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SEBASTIAN BRANT ALS HISTORIKER Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der Osmanischen Expansion Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. vorgelegt von Antje Foresta geb. Niederberger aus Herrenberg SS 2004
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Sebastian Brant als Historiker. Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der osmanischen Expansion

Feb 03, 2023

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Page 1: Sebastian Brant als Historiker. Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der osmanischen Expansion

SEBASTIAN BRANT ALS HISTORIKER Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der

Osmanischen Expansion

Inaugural-Dissertation zur

Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät

der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

vorgelegt von

Antje Foresta geb. Niederberger

aus Herrenberg

SS 2004

Page 2: Sebastian Brant als Historiker. Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der osmanischen Expansion

Erstgutachter: Prof. Dr. Dieter Mertens Zweitgutachter: Prof. Dr. Paul Gerhard Schmidt Vorsitzende des Promotionsausschusses der gemeinsamen Kommission der Philologischen, Philosophischen und Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät: Prof. Dr. Elisabeth Cheauré Datum der Disputation: 08. Juli 2004

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Inhalt

I. Vorwort .................................................................................................................................................................... 6

II. Einleitung .............................................................................................................................................................. 7

1. Das Thema dieses Buches ....................................................................................................................................... 7

2. Methodische und theoretische Überlegungen .................................................................................................... 10

3. Forschungsstand ...................................................................................................................................................... 22

III. Sebastian Brants Geschichtswerk „De origine et conversatione bonorum regum et laude civitatis Hierosolymae cum exhortatione eiusdem recuperandae“ ................................ 26

1. Bibliographische Beschreibung, Überlieferung und Rezeption ....................................................................... 26

1.1. Die lateinische Ausgabe aus dem Jahr 1495 .................................................................................................... 26 1.2. Die deutsche Ausgabe aus dem Jahr 1518 ....................................................................................................... 29 1.3. Käufer und Leser ................................................................................................................................................. 35 1.4. Nachdrucke ........................................................................................................................................................... 37 1.5. Zur Rezeption in der Forschung ....................................................................................................................... 39

2. Inhalt, Aufbau und Quellen ................................................................................................................................... 47

2.1. Die verschiedenen Teile des Buches ................................................................................................................. 47 2.1.1. Die Widmung „Ad divum Maximilianum Romanorum Regem gloriosissimum“ ............................ 47

2.1.2. Die Geschichte „De urbis Hierosolymae origine et statu“ ................................................................... 49 2.1.2.1. Die kanaanäische Zeit bis zum babylonischen Exil ....................................................................... 49 2.1.2.2. Die Herrschaft der Perser, Ptolemäer, Seleukiden und Hasmonäer ........................................... 55 2.1.2.3. Die Zeit der römischen Besatzung ................................................................................................... 58 2.1.2.4. Die Byzantinische Ära bis zur Geburt Mohammeds ..................................................................... 69 2.1.2.5. Von der Geburt Mohammeds bis zur Kreuzzugspredigt Urbans II. in Clermont .................. 71 2.1.2.6. Der erste Kreuzzug ............................................................................................................................. 77 2.1.2.7. Vom zweiten Kreuzzug bis zum Verlust Damiettes ...................................................................... 82 2.1.2.8. Von Friedrich II. bis zu Maximilian I. .............................................................................................. 85

2.1.3. Die Mahnrede „De causis amissionis cum exhortatione eiusdem recuperandae“ ............................ 90 2.1.4. Das Schlussgedicht ...................................................................................................................................... 95

2.2. Zur Textgestaltung .............................................................................................................................................100 2.2.1. Gliederungselemente .................................................................................................................................100 2.2.2. Herrschaft und Recht, Krieg und Frieden .............................................................................................103 2.2.3. „naciones“ ...................................................................................................................................................107 2.2.4. Juden im Heiligen Land ............................................................................................................................111 2.2.5. Sarazenen und Türken .............................................................................................................................113 2.2.6. Römisches und Byzantinisches Reich .....................................................................................................117 2.2.7. Humanistische Bildungsinteressen ..........................................................................................................120

2.3. Zu den verwendeten Quellen ...........................................................................................................................124

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IV. Europäischer Friede und Türkenkrieg ...............................................................................................142

1. Antitürkische Literatur und die Wiederentdeckung der Helden der Kreuzfahrerzeit ...............................142

1.1. Die Verbreitung der Türkenliteratur und die öffentliche Meinung ...........................................................143 1.2. Das Wiederaufgreifen der Kreuzzugsidee im 15. und 16. Jahrhundert .....................................................148

1.2.1. Die Wiederentdeckung der Kreuzzüge in der italienischen Historiographie des 15. Jahrhunderts ..........................................................................................................................................................149 1.2.2. Die Kreuzzugsidee im Deutschen Reich ...............................................................................................153 1.2.3. „Les chroniques de Jérusalem abregées“: eine burgundische Handschrift.......................................156 1.2.4. Lateinische Türkenreden ..........................................................................................................................158

1.3. Enea Silvio Piccolominis Brief an Sultan Mehmed II. .................................................................................162 1.4. Antitürkische Einblattdrucke und Gedichte Sebastian Brants ...................................................................165 1.5. Eine von Brant herausgegebene antitürkische Schrift .................................................................................174

2. Discordia, cupiditas, ambitio: Das Scheitern des Türkenzugs .......................................................................174

2.1. Türkenkongresse und Kreuzzugsinitiativen ..................................................................................................175 2.1.1. Kreuzzugsinitiativen der Kurie in den Jahren 1450 bis 1518 .............................................................176 2.1.2. Maximilians I. Türkenzugspläne und die St. Georgsbruderschaft .....................................................181

2.2. Sebastian Brants „Conclusio Wormatiensis“ .................................................................................................193

V. Weltbild und Geschichtsschreibung bei Sebastian Brant ...........................................................196

1.Angst im Abendland. Thurci, Europa und Germani ........................................................................................197

1.1. Der Türke als Vorbote der Apokalypse? Die Offenbarungen des Pseudo-Methodius und Wolfgang Aytingers Traktat über Methodius .......................................................................................................201 1.3. Christianitas, Europa, Germani .......................................................................................................................211

2. Zeiten und Räume. Die Achsen eines Weltverständnisses .............................................................................221

2.1. „Hierusalem, Hierusalem: quia si cognovisses et tu scilicet fleres...“ Jerusalem als Erinnerunsort ......222 2.2. Neue Zeiten? .......................................................................................................................................................230

1.2.1. Der translatio-Gedanke, die Weltreichlehre und die „saturnia regna“ ..............................................231 1.2.2. Das Endkaisertum oder Maximilian I. als christlicher Weltenherrscher ...........................................232

3. Brant als Autor und Herausgeber .......................................................................................................................242

3.1.. Eine Gelehrtenkarriere im Umfeld des Hofes Maximilians I. ...................................................................242 3.2. Brants Umgang mit historischem Wissen und Literatur..............................................................................244 3.3. Von Brant herausgegebene Werke ..................................................................................................................249

4. Der Kanon, der das Handeln bestimmt ............................................................................................................251

4.1. Das Heilige und das Schmutzige: Religion als Distinktionsprinzip ...........................................................252 4.2. Ehre, Treue, Tradition: Die Geschichte als Identifikationsprinzip............................................................254 4.3. Der Weise und der Narr: Moralität und Tugendhaftigkeit als Ordnungsprinzip ....................................256

VI. Schlussbetrachtung .....................................................................................................................................258

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VII. Anhang ...........................................................................................................................................................260

1. Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................................................260

2. Quellen und Literatur ...........................................................................................................................................261

2.1. Quellen .................................................................................................................................................................261 2.1.1. Handschriften und Frühdrucke (bis 1700) ............................................................................................261 2.1.2. Gedruckte Quellen (ab 1701) ...................................................................................................................264

2.2. Literatur ...............................................................................................................................................................268 2.2.1. Kataloge .......................................................................................................................................................268 2.2.2. Buchschmuck und Bücherillustration .....................................................................................................270 2.2.3. Monographien, Sammelwerke und Zeitschriftenaufsätze ...................................................................271

3. Abbildungen ...........................................................................................................................................................289

3.1. Übersicht .............................................................................................................................................................289 3.2. Abbildungen ........................................................................................................................................................290

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I. Vorwort

Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner 2004 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eingereichten Dissertation. Für die nun erfolgte Publikation konnte ich aus beruflichen Gründen nur bedingt neuere Forschungsergebnisse berücksichtigen, sodass alle, deren Werke in diesem Buch noch hätten erwähnt werden müssen, um Nachsicht gebeten werden.

Die Arbeit entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Identitäten und Alteritäten“, darin wiederum als Studie im Teilprojekt B5 „Ausbildung kollektiver Identitäten im Renaissance-Humanismus“. Ich danke Prof. Dr. Dieter Mertens und den anderen Teilnehmern des Forschungsprojekts für die anregenden Gespräche, die entscheidend zur Konzeption des vorliegenden Buchs beigetragen haben. Prof. Dr. Paul Gerhard Schmidt hat wertvolle Hinweise für die Publikation gegeben. Ferner habe ich dem Institut für Europäische Geschichte in Mainz zu danken, das mir mit der Gewährung eines Stipendiums die Weiterarbeit ermöglicht hat. Mein Dank gilt insbesondere Prof. Dr. Rolf Decot, aber auch allen Stipendiaten, die mit ihrem Interesse an meiner Arbeit zu deren Entstehung beigetragen haben.

Nicht zuletzt möchte ich mich bei allen Freunden und bei meiner Familie bedanken, die mich immer zur Weiterarbeit ermuntert haben. Meinem Mann Patrizio gilt an dieser Stelle ein besonderer Dank, weil er mir ein Aufgeben wohl nie verziehen hätte.

Bologna, im Juli 2010 Antje Foresta

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II. Einleitung

1. Das Thema dieses Buches

Am 9. Januar 1504 schrieb Johann Wolf von Hermannsgrün an Sebastian Brant, er wolle zusammen mit dem Grafen Hoyer von Mansfeld nach Ägypten und Palästina reisen. Er möchte von Brant gerne wissen, ob er sie auf jene Pilgerfahrt begleiten wolle, da er doch so trefflich in der Lage sei, die „antiquitates“ zu erklären.1 Dies kann sich nur darauf beziehen, dass Sebastian Brant, der „hochgelert fürtreffend herr [...] und baider rechten und aller guotten geschrifft ain doctor und lerer, die wahre history der hailgen statt Jerusalem und des Jüdischen lands / was sich von dero anfang biß uff unsere zeyt verlossen“, geschrieben hat, wie uns der Übersetzer ebenjenes Werkes, Kaspar Frey, in seiner Vorrede mitteilt. Dieses Buch hatte Sebastian Brant König Maximilian I. gewidmet. Es erschien kurz vor Beginn des Wormser Reichstages im Frühjahr 1495; Brant forderte Maximilian darin auf, gegen die bereits weit nach Europa vorgerückten Türken ins Feld zu ziehen und das Heilige Land, das sich in den Händen von Ungläubigen befand, wieder in den Schoß der Christenheit zurückzuholen.2 Angesichts des bevorstehenden Reichstages war

1 Vgl. Charles SCHMIDT: Histoire littéraire de l’Alsace à la fin du XV

e

et au commencement du

XVIe

siècle. 2 Bände. Paris 1879, hier Band 2, S. 218, mit Verweis auf eine Lyoner Handschrift. Die Handschrift stammt Schmidt zufolge (S. 191, Anm. 1) aus einer Sammlung des Straßburger Archivs von St. Thomas, bei der es sich um Kopien Jacob WENCKERS handle, und zwar unter dem Titel „Miscellanea ex litteris ad D. Sebastian Brant“. Johann Wolf von Hermannsgrün stand in den Diensten Friedrichs des Weisen von Sachsen und war später am Hof von dessen Bruder Ernst von Sachsen, des damaligen Erzbischofs von Magdeburg. Als Parteigänger Maximilians I. wurde er auf

dem Wormser Reichstag mit einer Schrift bekannt, die in Anlehnung an Ciceros Somnium

Scipionis in Gestalt einer Traumerzählung die Fürsten auf Maximilians Politik einschwören sollte. Der Humanist und Freund Reuchlins kam als einer der Abgesandten des Magdeburger Hofes auch auf den Freiburger Reichstag von 1498. Im Zuge des Reichstages reiste er nach Basel, um sich mit Brant zu unterhalten. Vermutlich wird er spätestens dort von Brants Werk Kenntnis genommen und ein Exemplar erworben haben. Vgl. SCHMIDT Band 2, S. 208, und Hermann WIESFLECKER:

Der Traum des Hans von Hermannsgrün, eine Reformschrift aus dem Lager des Königs

Maximilian I., in: Helmut J. MEZLER-ANDELBERG (Hg.): Festschrift für Karl Eder zum 70. Geburtstag. Innsbruck 1959, S. 13-32.

2 Sebastian BRANT: De origine et conversatione bonorum regum: et laude Civitatis Hierosolymae:

cum exhortatione eiusdem recuperandae. Sebastianus Brant. Basel, Johann Bergmann von Olpe,

1495, und Sebastian BRANT: Von dem anfang und Wesen der hailigen Statt Jerusalem. Und zu

welchen zeyten die selb dem außerwoelten volck Gottes jngegeben wider entzogen und nochmals

aber zugestelt worden ist. Auch allen Künigen daselbs regierenden uffung un abgang. Und wie die

nuwlich under den gewalt des Türckischen tyrann kommen. Durch Sebastianum Brant beder

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dies nicht nur ein Appell an den Regenten zur Rettung der Christenheit, sondern auch eine unmissverständliche Aufforderung an die Reichsstände und Fürsten, sich den Türkenzugsplänen ihres Kaisers anzuschließen. Um Maximilian und seinen Untergebenen dieses Anliegen schmackhaft zu machen, schilderte Brant ausführlich die Geschichte der Stadt Jerusalem, des Heiligen Landes und der Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen, die bislang jedoch kaum den Christen zum Ruhm gereicht, sondern ganz im Gegenteil zur Folge gehabt hätten, dass die Türken sich nun an den reichen Töpfen christlichen Eigentums labten und ein christliches Land nach dem anderen eroberten und schändeten. Am Ende dieser „historia“ befindet sich eine Mahnrede, die deutlich macht, dass man dies nicht länger hinnehmen könne und die die letzten Skeptiker zum Handeln bewegen sollte.

Mit diesem Werk tritt uns Sebastian Brant, der aufgrund seines Narrenschiffs vor allem als Moralsatiriker und als Dichter der deutschen Sprache bekannt ist, auch als Geschichtsschreiber entgegen. Wenn sich die folgende Arbeit mit Sebastian Brant als Historiker beschäftigt, dann liegt das aber nicht nur daran, dass er jenes bislang noch nicht untersuchte Geschichtsbuch geschrieben hat. „Das Geschichtsbewusstsein einer Epoche“, schrieb August Buck, „ist untrennbar verbunden mit ihrem Selbstverständnis; denn das Verhältnis zur Vergangenheit wurzelt in der Deutung, durch die man die eigene Zeit in den Geschichtsablauf einordnet“.3 Diesen Gedanken möchte das folgende Buch aufgreifen und vertiefen. Brants Geschichtswerk und einige andere kleine Schriften werden auf das darin enthaltene Geschichtsbild untersucht. Vorstellungen und Forderungen des Gelehrten Brant werden mit dem literarischen Erbe und mit der politischen Verhältnissen seiner Zeit konfrontiert.

Die Texte Brants zum Türkenkrieg haben in den letzen Jahren das Interesse der Forschung geweckt. Die Darlegungen seines Weltverständnisses und seine Auffassung von Geschichte wurden aber noch nicht Gegenstand einer eigenen Untersuchung, obwohl sie die Grundlage für fast sein gesamtes Werk sind. Diese Lücke betrifft nicht nur die Aussagen selbst, die Brant gemacht hat, sondern auch seine Vorgehensweise. Dieses Buch möchte die bisherige Schwerpunktsetzung seitens der germanistischen Philologie um eine historisch-analytische Betrachtung ergänzen. Die Beziehung zwischen Brants Geschichtsbild, wie es in seinen Texten formuliert wird, und der tatsächlichen gesellschaftlichen, bildungspolitischen und politischen Situation seiner Zeit lassen sich am besten anhand seiner Auseinandersetzung mit der Türkenfrage darstellen. Die Bedrohung durch die osmanische Expansion schlägt sich in der Beschäftigung mit den Glaubenskriegen der Vergangenheit nieder und führt zu einer Neubewertung der Rolle der Kirche, des Reichs, Europas und Deutschlands bzw. der deutschen Nation. Die Instabilität der politischen Ordnung erfordert klare Definitionen von Recht und Ordnung, von

Rechten Doctor. Eemals in lateinischer histori vergriffen. Übersetzt von Caspar Frey. Straßburg, Johann Knoblouch, 1518, fol. Iiii

v.

3 Vgl. August BUCK: Das Geschichtsdenken der Renaissance. Krefeld 1957 (Schriften und Vorträge des Petrarca-Instituts Köln 9), S. 7.

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Rechtgläubigkeit und Unglauben, von gerechtem und ungerechtem Krieg und allgemein von rechtmäßiger Herrschaft.

Mehrere Texte Brants kommen für diese Untersuchung in Betracht. Das

bedeutendste ist das schon genannte Werk De origine et conversatione bonorum

regum et laude civitatis Hierosolymae cum exhortatione eiusdem recuperandae, welches 1495 in Basel in der Druckerei Johann Bergmann von Olpes gedruckt wurde und sich aus einem historiographischen Teil zur Geschichte der Stadt Jerusalem und einer anschließenden Mahnrede zusammensetzt. Es handelt sich um Brants umfangreichstes Stück Prosa. 1518 erschien in Straßburg eine Übersetzung des Buches in deutscher Sprache, die von Kaspar Frey angefertigt und in der Werkstatt Johann Knoblouchs gedruckt wurde. Beide Texte, sowohl das lateinische Original als auch die Übersetzung, sind nur in einer Auflage erschienen. Weltweit sind jeweils 64 Exemplare (lateinisch) bzw. 32 (deutsch) überliefert.4 Neben diesem zentralen Werk sind noch zahlreiche, kleinere Quellentexte wie Flugblätter, Gedichte, Korrespondenzen oder die für den Kontext verwertbaren Aussagen im

Narrenschiff relevant. Die Flugblätter sind zum Teil untersucht, zum Teil nicht einmal vollständig bibliographisch erfasst.5 Für die hier untersuchte Thematik kommen vor allem diejenigen Einblattdrucke in Frage, die sich mit den Stichwörtern Nation, Türken, Christentum und Europa beschäftigen. Ähnlich verhält es sich mit den Gedichten. Die betreffenden Verse sind häufig auf den eben genannten Flugblättern abgedruckt, befinden sich aber auch in Widmungsschreiben oder in

Gedichtsammlungen. Im Narrenschiff widmet Brant vor allem das 92. und 93. Kapitel der Türkengefahr.

Das erste Kapitel stellt Brants Buch De origine vor. Die Herausforderung bestand darin, über einen recht langen, bislang unedierten Text zu schreiben. Eine kurze Inhaltswiedergabe und eine Beleuchtung und Analyse von Brants Arbeitsweise nach thematischen Schwerpukten will den Leser schnell mit dem behandelten Stoff

vertraut machen und auf einige von ihm verwendete Werke hinweisen. Da De

origine in seinem historiographischen Teil in einem großen Umfang Kreuzzugsliteratur verarbeitet bzw. ein Schwergewicht der Darstellung auf der Beschreibung und Legitimierung der Kreuzzüge als Mittel zur Durchsetzung christlicher (Hegemonial-)Ansprüche liegt, behandelt das zweite Kapitel das literarische Erbe dieses Themas. Die Tradition, die Kreuzzüge zum Gegenstand historiographischer Studien zu machen, geht vor allem auf die italienischen

4 Ich folge hier den Angaben bei Thomas WILHELMI: Sebastian-Brant-Bibliographie (Arbeiten zur mittleren Deutschen Literatur und Sprache 18/3), Bern u.a. 1990, S. 88f. Wilhelmi führt 64 Exemplare des lateinischen Textes und 32 Exemplare des deutschen Textes auf und gibt die Bibliotheken an, in denen sich die Exemplare befinden. Dabei gelten manche Angaben als nicht gesichert bzw. es handelt sich um unvollständige Ausgaben.

5 Es sei an dieser Stelle verwiesen auf Falk EISERMANN: Verzeichnis der typographischen

Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. VE 15. Wiesbaden 2004, und auf Volker HONEMANN, Sabine GRIESE, Falk EISERMANN, Markus OSTER

(Hg.): Einblattdrucke des 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Probleme, Perspektiven, Fallstudien. Tübingen 2000.

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Geschichtsschreiber zurück, etwa Marcantonio Sabellico oder Flavio Biondo. Ähnlich verhält es sich mit der Türkenliteratur, auch hier greift Brant auf Vorhandenes zurück, wenn er in seiner Mahnrede die Fanfaren zum Kampf gegen die Ungläubigen erklingen lässt. Da die große Masse der Türkenliteratur erst im 16. Jahrhundert entstand, ist Brant einer der früheren Verfasser solcher Polemiken. Bei Brants Werk handelt es sich aber nicht nur um die Darstellung eines literarischen Topos. Brant bezieht sich auf eine konkrete, politische Situation und eine zu seiner Zeit starke Bedrohung durch politische Veränderungen, nämlich die hegemonialen Veränderungen im Osten Europas aufgrund der Expansion des Osmanischen Reiches, die Veränderungen im Reich sowie die europäischen Nationalisierungsprozesse. Er plädiert dafür, die innere Ordnung in Anlehnung an die Interessen des Kaisers wiederherzustellen, um die äußere Bedrohung seitens der Türken möglichst schnell und wirkungsvoll zurückzudrängen. Interessant ist, dass die tatsächliche Situation einerseits geschildert wird, um eine Reaktion (den Türkenkrieg) hervorzurufen, andererseits aber zur literarischen Verarbeitung benutzt – und auch umgearbeitet – wird. Die Geschichte soll lehren, welche Fehler begangen wurden, welche Herrscher versagt haben und welche erfolgreich waren. Um dies zu erreichen, wird der historische Ablauf der Ereignisse bisweilen stark gedehnt oder gedrängt, aber alles vor dem Hintergrund einer gegenwärtigen, realen Bedrohung, mit dem Ziel des konkreten Handelns. Verschiedene Zuschreibungen an die Türken sind dem zeitgenössischen Diskurs entnommen, der selbst stark mythologisiert ist. So werden die Türken als besonders grausam dargestellt, weil sie den Widerpart zur christlichen Welt bilden. Als gewöhnliche Gegner eines bewaffneten Konflikts werden sie nicht betrachtet. Sie stören nach Brant die christliche Weltordnung und müssen eliminiert werden. Daher ruft Brant mit Nachdruck zum Kreuzzug gegen die Türken auf, also zu einem heiligen Krieg gegen die Ungläubigen. Den Hintergrund bilden kollektive Ängste, Stereotypen und Wahrnehmungsmuster, die zusammengenommen den kulturellen Rahmen bilden, der wiederum den Diskurs, die Reaktionen auf die Ereignisse und die Vorschläge zum Handeln prägten. Das dritte und letzte Kapitel widmet sich dem Geschichtsbild Sebastian Brants. Neben Fragen nach der Methodik werden hier vor allem die Konzepte der Wahrnehmung von Geschichte, das diese Wahrnehmung prägende Weltbild sowie insgesamt die soziokulturellen Rahmenbedingungen miteinander in Beziehung gesetzt. Es geht dabei um die Rolle Jerusalems als heiliger Ort des Christentums, um die Rolle der Zeit, um Eschatologie, die Rolle des Kaisertums und die des gelehrten Geschichtsschreibers. Schließlich wird der Kanon, der all dieses Denken und Handeln bestimmt, anhand zentraler Begriffe noch einmal zusammengefasst werden.

2. Methodische und theoretische Überlegungen

Wie konnte ein Gelehrter und Politiker an der Wende zum 16. Jahrhundert von seinem Regenten erwarten, ein längst verlorenes, weit entferntes Land zu erobern und sich zu dessen Herrscher zu machen? Welche Ansprüche und Selbstdefinitionen

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brachte dieser Gelehrte zum Ausdruck, wie wollte er sich selbst und die Gesellschaft, in der er lebte, positioniert sehen, und wie stellte er sich eine tragfähige Zukunft vor? Welche Rolle spielte die Geschichte dabei als Erklärungsmuster und Vorbild? Diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten. Zahlreiche Problemfelder aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen werden dabei berührt, die mehr oder weniger zur Erhellung des Kontextes beitragen können, aber auch leicht dazu verführen, sich in Abstraktem zu verlieren. Die Analysen in diesem Buch wurden vor allem von zwei Diskursfeldern flankiert: der Kulturwissenschaft und der Humanismusforschung.

Die Kulturwissenschaft

Auf der kulturwissenschaftlichen Ebene stellen sich Fragen nach Sinnstiftung durch Vereinnahmung und Abgrenzung. Die fremden Türken, Osmanen, Muslime passen in das Konzept christlichen Heilsdenkens nicht hinein und provozieren somit das europäisch-abendländische Selbstverständnis. Es geht auch um die Herausbildung eines (deutschen) nationalen Bewusstseins, das sich nach außen abgrenzen und nach innen Identität stiften muss, das also das Andere der Italiener oder Franzosen und das Eigene, Bessere des Deutschen sucht und beschreibt. Jakob Wimpfeling und Heinrich Bebel bemühten sich darum hervorzuheben, dass die Deutschen von besonderer Stärke und Tugendhaftigkeit seien.6 Selbst jenseits der Alpen hinterließen die rauhen Teutonen Eindruck: Machiavelli, der sich sonst eher um die Belange des florentinischen Stadtstaates sorgte, stellte in einer Mischung aus Verwunderung und Bewunderung fest, die Deutschen seien, trotz ihrer „vita rozza“, freiheitsliebend, wenig dekadent und verfügten über eine beeindruckende militärisch-kriegerische Macht. Allerdings hätten sie mit der Zwietracht zwischen Städten, Fürsten und Kaiser schwer zu kämpfen.7

Doch es interessiert nicht nur, was man in Brants Texten über die Deutschen, Türken oder Franzosen erfährt, sondern auch wie über sie geredet wird und warum so und nicht anders geredet wird. Identifikationsräume entstehen sowohl von innen

6 Vgl. Jakob WIMPFELINGs Vorrede zu seiner Epitome rerum Germanicarum, Straßburg,

Johannes Prüß, 1505: Videns Romanas, Venetas, Anglas, Pannonumque et Bohemorum ac

Francigenum historias in dies lectum iri excitaveram nuper Sebastianem Murrhonem, ut ex priscis

historiographis epithoma saltem rerum a Germanis magnifice gestarum comportaret, ne, cum

ceterae nationes egregia maiorum suorum facinora disseminare student, nos veluti somnolenti et

parvi animi gloriaque avitae contemptores perpetuo dormitare videremur. Vgl. WIMPFELING,

Jakob: Briefwechsel. Eingeleitet, kommentiert und herausgegeben von Otto HERDING und Dieter

MERTENS. 1. Teilband. München 1990, S. 166, sowie Heinrich BEBEL: Oratio ad regem

Maximilianum de laudibus atque amplitudine Germaniae. Pforzheim, Thomas Anshelm, 1504.

Vgl. dazu Dieter MERTENS: "Bebelius ... patriam Sueviam ... restituit." Der poeta laureatus

zwischen Reich und Territorium, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 42 (1983), S. 145-173.

7 Vgl. dazu Klaus HEITMANN: Machiavelli und die „antica bontà“ der Deutschen, in: Bodo GUTHMÜLLER (Hg.): Deutschland und Italien in ihren wechselseitigen Beziehungen während der Renaissance. Wiesbaden 2000 (Wolfenbüttler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 19), S. 61-101.

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heraus (kulturimmanent) als auch in Abgrenzung von anderen Kulturen oder Lebensweisen. Brant schuf in seinen Texten häufig Identitäten durch Abgrenzungen: Weil er die Schweizer Eidgenossenschaft, Frankreich oder das Osmanische Reich diffamierte, strahlten die Vorzüge des deutschen Reiches umso heller und ermöglichten ein leichtes Bekennen des Zugehörigkeitsgefühls. Besonders deutlich zeigte sich dieses Vorgehen aber in der Polemik gegen die Türken, die zu jener Zeit bereits in die österreichischen Kernlande eindrangen. Ihr Anderssein wird so stark betont, dass sie nicht nur als Paradigma dienen, um das Bessere vom Schlechteren scheiden zu lernen, sondern sie symbolisieren geradezu das Undenkbare, das, was unter keinen Umständen Gültigkeit beanspruchen kann. Dies ist mit dem Verständnis von Geschichte als Heilsgeschichte zu erklären, weil damit notwendigerweise ein Blickwinkel des lateinisch-christlichen Abendlandes erzwungen wird und, wenn man so will, ein teleologischer Ethnozentrismus vorausgesetzt wird. Von diesem Befund ausgehend, kann dann von einem Kulturrelativismus gar keine Rede sein.

In Anlehnung an die Kulturtheorie von Jan Assmann8 gibt es einen Zusammenhang von den drei Themen: „Erinnerung“ (Vergangenheitsbezug), „Identität“ (politische Imagination) und „kulturelle Kontinuierung“ (Traditionsbildung). Jede Kultur bildet sogenannte „konnektive Strukturen“, deren beide Achsen die Dimensionen des Sozialen und der Zeit sind. Durch den gemeinsamen Erfahrungs-, Erwartungs- und Handlungsraum binden sich Menschen aneinander; gemeinsame Regeln und Werte, gemeinsames Wissen und Selbstbild schaffen eine symbolische Sinnwelt, die Vertrauen und Orientierung für Gegenwart und Zukunft liefert, aber auch Erinnerungen formt und damit das Gestern ans Heute bindet. Dies geschieht durch mythische und historische Erzählungen. Sowohl soziales Leben als auch Erinnerung, sowohl normativer als auch narrativer Aspekt, fundieren Zugehörigkeit oder Identität. Gewährleistung für das Funktionieren dieses Prinzips ist zum einen das Ritual als wiedererkennbares Muster (von Assmann als „rituelle Kohärenz“ bezeichnet und durch stetige Wiederholung gekennzeichnet) und zum anderen die Vergegenwärtigung des zurückliegenden Geschehens (sogenannte „textuelle Kohärenz“, gemeint ist die Deutung einer – meist schriftlich fixierten – Überlieferung). Eine große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Schriftlichkeit zu, da sie eine Dominanz der Vergegenwärtigung bedeutet. Nachahmung und Bewahrung in Form von Ritualismus werden durch Auslegung und Erinnerung abgelöst: „An die Stelle der Liturgie tritt die Hermeneutik“.9

Assmann exemplifiziert seine Theorie an frühen Hochkulturen (Ägypten, Israel, Griechenland). Hier soll dieses Begriffsgerüst auf das späte Mittelalter übertragen bzw. entsprechend auf den Prüfstand gesetzt werden. Das Prinzip der rituellen Kohärenz kommt für den hier behandelten Kontext weniger in Frage; interessant ist aber das Gewicht der textuellen Kohärenz, die in der Zeit der rasanten Verbreitung des Buchdrucks stark in den Vordergrund tritt. Gerade das Interesse an

8 Jan ASSMANN: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen

Hochkulturen. München 21997.

9 Vgl. allgemein Jan ASSMANN 1997, S. 16ff; Zitat: S. 18.

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Historiographie, dem Brant mit De origine ja entgegenkommt, macht es spannend zu sehen, wie hier Vergegenwärtigung von Vergangenheit betrieben wird. Es wird ja geradezu mit Nachdruck daran erinnert, wie ähnliche oder vermeintlich ähnliche Probleme in früherer Zeit gelöst wurden; die Anknüpfung an die Vergangenheit geschieht nicht nur zur Erklärung der Gegenwart, sondern auch zu ihrer Legitimierung und zur kulturellen Integration, die dem Autor Brant gefährdet zu sein scheint bzw. mit neuen Prämissen geschaffen werden soll. Man kann mit Joachim Gehrke auch von „intentionaler Geschichte“ sprechen.10

Wichtige Begriffe sind außerdem das sogenannte „kollektive Gedächtnis“ und die „kollektive Identität“. Beide Begriffe beziehen sich auf Außendimensionen. In bezug auf das kollektive Gedächtnis spielen gesellschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen eine bedeutende Rolle;11 entscheidend ist die Sichtbarmachung von Sinnhaftigkeit. Mit der Schriftlichkeit ist eine Verselbständigung und Komplexität von Sinn gegeben. Kollektives Gedächtnis ist also gewissermaßen ein Oberbegriff für die eingangs erwähnte Begriffstrias von Traditionsbildung, Vergangenheitsbezug und politischer Imagination.12 Die Artifizialität des kulturellen Gedächtnisses führt gelegentlich zu einer Diskrepanz zwischen Erinnerung und sozial-politischer Wirklichkeit. Das geschieht auch bei Brant. Die Imagination altehrwürdiger Reichsheiligkeit mittels großer Eroberungsleistungen (Kreuzzüge) und vorausschauender Regentschaft einzelner Herrscher (vorausschauend sind für Brant vor allem diejenigen, die sich im Sinn der Heilsgeschichte verdient gemacht haben) führt nicht nur zu einem idealisierten Vergangenheitsbild, sondern auch zu einer übersteigerten Vision bezüglich der Gegenwarts- und Zukunftsgestaltung.

Kollektive Identität meint das „Bild, das eine Gruppe von sich aufbaut und mit dem sich deren Mitglieder identifizieren“.13 Ihre Stärke hängt von ihrer Präsenz in einer Gruppe ab, ist also ebenfalls artifiziell. Bedeutend ist nun der Zusammenhang zwischen sozialem Selbstbild und sozialer Erinnerung, d.h. dem Geschichtsbewusstsein: Vergangenheit hat die Funktion gesellschaftlicher Selbstdefinition. Brant trägt mit seinem Geschichtswerk auf zwei Ebenen zur Konstruktion kollektiver Identität bei. Zum einen geschieht das über den Türkendiskurs, der durch die Auseinandersetzung mit Bildern des Islams eine christlich-europäische Selbstwahrnehmung bewirkt, die, um gestärkt und erhalten zu werden, eine Rückbesinnung auf ihre Ursprünge erfordert. Er spielt in diesem Zusammenhang mit christlicher Mythologie und Historiographie. Zum anderen propagiert er die Notwendigkeit einer Stärkung nach innen, gemeint ist vor allem die

10 Joachim GEHRKE: Mythos, Geschichte, Politik – antik und modern, in: Saeculum 45 (1994), S. 239-264.

11 Vgl. v.a. Maurice HALBWACHS: Das kollektive Gedächtnis. Frankfurt am Main 1985; DERS.: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. Frankfurt am Main 1985.

12 Die Konzeption des Begriffs stammt von Jan Assmann (s.o.) und Aleida ASSMANN:

Erinnerungsräume. Zur kulturellen Konstruktion von Zeit und Identität. Habil. Heidelberg 1991, und Aleida ASSMANN: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999.

13 Vgl. Jan ASSMANN 1997, S. 132.

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Unterstützung des Reichs unter der Regentschaft Maximilians I. gegen die Interessen anderer Nationen oder der Stände. Anders formuliert fordert er schlichtweg Solidarität mit einem altbewährten, zu seiner Zeit aber scheinbar degenerierten System ein.

Allgemein ist die Frage nach der Bildung kollektiver Identität und Mentalität nur dann fruchtbar, wenn sie eine konkrete, spezifische Ausgestaltung hat. Hier spielen, wie nun schon mehrfach angesprochen, sowohl die Entstehung nationaler Identitätskonzepte im Renaissancehumanismus als auch der europäisch-christliche Türkendiskurs eine tragende Rolle. Der Begriff „Nation“ ist im Kontext des vormodernen Nationendiskurses zu verstehen, wie er von den Humanisten geführt wurde.14 Dabei ist zu betonen, dass Nation in dieser Zeit nur ein Identifikationsmuster neben anderen ist und daher nicht als Ziellinie einer evolutionistisch zu denkenden Staatsentwicklung gedacht werden darf. Brant entwickelt kein ausgefeiltes Konzept von Nation und er schreibt keine Nationalgeschichte. Warum hier überhaupt auf das Thema rekurriert wird, ist damit zu begründen, dass neben der Bezugsgröße des christlichen Europa eine zweite Bezugsgröße besteht, die man mit dem Reich deutscher Nation beschreiben kann. Brant interpretiert interne Gegenbewegungen wie die Territorialisierungsbestrebungen der Fürsten oder allgemein ihren Versuch, mehr Autonomie zu erlangen, oder die Auseinandersetzungen des Reichs mit den Eidgenossen als Gefahr für den inneren Zusammenhalt. Eine Garantie für Stabilität sind für ihn Treue und Tapferkeit, Stärke und Einheit, also eher althergebrachte Tugenden, die die Kategorien der mittelalterlichen Ständegesellschaft und ihre Herrschaftsstrukturen erhalten und bewahren sollen. Grundgedanke einer solchermaßen vorgestellten Nation ist also nicht der Konsens einer Bürgergesellschaft. Die Wahrnehmung einer deutschen Nation geschieht vor allem im Zusammenhang mit dem Bewusstsein der Existenz einer italienischen oder französischen Nation oder eher eines nationalen Wir-Gefühls. Diese allgemein zu beobachtende Entwicklung15 spielt auch bei Brant eine Rolle, allerdings erscheint sie mehr ein Nebenprodukt eines religiös generierten Abgrenzungsmechanismus gegenüber den Ungläubigen zu sein. Denn nur der Kampf nach außen ist Movens für die Einigung nach innen bzw. die innere Stärke und Einheit ist notwendige Voraussetzung für eine Kräftebündelung mit Außenwirkung. Neben der Stabilität des deutschen Kaisertums ist folglich eine europäische Stabilität Voraussetzung, allerdings ist sie nach Brants Ansicht nur unter der Führung eines Hauptes denkbar, und zwar des deutschen Herrschers Maximilian I., was mit der Überlegenheit der traditionellen deutschen Kaiserwürde zu begründen ist. Allerdings wäre ein Fehlschluss gezogen, wenn man Maximilian in Brants Verständnis als rein deutschen Regenten betrachten würde. Die Altehrwürdigkeit des Kaisertums deutscher Nation

14 Vgl. dazu v.a. das Buch von Herfried MÜNKLER, Hans GRÜNBERGER, Kathrin MAYER: Die

Nationalisierung Europas im Diskurs humanistischer Intellektueller: Italien und Deutschland. Berlin 1998 (Politische Ideen 8).

15 Gedacht ist hier vor allem an das Entstehen verschiedener „Nationalgeschichten“ wie etwa die

Germania illustrata des Konrad Celtis oder die Germania des Jakob Wimpfeling oder, außerhalb

des deutschen Sprachraumes, z.B. Antonio Bonfinis Rerum Ungaricarum Decades.

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qualifiziert ihn gerade deshalb als europäischen Fürsten, weil er den anderen überlegen ist.

Jan Assmann verwendet den Begriff der Kanonisierung des kulturellen Gedächtnisses: „alles als fremd oder irrelevant Eingestufte wird ausgemerzt, alles als im normativen und formativen Sinn bedeutungsvoll Eingestufte wird sakralisiert, d.h. mit den Merkmalen letztinstanzlicher Hochverbindlichkeit und Unantastbarkeit versehen“.16 Ein wesentliches Element eigener Positionierung ist die bedingungslose Grundlegung in der christlichen Religion. Über die Rolle von Religion in Brants Geschichtsbild nachzudenken, ergibt, isoliert betrachtet, keinen Sinn. Religion als einen Teilbereich sozialen Lebens anzusehen, wie das aus heutiger Sicht selbstverständlich ist, kann für mittelalterliche Gesellschaften nicht gelten. Auch wenn gerade die Zeit um und nach 1500 eine Epoche ist, in der sich Religion allmählich aus ihrer Verstrickung mit materieller und metaphysischer Existenz herauszulösen beginnt und zum Gegenstand politischer Verhandlungen wird, kann bei Sebastian Brant hiervon keinerlei Rede sein. Die christliche Religion ist die Grundlage seines Rechtsempfindens, die Heilslehre konstituierend für sein Geschichtsbild. Entscheidend ist aber die Anbindung des Heilskonzeptes an die Entstehung eines europäischen Gedankens. „Gesteigerte Einheit nach innen verstärkt zweifellos die Grenze nach außen“.17 In letzter Konsequenz zieht ein solches Wahrnehmungsmuster Angst vor dem Fremden und das Bedürfnis zu seiner kriegerischen Vernichtung nach sich. Es geht in der Tat um die Frage nach der Legitimität des Krieges. Auf der anderen Seite schweißt nichts enger zusammen als die Abschottung gegen eine feindliche Umwelt. Das vielleicht stärkste Mittel der Distinktion überhaupt, nämlich die Religion, wird von Brant zum letztgültigen Prinzip erhoben, um die Legitimität des christlichen Abendlandes mit all seinen territorialen und herrschaftlichen Ansprüchen zu beweisen. Mit dieser starken Abschottung gegen Nichtchristen, vor allem gegen die Muslime, wird ein integrativer Stärkungsprozess nach innen in Gang gesetzt, der nicht mehr national ist, sondern in weitestem Sinn europäisch genannt werden kann.18

Die Humanismusforschung

Die Identität und die Sinnstiftung für die eigene Gegenwart sah August Buck im Geschichtsbewusstsein einer jeden Epoche widergespiegelt. Geschichte und Gegenwart sind also eng miteinander verknüpft, ihre Interpretation unterliegt stets

16 Vgl. Jan ASSMANN 1997, S. 159

17 Vgl. Jan ASSMANN 1997, S. 152.

18 Vgl. dazu auch Dieter MERTENS: Europäischer Friede und Türkenkrieg im Spätmittelalter, in: Heinz DUCHHARDT (Hg.): Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit.

Köln, Wien 1991 (Münstersche Historische Forschungen 1), S. 45-90, und DERS.: "Europa, id est

patria, domus propria, sedes nostra...". Zu Funktionen und Überlieferung lateinischer

Türkenreden im 15. Jahrhundert, in: Franz-Reiner ERKENS (Hg.): Europa und die osmanische Expansion im ausgehenden Mittelalter. Berlin 1997 (Zeitschrift für historische Forschung. Vierteljahresschrift zur Erforschung des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Beiheft 20), S. 39-58.

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dem eigenen Selbstbild und der Selbstwahrnehmung. Zugleich aber sind die Ästhetik und die Moral mit ihrem zeitlosen, allgemeingültigen Anspruch ein wichtiges Thema der Humanismusforschung, denn gerade dem Renaissancehumanismus schreibt man in der Regel eine besondere Rolle für die Entstehung der modernen Geschichtswissenschaft zu. August Buck umriss dies folgendermaßen: „Während das Mittelalter mit Hilfe der Begriffe „translatio imperii“ und der „translatio studii“ die Fiktion eines Fortbestehens des Römerreiches und seiner Kultur in der Gegenwart aufrechterhalten hatte, werden sich die Humanisten des historischen Abstandes von der Antike bewusst und betrachten diese als eine in sich abgeschlossene Epoche, aus deren Studium sich überzeitlich gültige Normen für eine Neuordnung des individuellen wie des gesellschaftlichen Daseins gewinnen lassen. Damit hört die Antike auf, selbstverständlicher Besitz zu sein und wird zum Ideal einer aus dem Ungenügen an der eigenen Zeit entsprungenen Sehnsucht nach universaler Erneuerung“.19 Wenn man nun liest, Sebastian Brant habe für das Jahr 1500 das Ende der Welt und den Beginn des Jüngsten Gerichts vorhergesagt,20 so impliziert diese Feststellung eine eschatologische Weltsicht Brants und schließt aus, in ihm einen „modernen“ humanistischen Historiker zu sehen, der sich von der Vorstellung einer allein von Gott verantworteten Geschichte verabschiedet hat und dem Handeln der Menschen sowie der Historizität dieses Handelns den entscheidenden Raum gibt. In Anlehnung an Eugenio Garin ist mit Vorsicht an die Vorstellung eines völlig neuen Umgangs mit Geschichte umzugehen, denn der neue Umgang mit der Antike sei nur in dem Maß eine „Neuentdeckung“, in dem es auch eine bewusste Wahrnehmung der mittelalterlichen Welt gegeben habe.21 Dennoch kann man untersuchen, wie sich in Brants Geschichtswerk das Verhältnis von den „gesta hominum“ zum Einfluss Gottes auf das Weltgeschehen gestaltet. Nach August Bucks These verzichten die Historiographen in der Renaissance darauf, mit ihren historischen Werken eine Beweisführung der Heilsgeschichte zu leisten, und stützen sich auf die menschliche Erfahrung; dadurch erfahre die Geschichte einen Prozess der Säkularisierung.22 Auch Sebastian Brant maß dem Einfluss

19 Vgl. BUCK 1957, S. 8f.

20 Vgl. Herfried MÜNKLER: Lexikon der Renaissance. München 2000, S. 430.

21 Vgl. Eugenio GARIN: La cultura del Rinascimento. Dietro il mito dell’età nuova. Milano 2006

(überarbeitete italienische Version des ursprünglich im Band 6 der Propyläen-Weltgeschichte. Eine

Universalgeschichte herausgegeben von Golo Mann und August Nitschke. Berlin, Frankfurt am Main, Wien 1964, S. 429-534, erschienenen Textes). Vgl. S. 20: „Il Rinascimento, si potrebbe dire, è stato una scoperta dell„antichità proprio nella misura in cui è stato anche consapevolezza del significato del mondo medievale; ed è stato una forma originale e nuova di classimento e di umanesimo nella misura in cui si è reso conto dell‟uso che anche il Medioevo aveva fatto dell‟antichità, criticandolo e respingendolo. Dalla lingua alle arti, la cultura rinascimentale ha operato sempre sui due fronti del restauro filologico e della consapevolezza storica, in modo da evitare sia l‟imitazione passiva, sia la falsificazione inconscia, utilizzando, alla fine, se anche in modi diversi, così i frutti di un‟antichità ritrovata con amore come i resultati postitivi del travaglio medievale”.

22 Vgl. BUCK 1957, S. 15. Vgl. z.B. Coluccio Salutati, der schrieb, dass die rerum gestarum scientia

monet principes, docet populos et instruit singulos quid domi quidque foris, quid secum, quid cum

familia, quid cum civibus et amicis, quidque privatim vel publice sit agendum. Coluccio

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menschlichen Handelns großen Wert bei, denn er führte in seiner Historia Beispiele für gute und schlechte Herrscher an, die als „exemplum“ für das Verhalten des gegenwärtigen Regenten, Maximilians I., dienen sollten. Es gilt also die Frage zu beantworten, wie solch scheinbar konträre Befunde zu vereinbaren sind.

Cesare Vasoli hat in seinem Beitrag zu dem dreibändigen Sammelwerk La

storiografia umanistica eine eingehendere Beschäftigung mit den Theorien und Konzepten der humanistischen Historiographen eingefordert: „non si può dire che sia stata dedicata un‟ attenzione altrettanto costante alle discussioni teoriche svolte dai rappresentanti di una cultura che rivendicava, con crescente consapevolezza, il valore e, talvolta, la „centralità“ del sapere storico.“23 Trotz aller bereits geleisteten Untersuchungen zur humanistischen Historiographie fehlen ihm vor allem die Verbindungen zwischen der „narratio“ als solcher und den Reflexionen über ihren Charakter und ihr Wesen – beide entstammten schließlich einer Kultur beziehungsweise Bildungsrichtung. Er geht noch weiter: „mi sembra che troppo spesso la considerazione delle teorie umanistiche sulla storia non abbia sufficientemente tenuto conto della profonda trasformazione dell‟ immagine stessa del sapere che si verificò tra la seconda metà del Trecento e il maturo Cinquecento, del suo carattere e misura linguistici, del ruolo che in essa svolgono le „artes dicendi‟.“24 Es gebe schließlich, neben „ars oratoria“, „rhetorica“ und „eloquentia“, noch eine spezifischere Funktion, nämlich die der „memoria“ und „interpretatio“. Er bezog sich vor allem auf die italienischen Geschichtsschreiber des Trecento, Quattrocento und Cinquecento, doch lässt sich die von ihm festgestellte Lücke leicht auf die humanistische Geschichtsschreibung nördlich der Alpen übertragen. Es gibt kaum Arbeiten, die einen historiographischen Text dezidiert auf das ihm zugrundeliegende (humanistische) Geschichtsbild untersuchen. Es kann hier nicht die Frage erörtert werden, was das Wesen des Humanismus ist und was humanistische Historiographie ausmacht. Ebenso wenig lässt sich Brant in ein festes Schema humanistischer Historiographie einordnen, da ein solches Schema gar nicht existiert, wiewohl die Anzahl der Schriften zu Humanismus und Historiographie groß ist.25 Es sollte aber zumindest deutlich werden, was er überhaupt gemacht hat,

SALUTATI: Epistolario. A cura di Francesco NOVATI. 4 Bände. Roma 1891-1911, hier Band 2, S. 291f.

23 Cesare VASOLI: Il modello teorico, in: Anita DI STEFANO, Giovanni FARAONE, Paola MEGNA, Alessandra TRAMONTANA (Hg.): La storiografia umanistica. Convegno internazionale di studi, Messina 22-25 ottobre 1987. 3 Bände. Messina 1992, Band 1, S. 5-38, hier S. 5.

24 Vgl. VASOLI 1992, S. 7.

25 Vgl. z.B. Kurt ANDERMANN (Hg.): Historiographie am Oberrhein im späten Mittelalter und in

der frühen Neuzeit. Sigmaringen 1988. (Oberrheinische Studien. 7); Hans BARON: Das Erwachen

des historischen Denkens im Humanismus des Quattrocento, in: Historische Zeitschrift 147 (1933),

S. 5-20; Horst Walter BLANKE: Historiographiegeschichte als Historik. Stuttgart-Bad Cannstadt 1991. (Fundamenta Historica 3); Franz BRENDLE, Dieter MERTENS, Anton SCHINDLING, Walter

ZIEGLER: Deutsche Landesgeschichtsschreibung im Zeichen des Humanismus. Stuttgart 2001 (Contubernium. Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 56); August

BUCK, Tibor KLANICZAY, S. Katalin NÉMETH (Hg.): Geschichtsbewußtsein und

Geschichtsschreibung in der Renaissance. Leiden, New York, Koebenhavn, Köln 1989; BUCK 1957;

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d.h. worüber er in welcher Weise geschrieben hat und von welchen Personen, Texten oder kulturellen Rahmenbedingungen er beeinflusst wurde. Vor allem geht es dabei um die Beziehungen zwischen der Historiographie als Gattung im Rahmen der klassischen „artes“ und ihrer Verbindung mit der Macht und den politischen Notwendigkeiten in ihrer Entstehungszeit.

Damit befindet man sich auch mitten in der Diskussion darüber, wie sich um 1500 nördlich der Alpen das Verhältnis von Humanismus, Historiographie und praktischer Politik gestaltete und in welcher Weise Sebastian Brant, der als Universitätslehrer in Basel, Stadtkanzler in Straßburg und als in Ehren gehaltener Vertreter kaiserlicher Interessen keineswegs ohne Einfluss gewesen ist, in diesen Verhältnissen verortet werden kann. Immerhin war er wie andere humanistische Geschichtsschreiber Laie, er war Inhaber staatlicher Ämter und verfügte über gute Kenntnisse der praktischen Politik. Was wollte er also seinen Zeitgenossen mittels eines historiographischen Werkes mitteilen? Wenn, wie Werner Goez es formulierte,26 sich das Publikum der Renaissancehistoriographen vorwiegend aus der Sphäre der Regenten rekrutierte, das sich für höchst diesseitige Probleme interessierte und für wunderliche Geschichten und Anekdoten wenig übrig hatte, dann ist es von Interesse, auf welche Weise Sebastian Brant Historiographie schrieb und wozu. Wollte er in einem profanen, realpolitischen Sinn Handlungsanweisungen

August BUCK (Hg.): Humanismus und Historiographie. Rundgespräche und Kolloquien.

Weinheim 1991; Eric COCHRANE: Historians and Historiography in the Italian Renaissance. Chicago, London 1981; Anita Di STEFANO, Giovanni FARAONE, Paola MAGNA, Alessandra

TRAMONTANA (Hg.): La storiografia umanistica. Convegno internazionale di Studi, Messina 22-25

ottobre 1987. 3 Bände. Messina 1992; Wallace K. FERGUSON: The Renaissance in historical

Thought. Five Centuries of Interpretation. Cambridge Mass. 1948; Eduard FUETER: Geschichte der

neueren Historiographie. Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte. Herausgegeben von G. V. Below, Friedrich Meinecke. Abteilung I. Allgemeines. München, Berlin 1911; Werner

GOEZ: Die Anfänge der historischen Methoden-Reflexion in der italienischen Renaissance und

ihre Aufnahme in der Geschichtsschreibung des deutschen Humanismus, in: Archiv für Kulturgeschichte 56 (1974), S. 25-48; Johannes HELMRATH, Ulrich MUHLACK, Gerrit WALTHER

(Hg.): Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer

Humanisten. Göttingen 2002. Gary IANZITI: From Flavio Biondo to Lodrisio Crivelli. The

Beginnings of Humanistic Historiography in Sforza Milan, in: Rinascimento. Rivista dell'Istituto

Nazionale di Studi sul Rinascimento 20 (1980), S. 3-39; Eckard KESSLER: Theoretiker

humanistischer Geschichtsschreibung im 16. Jahrhundert. München 1971; Joachim KNAPE:

"Historie" in Mittelalter und früher Neuzeit. Begriffs- und gattungsgeschichtliche Untersuchungen

im interdisziplinären Kontext. Baden-Baden 1984 (Saecula Spiritalia 10); Rüdiger LANDFESTER:

Historia Magistra Vitae. Unersuchungen zur humanistischen Geschichtstheorie des 14. bis 16.

Jahrhunderts. Genf 1972; Ulrich MUHLACK: Die humanistische Historiographie. Umfang,

Bedeutung, Probleme, in: BRENDLE, MERTENS, SCHINDLING, ZIEGLER 2001, S. 3-18; MUHLACK,

Ulrich: Humanistische Historiographie, in: HELMRATH; MUHLACK; WALTHER 2002, S. 30-34;

Nancy S. STRUEVER: The Language of History in the Renaissance. Rhetoric and Historical

Consciousness in Florentine Humanism. Princeton 1970; Francesco TATEO: I miti della

storiografia umanistica. Roma 1990 (Humanistica 9); Donald J. WILCOX: The Development of

Florentine Humanist Historiography in the Fifteenth Century. Cambridge (Mass.) 1969.

26 Vgl. GOEZ 1974, S. 25-48, hier S. 30.

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und Beispiele aus der Geschichte für die Lösung gegenwärtiger Probleme zur Verfügung stellen, oder verstand er sich als Erzieher und Prediger, der eine moralische Besserung seiner Zeitgenossen anstrebte und sie in den Schoß der Kirche und des Glaubens zurückzuholen gedachte, indem er den Zeigefinger erhob und erklärte, wie es denjenigen ergangen war, die dies nicht wollten? Bediente er sich der Rezeption bzw. Erschließung antiker und mittelalterlicher Quellen, übte er philologisch-historische Textkritik und führte er Diskussion über historische Methodik? Ließ ihn das Bedürfnis nach rhetorisch wirksamer Darstellung Elemente wie Prunkreden etc. in den Text einfügen? Bemühte er sich, die Eloquenz zu pflegen und stellte er formale Ansprüche an die „elegantia“? Die Verbindung von „eloquentia“ und „elegantia“ schien schließlich bei den meisten Historiographen zum erklärten Ziel zu gehören.27 Enthält der Text zudem biographische Aspekte (Herrscher), Anmerkungen zur Realienkultur (Verwaltung, Recht, Kultur), zu archäologischen Zeugnissen, zu antiker Topographie, Informationen, die Flavio

Biondo etwa in seiner Italia illustrata, in Roma triumphans, in Roma instaurata reichlich zur Verfügung stellte? Schrieb er eine Stadt-, Stammes- oder Reichsgeschichte?28

Neben den Fragen nach den „gesta hominum“, der göttlichen Wirkungsmacht oder den „exempla“ für die Zeitgenossen mag man auch nach der Bedeutung der „Wahrheit“ suchen. Wird eine „Beweisführung“ geleistet, d.h. wird das Wahre vom Unwahrscheinlichen, das Mögliche vom Absurden unterschieden, werden glaubwürdige Quellen benutzt? Fällt das Detail, die Akribie des historischen Arbeitens, der Rhetorik zum Opfer? Sind für Brant „veritas“, „utilitas“ und „consilium“ ausreichende Kriterien für eine historische „narratio“, oder neigt er zu einer poetischen „narratio“, mit dem Ziel, seine Leserschaft durch Eloquenz und Eleganz zu erfreuen?29 Ferner ist zu untersuchen, ob es bei Brant eine siegende Kraft der „virtus“ über die „fortuna“ gibt wie etwa bei Poggio.30 Allein in der abschließenden Mahnrede von Brants Buch findet sich das Wort „virtus“ 22 Mal, und zwar stets zur Ermahnung zur Besserung, verstanden als einziges Heilmittel für

eine degenerierte, dem Niedergang geweihte „civitas“. Gelegentlich wird die

27 Vgl. VASOLI 1992, S. 18.

28 Vgl. Wilhelm KÖLMEL: Aspekte des Humanismus. Münster 1981 (Aevum Christianum. Salzburger Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte des Abendlandes 14), S. 95f.

29 Vgl. VASOLI 1992, S. 16.

30 Vgl. Poggii Florentini oratoris clarissimi ad illustrissimum principem Sigismundum

Pandulphum Malatestam de Miseria conditionis humanae, in: Poggii Bracciolini Opera Omnia. Tomus Primus: Scripta in editione Basiliensi anno MDXXXVIII collata. Con una premessa di Riccardo FUBINI. Torino 1964, S. 88-131. (Monumenta Politica et Philosophica rariora ex optimis

editionibus phototypice expressa, curante Luigi Firpo. Series II, Numerus 4). Hier ist allerdings letzter Grund aller Geschichte Gott. Ähnlich verhält es sich auch bei Enea Silvio Piccolomini und

Petrarca. Vgl. KÖLMEL 1981, S. 92. Zu Petrarca vgl. insbesondere Eckard KESSLER: Petrarca und

die Geschichte. Geschichtsschreibung, Rhetorik, Philosophie im Übergang vom Mittelalter zur

Neuzeit. München 1978 (Humanistische Bibliothek. Abhandlungen – Texte – Skripten. Reihe I: Abhandlungen 25).

