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Mineralien- und Fossilien-Freunde Aargau MFFA __________________________________________________________________ Aktuelle Vitrine des Naturama Aargau Steinreich Schätze aus dem Jurameer Rahmenprogramm Steinbruch Schümel Begleitheft zur Exkursion 29. Juni 2013
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Steinbruch Schümel

Feb 17, 2022

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Page 1: Steinbruch Schümel

Mineralien- und Fossilien-Freunde Aargau MFFA __________________________________________________________________

Aktuelle Vitrine des Naturama

Aargau – Steinreich

Schätze aus dem Jurameer

Rahmenprogramm

Steinbruch Schümel

Begleitheft zur Exkursion

29. Juni 2013

Page 2: Steinbruch Schümel

Steinbruch Schümel – ein geologisches Museum

Der ehemalige Steinbuch Schümel bei Holderbank liegt im Faltenjura und ermöglicht einen einmaligen Einblick in die geologischen Verhältnisse dieses Gebirges. Er gilt daher zu Recht als geologisches Museum. Einzelne Schichten, vor allem das Birmenstorf-Member, sind reich an Fossilien. Neben Resten von Kalkschwämmen finden sich viele Ammoniten und Brachiopoden, mit etwas Glück auch Seeigel und Haifischzähne, die im Jura-Meer vor über 150 Millionen Jahren lebten. Die Gesteinsschichten im Steinbruch

Im Steinbruch Schümel sind Schichten des Mittleren und Späten Jura aufgeschlossen. An den südlichen und östlichen Steinbruchwänden stehen die mächtigen Schichtpakete des Effingen- Members an. Es sind dunkle Mergel, die durch die harten Kalksteinbänke der Gerstenhübel-Bank unterbrochen werden. Im oberen, nordöstlichen Teil des Steinbruchs steht das fossilreiche Birmenstorf-Member an. Es besteht aus dünn gebankten grauen Kalksteinen und Mergeln. Effingen- und Birmenstorf-Member gehören stratigraphisch zur Wildegg-Formation, die zeitlich dem Oxfordien des Späten Juras entspricht.

Die Grenze zwischen Spätem und Mittlerem Jura wird im Steinbruch Schümel durch eine nur wenige Zentimeter mächtige Gesteins-schicht markiert. Die charakteristische braunrote, verkrustete Schicht (*) repräsentiert eine lange Zeit, während der kaum Sedimente abgelagert wurden. Es bildete sich ein sogenannter Kondensationshorizont.

Das Spatkalk-Member, das zeitlich zum Bathonien des Mittleren Jura gehört, besteht aus harten, eisenschüssigen und rostroten Kalk-bänken. Die kleinen Kristallsplitter, die das Gestein aufbauen, stammen von Seelilien.

Noch älter als das Spatkalk-Member sind die dunklen Kalkmergel der Klingnau-Formation. Die Gesteine wurden in einem Meeresbecken abgelagert, das sich im Osten eines ausge-dehnten Flachmeers absenkte. Nur wenige Kilometer weiter bildeten sich zur gleichen Zeit im Flachmeer unter stetigem Wellenschlag kleine Kügelchen (Ooide) aus denen der Hauptrogen-stein aufgebaut wurde. Zwischen Holderbank und Wildegg verlief die Grenze zwischen den beiden Lebensräumen.

Effingen-Member

Effingen-Member

Gerstenhübel-Bank

Birmenstorf-Member

Spatkalk-Member

„Parkinsoni=-

Schichten und Rothenfluh-Member

Opalinuston

Wild

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Lithostratigraphie Schümel * = kondensierte Ifenthal-Formation

Page 3: Steinbruch Schümel

Einblicke in die geologischen Verhältnisse des Juragebirges Der Faltenjura zieht sich in einem Bogen von Genf bis zu den Lägern bei Dielsdorf. Zusammenhängende Aufschlüsse sind in diesem Gebirge selten. Der Steinbruch Schümel stellt eine dieser seltenen Ausnahmen dar und ermöglich Einblicke in die geologischen Verhältnisse des Juragebirges.

Der Jura ist ein junges Gebirge. Es entstand als Ergebnis der Alpenfaltung vor weniger als 7 Millionen Jahren. Dass dem so ist, lässt sich am Alter und der Verfaltung der Sedimente erkennen. Die jüngsten von der Jurafaltung erfassten Sedimente stammen aus dem späten Miozän vor 5 bis 7 Millionen Jahren. Die ältesten, nicht verfalteten Sedimente wurden vor rund 3 Millionen Jahren im späten Pliozän abgelagert. Im Zeitraum dazwischen muss also der Jura entstanden sein. Erfasst von den Schubkräften, die von den sich bildenden Alpen ausgingen, wurden vor allem die Gesteine, die während der Jurazeit entstanden waren. Diese Zeitperiode begann vor rund 200 Millionen Jahren und endete vor 145 Millionen Jahren. Während diesen 55 Millionen Jahren lag das Gebiet der Schweiz ständig unter dem Meeresspiegel. Im Jurameer kamen vor allem feiner Kalkschlamm und tonige, vom Festland eingeschwemmte Bestandteile zur Ablagerung, die sich mit dem Kalkschlamm mischten (Mergel-Gestein). Die Zusammensetzung der Sedimente blieb dabei nicht konstant und die Ablagerung der Schichten ging nicht kontinuierlich vonstatten. Das Ergebnis diese Prozesse, die durch verschiedenste Faktoren wie Meerestiefe, Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt oder Strömungsverhältnisse bestimmt wurde, sind Schichtstapel wie sie im Steinbruch Schümel gut zu beobachten sind.

