SoVD Magazin 07/08 2014 Herausgegeben vom Sozialverband Deutschland Inklusionslauf 2014 – So sehen Sieger aus
SoVD Magazin07/082014Herausgegeben vom Sozialverband Deutschland
Inklusionslauf 2014 –So sehen Sieger aus
Über uns
Eine starke Gemeinschaft
Der Sozialverband Deutschland (SoVD)
vertritt die Interessen der Rentner, der
Patienten und gesetzlich Krankenversi-
cherten sowie der pflegebedürftigen und
behinderten Menschen. Wir set-
zen uns für Ihre Rechte ein und
bieten unseren Mitgliedern Be-
ratungsstellen in ganz Deutsch-
land. Dort erhalten sie Hilfe bei
Fragen zur gesetzlichen Kran-
ken-, Renten- und Pflegeversicherung oder
in behindertenrechtlichen Dingen. Soziale
Gerechtigkeit steht im Mittelpunkt unserer
Arbeit. Wir setzen uns für den Ausbau
und den Erhalt der sozialen Sicherungs-
systeme ein. Der Sozialstaat ist ein wich-
tiges Auffangnetz für die Menschen – das
zeigt sich gerade in der jetzigen Wirt-
schaftskrise. Uns geht es auch um Chan-
cengleichheit, zum Beispiel um
die Bildung und Ausbildung, die
unsere Gesellschaft behinder-
ten und benachteiligten Kindern
und Jugendlichen bietet.
Der SoVD ist eine starke Ge-
meinschaft mit rund 560 000 Mitgliedern.
Bei uns können Sie sich engagieren und
mit anderen gemeinsam aktiv werden. Ei-
ner von über 3000 Ortsverbänden befin-
det sich bestimmt auch in Ihrer Nähe.
– 2 –
Die bundesweit über 560 000 Mitglieder des SoVD bilden eine starke Gemeinschaft.
Inhalt
Auf Kosten der Versicherten
Inklusionslauf 2014
Rentenpaket
Behandlungsfehler
Bürokratie in der Pflege
Seite 4–8
Seite 14–25
Seite 10–12
Seite 38–42
Seite 26–30
Kritik an der Krankenkassen-Reform: SoVD
befürchtet steigende Beiträge und schlechtere
Leistungen.
Sonderseiten zur Premiere des Wettbewerbs
für Menschen mit und ohne Behinderung.
SoVD fordert Verbesserungen im Bereich der
Erwerbsminderungsrente.
Bei den Rechten von Patienten besteht weiter-
hin Verbesserungsbedarf.
Bleibt aufgrund der Dokumentation zu
wenig Zeit für den Patienten übrig?
– 3 –
Sozialpolitik – 4 –
SoVD kritisiert Finanzreform der Krankenkassen
erheblichen Mehrbelastung für die gesetz-
lich Krankenversicherten entwickeln.
Solidarprinzip wird durch
die Reform infrage gestellt
Der Hintergrund: Durch den Wegfall der
„Kopfpauschale“ fehlen den Krankenkas-
sen künftig jährlich rund elf Milliarden
Euro. Und um dieses Defizit auszuglei-
chen, dürfen die Kassen zwar keine Kopf-
pauschale mehr erheben, dafür jedoch
einkommensabhängige Zusatzbeiträge.
Weil gleichzeitig der Arbeitgeberanteil
eingefroren bleibt, werden alle zusätzlich
Im Juni ist im Bundestag die Krankenkassen-Reform beschlossen wor-
den. Das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der
Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ ist im Vorfeld mas-
siv kritisiert worden und bleibt auch nach seiner Verabschiedung um-
stritten. Einer der Hauptkritikpunkte an der Finanzreform ist, dass durch
die weiterhin festgeschriebenen Arbeitgeberbeiträge das Solidarprin-
zip infrage gestellt wird. Vor dem Hintergrund der ständig steigenden
Gesundheitsausgaben befürchtet u. a. der Sozialverband Deutschland
(SoVD) höhere Beitragssätze für die gesetzlichen Krankenversicherten
bei gleichzeitig einschneidenden Einbußen in den Leistungskatalogen.
Auf Kosten der Versicherten
Mit der Kassenreform will die Große Ko-
alition die Finanzierung der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) auf neue
Füße stellen. Dafür soll zunächst der all-
gemeine Beitragssatz von 15,5 Prozent
auf 14,6 Prozent sinken. Denn 0,9 Pro-
zent des bisherigen Satzes zahlten bislang
allein die Kassenmitglieder. Daneben wird
der Zusatzbeitrag, auch „Kopfpauschale“
genannt, künftig gestrichen.
Doch was auf den ersten Blick wie eine
deutliche Verbesserung vor allem für fi-
nanziell schwächer gestellte Menschen
aussieht, kann sich längerfristig zu einer
Sozialpolitik– 5 –
Beitragssenkung durch Wegfall der Kopfpauschale – und später flächendeckende Zusatzbeiträge.
anfallenden Gesundheitskosten auf die
gesetzlich Krankenversicherten umgelegt.
Nach Einschätzung des SoVD ist bereits
ab 2015 mit flächendeckenden Zusatz-
beiträgen zu rechnen, die in Zukunft jedes
Jahr um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte an-
wachsen werden.
Nachhaltige Finanzierung
muss sichergestellt werden
So begrüßt SoVD-Präsident Adolf Bauer
zwar generell die Abschaffung der Kopf-
pauschale: „Dies ist eine gute Nachricht
und ein kleiner Fortschritt, insbesondere
für Rentnerinnen und Rentner und chro-
nisch kranke Menschen.“
Der SoVD-Präsident kritisiert jedoch
gleichzeitig mit Nachdruck, dass – da-
ran anknüpfend – eine nachhaltige Fi-
nanzierung keineswegs sichergestellt ist:
„In dieser Hinsicht herrscht Fehlanzeige.
Beitragssenkungen werden verspro-
chen. Doch es ist davon auszugehen,
dass die Arbeitnehmerkassenbeiträge
Karikatur: Thomas Plaßmann
Sozialpolitik – 6 –
das Gesetz eine Attacke auf das Soli-
darprinzip.“
Einbußen im Bereich der
Leistungen zu befürchten
von derzeit 8,2 Prozent in den kommen-
den Jahren auf bis zu zehn Prozent im
Jahre 2021 steigen werden. Angesichts
ebenfalls steigender Pflegebeiträge und
einem sinkenden Rentenniveau bedeutet
Die einkommensunabhängige Kopfpauschale gehört der Vergangenheit an. Patienten müssen jedoch weiterhin mit einseitigen Belas-tungen rechnen. Ihr Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung könnte in den kommenden Jahren auf bis zu zehn Prozent steigen.
Foto: RioPatuca Images / fotolia
Sozialpolitik– 7 –
Weitere Negativentwicklungen sind nach
Einschätzung des SoVD zu befürchten:
Weil die Krankenkassen versuchen wer-
den, die Erhebung von Zusatzbeiträgen
für ihre Mitglieder so lange wie möglich
hinauszuzögern, ist im Gegenzug mit er-
heblichen Einbußen im Leistungsbereich
zu rechnen.
Schon jetzt müssen zu vielen Leistungen
der gesetzlichen Krankenkassen privat
Zuzahlungen erfolgen. „Da die Kosten in
Zukunft noch stärker gedämpft werden
müssen, ist absehbar, dass die Reform
elementare Einbußen im Leistungskatalog
nach sich ziehen wird. Einsparungen sind
z. B. im Bereich der Zahnersatzleistungen
denkbar“, erklärt Bauer.
