1 Integriertes Seminar Notfallmedizin - Selbstlerneinheit I Atmung und Kreislauf Sehr geehrte Damen und Herren, die Selbststudieneinheiten dienen als Vorbereitung für die Seminare und praktischen Übungen des Notfallkurses und des Integrierten Seminars Notfallmedizin. Für einige von Ihnen wird vielleicht Bekanntes wiederholt und zusammengefasst, für viele wird sich jedoch eine Vielzahl neuer Informationen finden. Wir haben in den Selbststudieneinheiten solche Aspekte angesprochen, die für das Verständnis und die Behandlung notfallmedizinischer Situationen von besonderer Bedeutung sind ohne dabei auf die pathophysiologischen und pathobiochemischen Grundlagen in zu großem Detail einzugehen. In den begleitenden Seminaren der Physiologie und der Physiologischen Chemie wird hierzu punktuell in die Tiefe gegangen, bewusst verzichten wir dabei auf eine systematische Abarbeitung der Thematik. Die Evaluation am Ende der Selbstlerneinheit dient der Selbstkontrolle und dem Nachweis, dass Sie sich mit der Thematik theoretisch beschäftigt haben. Die Fragen lassen sich aus den Texten der Selbstlerneinheiten beantworten und können auch gerne in Gruppen beantwortet werden. Wer die richtigen Antworten allerdings abschreibt ohne sich mit den Inhalten beschäftigt zu haben täuscht nicht uns sondern sich selbst. Nach Studium der Selbstlerneinheit 1 sollen Sie: 1. die Rettungskette als das Grundkonzept für die möglichst schnelle und effiziente Versorgung von akuten Notfällen und organisatorische Regelungen des professionellen Rettungssystems in Deutschland benennen können 2. Die Komponenten einer Notfallmeldung benennen können 3. wichtige Aspekte der Anatomie und Physiologie von Herz, Kreislauf und Atmung benennen können, da diese Organsysteme und deren Funktionieren die Vorraussetzung für das Überleben des Organismus darstellen und der Erhalt oder die Wiederherstellung dieser Funktionen die zentrale Aufgabe der initialen Notfallversorgung darstellt 4. wichtige bedrohliche Störungen des Kreislaufs einschließlich der Ursachen und Symptome kennen, 5. einige Grundzüge der Elektrokardiographie (EKG), wie Erregungsausbreitung am Herzen, Ableitung eines EKG und einige grundsätzliche Aspekte der EKG-Analyse benennen können und 6. die Defibrillation als die wichtigste und dringlichste Maßnahme zur Behandlung des akuten Herz- Stillstandes mit Kammerflimmern kennen.
25
Embed
Selbstlerneinheit 1 - Atmung und Kreislauf · Integriertes Seminar Notfallmedizin ... Organisationsformen geleistet werden müssen, ... Der Ablauf aller Hilfeleistungen bei einem
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
1
Integriertes Seminar Notfallmedizin - Selbstlerneinheit I Atmung und Kreislauf
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Selbststudieneinheiten dienen als Vorbereitung für die Seminare und praktischen Übungen
des Notfallkurses und des Integrierten Seminars Notfallmedizin. Für einige von Ihnen wird
vielleicht Bekanntes wiederholt und zusammengefasst, für viele wird sich jedoch eine
Vielzahl neuer Informationen finden. Wir haben in den Selbststudieneinheiten solche Aspekte
angesprochen, die für das Verständnis und die Behandlung notfallmedizinischer Situationen
von besonderer Bedeutung sind ohne dabei auf die pathophysiologischen und
pathobiochemischen Grundlagen in zu großem Detail einzugehen. In den begleitenden
Seminaren der Physiologie und der Physiologischen Chemie wird hierzu punktuell in die
Tiefe gegangen, bewusst verzichten wir dabei auf eine systematische Abarbeitung der
Thematik.
Die Evaluation am Ende der Selbstlerneinheit dient der Selbstkontrolle und dem Nachweis,
dass Sie sich mit der Thematik theoretisch beschäftigt haben. Die Fragen lassen sich aus den
Texten der Selbstlerneinheiten beantworten und können auch gerne in Gruppen beantwortet
werden. Wer die richtigen Antworten allerdings abschreibt ohne sich mit den Inhalten
beschäftigt zu haben täuscht nicht uns sondern sich selbst.