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Historiographie in eine Art Tribunal transformiert, der Historiker Brant zum „iudex“, der die Ereignisse und Taten aus der Geschichte nach den Prinzipien von „iustitia“ und „aequitas“ lobend hervorhebt oder verdammt. Das Mittelalter galt bei ihm nicht ausdrücklich als barbarisch oder als „aevum obscurum“ wie bei vielen anderen Historiographen der Zeit, die damit die Antike umso größer herausstellen wollten. Doch wollte Brant deswegen schon, entgegen der Heroisierungstendenz der anderen, die „Geschichte an sich“ entdecken, die Individualität der Ereignisse betonen? Ob dies die Historiographie der Renaissance ausmacht, ist ohnehin eine längst in Frage gestellte Hypothese, denn solange es ein „historia docet“ gibt, kann keine Wahrnehmung der Individualität von Geschichte, keine Akzeptanz des Nichtwiederholbaren des Faktums zugrunde liegen.31 Wahrscheinlich dürfte sich auch bei Sebastian Brant das Rad der Geschichte drehen, selbst wenn man die Willkür der Fortuna mit Tugendhaftigkeit mäßigen kann – nicht zuletzt mit Blick auf die Sterne, die als Teil eines kosmischen Konzeptes die großen Zyklen der Geschichte bestimmen und Einfluss auf die Ereignisse zu nehmen vermögen. Sebastian Brants Berechnungen der Einflüsse verschiedener Gestirne auf die nahe Zukunft und seine Interpretationen ungewöhnlicher (kosmischer) Ereignisse sind schließlich hinlänglich bekannt.

Direkt auf das oben genannte Geschichtswerk bezogen stellt sich die Frage, warum es ausgerechnet eine Geschichte Jerusalems und seiner Könige ist, die Brant verfasst hat, und in welcher Weise er sich gerade dieser Thematik widmete. Jerusalem, weit entfernt und seit langen Jahren fest in der Hand der Mamluken, existierte nur noch als Titularkönigreich, dessen Krone von den Lusignan und den Nachkommen Karls von Anjou getragen wurde. Auch das Patriarchat existierte ab 1291 nur noch als Titularpatriarchat. Dass Brant sich also gerade Jerusalem zugewandt hatte, ist erklärungsbedürftig, denn auch wenn zu seiner Zeit zumindest die Beschäftigung mit den Kreuzzügen wieder zunahm,32 so ist sein Thema doch weitaus umfassender und hat bislang keine Parallelen. Anders formuliert weist seine Historia thematisch sogar weit über den üblichen Rahmen der Stadtgeschichten (z.B. Florenz, Mailand, Venedig, Nürnberg), Regional- und Zeitgeschichten, Biographien (z.B. Boccaccio, Petrarca, Platina) und Universalgeschichten (z.B. Sabellicus, Schedel, Nauclerus) hinaus, mit denen sich andere Humanisten beschäftigten.33 Es ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass eines der großen Themen Sebastian Brants der Türkenzug sei, ein nicht nur von ihm herbeigesehnter Feldzug,

31 Vgl. KÖLMEL 1981, S. 94f. Zu den Kriterien humanistischer Historiographie vgl. auch MUHLACK in: HELMRATH, MUHLACK, WALTHER 2002, S. 30-34, und DERS. in: BRENDLE, MERTENS, SCHINDLING, ZIEGLER 2002, S. 3-18.

32 So z.B. die Werke des Flavio Biondo (Historiarum ab inclinatione romanorum imperii

decades), des Lodrisio Crivelli (De expeditione Pii Papae adversus Turcos), des Benedetto Accolti

(Historia Gotefridi bzw. De bello a Christianis contra barbaros gesto pro Christi sepulcro et Iudaea

recuperandis libri IV), des Marcantonio Sabellico (Historia rerum Venetarum und Rapsodiae

Historiarum Enneades) oder des Antoninus Florentinus (Summa historialis). Vgl. Ludwig

SCHMUGGE: Die Kreuzzüge aus der Sicht humanistischer Geschichtsschreiber. Basel, Frankfurt am Main 1987 (Vorträge der Aeneas-Silvius-Stiftung an der Universität Basel 21).

33 Vgl. KÖLMEL 1981, S. 97.

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um sich aus der allzufesten Umklammerung der muslimischen Ungläubigen zu lösen, die der „respublica christiana“ den Schlaf zu rauben schienen, zumindest sah jene sich in den letzten „angulus Europae“ zurückgedrängt, und Sebastian Brant tat ein Übriges, um dieses Bild lebendig zu halten. Es ist wohl genau dies der tiefere Sinn seines Geschichtswerkes, nämlich an die Würde des „orbis christianus“ zu erinnern, an seine einstige Größe, an seine Ursprungs- und Zufluchtsstätte in Zeiten einer baldigen Erwartung des Weltendes. Wenn nun angesichts dieser Naherwartung noch immer der Unglaube in den ruhmreichen Stätten der Christenheit vorherrschte, dann bedurfte es mehr als eines gewöhnlichen Regenten, um die Welt von den Spuren dieser Häresie zu säubern.

Doch wie soll ein solcher Regent aussehen? Dies zu zeigen, ist eines der wesentlichen Anliegen von Brants Geschichtswerk: Es werden darin alle Könige von Jerusalem von der Gründung der Stadt bis zur Gegenwart behandelt. Besonderes Lob verdienen alle diejenigen, die sich der christlichen Sache verschrieben hatten, während jenen Tadel zufällt, die dem christlichen Weltreich Schaden zufügten. Der letzte König dieser Reihe ist nun Maximilian I., den Brant zeit seines Lebens besonders verehrt hatte und dem er sehr viel Lob und Hoffnung entgegenbrachte. Das Geschichtswerk soll ihn lehren, welche Fehler seine Vorgänger gemacht und wo sie gut gehandelt hatten. Ist es jedoch etwas Neues, wenn klassische Autoren wie Vergil, Ovid und Seneca, Meister lateinischer Eloquenz, Worte und Sprache liehen, um aus Maximilian I. nicht nur einen König, sondern einen wundertätigen Regenten zu formen, der, größer als Trajan und Titus, ein neues, goldenes Zeitalter unter einer weitreichenden, strahlenden Sonne christlicher Weltherrschaft zaubern sollte?

Im Sinne Cesare Vasolis und August Bucks soll Brants Benutzung von Geschichte bzw. Historiografie deutlich und in einen größeren Kontext gestellt werden. Im Werk eines Autors verbirgt sich eine Mentalität, die Teil einer kollektiven Identität ist, also Ausdruck der Wahrnehmung einer ganzen Gesellschaft. Anders formuliert versucht der Autor, mit seinen Techniken der Überzeugung seine Umwelt für seine Gedanken einzunehmen. Das kann aber nur funktionieren, wenn bestimmte Symbole und Referenzen auch verstanden werden. Somit repräsentiert Brant durchaus Zeichen und Sprache einer Gemeinschaft. Besondere Gewichtung liegt dabei auf den Kategorien Religion und Nation. Religion und Nationalität werden nicht als Distinktionsprinzip für eine einheitliche Gruppe, sondern für verschiedene Gruppen benutzt. Religion unterscheidet den Christen vom Muslim, den gerechten Krieg vom ungerechten. Nationalität betont die Rechte des alten Reiches, die Ehrwürdigkeit des deutschen Kaisertums und seine Überlegenheit über andere europäische Herrschaftssysteme. Nur Maximilian I. hat somit das Recht und die Fähigkeit, die Ansprüche und Rechte der Christenheit durchzusetzen. Die kulturelle Überlegenheit ist durch die traditionell stärkere Anbindung an die katholische Kirche begründet. Damit zeigen sich zwei verschiedene Ebenen kollektiver Identität, zwischen denen aber Interferenzen bestehen.

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3. Forschungsstand

Die Forschung zu Sebastian Brant ist auf der einen Seite sehr umfangreich, auf der anderen Seite bestehen große Lücken. Die Germanistik hat sich sehr ausführlich mit dem deutschschreibenden Autor beschäftigt. In diesem Zuge sind zahlreiche

Bücher und Aufsätze vor allem zu Brants Werk Narrenschiff erschienen.34 Die lateinischen Werke Brants fanden hingegen bislang wenig Beachtung. Hierfür ist nicht nur ein Problem der Zugänglichkeit der Texte verantwortlich (die meisten Werke sind bis vor kurzem nicht ediert gewesen),35 sondern auch ein erst in letzter Zeit sich verstärkendes Interesse an den übrigen Schriften des Humanisten. Die Geschichtswissenschaft selbst hat sich allgemein bislang wenig an der Erforschung humanistischer Quellen und ihrer Autoren beteiligt. Mit Ausnahme einiger älterer Autoren36 ist erst in den letzten Jahren wieder ein größeres Interesse auszumachen.37 Die Schieflage ist in der Tat frappierend, da sie vor allem wegen der Trennung der wissenschaftlichen Disziplinen vornehmlich der deutschen und lateinischen Philologie entstanden ist. Dabei könnte gerade bei Sebastian Brant eine Brücke gebaut werden, da er sich stets beider Sprachen bedient hat. Dies betrifft auch die

Hauptquelle dieser Untersuchung, Brants Werk De origine, das in beiden Sprachen vorliegt. Beide Versionen sind ebenfalls bislang wenig beachtete und noch nicht in modernen Editionen vorliegende Texte. Einzige Ausnahme bleiben zwei Aufsätze, die sich näher mit diesem Prosawerk beschäftigen, nämlich von José Jiménez

Delgado, erschienen 1968 in der Zeitschrift Salmanticensis, und von William

Gilbert im Archiv für Reformationsgeschichte aus dem Jahr 1955. Zwei neuere Studien ziehen den Text als Quelle heran: Sebastian Schünicke in einem von Thomas Wilhelmi im Jahr 2002 herausgegebenen Sammelband zu Sebastian Brant (Schünicke verwendet allerdings nur die nicht von Brant selbst angefertigte deutsche Übersetzung des Werks von 1518) und Jean Schillinger in einem von Hans-Gert

34 Es sei hier auf WILHELMI 1990 verwiesen (nach Auskunft des Autors ist eine baldige

Aktualisierung vorgesehen), und auf Joachim KNAPE, Dieter WUTTKE: Sebastian-Brant-

Bibliographie. Forschungsliteratur von 1800-1985. Tübingen 1990.

35 Vgl. BRANT: Kleine Texte (WILHELMI 1998). Viele der hier präsentierten Textstücke liegen erstmals in einer kritischen Edition vor. Berücksichtigt wurden kleinere Texte wie Briefe, Flugblätter, Gedichte, die sowohl gedruckt als auch handschriftlich überliefert sind.

36 So z.B. das immer noch maßgebliche Werk von Paul JOACHIMSEN: Geschichtsauffassung und

Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus. Erster Teil (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 6). Berlin 1910; Joachimsen widmet ein Kapitel Sebastian Brant. Ebenso SCHMIDT 1879. Schmidt gibt einen recht brauchbaren Überblick über das Werk Sebastian Brants, kann aber nicht mehr als einen Abriss und eine knappe Einordnung präsentieren. Neuere Überblicksartikel zu Brant gehen häufig nicht über Schmidts Erkenntnisse hinaus.

37 Vgl. z.B. das sehr anregende Sammelwerk über die Diffusion des Humanismus und die nationale Geschichtsschreibung von HELMRATH, MUHLACK, WALTHER 2002. Einen Beitrag zu Sebastian Brant enthält der Band jedoch nicht.

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Roloff 2008 herausgegebenen Sammelband zu Sebastian Brant.38 Ansonsten findet sich das Werk in zahlreichen Handbuch- und Lexikonbeiträgen sowie in manchem Aufsatz zu Brant erwähnt.39 Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Texten. Joachim Knape hat mit seiner Habilitation eine Arbeit vorgelegt, die sich mit dem Juristen Brant beschäftigt.40 Hier werden manche biographische Lücken geschlossen, die trotz der 1967 erschienenen Biographie Brants von Edwin H. Zeydel41 bestanden. Ein Forschungsdesiderat ist die Beschäftigung mit den lateinischen und deutschen Gedichten Brants. Die 1944 in Washington erschienene Arbeit einer Schwester des St. Josephsordens in Concordia, Kansas, Mary Alvarita Rajewski, behandelt einen Teil der religiösen Gedichte Brants.42 Rajewski widmet sich besonders den Mariendichtungen und der Frage der unbefleckten Empfängnis wie

den in den Varia Carmina, der 1498 erschienenen Gedichtsammlung Brants, vorkommenden Heiligen. Die Herausgabe dieser und zahlreicher weiterer Texte durch Thomas Wilhelmi mag für eine weitere Beschäftigung Anreiz bieten.43 Die publizistische Literatur Brants hat zu einer etwas regeren Forschungstätigkeit eingeladen. Mehrere Beiträge beschäftigen sich mit den sog. Flugblättern, in denen sich der Humanist als „poeta vates“ geübt hatte.44 Gemessen an der Anzahl der

38 José Jiménez DELGADO: El «De origine» o la Historia de Jerusalen de Sébastian Brant, in:

Salmanticensis 15 (1968), S. 435-463; William GILBERT: Sebastian Brant: Conservative Humanist,

in: Archiv für Reformationsgeschichte 46 (1955), S. 145-167, Jean SCHILLLINGER: Der

Türkenkrieg im Werk Sebastian Brants, in: Hans-Gert ROLOFF (Hg.): Sebastian Brant (1457-

1521). Berlin 2008, S. 169-201, Sebastian SCHÜNICKE: Zu den Antiturcica Sebastian Brants, in: Thomas WILHELMI (Hg.): Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum “Narrenschiff” und zum übrigen Werk. Basel 2002, S. 37-81.

39 Zu De origine folgt im ersten Kapitel ein ausführlicher Überblick. Zu Brant allgemein vgl. z.B.

Hermann WIEGAND: Sebastian Brant. Ein streitbarer Publizist an der Schwelle zur Neuzeit, in: SCHMIDT, Paul Gerhard (Hg.): Humanismus im Deutschen Südwesten. Biographische Profile.

Sigmaringen 1993, S. 77-104; Hans-Gert ROLOFF: Sebastian Brant, in: Theologische

Realenzyklopädie. Band 7. Berlin, New York 1981, S. 136-141; Manfred LEMMER: Art. Brant, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters (Verfasserlexikon). Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage. Band 1. Berlin, New York 1978, Sp. 992-1005.

40 Joachim KNAPE: Dichtung, Recht und Freiheit. Studien zu Leben und Werk Sebastian Brants

1457-1521, Baden-Baden 1992 (Saecula Spiritalia 23). Besonderer Schwerpunkt ist die sog. „Freiheitstafel“, eine Ausgestaltung des Straßburger Ratssaals in Vers und Bild. Verdienstvoll sind Knapes Forschungen zum Aufenthalt Brants an der Basler Universität.

41 Edwin H. ZEYDEL: Sebastian Brant. New York 1967 (Twayne‟s World Authors Series 13).

42 Mary Alvarita RAJEWSKI: Sebastian Brant. Studies in Religious Aspects of His Life and Works

with Special Reference to the Varia Carmina. Diss. Washington 1944.

43 Vgl. Anm. 1.

44 Jan Dirk MÜLLER: Poet, Prophet, Politiker: Sebastian Brant als Publizist und die Rolle der

laikalen Intelligenz um 1500, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 10 (1980), S.

102-127; Vera SACK: Sebastian Brant als politischer Publizist. Zwei Flugblatt-Satiren aus den

Folgejahren des sogenannten Reformreichstags von 1495. Freiburg i. Br. 1997 (Veröffentlichungen

aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 30); Dieter WUTTKE: Sebastian Brant und

Maximilian I. Eine Studie zu Brants Donnerstein-Flugblatt des Jahres 1492, in: Otto HERDING u.

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überlieferten Einblattdrucke Brants ist dies aber ebenfalls nur ein Anfang. Eine Zusammenschau liegt nicht vor, zumal nach wie vor nicht alle Überlieferungsträger bibliographisch erfasst sind.45 Es bleibt noch die moralsatirische und

moraldidaktische Literatur zu erwähnen, allen Werken voran das Narrenschiff.

Andere Werke wie etwa die sogenannte „Tischzucht“ (Thesmophagia/Phagifacetus

1490), Facetus (1496) und Moretus (1498) sind noch nicht im Zusammenhang untersucht worden. Roland Stiegleckers Dissertationsschrift über Sebastian Brant und Onuphrius eremita behandelt sehr ausführlich die Onuphrius betreffenden Gedichte und den diesem Heiligen gewidmeten Einblattdruck Brants, und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Religiosität Brants.46 Stieglecker behandelt darüber hinaus ausführlich das Sebastian Brant fast durchgängig zugeschriebene Urteil, konservativ gewesen zu sein und seine humanistische Bildung nur zum Zweck einer mittelalterlich-katholischen Restauration verwendet zu haben.47 Daher bietet das Buch Ansatzpunkte für die Frage nach dem Weltbild Sebastian Brants, das ja nicht unwesentlich mit seiner Religiosität in Zusammenhang steht.

Zu Sebastian Brant als Historiker bzw. zu den historischen Werken Brants sind überhaupt keine neueren Arbeiten vorhanden. Noch immer sind die älteren Beiträge von Paul Joachimsen und Charles Schmidt maßgeblich,48 die über einen ersten Eindruck jedoch nicht hinausgehen und vor allem die Forschungslücken in diesem Bereich aufzeigen. Zu erwähnen ist noch Joseph Kneppers Buch zu nationalem Gedanken und Kaiseridee bei den elsässischen Humanisten, ein älteres, von starkem Patriotismus geprägtes und nicht immer zuverlässiges Werk über politische Ideen und Deutschtum. Das Buch bietet einen ersten Ansatzpunkt bei der Suche nach Aussagen über die deutsche Nation und über Reichsidentität in Brants Werk, bedient sich aber starker nationaler Stereotypen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, so dass die Aussagen Brants nicht in den sozialpolitischen Rahmen des 15. und 16. Jahrhunderts eingefügt sind.49 Doch obwohl gerade der Nationendiskurs wieder in

Robert STUPPERICH (Hg.): Die Humanisten in ihrer politischen und sozialen Umwelt. Boppard

1976, S. 141-176; DERS.: Sebastian Brants Verhältnis zu Wunderdeutung und Astrologie, in: Werner BESCH u.a. (Hg.): Studien zur deutschen Literatur und Sprache des Mittelalters. Festschrift

für Hugo Moser zum 65. Geburtstag. Berlin 1974, S. 272-286. DERS: Wunderdeutung und Politik.

Zu den Auslegungen der sogenannten Wormser Zwillinge des Jahres 1495, in: Kaspar ELM; Eberhard GÖNNER; Eugen HILLENBRAND (Hg.): Landesgeschichte und Geistesgeschichte. Festschrift für Otto Herding zum 65. Geburtstag. Stuttgart 1977, S. 217-244.

45 Vgl. Anm. 5.

46 Roland STIEGLECKER: Die Renaissance eines Heiligen. Sebastian Brant und Onuphrius eremita. Wiesbaden 2001 (Gratia. Bamberger Schriften zur Renaissanceforschung 37). Zu dem

Einblattdruck vgl. auch Volker HONEMANN: Zur Entstehung von Sebastian Brants Narrenschiff, in: R. J. KAVANAGH (Hg.): Mutual Exchanges. Sheffield-Münster Colloquium I. Frankfurt am Main u.a. 1999, S. 21-37.

47 Vgl. STIEGLECKER 2001, S. 94-122, dort mit ausführlichen Zitaten und Belegen.

48 Vgl. SCHMIDT 1879 und JOACHIMSEN 1910.

49 Joseph KNEPPER: Nationaler Gedanke und Kaiseridee bei den elsässischen Humanisten. Ein

Beitrag zur Geschichte des Deutschthums und der politischen Ideen im Reichslande. Freiburg i. Br. 1898 (Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes I, 2/3). Das

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den Blickpunkt aktueller Forschung geraten ist, wurden Sebastian Brants Name und Werke kaum in diesem Kontext wahrgenommen, wie etwa das zentrale Buch von Herfried Münkler und Michael Grünberger zeigt. Obgleich es genau die Fragen zur Entstehung eines deutschen Nationendiskurses unter anderem im Zusammenhang mit der Türkenkriegsfrage behandelt, kommt Sebastian Brant darin nicht vor.50 Ähnlich verhält es sich mit zahlreichen Studien und Kompendien zu Humanismus und Historiographie; in der Regel taucht Sebastian Brant darin nicht auf.51 Eine Beschäftigung mit Brant als Historiker lässt angesichts des vorhandenen Quellenmaterials und vor dem Hintergrund des Forschungsstandes fruchtbare Ergebnisse erwarten, denn so zahlreich und unüberschaubar die Literatur zu

Sebastian Brants Narrenschiff inzwischen ist,52 so dürftig sind die Informationen, die

es bislang zu Brant als Historiker und insbesondere zu De origine gibt.

dritte Kapitel widmet sich Sebastian Brant: „Der nationale Gehalt in den Schriften Sebastian Brants“. Die Hervorhebung gerade dieses alten, tendenziösen Werks ist damit zu begründen, dass

es zu den wenigen Studien zählt, die sich überhaupt mit der Quelle De origine auseinandersetzen. Knepper schlachtet das Werk gründlich aus und zitiert viele Belegstellen für seine Thesen.

50 Vgl. MÜNKLER, GRÜNBERGER, MAYER 1998.

51 Vgl. die in Anm. 25 genannten Titel.

52 Vgl. die Bibliographien von WILHELMI 1990 und KNAPE, WUTTKE 1990.

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III. Sebastian Brants Geschichtswerk „De origine et conversatione bonorum regum et laude civitatis Hierosolymae cum exhortatione eiusdem recuperandae“

Im Jahr 1501 schrieb der Ulmer Bürger Kraft Hofmann an den Basler Drucker Johann Amerbach und bat ihn darum, ihm ein Buch Sebastian Brants zu schicken, und zwar ein „libellum quendam, quem intitulavit De origine bonorum regum

Jherusalem“, das in Basel gedruckt worden sei.1 Abgesehen von der Klärung der Überbringungs- und Zahlungsmodalitäten erfährt man nichts über die näheren Hintergründe dieser Bitte. Man wüsste gern, wie Kraft Hofmann auf das Werk aufmerksam wurde und aus welchen Gründen er es nun lesen möchte. Die Tatsache, dass das Buch nach seinem Erstdruck keine weitere Auflage erfahren hat und bis heute keine kritische Edition vorliegt, hat dazu geführt, dass sein Inhalt kaum bekannt und daher so gut wie nicht rezipiert ist. Die folgenden Seiten widmen sich eben jenem Buch über die „guten Könige von Jerusalem“, um etwas näher zu beleuchten, was in diesem Buch überhaupt steht, wie es aufgebaut ist und mit welchen Argumenten darin Geschichte geschrieben wird.

1. Bibliographische Beschreibung, Überlieferung und Rezeption

Sebastian Brants Geschichtswerk erschien, wie viele seiner Werke, in zwei Sprachen, sowohl auf Lateinisch als auch auf Deutsch. Die ursprüngliche Fassung war die lateinische und erschien im Jahr 1495, die deutsche Übersetzung hingegen mit großer Verzögerung im Jahr 1518, also 23 Jahre später. Die beiden Ausgaben weisen vor allem mit Blick auf die Bebilderung und Textgliederung deutliche Unterschiede auf.

1.1. Die lateinische Ausgabe aus dem Jahr 1495

De origine et conversatione bonorum regum et laude civitatis Hierosolymae

cum exhortatione eiusdem recuperandae wurde laut Kolophon am 1. März 1495 bei Johann Bergmann von Olpe in Basel gedruckt. Das handliche, schlichte und nur spärlich bebilderte Buch umfasst 160 Folioseiten, die in Quaternen von je acht Blatt mit Signatur auf den ersten vier Seiten je Quaterne eingeteilt sind. Eine Seite

1 Vgl. AMERBACH, Johann: Die Amerbachkorrespondenz. Im Auftrag der Kommission für die öffentliche Bibliothek der Universität Basel bearbeitet und herausgegeben von Alfred HARTMANN.

1. Band: Die Briefe aus der Zeit Johann Amerbachs 1481-1513, Basel 1942, S. 123, Nr. 131.

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umfasst 28 Zeilen. Auf dem Titelblatt des Buches befindet sich ein Holzschnitt (134 x 97 mm), der Maximilian I. vor der Kulisse der Stadt Jerusalem zeigt (Vgl. Abb. 1 im Anhang). Maximilian trägt in der linken Hand eine Georgsfahne, mit seiner rechten Hand empfängt er Palmzweig und Schwert, die ihm die Hand Gottes aus den Wolken herabreicht. Insgesamt nimmt die Gestalt Maximilians die linke Bildhälfte ein; in der Mitte teilt ein blattloser Baum das Bild, der den großen kaiserlichen Schild mit dem Doppeladler trägt, welcher das untere Drittel des Gesamtbildes prägt. Die rechte Bildhälfte wird vor allem von den Gebäuden der Stadt Jerusalem geprägt, die von einer Hügellandschaft umrahmt werden. Dass es

sich um Jerusalem handelt, wird durch die Beschriftung Jherusalem vor den Toren der Stadt deutlich gemacht. Rechts neben dem doppeltorigen Eingang in die Stadt ist ein Schild mit Jerusalemkreuz angebracht. Rechts oben ragt die Hand Gottes mit Palmzweig und Schwert aus den Wolken; links oben kündet eine Inschrift mit dem

Wortlaut maximilianus Romanoru(m) Rex: von den Herrschaftsansprüchen des römischen Königs über die heilige Stadt.

Am Ende der Mahnrede und zu Beginn des darauffolgenden Schlussgedichtes befindet sich ein weiterer Holzschnitt (132 x 97 mm), auf dem wiederum Maximilian abgebildet ist, diesmal an der Spitze einer Reihe von vier gewappneten und gekrönten Königen vor den Toren vermutlich ebenfalls Jerusalems (Tiiij

r, vgl. Abb. 2 im Anhang). Auch hier führt Maximilian eine Georgfahne mit sich. Die vier weiteren Fürsten, die alle nach oben gerichtete Schwerter tragen, lassen sich (von links nach rechts) anhand ihrer Schilde als König Ferdinand von Kastilien und Aragón (Wappen von Kastilien, Granada, Leon), als Gottfried von Bouillon, dem Eroberer von Jerusalem (Jerusalemkreuz), als Karl der Große (Wappen von Aachen) und als König David (Harfe) identifizieren.2 Die Schilde bzw. Wappen stehen

2 Die Interpretationen von Frank Hieronymus sind anzuzweifeln, der meint, es handle sich um den König von Spanien (Wappen von Kastilien, Granada, Leon), den König von Jerusalem (Templerkreuz), Frankreich (Bourbonische Lilien und Reichsadler) und England (Harfe von

Irland). Vgl. Frank HIERONYMUS: Oberrheinische Buchillustration. Inkunabelholzschnitte aus den

Beständen der Universitätsbibliothek. Ausstellungskatalog, 2 Bände., Basel 1972, ND mit Ergänzungen und Korrekturen ebd. 1983, Bd. 1, S. 108, Nr. 186. Hieronymus stützt sich auf die

Benennung der Wappen bei Albert SCHRAMM: Der Bilderschmuck der Frühdrucke. Bd. XXII. Leipzig 1940, S. 36 (dort: „Maximilian empfängt von einer Hand aus den Wolken Schwert und Palme, vier andere Könige haben beides bereits erhalten; Landschaft und Stadtansicht, rechts im Vordergrund Rüstungsteile und ein abgeschlagenes Haupt. Links unten zu den Füßen der Könige fünf Wappen. Die Wappen stellen von links nach rechts dar: 1. Wappen von Kastilien, Granada, Leon; 2. Krückenkreuz von Jerusalem; 3. Bourbonische Lilie und Reichsadler; 4. Harfe von Irland; 5. Reichsadler.). Die Darstellung dieser Herrscher könnte zwar im Kontext der von Brant eingeforderten Solidarität und Unterwerfung der europäischen Herrscher unter Maximilian I. einen Sinn ergeben, vor allem mit Blick auf den geplanten Türkenzug, allerdings bleiben dann die heraldischen Zeichen zweifelhaft. Es scheint mir überzeugender, hier Maximilian an der Spitze der größten Herrscher über Jerusalem und als Anführer der größten Kämpfer für die christliche Sache zu interpretieren. José Jiménez Delgado bietet ebenfalls eine Teilinterpretation: „Detras de él [Maximilian] cuatro reyes más, que le abrían de ayudar en la reconquista de Jerusalén; uno de ellos, a juzgar por el escudo de granadas que le caracteriza, Don Fernando, rey de Castilla y Aragón, que en 1491 había conquistado Granada a los moros dando con ello término a la reconquista de España, dominada en gran parte por los sarracenos, desde varios siglos antes.“ Er verweist dabei mit Recht

auf das Gedicht Brants auf Ferdinand von Spanien In laudem Serenissimi Fernandi Hispaniarum

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jeweils zu Füßen der einzelnen Herrscher. Maximilian, der den anderen voranschreitet, trägt kein Schwert, sondern einen langen Wurfspeer. Wie auf dem Titelholzschnitt reicht ihm auch hier Gottes Hand Schwert und Palmzweig aus den Wolken herab. Die fünf Regenten beherrschen die untere Bildhälfte; am Horizont in der oberen Bildhälfte befindet sich rechts die Kulisse einer Stadt, links felsige Berge, auf denen sich einzelne Gebäude – evtl. handelt es sich um die Bauten einer Festung – und ein kahler Baum befinden.

Frank Hieronymus schreibt die Holzschnitte dem namentlich nicht bekannten Meister des Verardus (1494, Bergmann von Olpe) zu und folgt damit den Ausführungen von Werner Weisbach, der aufgrund stilistischer Ähnlichkeiten mit einer Darstellung König Ferdinands von Kastilien und Aragón zu diesem Schluss

gelangt (Vgl. Abb. 3 im Anhang). Die beiden Schnitte in De origine seien jedoch schlechter komponiert: „Die Figuren, überschlanke Gestalten mit schmächtigen Gliedern, sind weder zu ihrer Umgebung noch zueinander in das rechte Verhältnis gesetzt.“3 Der Titelholzschnitt fand noch einmal in den drei Jahre später

publizierten Varia Carmina Brants (Basel, Olpe, 1498, fol. dr) Verwendung, und

zwar zu Beginn des Gedichtes Epilogus regum circa Hierosolymam conversantium.

Es handelt sich dabei um das Schlussgedicht von De origine, das Brant in den Varia

Carmina noch einmal nachdrucken ließ.4

Man weiß, dass Brant Einfluss auf die Gestalt und Ausführung der Bilder in seinen Werken genommen hat, oft reichte er detaillierte Anweisungen und Vor

skizzen an die Meister.5 Die zahlreichen Bücher und Einblattdrucke, die die Druckwerkstatt des Johann Bergmann von Olpe verließen, waren in aller Regel

reich und geschmackvoll ausgestattet.6 Der erste Eindruck beim Betrachten von De

origine hingegen suggeriert, dass das Buch in relativ großer Eile gestaltet wurde. Der Band enthält außer den beiden beschriebenen Holzschnitten keine weiteren Illustrationen, obwohl sich der Stoff geradezu anbietet. Dass offenbar Eile herrschte, zeigt ein Vergleich mit anderen Werken Brants. Bekanntestes Beispiel ist

regis Bethicae et regni Granatae osidio victoria et triumphus. Et de insulis in mare Indico nuper

inventis, das zunächst in der Historia Boetica des Carolus Verardus (1494), fol. Av, und später in

den Varia carmina (fol bciiij) erschienen ist. Vgl. DELGADO 1968, S. 450.

3 Vgl. Werner WEISBACH: Die Basler Buchillustration des XV. Jahrhunderts. Mit einem

Verzeichnis der illustrierten Basler Drucke des 15. Jahrhunderts. Zweiter, verbesserter ND. Kehl 1957 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 8), S. 53 und S. 26f. Vgl. auch die Abbildung 14 ebd.

(Tafel XI). Bei dem Holzschnitt handelt es sich um den Titelblattschnitt aus Carolus VERARDUS: In

laudem Serenissimi Ferdinandi Hispaniarum regis Bethicae et regni Granatae obsidio victoria et

triumphus Et de Insulis in mari Indico nuper inuentis. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1494, fol. [aa]r.

4 Frank Hieronymus behauptet irrtümlich, der Holzschnitt befinde sich zu Beginn des Gedichtes

De corrupto ordine vivendi. Vgl. HIERONYMUS 1972 Bd. 1, S. 108.

5 Vgl. KNAPE 1992, S. 271f.

6 Vgl. WEISBACH 1957, S. 22 und S. 51-58 (Verzeichnis der illustrierten Drucke der Bergmannschen Offizin).

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das Narrenschiff, das eine sorgfältige Komposition aufzeigt, was das Verhältnis von Bild und Text betrifft. Keine Texteinheit greift über einen bestimmten Raum hinaus.7 Ähnlich sind die von Brant herausgegebenen juristischen Werke gestaltet,

allen voran das von ihm kommentierte Decretum Gratiani. Die sorgfältige Setzung von Dekretalien und Randglossen ersparte mühsames Vor- und Rückblättern, die Glossen umgeben die mittig gesetzten Dekrete wie ein Ornamentrahmen.

Ein Grund für das spärliche Layout von De origine dürfte der vermutlich extrem

kurze Entstehungszeitraum sein. Kaum ein Jahr zuvor erschien das Narrenschiff. Brant hatte wahrscheinlich nicht genug Zeit, sich um ein Bildprogramm zu kümmern, denn das Buch sollte unbedingt zu Beginn des Wormser Reichstages, also im März 1495, zur Verfügung stehen, da eines der aktuellen Themen dieses Reichstages der Türkenzug war. Trotzdem präsentiert sich das Werk ansprechend. Auch wenn kein umfassendes Layout vorgenommen wurde, so ist es dennoch mit Sorgfalt gesetzt und gedruckt worden. Es finden sich kaum Druckfehler, das

Druckbild ist geradlinig und sauber. An den Text von De origine sind zur Stoffgliederung zahlreiche Randglossen angebracht, die dem Leser einen Überblick über das gerade behandelte Thema verschaffen oder verschiedene Datierungsvarianten aufführen und damit auch die im Text nicht vorhandenen Überschriften ersetzen. Selbst wenn das Buch nur zwei Abbildungen enthält, so nehmen diese doch Bezug auf den Inhalt des Textes und ermöglichen dem Betrachter, die Vorstellungen Brants aus den Bildern herauszulesen. Trotz aller wahrscheinlich zugrundeliegenden Eile kann man nicht von einem schlampig gestalteten Buch sprechen; lediglich von einem Buch, dem nicht das Glück beschieden war, die sonst übliche Ausgestaltung mit vielen Illustrationen und Ornamenten zu erhalten.

1.2. Die deutsche Ausgabe aus dem Jahr 1518

„Es hat auch nit on merklichen ursachen“, schrieb Kaspar Frey in seiner Vorrede, „der wirdig ersam herr Hartmann feyrabent8 pfarrer zuo baden unser mitufferzogner herr und gebrüederter freünd mich [...] solliche history uß dem latein in teütsche zungen und sprach zuoverendern zuo meren mal ernstlich ermant und

erfordert“. Dies habe er nun vollbracht, damit der gemeine Christenmensch, der des Lateinischen nicht mächtig sei, und die frommen christlichen Fürsten und ihre weltlichen und geistlichen Anhänger vernehmen würden, was es mit dem heiligen Erdreich und der Stadt Jerusalem auf sich habe. Kaspar Frey widmete die Übersetzung seinem Bruder Johann Frey, Magister Artium und Pfarrer in Lenzburg und Staufberg, und bittet ihn, seine Übersetzung mit dem lateinischen Text Brants

7 Vgl. dazu HONEMANN 1999, S. 27-30.

8 Hartmann Feierabent stammt aus einem Badener Bürgergeschlecht, studierte seit 1476 in Basel und war von 1482 bis 1485/86 Schulmeister in Baden. Von 1489 bis 1512 ist er als Leutpriester tätig gewesen. Feierabent gilt als Humanist, Besitzer wertvoller Erstlingsdrucke und Mitbegründer

der Pfarrbibliothek (spätere Stiftsbibliothek). Vgl. Otto MITTLER: Geschichte der Stadt Baden.

Band 1: Von der frühesten Zeit bis um 1650. Aarau 1962, S. 157f, 186, 284ff und 294.

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abzugleichen und gegebenenfalls zu korrigieren.9 Diese Vorrede schrieb Kaspar Frey in Rorschach am Bodensee am 17. Juni 1512. Die Übersetzung erschien laut Kolophon allerdings erst am 12. März 1518, also sechs Jahre später, und wurde in der Straßburger Druckerei Johann Knoblouchs gedruckt.10 Die Gründe für diese lange Zeitspanne lassen sich nur schwer eruieren, da einschlägige Quellen fehlen. Es gab wohl einige Schwierigkeiten und Interessenkonflikte. 1516 mahnte Beatus Rhenanus, der offenbar eine vermittelnde Rolle zwischen Kaspar Frey und Sebastian Brant gespielt hatte, eine Reaktion Brants zu der ihm zuvor zugestellten Übersetzung an11. Beatus Rhenanus war sich anscheinend nicht sicher, ob Brant die Übersetzung gutheißen würde. Der Straßburger Kanzler schien sich reichlich Zeit mit der Begutachtung der Übertragung gelassen zu haben; Rhenanus will schließlich wissen, ob Brant überhaupt an einer Publikation Interesse habe oder nicht. Das Werk, das es wert sei, publiziert zu werden, solle einem künstlerisch versierten Buchmacher gegeben werden, dazu brauche man Brants Arbeitsanweisungen. Kaspar Frey und sein Bruder begannen sich allmählich Sorgen zu machen, dass Brant wegen seiner vielen Beschäftigungen nicht genügend Aufmerksamkeit auf das immerhin einzige schriftliche Exemplar verwendete.

Dass Sebastian Brant die Übertragung nicht selbst vorgenommen hat, dürfte – wie es in dem Brief des Beatus Rhenanus ja auch anklingt – mit seinem zeitaufwendigen Amt als Stadtschreiber und Kanzler der Stadt Straßburg zu begründen sein. Leider erfährt man aus der Vorrede Kaspar Freys nichts darüber, ob Sebastian Brant selbst ein Interesse an der Übersetzung bekundet oder gar einen Auftrag dafür erteilt hat. Somit muss einstweilen auch die Frage unbeantwortet bleiben, warum zwischen der Übertragung und dem Druck so viel Zeit vergangen war. Möglicherweise deutet dies darauf hin, dass Brant zunächst keinen Bedarf an

9 Vgl. Von dem Anfang, fol. Iiii

v.

10 Vgl. Georg Wolfgang PANZER: Annalen der älteren deutschen Litteratur oder Anzeige und

Beschreibung derjenigen Bücher, welche von Erfindung des Buchdrucks bis MDXX in deutscher

Sprache gedruckt worden sind. 2 Bände. Nürnberg 1788-1805; hier Nr. 912. Panzer erwähnt eine angeblich ältere Auflage von 1513, die in Straßburg gedruckt worden sei und in einem nicht näher benannten Wiener Katalog verkäuflicher Bücher genannt werde. Es handelt sich bei der genannten Jahreszahl (1513) wahrscheinlich um eine Verschreibung; gemeint ist wohl die Auflage von 1518, da sonst keinerlei Hinweise auf einen Druck aus dem Jahr 1513 zu finden waren.

11 Briefwechsel des Beatus Rhenanus. Gesammelt und herausgegeben von Adalbert HORAWITZ und Karl HARTFELDER. Leipzig 1886, ND Hildesheim 1966, S. 581f, Nr. 439: „Beatus Rhenanus Sebastiano Branto S. D. Ioannes Fry Badensis unus est ex eorum numero, qui me studiosius colunt. Is mihi nuper exposuit, quemadmodum Caspar suus frater germanus, qui pridem inclytae Thuregiensium civitatis supremus scriba factus sit, homo Latine non imperitus, e scriptis tuis quaedam in linguam Germanicam verterit, historiam videlicet illam de origine et conversatione regum Hierosolymitarum, quam tu olim Caesari Maximiliano dicasti. Atque id tralationis istuc sese per Theobaldum vectorem misisse aiebat una cum literis fratris sui, quibus rogabare, dares operam, ut id opus, modo luce non indignum videretur, istuc librarius aliquis artifex informaret. Iam cum tot sunt menses, quum tu nil risponderis, quod tamen in literis unice fratrem ille petiisse dicebat, timent utrique, ne moles occupationum, quibus in maximis amplissimae reipublicae negociis iugiter distineris, eius rei tibi curam excusserit. Proinde rogarunt (sed et cum illis ego) des per hunc tabellarium aliquid ad nos literarum, quibus significes, albone an atro calculo opus ad te missum

notaris et aedendumne an supprimendum tibi videatur. Bene vale“.

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dem Druck eines so langen Textes sah, unter Umständen sogar vor dem Hintergrund des wohl eher mäßigen Erfolgs der lateinischen Version. Als dann aber 1518 die Türkenkreuzzugsfrage wieder virulent wurde, könnte er sich doch für die Drucklegung entschlossen haben.

Kaspar Frey stammte aus Baden im Aargau. Er studierte 1481/82 in Basel, möglicherweise als Mitstudent Sebastian Brants, und war später (1494-1498) Stadtschreiber in Baden (als Nachfolger des Ulrich Zasius), danach Schultheiß ebendort. Im Schwabenkrieg 1499 hatte er als oberster Hauptmann die Truppen der Stadt Baden befehligt. Im Lauf des Mai/Juni 1499 wechselte er die Stelle, seit spätestens Juli erscheint er als äbtischer Gesandter auf Friedensverhandlungen. Von Oktober 1499 bis November 1504 ist er in St. Gallen als Lehenvogt unter Abt Gotthard Giel von Glattburg sowie als zeitweiliger Stellvertreter des Hofmeisters nachgewiesen. Danach wurde er zum äbtischen Reichsvogt in Rorschach, Steinach und Goldach bestellt. Dieses Amt übte er bis 1515 aus. Während dieser Zeit hatte er

die Übersetzung von De origine angefertigt. Kaspar Frey befehligte noch einmal 1507 die Truppen des Abtes von St. Gallen auf den eidgenössischen Feldzügen nach Italien. Ende Oktober 1515 wurde er zum Stadtschreiber von Zürich gewählt, ein Amt, das er ab Februar 1516 innehatte. In Zürich ist er als Anhänger und Freund Zwinglis bekannt; so wirkte er unter anderem in verschiedenen Kommissionen zur Unterstützung der Reformation in Zürich mit. Obwohl Kaspar Frey als Anhänger der eidgenössischen Seite gelten kann, schätzte er Maximilian I. hoch und bezog möglicherweise kaiserliche Provisionen (in seiner Zürcher Zeit als Stadtschreiber sehr wahrscheinlich).12 Somit steht seine Übersetzung des Brantschen Werkes, das sich eindeutig für das römisch-deutsche Kaisertum und insbesondere für Maximilian I. aussprach, in keinem Kontrast zu seinen eidgenössischen Ambitionen. Auch wenn Frey Kenntnis davon hatte, dass Sebastian Brant kein Freund der

eidgenössischen buren war, waren vermutlich die Bande aus seinen Studienzeiten und das gemeinsame Interesse an humanistischer Bildung stärker als die politischen Differenzen.

Bei der Übersetzung handelt es sich um eine einigermaßen wortgetreue Übertragung des lateinischen Textes ins Deutsche. Brant (bzw. Kaspar Frey) hat keine Veränderungen am Text vorgenommen, ja noch nicht einmal eine neue Vorrede zu seinem Text verfasst. Dies war im Grunde auch nicht nötig, denn das behandelte Thema war ja nach wie vor aktuell, ebenso die Widmung an Maximilian. Dennoch hätte man durchaus eine neue oder zumindest zusätzliche, kurze Widmung oder Einleitung zu dem Text erwarten können, wenige Worte, die erklären, warum eine Neuauflage gerade zu diesem Zeitpunkt erfolgte und warum eine Übertragung in die Volkssprache vorgenommen wurde. Das Fehlen einer

12 Für die Angaben danke ich herzlich Andre Gutmann. Gutmann schreibt Kaspar Frey die Abfassung einer eidgenössischen Chronik bislang unbekannter Autorenschaft zu. Zur Biografie

Kaspar Freys vgl. Andre GUTMANN: Die Schwabenkriegschronik des Kaspar Frey und ihre

Stellung in der eidgenössischen Historiographie des 16. Jahrhunderts (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. 176, Teil 1 und 2), Stuttgart 2010, Kap. D.II.2 (S. 206-318), darin zu der Brant-Übersetzung Kap. D.II.2.7 (S. 312-316).

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solchen Vorrede lässt ebenfalls auf ein eher geringes Interesse Brants an der deutschen Version schließen.

Die wesentlichen Unterschiede zum Lateinischen sind vom Textbestand aus betrachtet folgende: Der Übersetzer, Kaspar Frey, hat die eingangs zitierte einseitige Vorrede verfasst, die er dem Brantschen Text vorangestellt hat. Der deutsche Text ist, anders als der lateinische, in zahlreiche Unterkapitel eingeteilt, die jeweils eine eigene Überschrift erhalten haben. Diese Kapitelüberschriften bilden auch das Inhaltsverzeichnis, das sich noch vor der Vorrede Kaspar Freys befindet. Außerdem fehlt dem deutschen Text das Schlussgedicht. Die Verse hat Kaspar Frey offenbar nicht in die Volkssprache übertragen wollen. Die Übersetzung ist, wie bereits erwähnt, im wesentlichen wortgetreu und treffend. Sehr häufig hat Frey Wortverdoppelungen vorgenommen (z.B. „[...] scaeptra Romana adoravere“ – [....] „haben die zepter des roemischen reychs angerüefft vnd geeret“). Gelegentlich haben sich kleinere Missinterpretationen und grammatische Fehler eingeschlichen (z.B. „Italiea civitates pacis expertes de principatu asiduo sese lacerant“ – „die stett Italie so die frids befinden seind sie staets von der fürstenthuomm wegen sich selbs

zerreissen“. Hier hat Frey die Vokabeln expers und experior vertauscht). Auffällig ist, und dies betrifft in erster Linie die Mahnrede, dass Frey nicht selten die Zitate klassischer Autoren wie Vergil nicht übersetzt hat. Allerdings betrifft das nicht alle Zitate, und die Auslassungen erscheinen mehr oder weniger willkürlich.

In der Ausgestaltung unterscheidet sich das deutsche Buch erheblich von der lateinischen Ausgabe. Als Foliant ist das Werk nicht nur deutlich größer. Das deutsche Buch zählt 103 Blatt, die zu Lagen von je sechs Blatt gebunden sind; eine Seite umfasst jeweils 47 Zeilen. Es enthält zudem zahlreiche Holzschnitte, jedoch keinen der beiden beschriebenen der lateinischen Ausgabe. Das Titelblatt (siehe Abb. 4 im Anhang) ist von Ornamenten und Figuren umrahmt (rechts und links Ornamente, oben Putten und Tierköpfe, unten Rüstung und Waffen). Innerhalb der Umrahmung befindet sich in der oberen Mitte der Titel in Fraktur, darunter eine umrahmte Darstellung eines Segelschiffes im Sturm vor dem Hintergrund einer Stadt (Jerusalem). Der Titel hat eine ornamental umrahmte Initiale; die erste Zeile ist durch größere Schrift hervorgehoben. Die weiteren Holzschnitte sind, verglichen mit denen anderer zeitgenössischer Bücher, von eher bescheidener Qualität. Außerdem stammen nicht alle vom gleichen Künstler, der Stil ist bisweilen sehr unterschiedlich. Einige Holzschnitte finden mehrfach Verwendung: Bei einem neuen Herrscher oder bei einem stattfindenden Konzil tauchen die selben Bilder wieder auf. Allerdings wird dieses System nicht durchgängig eingehalten. Die Bilder wurden nicht eigens für das Buch entworfen und geschnitten, sondern Knoblouch verwendete, wie häufig üblich, Holzstöcke, die sich bereits in seinem Besitz befanden und die er zum Teil schon anderweitig benutzt hatte. Knoblouch war ein reicher Buchdrucker und Verleger, der neben seinen eigenen auch die Drucke anderer Werkstätten finanziert hatte. Er beschäftigte verschiedene Künstler in seiner Werkstatt, so etwa Hans Baldung Grien, Urs Graf oder Wächtelin.13 Er arbeitete

13 Vgl. Paul KRISTELLER: Die Straßburger Bücher-Illustration im XV. und im Anfange des XVI.

Jahrhunderts. Leipzig 1888 (Beiträge zur Kunstgeschichte NF. 7), S. 12.

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eng mit anderen Druckern wie Michael Hupfuff zusammen und verwendete zum Teil die gleichen Holzstöcke für die Illustration der von ihm herausgegebenen bzw. gedruckten Bücher. Im Jahr 1500 hatte Knoblouch die Offizin M. Flachs des Älteren durch die Heirat von dessen Witwe übernommen, 1516 übernahm er die Bestände der Offizin Hupfuffs. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammen auch die

Holzschnitte in Von dem anfang aus diesen älteren Beständen: „In der Mehrzahl seiner illustrierten Bücher verwendet er [Knoblouch] ältere Kistlersche und Hupfuffsche Holzschnitte“; so benutzte er „in Adelphus’ türkischer Chronik 1516 und in Brants Anfang der Stadt Jerusalem 1518 [...] die Stöcke aus M. Flachs des Jüngeren 1513 gedruckter Belagerung von Rhodos von Caoursin“.14 Von den

insgesamt 48 verschiedenen Holzdrucken in Von dem anfang stammen laut Kristeller 17 aus der Werkstatt des Bartholomäus Kistler, 21 aus der 1485 in Straßburg bei Johannes Grüninger gedruckten, zehnten deutschen Bibel,15 drei aus

Ulrich Tenglers 1510 bei Hupfuff gedruckten Layenspiegel,16 fünf aus Caoursins

1513 bei M. Flach d. Jüngerem gedruckter Historia von Rhodis17 und zwei aus

14 Vgl. KRISTELLER 1888, S. 13 (Zitat), S. 56ff und S. 63 (Zitat).

15 Biblia germanica, Straßburg, Johannes Grüninger, 1485 (= Die zehnte deutsche Bibel. 2 Bände.

Vgl. Hain Nr. 3138). Henning WENDLAND: Deutsche Holzschnitte bis zum Ende des 17.

Jahrhunderts. Neuausgabe des Blauen Buches von Heinrich Höhn aus den Jahren 1925, 1936, 1942. Königstein/Taunus 1980, S. 73 (Abb. 56), benutzte ein Exemplar aus Schweizer Privatbesitz (darin sind die Holzschnitte koloriert). Zu den Bibelillustrationen vgl. S. 45f: „Einen starken Einfluss übte ein anderer Illustrationszyklus aus: die 123 großen querformatigen Holzschnitte zur niederdeutschen Kölner Bibel, die 1478/1479 in zwei Ausgaben, einer niedersächsischen und einer niederrheinischen, erschien. Weit über 100 Jahre lang haben diese Bilder die nachfolgenden Bibel-Illustrationen, auch nachreformatorischer und ausländischer Bibelausgaben beeinflusst [...]. Wurden die Kölner Holzschnitte selbst 1483 in Nürnberg für Anton Kobergers (neunte deutsche) Bibel und für die letzte vorlutherische Halberstädter Bibel (1522) erneut abgedruckt, so hat der Künstler der Grüninger-Bibel, Straßburg 1485, die Kölner Vorlagen oft eigenständig abgewandelt und der wohl niederländisch beeinflussten Kölner Vorlage eine etwas mehr der deutschen Holzschnittmanier entsprechende Bildform gegeben [...]. Sind beim Kölner Vorbild die Linien meist recht gleichmäßig gehalten, so verwendet der Straßburger Meister kräftig an- und abschwellende Linien. Mit kleineren schwarzen Flächen setzt er oft spannungsreiche Akzente, die dem nichtkolorierten Bild ebenso Wirkung verleihen wie dem vollständig kolorierten Abrduck. Geradie hier lässt sich die landschaftsgebundene Prägung (oder Umprägung) gegebener Vorbilder gut erkennen“.

16 Ulrich TENGLER: Layenspiegel. Von rechtmässigen Ordnungen in burgerlichen und peinlichen

Regimenten, mit Allegation und Bewerungen auß geschribnen Rechten unnd Gesatzen. Straßburg, Michael Hupfuff, 1510 [VD 16 T 338. Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: R 2215,a]. Die Angaben ließen sich bestätigen, es handelt sich um die Abbildungen Nr. 35, Nr. 41 = Nr. 48. Kristeller zählte den bei Brant zweimal verwendeten Schnitt doppelt. Die Abbildungen befinden

sich im Layenspiegel auf den Blättern [xxxvj]v bzw. [Hvj]v und lxxviij bzw. Liiij.

17 Guillaume CAOURSIN, Johannes ADELPHUS: Historia Uon Rhodis Wie ritterlich sie sich

gehalte(n) mit dem Tyrannischen keiser Machomet vß Türckye(n) lustig vn(d) lieplich zu(o) lesen. (Deutsch von Johannes ADELPHUS). Straßburg, M. Flach d. Jüngere, 1513 [VD16 C 790. Benutztes Exempar: BSB, Sign.: 2 Eur. 8s; Permalink: http://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=165984559]. Es handelt sich um die Abbildungen Nr. 15 = Nr. 50 (bei Caoursin [Bv]v), Nr. 44 (Lv), Nr. 63 (Lvv), Nr. 67 (Ciijr) und Nr. 68 ([Avj]r, Fijr, Giijr).

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Ludovico de Varthemas Barthemia,18 die 1516 bei Knoblouch selbst erschienen war.19 Weitere Angaben zum Bildprogramm finden sich bei François Ritter:20 Ihm zufolge stammen 35 Holzschnitte aus dem genannten Bibeldruck (Ritter hat die mehrfach verwendeten mitgezählt und meint somit die 21 von Kristeller genannten); die größte Abbildung, die Maximilian auf seinem Thron zeigt (Nr. 2), sei in einer bei Kistler 1503 gedruckten Alexandergeschichte verwendet worden und befinde sich auch in jener 1514 bei Hupfuff gedruckten Version;21 einige stammten

aus einer Prenosticatio von 1497, bei Kistler erschienen,22 und weitere schließlich

aus der auch bei Kristeller genannten Historia von Rhodis von Caoursin. Ebenso

nennt Ritter die Holzschnitte, die in Tenglers Layenspiegel abgedruckt sind. Die erste Abbildung in Brants Buch (mit der Darstellung Maximilians) wurde tatsächlich zuvor in einer 1503 bei Barholomäus Kistler erschienenen deutschen Version der Eusebschen Geschichte Alexanders des Großen als Titelblatt verwendet. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass fünf bzw. sechs weitere der Brantschen Abbildungen zuvor für die beiden Ausgaben der Alexandergeschichte verwendet worden sind.

Neben der im Unterschied zur lateinischen Ausgabe sehr viel reicheren Bebilderung fällt darüber hinaus die Einteilung des Textes in Kapitel auf. Der Text

18 Ludovico DE VARTHEMA: Die Ritterlich vn(d) lobwirdig rayss des gestrengen vn(d) vber all

ander weyt erfarnen ritters und Lantfarers herren Ludowico vartomans vo(n) Bolonia.... Straßburg, Joh. Knoblouch, 1516. Bei Kristeller ist als Erscheinungsjahr 1515 angegeben. Das Werk [VD 16 ZV 15157] befindet sich in der HAB in Wolfenbüttel, in der ÖNB in Wien und in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen.

19 Vgl. KRISTELLER 1888, S. 26, Nr. 400.

20 François RITTER: Répertoire bibliographique des livres imprimés en Alsace au 16e

siècle de la

Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg. 4 Bände. Strasbourg 1932-1961, Bd. 1, S. 152.

21 EUSEBIUS CAESARIENSIS: Das bu(o)ch der geschücht des grossen Allexandrs Vnnd an(der)

hystorien / ist durch mich Joha(n)nes doctor jn ertzney / vn(d) jn natürlichen künsten vß dem

ledtein zu(o) teutschem gemacht mit scho(e)nne(n) figuren (et)c. Straßburg, Bartholomäus Kistler, 1503 [VD 16 E 4313. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: Rar. 2290; Permalink: http://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=214287800]. Es handelt sich um die Abbildungen Nr. 2 (bei Euseb [I]r/[Aj]r und XLVIIIr/[Hiiij]r), Nr. 26 (XXXv/Eiiijv und LXXXIXr/[Pv]r), Nr. 28 = Nr. 51 (XLr/Gijr und LXXXVIIIv/Piijv), Nr. 46 (XXXIXv/Gjv), Nr. 55 (LXXXVIIIr/Piijr) und Nr. 59 (XXVr/[Dv]r). Im Jahr 1514 erschien eine weitere Ausgabe der Alexandergeschichte, jedoch ebenfalls bei Kistler und nicht bei Hupfuff, wie Ritter schreibt. Vgl. EUSEBIUS CAESARIENSIS,

Johannes HARTLIEB: Das buch der geschicht des grossen Allexanders wie Eusebius beschriben vn(d)

geteutscht hat / newgetruckt mit vyl scho(e)nen figuren. Straßburg, Bartholomäus Kistler, 1514 [VD 16 E 4314. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: Rar. 2109; Permalink: http://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=231975228]. Hier überschneiden sich die Abbildungen Nr. 2 ([I]r/[Aj]r (handkoloriert) und XLVIv/Hijv), Nr. 26 (XXIXr/Eiijr, LXXXVIIr/Pr und XCv/[Piiij]v), Nr. 28 = Nr. 51 (XXXVIIIv/[Fvj]v und XCr/[Piiij]r), Nr. 46 (XXXVIIIr/[Fvj]r und LXXXIXv/Piijv), Nr. 55 (LXXXVIIIr/Pijr), Nr. 58 (LXXXIr/Or) und Nr. 59 (XXIIIv/Diijv).

22 Es handelt sich vermutlich um Johannes LICHTENBERGER: Prognosticatio = Prenosticatio zu

tüetsch, Straßburg, Bartholmäus Kistler, 1497 [GW M18245].

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ist in zahlreiche kleine Einheiten zerlegt, die jeweils eine halbe bis höchstens eineinhalb Seiten umfassen. Jede Einheit hat eine eigene Überschrift, deren erste Zeile durch Großdruck hervorgehoben ist. Der Text der jeweiligen Kapitel beginnt mit kunstvoll gestalteten Initialen, deren Höhe in der Regel sieben Textzeilen umfasst. Die Initialen haben eine Umrahmung, der Raum innerhalb dieses Rahmens ist mit Ornamenten gefüllt. Wie der lateinische Text verfügt auch der deutsche über Marginalien. Es handelt sich meist um die selben (übersetzten) Randglossen der lateinischen Version, allerdings stimmen nicht alle Marginalien überein; manche hat Frey nicht übernommen.