Defizit langfristig nicht
über den Fonds ausgleichbar
Auch die finanziellen Reserven aus dem
Gesundheitsfonds werden aus Sicht des
SoVD einseitige Mehrbelastungen auf
dem Rücken der gesetzlich Krankenver-
sicherten nicht lange aufhalten können.
Der Fonds ist die Sammelstelle für die
Krankenkassenbeiträge und Steuerzu-
schüsse. Über den Fonds soll künftig die
unterschiedliche Einkommenstruktur der
Kassenmitglieder vollständig ausgegli-
chen werden.
Rücklagen schmelzen –
Zusatzbeiträge folgen
Auch hier greift die Bundesregierung
ein. So sollen in diesem und im nächs-Die einkommensunabhängige Kopfpauschale gehört der Vergangenheit an. Patienten müssen jedoch weiterhin mit einseitigen Belas-tungen rechnen. Ihr Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung könnte in den kommenden Jahren auf bis zu zehn Prozent steigen.
Foto: RioPatuca Images / fotolia
Sozialpolitik – 8 –
Die neuen Regelungen zur Finanzreform
der gesetzlichen Krankenkasse (GKV)
sind weiterhin umstritten. Auch der SoVD
übt erhebliche Kritik. Die wichtigsten
Änderungen im Überblick:
• Der Beitragssatz sinkt ab dem 1. Janu-
ar 2015 für alle Kassen von 15,5 auf
14,6 Prozent.
• Er sinkt deshalb, weil künftig der Son-
derbeitrag von 0,9 Prozent entfällt, der
allein von den GKV-Mitgliedern be-
zahlt wurde.
• Arbeitgeber und -nehmer zahlen je-
weils die Hälfte der Beiträge.
• Durch die Streichung des Zusatzbeitra-
ges von 0,9 Prozent fehlen künftig rund
elf Mrd. Euro in der GKV.
• Pauschale Zusatzbeiträge dürfen künf-
tig nicht mehr von den Kassen erhoben
werden; dafür jedoch einkommensab-
hängige Zusatzbeiträge.
• Einnahmendefizite können zulasten
der Leistungen gehen.
Hintergrundten Jahr Milliardenbeiträge zum Zweck
der Haushaltskonsolidierung aus dem
Gesundheitsfonds genutzt werden. Die
Rücklagen schmelzen damit zusammen.
Wenn die Rücklagen so schnell ver-
braucht werden, besteht die Gefahr, dass
die Zusatzbeitragssätze noch schneller
ansteigen werden. Schon lange macht
sich der SoVD für eine gerechte und
konsequent paritätische Finanzierung
der Gesundheitskosten stark.
Gerechte Finanzierung –
Überschüsse sinnvoll nutzen
Überschüsse der Krankenkassen und aus
dem Gesundheitsfonds sollten aus SoVD-
Sicht dazu genutzt werden, Leistungen
bedarfsgerecht zu bewilligen und mehr
Maßnahmen zur Rehabilitation und zur
Prävention anzubieten.
Deshalb hat sich der SoVD wiederholt
gegen eine Absenkung des allgemeinen
Beitragssatzes und für ein Nutzung der
verfügbaren Gelder im Interesse der Pa-
tientinnen und Patienten sowie der Versi-
cherten ausgesprochen.
Auf diese Weise könnte zum einen die
Versorgung der Versicherten verbessert
werden; zum anderen würde dazu bei-
getragen, zukünftige Gesundheitskosten
möglichst gering zu halten.
Aus dem Verband– 9 –
Bundesjugendkonferenz in Berlin
dem Motto „Eine Ausbildung für Alle –
eine Zukunft in Europa“ steht auch eine
von den Delegierten verabschiedete Reso-
lution. Darin fordern sie eine konsequen-
te Umsetzung der UN-Behindertenrechts-
konvention in ganz Europa.
Vom 16. bis zum 18. Mai fand in Berlin die Bundesjugendkonferenz
statt. Die Tagung stand unter dem Motto „Eine Ausbildung für Alle –
eine Zukunft in Europa“. Auf dem Programm stand neben der Wahl des
Bundesjugendvorstandes auch die Verabschiedung einer jugendpoliti-
schen Resolution.
Eine Ausbildung für alle
Während sich Bundesministerin Andrea
Nahles (SPD) über eine Videobotschaft an
die Delegierten wandte, begrüßte der Vi-
zepräsident des SoVD, Gerhard Renner,
die Anwesenden persönlich. In seinem
Grußwort ging Renner auf die aktuelle Si-
tuation in Europa ein.
Dabei bezeichnete
er die Mitglieder der
SoVD-Jugend als die
Zukunft dieses Landes
und Europas.
Bei den Wahlen wur-
de Sönke Franz in
seinem Amt als Bun-
desjugendvorsitzen-
der bestätigt, seine
Stellvertreter sind Ni-
cole Schulz und Se-
bastian Freese. Unter Viele sozialpolitische Anträge zur Bundesjugendkonferenz beschäftigten sich mit dem Thema Jugendarbeitslosigkeit.
Foto: Laurin Schmid
Sozialpolitik – 10 –
SoVD begrüßt Verabschiedung des Gesetzes und fordert Korrekturen bei den Erwerbsminderungsrenten
63 Jahren ohne Abschläge in Rente ge-
hen. Davon profitieren die Geburten-
jahrgänge zwischen 1951 und 1963.
Lücken in der Erwerbsbiographie wer-
den künftig mit in die Beitragsjahre an-
Das Rentenpaket ist beschlos-
sen. Der Bundestag hat das
schwarz-rote Paket mit großer
Mehrheit beschlossen. Auch der
Bundesrat hat dem Gesetz zuge-
stimmt. Das Rentenpaket enthält
neben der verbesserten Rente für
ältere Mütter und der abschlags-
freien Rente ab 63 auch Verbes-
serungen für Erwerbsminde-
rungsrentner und mehr Geld für
Reha-Leistungen.
Rentenpaket hilft – weitere Reformen gefragt
„Dies ist ein guter Tag für Millionen Rent-
nerinnen und Rentner in Deutschland.
Nach jahrelangem Stillstand hat die
Bundesregierung ein klares Startsignal
für Verbesserungen in der Alterssiche-
rung gegeben“, erklärt dazu SoVD-Prä-
sident Adolf Bauer.
Einbußen im Bereich der
Leistungen zu befürchten
Das Rentenpaket in Kürze: Wer mindes-
tens 45 Jahre in die Rentenversicherung
eingezahlt hat, kann ab dem 1. Juli ab
Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, kann mit 63 in Rente gehen.
Sozialpolitik– 11 –
SoVD begrüßt Verabschiedung des Gesetzes und fordert Korrekturen bei den Erwerbsminderungsrenten
Rentenpaket hilft – weitere Reformen gefragt
gerechnet. Davon ausgenommen sind
die letzten beiden Jahre vor Beginn der
Frührente.
Selbstständige, die in ihrem Erwerbs-
leben mindestens 18 Jahre lang Ren-
ten-Pflichtbeiträge entrichtet haben, und
sich anschließend mindestens 27 weite-
re Jahre freiwillig weiter versichert ha-
ben, können ab dem 1. Juli ebenfalls
frühzeitig in Rente gehen.
Foto: jd photodesign / fotoliaWer mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, kann mit 63 in Rente gehen.