Die im Steinbruch aufgeschlossen Gesteinsschichten geben einen Eindruck von den enormen Kräften, die während der Jura-Faltung auf die Schichtstapel einwirkten und diese verfalteten und durch Überschiebungen verformten.

Verfaltetes Schichtpaket der Gerstenhübel-Bank; die massive Kalksteinbank links der Bildmitte ist um 90 Grad abgewinkelt; Skizze eines Aufschlusses ausserhalb des Steinbruches

Überschiebung einer Kalksteinbank im oberen Effingen-Member des Steinbruch

Page 4: Steinbruch Schümel

Das Birmenstorf-Member und seine Fossilien Zu Beginn des Späten Juras lag das Gebiet des heutigen Kantons Aargau am nördlichen Rand eines grossen Meeres. Aus dem Tethys-Ozean floss kalkhaltiges Wasser zu. im warmen, kalkreichen Wasser entwickelten sich ausgedehnte Schwammriffe, die kennzeichnend sind für das Birmenstorf-Member. Nicht nur die Kalkschwämme fanden ideale Bedingungen vor. Das Meer jener Zeit war erfüllt von Leben. Davon zeugen die vielen Fossilien.

Noch vor wenigen Jahren war die Schichtoberfläche im Steinbruch Schümel bedeckt mit riesigen Tellerschwämmen, die Durchmesser von 50 Zentimeter und mehr erreichten. Leider sind diese heute durch Verwitterung und die Klopfarbeit von Fossiliensammlern zerstört. Die Bruchstücke dieser Schwämme finden sich massenhaft im Schutt des Birmenstorf-Members. Häufig sind auch Ammoniten, die zwar klein und oft auch schlecht erhalten sind, aber eine artenreiche Fauna repräsentieren. Neben Vertretern der Perisphincten finden sich vor allem Steinkerne flacher und hochmündiger Ammoniten wie Trimarginites, Glochiceras und Taramelliceras. Andere Gattungen sind seltener, so der zierliche Amoeboceras mit kreneliertem Kiel oder der mit Knoten bewehrte Euaspidoceras. Ammoniten gehören zu den Weichtieren (Mollusken) und sind Verwandte der Kalmare, Kraken und des Nautilus. Mit dem Belemnit kommt im Steinbruch Schümel ein weiterer ausgestorbener Verwandter der Tintenfische vor. Im Gegensatz zu den Ammoniten verfügten die Belemniten aber nicht über eine äussere Schale, sondern über ein innen liegendes Stützskelett, ähnlich dem kreidigen Schulp der modernen Tintenfische (Sepia). Von diesem Innenskelett ist meistens nur der massive, als Rostrum bezeichnet Teil fossil erhalten geblieben.

Lebensbild der Kalkschwamm-Fazies, aus: Der Weisse Jura der Schwäbischen Alb, Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Heft Nr. 23, 1987

Rekonstruktion des Ammonitentieres

Page 5: Steinbruch Schümel

Oft mit Muscheln verwechselt werden die Brachiopoden, die aber als eigener Stamm des Tierreiches gelten. Brachiopoden sind sesshaft und auf einen festen Untergrund angewiesen, auf dem sie sich mittels eines Muskelstiels verankern. In der grösseren Klappe befindet sich daher immer ein Stielloch (daher auch die veraltete Bezeichnung „Lochmuschel). Die Tiergruppe existiert seit dem Kambrium bis heute und erreicht damit ein Alter von über 500 Millionen Jahren. In Holderbank sind drei Arten häufig, wobei vor allem Argovithyris birmensdorfensis massenhaft vorkommt. Am auffälligsten ist Lacunosella arolica, eine grob berippte Brachiopode, deren Schale oftmals in weisses Kalzit umgewandelt ist. Kennzeichnend für die kleine, zierliche Trigonellina runcinata sind die feinen, dicht stehenden Rippen auf den Schalen.