1.3. Käufer und Leser

Am interessantesten, aber wohl auch am schwierigsten zu beantworten ist die Frage, wer das Buch nach seinem Erscheinen 1495 zur Kenntnis genommen und gelesen hat. Außer dem eingangs genannten Ulmer Bürger Kraft Hofmann, der von Johann Amerbach ein Exemplar des Buches erwerben wollte, besaß auch Hartmann Schedel ein Exemplar, das er mit handschriftlichen Kommentaren und einem handschriftlichen Inhaltsverzeichnis versehen hatte.23 Beatus Rhenanus hatte wohl Kenntnis des Textes, denn er hatte zwischen dem Übersetzer Kaspar Frey und Sebastian Brant vermittelt. Der Straßburger Arzt und Zeitgenosse Sebastian Brants,

Johannes Adelphus,24 hatte eine Türckische Chronica verfasst, die 1516 in Knoblouchs Werkstatt gedruckt wurde.25 In Brants deutscher „Geschichte Jerusalems“ befinden sich nicht nur die drei Holzschnitte, die in eben jener Chronik des Adelphus schon Verwendung fanden. Adelphus war auch dabei, Brants Werk ins Deutsche zu übertragen. Im Vorwort zu einem von ihm übersetzten Werk Geilers von Kaysersberg spricht Adelphus von seiner Übersetzung, die er nun vollenden wolle: „Als ich gan(n) kurtzlich yetzodan angefangen hab / die hystory

23 Das Exemplar befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München (Sign.: 4° Inc. c. a. 1192) und ist mit weiteren Werken Brants und Jakob Wimpfelings zusammengebunden. Vgl.

Bayerische Staatsbibliothek: Inkunabelkatalog. Redaktion: Elmar HERTRICH u.a. 5 Bände.

Wiesbaden 1988-2000, Nr. B-810. Zur Schedelschen Bibliothek vgl. auch Richard STAUBER: Die

Schedelsche Bibliothek. Ein Beitrag zur Geschichte der Ausbreitung der italienischen Renaissance,

des deutschen Humanismus und der medizinischen Literatur. Freiburg im Breisgau 1908 (Studien und Darstellungen aus dem Gebiete der Geschichte VI, 2/3).

24 Zu Adelphus vgl. Gerhard EIS: Adelphus, Johannes, in: NDB Band 1, S. 62f; Joseph KNEPPER:

Ein elsässischer Arzt der Humanistenzeit als deutscher Poet. Ein Beitrag zur Kenntnis der

schriftstellerischen Thätigkeit der elsässischen Humanisten, in: Jahrbuch für Geschichte, Sprache

und Literatur Elsass-Lothringens 17 (1901), S. 17-24; DERS.: Beiträge zur Würdigung des

elsässischen Humanisten Adelphus Muling mit besonderer Berücksichtigung seiner deutschen

Übersetzungen und Gedichte, in: Alemania 3 (1930), S. 143-192; SCHMITDT 1879 Band 2, S. 133-149 und S. 401-406 (Bibliographie).

25 Johannes ADELPHUS: DJe Türckisch Chronica Von irem vrsprung anefang vnd regiment biß vff

dise zeyt sampt irem kriegen vnd streyten mit den christen begangen Erba(e)rmklich zu(o) lesen. Straßburg, Johann Knoblouch, 1516 [VD 16 A 237. Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: G 4531f].

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d(er) statt Hierusalem / durch den hochglelerten herre(n) Doctor Sebastian Brandt / in latyn versamlet vnd loblichen beschriben / von irem vrsprung vnd anefangt / wer die gebauwen / in(n)gehebt vnd bißher regiert hat / wie offt sy zersto(e)ret vnd gewunnen / was gu(o)tter from(m)er vn(d) bo(e)ser künig sie gehebt / als diß dan(n) alles gar clarlich durch in ist verzeichnet dem Keyser Maximilian / vnd ich yetzodan vollenden wil / durch hilff gottes / vnd interpretieren in teütsche sprachen“.26 Diese Vorrede schrieb Adelphus an Pfingsten des Jahres 1514, also vier Jahre vor dem Erscheinen der Freyschen Übersetzung. Adelphus lobte die Qualität des Brantschen Werks und stellte es in eine Reihe mit den Historien des Titus Livius: „Wo(e)lches werck nit minder angenem würt / den liebhabern der schrifften / zu(o) ergründen vnnd erkunden die alten hystorieny weder Titus Livius gewesen ist / ein beschryber vn(d) außleger Rho(e)mischer hystorien. Darumb das es ein solcher fürtreflicher man versamlet und colligiert hat / vß allen glaubwürdigen

bu(e)chern vnd geschrifften(n)“. Adelpus erwähnte sein Übersetzungsprojekt bereits ein Jahr zuvor, und zwar ebenfalls in der Vorrede einer von ihm angefertigen Übersetzung von Geiler von Kaysersberg, in der Passion des Herren Jesu. Dort nennt er eine Reihe von Büchern, die er noch übersetzen will, darunter: „Vn(d) nachmals fürter / was mich got ermanet vn(d) gu(o)t duncket / als namlichen wer.eins Doctor brands Iherusalem von vrsprung aller gu(o)ten vnd bo(e)ßen künigen“. Dieses Vorwort ist auf den St. Michaelstag 1513 datiert.27

Adelphus hatte bereits ein anderes Werk Brants ins Deutsche übertragen, die von Brant herausgegebenen Fabeln Äsops.28 Johannes Adelphus widmete seine

Türckische Chronica dem Luzerner Gerichtsschreiber Petermann Etterlin. Da jener bereits eine Chronik der Eidgenossenschaft verfasst habe, sehe er selbst sich nun veranlasst, auch eine solche über die Türken zu schreiben, denn diese würden täglich an Macht gewinnen, weil die christliche Gerechtigkeit nachlasse. Er hoffe, dass dank seiner Chronik ein Widerstand gegen das grausame Volk der Türken erwachsen würde, und zwar vor allem „bey eüwer Nation als besundern erfarnen

kriegsleüten“, also den Eidgenossen. Diese sollten der christlichen Kirche Beistand

26 Vgl. Geiler von KAYSERSBERG/Johannes ADELPHUS, Doctor keisperspergs pater noster. Des

hochgelehrte(n) wurdige(n) Predica(n)ten der loblichen statt Straßburg. Ußlegung über das gebette

des herre(n), so wir täglich sprechen. Vatter vnser der du bist in den hymeln... Straßburg, Michael Hupfuff, 1515, Fol. [Avj]r. [VD 16 G 786. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: Res/2 P lat 874; Permalink: http://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=243456511]. Der Hinweis findet sich bereits bei KNEPPER 1930, S. 155. Aus technischen Gründen ist der im Originaltext über die anderen Buchstaben gesetzte Buchstabe e in Klammern hinter dem betreffenden Buchstaben wiedergegeben. Dies trifft auch auf alle folgenden Zitate zu.

27 Vgl. Geiler von KAYSERSBERG/Johannes ADELPHUS: Doctor Keiserspegrs (!) Passion des Here(n)

Jesu. . Fürgeben und geprediget gar betrachtiglich (partikuliert) und geteilt in stückes weiß einsüßen

Lebku(o)chen... Neulich uß dem latyn in tütsche sprach Tranßveriert durch Johannem Adelphum

Physicum von Straßburg. Straßburg, Grüniger, 1514. [VD 16 G 747. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: Res/2 P lat 866; Permalink: http://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=243456509]. Den Hinweis auf diese Vorankündigung gaben bereits SCHMIDT 1879 Bd. 2, S. 243f, und DELGADO 1968, S. 461.

28 Vgl. SCHMIDT 1879 Bd. 2, S. 363f.

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gegen „die genanten wu(e)ttenden hunden und blu(e)t vergiessern“ leisten. Das Widmungsschreiben verfasste Adelphus in Trier „am iars abent nach der geburt

christi“ 1513.29 Diesem Schreiben folgt eine Rede an alle Eidgenossen, insbesondere an den in Bern ansässigen Ritter Wilhelm von Dießbach, in der Adelphus klarstellt, dass die einzige legitime, das heißt der christlichen Religion entsprechende Herrschaftsweise das Königtum sei, und wer dieses nicht unterstütze, handle gegen Gott.30 Damit verpasst Adelphus den Eidgenossen eine kräftige Ohrfeige, denn die Abwendung vom Reich zugunsten der Schwurbrüderschaft war für Adelphus – wie auch für Brant – ein weiterer Grund für die ungehinderte Ausbreitung der Türken, da die Schweizer Maximilians Türkenzugspläne nicht unterstützten. Da die Chronik des Adelphus sich auf die Geschichte der Osmanen (Türken) konzentriert und keinen Bezug zu Jerusalem hat, lässt sich kein direkter Einfluss von Brants Werk nachweisen. In der Regel ist der Stil des Adelphus sehr viel polemischer und der Inhalt, sofern es Überschneidungen gibt, etwa bei der Belagerung und Einnahme Konstantinopels 1453, ausführlicher als bei Brant.31 Vergleicht man den Schlussteil

von Adelphus’ Chronik mit der Mahnrede von Brants De origine, dann fällt ins Auge, dass auch der Straßburger Arzt sein Buch damit schließt, christliche Eintracht anzumahnen und dazu aufzufordern, innerchristliche Streitigkeiten beizulegen.32 Die Tatsache, dass Adelphus Brants Buch übersetzen wollte, zeigt zumindest, dass er es gelesen und für bedeutsam erachtet hatte und dass er ebenfalls, wahrscheinlich

inspiriert durch De origine, die innerchristliche Zwietracht als Ursache für das Türkenproblem erkannte.

1.4. Nachdrucke

Der lateinische Druck erschien in nur einer Auflage (1495 in Basel). Von dieser Auflage sind weltweit noch etwa 70 Exemplare vorhanden. Weitere Nachdrucke des gesamten Textes sind bislang nicht bekannt. Das Schlussgedicht des Buches jedoch,

Epilogus Regum circa Hierosolymam conversantium. S. Brant., wurde von

Sebastian Brant selbst noch einmal in seine Sammlung Varia Carmina aufgenommen. Es befindet sich sowohl in am 1. Mai 1498 in Basel bei Johann Bergmann von Olpe erschienenen als auch in der am 1. August in Straßburg bei Johannes Grüninger gedruckten Ausgabe.33 In der Basler Ausgabe befindet sich zu

29 Vgl. ADELPHUS, Türckische Chronica, fol. Aij.

30 Vgl. ADELPHUS, Türckische Chronica, fol. Aijr -Aiiij

r.

31 Vgl. SCHMIDT 1879, Band 2, S. 144 zufolge handelt es sich bei der genannten Chronik um eine Kompilation der Werke des Marcantonius Sabellicus, Hartmann Schedels, Caoursins und Brants, deshalb sei das Werk ohne historische Bedeutung. Die erwähnten Kompilationen zumindest des Brantschen Werkes ließen sich in dieser Weise nicht bestätigen, auch wenn ein Einfluss sehr wahrscheinlich gemacht werden muss.

32 Vgl. ADELPHUS, Türckische Chronika, fol. Dr.

33 Sebastian BRANT: Varia Sebastiani Brant carmina. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1498 (dr-

eiiijr), und Varia Sebastiani Brant Carmina. Straßburg, Grüniger, August 1498 ([Dvj]v-Gijr). Vgl. auch WILHELMI 1990, Nr. 76 und 77 sowie WILHELMI 1998, Nr. 147.

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Beginn des Textes (dr) der gleiche Holzschnitt wie auf dem Titelblatt von De

origine, und zwar mit der Überschrift Ad diuum Maximilianum regem

gloriosissimum: in vitam & conuersationem regum Israhel & Iuda. S. Brant. Damit

erhält das Gedicht die gleiche Überschrift, die sich in De origine über der halbseitigen Vorrede des eigentlichen Gedichtes befindet. Die Verse selbst

beginnen, wie auch in De origine, auf der folgenden Seite ([d]v) mit dem Titel

Epilogus regum circa Hierosolymam conuersantium. In der Straßburger Ausgabe Grüningers befindet sich ebenfalls vor Beginn des Gedichtes ein Holzdruck, der wiederum Maximilian vor den Toren Jerusalems zeigt, diesmal handelt es sich jedoch um einen anderen Schnitt. Grüninger ließ offenbar eigens einen Druckstock für das Bild anfertigen. Im Vergleich zur Basler Ausgabe ist dieser Schnitt in der Ausarbeitung wesentlich detailgetreuer und feiner gearbeitet. Darüber hinaus befinden sich Auszüge jenes Gedichts in einer Sammlung mit panegyrischen Gedichten auf Maximilian I., die in Straßburg um 1519/20 gedruckt wurde.34

Neuere Editionen druckten manchmal ebenfalls nur Teile des Schlussgedichtes

ab; so befinden sich etwa eine gekürzte Version aus den Varia Carmina und sechs einzelne Verse bei Friedrich Zarncke (Verse 549-554), letztere der Panegyrikensammlung für Maximilian entstammend, sowie bei Maria Alvarita

Rajewski (Verse 1-6).35 José Jiménez Delgado hat in seinem Aufsatz zu De origine neben einzeln zitierten Sätzen zumindest die gesamte Widmung Brants an Maximilian abgedruckt, allerdings ohne editorische Bearbeitung. Thomas Wilhelmi hat in seiner Edition der „Kleinen Texte“ Sebastian Brants ebenfalls das Schlussgedicht mitaufgenommen, darüber hinaus noch das Widmungsschreiben an Maximilian I. am Anfang des Buches.

Da vor allem das Schlussgedicht des lateinischen Buches Beachtung gefunden hat, der übrige Text jedoch in den Folgejahren seines Erscheinens nicht wieder abgedruckt wurde, verwundert es nicht, dass auch dem deutschen Text keine weitere Zurkenntnisnahme beschieden war, die sich in einem erneuten Abdruck oder in Teilabdrucken niedergeschlagen hätte. Ob das Werk Brants in spätere Propagandaschriften gegen die Türken oder sogar in weitere Geschichtswerke zu Jerusalem oder dem Heiligen Land eingegangen ist, bleibt noch zu untersuchen.

34 Sebastian BRANT: In laudem divi Maximiliani Caesaris invict. ex Panegyricis Sebastiani Brant

ποικίλων τῶν κλᾶσματων (sic!) τάδε. De Imperij traductione a Graecis in Germanos. De foedere

Caesaris Maximiliani, cum pontifice Alexandro sexto. De virtutibus eiusdem Caes. Maximil. De

nobilitate eiusdem. Nenia Philippi Regis Hispaniae mortem. Exhortatio Hispaniae ad Carolum

Regem suum. Epicedion in mortem D. Maximil. Pasquillus ad Franciscum Galliae Regem. Straßburg, Johann Schott, 1519/20. Vgl. WILHELMI 1990, Nr. 258, und WILHELMI 1998, Bd. 3, Nr. 147.

35 Vgl. Friedrich ZARNCKE: Sebastian Brants Narrenschiff. Mit 4 Holzschnitten. Leipzig 1854, S.

185 (Auszug Varia Carmina) und S. 196 (Auszug In laudem...), und RAJEWSKI 1944, S. 41.

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1.5. Zur Rezeption in der Forschung

Der Umstand, dass der Text bislang weder neu aufgelegt noch vollständig kritisch ediert wurde, schlägt sich auch in der Forschungssituation nieder. Das lateinische Geschichtswerk Brants wird zwar in nicht wenigen maßgeblichen Aufsätzen und Lexikonartikeln erwähnt, erfährt aber selten mehr als die bloße Einreihung in sein Gesamtwerk. Die wenigen Beiträge, die sich eingehender mit dem Text beschäftigen, geben unterschiedliche Urteile zu Inhalt und Qualität des Werkes ab. Demnach hat man mit Brants „Geschichte Jerusalems“ eine Schrift vor sich, das alle Facetten der mittelalterlichen wie humanistischen Literatur zugleich widerzuspiegeln scheint.

Bis in die Mitte unseres Jahrhunderts ist der lateinische Titel in mehreren Bibliographien, Inkunabelverzeichnissen und Katalogen verzeichnet, z.T. in haarsträuben Formen, wie Adam Walther Strobels Titelaufnahme aus dem Jahr 1839

beweist: Hier liest man von einem Werk mit dem Titel »De origine et conservatione

bonorum regum et laude civitatis hierosolymae cum exhortatione ejus

temperandae«!36 Die früheste nachweisbare Erwähnung des Buches ist die

Titelaufnahme in Wolfgang Georg Panzers Annalen der älteren deutschen

Litteratur von 1788, entsprechend ist hier nur der deutsche Titel der Übersetzung Kaspar Freys von 1518 vermerkt. Ein Teil der Titelnennungen ist in Werken zu finden, die sich mit dem Basler Buchdruck oder mit den Holzschnitten des 15. und 16. Jahrhunderts beschäftigen.

Liest man in der »Encyclopädie der Wissenschaften und Künste« aus dem Jahr 1824 unter dem Stichwort „Brant“: „Was Brandt außerdem [d.i. Narrenschiff] noch, theils in seltenen Drucken, theils handschriftlich hinterlassen hat, kann für unsere Zeit nur ein bibliographisches Interesse haben“37 – darunter ist ausdrücklich auch die „Geschichte Jerusalems“ gefasst – so reihte Adam Walther Strobel 1839 das Werk trotz des falsch zitierten Titels erstmals zu den historischen Arbeiten Brants und bot eine kurze Beschreibung und Inhaltsangabe des Buches, in der er Brants Leistung würdigte: „...eine sehr umständliche Geschichte der Stadt Jerusalem...[die] kein unrühmliches Zeugnis von Brandt’s geschichtlicher Kenntnis ist.“.38 Strobel

36Vgl. Das Narrenschiff von Dr. Sebastian Brant, nebst dessen Freiheitstafel. Herausgegeben von Adam Walther STROBEL. Quedlinburg, Leipzig 1839 (Bibliothek der gesamten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit 17), S. 77. Strobel führte das Werk in seinem 1827

erschienenen Buch Beiträge zur deutschen Literatur und Literärgeschichte im Werkverzeichnis Brants auf S. 32 ebenfalls auf; neben der Angabe des lateinischen Titels erfolgt ein Hinweis auf die

deutsche Übersetzung und die Textgliederung. Vgl. Adam Walther STROBEL: Beiträge zur

deutschen Literatur und Literärgeschichte; Enthaltend: Kleine Gedichte Sebastian Brandts, nebst

einer Biographie und Portrait; Briefe von Thomas Murner, nebst fac simile; Conrad von

Danckroßheim, das heilige Namenbuch. Paris, Straßburg 1827.

37Vgl. Wilhelm MÜLLER: Artikel „Brant“, in: Johann Samuel ERSCH; Johann Gottfried GRUBER

(Hg.): Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und der Künste in alphabetischer Folge, Band 12. Leipzig 1824, S. 265.

38Vgl. STROBEL 1839, S. 77f.

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wies in diesem Zusammenhang auf die Tatsache hin, dass das Schlussgedicht von

De origine samt Holzschnitt auch in Brants „Varia carmina“ abgedruckt ist.39 Eine erste ausführlichere Beschreibung erfährt das Werk in Charles Schmidts

Histoire littéraire de l’Alsace aus dem Jahr 1879.40 De origine findet sich in dem

Kapitel mit der Überschrift Publications juridiques et travaux historiques wieder.41 Schmidt sieht in dem Werk ein politisches Interesse im Dienst des römischen Kaisertums: „Son désir de voir l’Europe se lever, sous la conduite de Maximilien, pour chasser les Turcs et reconquérir la Palestine, lui inspira l’idée d’écrire une histoire de Jérusalem [.....] L’ouvrage n’est pas de ceux qu’on puisse consulter encore aujourd’hui; c’est une compilation [.....]“. Schmidt nennt einige Quellengrundlagen

Brants: Josephus’ Antiquitates und Bellum Judaicum, das siebte Buch der Historien des Orosius, die Chronik Martins von Troppau, die Papstviten Platinas und die Geschichte Venedigs des Sabellicus. Mit einiger Verwunderung bemerkt er, dass Brant den Kreuzzug Barbarossas nur streift, obwohl er das Werk Ottos von Freising gekannt haben müsste; sein abschließendes Urteil lautet: „Au fond, cette Histoire de Jérusalem n’est qu’une œvre de circonstance, destinée à rapeller l’ancienne gloire de la ville, ses vicissitudes, sa triste situation sous les Turcs et le devoir des chrétiens de la délivrer“.42

Joseph Knepper verwendet 1898 den Text, um Brants vermeintlich überschwenglichen Nationalismus darzustellen, jedoch ohne das Werk als solches gesondert hervorzuheben oder zu beschreiben, so dass man von einer bloßen Instrumentalisierung für die eigene Darstellung ausgehen muss. Dennoch hebt sich diese Verwertung weit über die reine Zurkenntnisnahme der Schrift ab: Er verwendet die Geschichte Jerusalems, um Brants Vaterlandsliebe und politisches Verantwortungsgefühl hervorzuheben. Hierbei untersucht er das Werk vor allem auf die Beziehung Brants zu Kaiser Maximilian und auf seine Ausführungen zur Situation des Reiches, d. h. zum gegenwärtigen Zustand der politischen Moral, zur

Türkengefahr, zur Franzosengefahr und zur Rolle des Kaisertums. De origine wird von Knepper im wesentlichen auf die damaligen aktuellen politischen Bezüge hin gelesen und als Textzeugnis für seine eigenen Ausführungen verwendet; das Werk als historische Arbeit spielt keine Rolle. Joseph Knepper hat das Werk indes gründlich gelesen und ist für lange Zeit der einzige Historiker geblieben, der sich in seiner Arbeit direkt auf Brants Text bezogen hat.43

In einer bis heute unverzichtbaren Studie von Paul Joachimsen über die deutsche humanistische Geschichtsschreibung ist auch Sebastian Brants „Geschichte Jerusalems“ vertreten.44 Brant wird hier zusammen mit Jakob Wimpfeling, Peter

39Vgl. STROBEL 1839, S. 62f.

40Vgl. SCHMIDT 1879. Zu Brant vgl. Band I, S. 189-334.

41Vgl. SCHMIDT 1879, Bd. 1, S. 249.

42Vgl. SCHMIDT 1879, Bd. 1, S. 248f.

43Vgl. KNEPPER 1898.

44Vgl. JOACHIMSEN 1910.

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Luder, Matthias von Kemnat, Sigismund Meisterlin, Felix Fabri und Johannes Trithemius als „scholastischer Humanist“ verstanden – entsprechend fällt auch das

Urteil über De origine aus: Das Buch zeige bereits die Idee, die Brant einem großen historischen Werk eines neuen Zeitalters zu geben in der Lage gewesen wäre, hätte er ein solches geschrieben: „Es ist ein Stück Türkenliteratur, die besonders seit dem Fall Konstantinopels sich üppig entfaltet hatte. Schon die ersten Reden von den Türkenreichstagen hatten historische Rückblicke gebracht, die Ausdeutung der Prophezeiungen führte ebenfalls dazu, alte Beschreibungen der Kreuzfahrten finden willige Leser und auch Übersetzer, in den Reisebeschreibungen des heiligen Landes nimmt der historische Teil eine besonders wichtige Stelle ein. Von all dem hat Brants Buch etwas“.45 Doch es beruhe „nicht gerade auf tiefen Quellenforschungen, aber doch auf guten Werken der Neueren, zumal der Italiener, wie der Geschichte Venedigs des Sabellicus, den Papstbiographien des Platina, den großen Türkenreden des Enea Silvio“ – die Angaben hat Joachimsen von Schmidt übernommen.46 Das Buch drückt nach Joachimsen Brants Vorstellung eines Weltherrschers aus, der als Rächer gegen die Ungläubigen zieht und ritterliche Tugend repräsentiert. Trotz der Verwendung humanistischer italienischer Geschichtsschreiber „werden wir nach dem bisherigen wenig Ursache haben, Brant zu den humanistischen Historikern zu stellen“.47

Es dauerte beinahe ein halbes Jahrhundert, bis sich erneut ein Historiker dem

lateinischen Prosawerk Brants widmete: William Gilbert untersuchte Brants Varia

Carmina und De origine, da diese Werke bislang wenig beachtet worden seien.48 Er betrachtete Brants Religiosität, seine Sichtweise über Politik und Gesellschaft sowie

Brants Türkenbild und sein Verhältnis zu Kaisertum und Nation. De origine wird von ihm ausführlicher als bislang paraphrasiert und historisch eingeordnet: Das Werk beruhe zwar auf breiter Kenntnis antiker, mittelalterlicher und zeitgenössischer Werke, insbesondere der italienischen Renaissanceschriftsteller, sei aber dennoch kein humanistisches Werk: Brants Blick auf die Geschichte werde von den zwei hervorstechenden Institutionen – Kirche und Reich – beherrscht und er schlage zur Lösung des Türkenproblems ein sich in der Vergangenheit als undurchführbar erwiesenes Mittel – einen Kreuzzug – vor. Auch die Gründe für den Verlust des heiligen Landes mache er nicht an handfesten politischen Umständen fest, sondern an der Sündhaftigkeit der Menschheit.49 Somit sieht Gilbert in Brants „Geschichte Jerusalems“ einen Repräsentanten althergebrachter Traditionen und Werte. Gilbert geht insofern weit über die bis dahin geleistete Forschungsarbeit hinaus, als er sich der Geschichte Jerusalems eigens widmet und ihren Inhalt zu erfassen versucht. Dabei analysiert er die einzelnen Abschnitte des

45Vgl. JOACHIMSEN 1910, S. 61f.

46Vgl. JOACHIMSEN 1910, S. 62 und S. 234, Anmerkung Nr. 73.

47Vgl. JOACHIMSEN 1910, S. 63.

48Vgl. GILBERT 1955.

49Vgl. GILBERT 1955, S. 162ff.

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Werkes kurz und setzt sie in Beziehung zu Brants Verständnis von Politik, zu seinen

übrigen Werken (v.a. den Varia Carmina) und zu Brants Weltbild.

In einem Aufsatz von Laetitia Boehm, der 1957 in der Zeitschrift Saeculum

erschien,50 wurde Brants De origine als historische Arbeit über die Kreuzzüge aufgefasst und mit den Arbeiten Wimpfelings, Nauklers und Trithemius’ als Vertreter des deutschen Humanismus in eine Reihe gestellt.51 Charakteristisch für diese Arbeiten sei die Verbindung mittelalterlich-christlichen Denkens mit den humanistischen Ideen: „Der säkularisierende Geist des italienischen Humanismus fand weniger Boden; er brach sich an einer mit religiösen Problemen ringenden, in seiner Gläubigkeit noch ganz im Mittelalter wurzelnden Volksschicht“. Hier spielen auch die Kreuzzüge eine besondere Rolle: Sie sind Ausdruck der mittelalterlichen Idee von der Schutzherrschaft des Kaisertums über das Christentum. Aktualität gewinnen sie dank der Türkengefahr. Laetitia Boehm hebt erstmals die Rolle der einzelnen Herrscher bei Brant hervor; „gute“ Könige seien diejenigen, die durch spektakuläre Taten der Christenheit dienten, wie etwa Karl der Große in seinem legendären Orientzug oder Otto I., der erfolgreich gegen die Ungarn und Sarazenen kämpfte. Ein schlechtes Zeugnis erhielt hingegen Heinrich IV., der die Fürsten durch Beschäftigung mit inneren Angelegenheiten vom Orientzug abgehalten hätte.52

Im Jahr 1967 erschien die erste modernere Biographie zu Sebastian Brant in monographischer Form.53 Ihr Autor, Edwin H. Zeydel, teilt das Gesamtwerk Brants

in die Entstehungszeit vor und nach dem Narrenschiff ein, das er somit als

unzweifelhaften Höhepunkt des literarischen Schaffens Sebastian Brants ansieht. De

origine, das ein Jahr später erschien, ist nach Zeydel eine Suasoria, die zwar die Ernsthaftigkeit Brants zum Ausdruck bringe, der aber nicht viel Erfolg beschieden worden sei. Zeydel betrachtet das Buch nach stilistischen und inhaltlichen Kriterien: Stilistisch sei es eine mit Gelehrtheit überladene historische Studie, die nach rhetorischen Regeln konzipiert sei. Der Text beinhalte mehr frommes Wunschdenken als historische Wahrheit.54 Einen breiten Raum nehme die Geschichte des frühen Jerusalem, Palästinas und der Juden ein, ebenso die Zerstörung der Stadt. Marginale Rolle spiele die Geschichte des römischen Reiches,

50Vgl. Laetitia BOEHM: „Gesta Dei per Francos“ oder „Gesta Francorum“? – Die Kreuzzüge als

historiographisches Problem, in: Saeculum 8 (1957), S. 43-81.

51Boehm untersuchte die Erörterungen über die Kreuzzüge in Wimpfelings Epitome rerum

germanicarum und in Felix Fabris Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabiae et Egypti

peregrinationem: Wimpfeling biete keine eigene Darstellung der Kreuzzüge, Felix Fabri berühre kaum humanistische Interessen. Vgl. BOEHM 1957, S. 57-59.

52Vgl. BOEHM 1957, S. 55f.

53Vgl. ZEYDEL 1967.

54Zeydel nennt zwar die Quellen von Brants Werk: Das Alte Testament einschließlich der Apokryphen, Josephus, Orosius, Martin von Troppau, Platina, Sabellicus und Enea Silvio, belegt dies aber nicht näher, so dass zu vermuten ist, dass er die Angaben von Schmidt übernommen hat. Vgl. ZEYDEL 1967, S. 107.

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hingegen würden die Taten der fränkischen Herrscher und die Untaten der Türken übertrieben. Den Höhepunkt bilde die Eroberung Konstantinopels 1453, die zeige, dass die Türken das Heilige Römische Reich Deutscher Nation zerstören wollten. Die bisherigen Fehlschläge und Verluste beruhten auf den Sünden der Menschen und Fehlern der Herrscher. Erst mit Maximilian breche ein neues Zeitalter an.55

Auch wenn das Werk literarisch mit dem Narrenschiff vergleichbar sei, sei es inhaltlich und stilistisch schwächer und richte sich mit illusionären Erwartungen an den Kaiser.56 Über diese wenigen Bemerkungen hinaus lässt sich Zeydel kaum auf das Werk ein und vermittelt eher den Eindruck von Desinteresse.57

Ausführlicher und mit einem sprachwissenschaftlichen Interesse widmete sich

schließlich José Jimenez Delgado Brants De origine. Der 1968 erschienene, in spanischer Sprache verfasste Aufsatz wurde von der deutschen Forschung kaum wahrgenommen, obwohl er nach wie vor die bisher ausführlichste

Auseinandersetzung mit De origine ist.58 Delgado untersucht zunächst die Konzeption des Werkes sowie ihren politischen Hintergrund. In einem zweiten Kapitel widmet er sich der Beschreibung des Textes nach äußeren und inneren

Merkmalen und dem Inhalt des Textes selbst. Das Schlussgedicht von De origine unterzieht er einer detaillierten philologischen Untersuchung. In einem dritten Kapitel untersucht Delgado den historischen Wert des Werkes anhand von Inhalt und Form sowie die literarische Qualität. Mit einer kurzen Beschreibung der deutschen Übersetzung schließt der Text. Delgado sieht in Brants Buch den Ausdruck einer allgemeinen Kriegspsychose: Das unverminderte Vorrücken der Osmanen und die Initiativen von Innozenz VIII. hätten eine Stimmung geschaffen, auf deren Hintergrund zahlreiche antitürkische Literatur entstand.59 Brants tiefchristliche Geisteshaltung hätte den Eindruck der Bedrohung noch verstärkt. Seine große Begeisterung für Kaiser Maximilian führe zur Projizierung seiner Person auf die Rolle des Retters der Christenheit, der Gedanke eines Kreuzzuges zur

Obsession.60 Dennoch ist De origine nach Delgado weit mehr als nur ein Aufruf zur Bekämpfung der Türken – es sei in erster Linie eine Geschichte Jerusalems und

55Vgl. ZEYDEL 1967, S. 106-109.

56Vgl. ZEYDEL 1967, S. 50 und S. 120.

57Zeydel erwähnte De origine ein Jahr später in einem Aufsatz erneut, ging hier jedoch nicht über

das hinaus, was er bereits in der Biographie schrieb. Vgl. Edwin H. ZEYDEL: Sebastian Brant and

his public, in: Frithjof Andersen ROVEN, Wolfgang Karl LEGNER, James Cecil KING (Hg.): Germanic Studies in Honor of Edward Henry Sehrt. Coral Gables. Florida 1968 (Miami Linguistics Series 1), S. 251-264.

58 DELGADO 1968, S. 435-463.

59Delgado bezieht sich hier auf eine Bulle Innozenz’ VIII. aus dem Mai 1487, in der der Papst die Schwere der Türkengefahr für das Reich und Italien beschreibt. Darin verherrlicht er die Schnelligkeit und den Scharfsinn des Kaisers und seiner Fürsten sowie der übrigen Könige, um sie für einen heiligen Krieg zu gewinnen. Darüber hinaus legte er allen Kirchen, Klöstern und Benefizien für ein Jahr den Zehnten auf. Vgl. DELGADO 1968, S. 439.

60Vgl. DELGADO 1968, S. 438-443.

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damit eines der historischen Werke der Zeit. Delgado bescheinigt Brant profunde Kenntnis der klassischen Historiker, die er zu imitieren versuche und sich somit über die reine Wiedergabe von Daten im Stil mittelalterlicher Chroniken erhebe. Die Quellen, die Delgado an dieser Stelle nennt – Flavius Josephus, Paulus Orosius, Martin von Troppau, Platina, Enea Silvio, Sabellicus und Robertus Monachus – sind allerdings ohne Erweiterung von Charles Schmidt übernommen. Entgegen den Äußerungen Zeydels hält Delgado die Berichte Brants für weitgehend objektiv, auch wenn sie gelegentlich mit Gefühlsausbrüchen und Urteilen durchsetzt seien.61 Auch stilistisch sei Brant ein Meister der Feder – seine hochwertige humanistische Bildung ließ ihn dem Können der klassischen Autoren entgegenstreben: Sein Stil sei klar und lebendig, er finde den Mittelweg zwischen der „copia dicendi“ eines Cicero und der Bündigkeit des Tacitus. Häufig seien literarische Reminiszenzen an Livius anzutreffen.62 Somit schließt Delgado, dass es sich bei Brants Geschichte Jerusalems um ein Werk von höchster historischer und literarischer Qualität handle, das zu Unrecht kaum Beachtung gefunden habe.

In zwei neueren Beiträgen von Dieter Mertens und Peter Orth, die sich mit der Kreuzzugsrede Urbans II. in Clermont und ihrer Rezeption bei den Schriftstellern

des 15. und 16. Jahrhunderts beschäftigen, kommt auch De origine zur Sprache.63 Nach Mertens und, ihm folgend, Orth habe Sebastian Brant die Rede Urbans II., die er ausführlich paraphrasiere, den Dekaden Flavio Biondos entnommen und entsprechend den aktuellen politischen Begebenheiten leicht verändert, so zum

Beispiel von den Turci Saracenique nur noch die Turci belassen. Brant sei, anders als Biondo, eher unkritisch und selektiv mit seinen Quellen umgegangen und hätte tendentiell mehr wert auf die Betonung der Heiligkeit der Kreuzesmission gelegt als auf die Schilderung ihres genauen historischen Ablaufs.

Ebenfalls jüngeren Datums ist ein Aufsatz von Sebastian Schünicke, ein Schüler des Herausgebers zahlreicher kleinerer Werke von Sebastian Brant, Thomas Wilhelmi. Schünicke widmet sich in seinem Aufstatz den Antiturcica Brants und

verwendet dabei als Hauptquelle De origine, zitiert aber ausschließlich den deutschen Text Freys.64 Schünicke betont besonders den Zusammenhang zwischen Brants politischer und religiöser Prägung und seiner Tätigkeit als Jurist, Schriftsteller und kaiserlicher Berater. In der treuergebenen, euphorischen Haltung Brants gegenüber dem von ihm als Erretter und herrlichen Despoten angebeteten Kaiser

61Vgl. DELGADO 1968, S. 443.

62Vgl. DELGADO 1968, S. 455f.

63 Vgl. Dieter MERTENS: Claromontani passagii exemplum. Papst Urban II. und der erste Kreuzzug

in der Türkenkriegspropaganda des Renaissance-Humanismus, in: Bodo GUTHMÜLLER, Wilhelm KÜHLMANN (Hg.): Europa und die Türken in der Renaissance. Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit 54),

S. 65-78, und Peter ORTH: Papst Urbans II. Kreuzzugsrede in Clermont bei lateinischen

Schriftstellern des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Dieter BAUER; Klaus HERBERS; Nikolaus JASPERT (Hg.): Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter. Konflikte und Konfliktbewältigung – Vorstellungen und Vergegenwärtigungen. Frankfurt am Main, New York 2001 (Campus Historische Studien 29), S. 367-405, hier S. 378-380.

64 Vgl. SCHÜNICKE 2002.

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Maximilian sieht Schünicke ein eigenes literarisches Motiv. Er lässt sich jedoch von Kneppers Werk, das sehr nationalschwärmerisch geprägt ist, und einem etwas zu weiten Ausblick auf spätere Zeiten mitreißen, wenn er Brants Vorstellungen mit Ausdrücken wie „nationale Einheit“, „absolutistischer Gedanke“ oder „totalitäre

Forderungen“ umschreibt. Bei der näheren Charakterisierung von De origine folgt Schünicke zunächst dem Originalton Wuttkes – den politisch verantwortlichen Menschen im Spiegel der Geschichte der Heiligen Stadt die Folgen ihres Fehlverhaltens zu zeigen – und stellt dann mit Blick auf die Türkenfrage die „theozentrische Betrachtungsweise“ Brants in den Mittelpunkt.65 Brant habe mithilfe biblischer Bilder eine vernichtende Anthropologie der Mohammedaner bzw. Türken entworfen. Schünickes Interesse gilt ausschließlich dem antitürkischen Aspekt des Werks, so dass er zur Gesamtkomposition und zu dem breiten Raum, die die Antike in Brants Geschichte einnimmt, keine Aussagen macht. Dafür schlägt Schünicke den Bogen zu den anderen Werken Brants, die sich ebenfalls dem Türkenthema widmen. Dem Türkenkrieg in Brants Werk widmete sich schließlich noch Jean Schillinger mit einem Beitrag in dem von Hans-Gert Roloff 2008 herausgegebenen Sammelband zu Sebastian Brant. Schillinger hebt die Verknüpfung von Kampf um eine christliche Sache und ethischem und politischem Anliegen hervor: „Es geht um den Kampf gegen eine fremde Macht mit teuflischen Zügen, aber auch – möglicherweise vor allem – um den moralischen und politischen Zustand der Christenheit und Deutschlands“.66 Schillinger verwendet vor allem die

lateinischen Texte Brants; einen Breiten Raum nimmt dabei auch De origine ein.

Weitere Nennungen des Werkes und ihre Einordnung in Brants literarisches, publizistisches, politisches, moralphilosophisches, historisches Werk beruhen lediglich auf seiner Zurkenntnisnahme und auf Rückschlüssen aus dem Titel, bieten jedoch kaum nennenswerte Erkenntnisse. Sie vermitteln eher eine gewisse Willkür in der Zuordnung zu einer bestimmten literarischen Gattung. Richard Newald versteht Brants Werk als Versuch, „auf dem Boden der Politik einen Zustand herbeizuführen, der jenem ähnlich war, in dem sich der Geist des Mittelalters am reinsten entfaltet hatte. Es war der Kreuzzugsgedanke, dessen Verwirklichung dem bedrohten Abendlande die Segnungen der christlichen Religion gleichsam wiederschenken sollte, der nun mit glühendem Eifer wieder aufgenommen wurde“.67 Noch weniger bietet Hellmut Rosenfeld in seinem Artikel zu Brant in der

Neuen Deutschen Biographie: Hier wird De origine neben den Flugblättern unter Brants politische Schriften subsumiert und als Werbung für die Wiedereroberung Jerusalems abgestempelt.68 Auch Manfred Lemmers Beitrag in der zweiten, neu bearbeiteten Auflage des Verfasserlexikons beschränkt sich auf die Bezeichnung des

65 Vgl. SCHÜNICKE 2002, S. 41 und 44.

66 Vgl. SCHILLINGER 2008, S. 170.

67Richard NEWALD: Elsässische Charakterköpfe aus dem Zeitalter des Humanismus. Kolmar 1944, S. 102f.

68Hellmut ROSENFELD: Brant, in: Neue Deutsche Biographie 2. Berlin 1955, S. 534-536, hier S. 535.

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Werkes als religiös-publizistische Suasoria.69 Dieter Wuttke hat Brants De origine zwar mehrfach in seine Aufsätze miteinbezogen; in seiner Untersuchung zu Brants Verhältnis zu Wunderdeutung und Astrologie70 schreibt er von einer „Schrift zum Lobe Jerusalems, durch die er den politisch Verantwortlichen im Spiegel der Geschichte dieser Stadt zeigen wollte, welche verhängnisvolle Rolle moralisches Fehlverhalten für die Politik hat, und durch die er die geistige Bereitschaft zum Kampf gegen die Türken und zur Befreiung Jerusalems aus ihren Händen stärken wollte. Dabei berichtet er mit großer Selbstverständlichkeit auch immer wieder von Wunderzeichen, die bestimmte historische Wenden in der Stadt anzeigten.“71 In

einem späteren Aufsatz zu Brant und Maximilian72 bezeichnet er De origine vor allem als propagandistisches Werk zur Unterstützung der Türkenzugspläne Maximilians.73 Ins Kuriositätenkabinett verweisen möchte man Hans-Gert Roloffs

Behauptung, De origine erzähle „die Entstehung Jerusalems und dessen Geschichte, danach die Geschichte der Gründung und des Wachstums von Rom und die Entstehung des Osmanischen Reiches.“74 Eine letzte Erwähnung findet Brants Geschichte Jerusalems schließlich in einem Aufsatz Ludwig Schmugges über die Kreuzzüge aus der Sicht humanistischer Geschichtsschreiber.75 Hier wird Brants Werk im Zusammenhang mit den humanistischen Geschichtswerken und Türkentraktaten Aventins, Huttens, Schedels, Wimpfelings, Nauclers, Cuspinians und anderen gesehen, und zwar als Ausdruck einer allgemeinen politisch-patriotisch-christlichen Grundstimmung, die weniger heldenreich sei als in Frankreich und England, sich aber dafür mehr auf die Belange des Kaiserreiches konzentriere.

Obwohl De origine Brants umfangreichstes Prosawerk in lateinischer Sprache ist, wurde es bisher von der Forschung kaum berücksichtigt: Dies mag vor allem mit der Sprache, dem Lateinischen, zu begründen sein, denn seitens der Germanistik hat

zumindest das Narrenschiff eine ausführliche Rezeption erfahren.76 Warum Brant zwei seiner bedeutenden Werke in je einer anderen Sprache verfasste, wird an

anderer Stelle zu erörtern sein; De origine hat vom literarischen Anspruch her und dem Anliegen, das es vertritt, bislang ungerechtfertigt im Schatten von Brants

berühmtem Werk, dem Narrenschiff, gestanden.

69Vgl. LEMMER 1978.

70Vgl. WUTTKE 1974.

71Vgl. WUTTKE 1974, S. 278.

72Vgl. WUTTKE 1976.

73Vgl. WUTTKE 1976, S. 162.

74Vgl. ROLOFF 1981, S. 140.

75Vgl. SCHMUGGE 1987.

76Ein ausführliches Literaturverzeichnis bietet Thomas WILHELMI in seiner 1990 erschienenen Bibliographie. Eine Neuausgabe ist vom Autor für das Jahr 2010 angekündigt.

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2. Inhalt und Aufbau

2.1. Die verschiedenen Teile des Buches

Brants Buch besteht aus vier verschiedenen Teilen.77

Es beginnt mit einer Widmung an Maximilian I. (fol. Av-Aiij

v), danach folgt ein 252 Seiten langer historischer Abriss über die Stadt Jerusalem und die Auseinandersetzungen zwischen Juden und Christen, später zwischen Christen und Muslimen (fol. Aiiij

r-Rv). Der Text beginnt mit der Gründung der Stadt Jerusalem und endet in Brants eigener Gegenwart. Im Anschluss daran befindet sich eine Mahnrede, die vor allem an die deutschen Fürsten gerichtet ist und diese von der Notwendigkeit einer Wiedereroberung Jerusalems, vor allem aber des Türkenkriegs und der Unterstützung Maximilians I. überzeugen soll (fol. Rij

r-Tiijv). Der Mahnrede folgt

eine kurze Anrede Kaiser Maximilians in Prosa (fol. Tiijv-Tiiij

r), die als Einleitung zum anschließenden Schlussgedicht (322 Distichen, fol. Tiiij

r-Vviijr) gedacht ist.

2.1.1. Die Widmung „Ad divum Maximilianum Romanorum Regem gloriosissimum“ Die Widmung an Maximilians I. beginnt mit den Erklärungen Brants zu seinem

Anliegen. Er möchte dem Kaiser zu dessen Ehre in Kürze den Ursprung und die Ehrwürdigkeit der heiligen Stadt Jerusalem und seiner Könige darstellen, und zwar vom Anfang der Welt bis auf die eigene Zeit. Außerdem will er darlegen, zu welchen Zeiten die Stadt dem auserwählten Volk Gottes gehört habe, und aus welchen Gründen sie ihm wieder abhanden gekommen sei: „[...] velle in tuæ Serenitatis honorem: breuiter originem & nobilitatem Sacrosanct(a)e vrbis Hierosolym(a)e: regumque omnium circa eam conuersationem: quibus etiam: a mundi principio tempestatibus: ad nostra vsque tempora: electo dei populo tradita / aut restituta: quibusque causis / aut temporibus illa eisdem ablata atque adempta fuerit / describere“.

78 Brant hofft, sich dadurch nicht in Ungnade zu bringen, doch das

Werk sei in bester Absicht geschrieben und möge den König dazu veranlassen, zur Wiedereroberung des Heiligen Landes aufzurufen. Maximilian sei würdig, den Machtbereich des christlichen Gemeinwesens wieder herzustellen. Seine Herkunft, die Würde seines Geschlechtes und der Wille Gottes würden ihn dazu befähigen. Weswegen Maximilian überhaupt das Heilige Land zurückerobern soll, hat folgende Notwendigkeit: Täglich höre man Nachrichten, dass die Türken den Christengott auf das Abscheulichste verhöhnten und beleidigten: „Accedit ad hoc christian(a)e rei publicae imminens necessitas: Thurcorumque quottidiana nobis incommoda afferentium: immo deo nostro optimo maximo / suis conuiciis inmanissimis

77

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den lateinischen Text.

78 Vgl. De origine, fol. [A]v. Alle nachfolgenden Zitate aus De origine haben folgende sprachliche

Veränderungen erfahren: Die e-caudata wurden aus technischen Gründen in (a)e bzw. (o)e aufgelöst, alle Abkürzungen bis auf & wurden aufgelöst. Satzzeichen, Groß- und Kleinschreibung sowie alle Virgeln bleiben dem Original treu.

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exprobrantium / fœda insultatio“.79

Aus diesem Grunde möge der König etwas unternehmen: Er soll das heilige Land wieder in den Schoß des christlichen Gemeinwesens zurückführen: „quo aliquando in ocio et pace [...] eundem tuum animum sanctissimum: desyderiumque / ad terræ illius sanctæ recuperationem appelles: Atque ipsam in christianam nostram rempublicam / ecclesi(a)eque catholic(a)e ditionem restituere dignareris“.

80 Es folgt die Erwähnung des von

Friedrich III. gegründeten St. Georgsritterorden, den Maximilian tatsächlich für seine Türkenkriegspläne nutzte und dem er selbst seit Oktober 1494 angehörte.

81

Maximilian habe dank dieses Ordens, so Brant, bereits einige Orte vor den Türken retten können. Er hoffe nun, die Höchsten würden ihre Gunst beweisen, damit die Fürsten und die besten Ritter es ihm, Maximilian, gleichtäten und den Triumph über den widerwärtigen Feind ermöglichten. So könnten sie sich des höchsten himmlischen Lohnes würdig erweisen. Maximilians Tugendhaftigkeit, Großmut und Kampfesstärke brachte Brant mit einem Vergilzitat zum Ausdruck: Wie das Schlachtross, das beim fernen Klirren der Waffen kein Halten mehr kenne und aus dessen Nüstern der Dampf des inneren Feuers qualme, warte Maximilian darauf, gegen die Türken zu ziehen.

82 Eine solch edle Seele strebe emsig nach seiner

geda(e)chtnüß und trage an keiner Bürde zu schwer.83

Mit selbstbewusster

79

Vgl. De origine, fol. A[ij]r

80 Vgl. De origine, fol. [A]v

81 Vgl. Josef PLÖSCH: Der St. Georgsritterorden und Maximilians I. Türkenpläne von 1493/1494,

in: Helmut J. MEZLER-ANDELBERG (Hg.): Festschrift für Karl Eder zum 70. Geburtstag. Innsbruck 1959, S. 33-56. Kaiser Friedrich III. hat den Orden wohl als Instrument landesherrlicher Verteidigungsmaßnahmen gegen Ungläubige ins Leben gerufen; darin war auch die Abwehr der Türken eingeschlossen. Nach dem Tod Friedrichs III. ließ Maximilian den Orden erweitern und eine weltliche, ungebundene Bruderschaft von Mitgliedern beiderlei Geschlechts gründen. An der türkischen Grenze errichtete er einen festen Platz mit Kirche, an dem er zwischen zweitautsend und dreitausend bewaffnete Ritter und Fußsoldaten stationierte (vgl. die Statuten bei PLÖSCH 1959,

S. 44f). Die beigetretenen Ritter sollten den Titel milites coronati erhalten, weil sie unzweifelhaft die Krone des Himmels in Empfang nehmen würden. Maximilian schuf sich somit ein ihm allein gefügiges, stehendes Heer, das er zum Türkenkrieg einsetzen konnte. Er hatte im Oktober 1494 in einer Proklamation tatsächlich alle christlichen Könige und Fürsten aufgefordert, einer von ihm neu gegründeten Georgsbruderschaft beizutreten, um unter seiner Führung einen gemeinsamen Kreuzzug der christlichen Welt zu unternehmen, der im März 1495 beginnen sollte. Hier zeigt sich ein Zusammenhang zum Erscheinungsdatum von Brant Buch – der 1. März 1495 – beziehungsweise ein Versuch Brants, die Fürsten Europas in die Arme von Maximilians Bruderschaft zu treiben.

82 Vgl. VERGIL: Georgica III, 83-85: „[...] tum, si qua sonum procul arma dedere, stare loco nescit,

micat aurubus et tremit artus, collectumque premens volvit sub naribus ignem”. Vgl. De origine, fol. Aij

v.

83 So lautet die deutsche Übersetzung für memoria: „Nobilis etenim animus: si quibuscunque in

rebus concupitis / voluptatem habet & desyderium: maioribus proculdubio afficitur gaudiis / &

tripudiis exultat: quo crebrius memoriam eius: harum rerum subeat recordatio“. Vgl. De origine,

fol. Aijv und Von dem anfang, fol. [v]r: “wann so ain edel gemüet in angenemen handlungen wollust

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Gelehrsamkeit unterstreicht Brant seine devotio: er fürchte die Überlegenheit Maximilians an Bildung und Belesenheit, es sei ihm, als gebe er sein Werk dem Apoll selbst zum Lesen: „Memor Nasonem nostrum apud Drusum Germanicum ita loquutum. Pagina iudicium docti subitura / mouetur | Principis: vt Clario missa

legenda deo”.84

Weitere Demutsbekundungen – „Sus / Minervam excolere quaeram“

85 – folgen. Brant meint, auch wenn Alexander der Große sich nur von

Künstlern wie Apelles, Polykleitos oder Pyrgoteles habe darstellen lassen,86

so sei er doch so frei und versuche sich als Gans unter wohlgestalteten Schwänen und widme Maximilian seine Geschichte Jerusalems.

2.1.2. Die Geschichte „De urbis hierosolymae origine et statu“ Im Anschluss an die Widmung beginnt die sehr ausführliche Geschichte

Jerusalems. Brant beginnt mit der Gründung der Stadt und erzählt ohne Unterbrechung bis zur Gegenwart Maximilians I. Zur besseren Übersicht sind die folgenden Ausführungen in Kapitel eingeteilt, die zwar nicht auf der lateinischen Textvorlage beruhen und auch nicht mit der Kapiteleinteilung der deutschen Ausgabe übereinstimmen, aber dennoch i.d.R. Wendepunkte im Erzähltext darstellen.

2.1.2.1. Die kanaanäische Zeit bis zum babylonischen Exil Die Frühzeit Jerusalems bis zum babylonischen Exil wird von Brant auf knapp

21 Buchseiten abgehandelt (fol. Aiiijr-[Bvj]r]). Brant beginnt in der kanaanäischen Zeit mit der Gründung Jerusalems durch Chams (Ham) Sohn Chanaan (Kanaan) aus dem Geschlecht Noahs, der das Land nach seinem Namen benannt habe.

87 Der

und begird hat / würt es on gezweyfelt mit gro(e)ssern freüden bewegt / umm das der selben dingen dester emssigere geda(e)chtnüß nachvolge“.

84 Vgl. OVID: Fasti I, 19f. und De origine, fol. Aij

v. Drusus Germanicus war ein Bruder des Tiberius und Stiefsohn des Kaisers Augustus. Er kämpfte in den Jahren 38-39 v. Chr. in Germanien.

85 Vgl. De origine, fol. Aiij

r. Das Sprichwort Sus Minervam docet meint, dass ein Einfältiger einen Klügeren lehren will.

86 Apelles, Sohn des Pytheas von Kolophon, Zeitgenosse Alexanders des Großen. Apelles galt als

großer Maler. Nach Plinius wollte sich Alexander der Große nur von ihm malen lassen. Vgl.

PLINIUS: Naturalis historiae 35, 86; Polykleitos aus Argos, der berühmten Bildhauer und Erzgießer, der allerdings kein Zeitgenosse Alexanders d. Gr. gewesen ist (ca. 450-410 v. Chr.); Pyrgoteles, Steinschneider, 2. Hälfte 4. Jh. v. Chr. Nach Plinius wollte Alexander der Große sein Bildnis nur

von Pyrgoteles in kostbarem Stein ausgeführt wissen. Vgl. PLINIUS: Naturalis historiae 37, 8.

87 Vgl. De origine, fol. Aiiij

r. Die Schreibweise der Namen folgt der Schreibweise Brants. Da sie oft deutlich von der heute üblichen abweicht, sind in Klammern hinter der Brantschen Schreibweise

die Namen aus dem Biblisch-Historischen Handwörterbuch angegeben: Biblisch-Historisches

Handwörterbuch. Landeskunde – Geschichte – Religion – Kultur – Literatur. Herausgegeben von Bo REICKE und Leonhard ROST (Digitale Bibliothek 96). Berlin 2004, im Folgenden abgekürzt zitiert (BHH), gelegentlich auch weitere gebräuchliche Schreibweisen. Für die nachfolgenden Seiten (Namen, Orte, historische Ereignisse) bieten u.a. folgende Werke einen Überblick: Gaalyahu

CORNFELD, G. Johannes BOTTERWECK (Hg.): Die Bibel und ihre Welt. Eine Enzyklopädie zur

Heiligen Schrift. Bilder – Daten – Fakten. 2 Bände. Bergisch-Gladbach 1969 (vierbändige

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Priesterkönigs Melchisedech sei der erste König Salems gewesen und habe Abraham gesegnet. Die Gegend wird dann von den Söhnen Chanaans bis hin zur Zeit des Volkes Israel, das aus Ägypten einwandert, bewohnt. Wer damals über Jerusalem herrschte, vermag Brant nicht zu sagen (die Bibel gebe keine Auskunft, ansonsten herrschten widersprüchliche Meinungen); später ist die Stadt in den Händen der Jebusiten. Die Kanaanäer sind der Bosheit anheim gefallen und werden deshalb auf Gottes Betreiben vertrieben und versklavt. Das Volk Israel hat Buße getan und erhält das verheißene Land. Es folgt ein Lob auf die Landschaft um Jerusalem und Kanaan, das als äußerst fruchtbar und daher als wertvoll beschrieben wird. Jerusalem, das im Zentrum liege, sei, so Brant, nicht umsonst als Nabel des Erdreichs bezeichnet worden: „Vnde quidam / non sine ratione / vmbilicum eius terrae / id oppidum vocauerunt“.

88 Bei der Landnahme durch die Stämme Israels

nach der Auswanderung aus Ägypten bleibt Jerusalem eine jebusitische Enklave, und es gelingt erst später dem König David, die Jebusiten aus Jerusalem zu vertreiben und die Stadt zu erobern. Einunddreißig Könige werden bei der Landnahme getötet, darunter der König Jerusalems. Die (vergebliche) Belagerung der Stadt wird von Brant nicht in seine (später beginnende) Zählung der Belagerungen miteinbezogen. König David erreicht die Eroberung Jerusalems aufgrund strategischer Klugheit und des Versprechens des militärischen Oberbefehls (in der Übersetzung: „die wirdigest vnd ho(e)chtse statt der Ritterschafft“) an die tapfersten Soldaten: „[...] vt quicumque per subiectos colles in

arcem conscenderet: eamque caperent (sic!): principatum militi(a)e populi possideret“.

89 Brant erzählt von dem anschließenden Ausbau der Stadt nach der

Eroberung der jebusitischen Festung. Erwähnt wird der Ausbau der Befestigungsanlage und der Bau einer Ringmauer

90. Es ist nur mit einer

Neuauflage 1991); Max KÜCHLER: Jerusalem, in: Neues Bibellexikon. Herausgegeben von Manfred GÖRG und Bernhard LANG. Band 2. Düsseldorf, Zürich 1995, Spp. 294-314; Martin METZGER:

Grundriß der Geschichte Israels. Neukirchen-Vluyn 81990 (Neukirchener Studienbücher 2).

88 Vgl. De origine, fol. Av

r.

89 Vgl. De origine, fol. [Avj]r.

90 Vgl. De origine, fol. [Avj]v. Im direkten Anschluss folgt ein Exkurs über den Namen der Stadt, in

dem Brant auch auf verschiedene Autoren Bezug nimmt: „reaedificauit eam per circuitum eius: incipiens a Mello / & partem illam ciuitatis appellauit ciuitatam Dauid. Reliquam partem extruxit Ioab. Erat autem Mello / praecipitium & quasi quaedam profundo vorago vallis. Porro ipsa ciuitas Dauid /postea vocata est Mello. Dauid autem ciuitatem quae primo Iebus: deinde Salem dicta fuit: Hiebusalem appelauit. Sed post per Antistichon mutata .b. in .r. Hierusalem / hoc enim munita Salem dicta est. Et vt tradit Iosephus hanc litterae mutationem: quidam ab Homero factam fuisse

putant”. Mit Mello ist vermutlich Millo gemeint, ein Bauwerk, dessen Identität nicht geklärt ist. Möglicherweise handelt es sich um mächtige Terrassierungen, die als Bauuntergrund dienten und aus kanaanäischer Zeit stammen. Biblisch belegt (II Sm 59) ist Millo als Teil der Befestigung Jerusalems unter David, historisch aber wohl erst seit König Salomo; ob bereits zur Zeit David eine solche Befestigung bestand ist unklar, ebenso der Standort der Bebauung. Vgl. CORNFELD;

BOTTERWECK 1969, Bd. 1 S.765; KÜCHLER 1995, Sp. 299, und Georg SAUER: Millo, in: BHH Bd. 2, S. 1217f.