Sozialpolitik – 12 –
„systemwidrige“ Abschläge bei den Er-
werbsminderungsrenten zurück. Anders
als bei einer selbstbestimmten Frühver-
rentung befänden sich Erwerbsminde-
rungsrentner in einer Zwangslage, be-
gründet Adolf Bauer die Lage. „Würden
die Abschläge auf die Erwerbsminde-
rungsrenten abgeschafft, könnten die
Betroffenen etwas aufatmen.“
Mütter, deren Kinder vor 1992 zur Welt
kamen, bekommen die Erziehungszeiten
in der Rente künftig mit einem zusätzli-
chen Punkt angerechnet. Frauen mit jün-
geren Kindern sind bei der Mütterrente
weiterhin besser gestellt. Sie erhalten für
die Kindererziehung Rentenpunkte für
drei Jahre Kindererziehung gutgeschrie-
ben.
Wer aus gesundheitlichen Gründen ver-
mindert oder gar nicht mehr arbeiten
kann, erhält künftig brutto monatlich 40
Euro mehr Rente. Um Frühverrentungen
wegen gesundheitlicher Einschränkun-
gen zu verhindern, sollen die bislang
gedeckelten Mittel für Rehaleistungen
nach Bedarf leicht erhöht werden.
Erwerbsminderungsrentner
haben hohes Armutsrisiko
Der SoVD-Präsident fordert die Bundes-
regierung zu weiteren Reformen, ins-
besondere zu weiteren Korrekturen bei
den Erwerbsminderungsrenten auf: „Die
Zahl der Menschen, die arbeiten wol-
len, es aber nicht mehr können, wächst.
Sie sind einem hohen Armutsrisiko aus-
gesetzt, das sie aus eigener Kraft nicht
begrenzen können“, macht Adolf Bau-
er deutlich. Das besondere Armutsrisi-
ko führt der SoVD dabei vor allem auf
Kommentar– 13 –
Adolf BauerSoVD-Präsident
Auch, weil Langzeitarbeitslose einer Studie
zufolge oft unter psychosozialen Schwie-
rigkeiten infolge ihrer Situation leiden. Hier
ist vor allem Unterstützung gefragt, nicht
(noch mehr) Sanktion!
Sanktionen werden dann verhängt, wenn
Hartz-IV-Bezieher gegen Auflagen versto-
ßen. Etwa, wenn sie Termine im Jobcenter
verpassen. Oder wenn angebotene Arbeit
verweigert wird. Leistungskürzungen sind
die Folge. Doch wenn schon heute ein Groß-
teil der Sanktionen offenbar rechtswidrig
ist, dann ist die Politik gefragt, zunächst
eine rechtskonforme Verwaltungspraxis
sicherzustellen. Anstatt die Strafmaßnah-
men immer weiter zu verstärken, gehören
die Hartz-Regelungen grundsätzlich auf
den Prüfstand. Dies gilt insbesondere vor
dem Hintergrund, dass die in der aktuel-
len Hartz-IV-Debatte genannten Zahlen
nur die Spitze des Eisbergs sein dürften.
Nicht jeder Betroffene ist imstande, einen
Widerspruch oder eine Klage zu führen.
Blickpunkt
Unterstützung statt Sanktionen
Seit Jahren verzeichnen die Sozialgerichte in Deutschland eine Klageflut
gegen Hartz-IV-Bescheide. Auch gegen Sanktionsentscheidungen der
Arbeitsagenturen wird geklagt – Tendenz steigend. Mehr als einem Drit-
tel aller Klagen und Widersprüche von Arbeitslosen wurde im vergan-
genen Jahr stattgegeben. Dies sollte zu denken geben!
– 14 –Inklusionslauf 2014
Startschuss zum Inklusionslauf 2014
Premieren in Berlin: Sportveranstaltung des SoVD für Menschen mit und ohne Behinderung
Inklusionslauf 2014– 15 –
XXX
Foto: XXXX / fotolia
Startschuss zum Inklusionslauf 2014
Premieren in Berlin: Sportveranstaltung des SoVD für Menschen mit und ohne Behinderung
Am 28. Juni fand in Berlin erstmals der Inklusionslauf statt. Austragungs-
ort war ein ehemaliger Flughafen. Insgesamt gingen über 300 Menschen
mit und ohne Behinderung an den Start. Ihr Einsatz und die Begeisterung
der Zuschauer sorgten für einen riesigen Erfolg. Foto: Wolfgang Borrs
– 16 –Inklusionslauf 2014
Ausgerechnet ein Flughafen...Vor über 60 Jahren erlangte der Flughafen Tempelhof für die Bewohner
West-Berlins eine besondere Bedeutung. Während der Blockade 1948 /49
landeten hier im Rahmen der Luftbrücke die Versorgungsflugzeuge. Der
Inklusionslauf 2014 fand somit also auf historischem Gelände statt.
Inklusionslauf 2014– 17 –
Ausgerechnet ein Flughafen...
Seit der Flughafen Tempelhof stillgelegt wurde,
dient er den Berlinern als Erholungsfläche. Auf
dem weiträumigen Gelände wird gegrillt, Fuß-
ball gespielt – und eben auch gelaufen. Für die
Teilnehmer des SoVD-Inklusionslaufs erwies sich
die asphaltierte Landebahn als ideal, bot diese
doch Läufern wie Rollstuhlfahrern einen gleicher-
maßen geeigneten Untergrund. Auch die Kulisse
selbst dürfte für alle Beteiligten ein Erlebnis gewe-
sen sein. Vor allem aber einte der Gedanke der
Inklusion die insgesamt rund 1000 Sporttreiben-
den und Zuschauer. Ihre Begeisterung machte die
Veranstaltung zu etwas ganz Besonderem.
Fotos: Wolfgang Borrs
– 18 –Inklusionslauf 2014
So sehen Sieger aus!Sie kamen zu Fuß, auf dem Fahrrad oder im Rollstuhl. Sie liefen alleine
oder in Gruppen sowie mit Begleitperson oder mit Begleithund. Es ist un-
möglich, all die verschiedenen Formen der beim Inklusionslauf vertretenen
Behinderungen aufzuzählen. Und das Beste: Es ist auch völlig egal. Denn
an diesem Tag zählte nur
eines: ins Ziel kommen.
Und das haben alle ge-
schafft – so sehen wahre
Sieger aus!
Inklusionslauf 2014– 19 –
So sehen Sieger aus!Sie kamen zu Fuß, auf dem Fahrrad oder im Rollstuhl. Sie liefen alleine
oder in Gruppen sowie mit Begleitperson oder mit Begleithund. Es ist un-
möglich, all die verschiedenen Formen der beim Inklusionslauf vertretenen
Behinderungen aufzuzählen. Und das Beste: Es ist auch völlig egal. Denn
an diesem Tag zählte nur
eines: ins Ziel kommen.
Und das haben alle ge-
schafft – so sehen wahre
Sieger aus!
Fotos: Wolfgang Borrs, Sascha Pfeiler
– 20 –Inklusionslauf 2014
Zeit für echte InklusionMit dem Inklusionslauf 2014 will der SoVD auch gesellschaftliche
Veränderungen anstoßen. Auf einer Podiumsdisskussion forder-
te daher unter anderem SoVD-Vizepräsident Gerhard Renner, den
Gedanken der Inklusion uneingeschränkt umzusetzen. Seine Rede
wurde simultan in Gebärdensprache übersetzt.
