Wirtschaftliche Herausforderungen und deutsche Interessen im Handel Nach Jahrzehnten zunehmender Verflechtung von Staa- ten und Volkswirtschaften weltweit werden die Vorteile von Globalisierung und Freihandel immer stärker infrage gestellt. Der damit einhergehende Anstieg nationaler und protektionistischer Positionen, ein niedriges globales Wachstum und steigende soziale Ungleichheit stellen schwierige Voraussetzungen für den internationalen Handel dar. Deutschland ist aufgrund seiner engen Verflechtung im Welthandel besonders abhängig von einem regelba- sierten multilateralen Handelssystem und von offenen Märkten. Dadurch ist es gleichzeitig auch besonders gefährdet durch eine zunehmende Abschottung von Märkten sowie einen Zerfall des liberalen Wirtschafts- und Handelssystems. Deutschland hat daher ein starkes Interesse daran, die Welthandelsorganisation (WTO) als Hüterin des Welt- handels zu stärken. Die Arbeit der WTO basiert auf drei Pfeilern: erstens der Überwachung der Handelspolitik der Mitgliedstaaten, zweitens der Streitschlichtung und drittens der Handelsliberalisierung, zurzeit in Form der Doha-Runde. Während die ersten beiden Pfeiler bislang gut funk- tionierten, stand die WTO aufgrund der stagnierenden Doha-Runde stark in der Kritik. Abgesehen vom Abschluss des Abkommens über Handelserleichterungen sind die multilateralen Regeln seit 1995 nicht grundlegend überar- beitet worden. Wichtige Themen wie digitaler Handel oder Wertschöpfungsketten deckt die WTO nicht ab. Zudem könnte US-Präsident Donald Trump den zwei- ten WTO-Pfeiler, die Streitschlichtung, untergraben. In seinem Handelsausblick für 2017 betonte er, dass interna- tionale Schiedsurteile nicht notwendigerweise zu Ände- rungen amerikanischer Gesetze führen müssten. Wenn das größte Mitgliedsland die WTO-Urteile nicht mehr anerkennt, könnten bald auch andere Länder folgen. Die WTO ist somit in Gefahr. Da sie die multilateralen Regeln im Handel garantiert, will Deutschland als große Handelsnation die Organisation stärken und reformieren. Stagnierender Welthandel, Protektionismus und Anti-Globalisierungsstimmung gefährden die Wirtschaftsmacht Deutschland Claudia Schmucker Stärken Schwächen Chancen Risiken Handlungsoptionen Vorteile von Globalisierung und Freihandelsabkommen besser an die eigene Bevölkerung vermitteln Steigenden Protektionismus bekämpfen, der insbesondere in der Handelspolitik der Trump-Regierung deutlich wird Positive EU-Handelsagenda aufstellen: Ratifizierung von CETA, Abschluss der Abkommen mit Japan und Mercosur und konstruktive Zusammenarbeit in der Doha-Runde • CETA und TTIP sind aus dem Blickfeld verschwunden: Freiraum, um Vorteile der Handelspolitik besser zu kommunizieren • EU kann durch Reform effektiver Akteur im Welthandel bleiben • Backlash against Globalization • Anstieg nationaler und protektionistischer Positionen, niedriges globales Wachstum und steigende soziale Ungleichheit • Zunehmende Abschottung von Märkten und möglicher Zerfall des liberalen Wirtschafts- und Handelssystems • EU und Bundesregierung erkannten die große Nachfrage nach Transparenz und Mitspracherechten zu spät • Ziele und Werte der EU-Handelspolitik wurden verspätet und unzureichend vermittelt • Deutschland und EU: Gutes Durchsetzungsvermögen von Interessen und Standards durch enge Verflechtung im Welthandel und hohe Wettbewerbsfähigkeit Grafik: DGAP/Reiner Quirin, CC BY-NC-ND 4.0, Containerschiff: Huhu Uet (Eigenes Werk), CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons Abb. 1: Welthandel und -wirtschaft Außenpolitische Herausforderungen für die nächste Bundesregierung 7 DGAPkompakt / Nr. 6 / Sommer 2017
3
Embed
Stagnierender Welthandel, Protektionismus und Anti ... · Stagnierender Welthandel, Protektionismus und Anti-Globalisierungsstimmung gefährden die Wirtschaftsmacht Deutschland Claudia
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
Wirtschaftliche Herausforderungen und
deutsche Interessen im Handel
Nach Jahrzehnten zunehmender Verflechtung von Staa-
ten und Volkswirtschaften weltweit werden die Vorteile
von Globalisierung und Freihandel immer stärker infrage
gestellt. Der damit einhergehende Anstieg nationaler und
protektionistischer Positionen, ein niedriges globales
Wachstum und steigende soziale Ungleichheit stellen
schwierige Voraussetzungen für den internationalen
Handel dar.