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Reserviertheit Brants gegenüber den Juden zu verstehen, dass er den Transfer der Bundeslade von der Davidsstadt zum Jerusalemer Tempelberg nicht erwähnte. David selbst wird als „vir optimus“ gepriesen: Er sei immer an erster Stelle zu den Gefahren geeilt, er habe seine Soldaten stets zum Kämpfen und Arbeiten angehalten. Mit Blick auf die Zukunft und auch für die Bedürfnisse der Gegenwart sei er stets von großer Weitsicht und Menschlichkeit gewesen: „Ad intelligendum autem & considerandum de futuris / & ad dispositionem de praesentibus nimis ydoneus / castus / mansuetus / benignus / circa eos qui in calamitatibus erant iustus: & nimis humanus“.

91 Davids Nachfolger Salomon wird für seine Bautätigkeit

(Ausbau des Tempels, Verstärkung der Mauern, Pflasterung der Straßen) und für seine überlegene Weisheit gerühmt, die aber nicht bis ans Lebensende vorgehalten habe: „Cum vero magnitudo rerum: saepius causa malorum & iniquitatis existat hominibus: diuus ille Salomon: & omnium rerum gloriosissimus atque religiosissimus: prudentiaque & virtute locupletissimus: non in his vsque ad terminum vitae suae permansit. Quippe qui bonis iniciis / malos exitus habuit“.

92

Salomon habe die Schutzgesetze für Frauen aufgehoben und sich den Begierden hingegeben, er haben die mosaischen Gesetze verachtet und sich Frauen aus fremden Völkern genommen, deren Götter er angebetet habe, um ihnen zu gefallen. Er entfremdete sich von Gott, der daraufhin Salomons Sohn Roboam (Rehabeam) befahl, mit zehn Stämmen Israels auszuwandern. David zuliebe, der gottgefällig gewesen sei, blieben zwei Stämme in Jerusalem zurück.

93

Ab der Zeit Salomons wird die Geschichte anhand der Belagerungen der Stadt eingeteilt und der Text mit einer entsprechenden Randglosse versehen. Auf die zehnte Belagerung erfolgt schließlich die Einnahme Jerusalems durch den babylonischen Herrscher Nebukadnezar. Zunächst jedoch zerfiel nach dem Tod Salomons das davidische Großreich; die von Brant beschriebenen Belagerungen beziehen sich auf die Auseinandersetzungen zwischen dem Südreich Juda, dessen Hauptstadt Jerusalem nun war, und dem Nordreich Israel sowie auf die Zeit, als die Könige von Juda Vasallen des syrischen Reiches waren. Die erste Belagerung erfolgte durch den ägyptischen König Sefach (Scheschonq I., auch Sesac, Sisak, Schischak, Shishak, Schoschenk) und zog die Plünderung des Tempels nach sich, die zweite Belagerung ging von den (äthiopischen) Arabern aus.

94 Die dritte Belagerung

91

Vgl. De origine, fol. [Avij]r.

92 Vgl. De origine, fol. [Avij]v.

93 Salomons Herrschaft war durch Prachtentfaltung im Stil der orientalischen Großkönige, durch

intensive Bau- und Handelstätigkeit, regen Diplomatenverkehr und eine erste Blüte geistigen Lebens in Israel gekennzeichnet. Neben exorbitanten Kosten für seine Hofhaltung wurde Salomon vor allem für den Ausbau Jerusalems berühmt. Der Tempel übertraf an Größe alle bisher bekannten Tempelanlagen der Zeit. Vgl. METZGER 1990, S. 93-98.

94 Vgl. De origine, fol. [Aviij]v Brant bezieht sich hier auf die gewaltsame Machtübernahme der

Omriden (Nordreich), da er die omridische Königsmutter Athalia erwähnt, die gewaltsam die Macht in Jerusalem übernahm und den Baalkult im Tempel etablieren wollte. Jedoch konnte der Jerusalemer König Joas (Joasch) mit Hilfe der Priesterschaft und des Landadels die Stadt in den Händen der davidischen Dynastie behalten und den Tempel wiedererrichten, wovon Brant

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wurden von den Syrern vorgenommen; die vierte bezieht sich auf die Auseinandersetzungen mit dem Nordreich unter Joas‟ (Joas/Joasch) Sohn Amazia (Amazja), die mit einer Niederlage für Jerusalem endeten.

95 Die fünfte Belagerung

geschah unter Achas (Ahas), wurde vom König von Damaskus und vom Nordreich ausgeführt und brachte die Schließung des Tempel durch Achas mit sich. Der syrische König Sennacherib (Sanherib) belagerte die Stadt zum sechsten Mal, muss aber erfolglos abziehen. Die Schwächung der Assyrer durch Babylon erlaubten dem König Manasses (Manasse) den erneuten Ausbau der Stadt, der von Iosias (Josia/Joschija) extensiv weitergeführt wurde.

96 Die aus dem Aufblühen der Region

resultierende Verweigerung der Anerkennung der babylonischen Oberhoheit zog die folgenden Belagerungen durch die Babylonier nach sich, bis schließlich nach der insgesamt zehnten Belagerung Jerusalem in die Hände Nabuchodonosors (Nebukadnezars) fiel.

97 Die Belagerung durch Nabuchodonosor führte schließlich

zur Eroberung. Stadt, Tempel und Palast wurden systematisch zerstört und eingeäschert: „Porro Babylonius misit principem exercitus Nabuzardan in Hiersolymam eodem anno: qui templum subuertit: & vasa dei aurea argenteaque abstulit. Ac templum dei & regalia succendit: ciuitatemque ad pauimentum vsque destruxit. Concrematum est itaque templum / post trecentos & septuaginta annos: menses sex: diesque decem: ex quo (a)edificatum primo est“.

98 Diesem Ereignis maß

Brant sehr viel Bedeutung zu, da er die genaue Zeit, die seit dem Auszug aus Ägypten, seit der Sintflut und seit der Erschaffung Adams verging, berechnete und in einer Randglosse angab. Während der Zeit des babylonischen Exils eroberten die Perser die Stadt und ermöglichten eine Rückkehr eines Teils der zuvor weitgehend vertriebenen Bevölkerung nach Jerusalem, die sogleich mit dem Wiederaufbau des Tempels begann.

99

Wiewohl Brant auf alle entscheidenden kriegerischen Ereignisse in der Geschichte der Stadt Jerusalem Bezug nimmt, bettet er die Ereignisse rund um die genannten Personen nicht in die Geschichte der beiden Königreiche Israel und Juda ein. Für den unkundigen Leser ist der Zusammenhang somit oft nur mühsam zu erschließen. Sein Bericht konzentriert sich auf das aus seiner (christlichen)

berichtet. Das von Brant genannte arabische Heer kann nur das Heer Jehus, eines Anhängers jahwetreuer Kreise und Feindes der Omriden, gemeint sein. Er tötete Joram und seinen Sohn Ahasja und ging brutal gegen den Baal-Kult vor. Siehe dazu auch die nachfolgende Anm. 19. Vgl. KÜCHLER 1995, Sp. 301, und METZGER 1990, S. 107-112.

95 Vgl. De origine, fol. [Aviij]v und B. Die Datierung in Brants Randbemerkungen ist um etwa ein

Jahrhundert zu früh: Die Zeit Athaljas datiert er auf 893 vor Christus (842-836), die Zeit Amazjas in die erste Hälfte des neunten Jahrhunderts. Insgesamt herrscht in Brants Bericht Unklarheit bezüglich der komplizierten Verwicklungen der Königreiche Israel und Juda.

96 Vgl. De origine, fol. Biij

r+v.

97 Vgl. De origine, fol. Biiij

r-(Bv]v).

98 Vgl. De origine, fol. [Bv]v.

99 Vgl. De origine, fol. [Bvj]v.

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Perspektive moralische oder unmoralische Verhalten der einzelnen Regenten. Im Zentrum steht dabei vor allem der Umgang mit dem altisraelischen Jahweglauben und die Pflege und Instandhaltung des Jerusalemer Tempels. Dieser erste Abschnitt der Geschichte Jerusalems wird von Brant insofern als Einheit gesehen, als die Stadt in diesem Zeitraum insgesamt zehnmal von Feinden belagert worden ist und mit der zehnten Belagerung der Tempel der Stadt zerstört und die Juden ins Exil vertrieben wurden. Mit den immer wiederkehrenden, genauen Datierungen versucht Brant einerseits, die Historizität des Berichtes herzustellen bzw. zu untermauern. Andererseits sind die Begründungen für den Erfolg oder Misserfolg der jeweiligen Belagerungen stets rein moralischer Natur: Nach dem Tod Salomons und der Auswanderung der zehn Stämme Israels werden die Gesetze Gottes übertreten und verachtet. Priester, Leviten und gute und gerechte Israeliten verlassen ihre Städte und kommen zu Roboam nach Jerusalem, um dort Gott anbeten zu können.

100

Roboam verfällt jedoch der Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit und verachtet die Religion. Gott schickt als Strafe den ägyptischen König mit seinem Heer nach Israel. Auch die äthiopischen Araber kommen infolge der von König Iosaphat auf Geheiß seiner Frau Athalia (Athalja) verordneten Anbetung heidnischer Götter. Joas lässt zwar den Tempel wieder errichten, aber auch den Propheten Zacharias steinigen. Gott schickt daher den syrischen König Azahel (Hasaël), der die Stadt belagert. Joas kauft sich mit den Tempelschätzen frei und erkrankt daraufhin. Als Rache für Zacharias schlagen ihn zwei seiner Diener so lange, bis er an den Wunden stirbt. Amazia ist böse („malus“) und erklärt deshalb Israel den Krieg. Weil seine Soldaten von „terror“ und „stupor“ ergriffen werden, kann der Feind eindringen und Mauern und Tore schleifen. Tempelschätze und Königsgüter gehen verloren. Achas ist gottlos und achtet die Gesetze der Väter nicht. Er opfert den heidnischen Kultbildern sogar seinen eigenen Sohn. Daher schickt Gott den syrischen König, der das Umland plündert und einunddreißigtausend Soldaten des Achas tötet. Achas‟ Sohn Ezechias (Hiskia/Hiskija) hingegen ist ein vorbildlicher König (ein „optimus rex“, „natura benigna / iusta / & valde religiosa“). Er sieht die Aufgabe seiner Herrschaft darin, Gott zu ehren. Er öffnet den Tempel wieder für die Priester und Schriftgelehrten, reinigt ihn von der vorherigen Beschmutzung, lässt opfern und stellt zur Ehrung der Väter und Älteren Gefäße auf („pr(a)ec(o)epit insuper sacerdotibus & leuitis vt aperirent templum: & purgarent illud a priori pollutione: reducendo illud solennibus sacrificiis / impositis etiam vasis super altare: ad antiquum & patrium honorem“). Er lässt die Bevölkerung zu einem Fest nach Jerusalem rufen. Es gelingt ihm sogar, die sechste Belagerung Jerusalems zum Guten zu wenden, indem er den syrischen König Sennacherib mit Geschenken zum Rückzug bewegt. Diesmal sind es die assyrischen Feinde, die von einer unheilbaren

100

Roboam: Rehabeam (926/25-910/9 v. Chr.). Der Sohn Salomons wurde Stadtkönig von Jerusalem und König von Juda. Israel wollte Rehabeam nicht anerkennen, da dieser nicht bereit war, die drückenden Fronlasten seines Vaters aufzuheben. Damit waren die Reiche Israel und Juda getrennt. Die Herrschaft über Israel fiel Jerobeam zu, einem königlichen Offizier vom nördlichen Stamm Efraim, der sich schon zuvor gegen Salomon erhoben hatte. Vgl. METZGER 1990, S. 102f,

und Alfred JEPSEN: Rehabeam, in: BBH Bd. 3, S. 1572f.

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Plage getroffen werden, der 185.000 Mann erliegen. Manasses (Manasse), der Sohn Ezechias‟, folgt der „iniquitas“ der Israeliten und will den Tempel und die Stadt verunreinigen („polluere“). Er lässt zu seinem Schutz alle, auch die Gerechten und die Propheten, umbringen, so dass die Gassen Jerusalems voll von ihrem Blut sind. Der entzürnte Gott lässt den König der Babylonier und Chaldäer gegen ihn in den Krieg ziehen, der das ganze Land verwüstet und Manasses nach Babylon verschleppt, wo er ihm viele Folterqualen zufügt. Manasses erkennt darin die Hand Gottes und bekehrt sich. Gott lässt ihn nach Jerusalem zurückkehren, wo er fortan den Tempel reinigt („purgare“) und restauriert, das Volk unterweisen lässt und die Stadtbefestigung ausbaut. Er wird zum Vorbild eines gottgefälligen Lebens. Auch die nachfolgenden Könige Ammon („per omnia iniquus“), Iosias („natura benignus“), Ioachim (Jojakim) („natura iniustus et valde nequissimus“), dessen gleichnamiger Sohn Ioachim (Jojachin/Jojakin) und Sedechias (Zedekia/Zidikija/Sidkia) sind mit ihrem Verhalten für den weiteren Verlauf der Geschichte verantwortlich: Iosias sorgt für eine glückliche Zeit; Ioachim zahlt die Tribute an Nebukadnezar nicht, provoziert die siebte Belagerung und wird zusammen mit allen kräftigen und schönen Männern Jerusalems getötet und unbestattet über die Mauern geworfen. Sein Sohn Ioachim zieht freiwillig nach Babylon und unterwirft sich, kann aber die achte Belagerung nicht verhindern. Sedechias schließlich, ein Sohn Iosias und von Nabuchodonosor (Nebukadnezar) eingesetzt, setzt sich über seinen Treueschwur und über den Rat des Propheten Jeremia hinweg und trägt somit die Schuld an der endgültigen Belagerung und Zerstörung Jerusalems. Der erste Abschnitt von Brants Geschichte Jerusalems zeigt also bereits sehr deutlich die religiös-moralischen Kriterien guter und schlechter Herrschaft auf. Das Gesamtkonzept, das der Bewertung der Könige zugrunde liegt, deckt sich mit den moralischen Kriterien, die bereits im ein Jahr zuvor erschienenen

Narrenschiff niedergelegt sind. Brants Text ist jedoch bis hierher noch keine auf den Untergang Jerusalems ausgerichtete Schicksalserzählung, sondern ein trockener kurzer Bericht über die Abfolge der jeweiligen Herrscher und der sie umgebenden Ereignisse, auch wenn er sich vor allem auf ihr gutes oder schlechtes Verhalten Gott gegenüber konzentriert.

Brant folgte in seiner Erzählung in zusammengefasster Weise den entsprechenden Büchern der Bibel, und zwar den Büchern der Könige (Liber Malachim seu Regum), den Chroniken (Liber Verba Dierum seu Paralipomenon) und teilweise den Büchern der Propheten Jesaja und Jeremia. Zu Beginn kritisiert er, dass in den Heiligen Schriften keine ausreichenden Informationen zur Herrschaft über Jerusalem enthalten sind. An zwei Stellen erwähnt Brant andere Quellen: Er sagt, auch Herodot erzähle vom Palästinafeldzug Scheschonqs I. An anderer Stelle bezieht er sich bei der Datierung auf den jüdischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus. Brant nennt gleich zu Beginn zwei seiner Quellen: Flavius Josephus und Orosius. In der Tat beginnt er bereits auf der ersten Seite seines Buches, aus den

Antiquitates Iudaicae des Josephus zu zitieren oder zu paraphrasieren. Die erste Belagerung Jerusalems zitiert Brant beispielsweise in zusammengefasster Form aus Buch 8, Kapitel 5. Insgesamt lassen sich immer wieder Satzteile und kleinere Abschnitte aus dem oben genannten Werk des Josephus identifizieren, sodass

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eindeutig zu belegen ist, dass Brant das Werk gekannt und auch benutzt hat.101

Die zu Beginn genannten Hinweise auf den Priesterkönig Melchisedek und die Jebusiten finden sich auch in der Weltchronik des Hartmann Schedel.

102

2.1.2.2. Die Herrschaft der Perser, Ptolemäer, Seleukiden und Hasmonäer Die Zeit unter den Persern, Ptolemäern, Seleukiden und Hasmonäern nimmt in

Brants Geschichte Jerusalems ebenfalls etwa 20 Seiten ein und handelt die Herrschaft des von Nebukadnezar eingesetzten Regenten Godolias bis zu Gnaeus Pompeius Magnus ab (fol. [Bvj]r-[Cviij]r). Die Einheit dieses Abschnitts wird dadurch hergestellt, dass nach der ersten Zerstörung des Tempels eine zweite erfolgt. In der Zwischenzeit werden wiederum zehn Belagerungen gezählt.

Unter der Herrschaft der Perserkönige Kyros, Darios, Xerxes und Artaxerxes gelangte Jerusalem wieder zum Mittelpunkt jüdischer Identität: Neben dem Tempel wurden auch die Mauern wieder errichtet. Brant zeichnet die Zeit der Perserherrschaft überwiegend positiv, da sie mit Ausnahme von Cambyses, der von

Natur aus malivolus ist, die jüdische Bevölkerung unterstützten und die von Nebukadnezar geraubten Güter aus Babylon nach Jerusalem zurücktransportierten.

103 Brant berichtet anschließend vom Sieg Alexanders des

Großen über Darius und von seinem spektakulären Einmarsch in Jerusalem sowie von der nachfolgenden Herrschaft der Ptolemäer. Ab hier fährt Brant mit der Zählung der Belagerungen Jerusalems fort. Die Herrschaft der Ptolemäer ist widersprüchlich und richtet sich in der Berwertung ausschließlich nach dem Umgang der einzelnen Herrscher mit der jüdischen Religion bzw. mit dem Blühen oder der Unterdrückung der Tempelkultur. Positiv wird z.B. Philadelphus (Ptolemaios II. Philadelphos) bewertet, weil er den Tempel beschenkt und die Heiligen Schriften vom Hebräischen ins Griechische übersetzen lässt. Ptholemeus Salvator (Ptolemaios I. Soter) hingegen trage seinen Namen zu Unrecht, weil er die

101

Die hier und im Folgenden angegebenen Quellen Brants erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es sei an dieser Stelle auf die sich in Arbeit befindliche Edition des lateinischen und deutschen Texts verwiesen, bei der dann auch Quellenzusammenhänge am Text aufgezeigt werden. Die Angaben zu den Textstellen bei Josephus folgen der gedruckten lateinischen Ausgabe des

Werks Iosephi ivdei historiographi viri clarissimi prologvs in libros antiqvitatvm viginti et de

graeco in latinvm tradvctos per Rvffinvm Aqvileiensem virvm doctissimvm. Iosephi Mathathiae

filii haebrei genere sacerdotis ex Hierosolymis de bello Ivdaico in libros septem prologvs per

Rvffinvm Aqvilensem tradvctos. Venedig, Johannes Rubeus für Octavianus Scotus, 1486. Die

Inkunabel enthält mehrere Werke des Josephus, und zwar die Antiquitates Judaicae (nachfolgend:

JOSEPHUS, Antiquitates), das Bellum Judaicum (nachfolgend: JOSEPHUS, Bell. Jud.) und die Schrift

Contra Apionem (nachfolgend: JOSEPHUS, Contra Ap.). Zum genannten Beispiel vgl. JOSEPHUS,

Antiquitates, fol. [i viij]v. Bei biblischen Quellen ist auf die jeweiligen biblischen Bücher verwiesen.

102 Vgl. Hartmann SCHEDEL: Liber Chronicarum, Nürnberg, Anton Koberger, 1493, fol. XVIIr.

Hartmann Schedel zählt wie Brant einige Belagerungen Jerusalems, kommt insgesamt aber auf nur sechs Belagerungen (Nebukadnezar, König Asobeus von Ägypten, Antiochos Epiphanes, Pompeius, Gabinius, Vespasian (und Titus)). Er nennt jedoch noch die nachfolgenden Eroberungen durch Karl den Großen und Gottfried von Bouillon. Vgl. fol. LXIIIr+v.

103 Vgl. De origine, fol. [Bvj]v-Cv.

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Stadt an einem Sabbat unter der Vorgabe, opfern zu wollen, erobert. Äußerst negativ hingegen wird die Zeit unter der seleukidischen Herrschaft beschrieben. Genannt wird der Verkauf des Hohepriesteramtes an Jason durch Antiochos IV. Epiphanes, die Zerstörung der Stadt, die Plünderung des Tempels, den Zwang zu fremden religiösen Praktiken und die Errichtung der Akra.

104 In der Tat zog die

Politik Antiochos‟ eine radikale Hellenisierung nach sich. Die jüdische Partei der Makkabäer wehrte sich gewaltsam – Schuld daran trägt nach Brant Antiochos – und reinigte den Tempel von den fremden Kulten und verstärkte die Mauern der Stadt. Die folgenden Belagerungen, von denen Brant berichtet, beziehen sich auf die Machtstreitigkeiten zwischen der hasmonäischen Dynastie und den seleukidischen Herrschern, infolge derer die Akra noch mehrfach den Besitzer wechselte,

105 bis sich

schließlich die Besatzung der Akra ergab und Juda wieder zu unabhängiger Eigenstaatlichkeit verhalf. Ausführlicher geschildert werden die Auseinandersetzungen zwischen Hyrcanus (Johannes Hyrkanus I.) und Antiochus Pius (Antiochos VII. Sidetes), die in gegenseitigem Einvernehmen endeten und schließlich zu einer kriegerischen Expansion führten, im Zuge derer Jerusalem wieder zur Hauptstadt einer königlichen Dynastie wurde, die nach dem Prinzip einer hellenistischen Tyrannis funktionierte. Als grausam beschreibt Brant die Herrschaft des Alexander (Alexander Jannaios), Nachfolger des Aristobolus, der sich den Titel des Königs aneignete:

106 Die Uneinigkeit seiner Söhne Aristobolus (Aristobulos II.)

und Hyrcanus (Hyrkanus II.) sei dafür verantwortlich, dass die Römer ihren Blick nach Israel wandten. Tatsächlich eroberte Pompeius unter ihrer Herrschaft Jerusalem im Jahr 63 vor Christus und nahm ihr die politische Autonomie.

Bei den von Brant gezählten Belagerungen dieses Abschnitts handelt es sich kaum um richtige Belagerungen. Die elfte Belagerung Jerusalems beendet die friedliche Zeit der Perserherrschaft und bezieht sich auf den Mord des obersten Priesters Johannes (Jochanan, Sohn Jadduas) an seinem Bruder Iesus (Jeschua), der ihm sein Amt streitig machen will. Die Strafe Gottes besteht darin, dass die Perser den Juden Gewalt antun und den Tempel schänden. Die zwölfte „Belagerung“ ist der Einzug Alexanders in Jerusalem. Als der Oberste Priester Iaddus (Jadduas) von dem Vorrücken Alexanders hört, wird er traurig und fürchtet sich. Er opfert und fleht Gott um Hilfe an. Gott antwortet ihm im Traum und weist ihn an, die Stadt zu schmücken, die Tore zu öffnen und Alexander mit weißgekleideten Priestern entgegenzugehen. Iaddus gehorcht und trifft auf Alexander. Als dieser den Namen

104

Vgl. De origine, fol. Ciijr+v. Die Datierung Brants ist etwa 50 Jahre zu früh.

105 Bedeutung hatten in diesem Zusammenhang die makkabäischen Brüder Jonathan und Simon;

ersterer nahm das Hohepriesteramt entgegen, letzterer erlangte die Steuerfreiheit für Jerusalem.

Brant berichtet jedoch nur von ihren Bemühungen, Jerusalem weiter zu befestigen. Vgl. De origine, fol. [Cv]v und [Cvj]r.

106 Vgl. De origine, fol. [Cvij]r. Brant macht hier einen Exkurs zu den Obrigkeitsverhältnissen:

“Iudaei non reges / sed duces vel principes habuerunt: quamuis & qui rex est: possit dici Princeps a principatu imperandi. & Dux / eo quod sit ductor exercitus. Sed non continuo: quicunque principes vel duces sunt: etiam reges dici possunt: quod iste Aristobolus fecit”.

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Gottes auf der Kopfbedeckung des Obersten Priesters in goldenen Buchstaben geschrieben sieht und Volk und Priester in ihren weißen Gewändern erblickt, erweist er dem Obersten Priester seine Ehre und betet Gott an. Er beschenkt die Priester reich, zieht in die Stadt ein und opfert im Tempel, aber „non quidem ad eius cultum vera pietate conuersus: sed impia vanitate cum diis eum falsis colendum putans“.

107 So wird die Stadt Jerusalem an Alexander übergeben, doch diese zwölfte

„Belagerung“ geschieht unblutig und ohne Zerstörungen. Die Priester erhalten alles, was sie wünschen, die Stadt muss keine Zinsen oder Geiseln bezahlen, die Bevölkerung und die Priester dürfen nach ihren bisherigen Gepflogenheiten weiterleben. Eine dreizehnte Belagerung gibt es nicht bzw. Brant überspringt die Zahl 13. Ptholemeus Salvator (Ptolemaios I. Soter) kommt, wie Alexander, um zu opfern, erobert dann aber, einmal in der Stadt, Jerusalem auf hinterhältige Weise (vierzehnte Belagerung). Die fünfzehnte Belagerung bezieht sich auf die Gefangennahme der hebräischen Gelehrten unter Antiochus Eupator (Ptolemaios Eupater), die sechzehnte erzählt von der Entsendung eines Boten durch Seleucus (Seleukos IV. Philopator) nach Jerusalem. Der Bote wird von einem Pferd getreten, worauf er eblindet und schreckliche Qualen leidet. Bei der siebzehnten Belagerung handelt es sich tatsächlich um eine Belagerung: Der Statthalter über Syrien und Palästina, Lysias, lässt die Stadt belagern, um den Makkabäerauftstand niederzuwerfen. Brant schildert, dass Judas (Makkabäus) Antiochus eingelassen habe, weil dieser zuvor Frieden versprochen habe, dann aber die Mauern bis auf den Grund schleifte. Die achtzehnte Belagerung erfolgt durch Antiochos VII. Sidetes, endet aber mit einer gemeinsamen Opferung und einem Fest zu Ehren Gottes. Daher habe Antiochus auch den Beinamen Pius erhalten. Die vorletzte Belagerung geschieht aufgrund des Streits der beiden Brüder Aristobolus und Hyrcanus. Hyrcanus belagert Jerusalem mit Hilfe des arabischen Königs gegen seinen eigenen Bruder. Die Schuld gibt Brant den Eltern Alexander (Alexander Jannaios) und Alexandra (Salome Alexandra). Alexander hat den Beinamen Schlächter („trucida“), seine Frau ist noch schlimmer als er selbst. Die zwanzigste und letzte Belagerung dieses Abschnitts erfolgt schließlich durch Pompeius. Die Römer erschlagen in dreimonatiger Belagerung zwölftausend Juden, bis sich das Volk ergibt. Pompeius betritt das Allerheiligste, das nicht einmal der Hohepriester betreten darf, und entweiht somit den Tempel: „Pompeius [...] ad sancta sanctorum: quo nisi summum sacerdotem / non licebat intrare: non vt venerator: sed vt prophanator accedit“.

108

Die Bewertung der einzelnen Herrscher ist auch in diesem Abschnitt nahezu ausschließlich an das Verhältnis zum Jerusalemer Tempel bzw. an den Respekt gegenüber dem Jahweglauben gekoppelt. Angewidert und entsetzt beschreibt Brant, wie Antiochus IV. Epiphanes das Opferfeuer im Tempel löscht, das hohe Priesteramt an Jason verkauft, den Tempel plündert, die Akra errichtet, die sogar den Tempelberg überrage, und einen heidnischen Altar errichtet, auf dem er dann Schweine opfert: „Aedificans vero & in sacrario aram: super eam porcos imolauit:

107

Vgl. De origine, fol. Cijr.

108 Vgl. De origine, fol. [Cviij]r.

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hostias non legitimas: nec patri(a)e religioni Iud(a)eorum congruas“.109

Diesen Bericht hat Brant von Josephus kopiert, fügt aber seinerseits ein, dass bereits der Prophet Daniel diese Ereignisse während seiner babylonischen Gefangenschaft vorhergesehen habe.

110 Wie die eben genannte Textstelle beruht der gesamte zweite

Abschnitt größtenteils auf Flavius Josephus (Antiquitates Judaicae Bücher X-XIII). Brant hat ungefähr zwei Drittel seines Textes wörtlich bei Josephus abgeschrieben. Wo Josephus zu ausführlich war, fasste er mit eigenen Worten zusammen, sodass beinahe der gesamte Abschnitt auf dem jüdischen Geschichtsschreiber fußt. Immer wieder hat Brant allerdings eigene Angaben in den Text eingefügt, und zwar in der Regel Datumsangaben oder Herrscher – zum Beispiel habe während der Herrschaft des persischen Königs Darius in Rom der siebte König Tarquinius die Macht innegehabt – oder Verweise auf biblische Bücher (Judith, Ester) und den Kirchenvater Laktanz. An einer Stelle erwähnt er einen Brief eines syrischen Satrapen an Darius. Brant gelobt, den Inhalt vollständig wiederzugeben. Diese Zusicherung hat er von Josephus abgeschrieben, nicht jedoch den angekündigten Brief. Brant zitiert daraus lediglich zwei Sätze.

111 Auch die Zählung der

Belagerungen Jerusalems finden sich nicht bei Josephus. Zur Regentschaft des Artaxerxes verweist Brant auf das Buch Ester und überspringt die von Josephus breit erzählte Geschichte, ebenso überspringt er großzügig Josephus„ Kapitel zu Ptolemaios Philadelphos (er verweist auf die Makkabäerbücher, aber nicht auf seine Quelle Josephus). Hier interessiert er sich lediglich für die Übertragung der Heiligen Schriften vom Hebräischen ins Griechische. Neben der Zählung der Belagerungen stammen von Brant selbst die Bewertungen der jeweiligen Herrscher. Auch wenn bei Josephus meistens entsprechende Adjektive zu finden sind und von Brant übernommen wurden, schmückte er oft noch mit Anekdoten aus, vor allem, wenn ein seiner Auffassung nach schlechter Herrscher als Strafe für seine Herrschaft Qualen erleiden musste. Ferner fällt auf, dass Brant gelegentlich den Text leicht abändert, wenn Josephus von der Anbetung Gottes in vorchristlicher Zeit spricht. Er versucht, sich von Josephus, der sich selbstverständlich mit dem jüdischen Glauben identifizierte, zu distanzieren, indem er Vokabeln austauscht (zum Beispiel

wird sacrificare zu immolare).

2.1.2.3. Die Zeit der römischen Besatzung Die Zeit der römischen Besatzung nimmt im Vergleich zu den vorhergehenden

Epochen einen großen Raum ein. Brant widmet ihr über siebzig Buchseiten (Cviijr-

[Gviij]v), auf denen er die Zeit von Pompeius bis zur endgültigen Zerstörung des Jerusalemer Tempels unter Titus abhandelt.

109

Vgl. De origine, fol. Ciijv. Die Textstelle stammt von JOSEPHUS, Antiquitates, fol. Ov/Buch XII,

Kap.vj.

110 Vgl. De origine, fol. Ciij

r und Dn 8-12.

111 Vgl. De origine, fol. [Bvij]v: „Exemplar epistolæ quam in monumentis inuenismus transmisi: &

iubeo omniam fieri quæ in ea continentur”. Vgl. auch JOSEPHUS, Antiquitates, fol. [mvj]v/Buch XI, Kap. iiii.

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Nach der Eroberung der Stadt durch Pompeius führt der Statthalter Gabinius eine Neuordnung durch und Jerusalem wird zur Bezirkshauptstadt, die Einwohner tributpflichtig. Es folgen die Wirren infolge der Einsetzung des Idumäers Antipatros zum Prokurator anstelle Hyrkans, bis die Stadt schließlich in die Hände des Idumäers Herodes fällt. Brant beschreibt Belagerung und Eroberung der Stadt, die Erhebung Herodes‟ zum König und die Beseitigung seiner Gegner.

112 Die

Herrschaft des Herodes wird von Brant wesentlich ausführlicher beschrieben als alle übrigen Phasen der Jerusalemer Geschichte. Zunächst widmet er mehrere Seiten dessen Bautätigkeit,

113 an die er eine ausführliche Beschreibung der Stadt

anschließt.114

Besondere Aufmerksamkeit schenkt der Humanist dem Ausbau des Tempels, dessen Ausmaße er genau beschreibt, und dem Bau der mächtigen Burg Antonia, die Herodes an der Stelle der Makkabäerfestung Baris errichtet.

115 In der

Beschreibung der Stadt selbst erwähnt Brant die beiden Hügel mit der Davidsburg und der Akra, die Stadtmauern und Türme, den Tempelberg, die Siloahquelle und die Burganlage Antonia mit ihren mächtigsten Türmen Phasael, Hippikos und Mariamne. Die einzelnen Gebäude werden genau beschrieben und ihre Lage und Maße angegeben. In die Zeit der Herrschaft Herodes‟ fällt auch die Beschreibung der Geburt Christi, mit der die Prophezeiung des Propheten Jakob erfüllt werde.

116

Brant widmet sich im folgenden dem Leben Christi und setzt dessen Größe der Grausamkeit des Herodes entgegen. Insbesondere der Kindermord des Herodes wird als Beispiel für brutale Herrschaft hervorgehoben: Sogar seinen eigenen Sohn habe er übersehen und getötet. Für seine Verbrechen muss er mit einer schlimmen Krankheit büßen, an der er verstirbt.

117 Sein Sohn und Nachfolger Archelaus ist

unfähig und wird von den Römern abgesetzt und durch Prokuratoren ersetzt.118

112

Vgl. De origine, fol. [Cviij]v-Dijv.

113 Vgl. De origine, fol. Dij

v-Diiijv.

114 Vgl. De origine, fol. Diiij

v-[Dviij]v.

115 Herodes gestaltete durch seine immense Bautätigkeit Jerusalem zu einer Königsstadt und

Festung einerseits und zum religiösen Weltzentrum andererseits aus. Jerusalem sollte den Glanz des salomonischen Zeitalters wiedererlangen, allerdings im griechisch-römischen Stil nach hellenistischer Lebensart. Vgl. KÜCHLER 1995, S. 109f, und CORNFELD, BOTTERWECK 1969, S774ff.

116 Vgl. De origine, fol. [Dviij]r: „Nascitur autem hoc tempore id est tricesimo regis Herodis anno /

Christus ex tribu Iuda: in ciuitate Dauid: Effectumque comprobatum est: id quod proph(a)eta Iacob ait: Non aufferetur sc(a)eptrum de tribu Iuda: quoad uenerit qui mittendus est: Is erit profecto expectatio gentium“. Die Prophetie findet sich in Gn 4910. Brant erwähnt eigens die Jungfrauengeburt: „Nascitur puer sine dolore matris: quippe qui diuinus erat: non humanus partus:

vnde mater integra & intacta: statim surrexit: & infantem / de more / pannis inuoluit“. Vgl. De

origine, fol. [Dviij]v.

117 Vgl. De origine, fol. [Dviij]vf.

118 Vgl. De origine, fol. Er+v.

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Brant berichtet von Jesus‟ Tempelbesuch;119

im Anschluss folgt eine Lobrede auf die Stadt Jerusalem, die durch das Leben und die Wunder Christi zu einer heiligen Stadt wird. Jesus habe viele Wunder vollbracht, die es bis dahin nicht gegeben habe. Er habe die Stadt mit seinem beispielhaften Leben, seiner früchtebringenden Predigt, seinem unsagbaren Leiden, seinem Tod, seinem Begräbnis und seiner Wiederauferstehung gezeichnet. Daher werde nicht unverdient gesagt, dass Jerusalem glänze und voller himmlischer Geheimnisse sei. Die Stadt, in der so viel Tugend zuhause sei, verdiene großes Lob.

120 Anschließend zählt Brant Gegenstände

(Dornenkrone, heilige Lanze, heiliger Kelch u.a.) und Orte (Abendmahlsstätte, heiliges Grab, Berg Sion u.a.) aus dem Leben Christi auf. Dabei verwendet er als rhetorisches Mittel Anaphern; jede Nennung beginnt mit „Ibi“.

121 Wer, so fragt

Brant schließlich, wage es, all dies gering zu nennen? „Sed cum tot miraculis decorare splendeat: & in modum stellarum alterum possideat cœlum: quis eam audebit paruam dicere: quae sanctissima fide: orbis terminos probatur implesse?“. Mit diesem Textabschnitt zeichnet sich eine Wende in der Geschichte ab. Was bisher erzählt worden ist, tritt völlig in den Schatten jenes Ereignisses, das Jerusalem erst zu der bedeutenden Stadt macht, die sie für die Christen zur Zeit der Kreuzzüge ist, nämlich zum Ort des Lebens und Leidens Christi, der alle heiligen Stätten und Reliquien umfasst, die für die Christenheit so wichtig sind. Dass ausgerechnet dieser Ort in den Händen der Ungläubigen ist, hat Brant zu diesem Ausruf bewegt. Der rhetorische Charakter der Exklamation

122 wird durch die Anaphern noch verstärkt.

119

Vgl. De origine, fol. Eijr+v.

120 Vgl. De origine, fol. Eij

v und Eiijr: “Is nempe Iesus: [.....] miracula f(a)ecit multa / qualia antea

nunquam fuere visa. ciuitatemque illam gloriosissimam / sua exemplari vita / fructifera pr(a)edicatione / ineffabili passione / morte / sepultura / & resurrectione reddidit magis insignem & mirificentissima eff(a)ecit. Adeo vt non inmerito dicatur: quod ista sit speciosa Hierusalem: qu(a)e Typum gerit c(a)elestis arcani / merito igitur laudanda / vbi est tantarum domicilium virtutum”.

121 Vgl. De origine, fol. Eij

v und Eiijr: “ Ibi enim piscinam natatoriam in figuram sacri baptismatis: vt

curaret infirmos: descendens angelus commouebat. Ibi Siloa imperante domino / c(a)eci tenebras lauit: et damnatis oculos: lucis dona restituit. Ibi mensa Christi: c(a)elestibus plena delitiis: spiritualiter saturabat apostolos. Et ne nos ab illa c(a)ena relinqueremur impasti: sacer calix / & communionem nobis praestitit / & salutem. Ibi lapis durissimus: vestigia pii redemptoris ostendit: quando ante Pylatum iudicem constitit audiendus. Ibi columna: religati in se domini flagella testabatur. Ibi spinea corona saluatori domino imposita: vt totius mundi aculei collecti frangerentur. Ibi harundo: caput domini percussit: vt ipsum esse initium rerum / terris omnibus nuntiaret. Ibi crux illa salutis & glori(a)e: loci reuerentiam consecrauit. Ibi lancea latus domini perforauit: vt nobis illius medicina succurreret. Ibi credentes / hodie ipsius sepulcra viuificant. Ibi resurrectionis locus: ad cœlos euehit corda fidelium. Ibi Syon ille montium praecipuus: vbi residentibus discipulis in c(a)enaculo: clausis ianuis mirabiliter saluator intrauit. & c(a)etera: quae diues illa patria: domini passione promeruit”.

122 Von Brant wurde diese Exklamation selbst bewusst als rhetorisches Mittel eingesetzt: Als

Randglosse setzte er „S. Brant exclamatio“, und zwar unmittelbar an das bei Josephus entnommene „Testimonium Christi“ (siehe weiter unten). Brant leitet mit „Iosephe / sancta quidem christo de

principe sentis“ in die Eklamation über. Vgl. De origine, fol. Eijv.

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Der Leser soll nun mit besonderer Aufmerksamkeit in der Lektüre fortfahren, da ab nun ein emotionaler Berührungspunkt zur eigenen Gegenwart geschaffen wird, aus dem der zündende Funke hervorgehen soll, der letztendlich die Überzeugung der Notwendigkeit eines neuerlichen Kreuzzuges entbrennen soll. Brant widmet sich im Anschluss an diese rhetorische Unterbrechung der Zeit unter dem römischen Kaiser Tiberius, als Pontius Pilatus als Prokurator Roms Jerusalem verwaltet.

123 Die

Hauptrolle spielen indes weiterhin das Leben und die Prophezeiungen Christi.124

Aufgrund der oben beschriebenen Wendung des Erzählhorizontes werden nun die Herrscher anhand ihres Umgangs mit dem Christentum bewertet. Tiberius begünstigt die Christen und fördert die Ausbreitung der Kirche;

125 besonders hebt

Brant die Situation der Juden hervor, die die Kreuzigung Christi nicht bereuen wollen. Der Humanist verbindet die Prophezeiung Jesu über den Untergang Jerusalems mit dem künftigen Schicksal der Juden, die die Göttlichkeit Christi ablehnen:

Id quod dominus & Saluator noster [.....] dum […] hanc vrbem Sanctissimam triumphaturus intraret. quando super eam / & quidem amare fleuisse legitur. ac dixisse. Hierusalem Hierusalem: quia si cognouisses / & tu scilicet fleres. Et quidem in hac die: quae ad pacem tibi: nunc autem abscondita sunt ab oculis tuis. Quia venient dies in te: & circundabunt te inimici tui vallo. & coangustabunt te vndique: & ad terram prosternent te / & filios tuos qui in te sunt. Et non relinquent in te lapidem super lapidem. causam subiungens: eo quod non cognoueris tempus visitationis tu(a)e. Iud(a)ei enim qui christum dominum occiderunt: & in eum credere noluerunt quia oportebat ipsum mori & resurgere: vastati infœlitius a Romanis: funditusque a

suo regno (vbi iam eis alienigen(a)e dominabantur) eradicati sunt: dispersique per terras.126

Die Verbreitung des Christentums durch die Apostel und die Predigten von Petrus und Paulus markieren einen Abschnitt in der Geschichte, da ab nun der christliche Glaube in die Weltgeschichte getreten ist; Petrus und Paulus prophezeien zudem den Verlust Jerusalems an feindliche Eroberer, womit Brant die Zeit unter Nero und Vespasian versteht. Die Darstellung Brants hat selbst einen starken prophetischen Charakter.

127 In der Zeit unter dem römischen Kaiser Gaius Caligula

123

Jerusalem wurde nach dem Tod des Herodes von römischen Prokuratoren verwaltet: Archelaus,

der Sohn des Herodes, wurde 6 n. Chr. abgesetzt (De origine, fol. Evf), sodass erst 37 n. Chr. mit Herodes Agrippa I. (37-44) wieder ein lokaler Herrscher über Jerusalem regierte.

124 Tempelbesuch und Taufe; vgl. De origine, fol. Eij

r und Eiijv.

125 Vg. De origine, fol. Eiiij

v-Evr.

126 Vgl. De origine, fol. Eiiij

r+v. Brant zitiert die Klage über das Schicksal Jerusalems [Hierusalem... tuae] aus dem Lukasevangelium: Lc 1942-44

127 Vgl. De origine, fol. Ev

r+v. An dieser Stelle ist der bisher einzige deutliche Absatz des ganzen Textes eingefügt (eine Leerzeile Abstand). Es ist davon auszugehen, dass Brant mit dieser düsteren Prophezeiung die bislang einigermaßen positive Geschichte Jerusalems abschließen will, da infolge der anschließenden Wirren und Kriege die Juden zum Leben in der Diaspora gezwungen werden und für Jerusalem eine Zeit langer Fremdherrschaft beginnt, die nach Brants Verständnis bis in die eigene Gegenwart andauert.

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gelangt Herodes Agrippa, ein Enkel des Herodes, in Jerusalem als römischer Protegé an die Macht (37-44 nach Christus). Die folgenden Ausführungen schildern bereits das zunehmend gespannte Verhältnis zwischen Römern und Juden, das schließlich zum jüdischen Krieg führen sollte.

128 Pilatus habe viele Juden

umgebracht, Herodes zahlreiche ins Exil verbannt; Gaius Caligula befiehlt die Errichtung römischer Tempel und die Verehrung römischer Gottheiten sowie die Anbetung seines Bildnisses im Tempel.

129 Gaius stirbt wegen seiner Grausamkeit,

sein Vetter und Nachfolger Claudius Caligula schickt Fadus, einen brutalen Prokurator, nach Judäa. Zur Zeit Neros sei Judäa voller Zauberer, Diebe und Mörder gewesen.

130 Es folgen zahlreiche einzelne Episoden und Begebenheiten zur

Auseinandersetzung der jüdischen Bevölkerung mit der römischen Besatzungsmacht, die einen zunehmend desolaten Zustand von Stadt und Bevölkerung illustrieren. Brant will damit offensichtlich die Erfüllung der Prophezeiungen des Petrus und Paulus andeuten. Die Spannungen führen schließlich zum Aufstand. Der Jüdische Krieg nimmt in der Darstellung einen ungewöhnlich breiten Raum ein. Ganz Syrien sei von Unglück, Blut und Schande erfüllt. Brant gibt den Juden die Schuld daran, da sie sehenden Auges die Situation provoziert hätten – die Drohung Gottes sei in Erfüllung gegangen.

131 Jerusalem

werde in dieser Zeit von Wunderzeichen und Omen heimgesucht.132

Der elsässische Humanist zeichnet ein düsteres und grauenvolles Bild von der Situation Judäas in dieser Zeit. Seine apokalyptischen Ausführungen illustrieren den Zorn Gottes und sein Verlangen nach Gerechtigkeit, d.h. der Anerkennung Christi.

133 Im Unterschied

128

Unter Herodes Agrippa II. und unter den römischen Prokuratoren blieb Jerusalem zwar geistiges Zentrum des Landes, da die Verwalter aber in Caesarea residierten, kamen sie nur gelegentlich nach Jerusalem und regelten dort meist auf brutale Weise die anfallenden Probleme. Diese Situation rief viele prophetische Bewegungen ins Leben, so auch die des Zauberers Theudas,

von der Brant berichtet (De origine, fol. [Evij]r), oder das Martyrium des Jakobus, der Bruder des

Johannes, dem vom Prokurator Fadus der Kopf abgeschlagen wurde (De origine, fol. [Evij]v). Auch die Zeit Jesu ist in diesen Kontext zu stellen. Vgl. KÜCHLER 1995, S. 311.

129 Vgl. De origine, fol. Ev

v und [Evj]r.

130 Vgl. De origine, fol. [Eviij]r: „Quo tempore res Iud(a)eorum: crementum quidem semper a peiori

suscipiebant. eo quod latronum: magorumque hominum: turbis seducentium populum: prouincia replebatur [.....] Mittitur deinde portius f(a)estus a Nerone pro successione F(a)elicis. Quo veniens in Iud(a)eam: contigit vt prouincia a latronibus uastaretur. & vici omnes per siccarios incenderentur & sanguine f(a)edarentur“.

131 Vgl. De origine, fol. Fv und Fij

r. Gilbert meint, Brant habe eine gewisse Genugtuung bei der göttlichen Bestrafung der Juden verspürt: „It is difficult to avoid the impression that Brant was moved not only by satisfaction of witnessing the operation of divine justice, but also by a strong dislike for the Jews, whose sufferings he almost seems to enjoy“. Vgl. GILBERT 1955, S. 161.

132 Vgl. De origine, fol. Fij

v und Fiijr: „Nam stella pr(a)efulgens: gladio per omnia similis: visa est

ciuitati desuper imminere: & per totum annum perseuerauerat cometes / exitialibus flammis ardens“. Es werden noch zahlreiche weitere Wunder und Zeichen aufgeführt.

133 Vgl. De origine, fol. Fiij

r+v.

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zu den beiden ersten Abschnitten seines Werks wendet sich Brant von den Juden ab und sieht sie nicht etwa wegen der brutalen Herrschaft der Römer als Unterdrückte, sondern hebt allein das Strafgericht Gottes hervor. Somit werden die Römer ungewollt zu Vertretern der christlichen Heilsgeschichte, indem sie eine zentrale Rolle in der Vernichtung der hebräischen Juden übernehmen und der Christianisierung in diesem Gebiet Vorschub leisten. Vespasian und Titus gehen an die systematische Belagerung der Stadt, da geordnete Verhältnisse nicht mehr aufrecht erhalten werden können. Zunächst werden jedoch die Kriegszüge in Judäa geschildert, die Vespasian von Antiochia aus, die jüdische Bevölkerung von Jerusalem aus führen. Vespasian zieht schließlich mit zwanzigtausend Mann in Richtung Jerusalem

134. Brant berichtet von innerjüdischen Streitigkeiten

135 und von

der Ausweisung der Christen aus Jerusalem. Unter Titus ereignet sich dann die Katastrophe: Ausführlich beschreibt Brant die Belagerung und Zerstörung der Stadt und des Tempels während des Pessachfestes.

136 Titus erobert die Stadt und schleift

systematisch die drei Stadtmauern Jerusalems und zerstört schließlich die Stadt bis auf die Grundmauern. Vor allem die Eroberung der Burg Antonia und die Einäscherung des Tempels bedeuten den Verlust jüdischer Daseinsberechtigung.

137

Brant beschreibt die grausamen Exzesse infolge der Hungersnot und dem Tod Tausender: Soldaten essen ihre Gürtel und Schuhe, eine Mutter habe sogar ihr eigenes Kind verzehrt.

138 Dass der Tempel niederbrennt und die Bevölkerung

unerträglich leidet, ist Schuld der Juden, da sie die Friedensangebote des Titus ausschlagen und seine Mildtätigkeit verkennen.

139 Sebastian Brant bringt hier zum

134

Vgl. De origine, fol. Fiiijr-[Fvj]r.

135 Gemeint sind die Auseinandersetzungen zwischen den radikalen Gruppen der

Widerstandskämpfer Simon bar Giora und Johannes von Gischala. Brant erwähnt lediglich Symon

(Simon bar Giora). Vgl. De origine, fol. [Fvj]v, und KÜCHLER 1995, S. 311.

136 Vgl. De origine, fol. [Fvij]v: “Nam ex omni Iud(a)ea populi in die solenni pasch(a)e: velut exitiali

quadam manu cogente conuenerant. Quos trities centena milia hominum Iosephus dicit fuisse. iusto scilicet dei iudicio: tempore hoc vltionis electo. vt qui in diebus Pasch(a)e / saluatorem suum & salutare christum domini cruentis manibus & sacrilegis vocibus violauerant: in ipsis diebus / velut in vnum carcerem / omnis multitudo conclusa: feralis p(a)en(a)e exitium (quod merebatur) exciperet”.

137 Vgl. De origine, fol. [Fvij]v-Gij

v. Mit diesem Ereignis wurde Jerusalem ähnlich traumatisiert wie unter der Eroberung Nebukadnezars. Die Einäscherung des Tempels bedeutete den Verlust der einzigen Jahwe-Kultstätte und führte letztendlich zur tempelunabhängigen Gottesverehrung in den Synagogen. Die Zersörung der Stadt wurde zum Ausgangspunkt des klassischen Judentums mit einer mobilen Gesetzesauslegung pharisäischer Prägung unter den Rabbinern. Vgl. KÜCHLER 1995, S. 311.

138 Vgl. De origine, fol. Gij

v.

139 Vgl. De origine, fol. Gij

v-Giijv; Zitat fol. Giij

v: “templum quidem hoc modo: inuito C(a)esare Tyto exuritur. Quod profecto multum deflendum esset: veluti opus omnium quæ vnquam vidimus aut audiuimus maxime admirabile: tam extructionis genere: quam magnitudine / itemque munificentia in singulis rebus: Nisi quis ex hoc facto solacium caperet: quod vt animantibus: ita operibus locisque: fatum sit ineluctabile. Et quia ecclesia dei / iam per totum orbem vberrime germinante:

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Ausdruck, dass der Tempelbrand und damit die Zerstörung des Symbols des Judentums eine gottgewollte Notwendigkeit war, um der jungen Pflanze des Christentums einen Nährboden zu bereiten. Die Darstellung der Geschichte wird eschatologisch-heilsgeschichtlich umgedeutet; was an dieser Stelle stattfindet, ist eine

Katharsis oder ein rite de passage: Das Christentum erhebt sich nun wie Phoenix aus der Asche. Mit der Erhebung des Titus zum Kaiser wird die Stadt endgültig unterworfen und zerstört.

140 Brant berichtet von 600.000 bis 1.100.000 getöteten

Juden, 17.000 werden versklavt und nach Ägypten verschleppt, Tausende zum Triumphzug nach Rom deportiert.

141 Dieses düstere Kapitel der Geschichte

Jerusalems schließt Brant mit folgendem Resümee ab:

Ita quidem Hierosolyma capta est. Cum antea quinquies capta atque vastata fuisset. Primo quidem a rege Babyloniorum. qui ea potitus excidit. deinde ab Aegyptiorum rege Asobeo. & post hunc ab Anthiocho magno. Deinde a Pompeio. Et post hos cum Herodes & Sossyus captum oppidum seruare. A rege autem Dauid: qui primus Iud(a)eus in ea regnauit: vsque ad id quod Titus f(a)ecit excidium: anni mille / centum lxxiiij. effluxerant. Ex quo autem primum condita est: vsque ad hoc excidium: anni bis mille centum .8.9. Sed enim neque antiquitas: neque ingentes diuiti(a)e: neque per totum orbe terr(a)e diffusa natio: nec magna religionis gloria / quicquam iuuit / quominus periret. Talis igitur finis Hierosolymorum obsidionis fuit:

ciuitatis quidem clarissim(a)e & apud omnes homines pr(a)edicatissim(a)e.142

Es folgt die Beschreibung des Triumphes Vespasians und Titus‟ in Rom, die Verkündigung eines allgemeinen Friedens und der Beginn der Judenverfolgung sowie das Martyrium des Jerusalemer Bischofs Jakob und die Bestimmung seines Nachfolgers Symeon. Bis zur Zeit Hadrians ist Jerusalem ein Aufenthaltsort von Mördern und Dieben.

143 Unter Hadrian wird die Stadt erneut erobert und zerstört.

Im sogenannten Bar-Kochba-Krieg werden die letzten in Jerusalem lebenden Juden vernichtet und vertrieben; die Stadt wird im hellenistisch-römischen Stil

neugegründet und zu Ehren Hadrians und des Zeus Capitolinus Aelia Capitolina

genannt.144

Es folgt die Einsetzung von Bischöfen und die Ausbreitung der christlichen Kirche bis hin zum Zeitalter Konstantins des Großen.

hoc tanquam effœtum & vacuum: nulloque bono vsui commodum: arbitrio dei auferendum fuit templum”.

140 Vgl. De origine, fol. Giiij

r-Gvr.

141 Vgl. De origine, fol. Gv

r.

142 Vgl. De origine, fol. Gv

r.

143 Vgl. De origine, fol. [Gvj]r-[Gvij]r. Jerusalem war nach der Zerstörung vom Lager der Legio

Decima Fretensis beherrscht; die römischen Statthalter lebten von 75-132 nach Christus in Caesarea. Brant nennt die Zahl von 15 Bischöfen, die bis zur Zeit Hadrians in Jerusalem amtiert haben; hier liegt Eusebs „Bischofsliste“ (Hist. eccl. IV,5,3) zugrunde. Vgl. KÜCHLER 1995, S. 312.

144 Vgl. De origine, fol. [Gvij]r+v. Wesentliches Kriegsziel waren Tempel und Kult, da Jerusalem trotz

aller Kriegswirren noch geistiges Zentrum blieb. Der zielstrebige Vernichtungskrieg endete mit einem Aufenthaltsverbot für Juden in der Stadt. Die Neugründung der Stadt ist in den heutigen

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Während der römischen Besatzungszeit zählt Brant weitere sechs Belagerungen, die in ihrem Charakter dem bereits beschriebenen Modell folgen. Die einundzwanzigste Belagerung erfolgt durch den Partherkönig, der auf Betreiben der Hasmonäer versucht, Herodes zu vertreiben. Die nächtsten beiden Belagerungen geschehen durch Herodes selbst, der die Macht zurückerobert und seine Gegner beseitigt. Die vierundzwanzigste Belagerung spielt sich während des Jüdischen

Krieges ab. Der römische Legat Caestius (Cestius Gallus, legatus Augusti pro

praetore in Syrien) soll im Auftrag des Agrippa (M. Iulius Agrippa II.) den Juden ein Friedensangebot unterbreiten, das diese aber ablehnen. Bei der Belagerung verliert Caestius mehr als sechstausend seiner Ritter und Soldaten und löst unter den Juden ein Blutbad aus.

145 Die fünfundzwanzigste Belagerung geschieht durch den

räuberischen Simon, der mit seinem Gefolge die Abwesenheit Vespasians nutzt und zuerst Idumäa, dann Judäa verwüstet und schließlich Jerusalem einschließt. Er besetzt die Mauern und tötet die heimkehrenden Feldarbeiter. Innerhalb der Stadt wüten die Zeloten gegen die Bevölkerung, sodass für die Jerusalemer keine Fluchtmöglichkeiten mehr bestehen.

146 Die sechsundzwanzigste von Brant gezählte

Belagerung ist eigentlich keine: Es handelt sich um einen Bürgerkrieg zwischen zerstrittenen jüdischen Parteien, der mit viehischer, nicht mehr menschlicher Art und Weise ausgetragen wird. Dieses Mal beschmutzen die Juden ihren Tempel selbst mit ihrem eigenen Blut.

147 Die letzte, siebenundzwanzigste „Belagerung“ wird

von Brant nicht mehr eigens gezählt. Es handelt sich um die endgültige Zerstörung des jüdischen Kultplatzes durch Titus und somit um das Ende des jüdischen Jerusalem und den Beginn der christlichen Zeit.

148 Brant scheint der

Geschlossenheit zuliebe die – in ihrer Zuordnung eher konstruiert wirkenden – Belagerungen weitergezählt zu haben. Nach Abschluss der jüdischen Geschichte Jerusalems, d.h. mit der endgültigen Zerstörung des Tempels, werden alle weiteren Zerstörungen und Angriffe auf die Stadt nicht mehr gezählt. Es fällt auf, dass am Schluss die Juden die Verantwortung für das Ende ihres Tempels tragen. Bislang haben immer Fremde den Tempel zerstört und verunreinigt. In der Regel mussten sie dafür eine von Gott veranlasste Strafe erdulden. Die Strafe für die Juden ist nun umso schlimmer: Sie werden in die ganze Welt zerstreut und verlieren ihr Heiligtum. Die Zählung der Belagerungen wird somit zu einem rhetorischen Mittel, mit dem dem Ende des jüdischen Jerusalems und insbesondere des Kultplatzes entgegengezählt wird, um schließlich mit einem reinigenden Feuer dem Christemtum Platz zu machen.

Straßenzügen noch zu verfolgen; am Ort des ehemaligen Tempels entstand vermutlich ein Jupiterheiligtum. Vgl. KÜCHLER 1995, S. 312.

145 Vgl. De origine, fol. Fij

v.

146 Vgl. De origine, fol. [Fvj]r.

147 Vgl. De origine, fol. [Fvij]r: “[...] totumque polluebatur c(a)edibus templum“.

148 Vgl. De origine, fol. Gv

r.

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Die Bewertung guter und schlechter Herrscher folgt nur noch zum Teil dem bereits beschriebenen Modell: Pompeius erfährt Kritik, weil er den Tempel nicht zum Gebet, sondern als Eroberer betreten habe.

149 Brant wirft dem römischen

Heerführer Crassus vor, die Tempelgüter geraubt zu haben. Als Strafe kommt er auf dem Parherzug mitsamt seinem Heer ums Leben.