Mit dem Deutschen Blinden- und
Sehbehindertenverband und der Ak-
tion Mensch hatte der Inklusionslauf
wichtige Kooperationspartner und
Unterstützer. Mit der Sportveranstal-
tung haben alle beteiligten Organi-
sationen das umge-
setzt, was sie sich für
ganz Deutschland
erhoffen: Eine Struk-
tur, in der sich be-
hinderte Menschen
nicht mehr anpassen
müssen, sondern ihre
Teilhaberechte von
vornherein verwirk-
lichen können. Eine
Umsetzung der Inklu-
sion bedeutet Verän-
Inklusionslauf 2014– 21 –
Zeit für echte InklusionMit dem Inklusionslauf 2014 will der SoVD auch gesellschaftliche
Veränderungen anstoßen. Auf einer Podiumsdisskussion forder-
te daher unter anderem SoVD-Vizepräsident Gerhard Renner, den
Gedanken der Inklusion uneingeschränkt umzusetzen. Seine Rede
wurde simultan in Gebärdensprache übersetzt.
derung in unterschiedlichen
Bereichen:
Regelschulen müssen Vorausset-
zungen für eine Vielfalt im Klas-
senzimmer schaffen.
Am Arbeitsmarkt benötigen Men-
schen mit Behinderung endlich
gleiche Zugangschancen. Noch
immer sind sie überdurchschnitt-
lich oft arbeitslos.
Vor allem aber müssen bauliche
und kommunikative Barrieren ab-
gebaut werden.
Hier liegt eine der größten Leis-
tungen des SoVD-Inklusionslaufs.
Er hat es dank begeisterter Teil-
nehmer und Zuschauer geschafft,
die Barrieren in den Köpfen zu
überwinden.
Fotos: Wolfgang Borrs, Sascha Pfeiler
Inklusionslauf 2014 – 22 –
Eigentlich wollte ich schon längst
wieder Sport treiben. Aber irgend-
wie fehlten mir nach einem langen
Arbeitstag die Zeit und die Lust dazu.
Also wurde der gute Vorsatz immer
wieder aufgeschoben. Dann kam im
Februar unser Betriebsfest – inklusi-
ve Tombola. Doch statt der erhofften
Magnumflasche Sekt gewann ich ei-
nen Startplatz beim ersten SoVD-In-
klusionslauf. Super.
Nach diesem Wink des Schicksals
gab es kein Aufschieben mehr. Also
ging ich am Wochenende joggen im
Park und musste feststellen, dass mir
die Puste schon nach zwei Runden
ausging. Die nächsten Versuche wa-
ren ähnlich frustrierend, außerdem
war das Wetter schlecht und es wur-
de früh dunkel. Insgesamt also alles
Mein innerer SchweinehundWie viele andere Menschen sitzt auch Brigitte Grahl überwiegend am Schreib-
tisch. Sie arbeitet in der Redaktion der SoVD-Zeitung. Wie es zu ihrer Teilnahme
am Inklusionslauf kam, und vor allem wie sie sich darauf vorbereitetete, das
schildert sie in dem folgenden Text.
überzeugende Gründe, meine Lauf-
pläne wieder aufzugeben. Zumindest
flüsterte mir das mein innerer Schwei-
nehund (IS) ständig ins Ohr. Aber da
ich allen bereits erzählt hatte, dass
ich Ende Juni an einem Fünf-Kilome-
ter-Lauf teilnehmen würde, wäre ein
Rückzug überaus schmachvoll gewe-
sen.
Also meldete ich mich im Fitnessstu-
dio an und ging fortan zwei- bis drei-
mal pro Woche auf das Laufband. Im
April arbeitete ich daran, eine halbe
Stunde durchzulaufen, im Mai war
es mein Ziel, fünf Kilometer möglichst
schnell zu laufen. Als Richtwert hat-
ten Freunde mir 30 Minuten genannt.
Aber zehn Kilometer in der Stun-
de waren für mich nicht realistisch,
meine optimale Laufgeschwindigkeit
Inklusionslauf 2014– 23 –
Mein innerer SchweinehundWie viele andere Menschen sitzt auch Brigitte Grahl überwiegend am Schreib-
tisch. Sie arbeitet in der Redaktion der SoVD-Zeitung. Wie es zu ihrer Teilnahme
am Inklusionslauf kam, und vor allem wie sie sich darauf vorbereitetete, das
schildert sie in dem folgenden Text.
ohne Seitenstiche und Atemnot pen-
delte sich bei 9 km/h ein.
Anstrengend war das Training trotz-
dem. Zumal auf dem Laufband mein
„innerer Schweinehund“ (IS) und
mein „besseres Ich“ (BI) ständig mit-
einander stritten. Nach zehn Minuten
meldete sich der IS: „O Gott, ist das
anstrengend! Und noch nicht mal die
Hälfte vorbei!“ Nach 20 Minuten re-
agierte er lautstark: „Ich habe keine
Lust mehr!“ Da schaltete sich das BI
ein: „Jetzt hast du schon zwei Drittel
geschafft, der Rest ist ein Klacks da-
gegen!“ Nach 25 Minuten gab der
IS schließlich Ruhe und das BI feuerte
mich an: „Nur noch ein paar Minu-
ten, dann hast du es geschafft! Ich
bin stolz auf dich!“
Nach dem Training auf dem Lauf-
band stand vor dem Inklusionslauf
eigentlich noch ein Praxistest in der
freien Natur auf dem Programm,
aber irgendwie kam immer etwas
dazwischen. So war mein Start am
Renntag für mich eine zweifache Pre-
miere: mein erster Volkslauf und mein
erster Outdoor-Lauf. Noch einmal
trinken, ein letztes Mal auf die Toi-
lette, und dann reihte ich mich in die
Masse der Läufer ein. Die Teilnehmer
waren bunt gemischt: Blinde, Roll-
stuhlfahrer, Alte und Junge, Laufpro-
Inklusionslauf 2014 – 24 –
fis und -amateure. Es ging ja beim
Inklusionslauf in erster Linie nicht um
Rekorde, sondern darum, mitzuma-
chen und durchzuhalten. Trotzdem
meldete sich bei den meisten natür-
lich der Ehrgeiz, so gut wie möglich
abzuschneiden.
Nach dem Startschuss ging es über
das Rollfeld des ehemaligen Flugha-
fens Tempelhof. Ganz schön lang,
so eine Rollbahn. Ganz schön heiß,
das Wetter, ganz schön anstren-
gend, das Draußen-Laufen. Mein IS
äusserte nach zwei Kilometern den
Wunsch, sich in die Büsche zu schla-
gen und aufzugeben. Aber auf dem
Rollfeld gab es weit und breit keine
Büsche. Also übernahm mein BI die
Regie: „Den da vorne überholst du
jetzt mal“ und „Die sind viel älter und
halten auch durch“ oder „Da vor-
ne ist schon das Ziel zu sehen.“ Im
letzten Viertel musste ich dann doch
kurz walken, bevor ich zum Endspurt
ansetzen konnte. Ich war so erpicht
darauf, ins Ziel zu kommen, dass ich
doch glatt ein paar Meter zu früh
rauslief. Während ich mich schon
entspannte, machte mich jemand
darauf aufmerksam, dass ich noch
durchs „richtige“ Ziel musste. Mein
Chip am Schuh hätte mich sonst als
gestartet und verschollen gemeldet.
Also raffte ich mich noch einmal auf
und hechtete durchs Ziel. Dort bekam
ich dann meine Medaille umgehängt
– nach der Anstrengung eine schöne
Belohnung.