Nach Studium der Selbstlerneinheit 1 sollen Sie:
1. die Rettungskette als das Grundkonzept für die möglichst schnelle und effiziente Versorgung von
akuten Notfällen und organisatorische Regelungen des professionellen Rettungssystems in
Deutschland benennen können
2. Die Komponenten einer Notfallmeldung benennen können
3. wichtige Aspekte der Anatomie und Physiologie von Herz, Kreislauf und Atmung benennen können,
da diese Organsysteme und deren Funktionieren die Vorraussetzung für das Überleben des Organismus
darstellen und der Erhalt oder die Wiederherstellung dieser Funktionen die zentrale Aufgabe der
initialen Notfallversorgung darstellt
4. wichtige bedrohliche Störungen des Kreislaufs einschließlich der Ursachen und Symptome kennen,
5. einige Grundzüge der Elektrokardiographie (EKG), wie Erregungsausbreitung am Herzen, Ableitung
eines EKG und einige grundsätzliche Aspekte der EKG-Analyse benennen können und
6. die Defibrillation als die wichtigste und dringlichste Maßnahme zur Behandlung des akuten Herz-
Stillstandes mit Kammerflimmern kennen.
2
I. Rettungskette (Chain of Survival)
Ein funktionierender Kreislauf ist die Voraussetzung für das Leben eines hochentwickelten
Organismus wie den des Menschen. Die schwerste Störung des Kreislaufs ist der
Kreislaufstillstand, der unbehandelt innerhalb von wenigen Minuten zum Tod führt. Um bei
akuten und vital bedrohlichen Störungen schnell und effizient Hilfe leisten zu können ist eine
möglichst zügige Abfolge von Maßnahmen, die durch verschiedene Personen oder
Organisationsformen geleistet werden müssen, notwendig.
Der Ablauf aller Hilfeleistungen bei einem Notfall kann wie eine Kette gesehen werden, die
aus fünf Gliedern besteht (Abb. 1). Sie umfasst die Durchführung von Sofortmaßnahmen, die
Alarmierung der professionellen Notfallrettung, die Einleitung der Ersten Hilfe Maßnahmen
durch Ersthelfer, den Einsatz des professionellen Rettungsdienstes und die Weiterbehandlung
im Krankenhaus. Hier gilt: Jede Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied. Darum müssen
alle Glieder der Kette gleichermaßen gestärkt werden. Die Ausbildung in Erster Hilfe soll
dazu beitragen, die ersten drei Glieder der Kette zu stärken.
Abbildung 1: Rettungskette
Schon von den Sofortmaßnahmen (Retten aus der Gefahrenzone, Ausschalten von
Maschinen) kann es abhängen, ob ein Verletzter einen Unfall überlebt oder weiterer Schaden
von ihm abgewendet werden kann. Danach folgt der Notruf über eine allgemein bekannte
Notrufnummer zur Alarmierung des professionellen Rettungsdienstes: 112 in ganz
Deutschland sowohl im Fest- und Mobilnetz. Erste Hilfe Maßnahmen auch durch Laienhelfer
oder zufällig anwesendes medizinisch ausgebildetes Personal (z.B. Atemspende bei
3
Atemstillstand, Stillung von starken Blutungen, Schockbekämpfung usw.) überbrücken die
Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes. Auf die professionelle Versorgung des
Patienten durch den Rettungsdienst folgt der Transport des Patienten in ein geeignetes
Krankenhaus zur definitiven Versorgung. Auch hier müssen klare Regeln, welches
Krankenhaus für welchen Patient geeignet oder zuständig ist vorab festgelegt werden, um
Reibungs- und Zeitverluste in der Notfallsituation zu vermeiden.
Notrufnummer: 112
Nach Durchführung der Sofortmaßnahmen oder parallel dazu durch einen zweiten Ersthelfer
erfolgt die Alarmierung des Rettungsdienstes:
Der Notruf (die 5 „W’s“) Der Notruf besteht aus 5 Aspekten, die alle mit "W" beginnen:
WO geschah es? Sie sollten möglichst genaue Angaben über den Notfallort machen. Nur eine genaue Ortsangabe (Ort, Straße, Hausnummer u.s.w.) erspart dem Rettungsdienst unnötiges Suchen. WAS geschah? Sie sollten die Notfallsituation kurz beschreiben, damit die Rettungsleitstelle alle Maßnahmen für die Rettung einleiten kann (z. B. Einsatz von Bergungsfahrzeugen). WIE VIELE verletzte bzw. erkrankte Personen Sie müssen die Anzahl der Betroffenen angeben. Das ist wichtig für den Abtransport mit Rettungs- und Krankenwagen. WELCHE ART von Verletzung bzw. Erkrankung bzw. Störung Sie sollten dabei besonders auf vorliegende lebensbedrohliche Verletzungen hinweisen, damit gegebenenfalls der Notarzt zur Notfallstelle beordert wird.. WARTEN auf Rückfragen Merke: Das Gespräch wird immer von der Leitstelle beendet.