150 Julius Caesar wird gelobt, weil

er den Juden viele Privilegien zugestand, wovon zu erzählen Brant aber aus Platzgründen Abstand nimmt.

151 Die Gestalt des Herodes bleibt, wie auch schon bei

Josephus, zwiespältig. Einerseits wird er für seine Freigebigkeit, seine Bautätigkeit und für die enorme Energie, mit der er Jerusalem zu einer römischen Stadt machte, bewundert. Andererseits wird er als grausam und als Fremdgeborener bezeichnet: Er stamme väterlicherseits aus idumenäischem Geschlecht, mütterlicherseits habe er gar arabisches Blut; eine Information, die Brant aus Eusebs Kirchengeschichte entnommen haben dürfte.

152 Er tötet bei der Suche nach dem „König der Juden“

versehentlich seinen eigenen Sohn und stirbt wegen seiner Gottlosigkeit und Grausamkeit an einer schweren Krankheit. Sein Sohn und Nachfolger Archelaus wird als grausam beschrieben und muss nach seiner Absetzung ins Exil. Pontius Pilatus ist eine tragische Figur, da er zunächst den Kaiserkult in Jerusalem fördert, Tempelgelder für den Bau von Wasserleitungen verwendet und zahlreiche Juden töten lässt. Allerdings berichtet Pilatus anschließend in Rom von den Wundern und Taten Christi. Er stirbt schließlich durch seine eigene Hand, denn, so Brant, schließlich könne ein Vollstrecker so vieler Untaten nicht ungestraft davonkommen.

153 Brant stellt zwischendurch auch den römischen Kaisern ein

Zeugnis aus. So sei Tiberus ein guter Herrscher gewesen, da er den Senat von den Taten Christi unterrichtet und die Ausbreitung des Christentums begünstigt habe. Gaius Caligula hingegen habe in Jerusalem die Errichtung von Altären zu Ehren des Kaisers verlangt, so auch im Tempel. Er sei „ob eius inexhaustam crudelitatem et

149

Vgl. hierzu auch den von Brant später genannten TACITUS, der im fünften Buch Kap. 9 seiner

Historiae schreibt, Pompeius habe den Tempel nach dem Recht des Siegs betreten: „Romanorum primus Cn. Pompeius Iudaeos domuit templumque iure victoriae ingressus est“.

150 Vgl. De origine, fol. [Cviij]v.

151 Vgl. De origine, fol. Dr: „Iulius autem C(a)esar / ingentia Iud(a)eis ea tempestate concessit

priuilegia: quæ longum esset hic recensere“.

152 Vgl. De origine, fol. [Dviij]r und EUSEBIUS, Hist. Eccl. I,6,2. Die Angaben beziehen sich auf die

Ausgabe EUSEBIUS VON CAESAREA: Die Kirchengeschichte. Herausgegeben im Auftrage der Kirchenväter-Commission der königlichen Preussischen Akademie der Wissenschaften von Eduard SCHWARTZ. Die lateinische Übersetzung des Rufinus bearbeitet im gleichen Auftrage von Theodor MOMMSEN. 3 Bände. Leipzig 1903-1909.

153 Vgl. De origine, fol. [Evij]r: „Pylatus autem qui in Saluatorem iniquii iudicis functus est offitio:

hisdem temporibus Gaii / tantis & talibus malorum cladibus cruciatus est: vt propria se manu transuerberans: nephariam vitam / vi abiecisse referatur. Neque enim poterat tanti piaculi minister: impunitus euadere“. Der letzte Satz mit dem Urteil Brants wurde von Kaspar Frey nicht ins

Deutsche übertragen. Vgl. Von dem anfang, fol. Ejr.

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67

insaniam“ gestorben.154

Vitellius zeigt sich dem Volk gegenüber großzügig, als er während des Osterfests nach Jerusalem kommt. Allerdings wird er später in Rom vom Volk geschmäht und inmitten der Stad erwürgt. Wenn er länger hätte regieren wollen, so Brant, hätte er seine „luxuria“ vermindern müssen.

155 Der syrische

Statthalter Petronius schreibt einen Brief an Gaius mit der Bitte, die Juden nicht zum Kaiserkult zu zwingen.

156 Agrippa (M. Iulius Agrippa II.) lässt sich einen Palast

errichten, von dessen Esszimmer er direkt in den Tempel blicken kann. Damit brüskiert er die Juden und fördert den Aufstand, der zum Jüdischen Krieg führt.

157

Nero schickt mit Vespasian einen großmütigen („magnanimus“) und fähigen („egregius“) Mann nach Syrien. Vespasian erkennt, dass er nur mit Gottes Hilfe Kaiser geworden ist und erinnert sich an die Prophezeiungen des Josephus, den er daraufhin aus der Gefangenschaft entlässt und in Ehren hält. Später feiert Vespasian zusammen mit seinem Sohn Titus einen triumphalen Sieg in Rom.

158 Titus gilt Brant

als integre Figur, die stets bemüht ist, die Juden zu schonen und den Tempel und die Stadt zu erhalten. Die Juden gehen auf seine Menschlichkeit jedoch nicht ein, sodass er gezwungen ist, zum Handlanger des göttlichen Strafgerichts zu werden: Während seiner Belagerung leidet die Bevölkerung schlimmste Hungersnöte. Titus zerstört zudem das Zentralheiligtum des Judentums und leitet so die Diaspora der Juden ein. Nach der Zerstörung des Tempels, für die Titus nach Brant keineswegs verantwortlich ist, lässt er eine Legion in Jerusalem zurück, die nicht nur beauftragt ist, alles jüdische Eigentum zu veräußern, sondern auch alle Angehörigen des Hauses David zu verfolgen.

159 Hadrian schließlich macht Jerusalem zu einer

römischen Stadt unter römischem Recht. Auch die Religion wird römisch. Allerdings ist dies nicht zum Schaden der Christen. Hadrian verbietet, sie zu verfolgen, und gibt ihnen die Möglichkeit, in die Stadt zu kommen. Er lässt niemanden töten, der nicht eines Verbrechens angeklagt ist. Hadrian habe die christliche Religion gekannt, da er die apologetischen Werke des Quadratus und die Werke des Athener Philosophen Aristides gelesen habe. Daher könne man Hadrian

154

Vgl. De origine, fol. [Evij]r. Siehe auch hier TACITUS, Historiae, Liber V, Kap. 9: Dein iussi a C. Caesare effigiem eius in templo locare arma potius sumpsere“.

155 Vgl. De origine, fol. [Evj]r und [Fvij]r.

156 Vgl. De origine, fol. [Evj]v.

157 Vgl. De origine, fol. [Eviij]r: “Hoc tempore fabricatus est (a)edificium magnitudine valde

praecipuum: in palacio Hierosolymorum iuxta theatrum a filiis Asamon(a)ei in loco eminenti conditum. Vnde rex in triclinio inspiciebat ea quae gerebantur in templo”.

158 Vgl. De origine, fol. Fiiij

v-[Fvij]r; auf fol. [Fvj]v: „[Vespasianus] [...] cogitare c(o)epit / quod non sine dei prouidentia sumpsisset imperium. Sed iuxta qu(a)edam fati ratio: ad eius potestatem circumduxisset rerum omnium principatum”. Brant versah diese Textstelle mit einer Marginalie: “Nota perpetuo”.

159 Vgl. De origine, fol. [Fvij]r-[Gvij]r.

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68

nicht zu Unrecht zu den guten Herrschern zählen, so Brant.160

Die Bewertung der Herrscher schert im Abschnitt zur römischen Besatzungszeit etwas aus der Reihe. Wenn mit Pompeius noch nach altem Muster das Verhältnis zum jüdischen Tempelheiligtum zählt, so ist spätestens mit Christi Geburt das Schicksal des Tempels alleinige Schuld der Juden. Die römischen Kaiser und Statthalter haben sich zwar gut oder weniger gut verhalten, sind aber nicht an der Schändung und Zerstörung der Stätten des jüdischen Glaubens schuld. Brant geht allmählich dazu über, das Verhältnis der Herrscher zum Christentum, d.h. die Förderung oder Verhinderung der Ausbreitung des christlichen Glaubens, in den Mittelpunkt seiner Bewertungen zu stellen.

Im Abschnitt zur römischen Herrschaft verweist Brant mehrfach auf die von ihm herangezogenen oder ihm bekannten Quellen. Die Angaben zur Stadt Jerusalem stammen, so Brant, von Hecat(a)eus (Hekataios von Abdera), eine Information, die Brant von Josephus übernommen hat. Eine besondere Bedeutung hat das sogenannte „Testimonium Christi“ des Flavius Josephus; ein Textzeugnis über das Auftreten Jesu, das ursprünglich gar nicht von dem jüdischen Geschichtsschreiber stammt. Brant nennt erstmals nicht nur den Autor Josephus, sondern auch dessen Werk „libri antiquitatum“.

161 In der Tat hat Brant auch in

diesem Abschnitt große Textblöcke von Josephus kopiert, allerdings hat Brant nun

nicht mehr nur die Antiquitates Judaicae verwendet (Bücher XIV-XX), sondern

auch die anderen Werke des jüdischen Geschichtsschreibers, das Bellum Judaicum

und auch die polemische Schrift Contra Appionem, da die Antiquitates mit dem römischen Prokurator Gessius Florus enden.

162 Aus Brants eigenen Quellenangaben

gehen diese Unterschiede allerdings nicht hervor. Die meisten chronikalischen

Informationen entstammen den Antiquitates Judaicae, ebenso die Beschreibung des neu von Herodes ausgebauten Tempelbergs.

163 Die Beschreibung der Stadt

160

Vgl. De origine, fol. [Gvij]v: “Licet enim ipse Christianis primo aduersaretur: cognito tamen eorum religionem / per apologeticos libros Quadrati: atque Aristidis Atheniensis philosophi: censuit iniustum fore christianos in dicta causa occidi. Vnde mandauit neminem occidendum: nisi de accusatore & crimine constaret. Quin immo in illos admodum beneficius fuit. Quem quidem Hadryanum inter bonos principes non iniuria numerare possumus: ex eo quod in singulis rebus agendis: liberalis admodum magnificus ac clemens fuisse comperitur”. Bei den genannten Quadratus und Aristides handelt es sich um Marcianus Aristides von Athen, Philosoph und einer der ersten christlichen Apologeten, und um seinen Zeitgenossen Quadratus von Athen, Bischof von Athen und Apologet, der von Eusebius zu den Schülern der Apostel gezählt wurde.

161 Vgl. De origine, fol. Eijv und JOSEPHUS, Antiquitates, fol. [tvj]v/Buch XVIII, Kap. ix. Näheres

zur Textstelle im nachfolgenden Kapitel zu den Quellen.

162 Die Schriften De bello Iudaico und Contra Appionem grammaticum Alexandrinum sind mit

den Antiquitates Iudaicae in einem Band zusammengebunden. Vgl. Anm. 101

163 Zur Beschreibung des Tempelbergs und der Burg Antonia vgl. De origine, fol. Diijr-Diiijr und

JOSEPHUS, Antiquitates, fol. fv-fijv/Buch XV, Kap. xi. Dass Brant mit Überlegung Textstellen auswählte und nicht beliebig kopierte, zeigt folgende Episode: Brant kopiert von Josephus, dass es beim Bau des Tempels tagsüber nie geregnet habe. Er selbst fügt hinzu, dass es auch dank der nahen Ankunft Christi nicht verwundern dürfe, dass der Tempel so schnell fertig geworden sei.

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Jerusalem ist hingegen dem Bellum Judaicum entnommen.164

Josephus„ Werke enden mit dem Jüdischen Krieg; Brant hat anschließend die Kirchengeschichte Eusebs als Hauptquelle verwendet (Bücher III-VI).

165 Ferner verweist er mehrfach

auf die Evangelisten, die Offenbarungen des Johannes (Acta apostolorum) sowie auf die Kirchenväter Tertullian und Laktanz und auf Euseb. Erwähnung finden zudem die römischen Geschichtsschreiber Cornelius (Cornelius Tacitus) und Sueton sowie der griechische Philosoph Aristides. Bei der Belagerung und Zerstörung des Tempels unter Titus seien sechshunderttausend Menschen ums Leben gekommen. Dies könne man bei Sueton und Cornelius nachlesen, so Brant.

166 In diesem Kapitel

wird deutlich, dass Brant sich darum bemüht hat, alle ihm bekannten und zugänglichen Quellen zu Rate zu ziehen und dem Leser entsprechende Angaben zur Verfügung zu stellen.

2.1.2.4. Die Byzantinische Ära bis zur Geburt Mohammeds Die Zeit von Konstantin bis zur Geburt Mohammeds wird von Brant mit neun

Buchseiten nur knapp geschildert (fol. [Gviij]v-Hiiijv) und berichtet vor allem vom

göttlichen Strafgericht über die Juden, von der Auffindung des Kreuzes durch Helena und von der Herrschaft der byzantinischen Kaiser Konstantin d. Gr., Julian Apostata, Phokas und Herakleios.

Konstantin der Große beruft das Konzil in Nikäa ein; seine Mutter Helena verhilft Jerusalem zur Ehre, indem sie das Kreuz findet und die Grabeskirche errichten lässt.

167 Auch hier ist die Katharsis das prägende Element; das Kreuz

reinigt die Stadt vom Venuskult, der bis dahin die christliche Stadt verunreinigt hat. Dem steht die Herrschaft Julians entgegen, da dieser die Christen verfolgen lässt und den Juden gestattet, ihre Opfer durchzuführen und den Tempel wiederaufzubauen; Julians Ende wird als Niederlage vor Christus und Bestrafung seiner Apostasie dargestellt.

168 Ebenso erwartet die Juden ein göttliches Strafgericht,

da sie mit Hochmut gegenüber den Christen auf die Vergünstigungen Julians zurückgreifen: Ein Erdbeben und eine Feuerkugel vernichten viele von ihnen und zerstören Jerusalem; nach weiteren himmlischen Zeichen verlassen sie in Scharen die Stadt.

169 Auch unter Theodosius weiß Brant vor allem vom Strafgericht über die

Juden zu berichten: So sei der Teufel in der Gestalt des Moses erschienen und habe die Juden von Kreta über das Meer nach Jerusalem geführt – diesen Marsch

164

Vgl. De origine, fol. Diiijv-[Dvij]v und JOSEPHUS, Bell. Jud., fol. Hij

r-Hiiijv/Buch VI, Kap. viii-ix.

165 Brant hat die lateinische Übersetzung Rufins verwendet. Vgl. Anm. 152.

166 Vgl. TACITUS, Historiae, Liber V,13 und wohl SUETON, De vitis Caesarum, der in der Vita des

Titus aber nicht von der Belagerung Jerusalems spricht.

167 Vgl. De origine, fol. [Iviij]v. Den Bericht über die Kreuzesauffindung hat Brant aus Eusebs

Kirchengeschichte (Buch X, Kap. 7) entnommen, und zwar aus den von Rufin ergänzten Teilen (Bücher X und XI).

168 Vgl. De origine, fol. Hv.

169 Vgl. De origine, fol. Hij

r+v.

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überleben nur diejenigen, die sich zum wahren Gott bekennen.170

Unter der Herrschaft des Kaisers Phokas fällt Jerusalem in die Hände der Perser. Viele Christen finden den Tod. Der persische König Cosdroas (Chosrau II. Parvez, auch Xusro, Khosrou, Khosrow) entwendet ein Teil des Kreuzes Christi und muss dafür gewaltsam sterben; unter Herakleios breiten die Perser sich weiter aus, Alexandria und Karthago fallen in ihre Hände. Als Herakleios christliche Riten zur Kampfesvorbereitung durchführt, ziehen sich die Perser schließlich zurück.

171

Während der Herrschaft des Herakleius wird Mohammed geboren. Die einzelnen Herrscher – jetzt vor allem die byzantinischen Kaiser – werden

von Brant wie bereits zuvor bewertet. Konstantin d. Gr. gilt Brant als überaus frommer Herrscher, der mit wahren Tugenden geziert sei („religiosissimus imperator, verisque virtutibus adornatus“), seine Mutter sei eine sehr gläubige Frau von einzigartiger Großmütigkeit gewesen („fœmina incomparabili fide / religione animi / ac magnificentia singulari“).

172 Julian Apostata verdiene es, „Abtrünniger“

genannt zu werden, da er sich zuerst zum christlichen Glauben bekannt habe, sich dann aber gegen Christus, den er einen Galiläer nannte, gewendet habe. Er lässt den bei der Kreuzesauffindung maßgeblich beteiligten Bischof Quiriacus martern und gestattet den Juden, ihren Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. Julian sei ein überaus übler Mensch voller Trug und Hinterlist gewesen.

173 Kaiser Phokas ist

Schuld an der Eroberung Jerusalems durch die Perser, bei der Kirchen und Heiligtümer geschändet wurden und das Kreuz geraubt wurde. Grund ist die Schläfrigkeit und Faulheit des Phokas, der daher zurecht den Namen „Meerkalb“ trage. Man habe ihm schließlich Hände und Füße abgehackt und ihn mit einem Stein um den Hals ins Meer geworfen.

174 Kaiser Heraclius (Herakleios) schließlich

macht sich beim Krieg gegen den Perserkönig Cosdroas verdient, weil er vor dem Feldzug fastet, Ostern feiert und eine christliche Fahne mitnimmt. Bei der Rückführung des von den Persern geraubten Kreuzes jedoch lässt er sich von Ehrsucht verleiten und gestaltet daraus einen persönlichen Triumphzug. Daraufhin erlahmt er und kann erst weitergehen, als er bußfertig Purpur und Edelsteine ablegt und barfuß dem Kalvarienberg entgegenschreitet. Auch in diesem Kapitel sind die

170

Vgl. De origine, fol. Hijv.

171 Vgl. De origine, fol. Hiij

r-Hvr. Jerusalem wurde 614 nach Christus mit Hilfe der Juden von den

Persern erobert und geplündert; Herakleios eroberte sie 628 zurück. Vgl. CORNFELD, BOTTERWECK 1969, S. 782.

172 Vgl. De origine, fol. [Gviij]v.

173 Vgl. De origine, fol. Hv: “Tanta hominis illius miserrimi ad decipiendum calliditas fuit: vt etiam

infœlicis Iud(a)eos vana spe illectos (qua ipse agitabatur) illuderet”. Brant hat hier bei Euseb (Buch X, Kap. 38) kopiert.

174 Vgl. De origine, fol. Hij

v: “[...] qui cum tant(a)e segnitiei & somnolenti(a)e esset: vt merito Phoca hoc est vitulus marinus: grauissimo inter c(a)etera animantia somno delectatus: appellari debeat”, und fol. Hiijr: “Hanc ob rem: ab omnibus / potissimum vero a Senatu spretus Phocas: ab Heraclio copiarum & Aphric(a)e prouinti(a)e duce: imperio ac vita priuatur: nam manibus pedibusque truncatis: & lapide ad collum ligato: in mare proiectus est”.

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Bewertungsmaßstäbe ausschließlich auf den Umgang mit der christlichen Religion ausgerichtet. Wer das Christentum fördert, ist ein guter Herrscher, wer seine Ausbreitung verhindert, ist es nicht.

Brants Quellen für diesen Abschnitt sind die Kirchengeschichte Eusebs (Buch

X), Flavio Biondos Historiarum decades ab inclinatione Romanorum imperii (erste Dekade, neuntes Buch) und Enea Silvio Piccolominis Epitome der Dekaden Biondos (erste Dekade, neuntes Buch).

175 Biondo und Enea Silvio sind zum Teil

textidentisch, sodass nicht zu entscheiden ist, welchem Buch Brant den Vorzug gegeben hat; deutlich ist hingegen, dass er beide benutzt hat, denn es finden sich Textstellen beider Autoren, die beim jeweils anderen nicht zu finden sind. Aus Euseb stammen v.a. die Auffindung des Kreuzes, die Wiedererrichtung des Tempels unter Julian und das Strafgericht Gottes, das daraufhin die Juden heimsucht. Die Abschnitte stammen aus den von Rufin ergänzten Büchern und sind ursprünglich nicht von Euseb selbst verfasst worden.

176 Flavio Biondo bzw. Enea Silvio

Piccolomini finden ab dem persischen König Chosrau Eingang in Brants Darstellung.

2.1.2.5. Von der Geburt Mohammeds bis zur Kreuzzugspredigt Urbans II. in Clermont Ein neuer Abschnitt beginnt mit der Geburt Mohammeds im Jahr 624 n. Chr.,

welche eine Zeit kriegerischer Auseinandersetzung zwischen Christen und neuen Ungläubigen, den Muslimen, einleitet. Brant widmet der Zeit bis zum ersten Kreuzzug 28 Buchseiten (Hiiij

v-Kijv).

Mohammed, ein Araber oder Perser jüdisch-ismaelitischer Abkunft mütterlicherseits, ist ein äußerst grausamer Mensch, der sich gegen die Christen gewendet und eine große Feuersbrunst gegen sie entzündet habe. Er habe ein pestbringendes Gesetz eingeführt, das die Araber dazu brachte, sich gegen das Reich zu erheben.

177 Kaiser Heraclius gelingt es einstweilen, einige Tausend Sarazenen in

Sold zu nehmen; außerdem bringt er das geraubte Kreuz nach Jerusalem zurück,

175

Vgl. Flavio BIONDO: Blondi Flavii Forliviensis Historiarum decades ab inclinatione

Romanorum imperii libri XXXI. Basel, Froben, 1531, und Enea Silvio PICCOLOMINI: Aeneae

Sylvii Pii Pontificis maximi supra de clades Blondi ab inclinatione imperii usque ad tempora

Ioannis vicesimitertij pontificis maximi epitome, in: Enea Silvio PICCOLOMINI: Aeneae Sylvii

Piccolominei senensis, qui post adeptum Pontificatum Pius eius Nominis secundus appellatus est,

opera quae extant omnia, nunc demum post corruptissimas aeditiones summa diligentia castigata

& in unum corpus redacta, quorum elenchum uersa pagella indicabit. His quoque accessit

gnomologia ex omnibus Sylvii operibus collecta, & Index rerum ac uerborum omnium

copiosissimus, Basileae 1551, unveränderter Nachdruck Frankfurt am Main 1967 (im Folgenden:

PICCOLOMINI, Opera omnia, und BIONDO, Historiarum decades).

176 Vgl. dazu die Ausführungen im nachfolgenden Kapitel zu den Quellen.

177 Vgl. De origine, fol. Hiiij

v: „Hoc tempore Mahumetus quidam vt aliqui volunt arabs vt alii afferunt Persa: nobili ortus parente / deos gentium adorante: matre h(a)ebraica atque hismaelita / acerrimi ingenii vir: inter christianos conuersatus: magnum fidei excitauit incendium. legemque suam p(a)estiferam introduxit: & ad rebellandum contra imperium Arabes pellexit“.

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sodass die Stadt wieder christlich wird.178

Allerdings wendet er sich anschließend der Wahrsagerei zu. Brant, der sich selbst als Ausleger himmlischer Zeichen einen Namen gemacht hat, distanziert sich von der „falschen“ Wahrsagerei zur Zeit des Heraclius und wirft ihm vor, dass er aufgrund einer solchen irrigen Vorhersage vorsorglich alle Juden habe taufen lassen, die seiner Herrschaft unterstanden. Heraclius habe sogar den Frankenkönig Dagobert und den spanischen König darum ersucht, die Juden in ihren Herrschaftsgebieten taufen zu lassen.

179 Ab diesem

Augenblick wendet sich alles zum Unglück. Heraclius erblindet, und die von ihm besoldeten Sarazenen lassen ihn im Stich und erobern Damaskus und Ägypten; Mohammed verführt die Araber, die schließlich Persien, Antiochia und Jerusalem einnehmen. Die Araber unter Mohammeds Nachfolger indes beschließen, „mox Europam inuadere“

180 und erobern Rhodos, verwüsten die Kykladen und Sizilien

und ziehen nach Afrika. Kaiser Leontius schließlich kann bis Syrien vordringen und die Sarazenen zurückdrängen; im Jahr 700 soll Jerusalem wieder christlich geworden sein, woran Brant aber nicht zweifelt, obwohl die Geschichtsschreiber davon nicht ausdrücklich berichteten. Er überlässt das Urteil jedoch dem Leser.

181 Es folgen die

weiteren sarazenischen Eroberungen: Afrika, Portugal und Spanien fallen in ihre Hände. Im Folgenden spielt in Brants Bewertung vor allem der christliche Glaube eine Rolle: wer fest an Gott glaubt, wird von Eroberungen verschont; wenn christliche Fürsten in Streit geraten, verlieren sie ihre Länder an die Sarazenen. So werden Asturien und Kantabrien von den Sarazenen verschont, weil sie am Glauben

178

Vgl. De origine, fol. Hiiijv-Hv

r.

179 Vgl. De origine, fol. Hv

v: „Sed inf(a)elix Heraclius: post actum summa gloria triumphum: in reprobum datus est sensum. omnem enim posttergans religionis Christian(a)e reuerentiam: ad studia aruspicin(a)e conuersus: incantationumque pr(a)estigiis indulsit. Lasciuiens enim ob victoriam secundis rebus: ab ariolis mathematicisque pr(a)enoscere voluit: nunquid auium volatus aut astra: illi incommodum aliquod / aut maius periculum minarentur. Vates autem cecinere: grandem periculum atque imperii euersionem: a circumciso populo illi imminere. Quam ob rem a Iud(a)eis (quos eo denotari prognostico interpretatus est) volens cauere: omnes hebr(a)eos suo subiectos imperio baptisari curauit. Atque etiam ad Dagobertum francorum (qui defuncto per id tempus / genitori Clothario successerat) & Sisebodum Hispaniarum reges: pr(a)etensa fidei Christian(a)e causa: tantis institit precibus: vt pariter quodquod Hebr(a)ei in Galliis / Hispaniisque sunt inuenti: fuerint baptisati. Dumque huiusmodi erroribus insaniret Heraclius: suasu quorundam incidit in h(a)eresim:

facileque multos sui erroris habuit sectatores“. Zu Brant als poeta vates vgl. Dieter WUTTKE:

Sebastian Brants Sintflutprognose für Februar 1524, in: Michael KREJCI, Karl SCHUSTER (Hg.): Literatur, Sprache, Unterricht. Festschrift für Jakob Lehmann zum 65. Geburtstag. Bamberg 1984, S. 41-46, und WUTTKE 1974, 1976 und 1977.

180 Vgl. De origine, fol. [Hvj]v.

181 Vgl. De origine, fol. [Hvij]r: „Eratque is annus septingentesimus dominic(a)e Incarnationis:

quando & Hierosolyma christianis restituta / haud absimiliter credi potest: licet id scriptores palam non exprimant [...] Sed h(a)ec vt cuique æquum visum fuerit coniitiantur“. Der Usupator Leontius (Kaiser von Byzanz 695-698) ist nicht für Auseinandersetzungen mit den Sarazenen bekannt; vermutlich ist hier eher Kaiser Leon III. (680-741) gemeint, der mehrere Kämpfe gegen die Sarazenen in Kleinasien ausgetragen hat.

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festhalten und sich so gegen die „Sarac(a)enorum spurcitia“ wehren können;182

unter Kaiser Anastasius (Anastasios II. Artemios) hingegen können sie sich ausbreiten, weil die Heerführer seiner Flotte in Streit geraten und unverrichteter Dinge vom Feldzug zurückkehren.

183 Der erste europäische Herrscher in Brants Geschichte

Jerusalems, der sich im Kampf gegen die Sarazenen verdient macht, ist Karl Martell, der erfolgreich Tours und Avignon verteidigt. Auch die Belagerung Konstantinopels durch die Sarazenen kann gebrochen werden, da die Belagerten Gottesanrufungen und Gebete gen Himmel senden und somit eine Hungersnot unter den Belagerern ausbricht.

184 Unter dem byzantinischen Kaiser Constantinus (Konstantinos V.)

verlieren die römischen Kaiser das Kaisertum an die Franken. Dies geschieht Brant zufolge, weil Constantinus nicht auf die Bitten des Papstes Gregorius (Gregor II.) eingeht, ihn gegen die Treulosigkeit des Langobardenkönigs Aistulf zu unterstützen, unter dem die Kirche heftige Erschütterungen zu erleiden habe.

185 Mit Gregor II.

kommt nun erstmals auch ein Papst ins Spiel. Brant wendet sich nun wieder den Franken zu. Karl der Große wird für seine Eroberungen in Italien, Aquitanien und Spanien gelobt. Weil er so viel für die Wiederherstellung der Kirche im Abenland getan hat, wird er von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Die folgenden Seiten beschreiben eine Phase der Zwietracht zwischen den lateinischen und griechischen Kaisern; aus diesem Grund gelingt es den Sarazenen, weite Teile Europas zu erobern, vor allem die Stadt Rom, die von Papst Leo III. jedoch wieder zurückerobert werden kann. Einzelne Erfolge gehen vor allem auf die Initiativen der Päpste zurück. Erwähnt werden auch die Bulgaren- und Hunnenstürme nach Europa.

186 Otto der Große, der von Brant fälschlich als Otto III. bezeichnet wird,

begründet den Weltruhm des deutschen Reiches, indem er die römische Kaiserkrone, die bis dahin die Franken hatten, zu den Deutschen bringt. Die Krönung durch Papst Leo VIII. ist der Lohn für Ottos Sieg über die Sarazenen, die

182

Die Provinz Baethica, die heute Granada heiße, sei bis zu den Tagen König Ferdinands („illustrissumus immortalique gloria dignissimus Hispaniarum rex“) in den Händen der

Ungläubigen verblieben. Vgl. De origine, fol. [Hvij]v. Brant hat anlässlich des Erfolgs des spanischen

Königs eigens ein Gedicht verfasst: In laudem Serenissimi Fernandi Hispaniarum regis Bethicae et

regni Granatae osidio victoria et triumphus. Et de insulis in mare Indico nuper inventis, das

zunächst in der Historia Boetica des Carolus Verardus (1494), fol. Av, und später in den Varia

carmina (fol bciiij) erschienen ist.

183 Vgl. De origine, fol. [Hvij]r+v. Brant erwähnt hier erstmals die Einteilung der Welt in Drittel: Die

Sarazenen hätten mit Afrika nun bereits ein Drittel der Welt erobert („Et postquam omnem eam orbis partem tertiam / c(a)eperant“) und zielten darauf ab, sich weiter auszubreiten.

184 Vgl. De origine, fol. [Hviij]v.

185 Vgl. De origine, fol. Ir: „Erat per id tempus Gr(a)ecorum imperator Constantinus: qui sæpe per

Gregorium eius nominis secundum requisitus: vt contra Aistulphi Longobardorum regis perfidiam: quassat(a)e subueniret ecclesi(a)e: nihil tamen nisi verba remiserat: & propterea transferendi a Gr(a)ecis in Francos imperii: casum pr(a)ebuerat vrgentissimam. Nullam enim subueniendi curam susc(a)epit: quanquam varia tunc: & sibiipsi contraria vsus fuerit fortuna“.

186 Vgl. De origine, fol. Iiij

v-[Ivij]r.

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mit Hilfe des griechischen Kaisers Süditalien unsicher gemacht und Rom bedroht haben. Allerdings hält der Erfolg über Sarazenen und Griechen nicht lange an, denn nachdem er in einer Schlacht von seinen römischen und beneventanischen Verbündeten im Stich gelassen worden ist, muss sich der Kaiser zur Flucht wenden.

187 Brant führt auf diesen Seiten ein der Goldenen Bulle entsprechendes

Gesetz zur deutschen Königswahl samt der Beschreibung der Aufgaben der deutschen Kurfürsten auf Papst Gregor V. zurück.

188 Als erster deutscher Kaiser,

der nach dem neuen Modus gewählt wird, erscheint Heinrich II. (bei Brant Heinrich I.). Nachdem der Autor den Gewinn Siziliens durch die Christen und weitere sarazenische Kriegszüge in Italien beschrieben hat, kommt er auf Jerusalem zurück. In den Auseinandersetzungen zwischen Türken und Sarazenen um die heilige Stadt wird Jerusalem zerstört und auch die christlichen Heiligtümer werden stark beschädigt. Der Kaiser von Konstantinopel kann einige Jahrzehnte später wenigstens das Grabmal Christi restaurieren. Doch Jerusalem selbst bleibt in Hand der Ungläubigen. Bevor Brant auf die Kreuzzugsgeschichte eingeht, beschreibt er, wie als weitere christliche Bastion die Kaiserstadt Konstantinopel aufgrund von dynastischen Intrigen in die Hände von Türken und Sarazenen fällt, die vom Usurpator Alexios zu Hilfe geholt worden sind. Unter Alexios vermindert sich der Bestand des griechischen Reiches durch Angriffe der Sarazenen beträchtlich.

189

Die Bewertung der einzelnen Herrscher folgt stets dem bekannten Muster. Als Jerusalem an die Araber verloren geht, bringt Herakleios das Kreuz zwar rechtzeitig nach Konstantinopel, erblindet aber als Strafe für seine Sünden und seine Gottlosigkeit. Er stirbt, weil er Gott verachtet und nicht erkennt, dass sein Erfolg auf seinen Glauben begründet ist und er deshalb so viele Gebiete verliert, weil er gottlos geworden ist. Die von Herakleios veranlasste Taufe von Juden wird von Brant zudem nicht gern gesehen. Herakleios gilt Brant als der erste römische Kaiser, unter dessen Herrschaft der Orient verloren ging.

190 Kaiser Anastasios II. Artemios

gilt als „imperator gloriosissimus“, weil er dem Papst seine Ehre erweist und nach dem Ratschluss der Päpste und Konzilien die Sarazenen als seine Feinde betrachtet

187

Vgl. De origine, fol. [Ivij]r-[Iviij]v.

188 Vgl. De origine, fol. [Iviij]v-Kr: „Gregorius autem beneficiorum imperatoris memor: & quia

Othonis etiam consanguineus fuisse dicitur. volens simul a Romanis sibi illa tam iniuriam vlcisci: eam f(a)ecit de imperatoris electione sanctionem: quam huiusque per quingentos prope annos seruatam videmus. Solis videlicet licere Germanis (qui inde electores dicti sunt) principem eligere. Qui C(a)esar tunc & Romanorum rex dictus: si a Romano pontifice coronabitur: imperator Augustus appellatur. Suntque hi electores. Maguntinus archiepiscopus Cancellarius / Germani(a)e: Treuerensis Galli(a)e: Coloniensis Itali(a)e. Brandenburgensis Marchio / Camerarius. Comes palatinus / Dapifer. Dux Saxonum: ensis portitor. Rex Boemi(a)e sit princerna. Romani autem propterea Othonem odio habentes: quod eo impellente de imperatoris electione sanctio facta fuisset: cum eum ferro (quia stipatus armatis confodere nequirent: veneno interfecere”.

189 Vgl. De origine, fol. Kr-Kij

v.

190 Vgl. De origine, fol. [Hvj]v: “Eam secum perferens infamiam: quod Romanorum principum

primus fuit: sub quo orientalis imperii status / prius quidem leui momento nutans. Labefactari c(o)epit: atque eo processit: vt eo viuente Asi(a)e imperium sit amissum”.

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und eine Flotte gegen sie ausschickt.191

Karl Martell hingegen erfährt kein ausdrückliches Lob für seine Siege. Konstantinos V. ist gottlos und verliert nicht nur das Kaisertum an die Franken, sondern schließt auch ein Friedensbündnis mit den Sarazenen, und zwar nur zu dem Zweck, die Christen verfolgen zu lassen.

192 Karl

der Große hingegen ist ein wahrhaftiger Mehrer des Christentums: Er habe beim griechischen Kaiser Schiffe zum Kampf gegen die Feinde erworben, sei nach Jerusalem gereist, habe die Sarazenen von dort vertrieben und habe die Stadt wieder den Christen zurückgegeben. Dafür sei er mit großen Ehren vom byzantinischen Kaiser empfangen worden, habe aber alle Geschenke abgelehnt. Dafür habe er wertvolle Reliquien mitgebracht: Einen Teil der Dornenkrone Christi und ein Stück des Kreuzes und andere heilige Reliquien, die nun in Aachen verwahrt seien. Mit einer Randglosse („Nota Caroli virtutem“) verweist Brant auf seine Lobrede auf den großen Kaiser: Karl sei ein Freund der Gelehrsamkeit gewesen, großzügig, mild bei Bestrafungen, gerecht und maßvoll. Er habe nicht nur Latein, sondern auch Griechisch gesprochen, habe seine Kinder gelehrten Meistern anvertraut und die erste Pariser Lateinschule gegründet. Brant schließt, einen so großen Herrscher habe es seither nicht wieder gegeben: „Et vt in summa eius virtutes complectar: fuit Carolus iste: si res eius tum domi / tum foris gestas inspicere libet: tant(a)e amplitudinis & integritatis imperator: vt postea neminem parem: ne dum superiorem habuerit“.

193 Unter dem griechische Kaiser Nicephorus (Nikephoros I.) hingegen

können die Sarazenen mit 300.000 Mann in das byzantinische Reich einbrechen und dem Kaiser einen Friedensschluss abringen, für den er 3000 Gulden Kopfgeld für seine Sicherheit und 1000 Gulden Steuern jährlich entrichten muss. Allerdings feiern die Sarazenen auch unter Karls Sohn Ludwig und dessen Sohn Pippin große Siege, da nach Karls Tod das Reich großen Schaden nimmt. Das Heer Ludwigs sieht zu, wie die Sarazenen Katalonien verwüsten, und stärkt damit den Heldenmut der übrigen Sarazenen, die daraufhin das Heilige Land schänden und Sizilien einnehmen. Die Christen seien ihrer Gewohnheit entsprechend „conatum et omnia lente“, so Brant.

194 Ein besonderes Lob erfährt Papst Leo IV., denn als die

191

Vgl. De origine, fol. [Hvij]v: “[...] debitam Romano pontifici exhibuisset reuerentiam: post acceptas & ex more confirmatas pr(a)edecessorum pontificum ac conciliorum sanctiones: mox Sarac(a)enos christian(a)e religionis ac Romani hostes agitare constituit”. Brant lässt die Gelegenheit nicht aus, mit seinem Lob des byzantinischen Kaisers die Ostkirche auf den Primat des Papsttums hinzuweisen.

192 Vgl. De origine, fol. Ir+v: “Constantinus autem quem antea Gr(a)ecorum imperatorem fuisse

ostendimus: tanta impietate in religionem christianam exardescebat: vt cum Habdalla Sarac(a)enorum Ammirhato: nulla alia ratione f(o)edera / amicitiamque inierit: quam Christianos Sarac(a)enis cohabitantes persequeretur”.

193 Vgl. De origine, fol. Iv-Iij

v. Die Reise Karls des Großen, die Befreiung Jerusalems und der Transport zahlreicher Reliquien werden bei Martin von Troppau erwähnt, den Brant kurz zuvor nennt. Allerdings lassen sich keine wörtlichen Übernahmen feststellen. Vgl. MARTIN VON

TROPPAU: Martinus Oppaviensis Chronicon pontificum et imperatorum. Herausgegeben von Ludwig WEILAND. Hannoverae 1872 (MGH Scriptores XXII), S. 461f.

194 Vgl. De origine, fol. Iij

v-Iiiijr.

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Sarazenen Rom plündern, betet er zu Gott, der sich erweichen lässt und die Sarazenen einen Schiffbruch erleiden lässt. Leo widmet sich aus Religiosität fortan der Verteidigung gegen die Sarazenen. Er lässt ein Heer aufstellen, das er mit Gebeten und Reden ermutigt. So gelingt ihm ein Sieg über die Feinde. Viele sterben, und die Gefangenen, die nach Rom geführt werden, lässt er aus Mildtätigkeit nicht hinrichten, sondern die zerstörten Kirchen wieder aufbauen.

195 König Otto I. wird

von Brant als „vir excellens“ bezeichnet, der von Natur aus über besondere Gaben verfügt habe, kampferprobt sei und sich durch Menschlichkeit ausgezeichnet habe. Er erhält die Kaiserkrone vom Papst, die damit an die Deutschen kommt, vor allem aufgrund seiner Leistungen gegen die Ungarn. Auch Ottos Sohn gleichen Namens, der im Auftrag seines Vaters gegen die Sarazenen nach Italien zieht, kann die Feinde sogleich in die Flucht schlagen, denn sie fürchten die Deutschen. Allerdings verliert Otto die Schlacht, weil die Griechen gottlose Bündnisse eingehen und weil die Beneventaner desertieren. Leicht hätten die Feinde, wenn sie ihren Sieg zu nutzen verstanden hätten, Rom und ganz Italien erobern können, so Brant.

196 Es ist

wiederum mangelnde Eintracht, die den Feinden das Land in die Hände spielt. Otto III. belagert Rom, vertreibt und blendet Papst Johannes XVI. und wird dafür von Papst Gregor V. mit einem Kaiserwahlrecht belohnt, das so beschaffen ist, dass nur die Deutschen einen Kaiser wählen dürfen. Der Abschnitt schließt mit dem griechischen Kaiser Alexios I. Komnenos, der von Brant angeklagt wird, weil unter seiner Regentschaft viele Gebiete an die Türken und Sarazenen verloren gegangen seien. Alexios habe Türken und Sarazenen gegen den regierenden Kaiser Nikephoros in Sold genommen und Konstantinopel verwüstet, und zwar am Gründonnerstag, der den Christen besonders heilig ist. Er habe ein Blutbad angerichtet, Frauen geschändet, Kirchen verwüstet und Gold und Silber geraubt.

197

Mit der Geburt Mohammeds und somit dem Auftreten des Islams verlagert sich der Interessensschwerpunkt von Brants Buch von der Betrachtung Jerusalems hin zur Abhandlung des Konflikts zwischen Islam und Christentum. Die Geschichte Jerusalems wird nun auch europäische Geschichte, sodass zunehmend europäische Herrscher und Päpste in den Blick geraten, die an den Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen beteiligt sind. Mit der Geburt des Religionsstifters wird zugleich ein Bezug zu Brants eigener Gegenwart hergestellt, denn auf den von hier an beschriebenen Ereignissen beruht die Situation zur Zeit Brants und die Legitimation seines Anliegens, nämlich ein weiterer Zug gegen die ungläubigen Türken. Seit der Translatio imperii und seit Karl dem Großen werden die griechischen Kaiser mit den deutschen Königen bzw. Kaisern verglichen; so rückt nicht nur Kaiser Constantinus vom Glauben ab und schließt ein Bündnis mit den Sarazenen; Leontios‟ Kriegszug in Syrien scheitert, weil er nicht zielstrebig genug ist; Nikephoros I. verlässt den sarazenischen Kriegsschauplatz und greift stattdessen

195

Vgl. De origine, fol. Ivv-[Ivj]r.

196 Vgl. De origine, fol. [Iviij]r+v.

197 Vgl. De origine, fol. Kij

r

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Sizilien an, Alexios ist ein Usurpator. Karl der Große sorgt hingegen in Italien für Ruhe und gewinnt Nordspanien für die Christenheit, die Ottonen holen die Kaiserkrone zu den Deutschen und erwirken, dass nur die Deutschen einen Kaiser wählen können.

Brant folgt in diesem Abschnitt wiederum Enea Silvio Piccolominis Dekaden Biondos, allerdings in geringerem Umfang und mit weniger wörtlichen Übernahmen (zweite Dekade, Buch zwei und drei). Vieles formuliert Brant mit eigenen Worten und ergänzt. Enea erwähnt beispielsweise das Gesetz zur Kaiserwahl, nennt aber die Wahlberechtigten nicht.

198 Auch zu Karl dem Großen fand Brant keine

ausreichenden Informationen bei Enea und hat hier allgemeines Wissen eingefügt bzw. auf Martin von Troppau verwiesen.

2.1.2.6. Der erste Kreuzzug Dem ersten Kreuzzug und der Errichtung der Kreuzfahrerstaaten widmet Brant

insgesamt vierzig Buchseiten (Kijv-[Mvj]r). Er beginnt mit der Rede Urbans II. auf

dem Konzil von Clermont, die er fünf Seiten lang zitiert,199

und endet mit dem Verlust Edessas an die Türken.

Urban hat kaum ausgeredet, da rufen alle wundersam wie aus einem Munde „deus vult / deus vult“. Urban erklärt den Ausruf „deus vult“ zum Schlachtruf des Kreuzzuges. Ferner soll jeder ein weißes Kreuz auf rotem Tuch an der Brust tragen. Diejenigen, die nicht sofort losziehen können, sollen das Kreuz auf den Ärmel heften. Diese Verordnungen werden – „vt certi sunt & digni fide auctores“ – noch am selben Tag in die entlegendsten Teile der Welt getragen. Innerhalb kürzester Zeit heften sich so 300.000 Kriegswillige das Kreuz an.

200 Bis auf den deutschen König

Heinrich IV.,201

der seine Zeit mit inneren Streitigkeiten verbringt, nehmen zahlreiche Fürsten, Grafen und andere Personen das Kreuz: Genannt werden der Eremit Petrus, die Brüder Gottfried, Eustachius und Balduin von Bouillon, Bohemund von Tarent, Raymund von Toulouse, Robert II. von Flandern , Herzog Robert von der Normandie, Graf Stefan von Blois, Bischof Adhemar von Puy und Hugo von Vermandois.

202 Der Verlauf der einzelnen Züge wird bündig beschrieben;

198

Vgl. De origine, fol. [Lviij]v und PICCOLOMINI, Opera omnia, S. 202.

199 Vgl. De origine, fol. Kij

v-Kvr. Brant hat die Rede aus Flavio Biondos Dekaden entnommen, nicht

aus Enea Silvio Piccolominis Epitome. Vgl. BIONDO, Historiarum decades, S. 207f (zweiten Dekade, drittes Buch). Vgl. auch MERTENS 2000, S. 65-78. Mertens weist auf die „Aktualisierung“ der Rede hin, da Brant in Anlehnung an Biondo Urban II. eine Türkenrede des 15. Jahrhunderts, und nicht einen Kreuzzugsaufruf des 11. Jahrhunderts habe halten lassen.

200 Vgl. De origine, fol. Kv

r+v.

201 Heinrich IV. wird von Brant als „Heinricus tertius Romanorum imperator“ bezeichnet; vgl. De

origine, fol. Kijr und Kv

v.

202 Vgl. De origine, fol. Kvr. Weitere Teilnehmer des Kreuzzuges werden nicht genannt wie etwa

die Haufen unter der Führung des Ritters Walter ohne Habe oder des Priesters Gottschalk – vermutlich nicht deshalb, weil ihre Initiativen scheiterten und sie für den weiteren Verlauf der Geschichte keine Rolle mehr spielten, sondern weil sie im Quellentext Brants, der Kurzfassung von

Biondos Dekaden, nicht genannt werden. Vgl. PICCOLOMINI, Opera omnia, S. 209. Brant bzw.

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einen ersten Höhepunkt bildet die Schlacht gegen die Truppen Qilidsch Arslans, des Seldschukensultans, nach der Besetzung Nikäas.

203 Brant weist auf dieses Ereignis

eigens hin („Nota gloriosam victoriam & victorum pr(a)emia“), bei dem 40.000 Personen ums Leben gekommen seien eine reiche Beute an Tieren, Gold und Silber gemacht worden sei. Der Weg geht weiter über Ikonium, Herakleia und Tarsus, wo Tankred und Balduin von Boulogne sich vom Heer trennen und Balduin den ersten Kreuzfahrerstaat in Edessa errichtet: „Primusque fuit Balduinus: cui ab expeditionis ducibus: dominium in Asia est concessum“.

204 Brant widmet sich sogleich der

Eroberung Antiochias: Er beginnt mit einer ausführlichen Beschreibung der Stadt, die von einer doppelten Mauer umgeben sei, 460 Türme habe, vier Bergrücken miteinschließe und im Osten von einer Festung überragt werde. Antiochia sei verdientermaßen erobert worden, denn dort habe man die ersten Christen getauft. Außerdem habe die Stadt zuerst zum römischen Reich, dann zum byzantinischen Reich gehört, habe also tausend Jahre unter christlichem Glauben geblüht. Unter dem Patriarchen von Antiochia habe es 153 Bischöfe und 366 Kirchen gegeben.

205

Es folgt die Beschreibung der Belagerung und des Sieges über die Türken und die Einrichtung eines weiteren Kreuzfahrerstaates unter Bohemund.

206 Bedeutendes

Ereignis in Antiochia ist das Auffinden der heiligen Lanze, mit deren Hilfe es gelingt, die Türken unter der Führung Kerbogas von Mosul in die Flucht zu schlagen, nachdem diese die Kreuzfahrer nach ihrem Sieg in der Stadt eingeschlossen haben.

207 Brant erwähnt die Uneinigkeiten zwischen den Normannen

und den Provenzalen bezüglich des Versprechens gegenüber Alexios, die eroberten Gebiete wieder seiner Herrschaft zu unterstellen. So bleibt Bohemund als Herrscher in Antiochia zurück, und Raymund von Toulouse zieht weiter gen Jerusalem.

208 Die

von ihm eroberten Städte Arqa, Tortosa, Tripolis und andere werden kurz genannt; es folgt dann sogleich eine kurze Beschreibung der Stadt Jerusalem, bevor Brant die

Enea Silvio Piccolomini haben die einzelnen Heereszüge, die durchaus unterschiedliche Wege nach Byzanz nahmen, zu einer Gruppe zusammengefasst.

203 Vgl. De origine, fol. [Kvj]r-[Kvij]v. Qilidsch Arslan wird Solymanus genannt; Brant spricht

allgemein von „Thurci & Sarac(a)eni“, nicht von Seldschuken. Vgl. PICCOLOMINI, Opera omnia, S.209f.

204 Vgl. De origine, fol. [Kviij]v.

205 Vgl. De origine, fol. Lij

r: „In hac vrbe celeberrima: primum baptismatis fonte renati: Christianos se se appellauerunt. Hæc vrbs stante primum Romano: postea Constaninopolitano imperio: ad mille annos / adeo sub Christi nomine & fide floruit. vt centum quinquaginta tres episcopi sub Antioch(a)eno patriarcha fuerint: & in vrbe illa trecent(a)e sexagintasex ecclesi(a)e”. Die

Beschreibung entstammt Enea Silvios Epitome. Vgl. PICCOLOMINI, Opera omnia, S. 210.

206 Vgl. De origine, fol. Liij

r-Lvr.

207 Vgl. De origine, fol. [Lv]r-[Lvij]r. Kerboga wird von Brant Corbanas genannt.

208 Vgl. De origine, fol. [Lvj]v-[Lvij]r.

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Eroberung schildert. Unter den Kreuzfahrern bricht ein Freudengeschrei aus.209

Die Erstürmung Jerusalems wird nüchtern und kurz geschildert: man vermisst eine Lobrede Brants über die geglückte (Wieder-) Eroberung,

210 die man angesichts

seiner bisherigen Ausführungen eigentlich erwarten würde. Nachdem die Stadt eingenommen worden sei, habe es heftige Kämpfe auf dem Tempelberg gegeben, da viele im Tempel Schutz gesucht hätten.

211 Über das entsetzliche Blutbad, das die

Eroberer anrichteten, konnt Brant nicht hinweggehen. So wird Jerusalem schließlich an den Iden des Juli 1099 erobert, vierhundertneunzig Jahre, nachdem die Stadt unter Herakleios an die Sarazenen fiel. Die Waffen werden nun niedergelegt, die Leichen beseite geräumt und anschließend das Grab des Herrn aufgesucht. Dort fließen Tränen der Freude, Volk und Klerus singen Psalmen und Hymnen.

212 Es

folgt die Bestimmung Gottfrieds von Bouillon zum Herrscher über Jerusalem und die Wahl des normannischen Presbyters Arnulf zum Patriarchen. Ausführlicher als die Eroberung Jerusalems wird die nachfolgende Schlacht bei Askalon gegen die Ägypter und der Sieg der Kreuzfahrer über die Muslime geschildert.

213 Zur Phase

der Konsolidierung der Herrschaft in Jerusalem berichtet Brant von Gottfrieds Tod und der Übernahme der Herrschaft durch seinen Bruder Balduin, von der Eroberung Akkons, Sydons und Tyrus‟, vom Tod Bohemunds und der Übernahme seiner Herrschaft durch Tankred, von Balduin III. und dem Laterankonzil des Papstes Calixt II. und schließlich vom Verlust Edessas,

214 bei dessen Beschreibung

Brant nicht mit der Aufzählung der von den Türken begangenen Freveln spart; jedermann sei umgebracht worden, der dem Christentum nicht abschwören wollte, und die adligen Frauen seien auf dem Altar des Heiligen Johannes des Täufers geschändet worden.

215

209

Vgl. De origine, fol. [Lviij]r: „Videres vero tunc / varios summo in gaudio motus. pars clamores in cœlum attollere. Iubilis pars / & canticis optimum maximum Iesum venerari. pars lachrymis vbertim in genas fluentibus ridens. in faciemque prostrata: sanctam vrbem: sanctum venerandumque sepulchrum domini salutabat“. Die zitierte Textstelle wurde von Brant in den

ansonsten von Enea Silvio Piccolomini übernommenen Text eingefügt. Vgl. PICCOLOMINI, Opera

Omnia, S. 213.

210 Brant spricht eindeutig von recuperatio, vgl. De origine, fol. Mr.

211 Vgl. De origine, fol. Mr: „Gotfr(a)edus / Normannus / & Flandrensis Comites vrbe capta: &

concurrentibus quibusque / interf(a)ectis: ad Salomonis templum / quo multi confugerant transiere. Ibique acriter pugnatum est: talisque c(a)edes in templo commissa: vt interf(a)ectorum cruor / pugnatium talos altitudine superaret“.

212 Vgl. De origine, fol. Mv: „Pulchrumque fuit cernere / summa in l(a)eticia / summa in omnium

exultatione / irrigatas fluentesque lachrymis / singulorum genas. Laudes / hymnos / psalmos / certatim cum praesbiteris & clero / populus decantabat“.

213 Vgl. De origine, fol. Mv-Miij

r.

214 Vgl. De origine, fol. Miij

v-[Mv]v.

215 Vgl. Anm. 224.

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Lob und Tadel der Herrscher fallen in diesem Abschnitt nicht nach dem klaren Muster der vorhergehenden Abschnitte aus. Die Geschehnisse sind kompliziert und verwickelt, sodass Brant nicht immer ein eindeutig positives oder negatives Urteil fällen kann. Papst Urban II. beruft das Konzil von Clermont „pro rei eclesiastic(a)e refomatione ornatuque“ ein und vollbringt damit etwas, was vor ihm noch kein Papst getan hat. Dank seiner feurigen Rede sind alle zutiefts berührt, 300.000 Menschen nehmen das Kreuz. Heinrich IV., „homo perniciosus“, wird von Brant gerügt, weil er, anstatt das Kreuz zu nehmen, Krieg gegen Robert von Flandern führte, „vt molestando bello principes: a glorios(a)e expeditionis consilio verteret“.

216 Der Eremit Petrus schafft es nicht, seine Truppen zu kontrollieren. Die

Gefechte mit den Griechen führt dazu, dass die Kreuzfahrer gegen ihren Willen über den Bosporus gesetzt werden. Sein Haufen wird nahe Nikäa von den Türken aufgerieben.

217 Boemund von Tarent ist eine zwiespältige Figur. Boemund besiegt

gemeinsam mit seinem Vater Robert Guiscard den griechischen Kaiser Alexios Komnenos in zwei Seeschlachten. „generositate animi & cupiditate glori(a)e ductus“ schließt er sich dem Kreuzfahrertross um Bischof Adhémar von Le Puy mit 12.000 Mann an. Sein Neffe Tankred begleitet ihn. Boemund wählt, in Erinnerung an seine Feindschaft mit Alexios, den Seeweg bis Adrianopel. In Konstantinopel schließt er einen Vertrag mit dem griechischen Kaiser, demzufolge alle eroberten Gebiete bis auf Jerusalem an Byzanz fallen sollten. Nach der Eroberung Nikäas trennen sich die Heere, Boemund rastet an einem Fluss und wird dort von den Sarazenen und Türken angegriffen. Mithilfe des heraneilenden anderen Heeres gelingt ein spektakulärer Sieg über die Feinde. Boemund spielt eine entscheidende Rolle bei der Eroberung Antiochias. Zunächst ermöglicht er den Kreuzfahrern, Befestigungen rund um die Stadt zu errichten, indem er die feindlichen Soldaten in Kampfhandlungen verwickelt. Zweimal bricht Boemund auf, um dem hungernden Heer Nahrungsmittel zu besorgen. Auf beiden Reisen legt Boemund ein sarazenisches Heer nieder. Später gelangt er mithilfe des Verrats des türkischen Unterhändlers Pyrrhus (Firuz) in die Stadt, die damit in den Händen der Kreuzfahrer ist. Boemund bleibt fortan in Antiochia.

218 Gottfried von Bouillon, der

eigentlich eine herausragende Rolle spielt, da er der erste König über Jerusalem seit beginn der muslimischen Herrschaft ist, wird in der „historia“ selbst zunächst nicht eigens herausgestellt. Eine Randglosse („Gotfr(a)edi laus“) verweist den Leser lediglich auf die Eroberung der Stadt und die Schlacht um den Tempel. Eine Lobrede auf Gottfried folgt nicht. Auf der darauffolgenden Seite spricht Brant von seiner Erhebung zum König von Jerusalem. Er nimmt die Herrschaft an, lehnt aber Titel und Krone mit dem Argument ab, es sei eines Menschen nicht würdig, in dieser Stadt ein goldenes Diadem zu tragen, in der der König aller Könige die mit

216

Vgl. De origine, fol. Kvv.

217 Vgl. De origine, fol. Kv

v-[Kvj]r.

218 Vgl. De origine, fol. Kv

v-Lv; Zitat fol. Kvv.

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seinem Blut befleckte Dornenkrone getragen habe.219

Weitere Protagonisten des Kreuzzuges können Brants These der Verbindung von Verhalten und Erfolg nur bedingt stützen. Hugo Magnus (Hugo von Vermandois) ist einer der erfolgreichen Heerführer beim Kampf um Antiochia. Er stirbt aber in Konstantinopel an einer Krankheit, da er dorthin gereist ist, um laut zuvor geschlossenem Vertrag Antiochia dem griechischen Kaiser zu übergeben. Bischof Adhémar von Le Puy stirbt trotz päpstlichen Segens, seiner Erfolge im Kampf um Antiochia und trotz der Tatsache, dass seine Gruppe die Heilige Lanze trug und Palmen sang, an einem Fieber.

220

Raymund von Toulouse, Robert von Flandern und Herzog Robert von der Normandie kehren nach Hause zurück, da sie ihre Gelübde erfüllt haben.

221 Stefan

zieht mit Adhémar von Le Puy nach Konstantinopel. Während der Belagerung von Antiochia desertiert er. Auf dem Rückweg trifft er den griechischen Kaiser Alexios, der mit Nahrungsmittel für die hungernden Kreuzfahrer auf dem Weg nach Philomenon ist. Stephan berichtet, die Kreuzfahrer seien alle erschlagen und vertrieben worden, sodass die griechische Flotte umkehrt. Der Franzose vereitelt somit eine wichtige Mission seitens des griechischen Kaisers.