Der Steinbruch Schümel ist bekannt für seine Seeigel, die zwar meistens klein aber dafür vollständig erhalten sind. Wer mit der nötigen Geduld und Konzentration die steil stehenden Schichtoberflächen des Birmenstorf-Members absucht, wird gelegentlich mit einem Fund belohnt. In der Regel sind die Seeigel ein bis zwei Zentimeter gross und gehören zu den Gattungen Polydiadema, Paracidaris oder Plegiocidaris. Wie die Seeigel gehören auch die Seelilien zu den Stachelhäutern (Echinodermen). Die Verwandtschaft zeigt sich am fünfstrahligen Aufbau des Kelches, von dem verzweigte Arme ausgehen. Kelch und Arme bilden die Krone, die bei den meisten fossilen Arten auf einem langen Stiel sass. Seelilien lebten auf dem Meeresgrund, verankert mit Haftscheiben. Nach dem Tod der Tiere zerfielen Krone und Stiel meistens sehr rasch in ihre einzelnen Segmente. Bei den Sammlern beliebt sind Haifischzähne aus Holderbank. Haie waren in den Meeren der Jurazeit häufig und ihre Zähne, die sie wie die heutigen Arten fortlaufend während ihres Lebens ersetzten, blieben dank des harten Zahnschmelzes gut erhalten. In Holderbank sind Haifischzähne nicht selten, werden aber oft übersehen. Einfacher zu entdecken sind sie, wenn Regenfälle Tonreste und Staub weggewaschen haben. Am häufigsten finden sich die zwei bis vier Zentimeter langen Zähne des Makrelenhais Sphenodus longidens. Die nachfolgenden Tafeln geben eine Übersicht über die Fundmöglichkeiten im Birmenstorf-Member des Steinbruchs Schümel.

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Rekonstruktion eines Belemniten

Page 6: Steinbruch Schümel

Tafel 1 Ammoniten 1 Perisphinctes (Otosphinctes) crotalinus

2 Perisphinctes (Dichotomosphinctes) antecedens

3 Subdiscosphinctes lucingae

4 Subdiscosphinctes (Aureimontanites) holderbankensis

5 Passendorferia (Enayites) birmensdorfenis

6 Gregoryceras transversarium

7 Amoeboceras glosense

8 Campylites (Neoprionoceras) henrici

9 Euaspidoceras oegir

1 3

7

2

8 9

4

5 6

Page 7: Steinbruch Schümel

Tafel 2 Ammoniten 1 Taramelliceras callicerum

2 Taramelliceras (Proscaphites) semiplanum

3 Glochiceras (Coryceras) cornutum

4 Glochiceras (Coryceras) crenatum

5 Ochetoceras canaliculatum

6 Trimarginites arolicus

7 Fragment eines Ammoniten-Unterkiefers: Lamellaptychus

6

5

2

1

4

3

7

Page 8: Steinbruch Schümel

Tafel 3 Stachelhäuter 1 Seelilie Eugeniacrinites cariophilites (Primibrachiale, Stielglieder, Haftscheibe, Kelch)

2 Seeigelstachel Paracidaris filograna

3 Seeigelstachel Plegiocidaris coronata

4 Polydiadema langi

5 Paracidaris blumenbachii

6 Plegiocidaris coronata

7 Magnosia nodulosa

1

3

5 4

2

6

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Page 9: Steinbruch Schümel

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9 10

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Belemniten

6 Hibolithes hastatus

7 Rekonstruktion des Belemnitentiers

Wirbeltiere 8 Haifischzahn Sphenodus longidens

9 Haifischzahn Eonotidanus muensteri

10 Zahn eines Caturus (Raubfisch)

11 Zahn eines Flugsauriers

12 Zähne von Meeresreptilien

Tafel 4 Brachiopoden 1 Lacunosella arolica

2 Trigonellina runcinata

3 Trigonellina pectunculus

4 Argovithyris birmensdorfensis

5 Argovithyris stockari

Page 10: Steinbruch Schümel

Quellen

Spichiger P., Die Fauna der Birmenstorfer-Schichten im Steinbruch Schümel in Holderbank, Diplomarbeit in Paläontologie, Universität Bern, 2005

Broschüre: Alter Steinbruch – neue Perspektiven, Die Rekultivierung des Steinbruchs Schümel in Holderbank und seine Zukunft

Bildnachweis

Spichiger P., Die Fauna der Birmenstorfer-Schichten im Steinbruch Schümel in Holderbank, Diplomarbeit in Paläontologie, Universität Bern, 2005: - Tafel 1, Abbildungen 1 -9 - Tafel 2, Abbildungen 1 – 6 - Tafel 3, Abbildungen 1 – 3 - Tafel 4 Abbildungen 8 - 12

Quenstedt F.A., Der Jura, 1858: - Tafel 2, Abbildung 7 - Tafel 3 Abbildung 7 - Tafel 4 Abbildung 6

Hess H., Die fossilien Echinodermen des Schweizer Juras, Veröffentlichungen aus dem Naturhistorischen Museum Basel, Nr. 8, 1975: - Tafel 3, Abbildungen 4 - 6

Sulser H., Die fossilen Brachiopoden der Schweiz und der angrenzenden Gebiete Juragebirge und Alpen: - Tafel 4, Abbildungen 1 - 5

Schlegelmilch R., Die Belemniten des süddeutschen Jura, 1998: - Tafel 4, Abbildung 7

© Ronald Ottiger, 2013