksamkeits-
Desinformations-Markt
Aufmerksamkeit
Information
gezielte
und geschrotete
Desinformation
Quellensystem:
Forscher
PR Experten
Spin Doktoren
Citizen Journalists
Trolle
Seeks to
maximize
his own “profits”
Journa-
lismus
Öffentlicher
Raum: Blogosphäre
Soziale Netzwerke
neue, nicht-
professionelle
Gatekeeper
Algorithmen
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Aufgabengebiete:
• Betreuung Webseite
• „Beziehungspflege“ (Politik etc.)
• Interne Kommunikation
• Publikationen (Jahresberichte, Newsletters, Periodika)
• Studentenwerbung, Info-Material (Flyer, Broschüren etc. )
• Veranstaltungsorganisation
• Technischer Support
Also: Nicht nur Medienarbeit
Kommunikations-Aktivitäten
der Universitäten
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Medienarbeit
Schweizer Universitäten
2009 2015
Vollzeitstellen ca. 21 ca.26
Mitarbeiter 28 38
Entwicklung in den Jahren davor
Ausbau 7 7
gleichbleibend 4 2
weniger Ressourcen 1 2 (SG, GE)
Basis: 12 Universitäten in 2009 / 11 Universitäten in 2015 (Keine Angaben von UNIFR)
Quelle: Internetseiten Universitäten, Telefoninterviews (2009) und E-Mails (2015) mit Leitern Kommunikationsabteilung, zuständigen Mitarbeitern, Dez 2008/Jan 2009 und April-März 2015
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Eigenpublikationen
• Alle Universitäten publizieren ein eigenes Magazin.
• Austrocknung des Marktes für redaktionell unabhängige
Wissenschaftsmagazine durch die universitätseigenen Titel
Basis: 12 Universitäten
Quelle: Internetseiten Universitäten, E-Mails mit Leitern Kommunikationsabteilung,
zuständigen Redaktoren, März-April 2015
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Eigenpublikationen 2015
• Je Uni mindestens eine Zeitschrift, die meisten haben zwei bis drei Plattformen (Zeitschriften, Magazine, Zeitungen, Newsletter, Blogs).
• Zeitschriften/Magazine erscheinen meist 3x, 4x oder 6x im Jahr.
• Eine Zeitschrift erscheint 8x (Technologist, TH Lausanne –zusammen mit anderen THs in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden) zwei 12 x (Flash, ETH Lausanne, Uniscope, Universität Lausanne).
• Auflage zwischen 2 000 (UniluAKTUELL, Uni Luzern), und 58 000 (Globe, ETH Zürich).
• Im Schnitt: ~12 000 ExemplareBasis: 12 Schweizer Universitäten: Quellen: Internetseiten der Universitäten, E-Mail-
Auskünfte der Leiter der Kommunikationsabteilungen/zuständigen Redaktoren, März-
April 2015; ohne Universität Genf. Daten teilweise lückenhaft
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Vergleichsgrösse:
Grossunternehmen
> andere Dimensionen….