Entsprechend der Notfallmeldung entscheidet die Leitstelle über die Entsendung des am
besten geeigneten Rettungsmittels. Zur Verfügung hat die Leitstelle im Prinzip folgende
Fahrzeuge und personelle Besetzungen, die je nach lokalen Gegebenheiten vorgehalten
werden.
4
Rettungsdienstpersonal Notarzt (NA) Zusatzweiterbildung Notfallmedizin (neu): 2 Jahre Weiterbildung,
davon 6 Monate auf einer Intensivstation oder Notaufnahme + zertifizierter 80-Stunden-Kurs + mindestens 50 Einsätze in Begleitung eines Notarztes Fachkundenachweis Rettungsdienst (alt): zertifizierter 80-Stunden-Kurs + mindestens 10 lebensrettende Einsätze + mindestens 1-jährige Tätigkeit auf einer Intensivstation oder Notaufnahme oder in einem Akutkrankenhaus + Mindestzahl Intubationen, Thoraxdrainagen, zentralvenöse Katheter
Rettungsassistent (RA)
Beifahrer und Transportführer auf dem RTW, Beifahrer des NAW , 2-jährige Ausbildung in Theorie, Klinik und Rettungsdienst, Staatliche Abschlussprüfung
Rettungssanitäter (RS)
Fahrer des RTW, Beifahrer und Transportführer auf dem KTW (Krankentransportwagen) ca. 4 – 6-monatige Ausbildung in Theorie, Klinik und Rettungsdienst, sog. 520 Stunden-Ausbildung (je 160 h Theorie +.Klinikpraktikum + Rettungswachenpraktikum, Abschlusslehrgang
Rettungshelfer (RH / RDH)
Fahrer des KTW ca. 2 – 3-monatige Ausbildung in Theorie, Klinik und Rettungsdienst, 160 h Theorie (identisch mit RS-Theorie), 80 h Klinikpraktikum, 80 h Rettungswachenpraktikum.
Sanitäter (San)
ca. 2 – 3-wöchige Ausbildung (regional und organisations-abhängig unterschiedliche Ausbildungsdauer und -Schwerpunkte), Einsatz vor allem im Sanitätsdienst
Sanitätshelfer (SanH)
ca. 2-wöchige Ausbildung (regional und organisationsabhängig unterschiedliche Ausbildungsdauer und -Schwerpunkte), Einsatz vor allem im Sanitätsdienst
Rettungsmittel NAW Notarztwagen 1 NA + 2 nicht Ärzte,
davon mind. 1 RA Abtransport erfolgt mit Notarztbegleitung.
NEF Notarzteinsatzfahrzeug 1 NA + 1 RA Rendez-vous-System mit gleichzeitiger Alarmierung eines RTW
RTW Rettungswagen 1 RA + 1 RS Beim NEF-System Transport im RTW
RTH Rettungshubschrauber 1 NA + 1 RA + 1 Pilot
wird benötigt in Situationen, bei denen die Einsatzstelle oder das nächstliegende versorgende Krankenhaus für das bodenge-bundene Rettungsfahrzeug zu weit entfernt liegt
RTW-N
Rettungswagen mit Notarzt im Hintergrund
1 RA + 1 RS (b.B. 1 NA)
ist ein Rettungswagen, der im Notfall mit einem in der Klinik arbeitenden Notarzt bestückt werden kann, vorwiegend aber RTW-Einsätze fährt
KTW Krankentransportwagen nur für Patientenverlegungen ohne mögliche vitale Gefährdung des Patienten (Taxifahrt)
5
Zeitproblem Das Überleben des Organismus hängt von der Energiegewinnung aus Substraten
(Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße) mittels Oxidation ab. Für die ausreichende Oxidation ist die
kontinuierliche Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff entscheidend. Die Energiegewinnung
ohne Sauerstoff (anaerober Stoffwechsel) ist zwar möglich liefert aber nur 1/18 der Energie,
die durch die Verbrennung von Sauerstoff möglich wäre. Sie reicht für das Überleben des
Organismus nicht aus. Eine Unterbrechung der Sauerstoffversorgung führt deshalb innerhalb
von Sekunden zum Verlust des Bewusstseins und innerhalb von Minuten zum Tod.