222 Balduin von

Bouillon wird nach dem Tod seines Bruders Gottfried zum König von Jerusalem gekrönt: „Et Balduinus frater / magno omnium Christianorum qui terram incolebant sanctam / consensu non dominus (vt frater), sed rex Hierosolymæ est creatus“. Damit ist Balduin der erste wahre König über Jerusalem, da sein Bruder zuvor aus Bescheidenheit abgeleht hat. Balduin erobert die Seestädte Akkon, Beirut und Sidon, zum Teil mit venezianischer und genuesischer Hilfe. Die Eroberung des Klosterbergs Tabor kann Balduin nicht verhindern. Nachdem er zwischen Tyrus und Akkon eine Festung errichtet hat, stirbt er.

223 Brants Lob erfahren immerhin die

Päpste Paschalis II., Calixt II. und der Jerusalemer Patriarch, denen es gelingt, Genuesen und Venezianer zu überzeugen, mit ihren Flotten dem Heiligen Land zur Hilfe zu kommen. Tadel erfährt hingegen der griechische Kaiser Manuel I. Komnenos, der die Christen um ihre Erfolge beneidet und die venezianische Flotte zum Umkehren zwingt. Fulko V. von Anjou, Balduins Schwiegersohn, passt wieder ganz in Brants Schema: Mit seinen beiden kriegserfahrenen Söhnen gelingt ihm ein Sieg über die Türken. Als aber die Grafschaft Edessa verloren geht, kümmert er sich

219

Vgl. De origine, fol. Mr+v, Zitat Mv: „Actis tali l(a)eticia diebus octo: mox summo omnium consensu / elatum humeris Gotfr(a)edum: Hierosolymorum regem acclamauerunt. qui dominium quidem vrbis acc(a)eptauit. regni vero titulum & coronam respuit. Indignum ducens illa in vrbe aureo diademate / hominem vti: in qua rex regum / spineam coronam / suo sanguine manantem / gestasset“.

220 Vgl. De origine, fol. Kv

v-[Lvj]v.

221 Vgl. De origine, fol. Kv

v-Miijv.

222 Vgl. De origine, fol. Kv

v und Lvr+vl

223 Vgl. De origine, fol. Miij

v-Miiijv, Zitat fol. Miij

v.

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darum nicht. Zur Strafe stirbt Fulko während einer Hasenjagd auf dem Rücken seines Pferdes.

224

Der Abschnitt beruht nun wieder in großem Umfang auf Enea Silvio Piccolominis Epitome. Bis auf die Rede Urbans und den unmittelbar darauffolgenden Absatz, die Brant direkt aus Biondos Dekaden kopiert hat, folgt der Elsässer Humanist seiner Vorlage Enea (zweite Dekade, drittes und viertes Buch).

225

2.1.2.7. Vom zeiten Kreuzzug bis zum Verlust Damiettes Der Abschnitt beginnt mit Bernhard von Clairvaux„ Aufruf zum zweiten

Kreuzzug und endet mit dem Rückzug der Christen nach Europa nach dem Verlust Damiettes. Brant behandelt diese Zeit auf knapp dreißig Buchseiten ([Mvj]r-Oiij

r). Bernhard von Clairvaux überzeugt den deutschen König Konrad III. zum

Orientzug, der jedoch erfolglos endet. Balduin III. wiedererobert Askalon, baut das völlig zerstörte Gaza wieder auf und vertreibt den damaszenischen Fürsten Nur ad-Din. Brant erwähnt die Kreuzzugsinitiativen König Ludwigs VII. von Frankreich und Rogers von Sizilien. Ludwigs Zug scheitert ebenso wie derjenige Konrads; Roger von Sizilien kann Ludwig aus byzantinischer Gefangenschaft befreien und belagert Konstantinopel. Balduins III. Bruder kommt nach dessen Tod auf den Jerusalemer Thron. Er wird von Brant für die nachfolgenden Gebietsverluste verantwortlich gemacht, weil er Kairo und Alexandria belagert, aber gegen Geld wieder an den ägyptischen Herrscher freigibt. Seine „auaritia“ ist Schuld am Verlust des heiligen Erdreichs.

226 Unter Saladin fallen die Türken im Heiligen Land ein

(„Anno .1181. Thurcorum irruptio in terram sanctam“). Brant schiebt die Schuld neben Balduins Bruder auch dessen Schwester Sybilla zu, die ihren Mann Guido von Lusignan auf dem Thron Jerusalems sehen möchte. Raymund von Tripolis begeht den Fehler, sich mit Guido zu verbünden. Sie verlieren eine Schlacht gegen Saladin. Die Beschreibung Saladins als guter Herrscher stellt eine große Ausnahme dar; er wird aufgrund seiner Mäßigkeit und Menschlichkeit sowie wegen der Großmütigkeit seines Wesens gelobt.

227 Die Erfolge der Sarazenen beruhen in der

Darstellung Brants häufig auf dem Fehlverhalten und der Zwietracht unter den christlichen Herrschern; insbesondere das Königtum in Jerusalem ist stark durch

224

Vgl. De origine, fol. Mvv: „Captaque est vrbs a Barbaris crudeliterque direpta: omnibus occisis /

quam christum abnegare noluerunt. Nobilis mulieribus super altarem sancto Iohannis Baptist(a)e (quod scirent nostris religiosissimum) violatis. Fulco vero h(a)ec negligens: vel non ut decuit forti animo consyderans: in venatione dum leporem sectatur: (a)equo in caput euerso / occubuit”.

225 Vgl. PICCOLOMINI, Opera omnia, S. 209-213.

226 Vgl. De origine, fol [Mvij]r+v.

227 Vgl. De origine, fol. [Mvij]v: „Saladinus autem rec Thurcorum omnium in illa gente fortissimus &

prudentissimus”; Nr: „Oberat multis Christianis Saladini humanitas”, und [Nvj]r: „Saladinus forte interisset: vir omnium eius s(a)eculi / virtute / g(a)estarum rerum gloria / & potentatu facillime princeps. qui vnico / quod in funere eius circumferri iussit elogio: moderatione suam: spernendisque in rebus humanis magnitudinem animi ostendit”. Vgl. auch die Ausführungen im nachfolgenden Kapitel zu den Türken und Sarazenen.

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Intrigen und Uneinigkeit geprägt. Der Verlust und die Zerstörung Jerusalems im Jahr 1188 markieren für Brant erneut einen Einschnitt in seiner Erzählung; er fügt einen der seltenen Absätze in den Text ein. Auch Antiochia wird vom Patriarchen an die Türken verkauft.

228 Die anschließenden Unternehmungen des dritten

Kreuzzuges werden von Brant kurz abgehandelt. Ein Edikt Papst Clemens„ III. bewegt viele dazu, das Kreuz zu nehmen, darunter Kaiser Friedrich Barbarossa, König Philipp von Frankreich und Richard Löwenherz sowie den Herzog von Burgund. Zahlreiche Bischöfe und Erzbischöfe begleiten die von Venedig und Pisa bereitgestellten Flotten. Guilhelmus von Sizilien vereinigt sich unterwegs mit der Flotte und steuert Material und Nahrungsmittel bei. Die Friesen und Dänen schicken fünfzig Schiffe aus, die Flandern zwanzig. Der ungarische König Bela schließt mit den Venezianern der christlichen Sache wegen Frieden. Barbarossas Erfolge werden groß herausgestellt und sein Tod während eines Bads im Fluss bedauert.

229 Brant erwähnt den Beginn der Auseinandersetzungen zwischen England

und Frankreich und schließt den dritten Kreuzzug mit der Rückkehr der verschiedenen Kreuzfahrer. Im Jahr 1201 machen sich schließlich wiederum verschiedene Kreuzfahrer auf den Weg, dieses Mal nach Asien. Brant erwähnt die Interessen der Venezianer, die die Flotte für die Überfahrt zur Verfügung stellen, an der Eroberung Dalmatiens und an der Verteilung der Gebiete: „ Veneti autem ea lege cum proceribus conuenere: vt praeter Dalmaciam / quicquid caperetur / (a)equis portionibus diuideretur“.

230 Der vierte Kreuzzug wird in wenigen Sätzen

abgehandelt; die gewaltsame Einnahme Konstantinopels und die Erhebung Balduins von Flandern zum Kaiser werden kurz erwähnt, aber nicht eingehend geschildert. Brant gibt auch keine Begründung, warum nun gerade Konstantinopel erobert worden ist.

231 Brant nimmt nun Bezug auf die Geschehnisse in Spanien und die

dortigen Auseinandersetzungen mit den Sarazenen. Anschließend widmet er sich Friedrich II. und dem Laterankonzil. Friedrich II. sei auf Betreiben des Papstes anstelle Ottos V. zum Römischen König gewählt worden und habe als Dank das

228

Vgl. De origine, fol. [Mviij]v-Nijr.

229 Vgl. De origine, fol Niij

v-Niiijr: „Fridericus primus: dictus Barbarussus: ex Alemania cum

amplissima exercitu prof(a)ectus / per Hungariam Thraciamque Constantinopolim petiit […] Fridericus Philom(a)enam vrbem c(a)epit de Thurcis: & Iconium delatus: adiacentem regionem populates est. Arm(a)eniam minorem ingressus: omnia in potestatem suam redegit / Sed dum lauandi causa rapidum amnem inexplorato ingreditur submersus est / homo gloriosissimus: & in recuperandis imperio Romano terris amissis singularis animi & virtutis”.

230 Vgl. De origine, fol [Nvij]r.

231 Vgl. De origine, fol. [Nvij]r+v: „Classis deinde procerum bossorum ingress / Constantinopolim

petens [...] Sed illa (tam etis longa mora) magno tamen impetu fortique forcipe perrupta est. & ciuitas terra marique oppugnata. & postremo vi capta [...] Balduinus Flandrensis / summa concordia imperator declaratus est: & Thomas Maurec(a)enus / in sacris agens / in patriarcham assumptus: nouum imperatorem inunctum coronauit“.

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Kreuzzugsgelübde abgelegt.232

Es folgt der Zug nach Ägypten, die Belagerung und Eroberung Damiettes und Kairos und schließlich die große Niederlage der Christen. Schuld an dieser Niederlage sind das Nilhochwasser und die Furcht der Franzosen.

233

Auch dieses Kapitel spart nicht mit Herrscherlob und –tadel. Konrad III. zieht nach den Predigten Bernhards von Clairvaux mit einem Kreuzheer nach Konstantinopel. Er belagert auf Rat des griechischen Kaisers Manuel I. Komnenos die Stadt Ikonium, muss sich aber nach Thrakien zurückziehen, weil sein Heer aufgrund des von Manuel mit Gips versetzten Mehls erkrankt. Der „scelestus imperator Gr(a)ecus“ mischt Gips in das Mehl, das er den Kreuzfahrern für deren Versorgung verspricht. So betrügt er den deutschen König Konrad. Die Stadt Damaskus ist stark befestigt und das Heer muss sich, nachdem es aufgrund des verschnittenen Mehls erkrankt ist, zurückziehen. Auch der französische König Ludwig wird von Manuel betrogen: Er wird von ihm durch die syrische Wüste geschickt und verliert so einen Teil seines Heeres. Schließlich sitzt er, von den Sarazenen belagert, im Hafen von St. Simon fest, wo er von Roger von Sizilien befreit und nach Jaffa verbracht wird. Die Episode ist Brant eine Randglosse („Gr(a)ecorum perfidia“) wert.

234 Papst Eugen III. ermahnt auf Anraten Bernhards

von Clairveaux„ den französischen König zum Kreuzzug und überredet die Genuesen, eine Flotte auszuschicken. Die Genuesen rüsten 163 Schiffe gegen die Sarazenen und Türken aus. In der darauffolgenden Schlacht töten sie 20.000 Feinde, 10.000 Gefangene beiderlei Geschlechts werden nach Genua verbracht. Im selben Jahr findet erneut eine Schlacht bei Tortosa statt, wiederum kehren die Genuesen mit reich beladenen Schiffen zurück. Die Intention des Papstes ist lobenswert, bei den italienischen Städten unterstellt Brant oft eher Beutegier als christliches Zurhilfeeilen. Als Heinrich V. nach dem Tod Barbarossas von den Deutschen zum König gewählt wird, krönt Papst Coelestin ihn zum Kaiser und überträgt ihm das Königreich Sizilien. Die Belagerung Akkons, die in der Zwischenzeit bereits zwei Jahre dauert, wird zu der Bedingung abgebrochen, dass die Christen die verbliebenen Teile des Heiligen Kreuzes zurückerhalten und frei abziehen können. Die Kreuzreliquien werden jedoch nirgends gefunden. Richard schlachtet daraufhin alle in seiner Gewalt befindlichen Feinde ab, Philipp tauscht die Gefangenen aus. Saladin, der großen Schaden erlitten hat, gibt daraufhin die Städte Porphyria, Caesarea, Askalon, Gaza und Dan an die Christen ab. Richard Löwenherz richtet

232

Vgl. De origine, fol. [Nviij]r: „Interea Fridericus secundus. cui supra Siciliæ regnum conuersatum diximus: in locum Othonis quinti: pontifice volente: electus est in Romanorum regem. Cumque Aquisgranum obsidione praesam rec(a)episset: ibique auctoritate Innocentii Papæ: regiam iterum / de more / coronam acc(a)episset: Ipse vt gratum se ostenderet: signum crucis acc(a)epit”.

233 Vgl. De origine, fol. [Nviij]v-Oiijr

234 Vgl. De origine, fol. [Mvj]r-[Mvij]r, Zitat fol. Ov: „Soli ex Christianorum exercitu Gallici / non

magna manu eum irritantes: cum quibus Iohannes Hierosolymæ rex: tamquam Gallicus magis quam Dux exercitus: illorum audaciam temeritatemque sequutus: tandem Sarac(a)enos prodire coegerunt”.

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Jaffa wieder auf und füllt die Stadt mit Christen. Saladin will auch Jerusalem den Christen zurückgeben, doch weil Richard und Philipp untereinander zerstritten sind, gibt er diesen Plan wieder auf.

235 Philipp verlässt Asien wegen einer angeblichen

Krankheit. Auch hier ist es wieder die Zerstrittenheit der Christen, die den Rückgewinn Jerusalems vereiteln. Die Venezianer und Pisaner sind untereinander zerstritten und wollen, nach drei Jahren, nach Hause zurück. Ihr Streit ist die Ursache für viele Übel. Richard erfährt unterdessen, dass sein Bruder Johannes (Johann Ohneland) in England nach dem Thron greift und dass der König von Frankreich die Normandie heimsucht. Er geht daraufhin ein unseliges Bündnis mit Saladin ein und gibt ihm alle Städte wieder zurück. Außerdem reißt er die Befestigungen in Askalon, Jaffa und Gaza wieder nieder. Er kehrt mit seinen Engländern und vielen Fremdgeborenen nach Europa zurück. Allerdings wird er von Gott bestraft: Er wird in Österreich gefangengenommen und in Deutschland in den Kerker geworfen.

236 Während Richard im Gefängnis sitzt, erobert und schleift

Phillip zahlreiche Burgen in der Normandie. Als Richard nach einem Jahr gegen viel Geld freikommt, kämpft er lange um die Rückgabe des Verlorenen und ruft nach der Hilfe des Papstes. Der deutsche Kaiser Heinrich V. wird lapidar entschuldigt, da er nicht selbst aubrechen kann, aber immerhin den Erzbischof von Mainz und den Herzog von Sachsen mit einem großen Truppenaufgebot ausschickt.

237

In diesem Abschnitt hat Brant wiederum in breitem Umfang aus Enea Silvio Piccolominis Dekaden Biondos exzerpiert (zweite Dekade, fünftes bis siebtes Buch).

2.1.2.8. Von Friedrich II. bis zu Maximilian I. Für den letzten Abschnitt seiner Geschichte Jerusalems auf 45 Buchseiten (Oiij

r-Rv). Die Zeit bis zur Eroberung Konstantinopels 1453 nimmt in Brants Darstellung einen breiten Raum ein;

238 eine besondere Rolle spielen hier die

Auseinandersetzungen zwischen Friedrich II. und dem Papsttum, da der Kaiser sein Kreuzzugsversprechen umging und die Sarazenen begünstigte.

239 Eine weitere Rolle

spielt der Streit zwischen Bonifaz VIII. und Phillip dem Schönen wegen dessen fehlender Kreuzzugsunterstützung

240.

235

Vgl. De origine, fol. Nvr.

236 Vgl. De origine, fol. Nv

v: „Eum tamen breui diuina vltio est sequuta. Nam cum in Austrinis de itinere ageret: captus & in Alemaniam perductus: in carcerem est coniectus”.

237 Vgl. De origine, fol. [Nvj]r: „C(o)elestinus autem in magnam recuperandæ Hierosolym(a)e spem

veniens: vocatum ad se Heinricum imperatorem: in gratiamque rec(a)eptum: concesso Sicili(a)e regno: ad Asiaticam expeditionem requisiuit. Ille vero cum per se Hierosolymam petere non posset: Achiepiscopum Maguntinum / & Saxoniæ ducem magnis copiis destinauit”.

238 Vgl. De origine, fol. [Nviij]r-[Pvij]r.

239 Vgl. De origine, fol. Oiij

v-Oiiijr.

240 Vgl. De origine, fol. Piiij

r.

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Brant nennt den Friedensschluss zwischen dem Jerusalemer König Johannes und Soldan im Anschluss an den Verlust Damiettes und erwähnt die Gründung des Templerordens 1119 durch Papst Gelasius. Papst Gregor IX. ermahnt Friedrich II. zum Kreuzzug und verspricht ihm die Aufhebung des Kirchenbanns den Honorius über ihn verhängt hat. Brant rügt Friedrich II., der sein Kreuzzugsversprechen umgeht und Kreuzzugswillige in Brindisi warten lässt. Erst ein zweites Kreuzzugsversprechen und die Zahlung von zwei Millionen Unzen Gold bringt Friedrich die Kaiserkrönung und das Königreich Sizilien als Lehen.

241 Die Sarezenen

verwüsten unterdessen Mallorca, können aber von Ferdinand von Aragón vertrieben werden. Brant erwähnt auch die Gründung des Franziskaner- und Dominikanerordens, „qui deuotione ardore / pr(a)edicationisque instantia: multos ad pia arma / sanctissima expeditionem: ex Gallis / atque Italia conciuere“.

242 Die

Franzosen machen sich erneut auf den Weg, werden aber wegen ihrer Furcht bestraft. Friedich II. wird gerügt, weil er sich nicht an sein Kreuzzugsgelübde hält, sondern die italienischen Städte plündert, und dem byzantinischen Kaiser Balduin wirft Brant vor, dass er aus Geldgier die Bleidächer der öffentlichen Gebäude verkauft und die Kreuzesreliquien an die Venezianer versetzt habe. Brant nennt die Tartareneinfälle nach Europa und Angriffe auf Gebiete im Heiligen Land, bei dem auch das Heilige Grab zu Schaden kommt. Der französische König Ludwig unternimmt einen erneuten Versuch zur Eroberung Damiettes, aber er scheitert. Im Heerlager herrschen Pest und Hungersnot, und Ludwig muss einsehen, dass Gott den Sarazenen den Sieg zubilligt.

243 Weitere Erfolge in Asien werden vor allem von

den Streitigkeiten zwischen den italiensichen Seestädten Venedig, Genua und Pisa vereitelt. Mit einer Randglosse („Nota discordia & amissionis totius Asiæ causa Anno salutis .1259.”) weist Brant auf seine Rüge hin.

244 Brant berichtet anschließend

vom Verlust der lateinischen Herrschaft über Konstantinopel, von einer weiteren Kreuzzugsinitiative der Franzosen auf Betreiben Papst Urbans IV. und vom Konflikt zwischen Frankreich und Sizilien, der schließlich in der berühmten sizilianischen Vesper endet. Im Orient geht eine Stadt nach der anderen an die Sarazenen verloren, der Frieden zwischen Frankreich und Spanien ist zerbrochen und sowohl der Patriarch von Jerusalem, als auch die Templer und Ordensleute vom Heiligen Spital, sowohl die Deutschen, der König von Zypern, als auch die Pisaner und König Karl von Sizilien streben nach dem Jerusalemer Thron. Selbst

241

Vgl. De origine, fol. Oiijr-Oiiij

r.

242 Vgl. De origine, fol. Oiiij

v.

243 Vgl. De origine, fol. [Ovj]v-[Ovij]v.

244 Vgl. De origine, fol. [Oviij]r: „Sed discordia inter Genuenses & Venetos orta: eff(a)ecit ne tam

pium bellum tanquam necessarium sumeretur. Cum enim Ptolomaida Tyrusque vrbes: admodum ditat(a)e essent / & populorum frequentia adauctæ: vt pote / apud quas Veneti / Genuenses / & Pisani per annos iam quattuor & sexaginta / quibus sub christianis fuerant. omnes orientis / occidentisque illuc contraxerant mercaturas. Qui tres de Italia populi: separatas areas / separatosque vicos habebant / & pr(a)etoria propria“. Es folgen noch weitere Beispiele für das kritikwürdige Verhalten der italienischen Seestädte.

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die Templer, die eines um des christlichen Glaubens willen nach Asien gezogen sind, fallen wegen ihres Reichtums in Lasterhaftigkeit. Sie beginnen, die Christen zu schmähen und zu verachten und sich mit den Türken und Sarazenen zu einigen. Aus diesem Grund werden sie ausgeraubt und verlieren den Großteil ihrer Güter. Immerhin können die Johanniter die Insel Rhodos einnehmen und erweben sich großen Ruhm, da sie die Pilger auf dem Weg ins Heilige Land unterstützen.

245 Brant

wendet sich nun dem Aufstieg der Osmanen im vierzehnten Jahrhundert zu. In dieser Zeit ziehen die Türken („gens truculenta & ignominiosa: quæ ab initio irruptionis suæ [...] more latronum clamd(a)estinis excursionibus vires sibi vendicabat“) über Pontus, Kappadokien, die kleinasiatischen Provinzen bis an die Grenzen des griechischen Meers. Sie haben keinen Fürsten, sondern verschiedene Führer, denen sie nachfolgen. Zur Zeit Papst Johannes XXII. beginnt „Ottomannus quidam / exigui tamen census / et obscuri inter primates nominis: ex collectitio milite / non ingenti manu / per seditionem conflata: crassari primum: ac non solum reliquias Christianas vexare: verum etiam homines su(a)e gentis / armis inf(a)estis impetere / et sibi subdedere“. Er beraubt und bekriegt alle anderen Führer und kommt in kürzester Zeit zu großer Macht. Dem ersten König Ottomannus (Osman) folgt sein Sohn Orcanes (Orhan), der bis nach Schlesien vordringt. In Polen wird er, wie man erzählt, von den christlichen Fürsten mit Gottes Gnade zusammen mit vierzigtausend Mann niedergelegt.

246 Brant fährt mit den Bemühungen einzelner

Päpste und Regenten fort und schildert zeitgleich die Verluste an die Osmanen in großen Teilen Asiens, unter anderem an den Parther Tamerlan (Timur), der zugleich auch die Osmanen bedroht. Tamerlan erfährt dafür sogar Brants Lob, denn es gelingt ihm, für Sicherheit und Ruhe zu sorgen und sogar die Türken zu zähmen.

247

Allerdings kann der Türkenherrscher kurz darauf wieder mit seinen Eroberungen fortfahren. Der deutsche Kaiser Sigismund wird für seine Initiativen gegen die Hussiten und die Türken gelobt

248. Lob erfahren auch der Kardinallegat Cesarini

und der bulgarische Fürs Vayvoda für ihre Siege über die Türken. Ferner hebt Brant das unter Papst Eugen IV. stattfindende gefeierte Unionskonzil von Florenz hervor, bei welchem Armenier, Äthiopier, Georgier, Jakobiter, die Einwohner von Asien und Libyen, Kleinasiens und Pontus, Kilikiens, Syriens und Afrikas zugegen sind, welche sich alle dem katholischen Glauben und der katholischen Kirche

245

Vgl. De origine, fol. Pr-Piiijv.

246 Vgl. „Thurcorum regni percursus“ und „Ottomannorum origo“, De origine, fol. [Pv]v. Vgl. dazu

auch PICCOLOMINI, De Europa, Kap. IV, 20-25, S. 62-67 (Turci: origo et historia usque ad Pii II tempora).

247 An dieser Stelle fügt Brant eine Geschichte ein, auf die er auch in seinem Gedicht Thurcorum

terror et potentia zurückkommt. Er nimmt den türkischen Herrscher Pazaites gefangen, sperrt ihn in einen Käfig und trägt ihn wie ein Tier in Asien herum: „Sed his temporibus Thamerlanes [...] Pazaytem / Thurcorum dominum [...] viuum c(a)epit: caueaque inmodum fer(a)e inclusum / per omnem Asiæ terram circumtulit: Egregium & admirandum rerum humanarum spectaculum“. Vgl.

De origine, fol. [Pvj]v und das nachfolgende Kapitel.

248 Vgl. De origine, fol. [Pvij]v.

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unterwerfen. Auch die Griechen treten der Union mit den Lateinern bei, fallen aber bald wieder in ihre alten Sitten zurück, würdig, kurze Zeit später völlig verloren zu gehen. Der türkische Herrscher macht sich nämlich den byzantinischen Kaiser Konstantinos Palaiologos tribut- und steuerpflichtig. Sein Sohn Mahumetus (Mehmed II.) ist jedoch mit dem Tribut nicht zufrieden und wirft den Blick auf das ganze Kaiserreich. Daher erobert er im Jahr 1453 Konstantinopel.

249 Konstantinopel

wird als Säule des ganzen Orients bezeichnet, als einziger Sitz Griechenlands. Die Türken sind besonders grausam; den Kaiser töten sie und seinen Kopf tragen sie auf einer Lanze aufgespießt zur Burg. Den griechischen Adel rufen sie zusammen und führen ihn zu Mehmed. Dort bringen sie die auf Freiheit hoffenden Adligen alle um. Die Priester und Diener der Herrn werden ausfindig gemacht und niedergemetzelt, die Bevölkerung nach Asien in die Sklaverei verbracht. Jungfrauen werden geschändet, heranwachsende und erwachsene Frauen in die Prostitution gezwungen. Besonders beklagt Brant die Schändung der christlichen Heiligtümer durch die Osmanen. Die heiligen Stätten werden der Plünderung preisgegeben, alle heiligen Bildnisse und Gegenstände zerstört. Das Kreuz nehmen sie ab, bespucken es und bewerfen es mit Steinen. Die Hagia Sophia wird der „spurcitia“ Mehmeds überlassen. Mit dem Fall Konstantinopels stoßen die Türken auch das Tor nach Westen auf. Es folgen die zahlreichen Eroberungen in Griechenland und Bulgarien. Brant nennt das genuesische Pera, die der Hauptstadt Konstantinopel nahegelegene Stadt, die jener barbarische Hund („saevissimus ille canis“) zerstört habe, und zwar mit soviel Unmenschlichkeit und Grausamkeit, dass es schwer sei, dies mit Worten zu erklären. Es folgen die Peloponnes, deren Bevölkerung versklavt wird, dann die griechischen Provinzen Achaia, Akarnanien, Epirus und Makedonien. Bulgarien wird den Christen weggenommen, auch die Walachei und die Insel Lesbos, welche ebenfalls den Genuesen gehört habe. Dort richten die Türken wiederum ein schreckliches Blutbad an, entehren die Frauen, treiben Alte und Junge, Frauen wie Männer gleich den Schafen auf die Plätze zusammen und ermorden sie. Den Despoten von Rascia

250 stechen sie die Augen aus und begehen andere

Ungeheuerlichkeiten. Brant berichtet anschließend von den Initiativen Papst Nikolaus‟ V. und Papst Calixts III. Nikolaus ist ein tugendhafter, gelehrter und großmütiger Papst mit viel Würde. Er bereitet eine große Flotte vor, um Konstantinopel zu retten. Mit seinen Briefen an den griechischen Kaiser schilt er sowohl ihren Abfall vom katholischen Glauben als auch ihre Vorgabe, sich mit den Lateinern wiedervereinigt zu haben. Doch die Stadt fällt, und Nikolaus stirbt unterdessen. Sein Nachfolger Calixt III. erklärt noch vor seiner Wahl schriftlich,

249

Vgl. De origine, fol. [Pviij]v-Qr. „Mahumaetus Othomannus octauus Thurcorum rex: Constantinopolim totius orienti columem / et vnicam Gr(a)eciæ sedem / turpiter et crudelissime inuadit / expugnat / & polluit. In cuius quidem captiuitate: tantam Thurcos exercuisse crudelitatem tradunt. quantam superiori (a)etate nusquam factitatam fuisse legimus. Imperatore enim interf(a)ecto: eius caput abscidi Thurcus mandauit / & hast(a)e suffixum: per castra / ad terrorem sufferri praec(a)epit“.

250 Rascia: Rassia; Rascien: Lanschaft in Bosnien.

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dass er die Türken bekriegen wolle. Calixt hält sein Versprechen und sendet umgehend Prediger nach ganz Europa aus, die alle Christen zum Türkenkrieg animieren und Geld sammeln sollen. Mit dem Geld lässt er 16 Triremen in Rom bauen. Unter der Führerschaft des Patriarchen von Aquileia werden die Türken heimgesucht, einige Inseln erobert und den Feinden großer Schaden zugefügt. Auch König Alphons von Apulien und Herzog Ludwig von Burgund nehmen das Kreuz und geloben, gegen die Türken zu ziehen. Aber „verum sicut res vno impetu mota est: ita etiam facile resedit. Principes enim suorum regnorum voluptatibus irretiti / tam sanctam rem: tantamque gloriam parituram omiserunt“.

251 Daher hört Calixt

auf, die Fürsten zu mahnen und weist stattdessen alle geweihten Priester an, täglich während der Messe gegen die Türken zu predigen. Gott soll durch beständiges Bitten geneigt werden. Calixt wünscht überdies, daß zur Mittagszeit die Glocken läuten sollen, damit all jene Gläubigen, die gegen die Türken das Schwert erheben wollen, von den Rednern unterstützt werden können. Brant widmet sich anschließend den den Bemühungen Pius‟ II; vor allem der Reichstag in Regensburg, der Fürstentag in Frankfurt und der Konvent von Mantua kommen hier zur Sprache, an dem Enea Silvio Piccolomini seine großen Türkenreden hält.

252 Bis zur

Regentschaft Maximilians werden die weiteren Expansionen der Türken erwähnt sowie die Erfolge des „Türkenschrecks“ Matthias‟ Corvinus, dessen Siege jedoch durch innere Konflikte in den Kriegen mit Böhmen und Polen geschmälert wurden. Den Venezianern wird vorgehalten, aus Eigennutz mit den Türken ein Bündnis eingegangen zu sein.

253

Brants Herrscherlob und -tadel bewegt sich von den einzelnen Herrschern weg und bezieht sich eher auf die verschiedenen Unternehmungen. Eine Ausnahme ist Kaiser Friedrich II., der für Sebastian Brant nicht tragbar ist, denn er hält sich nicht an sein Gelübde, pflegt Freundschaft mit den Sarazenen, gewährt ihnen Priviliegien und verbietet gar dem Bruder des tunesischen Königs, sich taufen zu lassen. Er wird daher von den Römern mit Waffengewalt aus der Stadt verwiesen. Zudem verhindert er ein von Papst Gregor einberufenes Konzil zur Reform der Kirche und zur Lage im Osten, indem er die nach Rom reisenden Kardinäle gefangen nimmt und bei Amalfi einkerkert. Die Pisaner erfahren Brants Tadel, da sie Friedrich bei der Gefangennahme unterstützen. Wegen Friedrichs Tat bleibt der Heilige Stuhl für 21 Monate vakant. Häufig sind Unmutsäußerungen gegenüber den Franzosen anzutreffen; vor allem die sizilianische Vesper 1282 wird mit der „superbia“ und „libido“ der Franzosen erklärt.

254 Auch das Avignoner Papsttum wird als verflucht

bezeichnet. Für Brant sind die Päpste zu nah an Frankreich. Clemens V. wird

251

Vgl. De origine, fo. Qijr+v.

252 Vgl. De origine, fol. Qiiij

v-Qvr. Brant bedient sich hier der Papstviten Platinas, vgl. weiter unten

Anm. 258.

253 Vgl. De origine, fol. [Qvij]v-Rr.

254 Vgl. De origine, fol. Pij

r.

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kritisiert, weil er die Kurie nach Avignon brachte;255

Bonifaz IX. habe sich mehr um seine Verwandten als um die Christenheit gekümmert (er zog keine Vorteile aus der Niederlage der Türken gegen Tamerlan).

256 Seit der Eroberung Konstantinopels

erwähnt Brant Jerusalem kaum noch; es geht ausschließlich um innereuropäische Auseinandersetzungen und Versuche, die Türken an den eigenen Grenzen zu bekämpfen. Auch im vierzehnten Jahrhundert weiß Brant kaum noch von Jerusalem allein zu berichten, es geht stets um allgemeine Schwierigkeiten im Osten, die Päpste und um die Herrscher Europas. Die Geschichte Jerusalems endet mit dem Vorrücken Bayezids nach Dalmatien und an die Grenze des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sowie mit den von Kaiser Maximilian einberufenen Türkenkongressen nach Nürnberg und Frankfurt. Maximilian sollte das Los wenden und den traurigen Zustand des heiligen Landes zum Guten wenden.

257

Brant erweitert seinen Bestand an Referenzwerken um Enea Silvio Piccolominis

Asia und verwendet ferner die Papstviten des Platina, vor allem in Bezug auf Pius II., also das Papat Enea Silvios.

258

2.1.3. Die Mahnrede Das dritte große Kapitel im Anschluss an die Geschichte Jerusalems trägt den

Titel De causis amissionis terrae sanctae: cum exhortatione eiusdem recuperandae – Über die Gründe für den Verlust des heiligen Landes mit einer Ermahnung zur Wiedereroberung. Diese Rede, die Brant seiner Geschichte Jerusalems anfügt, umfasst 35 Buchseiten (fol. Rij

r-Tiijv). Die Mahnrede wird von drei Themen getragen:

Zu Beginn widmet sich Brant den Fragen nach Ursprung, Natur und Absicht von Herrschaft. Anschließend behandelt er verschiedene Gründe für den Verlust von Macht und Territorien. Vor allem das römische Reich, aber auch das Verhalten christlicher Fürsten dient ihm dabei als Lehrbeispiel. Zum Schluss erfolgt ein Aufruf an die Fürsten Europas, sich zu einigen und einen Türkenzug zu unternehmen.

Brants Abhandlung über Herrschaft fußt auf der Lehrautorität des Augustinus. Es sei Gott, der die Macht an die Menschen verteile, den guten und frommen wie den bösen und gottlosen. Seine Gründe für die Verteilung seien unbekannt, aber nie ungerecht.

259 Es folgen Beispiele aus der Alten Geschichte (Perser, Assyrer, Römer);

255

Vgl. De origine, fol. Piiijv.

256 Vgl. De origine, fol. [Pvij]r.

257 Vgl. De origine, fol. Rv.

258 Vgl. Bartolomeo PLATINA (Bartolomeo Sacchi): Platynae Historici Liber de vita Christi ac

omnium pontificum. Herausgegeben von Giacinto GAIDA. Città di Castello 1932 (Rerum Italicarum Scriptores. Raccolta degli Storici Italiani dal cinquecento al millecinquecento [Muratori]

III,1), S. 3-420, hier besonders S. 349-351, und De origine, fol. Qiiijv-Qv

v, sowie Enea Silvio

PICCOLOMINI: Historia rerum ubique gestarum (Asia), in Opera omnia, S. 383-386 und Europa,

in Opera omnia, S. S. 394-402, und De origine, Pvv-[Pvij]v.

259 Vgl. De origine, fol. Rij

r: „Ille ergo deus optimus maximus: licet det fœlicitatem in regno cœlorum / non nisi solis piis: Regnum uero terrenum: & piis & impiis: sicut ei placet /cui nihil iniuste placet. qui nec iudicio nec adiutorio deserit genus humanum. Ille quando voluit / &

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unter den Römern haben auch die Grausamen (Domitian) und Abtrünnigen (Julian) mit Gottes Wille herrschen können, jedoch wurden sie nicht so vom Glück begünstigt wie etwa Konstantin der Große. Ewige Seligkeit erhalten jedoch nur die Frommen, die Machtausübung schlechter Herrscher ist für ihre Untertanen eine Erprobung ihrer Tugend.

260 Somit spielt die Gerechtigkeit in der Bewertung des

Herrschers eine zentrale Rolle. Ohne Gerechtigkeit seien die Königreiche nichts weiter als große Räuberbanden: „Remota itaque iusticia: quid sunt regna: nisi magna latrocinia?“

261 Brant fährt mit einer Warnung an die Herrscher fort: Sie haben ihre

Macht nur zur Wahrung von Vernunft und Gerechtigkeit erhalten und müssen sich selbst an die Gesetze halten. Es folgt eine bittere Klage über den Verlust der christlichen Tugenden und den Genuss vergänglicher Freuden: „Cauete igitur pr(a)estantissimi principes: ne dominus aliquando de vobis querelas faciat. [.....] Quid istud temeritatis? immo quid insani(a)e? Vbi timor dei? vbi mortis memoria? vbi gehenn(a)e metus / & terribilis expectatio iudicii? cum tamen sciatis: nullam rerum temporalium affectionem / tantum valere: vt perpetuo substitere possit”.

262 Um dies

zu illustrieren, nennt der Humanist als Beispiel guter und schlechter Herrschaft die Geschichte des Aufstiegs und des Niedergangs des römischen Weltreiches: Grund für den Niedergang war die Verfolgung der Christen und die Verkennung der christlichen Symbole sowie der Hochmut der Kaiser.

263 Damit entstand Raum für

die Goten, Hunnen, Alanen und Vandalen sowie für die Sarazenen, die Jerusalem erobern konnten und somit die Christenheit schändeten. Es folgt eine Klage über die Missstände in der Kirche: Mutwilligkeit, Hochmut, Begierde, Sittenverfall und Reichtum öffnen dem Türken Tür und Tor nach Europa. Brant wünscht sich, dass Ludwig der Fromme noch leben würde.

264 Griechenland, die Mutter aller

quantum / & cui voluit dedit regnum“. Der Text entstammt Augustins De Civitate Dei. Vgl.

Aurelius AUGUSTINUS: Sancti Aurelii Augustini De civitate Dei libri XXII ad fidem quartae

editionis Teubnerianae quam anno MCMXXVIII-MCMXXIX curaverunt Bernardus DOMBART et

Alphonsus KALB paucis emendatis mutatis additis. 2 Bände. Turnholti MCMLV (Corpus Christianorum. Series Latina XLVII-XLVIII. Aurelii Augustini Opera Pars XIX, 1-2), Buch V, Kap. 21.

260 Vgl. De origine, fol. Riij

r: „Malorum itaque regnum: magis regnantibus ipsis nocet. quippe qui suos animos vastant / scelerum maiori licentia. his autem qui eis seruiendo subduntur: non nocet nisi iniquitas propria. Nam quicquid malorum / iustis ab iniquis dominis irrogatur: non est p(a)ena criminis: sed virtutis examen. Proinde bonus tametsi seruiat: liber est: Malus autem / etiam si

regnat: seruus est:“. Vgl. AUGUSTINUS, De Civitate Dei, Buch IV, Kap. 3. William Gilbert stellt in diesen Aussagen eine gewisse Inkonsistenz zu den Aussagen in der Geschichte Jerusalems fest, da dort die Herrscher, wenn sie schlecht regieren, dafür büßen müssen (so starb etwa Herodes für seine Untaten an einer schlimmen Krankheit). Gilbert meint, die Autorität Augustins solle an dieser Stelle diese Inkonsistenz verdunkeln. Vgl. GILBERT 1955, S. 163.

261 Vgl. De origine, fol. Riij

r.

262 Vgl. De origine, fol. Riiij

r.

263 Vgl. De origine, fol. [Riiij]v-[Rv]v.

264 Vgl. De origine, fol. [Rvj]r+v.

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Gelehrsamkeit, ist wegen Eigennutz und Zwietracht verloren gegangen. Die Griechen wandten sich von der römischen Kirche und der wahren Lehre ab, somit verlor die Christenheit Haupt und Anfang des Glaubens. Afrika hingegen ging wegen der Trägheit des Herakleios an die Sarazenen verloren. Brant lässt eine Klage darüber folgen, wieviel Einflussgebiet der christlichen Kirche verlorenging. Vor allem Asien und Afrika sind hiermit gemeint.

265 Der Humanist bindet seine

Klagerede in ein allgemeines Untergangsszenario ein, das er durch eine direkte Anrede Gottes, die in eine Anrede der Fürsten übergeht, rhetorisch dramatisiert: „Eheu deus optime / vbi mansit antiquorum virorum tanta integritas? nobilium honestas? militum strenuitas? principumque religio atque incomparabilis prudentia? vbi nunc nobis deus ille magister ? Vbi fama per omnem sparsa orbem? Quid torpetis ocio uos o reges & principes?”

266 Ab nun versucht er, die Fürsten und

wahren Deutschen wachzurütteln, sie an ihre Tugenden und Fähigkeiten zu erinnern und zum Kampf zu mobilisieren, indem er ihnen die Türkengefahr vor Augen hält, insbesondere, weil die Türken bereits in das eigene Gebiet und christliche Erbe eindringen: „Expergiscimini optimi principes & veri Germani. Nec sinite inmanissimum hostem / truculentissimum tirannum / ac efferatum barbarum / diutius insultare Christicolis: atque in terris nostris: immo Christi dei & saluatoris nostri patrimonio & hereditate crassari”.

267 Ein Appell an die Leistungen der

Vorväter in den Kreuzzügen und die Erinnerung an die Erfolge der alten Griechen und Römer geht wiederum in ein Schreckensbild über, da all die ehemals von Griechen und Römern besessenen Erdteile nun unter dem Joch Mohammeds stünden. Es folgt eine Aufzählung der zum römischen Weltreich gehörigen Regionen. Ihren Weltruhm erlangten die Römer aufgrund ihrer Tugendhaftigkeit; Verlust der Tugend und Zwietracht waren Schuld am Verlust Afrikas, Asiens und der syrischen Städte. Schlimmer sei jedoch die Situation der Gegenwart: In Europa selbst, der eigenen Heimat, wüte nun der Türke; eines von den zwei Augen der Christenheit sei bereits ausgestochen. Hier lassen sich unschwer Elemente aus Enea

Silvio Piccolominis Türkenrede Oratio de Constantinopolitano clade clade et bello

contra Turcos congregando erkennen.268

Brant beklagt bitter die innereuropäische Zwietracht und erneut den Verlust zahlreicher Gebiete. Es sind die Sünden der Christen, die zu diesem Zustand geführt haben; vor allem das heiligste Land der Christen, Jerusalem, kam durch die Sündhaftigkeit der Menschen in die Hände der

265

Vgl. De origine, fol. [Rvij]r-[Rviij]r.

266 Vgl. De origine, fol. [Rviij]v.

267 Vgl. De origine, fol. [Rviij]v-Sr.

268 Vgl. De origine, fol. Siij

r: „Nos in Europa. id est in nostra patria. in domo propria. in nostro solo / & inter christianos: ex duobus oculis alterum erutum. ex duobus christianitatis luminibus alterum extinctum: orientalis imperii sedem euersam: omnemque gr(a)ecie gloriam expugnatam subactamque vidimus: vidimus e heu. Iam regnat inter nos Mahum(a)etus: iam nostris ceruicibus

inminet Thurcorum gladius“. Vgl. Enea Silvio PICCOLOMINI: Oratio Aeneae de

Constantinopolitano Clade, & bello contra Turcos congregando, in: PICCOLOMINI, Opera omnia, S. 678-689, hier S. 678.

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Ungläubigen und Feinde des Kreuzes. Karl der Große und Gottfried haben Jerusalem zurückerobert, aber durch Nachlässigkeit und Faulheit warfen ihre Nachfolger die Stadt den Sarazenen wieder in den Rachen.

269 So ruft Brant die

Fürsten zu den Waffen: „Capite igitur / arripite arma: propellite fidei hostem. Ite citi ferte arma viri / atque impellite remos. Et terram reparate bonam lac melque fluentem. Deus noster refugium & virtus: adiutor in tribulationibus: quae inuenerunt nos mimis”.

270 Brant zählt das Potential auf, das den europäischen Christen zur

Verfügung steht, nämlich zahlreiche tugendhafte Deutsche edler Abstammung, die wie Brüder sind, Alemannen, die den Tod nicht scheuen, reiche und großherzige Franzosen, starke Spanier, die bereits erfolgreich die Muslime vertrieben haben, erfahrene Italiener und viele andere. Nie habe es eine bessere Gelegenheit zum Kampf gegeben und nie eine so grausame Ungerechtigkeit wie jetzt.

271 Um die

Größe der Europäer noch schärfer herauszustellen, vergleicht Brant die Christen mit den Türken. Gegen die Macht der europäischen Ritter, Reichtümer und Städte, gegen die Manneskraft, Tüchtigkeit, Waffenstärke und den Mut können die Türken nicht ankommen.

272 So ruft er schließlich sowohl zu Gottvertrauen als auch zur

Unterstützung Kaiser Maximilians auf, dessen Größe und Fähigkeit den Fürsten und Königen einen sieghaften Führer zur Verfügung stellt.

273 So endet die Mahnrede

mit einer Lobrede auf den deutschen Kaiser: Sein Herz sei in der Hand Gottes, seine Stellung ist nach Christus und dem Papst die nächste. Er besitzt alle guten Eigenschaften der Könige von Jerusalem zusammen; die Tugenden aller Zeiten ebenfalls. Das Buch endet mit der Verherrlichung des Kaisers.

274

Insgesamt ist die Mahnrede von Rhetorik und Appellen an die Ehre und die christlichen Gefühle der europäischen Fürsten geprägt. Häufig redet Brant Gott direkt an, seine bitteren Anklagen an das Fehlverhalten seiner Zeigenossen und

269

Vgl. De origine, fol. Siijr-Siiij

r.

270 Vg. De origine, fol. [Sv]r+v.

271 Vgl. De origine, fol. [Sv]v-[Svj]r: „Habetis pr(a)eterea multitudinem Germanorum / virtutesque &

magnitudines corporum: viros inquam de nobili Germine: & inter se constantia / vere Germanos: hoc est fratres. Habetis Alemannos: quod lingua nostra vernacula / alle mann: hoc est omnes viros esse significat: viros inquam spiritus / maiores corporibus gerentes: & animam quidem contemptricem mortis: indignationes autem vehementiores feris ostenantes. Habetis Gallos magnanimos / omniumque rerum copia habundantes. Habetis Hispanos fortissimos: & iam adhuc B(a)ethico triumpho exultantes: longaque militari disciplina exercitatissimos. Habetis Italos / prudentia / diuturnaque rerum experientia pr(a)estantissimos. [.....] Habetis Egregia maiorum vestrorum exempla [.....]. Nunquam tamen illis tam iusta pugnandi occasio / quam vobis obiecta est. Nunquam illi tam atrocem iniuriam / tam insignem contumeliam: ab infidelibus acc(a)eperunt: quemadmodum perpessa est hoc nostro tempore Christiana communitas”. Auch hier liegt wieder

Enea Silvio Piccolominis Türkenrede zugrunde. Vgl. Vgl. PICCOLOMINI, Oratio de

Constantinopolitano Clade, S. 680.

272 Vgl. De origine, fol. [Svj]v.

273 Vgl. De origine, fol. [Svij]v-Tij

v.

274 Vgl. De origine, fol. Tij

v-Tiijv.

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Vorväter sollen ein schlechtes Gewissen und Schamgefühle bei den Angesprochenen provozieren. Durch den Appell an ihre militärische und moralische Überlegenheit sollen sie davon überzeugt werden, dass außer einem gemeinsamen Willen nichts fehle, um die Türken erfolgreich zu schlagen. Unter der Führung des deutschen Kaisers erfüllen die Christen somit nach der Darstelung Brants eine gottgewollte Mission, die gar nicht scheitern kann. Es wird deutlich, dass tugendhaftes Verhalten dem Machterhalt und der Machtausdehnung dient, Begierde, Zwietracht, Eigennutz und Schläfrigkeit hingegen zum Verlust und zur Ausbreitung der (Glaubens-)feinde führt. Die Mahnrede ist ein Aufruf zur Beendigung von Zwietracht und Schläfrigkeit und zur Ergreifung der Waffen gegen die Türken. Dabei entleiht Brant immer wieder Argumente und Wendungen aus Enea Silvio

Piccolominis Türkenrede Oratio de Constantinopolitana clade. Vor allem jene berühmten Passagen, nach denen eines der beiden Augen des Abendlandes ausgestochen sei – gemeint ist Griechenland –, und nach denen der Feind bereits in der eigenen Heimat anzutreffen sei, hat Brant kopiert, ebenso den Vergleich zwischen den Türken und den Christen, demzufolge die Türken leicht zu besiegen seien. Den Schluss bildet zuerst eine Anrede der Fürsten, in der ihnen als idealer Führer des Unternehmens der deutsche König Maximilian vorgeschlagen wird, danach redet Brant Maximilian direkt an und fordert ihn auf, das Unternehmen mit der Unterstützung der Fürsten in Angriff zu nehmen.

Die Mahnrede enthält keine Kapiteleinteilungen. Die genannten Bereiche lassen sich nicht klar voneinaner abgrenzen, sondern überlagern sich immer wieder. Der Text ist als in sich geschlossene Rede konzipiert worden und will auch genau dies sein: eine Türkenrede an die deutschen Fürsten und an ihren König. Neben den

Entlehnungen aus der Türkenrede Enea Silvio Piccolominis und aus De Civitate

Dei hat Brant zahlreiche Bibelzitate und viele Sentenzen und Zitate klassischer Autoren in den Text eingefügt. Die Bibelzitate werden in allen der drei genannten Themenfelder eingesetzt. Augustins Thesen, nach denen sowohl gute als auch schlechte Herrschaft allein auf Gottes Ratschluss zurückgehen und nicht immer von den Menschen verstanden werden können, werden von Brant mit entsprechenden Textstellen untermauert (Prv. 815f; Iob 3430; II. Pt. 219). Aufstieg und Niedergang des römischen Reiches werden ohne Bibelzitate erläutert, aber der Verlust christlicher Gebiete an die Türken und Sarazenen werden von Brant in den Kontext der Prophezeiungen über den Untergang Jerusalems seitens der Propheten gestellt (Jeremias, Jesaja) und mit zahlreichen Zitaten vor allem aus den Psalmen untermalt. Auch die Ermahnung der Fürsten, endlich aufzuwachen und sich dem Türkenproblem zu widmen, wird mit Bibelstellen bereichert, die den Fürsten die Macht Gottes verdeutlichen sollen (z.B. Mt. 2653; Rm. 831, Gn 1924). Die Heraushebung Maximilians am Schluss wird ebenfalls mit Versen aus den Psalmen untermalt (Ps. 1275f; Ps. 1365; Idt 108f; Ps. 863), sodass schließlich nur Maximilian als würdiger Retter Jerusalems erscheint. Klassische Sentenzen und Zitate erscheinen überwiegend dort, wo Brant den Zustand der christlichen Kirche beklagt. Europa als schwankendes Schiff, das durch den Schlund zwischen Skylla und Charybdis geschleudert wird, bietet Brant viele Möglichkeiten, in die Schatzkiste vergilscher Dichtung zu greifen; der Aufruf zum Türkenkampf wird mit Zitaten aus

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Lukans Bellum civile gestützt. Moralische Argumente untermauert Brant mit Seneca.

Sebastian Brant verknüpft in seiner Mahnrede zwei Ziele miteinander. Einerseits möchte er, wie viele seiner Zeitgenossen auch, dass Maximilian zum Türkenkrieg rüstet und die Gefahr einer weiteren Expansion der Osmanen von Europa nimmt. Auf der anderen Seite möchte er Maximilian gerne als Befreier des Heiligen Landes sehen und damit als klassischen Kreuzfahrer nach hochmittelalterlichem Vorbild, welcher die christliche Welt von den Ungläubigen reinigen soll. Brants Wehklagen über das ungehinderte Fortschreiten der Türken nach Westen vermischen sich mit den Wehklagen über die Entehrung des biblischen Landes, in dem Milch und Honig fließen. Der Türkenkrieg wird von ihm folglich nicht mit politischen Argumenten eingefordert, sondern mit religiösen. Die Türken müssen als Ungläubige bekämpft werden, die christliches Eigentum schänden, nicht aber als aufsteigende Großmacht, die in westliche Königreiche expandiert.

2.1.4. Das Schlussgedicht Im Anschluss an die Mahnrede folgt ein 24 Seiten langes Gedicht, in dem in

metrischer Komposition die wichtigsten Punkte des Werkes noch einmal zusammengefasst werden. Das Gedicht umfasst 644 Verse beziehungsweise 322 Distichen. Analog zum klassischen Gebrauch sind die Gedanken in kompakten Einheiten zwischen den Distichen eingeschlossen.

275 Dem Gedicht geht ein kurzes

Widmungsschreiben an Kaiser Maximilian voran: Ad diuum Maximilianum

Romanorum regem gloriosissimum: in vitam & conuersationem regum Israhel &

Iuda; es verbleibe nun, so Brant, das, was bereits in kurzer Form dargelegt ist, in Versen wiederzugeben. Maximilian könne leicht ersehen, dass es den Schriften zufolge sehr wahr sei, dass von den Königen von Juda nur wenige, von den Königen Israels keiner ein guter Herrscher gewesen sei. Es sei schwierig, Maximilian gleichzukommen. Gott soll die Milde und das Wohl Maximilians ewig bewahren.

276

Das anschließende Gedicht mit dem Titel Epilogus Regum circa Hierosolymam

275

Eine detaillierte philologische Untersuchung des Schlussgedichts hat Delgado vorgenommen; demzufolge bemühte sich Brant, sich im Stil an Vergil anzulehnen. Trotz zahlreicher Alliterationen, Enjambements und dem Respekt vor der Einheit des Distichon bescheinigt Delgado Brants Gedichten eine ermüdende Monotonie und eine bemühte, aber nicht meisterhafte Anwendung klassischer Stilmittel. Vor allem unter dem Gesichtspunkt der metrischen Technik verdiene Brant das Lob des Kritikers. Vgl. DELGADO 1968, S. 447-460.

276 Vgl. De origine, fol. Tij

v und Tiijr: „Superest inuictissime rex: vt quod de origine & vita bonorum

regum: praecipue circa Sacrosanctam vrbem Hierosolymam conuersantium / iam nuper nos scripturos polliciti sumus Epitoma: carminibus nostris (tametsi incomptis) prosequamur. Adhibe igitur / etiam his nostris ineptiis / aures tuas sacratissimas velim. Ex quibus profecto facile perspicies: quam verissimum esse (id quod a scriptoribus traditur) ex regibus videlicet Iuda / paucos admodum: ex Israhel vero / penitus nullos compertos esse bonos. Ex quo rursus colligere poteris: quam difficile sit: tuæ sanctissimæ maiestati aequalem: hoc est / bonum reperire regem. Qualem deus regnorum omnium collator & auctor / tuam claementiam perpetuo / & incolumem conseruet / oro“.

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conversantium. S. Brant. beginnt mit einer kleinen Einleitung, in der Brant festhält, es genüge nun, sich mit Jerusalem und den Gründen des Verlusts des Heiligen Landes zu beschäftigen.

277 Dann folgt, analog zum Beginn der Mahnrede, die

Abhandlung über die Entstehung und die Bedingungen von Herrschaft (narratio). Einst war überall Freiheit, es gab weder Diener noch König. Alles war allen gleich, bis irgendwann Streitigkeiten begannen. So entstanden die Königsherrschaft und die Dienerschaft.

278 Die Städte Memphis, Babylon, Korinth Karthago, Damaskus, Ilion

und andere wurden gegründet, darunter die niedergegangene Welthauptstadt Rom. Für den Niedergang macht Brant Herrschaft verantwortlich, die nicht von Gott kommt.

279 Noah habe alles von Gott erhalten, aber seine Nachkommenschaft habe

die Herrschaft an sich gerissen und den Turm von Babel errichtet, sodass die Herrschaft in mehrere Teile zerfiel.

280 Brant geht schließlich zur Geschichte

Jerusalems über und nennt das Land Kanaan, das im lieblichen Palästina gelegen sei. Die Reihe der Könige beginnt, wie auch in der Historia, mit dem Priester Melchisedek, der das Land in Besitz nahm und König von Salem wurde. Er sei gerecht, heilig und beliebt gewesen. Das Priestertum sei älter als die Königreiche, erst Gott habe die Königsgewalt sakrosankt gemacht, indem er das heilige Szepter und die heilige Krone dem König überreicht habe.

281 So wurde auch das Reich

277

Vgl. De origine, fol. Tiiijv: „Hactenus inmensum Solymarum sufficit (a)equor | Atque vrbis

sanct(a)e pr(a)eteriisse fraetum: | Et mala qu(a)e nostri proaui patresque tulere: | Cum causis quur sit nostra minuta fides. | Nunc age / principium regum / vitamque probatam | Illorum: expedias carmine Musa velim. | Quo quisque ingenio: sacra hac versatus in urbe: | Pr(a)emia quæ tulerit: qualia fata: doce” (V. 1-8).

278 Vgl. De origine, fol. Tiiij

v: „Libertas primum fuit intemerata per orbem. | Nec seruus quisquam: rex quoque nullus erat. | Sed fuit (a)equalis / natura / vita magistra | Omnibus: expauit nullus vbique parem. | Cunque meum / atque tuum / proh nomina vana) vigere | Incipiunt: lites / iurgiaque orta simul: | Regia tum c(a)epit: tum principis esse potestas. | Pr(a)estantemque petit turba misella virum. | Postquam homines s(a)evire aliis: c(a)epere potentes: | Vt vim vi pellat / quaeritur atque potens: | Qui bene iusticiam seruans / inopes tueatur: | Et faciat regis / singula qu(a)eque manu. | Dictus et hinc rex est: quod regia sc(a)eptra gubernet. | Vt reprobos / armis / legibus atque regat“ (V. 9-22).

279 Vgl. De origine, fol. Tv

r: „At regna hæc / non iusta: sed vsurpata fuere. | Se quia pr(a)ef(a)ecit quisque: sed absque deo. | De quibus / O reges (inquit deus) ecce fuistis | Reges: non ex me: me ve uolente duces: | Non equidem intrastis ad ouile / per hostia aperta: | Sed clam / raptoris more / modoque lupi. | Vnus enim / solus deus / & rex cuncta gubernans: | Sunt data & a solo regia sc(a)eptra deo. | Qui cœlum & terra / hominesque / ferasque creando / | Principio: atque manu rexerat illa / sua” (V. 29-38).

280 Vgl. De origine, fol. Tv

r: „ Deinde Noe rerum cunctarum tradit habenas. | Cuius posteritas sc(a)eptra tenere petit: | Regnorum vsurpans nomen sibi: condidit inde | Aeream turrim: struxerat atque Babel. | Cunque orbis partes varia ditione premebant | Qua fortuna fauens quemque / decusque tulit” (V. 39-44).