Eine freudige Überraschung war für
mich auch mein Laufergebnis: trotz
Inklusionslauf 2014– 25 –
Walken und „Fehlziel“
hatte ich nur 32:38 Mi-
nuten gebraucht. Damit
hatte ich meine persön-
liche Bestzeit geschafft,
ebenso wie der Rollstuhl-
fahrer, der 10 Kilometer
mit einer Hand bewäl-
tigte, die Blinde, die mit
ihrem Begleithund lief,
das Paar, dass sein Baby
im Kinderwagen vor sich
her schob und all die an-
deren.
Möchte ich das Training
und den Inklusions-Lauf
missen? Nein, denn trotz
aller Anstrengung ist es
ein gutes Gefühl, sich
zu bewegen und etwas
zu schaffen. Möchte ich
das Ganze nächstes Jahr
wieder mitmachen? Ich
weiß es nicht. Aber man
soll niemals nie sagen.
Diese Woche gehe ich
jedenfalls wieder aufs
Laufband.
Filmbeitrag auf SoVD-TV
Inklusionslauf
Einen Filmbeitrag über den Inklusionslauf
finden Sie unter www.sovd-tv.de. Dieser
ist in leicht verständlicher Sprache verfasst
und Sie können sich den Film wahlweise mit
Untertiteln anschauen. Besuchen Sie hierfür
einfach die Internetseite www.sovd-tv.de.
Sozialpolitik – 26 –
Meldung, wonach jeder dritte Pflegebe-
dürftige unterernährt sei, erregt natürlich
Aufsehen. Bei genauerer Betrachtung stellt
sich allerdings heraus, dass die Mehrheit
der Betroffenen sehr wohl ihr Essen erhal-
ten haben, es wurde nur nicht aufgeschrie-
ben. An diesem Punkt ist es also wichtig,
ausreichend zu dokumentieren. Damit
keine Missverständnisse aufkommen: Eine
Pflegedokumentation ist nicht dafür da,
falsche Zeitungsberichte zu widerlegen.
Sie dient in erster Linie dem Wohl des Pfle-
gebedürftigen und sichert somit ein gewis-
ses Maß an Qualität.
An einer Dokumentation
führt kein Weg vorbei
Wer selbst schon einmal im Krankenhaus
Das Statistische Bundesamt hat vor einem
Jahr festgestellt, dass im stationären Be-
reich, also in einem Krankenhaus oder
in einem Pflegeheim, 13 Prozent der Ar-
beitszeit einer Pflegeperson allein für die
Dokumentation aufgewendet werden.
Rechnet man das auf den Arbeitstag ei-
ner Vollzeitkraft um, dann ergibt das eine
volle Stunde allein für die Aktenführung –
Zeit, die dann für die Pflege am Menschen
fehlt. Viele Pflegekräfte geben sogar an,
sie seien noch länger mit der Dokumenta-
tion beschäftigt.
Warum werden Leistungen
überhaupt dokumentiert?
Die Pflege gerät häufig aufgrund vermeint-
licher Skandale in die Schlagzeilen. Eine
Pflegekräfte müssen Leistungen dokumentieren
Zu viel Bürokratie, zu wenig Zeit für Pflege?Pflegekräfte kümmern sich um Menschen, Verwaltungsangestellte füh-
ren Akten. So sollte es zumindest sein. Doch im Rahmen der Dokumen-
tation von dem, was zum Beispiel eine Krankenschwester getan hat,
wird immer mehr aufgeschrieben und immer weniger gepflegt. Die Po-
litik will daher einen Abbau von Bürokratie in der Pflege erreichen.
Sozialpolitik– 27 –
der, sondern erhalten ihre Informationen
„nach Aktenlage“. Auf diese Weise sind
sie über die durchgeführten Maßnahmen
auf dem Laufenden und können ihrerseits
Entscheidungen treffen. Eine Dokumenta-
tion ist also für die medizinische und pfle-
gerische Versorgung unerlässlich.
Eine Dokumentation
dient auch der Sicherheit
war oder einen Angehörigen hat, der
stationär versorgt wurde, der kennt das
Problem: Man hat es nie allein mit einer
Person zu tun. Das ist aufgrund der Ar-
beitsteilung nicht möglich, denn neben
Pflege- und Betreuungskräften widmen
sich auch noch Ärzte unterschiedlicher
Fachrichtungen oder auch Therapeuten
dem Wohl des Patienten. Sie alle kommu-
nizieren nicht unbedingt direkt miteinan-
Akten führen, Rücksprache halten – vor allem die Dokumentation muss stimmen! Doch wer guckt eigentlich nach dem Patienten?
Foto: Miriam Dörr / fotolia
Inklusion – 28 –
Behandlungsfehler, die dadurch ge-
schehen, dass eine der beteiligten Fach-
richtungen etwas „nicht wusste“, lassen
sich somit weitestgehend vermeiden.
Passiert dennoch etwas Unvorhergese-
henes, kann die Dokumentation Auf-
schluss über den Ablauf der Behandlung
geben. Sie schützt somit aus rechtlicher
Sicht die in der Pflege Beschäftigten so-
wie die jeweilige Einrichtung in Fragen
der Haftung bei vermeintlichen Behand-
lungsfehlern.
Gerade der letzte Aspekt hat in der Pra-
xis jedoch häufig zur Folge, dass sich
Anbieter von Pflegeleistungen durch eine
umfassende Dokumentation vor eventu-
ellen Ansprüchen schützen wollen. Bei
vielen Pflegekräften herrscht daher Unsi-
cherheit und es wird lieber zu viel aufge-
schrieben als zu wenig.
Dokumentiert werden sollte
effizient und fachgerecht
Diese Unsicherheit führt zu einem Recht-
fertigungsdruck nach dem Motto „was
nicht dokumentiert wurde, wurde auch
nicht geleistet“. In der Folge werden
dann auch Dinge notiert, die für die
Behandlung keine Rolle spielen. Dieses
Vorgehen wird durch einzelne Pflege-
dienstleitungen offensichtlich noch ge-
Eine effiziente und fachgerechte Doku-
mentation der Pflege
• dient der medizinischen und der pfle-
gerischen Versorgung,
• hilft, die Qualität der geleisteten Ver-
sorgung zu kontrollieren,
• gibt Informationen an den zu Pflegen-
Wer schreibt, der bleibt?Viele Pflegekräfte sind unsicher, was und vor allem wie viel sie im Rah-
men ihrer täglichen Arbeit dokumentieren müssen. Das Sozialgesetz-
buch (SGB) XI schreibt eine „praxistaugliche, den Pflegeprozess unter-
stützende und die Pflegequalität fördernde“ Pflegedokumentation vor.
Doch was bedeutet das konkret?
Müssen Pflegekräfte nur deshalb immer mehr aufschreiben, damit ihnen hinterher niemand vorwerfen kann, sie hätten eine bestimmte Leistung nicht erbracht?
Inklusion– 29 –
fördert. Anweisungen, wonach in jeder
Schicht etwas in den Pflegebericht ge-
schrieben werden müsse, führen dann
zu Einträgen wie „Herr Meier schläft“.
Eine Dokumentation ist jedoch kein Ta-
gebuch.
Patientenbeauftragter
will Bürokratie abbauen
Eine Pflegedokumentation ist überaus
wichtig. Wie diese zu führen ist, soll-
te grundsätzlich bereits im Rahmen
der Ausbildung vermittelt werden. Zu-
sätzlich bieten sich für Mitarbeiter und
Führungskräfte natürlich entsprechende
Fortbildungen an. Dass es in der Praxis
akute Defizite gibt, hat inzwischen auch
die Politik erkannt.