Der gesunde Erwachsene benötigt etwa 250 ml Sauerstoff pro Minute zur Aufrechterhaltung
der Körperfunktionen. Fällt die Atmung aus, so befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch
maximal 1,4 Liter Sauerstoff im Organismus, was für eine Deckung des Sauerstoffbedarfs
von nur circa 5 Minuten ausreicht. Folgende Stufen der Schadensentwicklung bei
Sauerstoffmangel treten ein:
1. Aerobe Latenz:
Störungsfreies Intervall mit Ausschöpfung der Sauerstoffreserven
2. Störung der Funktion:
Gestörte Funktion bei erhaltener der Funktionsbereitschaft, d.h. eine Wiederaufnahme
der Funktion bei Reoxygenierung ist ohne Latenz möglich
3. Störung der Funktionsbereitschaft:
Reversible Schädigung. Die Reoxygenierung führt nach einer schadensabhängig
unterschiedlich langen Erholungszeit zur strukturellen und funktionellen
Wiederherstellung der Funktion.
4. Generalisierte irreversible Schädigung:
Die Reoxygenierung und unbegrenzte Erholungszeit führen zu keiner bzw. keiner
vollständigen Wiederherstellung der Funktion.
Das für Sauerstoffmangel empfindlichste Organ ist das Hirn. Da es von allen Organen den
größten Anteil am Sauerstoffbedarf des Organismus (ca. 22% des Gesamtsauerstoffbedarfs
von 250 ml/min) und die geringsten Substratreserven hat reagiert es als erstes Organ
erkennbar (Bewusstlosigkeit nach Sekunden) und als erstes Organ mit irreversiblen
Funktionsverlusten (nach 5 bis 10 Minuten) bis hin zum Hirntod bei noch erhaltener bzw.
wiederhergestellter Funktion anderer Organe wie beispielsweise von Herz und Kreislauf .
6
Atmung und Kreislauf sind die für eine ausreichende Bereitstellung von Sauerstoff
entscheidenden Organsysteme. Deshalb gilt die Aufmerksamkeit der notfallmedizinischen
Maßnahmen zunächst. der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Funktion dieser
beiden Organe.
II. Physiologie der Atmung
Vorraussetzung für die Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff ist seine Aufnahme in den
Organismus, der Transport zu den Organen und Zellen und seine Abgabe an die Zellen.
Dieser Gasaustausch zwischen Organismus und Umwelt bzw. Zelle und Umgebung heißt
Atmung, der Transport erfolgt mittels der Herz-Kreislauffunktion. Man unterscheidet in
die äußere Atmung oder Lungenatmung (Transport von Sauerstoff und Kohlendioxid in und
aus dem Körper) und die innere Atmung oder Zellatmung, bei der die einzelne Zelle den
Sauerstoff aufnimmt und das Kohlendioxid abgibt.
Atemantrieb Die Atmung wird zentral über das Atemzentrum in der Medulla oblongata (verlängertes
Mark) und das Rückenmark gesteuert. In der Medulla oblongata liegen räumlich getrennt
inspiratorische und exspiratorische Nervenzellen, die abwechselnd aktiv sind. So kommt es
zur regelmäßigen, abwechselnden In- und Exspiration (Ein- und Ausatmung). Die
unwillkürliche Atmung wird vor allem von den Sauerstoff- und Kohlendioxid-
Partialdruckwerten bestimmt. Der Sauerstoff-Partialdruck im arteriellen Blut wird von
Chemorezeptoren in der Aorta und der Arteria carotis registriert. Ist er niedrig, wird die
Atmung stimuliert. In der Medulla oblongata sitzen Chemorezeptoren, die auf den
Kohlendioxid-Partialdruck und den pH-Wert im Liquor cerebrospinalis (Gehirn-Rückenmark-
Flüssigkeit) reagieren. Die Atemtätigkeit wird bei hohem Kohlendioxid-Partialdruck und
niedrigem pH-Wert angeregt.