281 Vgl. De origine, fol. Tv

r: „[...] Melchisedech / Solymarum quippe sacerdos | Incoluit (fama est) rex fuit / atque Salem. | Rex tamen hic iustus fuit / & sacer / atque probatus: | Inque sacerdotem hunc legerat ante deus. | Prima sacerdotum venerabilis ille potestas / | Constituit reges: nam prior ipsa fuit” (V. 47-52).

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heilig. Mit der Segnung Abrahams wurde die heilige Herrschaft weitergegeben; Abraham übertrug auf Befehl Gottes nur die Fürstenherrschaft auf die Hebräer, nicht die Königsherrschaft, denn Gott sollte als Schiedsrichter über allem stehen. Schließlich verlangten die hochmütigen Hebräer von dem in die Jahre gekommenen Samuel die Königsherrschaft, sodass mit Saul als erstem König die lange Reihe der Könige über Israel und Juda beginnt.

282 Brant nennt auf den folgenden sieben

Buchseiten (Tvjr-Vr) alle Könige, denen er jeweils etwa zwei bis drei Distichen

widmet. Das Gedicht wirkt ab hier wie ein Nachschlagewerk in Versen, da alle Herrscher auch als Randglosse angegeben sind, sodass man zügig nachsehen kann, was Verdienst und Untat des jeweiligen Königs waren. Mit der babylonischen Gefangenschaft endet die erste Abfolge der jüdischen Könige und die Fremdherrschaft beginnt. Mit dem letzten König Sedechias (Zedekia/Zidikija/Sidkia), unter dessen Herrschaft Ezechiel und Jeremias gewirkt hätten, sei das Königreich verloren gegangen. Es folgt die „deploratio regni Dauid“: alle Tempelgüter seien abhanden gekommen, die Juden mussten aus dem einst den Vätern verheißenen Land wegziehen.

283 Im Anschluss werden die sekeukidischen

und ptolemäischen Herrscher, die auch im Haupttext begegnen, abgehandelt (Vijr-

Viijr). Nebukadnezars Liebe zum Studium wird gelobt und benutzt, um die eigenen

Regenten zu schelten: Es wäre besser, wenn sie Gelehrte und Dichter förderten, statt Elstern und Hunde zu züchten.

284 Von Nebukadnezar bis Aristobulos und

Hyrkan werden die Herrscher von Brant persönlich angeredet. Bisher erzählte er von den Herrschern in der dritten Person. In einem Abschnitt, der mit der Marginalie „causa mutationis regnorum“ (Vij

v)gekennzeichnet ist, werden die Juden beschuldigt: Das verruchte Volk der Hebräer trägt die Schuld an Gottes Entscheidung, ihnen das Zepter wieder abzunehmen. Brant schiebt einen kleinen Exkurs zur Beweisführung ein. Auch den Assyrern, Medern, Persern, Trojanern und anderen sei es nicht besser ergangen, sie hätten die Herrschaft wieder verloren.

282

Vgl. De origine, fol. Tvv: „Induperatorem facit & si exercitus armis. | Vnguine sed regem dat

sacra sola manus. | Inde sacrum sc(a)eptrum: sacer & rex / sancta corona: | Inde sacrosanctum dicitur imperium. | Vnde Abraham / velut inferior / dedit obtulit atque | Melchisedech decimam: quod sacer ille foret. | Quique ab eo / velut a sacro / voluit benedici: | Atque ab eo panem / vinaque sancta capit. | Deinde Abraham iussit deus: atque alios patriarchas: | Moss(a)eum / atque Aaron / & Iosue / esse duces: | Non reges. deus ipse etenim retinere volebat | In populo / hoc solus nomen vbique suo. | Hebr(a)ei iccirco fuerant sine rege beati: | Directique dei solius arbitrio. | Qui postquem Samuel curisque annisque grauatus | Consenuit: regem murmure sæpe petunt. | Rex datur a domino: populum qui forte superbum | Imperio: atque graui sub ditione premat” (V. 53-70).

283 Vgl. De origine, fol. Vv: „Inde domus Dauid cessat regalia sc(a)eptra: | Gens Hebr(a)ea omnis

migrat abinde procul. | Et patriam linquens promissam patribus olim. | Cogitur externos concelebrare lares. | [...] | Diruta templa iacent: muri: turresque cremantur: | Aequanturque solo. mœnia / tecta / domus. | Aura vasa dei: sacra ornamenta: sacella: | Tolluntur placuit: perdere cuncta deo” (V. 285-288 und V. 293-296)

284 Vgl. De origine, fol. Vij

r: „Votum vtinam nostris regibus esset idem: | Vt potius doctos: potius nutrire poetas | Percuperent: picas quam colere / atque canes” (V. 314-316).

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Ähnlich sei es auch bei den Römern gewesen und auch bei den Griechen, die sogar unter das Joch der Türken gerieten. Erneut verweist Brant auf die Entscheidung Gottes, die Herrschaft auch an schlechte Herrscher zu übergeben.

285 Anschließend

folgen noch einmal die persischen Machthaber sowie dann die Römer ab Pompeius bis Julian Apostata (Viij

v-Viiijr). Dem lässt Brant eine kurze Klage über den Verlust

des Heiligen Landes folgen („Terr(a)e sanct(a)e querimonia“), die in eine „Exclamatio“ übergeht: „ O patria / o Solym(a)e / diuum domus inclyta: muris: | Turribus / & fossis / Regia digna domus: | Tu ne manus Thurci / pateris sc(a)eptrumque nephandum?“ Asien und der Erdboden Christi seien verlorengegangen, Jerusalem in den Händen der Türken, es sei zum Weinen und Klagen.

286 Hier weist das Gedicht Parallelen zur entsprechenden zur „historia“ auf,

in die ebenfalls eine breite Klage über den Verlust des Heiligen Landes an die Araber eingefügt ist. Brant greift dann ein weiteres Mal einige Persönlichkeiten der Geschichte auf (David, die Propheten Nehemias und Esdras, Alexander d. Gr., Nikanor, Heliodor, Titus und Vespasian, Hadrian, Julian Apostata, Phokas und Herakleios). Herakleios trage die Schuld daran, dass die Häresie Mohammeds Fuß fassen konnte und Palästina und Jerusalem arabisch wurden.

287 Brant geht dann kurz

auf Karl den Großen und auf die literarische Figur des Ogier le Danois ein, die beide würdige Männer und Mehrer des Reichs gewesen seien. Der folgende Verlauf des Gedichtes gleicht nun der vorangehenden Mahnrede. Brant beklagt den Verlust an Gebieten und Gläubigen, auch im eigenen Vaterland: „Nos patriam in patria: nos ragna / vrbesque fideles | Perdimus: & nutat / vix retinenda fides“.

288 Mit der

Feststellung, es genüge nun, das so oft Gesagte noch einmal zu sagen, und mit der Wiederholung, dass es allein Gottes Entscheidung sei, Herrschaft zu verteilen, geht Brant zu einem Lob Gottfrieds von Bouillon über, der den heiligen Boden den Christen wieder überstellt hatte. Doch noch immer ist der schlimme Türke gegenwärtig, der auch dieses Mal das Heilige Land den Christen wieder entrissen habe. Mit einer kleinen Vorrede (peroratio) geht Brant schließlich auf Maximilian

285

Vgl. De origine, fol. fol. Vijv: „Ob scelus Hebr(a)e(a)e gentis: sunt regia sc(a)eptra | Sublata: &

nunquam restituenda sibi. | Cuique deus primum / in p(a)enam / permisit habere | Regem: ab eo / ob culpam / sc(a)eptra cupita tulit. | Colligere inde licet: fuerit qui regibus olim | Exitus/ & ducibus / regnicolisque malis. | Turba quidem regum magna est: numerus quoque multus: | Sed tamen ex cunctis copia parua bona” (V. 357-364); „Dat deus & prauis regem pl(a)erumque malignum: | Est bene digna quidem / gens mala / rege malo. | Gr(a)ecia sic rursum subiit iuga perfida Thurci: | Et sc(a)eptro / & regis nomine / victa caret” (V. 385-388).

286 Vgl. De origine, fol. Viiij

v.

287 Vgl. De origine, fol. Vv

r: „Mox tamen H(a)eraclius / vrbisque Crucisque triumphum | Egit. at euicta Perside / deses erat. | H(a)eresis illius: causam dedit: vt Mahum(a)etus | Et Lybi(a)e / atque Asia / fine potitus erat. | Quique Arabes primum: mox c(a)etera regna fefellit: | Ille Pal(a)estinam & / Hierusalemque capit” (V. 491-496).

288 Vgl. De origine, fol. Vv

v.

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über („Diui Maximiliani commendatio“, [Vvij]r-[Vviij]r).289

Ein guter König liebe die Tugenden und entsinne sich Gottes, dann daure seine Herrschaft auch an; Maximilian komme aus einem Herrschergeschlecht und sei würdig, das Reich zu lenken. Er sei Zierde des Reichs („decus imperii“) und Heil des Glaubens („salus fidei“). Unter Maximilian könne die „respublica Christi“ und das heilige Reich wachsen. Auch im Folgenden gleicht das Gedicht dem Aufruf am Ende der Mahnrede: Maximilian habe die Deutschen, Belgier, Ungarn in seinem Reich, Franzosen und andere Völker seien bereit, ihn zu unterstützen. Spanien und Griechenland warteten auf ihn, Antiochia und Byzanz begehrten ihn. So solle sich Maximilian vom Zustand des Heiligen Lands bewegen lassen und die Erwartungen erfüllen, die an ihn gerichtet seien. Brant schließt seine Verse damit, dass Gott in Maximilian den Türkenblitz sehe. Gott sorge für ein stabiles Reich und segne das Zepter, sodass Maximilian alle Zeiten zu Füßen lägen: „Perge igitur rex sancte cito: te fulmen acerbum | Thurcorum: voluit maximus esse deus. | Qui stabile efficiat regnum tibi: sc(a)eptra beando | Sub pede dum teneas s(a)ecula cuncta. Vale”.

290

Es fällt auf, dass Brant sich im Unterschied zur erzählten Geschichte viel stärker auf die frühe Geschichte Israels und Judas konzentriert. Die Zeit von Melchisedek bis zu König David wird in der historischen Abhandlung kaum thematisiert, es werden lediglich einige eher zusammenhangslose Angaben zur Landnahme durch das Volk Israel gemacht. Im Schlussgedicht widmet Brant dieser Zeit immerhin 35 Zeilen. Ferner zählt Brant alle Könige Israels und Judas, was er in der erzählten Geschichte ebenfalls nicht tut. Bis zur Zeit Mohammeds benötigt Brant 492 von insgesamt 642 Zeilen, also mehr als zwei Drittel. Bis auf Karl den Großen, die literarische Figur des Ogier le Danois und Gottfried von Bouillon wird kein einziger europäischer Herrscher erwähnt, ebenso wenig einer der Päpste. Eine kurze „peroratio“ eingeschlossen, gehören die letzten 95 Zeilen König Maximilian I. Die Abhandlung umfasst mithin fast ausschließlich diejenigen Personen, die in der Frühzeit und in der Antike über Jerusalem oder das Heilige Land geherrscht haben. Die Herrschaft der Muslime wird nicht als rechtmäßige Herrschaft empfunden und somit übersprungen. Seit Mohammed gelten daher nur Karl der Große und Gottfried von Bouillon als rechtmäßige Inhaber des Herrschertitels. Dass Maximilian der letztgenannte Herrscher ist, demonstriert deutlich den von Brant erhobenen Anspruch auf die Regentschaft des Heiligen Landes und belegt so die Überlegenheit des deutschen Kaiserreichs über alle anderen Königreiche Europas.

289

Ein nicht unbeträchtlicher Teil der „commendatio Diui Maximiliani“ entstammt einem anderen Gedicht Brants, nämlich den Versen, die er anlässlich des Todes Friedrichs III. verfasst hatte. Vgl.

Sebastian BRANT: Fulgetre inmanis iamnuper Anno: xcii. septimo idus Nouembris: prope Basileam

in agros Suntgaudi(a)e iaculat(a)e: in N(a)enia mortis optimi imperatoris Friderici:

consolationemque & exhortationem Diui Maximiliani / explanatio. S. Brant., in: Varia Carmina, fol. [evij]v-fj

v, und WILHELMI 1998. Darin formulierte Brant bereits Erwartungen an Maximilian und

Lob. Er hat das Gedicht bis auf wenige Verse in das Schlussgedicht von De origine integriert. Vgl. auch die Ausführungen im letzten Kapitel zu Maximilian als Endkaiser.

290 Vgl. De origine, fol. [Vvij]v-[Vviij]r.

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2.2. Zur Textgestaltung

2.2.1. Gliederungselemente

Der Text von De origine ist – abgesehen von der bereits genannten Einteilung in Widmung, Geschichte Jerusalems, Mahnrede und Epilog bwz. Schlussgedicht – nicht weiter untergliedert. Dennoch hat Brant seinen Text mit verschiedenen Gliederungselementen ausgestattet, die zum Teil formalen, zum Teil inhaltlichen Kriterien folgen. Die formale Gliederung ist gering. Unterbrechungen erfolgen in gelegentlichen Absätzen sowie in ungefähr einen Zentimeter breiten Lücken zwischen einzelnen Sätzen. Sie treten bei gedanklichen Unterbrechungen, nach Ende einer Texteinheit und zur Markierung wörtlicher Reden auf. Diese Untergliederungen sind eher selten anzutreffen, so dass sich der Leser weniger an diesen optischen Merkmalen orientieren, sondern dem Text leichter folgen kann, wenn er den Blick auf die zahlreichen Marginalien lenkt, in denen die wichtigsten Namen, Ereignisse, Hinweise auf die Äußerung der eigenen Meinung sowie zahlreiche Datierungen aufgeführt sind. Anhand der Marginalien lässt sich der Erzählstrang des Buches einigermaßen gut ablesen. Der Verzicht auf Zwischenüberschriften mag mit der redaktionellen Technik des frühen Buchdrucks erklärt werden, kann aber auch stilistische Absicht sein: Die Geschichte Jerusalems wird als Einheit verstanden und auch so dargeboten. Von ihrer Gründung in biblischer Zeit über die Geburt Christi bis zur Gegenwart Brants ist die Stadt eine heilige Stadt, und der Elsässer führt den Leser über die zunehmende Beteiligung an der Geschichte zu einer Klimax in der eigenen Gegenwart. In der anschließenden Mahnrede findet dann eine Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Problemen vor dem Hintergrund der gesamten Geschichte statt. Eine weitverbreitete und übliche Art der Gliederung historischen Stoffes, die Einteilung der Geschichte in vier Weltreiche oder in sechs Weltzeitalter, spielt in Brants Geschichte Jerusalems keine Rolle.

Der Text enthält ferner zahlreiche Datumsangaben. Meist handelt es sich um eine Kombination verschiedener Datierungsweisen. Die Zählung der Jahre vor und nach Christi Geburt erscheint durchgängig. In der vorchristlichen Zeit wird die hebräische Jahreszählung angegeben. Im Text selbst nennt Brant für die frühere Zeit die Herrscherjahre und die Olympiaden, später in der Regel nur noch die Jahre nach Christi Geburt. Seit der legendären Gründung Roms 753 vor Christus werden gelegentlich auch die jeweiligen römischen Konsuln und Kaiser zur Datierung genannt. Bei genaueren Angaben erfolgt die Zählung der Tage nach römischer Tradition. Die Datumsangaben entstammen dem von Brant verwendeten Text des Geschichtsschreibers Flavius Josephus; Brant selbst gibt ihn immer wieder als Quelle an. Bis in die spätrömische Zeit hinein zählte Brant zudem die Belagerungen Jerusalems. Es sind dies insgesamt 26 Belagerungen, auf die jeweils in einer Marginalie hingewiesen wird. Die gezählten Belagerungen beziehen sich nur auf die vorchristliche Zeit bzw. bis zur Zerstörung des Tempels unter Titus im Jahr 70 n. Chr., also nicht mehr auf die Zeit christlicher und muslimischer Herrschaft in Jerusalem. Auffallend ist ferner, dass die Zeit des babylonischen Exils bzw. die Zeit

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unter den persischen Königen ausgespart ist, da die Perser den Tempelbau in Jerusalem unterstützten. Erst mit dem Machtwechsel und der Herrschaft der Ptolemäer geht die Folge der Belagerungen und Zerstörungen weiter. Die zehnte Belagerung Jerusalems war diejenige Nebukadnezars, deren Folge das für die jüdische Bevölkerung so schmachvoll empfundene Babylonische Exil war. Die zwanzigste Besetzung der Stadt fällt mit der Eroberung durch die Römer zusammen: Es wird deutlich, dass es sich hier für Brant um die beiden folgenschwersten und bedeutensten Eroberungen handelt. Die letzte Belagerung und Eroberung erfolgte durch Titus und endete mit der völligen Zerstörung des Tempels und der jüdischen Stadt. Hier endet die Zählung der Belagerungen, und Brant schließt selbst: „Talis igitur finis Hierosolymorum obsidionis fuit“.291 Dass sowohl Titus als auch vor ihm der babylonische König den Tempel jeweils am zehten August zerstörten, ist als weitere, vom Schicksal bestimmte Koinzidenz zu sehen.292 Danach war Jerusalem eine christliche Stadt, und eine Zeit des Friedens begann. Der Friede sollte für Jerusalem erst wieder mit dem Auftauchen der muslimischen Völker gestört werden. Die Frage, warum Brant später nicht mit der Zählung der „fremden“, d.h. nichtchristlichen Eroberungen fortfuhr, ist nicht klar zu beantworten. Möglicherweise hat dies mit der unterschiedlichen Wahrnehmung der vorchristlichen und der christlichen Epoche der Weltgeschichte zu tun. Die vorchristliche Zeit in Brants Darstellung erscheint „historischer“ als die nachfolgende christliche Zeit, welche bei dem heutigen Leser einen eschatologischen Eindruck hinterlässt und durch die anvisierte christliche Weltherrschaft ohnehin rein religiös motiviert ist. Innerhalb dieser Logik jedoch ist es verständlich, dass nun nicht mehr von Wechselfällen der Geschichte die Rede ist, sondern von rechtmäßiger und unrechtmäßiger Herrschaft über ein heiliges und geweihtes Stück Erde. Diese „terra benedicta“ selbst ist aber der „normalen“ Geschichte enthoben. Auf der anderen Seite ist bereits für die vorchristliche Zeit eine religiöse Perspektive zumindest teilweise maßgebend. Bis zu Nebukadnezar, es sind dies die ersten sechs der gezählten Eroberungen, ist es jeweils der Zorn Gottes, der für die Belagerungen und Eroberungen verantwortlich ist. Weil die jeweiligen Könige sich gottlos verhalten haben, schickt Gott ein fremdes Heer gegen sie aus. Mit Nebukadnezar entfällt dieser unmittelbare Zusammenhang. Obwohl König Ioachim II. ein gläubiger, gerechter Mann ist, traut ihm der babylonische König nicht und nimmt ihn und zahlreiche Jerusalemer gefangen. Anstelle von Gottes Zorn oder Wohlgefallen entscheidet die gute oder böse Natur des jeweiligen Herrschers über den Fortgang der Geschichte. Mit der christlichen Zeitenwende ändert sich der Status der Juden in Brants Wahrnehmung. Da sie in Christus nicht den Heiland erkennen wollen, versündigen sie sich. Die zahlreichen Hinweise und Zeichen Gottes erkennen sie nicht und führen so selbst das Strafgericht Gottes herbei, das mit der endgültigen Vertreibung der Juden endet. Die letzte, von Brant gezählte Eroberung weist bereits deutlich in diese Richtung, da die Juden hier erstmals selbst ihren eigenen Tempel beschmutzen und entweihen, weil sie im

291 Vgl. De origine, fol. Gv

r.

292 Vgl. De origine, fol. Giijr.

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Bürgerkrieg untereinander zerstritten sind. Diese religiöse Selbstbefleckung ist der letzte Schritt vor der endgültigen Zerstörung des Tempels durch Titus.

Deutlich zu beobachten ist nicht zuletzt ein Wandel in der Perspektive des Erzählers Brant, je nach dem, ob er von der vorchristlich, der christlich oder der islamisch beherrschten Epoche der Jerusalemer Geschichte berichtet. Erstmals tritt mit der Geburt Christi eine Wendung auf. Der Stil entfernt sich von einer eher sachlich wirkenden, nüchternen Erzählung und nähert sich einem christlich geprägten, emotionalen Stil, der im Allgemeinen weniger im Sprachstil zum Ausdruck kommt, sondern vielmehr den Leser in die Interessenssphäre Brants involviert: Es geht nicht mehr um die Geschichte einer alten, großen Stadt, es geht

um die Geschichte der Stadt schlechthin: Die heilige Stadt der Christenheit muss jeden Gläubigen des Abendlandes interessieren, da sie die Heimstätte des eigenen Religionsstifters war und somit die Heimstätte der Christenheit ist. Deutlich wird dies sowohl anhand des „Testimonium Christi“ als auch anhand der Lobrede auf Jerusalem, die ja alle Orte als geheiligte Orte ausweist und das Besondere der Stadt deutlich macht. Die Wendung zeigt sich aber auch an der fortan mehr oder weniger konsequent eingehaltenen Bewertung der Herrscher gemäß ihres Handelns für oder gegen das Christentum. Dass Jerusalem eine christliche Stadt ist, zeigt auch Gottes Wirken bei der Vernichtung der Juden sehr deutlich: Brant hat die Darstellung der Geschichte eschatologisch-heilsgeschichtlich umgedeutet und strebt keinerlei historische Objektivität in einem modernen Sinn an. Damit unterscheidet er sich sehr deutlich von den Bestrebungen anderer Renaissancehistoriographen. Phänomenologisch betrachtet beschreibt der Text mit der Vernichtung des Judentums und dem Brand ihres zentralen Heiligtums eine Katharsis oder einen

sogenannten rite de passage; denn das Christentum erhebt sich nach dem Untergang des Tempels wie Phoenix aus der Asche: „Quod profecto multum deflendum esset: veluti opus omnium quæ vnquam vidimus aut audiuimus maxime admirabile: tam extructionis genere: quam magnitudine / itemque munificentia in singulis rebus: Nisi quis ex hoc facto solacium caperet: quod vt animantibus: ita operibus locisque: fatum sit ineluctabile. Et quia ecclesia dei / iam per totum orbem vberrime germinante: hoc tanquam effœtum et vacuum: nulloque bono vsui commodum: arbitrio dei auferendum fuit templum”.293 Sebastian Brant hat dieses „Reinigungsritual“ allerdings als Selbstverständlichkeit auf dem Weg zur „wahren“ Bestimmung Jerusalems und des Heiligen Landes beschrieben und sich bei der Erzählung des Geschehens auf gängige Stereotypen gestützt. Eine zweite Wendung zeigt sich in dem Moment, in dem der islamische Prophet Mohammed in die Geschichte eintritt: Wie später noch gezeigt werden wird, verkörpert der Islam für Brant und seine Zeitgenossen das Gegenteil der christlichen Weltordnung und wirkt somit als immense Bedrohung für das Abendland, das sich von diesem Augenblick an in einer Verteidigerrolle wiederfindet – mit der Konsequenz, dass alle Eroberungen des zum christlichen Orbis gezählten Territoriums als Wiedereroberung geraubten Eigentums empfunden wurden. So wie mit der Geburt Christi der Leser auf emotionaler und religiöser Ebene in die Geschichte involviert

293 Vgl. De origine, fol. Giij

v.

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wird, so soll er nun politisch und mit Blick auf seine eigene (nationale) Identität einbezogen werden, weil nun die Geschichte seiner Vorväter erzählt wird, welche sich in der Auseinandersetzung mit dem Glaubensfeind hervorgetan oder versagt haben. Von nun an verlagert sich der Interessensschwerpunkt von der Betrachtung Jerusalems hin zur Auseinandersetzung des Islam mit dem Christentum; das heißt, eine europäische Perspektive tritt auf die Ebene der Darstellung. Mit der Geburt des Religionsstifters wird zugleich ein Bezug zu Brants Gegenwart hergestellt: Auf den von hier an beschriebenen Ereignissen beruht die eigene Lage und die Legitimation des geforderten Türkenzugs. Somit erscheint es durchaus logisch, dass nicht nur die weitere Situation Jerusalems Beachtung findet, sondern allgemein all diejenigen Personen und Situationen Bedeutung erlangen, die in der Auseinandersetzung mit der islamischen Welt eine Rolle spielen. So ist zum Beispiel der Sieg Karl Martells über die Sarazenen kein Fremdelement in der Erzählung, sondern eine bedeutende Episode. Mit der Wendung der Sarazenen nach Europa wendet auch Brant seinen Blick dorthin. Im folgenden geht es nicht mehr nur um Jerusalem oder den Orient, sondern ebenso um die europäischen Könige, Fürsten und Päpste. In Brants Bewertung spielt nun vor allem der christliche Glaube eine Rolle: Wer fest an Gott glaubt, wird von Eroberungen verschont; wenn christliche Fürsten in Streit geraten, verlieren sie ihre Länder an die Sarazenen. Seit der Translatio imperii und seit dem Zeitalter Karls des Großen werden die griechischen Kaiser stets mit dem Frankenkönig verglichen; dabei schneiden die Griechen in der Regel schlecht, die Franken gut ab. Zudem ist das Verhältnis meist von Zwietracht gekennzeichnet.

2.2.2. Herrschaft und Recht, Krieg und Frieden Der Titel des hier behandelten Buches lautet unter anderem „De origine et

conversatione bonorum regum“ – vom Ursprung und Lebenswandel/Wesen der guten Könige. Bei der Lektüre der Geschichte Jerusalems ist in der Tat festzustellen, dass sich die Erzählung im wesentlichen auf die jeweiligen Herrscher konzentriert, die meist anhand ihrer Taten und ihrer historischen Rolle in bezug auf Jerusalem bewertet werden. Die Konzentration auf die für Jerusalem maßgeblichen Herrscher lässt bisweilen den historischen Zusammenhang in der Erzählung vermissen, wird jedoch Brants Anliegen gerecht: Im Vordergrund steht der ideale Herrscher, der das Zentrum der christlichen Welt mit Würde verwalten soll. Angestrebt ist weniger eine historische Erzählung als vielmehr eine Belehrung des Herrschers. Aus den Fehlern und Großtaten der beschriebenen Herrscher soll der Leser, das heißt Maximilian, seine eigene Rolle als „optimus rex“ erfahren. Ähnlich argumentiert Brant im ersten Teil der Mahnrede: Die von Gott gegebene Macht soll von den Herrschern zur

Wahrung von Vernunft und Gerechtigkeit eingesetzt werden. Somit trägt De origine Elemente eines Fürstenspiegels in sich.

Vier Personen wird von Brant eine besondere Rolle zugewiesen: König David, Karl dem Großen, Gottfried von Bouillon und Ferdinand von Spanien. Diese vier

Regenten sind auf dem zweiten Holzschnitt in De origine abgebildet. David ist der erste Herrscher, der Jerusalem aus den Händen der „Ungläubigen“, der Jebusiten, befreit, und sie damit als Zentrum des jüdischen Glaubens gründet. Karl der Große ist wiederum der erste, der Jerusalem nach dem Verlust Palästinas an die Muslime

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wieder in christliche Hand bringt. Dank ihm verfügt Europa über bedeutende Reliquien aus der Zeit Jesu. Nachdem Jerusalem wiederum verloren gegangen ist, ist der nächste christliche König in der Stadt Gottfried von Bouillon, einer der Helden des ersten Kreuzzugs. Ferdinand von Spanien passt nicht so recht in die Reihe, da er nicht König oder Eroberer Jerusalems war. Es ist wohl den vielen negativen Eindrücken der eigenen Gegenwart Brants geschuldet, dass der Sieg Ferdinands über die Muslime besonders herausragt und Brant dazu veranlasst, in ihm einen würdigen vierten Vertreter großer christlicher Herrschaft zu sehen. Brants Buch ist jedoch vor allem auf Maximilian I. ausgerichtet. Ihm wird eine große Last aufgebürdet, denn auf ihn wälzt Brant fast alle seine Erwartungen ab: Er soll die Missstände einer ganzen Epoche beseitigen, und er ist auch der einzige, dem eine solche Aufgabe zuzutrauen ist. Kaiser Maximilian spielt in dreifacher Hinsicht eine entscheidende Rolle: Zum einen ist er es, dem das Buch gewidmet ist, zum anderen wird er als derjenige angesprochen, der fähig ist, den entscheidenden Schlag gegen die Türken auszuführen, und drittens wird er von Sebastian Brant beinahe göttlich verehrt. Bereits in der Widmung wird Maximilian als „Romanorum rex gloriosissimus“, als „magnidecentissimus rex“ bezeichnet, dem sich Brant demütig empfiehlt. Die erste namentliche Erwähnung des Habsburgerfürsten im historischen Teil des Buches bildet zugleich den Schluss der Geschichte Jerusalems, sodass bereits hier eine programmatische Perspektive der Hoffnung an das ansonsten dramatische Bild der damaligen Weltordnung gesetzt wird: „Habuit ob eas & consimiles Romani imperii inminentes causas / & vrgentissima negocia: Maximilianus Romanorum Rex fœlicissimus: magnam cum Nurenberg(a)e / tum etiam Francfordi(a)e / principum totius Germani(a)e conuentionem: multaque illic in medium deducta & conclusa fuere: quæ temporibus nostris optatissimum speramus sortiri debere eff(a)ectum: fata viam invenient: quoniam sors omnia versat. Atque hactenus de calamitoso terr(a)e sanctæ statu: infœlicique Sarac(a)enorum progressu / dixisse sufficiat“.294 Die demonstrative Einheit um die Wahl seiner Person wird mit der Hoffnung verknüpft, dass er dem Schicksal eine Wendung geben möge. Diese Hoffnung wird in der Mahnrede zur festen Überzeugung und gipfelt schließlich in einer starken Überhöhung des Kaisers: „Deus igitur patrum nostrorum: det tibi pientissime rex Maximiliane / gratiam: & omne consilium tui cordis / sua virtute corroboret. Et glorietur super te Hierusalem. Et sit nomen tuum in numero sanctorum. dicatque omnis populus: fiat / fiat“.295 Der Wunsch, Maximilian im Kreis der Heiligen zu sehen, bildet den Schluss der Mahnrede und leitet zur Widmung des Schlussgedichtes über, in welchem Maximilians Größe ebenfalls stark hervorgehoben wird. Den Höhepunkt bildet die „Diui Maximiliani commendatio“. Es sei der Wille Gottes, so Brant, dass Maximilian der „Blitz“ der Türken sei. Gott soll sein Reich festigen, und Maximilian werde das ganze Zeitalter zu Füßen liegen haben.296

294 Vgl. De origine Rv.

295 Vgl. De origine Tiijv. Brant zitiert hier aus der Bibel. Vgl. Idt. 108f.

296 Vgl. De origine [Vvj]r und die entsprechenden Ausführungen weiter oben.

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Brant wertete stets mit einer religiösen (christlichen) Moral; für die Zeit des alten Bundes ist es das Verhältnis der einzelnen Könige zum jüdischen Tempelkult, der darüber entscheidet, ob ein Herrscher den Zorn oder die Zuneigung Gottes auf sich zieht und damit für das Wohl und Wehe der gesamten Bevölkerung Jerusalems und Judäas verantwortlich ist. Der Ablauf gestaltet sich recht simpel: Wenn ein Herrscher die Kultpraxis behindert und Priester und Schriftgelehrte töten lässt, dann wird Gott zornig und schickt ein fremdes Heer nach Judäa, das Jerusalem verwüstet und den Tempel zerstört. Diese Belagerungen und Eroberungen lassen sich numerisch aufreihen, und zwar so lange, bis die Zeit des neuen Bundes beginnt. Danach sind die Förderer des Christentums, später die christlichen und nichtchristlichen Herrscher maßgebend für die Entwicklung der Geschichte. Die Haupteigenschaft Gottes ist es, nicht immer verstehbar, aber immer gerecht zu sein. Die Lehre des Kirchenvaters Augustin hilft Brant aus dem Dilemma zu erklären, warum so viele Herrscher, die überaus grausam und unchristlich waren, so großen Erfolg hatten. Gott habe stets seine eigenen Motive, so Brant. Dennoch erfahren nur die guten Herrscher das Glück des Himmelreiches, die bösen müssen auf irgendeine Weise für ihre Bosheit büßen. Soweit bleibt Gott in nachvollziehbarer Weise gerecht. Dennoch zeichnet er sich durch eine Milde aus, die den menschlichen Verstand übersteigt. Gebete erweichen ihn in der Regel. Als beispielsweise Papst Leo IV. angesichts der Plünderung Roms durch die Sarazenen ein Gebet gen Himmel schickt, greift Gott ein und schickt ein schreckliches Unwetter, durch das die Feinde in Seenot geraten und mitsamt ihrer Beute untergehen.297

Rechtgläubigkeit äußert sich für Sebastian Brant auf einfache Weise: Das Bekenntnis zur einen, wahren katholischen Kirche als Stellvertreterin Christi ist die einzige richtige Lösung für den Erhalt von Frieden und Eintracht - zumindest, was die Lehre betrifft. Gründe für stete Zwietracht ist beispielsweise die Abkehr der Griechen von der Kirche Roms. Solange die Griechen sich dem Primat Roms unterworfen hatten und die Superiorität des westlichen Kaisertums anerkannten, waren sie auch vor den Barbareneinfällen sicher. Mit dem Schisma änderte sich dies. Allerdings wäre es zu simpel, nur dogmatisch zu argumentieren; der Verlust von Macht und Territorium im Osten hat nicht nur mit der Überlegenheit Roms zu tun, sondern ebensoviel mit der Überlegenheit des Kaisertums, das seit der Translatio imperii eindeutig bei der „tütschen nacion“ zuhause ist. Was die Frage nach der Legitimation und der Begründung der Herrschaft angeht, ist stark zu unterscheiden, um welche historische Epoche es sich handelt und welches Gebiet beherrscht werden soll. Wie festgestellt wurde, spielen seit der Zeit Christi vor allem die Beachtung christlicher Werte eine Rolle für Wohl und Weh einer Regierung. Wer diese Werte nicht beachtete, fand den verdienten (meist erbärmlichen) Tod oder wurde von Brant gescholten für seine Unbedachtsamkeit und deren fatale Folgen. Für die Zeit vor Christi Geburt können solche Beurteilungsmuster freilich nicht angewendet werden. Nach der Geburt Mohammeds kommen noch Umgang mit und Bekämpfung der muslimischen Völker hinzu; wer etwa mit den Osmanen

297 Vgl. De origine, fol Iv

v.

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Geschäfte machte, wie die Venezianer, konnte keine Billigung erfahren. Solange es um die Einteilung in böse und gute Herrscher ging, konnte sich Brant einfach an die von ihm vorgenommenen Kategorisierungen halten; schwieriger zu lösen ist jedoch die Frage, warum auch „gute“ Herrscher ihre Ziele nicht wahren konnten und wie es gelingen konnte, dass „böse“ Herrscher lange erfolgreich geblieben sind. Hier

verweist Brant auf Augustins De Civitate Dei, worin diese für den Menschen nicht nachvollziehbaren Begebenheiten mit Gottes Wille und seiner unergründlichen Weisheit erklärt werden. Letztendlich liegt also die Legitimierung der Herrschaft bei Gott, und der Mensch hat sie zu erdulden. Dass insbesondere den Deutschen das Recht des Herrschens zufällt, wird von Brant folgerichtig von christlichen Instanzen, d.h. vom Papst, bestätigt. Sowohl die Übertragung des Kaisertums auf die Deutschen als auch die Schaffung des Kaiserwahlrechts – Brant zufolge unter Otto III. – geschah ausdrücklich mit dem Segen des Heiligen Stuhls und somit auf Wunsch Gottes.

Die Frage nach der Legitimation des Krieges und der Bedeutung von Friedensschlüssen wird von Brant nicht systematisch abgehandelt. Es tauchen immer wieder Bewertungen verschiedener kriegerischer Handlungen und von Friedensschlüssen auf. Dabei lässt sich beobachten, dass Brant voreingenommen ist. Der Frieden, den Karl der Große in Spanien mit den Sarazenen abschloss, gilt als legitim, da Karl damit für Ruhe gesorgt hatte und einige Teile Spaniens unter christlicher Herrschaft blieben. Jeder Friedenschluss, den einer der byzantinischen Kaiser mit den Sarazenen unterzeichnet hatte, gilt ihm hingegen als Beweis ihrer allgemeinen „perfidia“. Die griechischen Regenten bewiesen damit ihre Schwäche, da sie nicht zu kämpfen wagten, und ihre Gottlosigkeit, weil sie Bündnisse mit den Ungläubigen eingingen. Ebenso verhält es sich mit kriegerischen Auseinandersetzungen. Wenn christliche Truppen – lateinische oder griechische – Sarazenen und Türken niedermetzeln, ist dies jedes Lob wert. Nicht selten erfährt man, mit stolzem Unterton hervorgehoben, welch große Zahl an Glaubensfeinden vernichtet worden sei. Umgekehrt gilt jeder christliche Tote als schmerzvoller Verlust und Beweis der Grausamkeit, Niederträchtigkeit und Gottlosigkeit der Feinde. In der Mahnrede werden kurz die wesentlichen Gründe für einen Krieg gegen die Türken angeführt; ähnlich wie Enea Silvio, der zunächst mit den Argumenten der „commiseratio, utilitas atque honestas rei“ operierte, dann in seiner berühmten Frankfurter Rede, dem Vorbild Ciceros folgend, von „iustitia“ (Türkengreuel), „facilitas“ (die realistischen Chancen eines erfolgreichen Feldzugs) und vom „utile“ (die Nützlichkeit des Feldzugs) spricht,298 benennt Brant die Rettung und den Schutz der Kinder, Ehepartner, des Glaubens und des Vaterlands als hinreichende, gerechte Motive für den Krieg. Ferner betont er die Manneskraft und die Stärke insbesondere der deutschen Männer (dazu die Reichtümer der Franzosen, die Kriegserfahrung der Spanier und die Klugheit der Italiener) und führt somit die Machbarkeit des Krieges vor. Darüber hinaus hebt er noch die Frage

298 Zu Enea Silvio vgl. Johannes HELMRATH: Pius II. und die Türken, in: Bodo GUTHMÜLLER, Wilhelm KÜHLMANN (Hg.): Europa und die Türken in der Renaissance. Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit 54), S. 79-137, hier S. 89 und 93.

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der Ehre hervor. Was die eigenen Vorfahren geleistet haben, sollte den Gegenwärtigen ebenfalls möglich sein. Die Begriffe „iusticia belli“ und „honestas“ sind als Randglossen an den entsprechenden Textstellen angebracht.299 Ganz in der Tradition Eneas wird auch bei Brant das Heilmittel für das Gelingen des Türkenkriegs in strenger Moral gesehen, denn der bisherige große Erfolg der Osmanen lässt sich nur durch christliche Verfehlungen und Defizite erklären. Sebastian Brant zählt damit unzweifelhaft zu den Mitbegründern beziehungsweise Verbreitern eines Genres, das später in Türkenpredigten mündete, die sich zugleich als Predigten der Heeres- und Alltagsmoral verstanden.300 Die Behandlung der einzelnen Herrscher im Kontext der allgemeinen Geschichte zeigt, dass Brant aus seiner eigenen Zeit heraus und mit seinen eigenen Intentionen behaftet argumentierte, es ihm also nicht in erster Linie darum ging, die historische „Wahrheit“ herauszufinden, sonder darum, vor dem Hintergrund eines christlichen Expansionsgedankens nach Handlungsmustern zu fragen.

2.2.3. „naciones“ Die Deutschen („Germani“, „Alemanni“) tauchen erst spät in der Geschichte

auf. Ausdrücklich werden sie erst mit Otto dem Großen genannt, der aufgrund seines Sieges über die Ungarn so großen Ruhm erwirbt, dass ihn die Italiener nicht nur um Beistand gegen die Sarazenen bitten, sondern ihm unter großem Jubel die Kaiserkrone übertragen, die seit der Translatio von den Griechen in den Händen der Franken gewesen ist. So gerät verdientermaßen, wie Brant meint, das Kaisertum an die Deutschen („Germani“) und macht ihren Namen berühmt. Bis dahin wurden die Deutschen von den Franzosen („Galli“) und den Italienern („Itali“) nicht sehr geschätzt.301 Ottos Sohn Otto vertreibt die Sarazenen und Griechen zwar erfolgreich aus Kalabrien und Apulien, verliert aber anschließend schmählich, weil die Beneventaner ihm die Unterstützung verweigern und weil die Griechen, anstatt sich gegen die Sarazenen zu wenden, ein Bündnis mit ihnen gegen Otto eingehen, um Apulien zurückzuerobern. Der Verlust Süditaliens wird mithin nicht Ottos Schwäche angelastet, sondern den Fehlern der anderen Beteiligten. Das deutsche Kaisertum wird, folgt man Brant, noch einmal entschieden gestärkt, indem Papst Gregor V. aus Dankbarkeit für Ottos III. Hilfe gegen seinen Widersacher den Deutschen ein (der Goldenen Bulle entsprechendes) Königswahlgesetz schafft, welches bis zu Brants Gegenwart angewendet wurde und wird. Dass die politischen und territoritalen Verhältnisse in Deutschland zu der genannten Zeit nicht mit den für die einzelnen Ämter vorgesehenen Erzbistümern, Grafschaften und

299 Vgl. De origine, fol. Sv

rf.

300 Vgl. HELMRATH 2000, S. 95.

301 Vgl. De origine, fol. [Ivij]vf: „Othoni autem Rom(a)e propnquanti: Romani obuiam effusi: illum cum triumphi apparatibus in vrbe duxerunt: vbi a Ionhanne .xii. vel vt alii tradunt a Leone .viii. primus ex Germanis Romanus imperator Augustusque coronatus extitit: imperiique quo Franci / post translationem a gr(a)ecis / per annos centum potiti fuerant: in germanos transferendi virtute sua occasionem praestitit. C(a)epitque tum Germanorum nomen: quod antea tum Italis tum Gallis contemptui habebatur exurgere: totiusque orbis habenas moderari“.

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Fürstentümern übereinstimmen, scheint Brant nicht zu stören. Zudem unterstreicht die Tatsache, dass das Wahlgesetz aus päpstlichen Händen stammt, die Legitimation des deutschen Kaisertums ein weiteres Mal erheblich und dürfte somit, vor allem mit Blick auf die Leser von Brants Buch, der Intention geschuldet sein, die Besonderheit des deutschen Kaisertums in der eigenen Gegenwart hervorzuheben und entsprechende Ansprüche – man denke an den französischen König – anderer Reichsregenten mit einer „historischen“ Begründung hinwegzufegen. Die Kreuzfahrten der deutschen Kaiser werden von Brant so positiv wie möglich herausgestellt. Konrad III. wird ein Opfer des griechischen Kaisers: Weil dieser Gips in das Mehl mischt, das er für die Versorgung der Kreuzfahrer beschafft hat, erkrankt Konrads Heer. Er zieht noch bis vor Damaskus, muss aber erfolglos den Rückzug antreten.302 Kaiser Friedrich Barbarossa ertrinkt zwar in Armenien in einem Fluss, doch gilt er Brant als ruhmvoller Kaiser, der so stark und tugendhaft gewesen ist, dass sogar der griechische Kaiser ihn von Konstantinopel aus zur Weiterreise drängt. Bei der Eroberung verlorener Gebiete für das römische Reich ist Friedrich gar von einzigartigem Geist und einzigartiger Stärke („singularis animis et virtutis“).303 Ganz anders zeigt sich hingegen Friedrich II., der in vielerlei Hinsicht für die Verluste und für Zwietracht im Abendland verantwortlich gemacht wird. Allerdings wird er von Brant nicht ausdrücklich als deutscher Herrscher angesprochen. Die deutschen Elektoren wählen, enttäuscht von Friedrich, einen anderen König. Der letzte deutsche König, der in der Geschichte Jerusalems genannt wird, ist Sigismund. Ihm sind zahlreiche Siege gegen die Feinde des Glaubens zu verdanken. Dazu zählen auch die hussitischen Böhmen. In der Mahnrede werden die Deutschen noch einmal als besonders tapferes Volk angesprochen, die die anderen europäischen Völker an Kraft, Mut, Altehrwürdigkeit und Ehre übertreffen. Die Angesprochenen sollen sich dabei besonders an ihre eigenen Vorfahren erinnern, die durch ihre Leistungen geglänzt haben.

Die deutschen Leistungen und Fähigkeiten werden mit den Eigenschaften der anderen „naciones“ (Franzosen, Italiener, Spanier) kontrastiert. Sebastian Brants Verhältnis zu den Franzosen gilt spätestens seit der Brüskierung Maximilians durch Karl VIII., der ihm nicht nur die Braut weggeschnappt, sondern auch die Verlobung mit Maximilians Tochter aufgelöst hatte, als schwierig. Die Politik Karls VIII. war ihm stets ein Dorn im Auge, denn der französische König versuchte die Schwäche der Habsburger auszunutzen, wo er konnte. Sobald Maximilian sein wachsames Auge von Italien ließ, rückte Karl dort ein und besetzte das Königreich Neapel. Somit galt er als großes Hindernis für Maximilians Türkenkriegspläne. Die

Ressentiments gegen Frankreich schlagen sich auch in De origine nieder. Immer wieder finden sich Seitenhiebe und Angriffe gegen die schlechte Moral der Franzosen. König Ludwig von Frankreich bricht zwar zum Kreuzzug auf, als Papst Eugen III. ihn dazu ermahnt, es gelingt ihm aber nicht, etwas auszurichten. Wie der deutsche König Konrad wird er vom griechischen Kaiser Emmanuel III. betrogen, der ihn auf den Weg durch die Wüste schickt. Sein Heer ist zermürbt und zerrüttet;

302 Vgl. De origine, fol. [Mvj]r-[Mvij]r.

303 Vgl. De origine, fol. Niijv-Niiij

r.

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Ludwig landet, umgeben von der sarazenischen Flotte, im Hafen von St. Simon, wo er von Roger von Sizilien befreit wird. Das Verhalten der Franzosen in der Schlacht von Damiette führt dazu, dass die Sarazenen mit ihrer Kampftechnik des lauthalsen Vorwärtsstürmens die feigen Franzosen in die Flucht schlagen und niederrennen können. Dem Jerusalemer König werden gar Hände und Gesicht verbrannt.304 Eine Ausnahme bildet jedoch der französische König Ludwig der Heilige, der mit seinen mehrfachen Orientfahrten seinen christlichen Geist bewiesen hat und daher als eine der glänzendsten Figuren in der gesamten Geschichte der Kreuzzüge gelten kann. In der Mahnrede tauchen die Franzosen vor allem dann auf, wenn es Brant darum geht, die vergleichsweise große Stärke der europäischen Fürsten gegenüber den Türken zu betonen. Sie gelten als großmütig und reich: „Habetis Gallos magnanimos / omniumque rerum copia habundantes“.305 Der französische König, dessen Kreuzzugsambitionen und dessen Blick auf die Jerusalemer Krone Brant sonst wenig schätzt, ist nun ein Musterbeispiel der Kriegsbereitschaft: „pr(a)esto est serenissimus Franci(a)e rex: cum gallis suis Normannisque / & Britannis: seseque expeditioni iam (vt fama fertur) quam acerrime armauit“ – der „fama“ traut Brant gleichwohl nicht so recht.306

Anders als die Franzosen, die allesamt als Untertanen ihres Königs firmieren, werden die Italiener nicht generell als „Nation“ wahrgenommen, wiewohl Brant immer wieder von den „Itali“ spricht. Er redet jedoch meistens von den Venezianern, den Genuesen, den Florentinern oder dem Papst, der jedoch als Oberhaupt der Kirche ohnehin eine Sonderrolle spielt und hier nicht mitgerechnet werden darf. Venedig spielt eine Rolle als reiche Handelsmacht, die aufgrund ihrer Reichtümer meist die Flottenhilfe für die Kriegszüge gegen die Sarazenen und später die Türken zur Verfügung stellen kann. Allerdings kommt sie dieser Aufgabe nicht immer hinreichend nach. Als die Sarazenen nach dem Tod Karls des Großen unter anderem Sizilien besetzen, veranlasst der griechische Kaiser Michael II. die Venezianer, eine Flotte gegen sie auszurüsten. Die Venezianer ziehen sich jedoch zurück, als sie sehen, wie stark die Sarazenen sind.307 Allerdings werfen sie etwas später die Sarazenen mehrfach zurück, Brant lobt sie aber nicht eigens dafür. Zur Zeit Heinrichs II. habe, so Brant, der venezianische Doge mithilfe der griechischen Flotte die von zwei Seiten in Italien einfallenden Sarazenen vertrieben und dafür

304 Vgl. De origine, fol Ovf: „Soli ex Christianorum exercitu Gallici / non magna manu eum irritantes: cum quibus Iohannes Hierosolymæ rex: tanquam Gallicus magis quam dux exercitus: illorum audaciam temeritatemque sequutus: tandem Sarac(a)enos prodire coegerunt. Facta enim de repente & magnis clamoribus (vt est gentis illius mos) eruptione: Gallorum insolentiam leuitatemque castigauere. multis eorum c(a)esis: plurimis interc(a)eptis. In quibus Gualterius regis Franciæ Cameratius. & Milo Mantoliensis: & vicecomes sanctæ Susannæ interc(a)epti sunt. Et Iohannes rex: igne (vt appellant) gr(a)eco / afflatus quod facibus tragulisque Sarac(a)eni inmittere consueuere: manus faciemque combustus est“.

305 Vgl. De origine, fol. Svv.

306 Vgl. De origine, [fol. Svj]r.

307 Vgl. De origine, fol. Iiiijr+v.

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großen Ruhm erhalten.308 Später, nach der erfolgreichen Eroberung Jerusalems, helfen die Flotten Venedigs und Genuas, die stark befestige Hafenstadt Akkon für das Königreich Jerusalem zu erobern.309 Auf Bitten Papst Paschalis’ befreien die Pisaner die Balearen von den Sarazenen. Die Venezianer haben sich außerdem verdient gemacht, indem sie zweihundert Schlachtschiffe zur Verfügung stellten und somit die Eroberung von Tyros und Askalon ermöglichten. Brant lässt jedoch die umfangreichen Privilegien nicht unerwähnt, die die Seerepublik für diese Hilfe erhielt. Außerdem mussten sie zuvor vom Patriarchen von Jerusalem und von Papst Calixt II. zu diesem Schritt gebeten werden.310 Die Genuesen rüsten auf Geheiß Papst Eugens III. eine Flotte mit 163 Schiffen gegen die Sarazenen und Türken aus. In zwei Siegen legen sie viele Feinde nieder, kehren aber auch mit reicher Beute nach Hause zurück.311 Später verhindern die Genuesen und Venezianer durch ihre Zwietracht das Ansinnen Papst Alexanders IV., einen erneuten Orientzug durchzuführen.312 Der nachfolgende, jahrelange Krieg zwischen Genua und Venedig hat schließlich dazu geführt, dass die letzten noch verbliebenen Städte im Heiligen Land, Akkon und Tyrus, ebenfalls verloren gingen.

Generell wird Venedig, das zu Brants Zeit bereits den Herbst seines Ruhmes erlebte, vor allem als mächtiger Geldgeber wahrgenommen. In der Mahnrede versucht Brant die Fürsten mit den Tugenden und Kräften anderer Länder und Völkerschaften zum Türkenzug zu überreden; Venedig gilt dabei als verlässlichster Lieferant gut ausgestatteter Kriegsschiffe. Auf der anderen Seite ist ihr Reichtum ihr großes Laster. Da die Seerepublik zu dieser Zeit um ihre eigene Machtposition zu kämpfen hatte, verfolgte sie eine eigensüchtige Politik, zu der auch immer wieder Bündnisse mit den Türken gehörten. Dies hält Brant ihnen immer wieder vor, indem er betont, dass damit die Christenheit in Gefahr gebracht und die gesamtchristliche Strategie gegen die Türken ab absurdum geführt würde, zumal diese sich an Bündnisse und Friedensschlüsse nicht hielten.313 Es lassen sich keine ausdrücklichen Ressentiments gegen die italienischen Städte oder gegen die Italiener im Allgemeinen feststellen. Die Vorwürfe beschränken sich darauf, den Türkenzug gestört oder vereitelt zu haben. Damit wird ihnen jedoch vor allem mangelnde christliche Moral und mangelndes gesamtpolitisches Verständnis vorgehalten. Um nationale Stereotypen handelt es sich dabei nicht. Als es Brant darum geht, die Überlegenheit der Christen gegenüber den Türken herauszustreichen, werden auch die Italiener eigens genannt. Sie gelten ihm als klug und erfahren: „Habetis Italos / prudentia / diuturnaque rerum experientia pr(a)estantissimos“.314

308 Vgl. De origine, fol. Kr.

309 Vgl. De origine, fol. Miiijr.

310 Vgl. De origine, fol. Miiijvf.

311 Vgl. De origine, fol. [Mvj]vf.

312 Vgl. De origine, fol. [Oviij]v.

313 Vgl. De origine, fol. Rr.

314 Vgl. De origine, fol. Svv.

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Die Spanier tauchen ebenfalls in der Mahnrede auf, um die europäischen Fürsten zu einen und ihre gemeinsame Schlagkraft zu betonen: „Habetis Hispanos fortissimos: & iam adhuc B(a)ethico triumpho exultantes: longaque militari disciplina exercitatissimos“.315 Vor allem für Ferdinand von Kastilien und Aragón hatte Brant viel übrig; seinen sogenannten Baethischen Triumph hat er eigens mit einem Gedicht gefeiert, in dem es unter anderem heißt: „Si Ferdinande tibi possent mea carmina laudis | Ferre aliquid, vel te concelebrare tamen, | Exigeres id iure tuo, quod Baethica nuper | Tu virtute tua regna vetusta capis. | Quae iam mille minus paucis amissa per annos | Machmeti dirum sustinuere iugum”.316 Dieser Sieg wird von ihm in der Mahnrede als Beweis für ihre Stärke angeführt, und nicht zuletzt ist

Ferdinand einer der vier Könige auf dem zweiten Holzschnitt in De origine, die Maximilian als große Könige voranstehen – neben Ferdinand sind dies David, Karl der Große und Gottfried von Bouillon.

2.2.4. Juden im Heiligen Land Die Juden als einheitliche Gruppe werden von Brant mit der Landverteilung

erstmals erwähnt: „Et licet ab initio: a tribu Iuda: h(a)ec sors fuerit separata: post Babilonicam tamen captiuitatem: In quam reliqu(a)e decem tribus detente (vt inferius dicemus) manserant: postquam omnes Hebr(a)ei a captiuitate reduces: communi vocabulo dicti fuissent Iudei.“ Da die Angehörigen des Stammes Juda von der babylonischen Gefangenschaft verschont bleiben und das Königreich Judäa gründen, dessen Haupt(stadt) Jerusalem wird, leihen sie den Hebräern den Namen „Juden“. Die Juden spielen in Brants Historia allein deshalb eine große Rolle, weil die Geschichte der Stadt Jerusalem zum großen Teil jüdische Geschichte ist. Allerdings sind Brants Schilderungen ganz von der christlichen Heilslehre geprägt: Die Zeit Jerusalems und des Heiligen Landes vor Christi Geburt ist die Zeit des Alten Testaments, die Zeit nach Christi Geburt diejenige des neuen Bundes. Demnach sind die Juden zuerst Protagonisten des alten Bundes, später aber verlorengegeben, da sie die neuen Zeichen nicht erkennen und in Christus nicht den Erlöser sehen wollen. Entsprechend werden sie auch beurteilt: Ihr (nichtchristliches Fehl-) Verhalten wurde ihnen zum gerechten Verhängnis. Zunächst jedoch identifiziert sich Brant ganz und gar mit den Juden, sofern sie fromm und gottgefällig sind. Häufig sind sie Opfer brutaler Eroberungen seitens ihrer Nachbarvölker. Meist jedoch ist aber ein Machthaber, der gegen die mosaischen Gesetze handelt oder gottlos ist, für die „schlechten“ Ereignisse im Lauf der Geschichte zuständig, da er durch sein Verhalten Gottes Zorn hervorruft. Allgemein sieht Brant die Juden zu dieser Zeit als das auserwählte Volk an, das mehr oder weniger den Ansprüchen des Allmächtigen gerecht wird und hin und wieder in seine Schranken gewiesen werden muss. Dass die Juden in ein negatives Licht

315 Vgl. De origine, fol. Sv

v.

316 Vgl. In Baethicum triumphum congratulatio S. Brant, in: VERARDUS, In laudem Serenissimi

Fernandi Hispaniarum regis Bethicae et regni Granatae obsidio victoria et triumphus, fol. [aa]v,

und BRANT, Varia carmina. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1498, fol. bciiij. Vgl. auch WILHELMI 1998, Nr. 107, dort mit weiteren bibliographischen Angaben.

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rücken, zeigt sich zum ersten Mal mit Herodes. Er gilt in Judäa als Fremdgeborener, bekommt von den Römern das „Regnum Iudaeorum“ übertragen und lässt Rechtsgelehrte umbringen und Geschlechterregister verbrennen, um sein eigenes Geschlecht zu schützen. Damit geht (laut Brant verdientermaßen) das Reich der Juden zu Ende: „Cessauit ergo / ac merito quidem / eorum vnctio: hoc es imperium“.317 Mit Beginn des Jüdischen Krieges verschlimmert sich ihre Lage. Da die Römer mit Gessius Florus einen brutalen Prokurator nach Judäa entsandt haben, der die religiösen Gefühle der Juden nicht respektiert, erheben sich verschiedene Gruppierungen gegen die römischen Besatzer. Der darauffolgende blutige Krieg und seine zahlreichen jüdischen Verluste werden von Brant als Strafe Gottes interpretiert, der damit und mit den Predigten des Christusbruders Jakobus den Juden die Möglichkeit zur Umkehr und Buße einräumt, die jene aber nicht nutzen. Der elsässische Humanist zeichnet ein düsteres und grauenvolles Bild von der Situation Judäas in dieser Zeit. Seine apokalyptischen Ausführungen illustrieren den Zorn Gottes und sein Verlangen nach Gerechtigkeit, das heißt der Akzeptanz der Göttlichkeit Christi.318 Brant wendet sich nun gegen die Juden und sieht sie wegen der brutalen Herrschaft der Römer keineswegs als Unterdrückte, sondern hebt allein das Strafgericht Gottes hervor. Somit werden die Römer ungewollt zu Vertretern der christlichen Heilsgeschichte, indem sie eine zentrale Rolle in der Vernichtung der hebräischen Juden übernehmen und der Christianisierung in diesem Gebiet Vorschub leisten. Deutlich wird dies ganz besonders im Vorfeld der letzten, großen Eroberung der Stadt durch Titus und damit im Vorfeld des Endes des jüdischen Jerusalem. Die letzte der von Brant gezählten Belagerungen Jerusalems geschieht durch die Juden selbst; sie verunreinigen selbst ihren Tempel mit ihrem eigenen Blut und werden somit nicht nur zu tollwütigen Tieren, sondern leiten mit eigener Hand das Ende ihrer Existenz ein: „In Hierosolymis autem contigit seditionem in seditione fieri: veluti rabida fera: externarum penuria in sua viscera s(a)evire solet. Crebrius inde fiebant impetus & hinc inde missilium iactus: totumque polluebatur / c(a)edibus templum. ferebanturque rabidi / ad omne impietatis genus“.319 Mit der Zerstörung des Tempels durch Titus endet die Geschichte des jüdischen Kultplatzes.