Karl-Josef Laumann (CDU) ist beamte-
ter Staatssekretär im Bundesministerium
für Gesundheit sowie Bevollmächtig-
ter der Bundesregierung für Patienten
und Pflege. Er findet klare Worte und
bezeichnet die bürokratische Dokumen-
tation in der Pflege als einen Bereich,
in welchem „der Wahnsinn Triumphe
feiert“. Im Gespräch mit den Westfäli-
schen Nachrichten erklärte Karl-Josef
Laumann kürzlich, er habe sogar schon
erlebt, dass erfasst wurde, wie oft ein
Patient gelacht habe.
den sowie an Angehörige weiter, um
Transparenz und Sicherheit zu vermit-
teln,
• dient auch als Leistungsnachweis (wirt-
schaftliche Funktion),
• schützt in Fragen der Haftung – vor-
ausgesetzt sie ist lückenlos geführt.
Wer schreibt, der bleibt?Viele Pflegekräfte sind unsicher, was und vor allem wie viel sie im Rah-
men ihrer täglichen Arbeit dokumentieren müssen. Das Sozialgesetz-
buch (SGB) XI schreibt eine „praxistaugliche, den Pflegeprozess unter-
stützende und die Pflegequalität fördernde“ Pflegedokumentation vor.
Doch was bedeutet das konkret?
Müssen Pflegekräfte nur deshalb immer mehr aufschreiben, damit ihnen hinterher niemand vorwerfen kann, sie hätten eine bestimmte Leistung nicht erbracht?
Foto: Miriam Dörr / fotolia
Inklusion – 30 –
bindlich wäre. Die somit vorgegebenen
Routineabläufe müssten dadurch nicht
jeden Tag aufs Neue detailliert dokumen-
tiert werden. Auch aus haftungsrechtli-
cher Sicht wäre ein solches Vorgehen un-
problematisch.
Keine Angst vor einer
sinnvollen Dokumentation
Im ambulanten Bereich dagegen ist eine
Dokumentation auch weiterhin unum-
gänglich. Denn rechnet beispielsweise
ein Pflegedienst bestimmte Leistungen
ab, die er erbracht hat, so muss er diese
natürlich auch entsprechend dokumentie-
ren. Ähnlich verhält sich das im Bereich
der Behandlungspflege. Bei dieser dreht
sich alles darum, eine Krankheit zu hei-
len. Aus diesem Grund sollte jeder Fort-
oder Rückschritt regelmäßig festgehalten
werden.
Wer in der Pflege beschäftigt ist, möchte
Menschen helfen. Was die Dokumentation
angeht, sollten allein fachliche Erwägun-
gen eine Rolle spielen. Pflegekräfte sollten
sich nicht von der Angst leiten lassen, et-
was Falsches oder zu wenig aufzuschrei-
ben. Doch auch der Gesetzgeber kann
dabei helfen, bürokratische Vorgaben ab-
zubauen. Das würde bei allen Beteiligten
für mehr Sicherheit sorgen.
Die Pflegedokumentation
soll einfacher werden
Gegen eine derart unsinnige Dokumenta-
tion wendet sich ein Projekt zum Bürokra-
tieabbau in der Pflege. Es wurde bereits in
der Praxis getestet und soll den Dokumen-
tationsaufwand künftig reduzieren. Bun-
desgesundheitsminister Hermann Gröhe
(CDU) glaubt an den Erfolg: „Gute Pflege
braucht vor allem eins: Zeit. Wir müssen
die bürokratischen Anforderungen für die
Pflegekräfte deshalb auf das Maß redu-
zieren, das zur Qualitätssicherung wirk-
lich notwendig ist.“
Verbesserungen im Alltag
sind schon jetzt möglich
Während die Politik noch an der Umset-
zung des geplanten Bürokratieabbaus auf
Bundes- und Landesebene arbeitet, sind
Verbesserungen schon jetzt möglich. So
ist beispielsweise im stationären Bereich
eine Reduzierung der Dokumentation im
Bereich der Grundpflege denkbar.
Unter Grundpflege versteht man alltägli-
che Verrichtungen wie etwa Körperpfle-
ge oder Ernährung. Die Durchführung
derartiger Maßnahmen könnte von der
jeweiligen Einrichtung als ein Standard
definiert werden, der dann für alle Pfle-
ge- und Betreuungskräfte im Haus ver-
Karikatur– 31 –
Impressum
Seit September 2013 erscheint auf der SoVD-Website monatlich das SoVD-Magazin unter:
www.sovd.de. Das Online-Magazin bereitet einzelne Berichte und Schwerpunktthemen aus
der Mitgliederzeitung „Soziales im Blick“ für den Bildschirm des Computers oder mobile End-
geräte auf. Das SoVD-Magazin gibt es nicht in gedruckter Form; es stellt keinen Ersatz für die
SoVD-Zeitung dar. Herausgeber des SoVD-Magazins ist der Sozialverband Deutschland e.V.
(SoVD), Stralauer Straße 63, 10179 Berlin, Mail: [email protected]. Redaktion SoVD-Ma-
gazin: Veronica Sina (veo)/Abteilungsleiterin Redaktion (verantwortlich) und Joachim Baars
(jb), Stellvertretender Redaktionsleiter.
Mit spitzer Feder
Der Mindestlohn kommt
Jahrestag – 32 –
„Materialschlacht“ mit verheerenden und
unvorstellbaren Menschenverlusten be-
schrieben.
Am Kriegsende stand eine ganze Gene-
ration von Witwen, von vaterlos aufwach-
senden Kindern und von kriegsversehrten
Heimkehrern. Auch die Hungersnot infol-
ge des Kriegsgeschehens brachte Hun-
derttausende an Toten mit sich.
Das unermessliche Leid, das der Ausbruch
des Ersten Weltkrieges verursachte, war
der Anlass für die Gründung des Reichs-
bundes der Kriegsbeschädigten, heute
Sozialverband Deutschland (SoVD). Der
ehemalige Reichsbund setzte sich vor al-
Einen Krieg dieser Dimension hatte es zu-
vor noch nicht gegeben: Über 40 Staa-
ten waren weltweit direkt oder indirekt
am Kriegsgeschehen beteiligt. Unbekannt
waren bis dato nicht nur die globale Aus-
dehnung des Kampfes, sondern auch das
Ausmaß der Gewalteskalation und das
„industrialisierte“ Massentöten. Millio-
nenheere mit damals neuen, modernen
Waffen wie Panzern, schwerer Artille-
rie, Flugzeugen, U-Booten und Maschi-
nengewehren wurden dazu eingesetzt.
Auch den Einsatz von Giftgas hatte die
Welt noch nicht gesehen. So wurde der
Erste Weltkrieg von Zeitzeugen auch als
Vor 100 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus
17 Millionen Tote und unermessliches Leid
In diesen Tagen jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum 100.
Mal. Der Krieg, der im Nahen Osten, in Afrika, auf den Weltmeeren und
in Europa geführt wurde, begann am 28. Juli 1914 mit der Kriegser-
klärung Österreich-Ungarns an Serbien. Er endete am 11. November
1918 mit dem Waffenstillstand zwischen Deutschland und den alliierten
Siegermächten Frankreich, Großbritannien und den USA. Der Erste Welt-
krieg kostete über 17 Millionen Menschen – Soldaten wie Zivilisten – das
Leben und brachte auch den Hinterbliebenen unermessliches Leid.