Bei unfallbedingten Schädel-Hirn-Verletzungen, Sauerstoffmangel, Vergiftungen oder
Überdosierungen bestimmter Medikamente oder Substanzen (z.B. Opiate wie Morphin oder
Heroin) kann die Funktion des Atemzentrums beeinträchtigt werden und im
schwerwiegendsten Fall dazu führen, dass der Mensch nicht mehr atmet, da der Atemantrieb
fehlt. Um solche Störungen zu erkennen ist die Bestimmung der Atemfrequenz von
entscheidender Bedeutung. Sie liegt beim gesunden Erwachsenen bei 15 bis 20 Atemzüge pro
Minute, beim Kind alterabhängig höher.
7
Atemmechanik
Damit die Luft in die Lunge gelangen kann, ist es notwendig, einen Unterdruck zu erzeugen
(Abb. 2). Dieses geschieht durch Kontraktion des Zwerchfells, das sich dabei absenkt und
durch das Heben der Rippen. In beiden Fällen wird der Brustraum erweitert. Die Lunge, die
über das Lungenfell mit dem Zwerchfell und der Brustwand verbunden ist, dehnt sich dabei
aus und erzeugt im Brustraum einen Unterdruck. Dadurch wird über die Atemwege die Luft
von außen eingesaugt. Einatmung ist stets ein aktiver Vorgang. Die normale Ausatmung
erfolgt passiv. Nach Entspannung der Atemmuskulatur zieht sich der Brustkorb durch die
dann wirksamen elastischen Rückstellkräfte zusammen, wodurch im Brustkorb ein Überdruck
entsteht, der dann zum Herausdrücken des Gases aus der Lunge führt. Für eine vertiefte
Ausatmung ist jedoch eine zusätzliche muskuläre Aktivität notwendig.
Abbildung 2: Mechanik der Ein- und Ausatmung
8
An der Erweiterung des Brustkorbs und damit an der Einatmung (Inspiration) ist das
Zwerchfell als wichtigster Atemmuskel beteiligt. Die Interkostalmuskulatur sowie die Mm
scaleni u.a. werden als Atemhilfsmuskulatur bezeichnet. Sie werden nur bei starken
Belastungen oder bei Atemnot benötigt.
Störungen der äußeren Atmung können u.a. verursacht werden durch
• Verlegung der Atemwege durch
o Fremdkörper im Rachen oder der Luftröhre
o ein Zuschwellen der Atemwege z.B. im Rachen- und Kehlkopfbereich durch
einen Insektenstich oder
o eine zurückfallende Zunge beispielsweise bei Bewusstlosigkeit
• Störung der Atemmuskulatur durch schockbedingte Minderversorgung mit Sauerstoff oder
durch Schmerzen (z.B. bei Rippenbrüchen)
• Lungenerkrankungen, die zu einer Überlastung der Atemmuskulatur führen (z.B. instabiler
Thorax, schwere Lungenentzündung, Lungenödem)
• Lungenerkrankungen, die zu einer gestörten Diffusion von Sauerstoff aus den Alveolen
ins Blut führen (z.B. Lungenödem)
Diese Störungen gilt es im Notfall schnell zu erkennen, um geeignete Maßnahmen ergreifen
zu können
III. Kreislaufstörung, Schock
Ein funktionierender Kreislauf ist neben der intakten Atmung Vorraussetzung für die
Versorgung der Organe und Gewebe mit Sauerstoff. Ohne diesen Sauerstoff kommen die
Organfunktionen in Abhängigkeit des Organs mehr oder minder schnell zum Erliegen.
Dementsprechend stellen Störungen der Kreislauffunktion ein vital bedrohliches Problem dar.
Die Schwere der Kreislaufstörung kann dabei von geringfügigen, schnell reversiblen
Einschränkungen über manifeste Schockzustände mit Lebensbedrohung bis zum
vollständigen Erliegen des Kreislaufes (Herz-Kreislaufstillstand) reichen. Beteiligt am
Funktionieren des Kreislaufs sind das Herz mit seiner Pumpfunktion, das Gefäßsystem mit
seiner Funktion als Transportweg und Blutdruckregulator und das Blut selbst als
Transportmedium für Sauerstoff, Energieträger und Stoffwechselprodukte. Eine Störung jedes
9
einzelnen dieser drei Teilbereiche und auch kombinierte Störungen können dabei zur
Einschränkung der Kreislauffunktion und damit zur Gefährdung der Sauerstoffversorgung der
Peripherie führen.
Auch wenn nicht jede Kreislaufstörung bereits zum Vollbild eines Schocks führen muss und
ein Kontinuum verschieden starker Ausprägungen der Störung möglich ist, so können alle
Störungen, unabhängig vom Schweregrad auf einen der unten dargestellten
pathophysiologischen Mechanismen bzw. Schockformen zurückgeführt werden.