Ein „grosser Schweizer Pharmakonzern“ beschäftigt weltweit
ca. 300 Mitarbeiter für Kommunikationsarbeit im weiteren Sinn,
davon circa 25 Mitarbeiter für Medienarbeit
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Medienarbeit
Schweizer Universitäten 2008
Total: 671 Medienmitteilungen
1,83 Medienmitteilungen pro Tag
Forschungsergebnisse: 229 Medienmitteilungen
34 Prozent aller Medienmitteilungen
> Kommunikationsabteilungen betreiben zu zwei Dritteln
institutionelle KommunikationBasis: 12 Universitäten
Quelle: Internetseiten Universitäten
Institutionell;
66%
Forschung;
34%
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Medienarbeit
Schweizer Universitäten 2008
Medienmitteilungen nach Wissenschaftsfeldern
Basis: 12 Universitäten
Quelle: Internetseiten Universitäten
Medizin; 80
Natur; 56
Technik; 39Sozial; 35
Wirtschaft; 14
Architektur; 5
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
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Medienarbeit
Schweizer Universitäten 2009
Auffällig:
• Sozialwissenschaften/Wirtschaft im Vergleich zu „klassischen“
Wissenschaften unterrepräsentiert
Medizin/Technik/Naturwissenschaften = 175 Medienmitteilungen
Sozialwissenschaften/Wirtschaft = 49 Medienmitteilungen
Basis: 12 Universitäten
Quelle: Internetseiten Universitäten
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Absurditäten
in der Schweiz
Schweizer Depeschenagentur (sda) seit 2008 mit neuer
Wissenschaftsredaktion:
80%-Stelle Deutsch, 20%-Stelle Französisch
5 bis 10 Meldungen pro Tag
Keine Angaben zur Nutzung in den Redaktionen
Teilfinanzierung durch Swissuniversities (Rektorenkonferenz) und
Schweizer Nationalfonds
Quelle: Telefoninterview mit RedaktionsleiterJan. 2009; E-Mail Bestätigung der fortdauernden Finanzierung vom Februar 2015 durch Swissuniversities
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• Gebhard Rüf Stiftung/Stiftung Mercator Schweiz
• 368 000 Fr. jährlich, 4100 Fr. pro Seite
• Direkte Nutzniesser: Tamedia and Scitec Media
• PR-Agentur liefert Wissenschaftsjournalismus zu
Absurditäten in
der SchweizStiftungsfinanzierte Wissenschaftsredaktion
im hochprofitablen Gratisblatt
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Wissenschaftsjournalismus wird tendenziell
abgelöst von Wissenschafts-PR, die sich als
Wissenschaftskommunikation tarnt.
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4/23/2015 Slide 43
Auf den Schultern
«anderer» Riesen
Verhaltens-
ökonomik
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Nichts für Schwarz-Weiss-Maler
Realistischere Annahme: (Wissenschafts-)Journalisten als
auch PR-Leute handeln nicht nur eigeninteressiert und
rational.
Als Menschen bedienen sie sich Heuristiken.
Dabei unterlaufen oftmals Denkfehler, die angesichts von
Wiederholungsgefahr sogar „berechenbar irrational“ (Ariely
2008) sein können.
Chancen, Risiken, Nebenwirkungen
der Verhaltensökonomie
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Mosaiksteine:
Auch (Wissenschafts-)Journalisten und PR-Leute
unterliegen selektiver Wahrnehmung.
werden zu „Victims of Groupthink“ (Janis 1972).
haben einen Sensus für Fairness/Altruismus.
Wissenschaftskommunikation
und Verhaltensökonomie
www.ejo.chSlide 46
Mosaikstein:
„Zero cost craze“
Wenn etwas nichts kostet, verhalten wir
uns irrational – die versteckten Kosten von
“zero cost” werden erst später sichtbar
im (Wissenschafts-)Journalismus:
Glaubwürdigkeitsverluste verringern
Zahlungsbereitschaft der Publika
in der (Wissenschafts-)PR:
Glaubwürdigkeitsverlust des
Journalismus entwertet auch PR über
Massenmedien
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Redaktionen ruinieren mit ihrer Bereitschaft,
PR-Botschaften ohne „added value“ in
„Journalismus“ zu verwandeln, ihr eigenes
Geschäftsmodell gleich doppelt:
Glaubwürdigkeitsverluste beim Publikum
Weniger Werbeerlöse
Mosaikstein: “Zero Cost Craze”
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Herausforderung an Medienunternehmen:
Kommunizieren wie Max Havelaar oder die
Teekampagne.
Mosaikstein:
Sinn für Fairness
www.ejo.ch4/23/2015 Slide 49
Mosaikstein: Herdentrieb
Treibende Kraft – nicht nur in der Medienindustrie und in Redaktionen
Medienverantwortliche, auch Wissenschaftsjournalisten, folgen
Cheerleaders – und werden zu victims of groupthink (Janis) und von
social proof.