Jahrestag– 33 –
Foto: Dieter Pregizer /
fotolia
nach. Zum Jahrestag widmen sich
zahlreiche Ausstellungen dem ersten gro-
ßen Weltkrieg, u. a. die zentrale Ausstel-
lung des Deutschen Historischen Museums
„1914–1918“ in Berlin.
lem für die Versorgungsansprüche der
Opfer und Hinterbliebenen ein.
Noch heute wirkt der Erste Weltkrieg
als ein Krieg von historischer Tragwei-
te in den politischen Strukturen Europas
Jahrestag – 34 –
jeder einzelnen Toten, allen Verletzten und
schwer Traumatisierten. Wir schulden es
all denjenigen, die ihre Kinder, ihre Ehe-
männer und Ehefrauen, ihre Freunde und
ihr Hab und Gut verloren haben. Und
nicht zuletzt schulden wir es auch kom-
menden Generationen! Denn nur in dem
ständigen Bewusstmachen, wie schnell
eine Katastrophe solchen Ausmaßes auch
von uns Menschen selbst gemacht werden
kann, können wir verhindern, dass so et-
was jemals wieder geschieht!
Sie alle wissen, dass der SoVD, ehemals
Reichsbund der Kriegsbeschädigten und
Liebe Mitglieder des SoVD, liebe Leserin-
nen und Leser der SoVD-Zeitung, in die-
ser Ausgabe gedenken wir des Ausbruchs
des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren.
Die Konflikte rund um den Erdball zeigen
uns, dass wir nicht vergessen dürfen. Wir
dürfen nicht vergessen, in welcher Dimen-
sion dieser Krieg Europa und die Welt
erschüttert hat. Wir dürfen nicht verges-
sen, wie viele Menschen starben, schwer
verletzt wurden und Not litten. Es ist un-
sere Pflicht, uns immer wieder mit den
Ursachen und den Folgen dieses Krieges
zu befassen. Wir schulden es jedem und
Wir dürfen nicht vergessen!
Jahrestag– 35 –
Kriegsteilnehmer, in Folge des 1. Welt-
krieges gegründet wurde. Anlass für die
Gründung war u. a., Versorgungsansprü-
che für die Opfer und Hinterbliebenen
durchzusetzen. Neben dieser ganz prak-
tischen Aufgabe, stand und steht der
SoVD seit seiner Gründung jedoch auch
für den Einsatz für Frieden. Ich bitte Sie
daher, aus unserer leid- und schmerzvol-
len Geschichte zu lernen und sich auch
als Mitglied des SoVD ganz aktiv in ih-
rer Umgebung als Botschafterinnen und
Botschafter des Friedens und der Versöh-
nung einzusetzen.
Wir dürfen nicht vergessen!
Adolf BauerSoVD-Präsident
Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin
Service – 36 –
Weissen Liste können Pflegebedürftige und
Angehörige mithilfe von Fragen und Ant-
worten herausfinden, welchen Unterstüt-
zungsbedarf sie z. B. bei der Körperpflege
oder im Haushalt haben und welche dazu
passenden Leistungen von Pflegediensten
angeboten werden.
Über 80 Prozent aller Deutschen wollen
im Fall einer Pflegebedürftigkeit zu Hau-
se versorgt werden. Schon heute nehmen
rund 560 000 Pflegebedürftige die Hilfe
eines ambulanten Pflegedienstes in An-
spruch. „Wir wollen die Betroffenen in der
oftmals belastenden Situation dabei unter-
stützen, eine Auswahl zu treffen, die ihren
persönlichen Bedürfnissen entspricht “,
sagt Dr. Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied
der Bertelsmann Stiftung.
Die Weisse Liste ist ein gemeinsames
Projekt der Bertelsmann Stiftung und der
Dachverbände der größten Patienten- und
Verbraucherorganisationen. Unterstützt
wurde die Entwicklung des Pflegedienst-
vergleichs vom Bundesverbraucherminis-
terium. Das Portal zeigt als einziges in
Deutschland Nutzern nur solche Pflege-
dienste an, die ihren Wohnort tatsächlich
anfahren. Zudem lässt sich darin etwa
ermitteln, welche Dienste sich auf die Be-
treuung von Menschen mit Demenz spezi-
alisiert oder welche Intensivpflegedienste
aktuell freie Plätze haben.
Interaktiver Pflegeplaner
zeigt passende Leistungen
Im interaktiven Online-Pflegeplaner der
Online-Portal der Weissen Liste schafft Transparenz
Hilfe bei Wahl des Pflegedienstes
Pflegebedürftige und Angehörige können sich in einem unabhängigen
Internetportal über das Angebot und die Servicequalität von rund 13 000
Pflegediensten in Deutschland informieren. Unter www.weisse-liste.de
können Ratsuchende vor dem ersten Kontakt zu einem Dienst zudem
kalkulieren, welche Kosten auf sie persönlich zukommen.
Service– 37 –
ist es wichtig, dass die Betroffenen sich
über ihre Anforderungen bewusst wer-
den und sich auf Basis guter Informatio-
nen mit den Pflegediensten über die pas-
senden Hilfen austauschen können“, sagt
SoVD-Präsident Adolf Bauer. Dies sei
nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, da
die Pflegebedürftigen nach Abzug der
Kassenleistung alle Kosten für einen Dienst
selbst tragen müssen, so Bauer.
Die Weisse Liste unterstützt Ratsuchende
bei der Suche nach dem passenden Arzt,
Krankenhaus oder Pflegeheim. Der neue
Pflegedienstvergleich ist eine Erweiterung.
Leistungen frei wählen je
nach Unterstützungsbedarf
Viele Menschen wüssten gar nicht, dass
nicht Pflegekasse oder Pflegedienst die
Leistungen bestimmt, sondern sie selbst
frei wählen können, so Mohn. Die Weisse
Liste zeige dies mit ganz praktischen Inst-
rumenten wie einem Pflege-Wochenplan,
für den die Nutzer passende Leistungen
auswählen können.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) ist
Projektpartner der Weissen Liste. „Pflege-
dienste können in der Pflegesituation zu
Hause für deutliche Entlastung sorgen. Da
Das Portal zeigt unter anderem Pflegedienste an, die auf die Betreuung von Menschen mit Demenz spezialisiert sind.
Foto: Miriam Dörr / fotolia
Sozialpolitik – 38 –
Bei der Klärung von Behandlungsschäden ist eine faire Chancenver-
teilung von großer Wichtigkeit. Das Patientenrechtegesetz, das im
vergangenen Jahr in Kraft getreten ist, hat erstmalig die Rechte und
Pflichten der Patienten und Patientinnen im Behandlungsverhältnis in
einem Gesetz zusammengefasst. Der Behandlungsvertrag wurde ge-
setzlich verankert mit dem Ziel, die Rechte von Versicherten zu stär-
ken. Wenngleich das Patientenrechtegesetz allgemein als Schritt in
die richtige Richtung gesehen wird, ebbt jedoch die Diskussion nicht
ab, inwieweit durch das Gesetz in der Praxis tatsächlich eine Verbes-
serung der Rechte von Patientinnen und Patienten eingetreten ist.
Schwieriger Beweis von Behandlungsfehlern
Weiterhin erheblicher Verbesserungsbedarf bei der Stärkung der Rechte von Patienten und Patientinnen
Foto: Poznyakov / fotolia
Sozialpolitik– 39 –
Schwieriger Beweis von Behandlungsfehlern
Weiterhin erheblicher Verbesserungsbedarf bei der Stärkung der Rechte von Patienten und Patientinnen
Sozialpolitik – 40 –
selbst liegt. Dabei ist der Patient in der
Regel medizinischer Laie. Entsprechende
Forderungen des SoVD wurden bislang
nicht berücksichtigt. Auch wurden keine
wesentlichen Schritte eingeleitet, die ge-
richtlichen Verfahren bei Behandlungs-
fehlern zu beschleunigen. Unberücksich-
tigt blieb auch die Forderung nach einem
Entschädigungsfonds in Härtefällen.