Grundsätzlich bezeichnet der Begriff Schock einen Zustand unzureichender Durchblutung
vitaler Organe mit so starker Verminderung des Sauerstoff-Angebots, dass der notwendige
Sauerstoffbedarf nicht mehr gedeckt werden kann und der daraus resultierende
Sauerstoffmangel auf der Zellebene zur Einschränkung der Zell- und Organfunktion führt. Da
die Sauerstoffversorgung nicht ohne weiteres zu messen ist wird die klinische Diagnose
anhand eines zu niedrigen Blutdruckes und zusätzlicher Symptome gestellt. Ein systolischer
Blutdruck von 90 mmHg oder weniger ist das Kardinalzeichen des Schocks; bei älteren
Menschen können auch höhere Blutdruckwerte schon pathologisch sein. Zu unterscheiden
sind 5 Schockformen.
Hypovolämischer Schock
Der hypovolämische Schock ist ein Zustand unzureichender Durchblutung vitaler Organe
infolge eines intravasalen Volumenmangels (Volumenmangel im Gefäßsystem). Der
Volumenmangel kann durch einen Blutverlust bei einer Blutung (hämorrhagischer Schock)
aber auch bei starken Flüssigkeitsverlusten ohne Blutung (hypovolämischer Schock im
engeren Sinne) verursacht werden, z.B bei schwerer Verbrennung oder starker
Durchfallerkrankung. Wird der Volumenmangel durch ein Trauma verursacht bezeichnet man
ihn als einem traumatisch-hämorrhagischen Schock. Hierbei wird der Volumenangelschock,
durch die traumabedingten Gewebszerstörungen und –schädigungen und der damit
verbundenen Freisetzung von endogenen Zellgiften verstärkt.
Die führenden klinischen Zeichen des hypovolämischen Schocks sind:
Agitiertheit und ggf. Bewusstseinstrübung.
Hautblässe und Kaltschweißigkeit ggf. mit Zyanose.
Tachypnoe (Atemfrequenz über 25 bis 30 Atemzüge pro Minute)
Systolischer Blutdruck unter 90 mmHg
Tachykardie
Oligurie (in der Präklinik nicht messbar)
10
Zur klinischen Beurteilung des hypovolämischen Schocks dienen neben der Inspektion des
Patienten insbesondere das Ausmaß von Hypotonie und Tachykardie sowie darüber hinaus
auch das Verhältnis beider Größen (Schock-Index). Der Schockindex bezeichnet den
Quotienten aus Herzfrequenz und Blutdruck. Er liegt normalerweise unter 1. Ein Schockindex
über 1 bis 1,5 ist ein starker Hinweis auf einen Volumenmangelschock.
Kardialer (kardiogener) Schock
Der kardiale Schock umfasst alle kardialen und extrakardialen Erkrankungen, die zu einer
unmittelbaren Funktionsstörung des Herzens mit nachfolgendem Schockzustand führen.
Ursachen können in einer Schwäche des Herzmuskels (z.B. Herzinfarkt), in mechanischen
Störungen (z.B. Herzklappenerkrankung, Lungenembolie) oder in Herzrhythmusstörungen
liegen. Der kardiogene Schock ist durch eine primäre, kritische Verminderung der kardialen
Pumpleistung charakterisiert. Die Diagnose wird anhand klinischer und/oder
hämodynamischer Kriterien gestellt und erfordert den Ausschluss anderer korrigierbarer
Faktoren (z. B. Hypovolämie). Klinisch finden sich Zeichen der Kreislaufzentralisation wie
Agitiertheit und/oder Bewusstseinstrübung,
blasse, kühle, schweißige Haut und
Oligurie (in der Präklinik nicht messbar)
Systolischer Blutdruck < 90 mmHg
Anaphylaktischer Schock
Der anaphylaktische Schock ist eine akute Verteilungsstörung des Blutvolumens. Durch eine
allergische Überempfindlichkeitsreaktion kommt es zu einer Weitstellung der Blutgefäße, so
dass ein Teil des intravasalen Blutvolumens nicht mehr an der Versorgung der Organe
teilnimmt und der Blutdruck stark abfällt. Führende Symptome und Befunde sind
Hauterscheinungen (Juckreiz, Rötungen, Quaddeln),
Systolischer Blutdruck < 90 mmHg
Atemwegsobstruktion (Asthma-ähnlich Atemgeräusche, Zuschwellung durch Ödeme