PR-Leute nutzen und befeuern Issue Cycles
Rationale und irrationale Formen von
Herdentrieb
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Beispiel: Fukushima – Ausstieg aus der
Kernenergie (Kepplinger/Lemke, 2012),
Deutschland/Schweiz versus
Frankreich/U.K.
Unterschiedliche Thematisierung des
Unglücks durch die Medien
Unterschiedliche Policy-Outcomes
Auch: unterschiedliches Spoonfeeding
durch PR?
Ohne Herdentrieb
weniger Medienhypes
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Mosaikstein: Fehleinschätzung von
Wahrscheinlichkeiten
(„neglect of probability“)
Publika, aber auch PR-Leute
und ihre Auftraggeber sowie
(Wissenschafts-)
Journalisten überschätzen
drastisch Risiken, z.B. bei
Epidemien
Slide 51
www.ejo.chSlide 52
Mosaikstein: Overconfidence
und Kontrollillusion
(Wissenschafts-)Journalisten
überschätzen ihre Möglichkeiten,
mit PR-Zulieferungen
angemessen umzugehen – und
unterschätzen, wieviel Zeit sie
dafür bräuchten.
PR
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Overconfidence und
Kontrollillusion
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Nur 25 % der Journalisten empfindet Beziehung als „eng“, knapp 40 % als
„vertrauenswürdig“; vice versa: fast doppelt so viele PR-Praktiker sehen das so.
Knapp 50 % der PR-Experten glauben (wohl realistischerweise), dass sie einen
grossen Einfluss auf die journalistische Arbeit haben, aber nur knapp 20 % der
Journalisten wollen das wahrhaben.
Noch nicht einmal ein Drittel der Journalisten konzediert, dass ihre Arbeit „viel
schwieriger“ wäre ohne PR-Zulieferungen, PR-Leute konstatieren das mit einer
satten 2/3-Mehrheit.
Beeinflussung: „Mit Argumenten“, meinen 90 % der PR-Leute, aber nur knapp
20 % der Journalisten; „indem sie Anzeigen schalten“, mutmassen ein Drittel der
Journalisten, dagegen weniger als 20 % der PR-Leute.
Overconfidence und
Kontrollillusion Im Journalismus
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Überschätzte Wirkungsmacht der PR: Annahme, man
könnte als skandalisierte Organisation die
Medienberichterstattung im Moment der Skandalisierung
aktiv steuern.
Anton Hunger: Wer erst einmal von den Medien
skandalisiert wird, dem ist kaum „aus der medialen Patsche“
zu helfen: „Der Verdächtigte ist nackt, das Guckloch in der
Peepshow offen und der den Verdächtigen schützende Spin
Doctor ein zahnloser Tiger“.
Overconfidence
und Kontrollillusion in der PR
www.ejo.chSlide 56
Mosaikstein: Reziprozität
(Trivers 1971)
In jeder Branche und Profession gibt es die
ungeschriebenen Regeln:
„Eine Hand wäscht die andere.“
„Eine Krähe hackt der anderen kein Auge
aus.”
„Wie Du mir, so ich Dir.“
Aus Dankbarkeit oder auch
Rachegelüsten wird häufig irrational
entschieden
(Trivers 1971; Falk 2003; Dobelli 2012 25ff).
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„Geschmierte“ Beziehungen zu Journalisten sind allerdings
nur bedingt belastbar: Im Skandalisierungs-Tsunami kann der
bestochene Journalist nicht gegen das Rudel der anderen
anschreiben.
Die meisten Medien und Journalisten „sind notorisch treulos
und notorisch illoyal. Die grosse Stärke der Medien ist ihre
Illoyalität gegenüber Interessenbindungen.“ Kurt W.
Zimmermann (2013)
Beide Seiten wissen immerhin, dass sie aufeinander
angewiesen sind.