Als Vertreter von Patienten und Patien-
tinnen sowie der gesetzlich krankenver-
sicherten Menschen hat der SoVD das
Gesetz im Grundsatz als positiv bewer-
tet. So wird dadurch mehr Transparenz
geschaffen. Auch die Verpflichtung des
Arztes, auf Fehler hinzuweisen, ist aus
Sicht des SoVD ein Fortschritt. Als posi-
tiv zu bewerten ist zudem die gesetzliche
Verpflichtung der Krankenkassen, ihre
Versicherten im Schadensfall zu unter-
stützen.
Der SoVD sieht jedoch weiterhin erheb-
lichen Verbesserungsbedarf in der aktu-
ell geltenden gesetzlichen Regelung. Die
Kritikpunkte hat der Verband frühzeitig
und wiederholt geäußert. Ein gutes Jahr
nach Inkrafttreten des Patientenrechtege-
setzes zeigt sich, dass sich die vom SoVD
vorgebrachten Schwachpunkte bestätigt
haben. Dies machen Erfahrungen von
Organsiationen deutlich, die sich intensiv
mit Patientenrechten befassen (siehe wei-
ter unten). Lücken zulasten von Patientin-
nen und Patienten werden insbesondere
bei der Klärung von Behandlungsschä-
den sichtbar. Ein wesentliches Problem
ist dabei, dass die Beweislast, dass mög-
licherweise ein Fehler passiert ist und
dadurch der Patient geschädigt wurde,
nach wie vor erst einmal beim Patienten
Hintergrund
Als „Behandlungsfehler“ wird die nicht sorg-
fältige Behandlung einer Ärztin oder eines
Arztes definiert. Er kann alle Bereiche ärztli-
cher Tätigkeit betreffen. Auch eine nicht den
anerkannten medizinischen Standards ent-
sprechende Behandlung gehört dazu. Ein Be-
handlungsfehler kann rein medizinisch sein,
sich aber auch auf eine fehlende oder un-
richtige, unverständliche oder unvollständige
Aufklärung über medizinische Eingriffe und
ihre Risiken sowie auf Dokumentationsmängel
beziehen. Auch Fehler nachgeordneter oder
zuarbeitender Personen werden darunter ge-
zählt.
Was ist ein Fehler in der Behandlung?
Sozialpolitik– 41 –
___Welche Tatsachen müssen be-
wiesen werden?
Der Patient oder die Patientin hat zu be-
weisen, dass ein Fehler vorliegt, dass
dieser Fehler rechtswidrig und schuldhaft
war und dass es sich um einen groben
Fehler handelt.
___Inwiefern ist es aus Ihrer Sicht
kritisch, dass bei Behandlungs-
fehlern die Beweislast nach wie
vor auf Patientenseite liegt?
Es liegt in der Natur der Sache, dass im
Arzt-Patienten-Verhältnis die Sachwis-
sensherrschaft immer beim Arzt liegt.
Das Verhältnis ist davon geprägt, dass
der Patient oder die Patientin in erster Li-
nie Hilfesuchende(r), nicht jedoch gleich-
berechtigter Verhandlungspartner ist. Zu-
dem fehlt auf Patientenseite in aller Regel
medizinisches Detailwissen.
Gesundheitsexperte Klaus Kirschner im Interview
Schnell und lückenlos in Patientenakten einsehenKlaus Kirschner ist Mitglied im
Sozialpolitischen Ausschuss (SPA)
des SoVD-Bundesverbandes. Da-
rüber hinaus ist der anerkannte
Gesundheitsexperte Vorstands-
mitglied der Alexandra-Lang-Stif-
tung für Patientenrecht. Wir spra-
chen mit ihm über die aktuelle
Gesetzeslage.
Klaus Kirschner
Sozialpolitik – 42 –
Behandlung sediert oder narkotisiert, so
dass ihm die Details der Behandlung ver-
borgen blieben, sollte der Behandler die
Beweislast für die Fehlerfreiheit dieses Be-
handlungsabschnittes alleine tragen.
__Wie kann die Rechtslage außer-
dem verbessert werden?
Es sollte gesetzlich festgelegt werden,
dass neben der Einsichtnahme in die Pa-
tientenakte auch die Überlassung von Ko-
pien der Behandlungsunterlagen gegen
Kostenersatz ebenfalls unverzüglich und
vollständig erfolgen muss. Bislang gibt es
keinerlei Sanktionen, wenn ein Behandler
gegen die Pflicht verstößt, Einsicht in die
Patientenakte zu gewähren.
___Können diese Nachweise in je-
dem Fall erbracht werden?
Es gibt zahlreiche Konstellationen, in de-
nen der Patient schon allein aus den tat-
sächlichen Umständen heraus den Beweis
eines Fehlers und dessen Kausalität für eine
Schädigung nicht erbringen kann. Dies gilt
etwa, wenn der Patient in Narkose operiert
wurde oder als Schwerkranker die Behand-
lung im Einzelnen nicht erkennen kann.
___Welche Schwächen sind in der
Rechtsprechung zu beheben?
Der Gesetzgeber sollte im Rahmen einer
Gesetzesnovellierung zusätzliche Bewei-
serleichterungen auf Patientenseite schaf-
fen. War z. B. der Patient während der
Vermutet ein Patient einen Behandlungsfehler, muss er diesen nachweisen.Foto: Alexander Raths / fotolia
Unterhaltung– 43 –
der ostdeutsche Schlagersänger Frank
Schöbel 1975 am „DDR-Strand“ dort das
Musikvideo für sein Lied „Eine Insel im
Golf von Cazones“. Na bitte.
Die fragliche Insel ist wenige Hundert
Meter breit, rund 20 Kilometer lang und
unbewohnt. Tatsächlich trägt sie nicht nur
den Namen „Cayo Ernesto Thälmann“, an
ihrem Strand wurde sogar
eine Büste des von
den Nazis ermor-
deten Kommunisten
aufgestellt.
Meldungen, nach de-
nen die Bundesrepub-
lik als Rechtsnachfol-
gerin der DDR nun im
Besitz einer Karibikins-
el sei, entbehren jedoch
jeder Grundlage. Die
damalige Umbenennung
war ein symbolischer Akt,
keinesfalls eine Besitzüber-
tragung. Immerhin drehte
Gibt‘s doch gar nicht, oder?
DDR-Insel in der KaribikIm Juni 1972 besucht Kubas Staatschef Fidel Castro Ostberlin. Wenige
Wochen später berichtet das Zentralorgan „Neues Deutschland“, Cast-
ro habe eine Insel im Süden Kubas nach dem Kommunistenführer Ernst
Thälmann benannt; der Strand trage den Namen „Playa RDA“ (DDR-
Strand). Besaß Erich Honecker somit eine eigene Insel in der Karibik?
Als Fidel Castro 1972 die DDR besuchte, soll er Honecker auf einer Karte die Schweinebucht gezeigt haben. Kurz darauf erhielt die „Ernst-Thälmann-Insel“ ihren Namen.
Fotos: Bundesarchiv, Bild 183-L0619-026 / CC-BY-SA; M.Rosenwirth / fotolia
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