Deutschland ist aufgrund seiner engen Verflechtung
im Welthandel besonders abhängig von einem regelba-
sierten multilateralen Handelssystem und von o�enen
Märkten. Dadurch ist es gleichzeitig auch besonders
gefährdet durch eine zunehmende Abschottung von
Märkten sowie einen Zerfall des liberalen Wirtschafts-
und Handelssystems.
Deutschland hat daher ein starkes Interesse daran, die
Welthandelsorganisation (WTO) als Hüterin des Welt-
handels zu stärken. Die Arbeit der WTO basiert auf drei
Pfeilern: erstens der Überwachung der Handelspolitik
der Mitgliedstaaten, zweitens der Streitschlichtung und
drittens der Handelsliberalisierung, zurzeit in Form der
Doha-Runde.
Während die ersten beiden Pfeiler bislang gut funk-
tionierten, stand die WTO aufgrund der stagnierenden
Doha-Runde stark in der Kritik. Abgesehen vom Abschluss
des Abkommens über Handelserleichterungen sind die
multilateralen Regeln seit 1995 nicht grundlegend überar-
beitet worden. Wichtige Themen wie digitaler Handel oder
Wertschöpfungsketten deckt die WTO nicht ab.
Zudem könnte US-Präsident Donald Trump den zwei-
ten WTO-Pfeiler, die Streitschlichtung, untergraben. In
seinem Handelsausblick für 2017 betonte er, dass interna-
tionale Schiedsurteile nicht notwendigerweise zu Ände-
rungen amerikanischer Gesetze führen müssten. Wenn
das größte Mitgliedsland die WTO-Urteile nicht mehr
anerkennt, könnten bald auch andere Länder folgen.
Die WTO ist somit in Gefahr. Da sie die multilateralen
Regeln im Handel garantiert, will Deutschland als große
Handelsnation die Organisation stärken und reformieren.
Stagnierender Welthandel, Protektionismus und Anti-Globalisierungsstimmung
gefährden die Wirtschaftsmacht Deutschland
Claudia Schmucker
Stärken
Schwächen
Chancen
Risiken
Handlungsoptionen
Vorteile von Globalisierung und Freihandelsabkommen besser an die eigene Bevölkerung vermitteln
Steigenden Protektionismus bekämpfen, der insbesondere in der Handelspolitik
der Trump-Regierung deutlich wird
Positive EU-Handelsagenda aufstellen: Ratifizierung von CETA, Abschluss der Abkommen mit Japan
und Mercosur und konstruktive Zusammenarbeit in der Doha-Runde
• CETA und TTIP sind aus dem
Blickfeld verschwunden: Freiraum,
um Vorteile der Handelspolitik besser
zu kommunizieren
• EU kann durch Reform effektiver Akteur im
Welthandel bleiben
• Backlash against Globalization
• Anstieg nationaler und
protektionistischer Positionen, niedriges
globales Wachstum und steigende soziale
Ungleichheit
• Zunehmende Abschottung von Märkten
und möglicher Zerfall des liberalen
Wirtschafts- und Handelssystems
• EU und Bundesregierung
erkannten die große Nachfrage
nach Transparenz und
Mitspracherechten zu spät
• Ziele und Werte der EU-Handelspolitik
wurden verspätet und unzureichend
vermittelt
• Deutschland und EU: Gutes
Durchsetzungsvermögen von
Interessen und Standards durch enge
Verflechtung im Welthandel und hohe
Wettbewerbsfähigkeit
Grafik: DGAP/Reiner Quirin, CC BY-NC-ND 4.0, Containerschiff: Huhu Uet (Eigenes Werk), CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via
Wikimedia Commons
Abb. 1: Welthandel und -wirtschaft
Außenpolitische Herausforderungen für die nächste Bundesregierung 7
DGAPkompakt / Nr. 6 / Sommer 2017
Daneben verfolgt Deutschland/EU das Ziel, interna-
tionale Märkte für deutsche und europäische Produkte
zu ö�nen und den Handel durch gemeinsame Standards
zu erleichtern. Da im Rahmen der Doha-Runde zurzeit
kein Fortschritt möglich ist, ist die EU auf bilaterale und