Reziprozität
www.ejo.chSlide 58
Mosaikstein: Verlust-Aversion
Das auf den Verlust von Besitztümern
bezogene Konzept lässt sich auch auf
Machtverlust übertragen:
Sowohl Journalisten als auch PR-
Leute reagieren empfindlicher auf
drohenden Machtverlust als auf die
Chance des Machtzugewinns.
Wi
n
Loss
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European Journalism
Observatory
(www.ejo-online.eu)
4/23/2015 Slide 59
• Weltpremiere: Relaunch
• Brückenbau zwischen
Medienforschung und -Praxis und
zwischen Journalismus-Kulturen
Europas
• 11 Sprachen
• Demnächst: Russisch,
voraussichtlich: Arabisch und
Französisch
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EJO Network
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Aufmerksamkeits-
Desinformations-Markt
Aufmerksamkeit
Information
gezielte
und geschrotete
Desinformation
Quellensystem:
Forscher
PR Experten
Spin Doktoren
Citizen Journalists
Trolle
Seeks to
maximize
his own “profits”
Journa-
lismus
Öffentlicher
Raum: Blogosphäre
Soziale Netzwerke
neue, nicht-
professionelle
Gatekeeper
Algorithmen
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Das Ende der Aufklärung?
«Massive digital misinformation» – «Digital wildfires in a
hyperconnected world», one of the «main risks for modern society»
World Economic Forum
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Das Ende der Aufklärung?
«Debunking is ineffective»
Walter Quattrociocchi
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Forschungsdesiderate:
Mehr gelebte Interdisziplinarität
Zugegeben, nicht alle
Ökonomen sind
Weltverbesserer.
Aber: „Ökonomie ist gar
nicht so kalt, wie viele
denken…“
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Thanks!!! Danke!!!
Grazie!!! Merci!!!
Spezieller Dank für
Anregungen an Alfred
Fuhr, Annegret
Hannawa und Markus
Lehmkuhl
Kritik, Vorschläge
willkommen!!!!!!
Aus GEO Wissen „Kommunikation“ Nr. 2/ 6.11.89, 2
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«Früher gab es Gelehrte, und es waren
wenige. Was aber jetzt deren Platz
eingenommen hat, ist etwas ganz anderes:
ein Gedränge von Fabrikanten, Vertretern
und Verkäufern wissenschaftlicher Kurz-
und Schnittwaren hat den wenigen
Verbrauchern den Zutritt versperrt, da es
ihnen genügt, wenn sie untereinander
Handel treiben.»
Erwin Chargaff, 1982
Quelle: Erwin Chargaff, Warnungstafeln, Stuttgart: Klett-
Cotta 1982, 23
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Schlussfolgerungen: Was tun?
Im Wissenschaftsbetrieb:
Wissenschafts-PR verstärken (dezentral)
Anreize für Wissenschaftler zur Kommunikation über die
Fachgrenzen hinaus schaffen (in der Forschungsförderung!)
Forschung zur Wissenschaftskommunikation verstärken
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Schlussfolgerungen: Was tun?
Im Journalismus:
Kontextorientiete und lokale Wissenschaftsberichterstattung
ausbauen
Platz für Sozial- und Geisteswissenschaften schaffen
Personell: Naturwissenschaftlich-technisch-medizinische
Kompetenz stärken
Auf Expertise der Forscher achten – bei Kontroversen:
Quellenvielfalt
Quellen und Berichterstattungsbedingungen offenlegen
Gegenlesen: Auch Forscher-Statements auf sachliche Richtigkeit
prüfen (lassen)
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Hysterie : Beispiel BSE
Kein nachgewiesener Todesfall, aber höchst reale
Auswirkung der Medien: Sinkender Rindfleischkonsum
Quelle: Roland Schatz, Medien Tenor: Von der Konjunktur- zur Strukurkrise? Präsentation beim
20. Sinclair-Haus-Gespräch, Bad Homburg 9./10.5.2003