Während des Bar-Kochba-Krieges, als die Juden sich gegen die römische Herrschaft erheben, erfahren sie laut Brant eine gerechte Strafe, indem sie alle verhungern oder umgebracht werden.320 Die christliche Perspektive Brants scheint

317 Vgl. De origine, fol. [Dviij]r. Dass dies so sein müsse, sage bereits der Prophet Daniel: “[...] quia ex Danielis sententia: sanctus sanctorum venerat: quam Maria virgo angelo annuntiante ex spirito sancto conc(o)epit: & peperit in Bethlehem Iud(a)e”.

318 Vgl. De origine, fol. Fiijr+v.

319 Vgl. De origine, fol. [Fvij]r.

320 Vgl. De origine, fol. [Gvij]r: „Igitur cum maxime belli huius fomenta concrescerent: octauo decimo anno principatus eiusdem: apud Bethara oppidum pr(a)eualidum / Hierosolymis vicinum: fame sitique ob diutinam Romanorum obsidionem Iud(a)ei conficerentur: ad extremumque internitionis adducti fuisset: atque dux ipse [= Bar-Kochba] pr(a)ecipue meritas su(a)e pertinati(a)e persoluerat p(a)enas: omnis hæc natio iam ex illo: ab omni regione finitima Hierosolymorum penitus arcebatur: cum sanctione diuin(a)e legis: tum maxime constitutionibus & decretis Hadriani“.

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jedoch in ihrer historischen Richtigkeit durch die in Josephus’ Bellum Judaicum beschriebenen Ereignisse bestätigt. Damit befindet sich Brant gewissermaßen außerhalb der Polemik, weil er sich auf einen geschätzten und bekannten Geschichtsschreiber stützt. Unter Julian Apostata gelingt den Juden eine vermeintliche Rehabilitation, da der Kaiser ihnen den Wiederaufbau des Tempels gestattet. Brant beschreibt mit spitzer Feder (und Eusebs bzw. Rufins Worten), dass die Juden sogleich dem Hochmut verfallen seien: „Interea insultare christianis: & velut reparatis sibi regni temporibus / comminari acrius: ac s(a)evitiam ostentare: prorsus in magno tumore et superbia agere.321 Julians Ende wird als Niederlage vor Christus und Bestrafung seiner Apostasie dargestellt. Ebenso erwartet die Juden ein göttliches Strafgericht, da sie mit Hochmut gegenüber den Christen auf die Vergünstigungen Julians zurückgreifen: Ein Erdbeben und eine Feuerkugel vernichten viele von ihnen und zerstören Jerusalem; nach weiteren himmlischen Zeichen verlassen sie in Scharen die Stadt.322 Auch Herakleios, der die Juden vor einem von Wahrsagern prophezeihten Unglück bewahren will und sie deshalb taufen lässt, handelt nicht etwa im Sinne des Christentums gut – immerhin erhöht er die Zahl der Gläubigen –, sondern fällt damit einem unverzeihlichen Irrtum anheim. Es ist jedoch schwer zu entscheiden, ob der Irrtum eher in seiner Neigung zur Wahrsagerei zu suchen ist oder in seinem Bemühen, den Juden zu helfen.323 Mit Herakleios „verschwinden“ die Juden aus der Geschichte, Brant widmet sich ihnen fortan nicht mehr eigens, sondern behandelt die Geschichte Europas und die Auseinandersetzung der europäischen Kaiser, Könige, Fürsten und Päpste mit den Sarazenen und den Türken. Nach ihrer Vertreibung aus Jerusalem und Palästina hält dort das Christentum Einzug, welches gegen die Ungläubigen verteidigt werden muss. Die Juden in Europa spielen keine Rolle, von Judenprogromen oder ihrer „Schuld“ an Krankheiten oder ähnlichem spricht Brant nicht.

2.2.5. Sarazenen und Türken Wie im nachfolgenden Kapitel noch gezeigt werden wird, ist Sebastian Brants

Türkenbild von gängigen Stereotypen gekennzeichnet und unterscheidet sich kaum von den Darstellungen und Charakterisierungen seiner Zeitgenossen. Sarazenen und Türken werden zwar begrifflich von ihm unterschieden, doch schlägt sich diese Unterscheidung nicht in der Wahrnehmung beider als Feinde des Glaubens nieder. Den Höhepunkt der antiislamischen Polemik findet man in der Mahnrede, doch es gibt auch in der Erzählung selbst zahlreiche Einschübe zum Charakter und zu den Sitten der Gegner. Mit der Geburt Mohammeds bricht das Übel des Islams wie eine Krankheit über die Menschheit herein: „Hoc tempore Mahumetus quidam [...] acerrimi ingenii vir: inter christianos conuersatus: magnum fidei excitauit incendium. legemque suam p(a)estiferam introduxit: & ad rebellandum contra imperium Arabes pellexit“.324 Dass Brant am Beginn dieser Worte einen seiner seltenen Absätze in

321 Vgl. De origine, fol. Hv-Hij

v.

322 Vgl. De origine, fol. Hijr+v.

323 Vgl. De origine, fol. Hvv.

324 Vgl. De origine, fol. Hiiijv.

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den Text einfügt, zeigt in dem ansonsten ohne besonderen Kommentar in die Geschichte eingefügten Satz bereits, dass hier eine entscheidende Wende für die Geschichte Europas stattgefunden hat: Mohammed ist für ein „todbringendes“ Gesetz („lex pestifera“) verantwortlich: Er brachte die arabische Welt dazu, sich gegen das (christliche) Reich zu erheben. Die Araber wenden dieses „Gesetz“ sogleich an, indem sie die Perser verführen: „Arabes etiam Mahum(a)eti pr(a)estigiis seducti: apud Persas vt eandem susciperent legem: primum precibus institerunt: deinde illos assentiri nolentes: bello summis conatibus intentato / duce Mahum(a)eto exagitarunt. Regeque Persarum pr(o)elio superato atque interfecto Pers(a)e omnes a Sarac(a)enis subacti: praesentis Mahum(a)eti legem acc(a)eperunt”.325 In der Folge werden die Erfolge der von Mohammed „Infizierten“ abgehandelt; eine christliche Bastion nach der anderen fällt. Brant versäumt es nicht, gleichzeitig die Schwäche der byzantinischen Kaiser mitverantwortlich zu machen.326 Zusammen mit den Arabern tauchen auch die Sarazenen auf. In der legendären Schlacht zwischen den Sarazenen und Karl Martell bei Tours beschreibt Brant, es sei Sitte der Sarazenen, mit großem Geschrei und großer Wut in die Feinde hineinzurennen und sie auf diese Weise zu erschrecken und niederzurennen.327 Diese Sitte wird von ihm immer wieder aufgegriffen. Meist sind des die von Brant nicht sehr geschätzten griechischen Kaiser oder die Franzosen, die sich von dieser Kampftechnik überrumpeln lassen und damit für den weiteren Verlust christlicher Gebiete verantwortlich gemacht werden. Unmittelbar im Anschluss an die Nennung der Translatio imperii findet sich in Brants Erzählung eine „origo Thurcorum“. Darin schreibt Brant, die Türken hätten auf der Suche nach besseren Wohnorten Asien überfallen, wo sie Alanen, Kolcher und Armenier unterdrückten. Dann hätten sie die kleinasiatischen Völker und schließlich die Perser und Sarazenen besiegt. Es gebe Leute, die schrieben, die Türken seien Skythen; vor allem in jenen Büchern, in denen erzählt wird, Alexander der Große habe die Skythen zwischen den hyperboräischen Bergen mit einsernene Gittern eingeschlossen. Die Türken seien so stark und mächtig gewesen, dass die Sarazenen in Persien sich mit ihnen abfinden mussten, schließlich nannten sich die Türken in Persien ebenfalls Sarazenen. Dann hätten die Türken den mohammedanischen Aberglauben angenommen und seien fortan von bösem Gemüt gewesen.328

325 Vgl. De origine, fol. [Hvj]r.

326 Vgl. De origine, fol. [Hvj]r-Ir.

327 Vgl. De origine, fol. [Hviij]r: “Magna itaque solicitudine apparatum faciendo: atque raptim ducto exercitu prope Turonium Sarac(a)enis congressus: magno quidem ardore & incursione ab illis excipitur. sicut mos es illius gentis: quæ su(a)e fidens multitunini: impetu ferri solet: quo aut oppositos opprimunt / conculcantque exercitus: aut se passim exhibent trucidandos“. Die

Kampftechnik wird auch bei Flavio Biondo beschrieben. Vgl. BIONDO, Historiarum decades, Decadis primae liber decimus, S. 141.

328 Vgl. De origine, fol. Ir: “Interim vero Thurci tunc primum: meliores sedes expetentes: Asiam inuadunt: Alanos primum: post Colchos & Arm(a)enios: inde Asi(a)e minoris populos: & ad extremum Persas: & Sarac(a)enos vincunt & opprimunt. Sunt qui scribunt hos fuisse Scythas: ex his praesertim quos Alexander Macedonum rex / intra Hyperboreos montes ferrreis repagulis clausit. Tantas autem habuit vires Thurcorum insultus: vt Sarac(a)eni pacem habere / nulla alia potuerint

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Während der Zeit der Kreuzzüge erscheinen die Bezeichnungen für die jeweiligen Feinde reichlich unpräzise. Brant spricht in willkürlicher Abfolge von Sarazenen und Türken, obwohl es sich in der ersten großen Schlacht in Kleinasien bei Nikäa um die Seldschuken handelt; ihr Anführer Qilidsch Arslan heißt Solymannus. Die getöteten Seldschuken hätten, so Brant, Araber, Perser, Mesopotamier, Türken, Sarazenen, Caldäer und Syrer in ihrem Heer versammelt gehabt.329 In der Mahnrede manifestiert sich die Auseinandersetzung zwischen Christentum und Islam überwiegend in der konkreten Gefahr durch die türkischen Eroberungszüge in Brants Gegenwart. Dabei spielen sowohl die Eroberungen der Osmanen Richtung Zentraleuropa eine Rolle als auch die „Besetzung“ des heiligen Landes durch Muslime. Auch in der Mahnrede findet keine differenzierte Betrachtung unterschiedlicher muslimischer Völker statt, zumindest nicht in der Beschreibung ihrer Charaktere als Feinde der Christen. Lediglich die Bezeichnung, „Sarac(a)eni“ oder „Thurci“, lässt einen wissen, von wem Brant gerade spricht. Die Expansionszüge der Osmanen und Sarazenen werden als schändliche Raubzüge bezeichnet (dirus Saracaenorum incursus; Thurcorum sacrilegus impetus): „Hinc Thurcorum sacrilegus impetus: cum alia loca plurima: tum sanctam ciuitatem Hierosolymam: sanct(a)eque terr(a)e loca: inuasit / c(a)epit / diripuit / incendit. Sacrosanctumque domini nostri & saluatoris viuificum sepulchrum (quod sine singultibus & lachrymis effari nequeo) f(o)edauit polluit et prophanauit“.330 Jeder gelehrte und ehrfürchtige Mann müsse den Umgang mit den Sarazenen meiden, da sie den Hunden und wilden Tieren glichen und töricht wie Kinder seien: „Quamuis enim hactenus perfidi Sarac(a)eni: plurimis diuitiis habundent: & pompis incredibilibus ac deliciis vacent: tamen ita pueriliter desipiunt: tanquam pertinaciter his quæ sunt contra rationem adh(a)erent: vt omnis vir doctus atque timoratus: eorum fugiat consortium: & eos velut caninos & b(a)estiales: cum summo t(a)edio abhominetur atque deuitet“.331 Die Türken werden als Feinde der Christen bezeichnet, die zudem grausamer als die bekannten Christenverfolger Diokletian

ratione: quam restituto Persarum regni nomine. hac videlicet conditione. vt Thurci qui in Perside habitarent / Sarac(a)eni appellarentur. Atque ita (a)equiori animo Sarac(a)eni in Asia regnare Thurcos passi sunt. & quod eos etiam breui acc(a)epturos Mahum(a)etanam superstitionem videbant. adeo erant eorum ingenia ad malum prona”. Die Vorstellung, dass die Skythen von Alexander mit dem Bau von eisernen Toren an der Überwindung des Kaukasus gehindert wurden,

findet sich bereits bei Flavius Josephus. Vgl. Hannes MÖHRING: Der Weltkaiser der Endzeit.

Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung. Stuttgart 2000, S. 44, dort

mit Verweis auf JOSEPHUS: Bellum Judaicum Buch VII, Kap. 4 (ed. Thackeray). Hartmann Schedel verweist in seiner Weltchronik auf die „origo Thurcorum“ in Enea Sivio Piccolominis Werk

Europa. Vgl. SCHEDEL, Liber chronicarum, fol. CCLXXIIIr, und Enea Silvio PICCOLOMINI: Enee

Silvii Piccolominei postea Pii PP II De Europa. Edidit commentaioque instruxit Adrianus van Heck. Città del Vaticano 2001. Dort wird ausführlich die skythische (und nicht trojanische)

Herkunft der Türken abgehandelt. Vgl. Turci: origo et historia usque ad Pii II tempora, Kap. IV, 20-25, S. 62-67.

329 Vgl. De origine, fol. [Kvij]v.

330 Vgl. De origine, fol. Rvv.

331 Vgl. De origine, fol. [Rvj]r.

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und Maximian seien: „Veniet Thurcus Christiani nominis hostis: Diocletiano & Maximiniano violentior“.332 Ähnliche Bezeichnungen lassen sich beliebig sammeln: „inmanissimus hostis“, „truculentissimus tirannus“, „efferatus barbarus“. Besonders tragisch stellt Brant heraus, dass nun auch Europa „ab effoeminatis Thurcis“ belagert werde.333 Die Beschreibungen der Türkengreuel, die sich in Brants Text wiederfinden, sind literarisches Erbe einer „Grundausstattung“ der Berichte über die Eroberung Konstantinopels; dort ist fast überall die Rede von abgeschlachtetem Adel, geschändeten Nonnen und der Verspottung des Kreuzes.334 Dies ist bei Sebastian Brant keineswegs anders. Ganz und gar in der Tradition Enea Silvios steht Brant auch mit der scheinbaren Divergenz zwischen den einerseits so grausamen erscheinenden, andererseits aber verweichlicht dargestellten Türken. Die stereotype Bezeichnung der „Turci effeminati“ taucht auch bei Brant auf. Das Ziel ist, wie stets, „die gefürchtete Armee der Türken im Argumentieren für die „facilitas belli“ schwach zu reden – sowohl charakterlich, in der Kampfmoral, wie technisch, in ihrer – primitiveren – Bewaffnung.“335 Die entscheidenden Sätze Eneas, in denen er einen unmittelbaren Vergleich zwischen den türkischen Kriegern und den europäischen Rittern vornahm, hat Brant in den Text seiner Mahnrede übernommen. Trotz dieser durchgehenden Einordnung der „Ungläubigen“ gibt es eine Ausnahme. Sie betrifft den berühmten orientalischen Fürsten Saladin (Salahaddin Yusuf ibn Ayyub), der von Brant als „rex fortissimus“ und „prudentissimus“ bezeichnet wird, dessen „humanitas [...] oberat multis christianis [...]“ und der „nullum populum vrbe eiecit / tributa pendere volentem. nec vlli fidem fregit“.336 Die positive Einschätzung des mächtigen islamischen Herrschers hat eine lange Tradition im Abendland; bereits zu Zeiten Brants hat sich der Respekt vor der ritterlichen Tugendhaftigkeit und Unbesiegbarkeit Saladins zu einem Topos verdichtet.337

332 Vgl. De origine, fol. [Rvj]v.

333 Vgl. De origine, fol. Siijr.

334 Vgl. HELMRATH 2000, S. 104f. Dort auch weitere Literaturangaben zum Topos.

335 Vgl. HELMRATH 2000, S. 106.

336 Vgl. De origine, fol. Nr.

337 Vgl. Franco CARDINI: Immagine e mito del Saladino in occidente, in: Franco CARDINI, Mariagraziella BELLOLI, Benedetto VETERE: Verso Gerusalemme. II. convegno internazionale nel IX. centenario della I. crociata (1099-1999). Bari, 11-13 gennaio 1999. Bari? 1999 (Università degli Studi di Lecce. Dipartimento dei beni delle arti e della storia. Saggi e Testi 1), S. 273-284, hier S. 275f. Cardini zufolge erzwang der Sieg Saladins über solch illustre Potentaten wie Richard Löwenherz geradezu die Konstruktion einer übermenschlichen, unbesiegbaren Figur, denn alles andere hätte die Helden des dritten Kreuzzuges als mittelmäßige Kriegsherren erscheinen lassen.

Ein anderes Bild zeichnet hingegen Wilhelm von Tyrus, der in Saladin einen superbus et infidelis

tyrannus gesehen hatte, bestätigt von Joachim von Fiore, der Saladin mit Herodes und Nero zusammen in die Reihe der Vorboten des Antichristen stellte.

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2.2.6. Römisches und Byzantinisches Reich Griechenland, so Brant, sei die Mutter aller Gelehrsamkeit, der fruchtbare und

liebliche Winkel Europas gewesen, wo stets der Ruhm der Waffen zuhause war. Doch nun sei das Land des Lichts beraubt, denn die griechischen Fürsten trügen törichten Hass gegeneinander in sich und Liebe zum Eigennutz. Solcherlei Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit seien verantwortlich dafür, dass der östliche Glaube eigennützig und der römischen Kirche immer entgegenstehend sei, nun aber auch der christlichen Lehre entfremdet und zerstört. Damit seien das Haupt und der Anfang des Glaubens ruiniert, man müsse leider zusehen, wie das anfängliche Licht erlösche.338 Der Verlust des griechischen Ostens wird von Brant beweint: „O insignis Gr(a)ecia. ecce iam tuum finem: quis tuam non indoleat vicem?“339 Da der griechische Osten immer noch als ein (in Glaubensfragen abweichender) Teil des alten römischen Reiches gedacht wird, und somit nach wie vor ein gewisser Anspruch seitens seines Nachfolgers, des heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, besteht, wirkt dieser Verlust schmerzlicher und geht mehr an die eigene Substanz, als etwa der Verlust christlichen Einflusses irgendwo in Afrika. Dies zeigt sich in Äußerungen wie „ex duobus oculis alterum erutum“, „ex duobus christianitatis luminibus alterum extinctum“ oder „omnemque gr(a)ecie gloriam expugnatum subactamque vidimus“.340 Der Verlust Griechenlands ist allerdings vor allem Schuld der Griechen, die sich nie ernsthaft um die christliche Sache bemüht haben. Daher ist Griechenland nun nichts anderes als ein barbarisches, ehrloses Bordell.341 Die schlechte Figur, die Griechenland nun macht, liegt an der anhaltenden Trägheit ihrer Kaiser. In aller Regel kommen sie sehr schlecht weg. Da Kaiser Kostantinos V. den Kaisertitel abgeben musste, weil er der römischen Kurie die Hilfe gegen die Langobarden verweigerte, werden sie ohnehin gar nicht mehr als rechtmäßige Kaiser angesehen, sondern als Regenten, die diesen Titel nur beanspruchen. Die meisten zeichnen sich durch Gottlosigkeit, Langsamkeit, Schläfrigkeit und Bosheit aus. Leon IV. (775-780) zieht zwar gegen die Sarazenen aus, verliert aber beim ersten Ansturm der Feinde den Heldenmut und kehrt zurück. Dieser sehr kurze Einschub im Kapitel über Karl den Großen lässt sich umso deutlicher als Kritik begreifen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass wenige Seiten zuvor von der Sitte der Sarazenen die Rede war, sich beim Kampf mit Geschrei und einer Menge von Leuten nach vorne zu werfen. Karl Martell hat diese Kampftechnik mit Bravour überwunden, der byzantinische „Kaiser“ hingegen versagt kläglich.342 Ferner helfen die Griechen den Sarazenen bei der Eroberung Süditaliens, die es so schaffen, bis zu den Mauern Roms vorzustoßen.343 Unter

338 Vgl. De origine, fol. [Rvij]v.

339 Vgl. De origine, fol. Siijv.

340 Vgl. De origine, fol. Siijr.

341 Vgl. De origine, fol. Siijv.

342 Vgl. De origine, fol. [Hviij]r und Iv.

343 Vgl. De origine, fol. [Ivij]r.

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Kaiser Otto II. nehmen die Griechen gar die Sarazenen in Sold, um Apulien zurückzuerobern, das ihnen Otto zuvor abgenommen hat.344 Kaiser Alexios I. Komnenos wird nicht nur für sein Misstrauen gerügt, das er den in Konstantinopel eintreffenden ersten Kreuzfahrern entgegenbringt. Er bediente sich zuvor der Hilfe der Türken und Sarazenen, um Kaiser Nikephoros zu vertreiben. Dies ist besonders anrüchig, da Alexios das Osterfest nutzte, um sich an die Macht zu bringen: „vere dici potuit: passionis tempus“.345 Er verweigert den Kreuzfahrern zuerst den Weg durch sein Reich, schließt aber dann einen Vertrag mit Bohemund, der ihm sämtliche eroberten Gebiete mit Ausnahme Jerusalems zusichert.346 In späteren Auseinandersetzungen zwischen Boemund und Alexios werden die historischen Fakten von Brant bisweilen stark gebeugt, die Streitigkeiten zwischen dem Antiochenischen Fürsten und dem griechischen Kaiser werden von ihm zu Ungunsten des Byzantiners ausgelegt. Obwohl Alexios I. Komnenos mit dem Vertrag von Deabolis Boemund faktisch an der weiteren Ausübung und Nutznießung seiner Herrschaft gehindert hatte, wird von Brant behauptet, Alexios habe nach der Belagerung von Dirrachium (Durres) den Frieden von Boemund zu dessen Bedingungen verlangt. Während des zweiten Kreuzzuges, als der deutsche König Konrad nach Kleinasien zog, verhielt sich Alexios’ Amtsnachfolger nicht

besser: Der ruchlose (scelerus) Griechenkönig Manuel I. Komnenos habe Gips in das für die Kreuzfahrer gelieferte Mehl gemischt, woraufhin das Heer erkrankte.347 Dass in Wahrheit Konrads Heer bereits bei der ersten Feindberührung von den Seldschuken in Kleinasien geschlagen wurde, wird von Brant mit keinem Wort erwähnt.348 Dem griechischen Kaiser wird somit das Scheitern des deutschen Unternehmens angelastet. Die Griechen verweigern außerdem dem englischen König Richard Löwenherz die Einfahrt in den Hafen von Zypern – Richard ist aufgrund eines Unwetters auf dem Weg nach Akkon dort gestrandet – und müssen daraufhin dessen Zorn ertragen: Zypern wird erobert und verwüstet.349 Auch die Eroberung Konstantinopels 1453 wird den Griechen mitangelastet. Da sie die Union mit der katholischen Kirche nur halbherzig vollzogen hätten (sie fielen wieder in ihre alten Sitten zurück) und sich stattdessen lieber der Steuerforderung von Mehmed II. Vater Amurhates unterworfen hätten, verdienten sie schließlich nichts anderes, als zugrunde zu gehen.350 Alles in allem zeigen sich in dieser Art der Wahrnehmung sowohl althergebrachte Stereotypen – die Griechen sind unzuverlässig etc. –, als auch ein humanistischer, idealisierter literarischer Blickwinkel, der seinen Fortgang bei Herder und Goethe finden sollte. Dasjenige

344 Vgl. De origine, fol. [Iviij]r+v.

345 Vgl. De origine, fol. Kijr.

346 Vgl. De origine, fol.[Kvj]r+v.

347 Vgl. De origine, fol. [Mvj]r.

348 Vgl. MAYER 2000, S. 92-94.

349 Vgl. De origine, fol. Niiijr.

350 Vgl. De origine, fol. [Pviij]v.

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Griechenland, welches Verehrung erfährt, gehört in den Bereich mythischer Verklärung. Es ist das antike Griechenland, das mit seiner Tradition der Gelehrsamkeit, mit seinem Schatz an Bildung und Wissen und mit seiner Bedeutung für das Urchristentum zu einem Gegenstand mythischer Sehnsucht wird. Letzten Endes wird es als ewige Quelle der Tugend und Bildung gedacht, aus der man sich selbst entsprungen und weiterhin genährt sieht. Das tatsächliche Griechenland oder vielmehr das byzantinische Kaiserreich hingegen kommt deutlich schlechter weg. Sowohl das Schisma im ganzen, wie auch das Verhalten der einzelnen griechischen Kaiser in Bezug auf die Kreuzfahrer erfahren eine profunde Kritik. Sie entsprechen nicht den Normen der Rechtgläubigkeit. Wiewohl die Griechen Christen sind, tun sich nichts für die Einheitlichkeit und Ausbreitung der christlichen Welt. Dazu müssten sie erst in den Schoß der katholischen Kirche zurückkehren.

Das Römerreich spielt bei Sebastian Brant nicht nur deshalb eine wichtige Rolle, weil ein Teil der Jerusalemer Geschichte römische Geschichte ist. Der Untergang des römischen Imperiums diente der humanistischen Historiographie ganz allgemein als Paradebeispiel, wenn es darum ging, den Prozess des Verfalls und der Dekadenz anhand einer historischen Epoche zu illustrieren. Aber das Reich diente auch stets als Beispiel gelungener Herrschaftsausübung. Leonardo Bruni sah die Ursache des Verfalls in der Vernichtung der Freiheit durch die Kaiser. Mit der Freiheit sei auch die Tugend verschwunden. Die Begründung der Dekadenz ist also eine moralische, und damit sind politischer und sittlicher Verfall miteinander verbunden. Poggio Bracciolini hingegen macht alleine das Wirken der Fortuna für den Wechsel besserer und schlechterer Zeiten verantwortlich, ähnlich Macchiavelli.351 Sebastian Brant widmet sich zum einen in seinem historiographischen Teil der römischen Zeit Jerusalems und Judäas, zum anderen in seiner Mahnrede bei dem Versuch, gute und schlechte Herrschaft mit Beispielen darzustellen und zu kommentieren. Im historiographischen Teil hängen die gegebenen Informationen größtenteils von den von ihm benutzten Quellen ab. Nur vereinzelt finden sich eigene Kommentare; meist handelt es sich dabei um Bewertungen in Form kleiner Appositionen („homo crudelissimus“) oder um Absätze, die durch ein „notabene“ gekennzeichnet sind. In der Mahnrede werden zu Beginn einige römische Kaiser genannt. Sie illustrieren die Weisheit Gottes, dem allein es obliegt darüber zu entscheiden, wer Macht und Herrschaft ausüben kann und wer nicht. Dabei kommen sowohl gute als auch ungerechte Machthaber zum Zug. Neben dem zweckgebundenen, illustrativen Charakter dieser Aufzählung dient der Rekurs auf die römische Antike aber auch humanistischen Bildungsinteressen. Das römische Weltreich gehört zu den von Brant bewunderten Reichen, da es außergewöhnlich lange Bestand hatte. Nach Brants Ansicht verdankt es diesen Umstand der tugendhaften und großmütigen Herrschaft. Die Tatsache, dass das Reich dennoch (in seinen Augen) zugrunde ging, lag an der ignoranten Haltung der Römer gegenüber dem Christentum.

351 Vgl. BUCK 1957, S. 23.

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2.2.7. Humanistische Bildungsinteressen Als besonderer Ausdruck humanistischer Gelehrsamkeit gilt die Hinwendung zu

Themen wie der Moral, den Stadt- und Landschaftsbeschreibungen oder den Biografien berühmter Gestalten. Insbesondere in der Historiographie ist immer wieder zu beobachten, dass im Zuge der Nachahmung antiker Geschichtsschreibung solche Themen aufgegriffen und verarbeitet werden. Ob jemand gut oder schlecht gehandelt hat, ob er einen moralisch integren oder verwerflichen Charakter hatte, wurde immer wieder Gegenstand auch historischer Abhandlungen. Zahlreiche Kompendien berühmter Männer und Frauen erschienen in der Zeit der Renaissance sowohl in Italien als auch in Deutschland.352 Ebenso werden Stadt- und Landschaftsbeschreibungen Gegenstand der Studien, wiewohl es weniger von Bedeutung ist, ob man die beschriebenen Orte selbst in Augenschein genommen hat oder nicht. Mit Petrarcas im doppelten Wortsinn legendärer Besteigung des Mont Ventoux ist die Ära solcher Studien eingeleitet. In Sebastian Brants Geschichtswerk finden sich Elemente aus allen drei Bereichen.

Sebastian Brant ist vor allem aufgrund seiner Moralsatire Narrenschiff berühmt geworden. Alle „Narrheiten“, die man begehen kann, sind dort in dichterischer

Meisterschaft niedergelegt. Auch De origine liegen bestimmte moralische und ethische Grundsätze zugrunde, die sich vor allem in der Bewertung einzelner Herrscher zeigen. In der Mahnrede werden wiederholt Zitate aus den Werken Senecas herangezogen. Als ganz besonderes Beispiel größter Tugendhaftigkeit und Gelehrsamkeit gilt Karl der Große. In Brants Text wird deutlich, dass zwischen seiner Bildung (Griechisch und Latein) und seiner Größe als Kaiser eine Verbindung besteht.353 Seine Weisheit und Tugendhaftigkeit hat dazu geführt, dass er in bis dahin nicht gekanntem Maße Gebietsgewinne für die Christen erzielen konnte; er hatte die Sarazenen aus beinahe ganz Westeuropa vertrieben. Sein legendärer Pilgerzug ins Heilige Land hatte nicht nur zur Folge, dass auch dort die Sarazenen das Feld räumen mussten. Er brachte überaus bedeutende Reliquien mit nach Hause. Karl der Große ist mithin als eines der wichtigsten Vorbilder in Brant Geschichte der guten Könige. Dem entgegen stehen all diejenigen Herrscher, die durch Zwietracht, Herrschsucht, Ehrsucht und Egoismus getrieben wurden. Da sie sich nicht der Mehrung des Christentums verschrieben haben, führte ihre Regentschaft immer zu Verlusten christlicher Gebiete. Ihr Fehlverhalten zog stets eine göttliche Strafe nach sich. Als illustres Gegenbeispiel kann Herodes oder der

byzantinische Heerführer und spätere Kaiser Herakleios gelten. Brants Werk De

origine ist mithin auch eine historische Belegschrift der ein Jahr zuvor im

Narrenschiff erstellten moralischen Regeln, die ein wahres, gottgefälliges Leben ausmachen, und weist ein historisches Verständnis auf, welches sich in der Annahme widerspiegelt, dass die Geschichte als Lehrmeisterin des Lebens gilt.

Neben der ausdrücklichen Anwendung moralischer Kriterien finden sich bei Brant immer wieder Beschreibungen von Landschaften und Städten. Da es sich

352 So etwa die Kompendien zu berühmten Männern und Frauen von Boccaccio oder die des Sponheimer Abtes Johannes Trithemius.

353 Vgl. De origine, fol. Iijv.

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einerseits um ein Geschichtswerk handelt, in dem von historischen Schauplätzen die Rede ist, und Brant andererseits keine ausdrückliche Beschreibung des heiligen Landes anfertigte, hat er die Plätze freilich nicht selbst in Augenschein genommen und dann beschrieben, sondern Beschreibungen aus der Literatur verwendet.354 Schon gleich zu Beginn beschreibt er das Land Kanaan, welches dank seiner weiten Ebenen reich an Früchten sei, wohingegen die Plätze rund um Jerusalem bergig seien. Im Land Kanaan gebe es Nahrungsmittel, die ihresgleichen suchten.355 Auch das Gebiet um Jericho gleiche einem Paradies, das man göttlich nennen könne.356 Sebastian Brant zeigt ein auffallendes Interesse an der äußeren Gestalt insbesondere Jerusalems. Etwa ein Siebtel des Textes, der die Zeit der römischen Besatzung behandelt, widmete er der Beschreibung des Tempels und der Stadt. Dabei werden genaue Längen- und Höhenmaße angegeben, die verwendeten Baumaterialien genannt, Anzahl und Beschaffenheit der Tore beschrieben sowie Angaben zur Ummauerung der Stadt gemacht. Die Beschreibungen stammen aus zwei

verschiedenen Werken des Flavius Josephus, aus den Antiquitates Iudaicae

(Tempel) und aus Contra Apionem (Stadt). Die Beschreibung des Tempels und der Stadt sind bei Brant nahtlos aneinandergefügt. Zuvor erwähnt Brant, dass Herodes die Burg Antonia habe sichern lassen, um sich vor den Aufständen des Volkes zu

schützen. Dann ließ Herodes zur Verbesserung seiner Lage (ad meliora rebus sibi

provenientibus) einen reich geschmückten Palast in der Oberstadt errichten, zu dem große Gebäude gehörten. Weitere Einrichtungen wie fünfjährlich stattfindende Wettkämpfe, den Bau eines Theaters und eines Amphitheaters habe er entgegen der Sitten der Juden, gemäß seiner eigenen Vätersitten, veranlasst. Deswegen habe es häufig Verschwörungen und Aufstände gegen ihn gegeben. Die ausgedehnte Beschreibung des von Herodes anschließend neu errichteten Tempels sowie der Baumaßnahmen in der Stadt sollen die große Macht und die Verschwendungssucht des Herodes illustrieren, dessen „perfidia“ noch an anderen Stellen deutlich gemacht wird. Auf der anderen Seite kann Brant dem Leser einen Eindruck von der Pracht und Größe der Stadt Jerusalem zur Zeit Christi geben, denn direkt im Anschluss an die Stadtbeschreibung folgt die Geburt Christi. Brant scheint hier eine Mischung aus Bewunderung und Abscheu an den Leser weiterzureichen. Herodes sei zwar ein grausamer Herrscher, aber „Fuit autem Herodis / variis in locis & beneficiis / tanta magnificentia: vt quibusdam mira quidem videtur voluntatis natur(a)e eius

354 Dabei handelt es sich um ein ganz und gar übliches Verfahren; Flavio Biondo ist bei seiner Beschreibung Italiens in der Regel nicht weiter als bis zur nächsten Bibliothek gereist.

355 Vgl. De origine, fol. Avr: „Natura autem terræ Chanan(a)eorum huius modi est. vt & planiciem

magnam habeat: & ad ferendum fructus sit copiosa: quæ comparata quidem ali(a)e terr(a)e: creditur esse fœlix: Cum locis autem hierocuntis & Hierosolymitarum estimata: putatur valde vilissima. licet omnino hæc spacia / parua: & eorum multa montana sint. Magnitudine vero fructuum / & ad cibos aptorum / & pulchritudine: alia similis non est”.

356 Vgl. De origine, fol Avv: „Quo factum est / vt optimos ea regio / ac densissimos paradysos

educat: palmarumque irriguarum genera: tam sapore quam nominibus varia. adeo vt qui diuinum esse illum tractum dixerit / non errabit: vbi & larga & opima generantur qui sunt charissima. Sed nec in aliis ei fructibus: aliqui facile toto orbe regio certauerit: adeo multiplicatum / quicquid satum esse / reddit”.

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differentia. Nam si largitiones eius considerentur: quis potest negare eium munificentissimum fuisse?“357 Man kann Brant Interesse an städtebaulichen Details und an der Geographie der historischen Plätze bescheinigen, die den Schauplatz der von ihm beschriebenen Geschichte darstellen. Man findet immer wieder entsprechende Informationen in seinem Text. So wird eigens hervorgehoben, dass Bischof Alexander als erster in Jerusalem eine Bibliothek errichtet habe, wie Eusebius bezeuge.358 Ein wenig unvermittelt, aber im selben Kontext zu verstehen ist die Beschreibung Dalmatiens, die Brant mitten in seinen Ausführungen zu den Auseinandersetzungen zwischen den Sarazenen und den europäischen Ländern einfügt.359 Die (kurze) Stadtbeschreibung Antiochias, die der Erzählung der Eroberung während des ersten Kreuzzugs vorangeht, ist besser platziert. Dass sich die Eroberung als äußerst schwierig und zäh gestaltete, lag nicht zuletzt an der starken Befestigung der Stadt. Brant erzählt von doppelten Mauern, deren äußere aus Steinquadern, die innere aus Ziegelsteinen errichtet gewesen sei. Außerdem hätte es 400 Türme gegeben und im Osten eine Burg, die die Stadt überragte. Die Region sei von den Einwohnern Caelisyria genannt worden und sei reich an Gewässern und Brunnen und fruchtbaren Böden gewesen, der nahegelegene See fischreich. Bis zur Küste seien es zwölf Meilen. Im Norden grenze ein hoher Berg an die Stadt, im Westen eine offene, weite Landschaft, durch die sich der Fluss Farfar winde. Eng im Zusammenhang mit dieser äußeren Beschreibung steht jedoch der innere Wert der Stadt, der dank ihrer Rolle in frühchristlicher Zeit als besonders hoch gilt. Nicht nur gab es zur Zeit der Kreuzfahrer 466 Kirchen, auch wurden dort als erstes ein Patriarchat eingerichtet und die ersten Christen getauft.360 Die Beschreibung und Geschichte der Stadt dient somit als Legitimation sowohl der Schwierigkeiten, die sich bei ihrer Eroberung ergaben, als auch der Eroberung selbst: Eine so bedeutende Stadt konnte nicht in den Händen der Türken und Sarazenen bleiben.

Neben dem Interesse an Stadt- und Landschaftsbeschreibungen wendet sich Brant auch heldenhaften Männer- und Frauenrollen zu. In Brants Texten spielt der Heldenmut des Kriegers keine geringe Rolle, da es meist Kriege sind, die über den Erhalt oder den Verlust von Territorium entscheiden. Krieger zu sein, fordert Mut und Manneskraft. Darüber verfügten zwar einst die heldenhaften Kreuzfahrer, die Zeitgenossen Brants jedoch nicht mehr. Um das zu beweisen, beschränkt Brant sich

nicht darauf, auf die territorialen Verluste und auf die christliche pietas hinzuweisen, die es jedem gebot, sich um den christlichen Glauben verdient zu machen. Er spricht die Männer vielmehr persönlich an, indem er sie in Bezug auf ihre Männlichkeit beschämt: Ihr Verhalten sei nicht das eines richtigen Mannes. An

357 Vgl. De origine, fol. [Dvij]v-[Dviij]r.

358 Vgl. De origine, fol. [Gviii]r.

359 Vgl. De origine, fol [Ivj]r+v. Die Beschreibung weist keine Übereinstimmung mit dem Kapitel

über Dalmatien in Enea Silvio Piccolominis Schrift De Europa auf. Vgl. PICCOLOMINI, De Europa, Kap. CVII, 16, S. 94.

360 Vgl. De origine, fol. Lv-Lijr.

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verschiedenen Stellen wird auch auf den Heldenmut einiger Frauen hingewiesen, die sich um die Verteidigung ihres Vaterlandes verdient gemacht haben. In der „historia“ selbst sind es zum Beispiel die griechischen Frauen, die in den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts bei der Verteidigung der Stadt Chalkis gegen die Türken ihr Leben gegeben haben. Dies ist Brant ein höchstes Lob wert: „O gloriosum fragilis sexus nomen: cui dono diuino datum est / in armis pro patria mori“.361 Diese Tatsache wird im selben Atemzug dazu benutzt, den Männern vorzuführen, dass sogar einige Frauen in der Geschichte mehr für die Freiheit ihres Volkes oder Glaubens getan hätten als sie. Den Männern genüge diese Gnade Gottes, für das Vaterland sterben zu dürfen, offenbar nicht. In der anschließenden Mahnrede finden sich ebenfalls Beispiele solch vorbildlicher Frauen, die jedoch überwiegend der antiken Heldenliteratur entstammen. So habe etwa Semiramis, die „conditrix“ der Babylonier, nicht nur die Männer geführt, sondern auch die Assyrer besiegt, welche zu dieser Zeit äußerst kampfstark gewesen seien („pugnatissimus“), sie habe die Äthiopier besiegt, sei bis „ad extremos usque Indos“ gezogen (was davor nur Alexander d. Gr. und Trajan gelungen sei). Das „pugnacissimus ille muliebris exercitus“ der Amazonen sei in Kriegskunst und Körperstärke den Männern gleich. Sie hätten die Nachbarlandschaften von der Donau bis nach Thrakien unter ihre Herrschaft gebracht, danach Asien bis hin nach Assyrien kriegerisch bezwungen.362 Harpalica, die thrakische Königin, habe ihren gefangenen Vater aus den Händen der Feinde befreit. Camilla schließlich habe die Lanze im troiansichen Krieg gegen den Feind geführt.363 Ferner hält Brant den Männern vor, weibliche Eigenschaften zu besitzen (und macht sie damit lächerlich): Sie frisieren sich die Haare wie eine Frau, widmen sich der Versüßung ihrer Stimmen, schmücken sich auf unanständige Weise und wetteifern in der Körperpflege mit den Frauen.364 Diese Ausführungen befinden sich am Ende des zweiten Abschnittes der Mahnrede und bilden den Abschluss einer langen Litanei über die Missstände in Adel und Klerus. Damit zeigt sich, dass der Vorwurf, sich „weiblich“ zu verhalten, in ganz besonders starkem Maße dazu geeignet scheint, die Männer zu beschämen, da er den Verlust von Männlichkeit und damit das Fehlen von Mut, Tapferkeit, Stärke, edlem Geist und

361 Vgl. De origine, fol.[Qviij]v. Der Übersetzer des Werkes, Kaspar Frey, machte aus dem bei Brant lediglich schwachen Geschlecht ein blödes, krankes: „O ain lob wirdiger nam des blo(e)den, krancken weiblichen geschlechts, welchem auß go(e)tlicher gab, in vnd mit den waffen vmb ir

vatterland zesterben, verlyhen ist.“ Vgl. Von dem anfang, fol. [piiij]v.

362 Zur Tradition der Amazonen vgl. auch Christine REINLE: Exempla weiblicher Stärke? Zu den

Ausprägungen des mittelalterlichen Amazonenbildes, in: Historische Zeitschrift 270 (2000), S. 1-38.

363 Vgl. De origine, fol. [Sviij]v.

364 Vgl. De origine [Rviij]v: „Ecce enim quam torpent ingenia desidios(a)e iuuentutis: nec vigilatur in labore vllius honest(a)e rei. Somnus languorque: ac somno & languore turpior / malarum rerum industria / inuasit animos. cantandi / pulsandi / saltandique obsc(o)ena studia: eff(o)eminatus tenent. & capillum frangere: & ad muliebres blandicias / vocem extenuare. mollicie corporis certare cum f(o)eminis. & inmundissimis se excolere mundiciis: nostrorum adolescentium specimen est“.

Brant zitiert hier Seneca, vgl. L. Annaeus SENECA: Controversiae 1, praefatio, 8.

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körperlicher Kraft impliziert. Auch im Zusammenhang mit den Türken taucht die Frage nach dem Weibischen der Männer auf: „Vos muliebris agit Thurcus?“365 Umgekehrt sind es aber auch die Türken, die aufgrund ihrer Verweiblichung – Verweichlichung einfach zu besiegen seien.366 Ganz in der Tradition misogyner Literatur sind auch immer wieder Frauen in der Geschichte dafür verantwortlich, dass Männer dem Laster und dem schlechten Leben verfallen. König Salomon wendet sich den (fremden) Frauen zu und wandelt sich so von einem tugendhaften Mann zu einem lasterhaften. Weil er die mosaischen Gesetze – vor allem die Ehegesetze – nicht respektiert, befiehlt Gott die Auswanderung der zehn Stämme Israels aus Judäa.367 König Josaphats Frau verführt ihn dazu, fremde Götter anzubeten und sein Volk auf die Berge zu treiben, um es ihm gleichzutun. Jorams Gattin Athalia etabliert den Baalkult in Jerusalem und verwendet dafür Steine des Tempels. Sie wird dafür von den Arabern entführt.368 Abgesehen von der Instrumentalisierung männlich-weiblicher Stereotypen für die Stärkung der Kampfmoral kann man aber auch ein generelles Interesse Brants an den

biographischen Werken feststellen. Der gesamte Aufbau von De origine ist ja bereits durch den Titel auf einzelne Herrscherpersönlichkeiten festgelegt. Die Verwendung verschiedener entsprechender Quellenwerke ließ sich nachweisen:

Neben den Papstviten Platinas hat Sebastian Brant Boccaccios Werk De claris

mulieribus gekannt.

2.3. Zu den verwendeten Quellen

Sebastian Brant war ein ausgezeichneter Kenner der antiken, lateinischen Literatur, aber auch der Werke seiner Zeitgenossen. Wie stark er von seinen Kenntnissen beeinflusst war und inwieweit er sie rezipierte oder zitierte, ist für viele seiner Werke noch nicht untersucht worden. Die von Brant kompilierten Autoren und Werke geben zum einen Aufschluss darüber, in welche Tradition er sich stellte, zum anderen zeigen sie die Verfügbarkeit und die Verbreitung der betreffenden

Frühdrucke an. De origine bietet sich aufgrund des historischen Stoffes des Werkes geradezu an, die Quellenfrage näher zu untersuchen. Das Werk ist über weite Strecken eine Kompilation aus verschiedenen Textbausteinen, die Brant häufig nur durch Übergänge aneinander fügte und ergänzte. Somit stellt sein Werk, zumindest was die Verfahrensweise seiner Herstellung betrifft, eines der klassischen historiographischen Werke des Mittelalters dar. Problematisch wird der Nachweis von Kompilationen, wenn es sich um häufig verwendete Texte handelt, zum Beispiel um Werke des Florentiner Stadtschreibers Flavio Biondo, da die Zitate auch

365 Vgl. De origine, fol. [Rvij]r.

366 Vgl. De origine, fol. Siijr+v: „Pudeat o reges & principes: Italia / Germania / Gallia / & Hispaniis:

magna ex parte adhuc saluis: Christianas vrbes capi: Europ(a)eque aditum (proh pudor) ab eff(o)eminatis thurcis occupari sinere“.

367 Vgl. De origine, fol. [Avij]v.

368 Vgl. De origine, fol. [Aviij]v.

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aus zweiter Hand stammen können, insbesondere aus den von Enea Silvio Piccolomini angefertigten Dekaden des Geschichtswerkes von Flavio Biondo. Brant

selbst gibt vor allem in der Mahnrede von De origine die Herkunft seiner Zitate an, allerdings in der Regel nur den Namen des Autors, selten das Werk, aus dem das Zitat entnommen wurde. Neben diesen Zitaten, die meistens aus einzelnen Sentenzen bestehen, verwendet Brant aber auch in größerem Umfang die Werke anderer Autoren, die er zum Teil ausgedehnt kopiert hat und deren Namen oder Werk er nicht immer als Quelle angibt. Ferner gibt es einige weitere Autoren und Texte, von denen man annehmen kann, dass Brant sie kannte und dass sie in irgendeiner Weise seine Textproduktion beeinflussten, wo es jedoch nicht möglich ist, direkte (d.h. am Text nachweisbare) Textzusammenhänge aufzuzeigen. So kannte er die Weltchronik des Nürnberger Kaufmanns Hartmann Schedel. Einflüsse und Übernahmen können zwar wahrscheinlich gemacht, aber nicht in jedem Fall bewiesen werden.

Brants Umgang mit seinen Quellen, d.h. inwieweit er sie nennt und inwieweit er ihnen Autorität zuspricht, spiegelt sein Verhältnis zu Geschichte und Sprache wider. Er kompiliert nicht nur die Vorlagen, sondern er weist (wenn auch nicht immer) auf die Herkunft seiner Quellen hin. Er nennt die antiken Geschichtsschreiber Flavius Josephus (8x), Paulus Orosius (1x), Herodot (1x), Sueton (1x) , Cornelus (Tacitus) (1x) und Hekataios (von Abdera) (1x), die spätantiken Autoren Laktanz (2x), Tertullian (1x) und Euseb (2x) sowie die mittelalterlichen Chronisten Martin von Troppau (1x) und Jakobus de Voragine (1x). Zahlreiche weitere Namen antiker, mittelalterlicher und humanistischer Autoren erscheinen als Marginalien in der Mahnrede. Sie zeigen ein Zitat Augustins, Ciceros, Ovids, Vergils, Juvenals, Senecas, Flavio Biondos Platinas oder anderer Autoren an. Bei den Nennungen der Autoren handelt es sich nicht immer um einen Hinweis auf ein Zitat. An einer Stelle zitiert

Brant aus dem Werk Contra Apionem des Flavius Josephus und vermerkt dazu, dass die von ihm verwendete Information ursprünglich von Hekataios (von Abdera) stamme.369 Es handelt sich dabei in der Tat um eine dem Hekataios von Abdera zugesprochene Textpassage, die in das Werk von Josephus Eingang gefunden hat. Brants Hinweis zeugt von seinem philologischen Interesse. Auf der anderen Seite hat Brant von ihm verwendete Quellen häufig nicht genannt, so etwa den Humanisten und Papst Enea Silvio Piccolomini, aus dessen Werken er beträchtliche Mengen abschrieb. Gelegentlich hat er in seinen Marginalien den falschen Autor als Quelle angegeben. Zwei zitierte Sentenzen stammen von anderen Autoren. Einmal wird Lukan genannt, es handelt sich aber um ein Ovidzitat; ein anderes Mal ist Iuvenal angegeben, das entsprechende Zitat stammt jedoch von Horaz.370 Die

369 Vgl. De origine Diiij

v. Einige Fragmente des ihm zugeschriebenen Werkes fanden

Eingang in Flavius Josephus' Schrift Contra Apionem (I, 183-204; II, 43). Zu Hekataios von

Abdera vgl. Bezalel BAR-KOCHVA: Pseudo-Hecataius on the Jews. Legitimizing the Jewish

Diaspora. Berkeley, Los Angeles, London 1996, und Hugo WILLRICH: Hekataios von Abdera und

die jüdischen Literaten, in: Abraham SCHALIT (Hg.): Zur Josephus-Forschung. Darmstadt 1973 (Wege der Forschung 84), S. 1-26.

370 Vgl. De origine, fol. [Rvij]r: „Tunc tua res agitur paries dum proximos ardet“ (Q. HORATIUS

Flaccus: Epistolae 1, 18, 84) und [Sviij]v: „Nam dum peiora timentur est locus in voto, sors autem ubi

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Autorität der von ihm verwendeten Quellen wird von ihm auf unterschiedliche Weise anerkannt. Die Lehrautorität des Kirchenvaters Augustin wird von Brant

nicht infrage gestellt. Das Werk De Civitate Dei bieten ihm die Grundlage für seine Argumentation in der Mahnrede. An anderer Stelle hat Brant den gelehrten Pater als „caput doctorum“ bezeichnet, als „lux et clarissima mundi: atque oculus per quem

cuncta videre licet“.371 So sehr Augustins Autorität außer Frage steht, so sehr traut Brant seinen Quellen bisweilen nicht über den Weg. Dass Jerusalem einst in den Händen der Jebusiten gewesen sei, erzählten zwar die Quellen – in diesem Fall Flavius Josephus –, Brant möchte dem jedoch nicht unbedingt folgen und schreibt, es seien wohl Ungläubige gewesen, doch wisse man nicht, ob es wirklich die

Jebusiten gewesen seien: „Quis tamen praecipue Hierosolymam tenuerit: [...] nihil certi constat [...]. Nisi quod opinio sit / Iebus(a)ei posteritatem / illam tenuisse: vt ex inferius dicendis / haud absimiliter credi potest. Id tamen palam legimus: maximum ea tempestate / fuisse terræ illius hominibus: dei honestatisque contemtum”.372

Die Gewichtung historischer Epochen beziehungsweise die Ausführlichkeit, mit der einzelne Epochen der Geschichte behandelt werden, hängt in nicht unerheblichem Maße von den Quellen ab, die Brant zur Verfügung standen. Für die Frühgeschichte Jerusalems und Judäas sowie für die Zeit des jüdischen Krieges konnte Brant auf Flavius Josephus zurückgreifen. Er hat auch mehr oder weniger ausschließlich diesen Geschichtsschreiber benutzt. Im Anschluss konnte er die Kirchengeschichte des Eusebius heranziehen. In der Tat hat er die Angaben zu den Bischöfen aus dessen Kirchengeschichte übernommen. Eusebs Werk reicht bis zu Constantius; dann musste auch Brant auf andere Quellen zurückgreifen. Mangels ausführlicherer Chroniken zu der nachfolgenden Epoche für das Gebiet des vorderen Orients ist auch sein Geschichtswerk deutlich lückenhafter geworden. Auf wenigen Seiten werden drei Jahrhunderte abgehandelt; die Informationen wirken zum Teil zusammenhangslos und beleuchten nur punktuell die Ereignisse in Jerusalem oder Palästina. Vermutlich ist es auch mit der Quellensituation zu begründen, dass nunmehr eher die europäische Geschichte in den Blick gerät. Hierzu konnte Brant wieder auf bekannte Kompendienwerke und Chroniken zurückgreifen, in erster Linie auf die von Enea Silvio Piccolomini angefertigte Kurzfassung der Dekaden Flavio Biondos oder auf die Originaldekaden Biondos. Lange Passagen aus Brants Buch entstammen Biondos und Eneas Werken. Es würde aber zu kurz greifen, allein mit der Verfügbarkeit der Quellentexte zu argumentieren. Die Tatsache, dass Brant die Zeit der römischen Besatzung so ausführlich darstellt, liegt nicht nur an den reichlichen Informationen, die Flavius Josephus zu dieser Zeit bietet, sondern auch an einem spezifischen Interesse an dieser Phase der Geschichte, weil es sich um die Zeit der Erfüllung der biblischen

pessima rerum est, sub pedibus timor est, securaque summa malorum” (Publius OVIDIUS Naso:

Metamorphoses 14, 487-490).

371 Vgl. Brants Gedicht auf Augustin in BRANT: Varia Carmina. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1498, fol. [Hiv]r-[Hvj]r.

372 Vgl. De origine, fol. Aiiijv.

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Prophezeihungen handelt, nämlich um die Ankunft des Erretters der Menschheit und um das sträfliche Ende des alten, jüdischen Jerusalem, mit anderen Worten um den Beginn der Zeit des neuen Bundes. Die Beschreibung der Erfolge und Niederlagen des ersten Kreuzzuges ist ebenfalls von besonderer Bedeutung, denn gerade dieser Zug führte ja zur Befreiung Jerusalems aus heidnischer Hand. Der Zug sollte mithin als historisches Beispiel für die Zeitgenossen Brants dienen, wie man erfolgreich (und wie erfolglos) bei der Wiedereroberung Jerusalems vorgehen kann.

Im Folgenden werden einige der von Brant verwendeten Autoren kurz

beleuchtet. Zu den genannten Autoren und Werken sind weitere hinzuzufügen. Einen zufriedenstellenden Überblick kann erst eine kommentierte Edition des lateinischen und deutschen Textes geben. Die folgenden Ausführungen wollen Brants Arbeit lediglich in einen ersten literarischen Kontext stellen.

Mit der Verwendung der Werke des Flavius Josephus steht Brant in einer langen Tradition.373 Seit der Antike bis zu Brants Gegenwart wurde Flavius Josephus zitiert, weil er, und das ist in ganz besonderem Maße ein Phänomen des lateinischen Westens, als Zeuge für die Zeit Christi galt und Informationen zur Verfügung stellte, die die Bibel in vielerlei Hinsicht ergänzten: „So gehören zahlreiche Berichte etwa über Herodes und sein Haus, über die Topographie Palästinas, über jüdisches religiöses Brauchtum und den jüdischen Kult oder über den Untergang Jerusalems durch Titus, Berichte, die fast ganz oder teilweise letztlich auf Josephus zurückgehen, zum tralatizischen Gemeingut spätantiker und mittelalterlicher Historiographie. [...] Denn nicht selten verbindet sich mit dem Zurückgreifen auf Josephus und dem Zitieren einzelner Stellen aus seinen Werken ein Reflektieren über das Verhältnis von Kirche und Synagoge, ein heils- und geschichtstheologisches Nachdenken über die Rolle des jüdischen Volkes in dieser Welt, das seine Denkhilfen und Argumente gerade bei Josephus sucht und findet. Nicht von ungefähr geschieht so die Rezeption und Tradierung des jüdischen „pater

373 Vgl. Franz BRUNHÖLZL: Josephus im Mittelalter, in: LexMa Band 5, Sp. 634-635, und Heinz

SCHRECKENBERG: Die Flavius-Josephus-Tradition in Antike und Mittelalter. Leiden 1972 (Arbeiten zur Literatur und Geschichte des hellenistischen Judentums 5). Schreckenberg nennt unter anderen die Kirchenväter Ambrosius und Hieronymus, Beda Venerabilis, Frechulph von Lisieux, Haimo von Halberstadt, Hrabanus Maurus, Walafrid Strabo, Ekkehard, Fulcher, Balderich von Bourgueil (gest. 1130: Historia Hierosolymitana), Johannes von Salesbury, Petrus Comestor, Wilhelm von Tyrus, Gottfried von Viterbo, Petrus von Blois, Sicard von Cremona (v.a. Untergang Jerusalems u. Tod Christi), Eike von Repkow, Vinzenz von Beauvais, Thomas von Aquin (Teknophagie), Jacobus a Voragine, Werner Rolevinck und Hartmann Schedel. Unter den griechischen Autoren, die Josephus rezipierten, befinden sich unter anderen Origines, Porphyrius, Eusebius (sehr viel), Johannes Chrysostomus, Georgius Monachos, Photios, Konstantinos Porphyrogennetos, Suda, Georgios Kedrenos, Michael Glykas, Theodoretus, Stephanus Byzantius, Zonaras und Nikephoros Kallistos Xanthopulos. Vgl. auch grundlegend: Heinz SCHRECKENBERG:

Josephus und die christliche Wirkungsgeschichte seines "Bellum Judaicum", in: Wolfgang HAASE (Hg.): Principat. Berlin; New York 1984 (ANRW 21/2: Religion (Hellenistisches Judentum in römischer Zeit: Philon und Josephus [Forts.])), S. 1106-1217, und Heinz SCHRECKENBERG:

Rezeptionsgeschichtliche und textkritische Untersuchungen zu Flavius Josephus. Leiden 1977. (Arbeiten zur Literatur und Geschichte des hellenistischen Judentums 10).

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historiae“ ganz im christlichen Raum. Seine Werke lieferten nicht nur viele Jahrhunderte hindurch dem christlichen Antijudaismus Munition in Hülle und Fülle; sie boten auch eine höchst willkommene Ergänzung und Fortführung der Berichte des Alten und des Neuen Testaments“.374 Besonders berühmt wurde in diesem Zusammenhang das sogenannte „Testimonium Flavianum“, eine Stelle, die entweder von einem gläubigen christlichen Leser in den Text der „Jüdischen Altertümer“ eingefügt wurde oder bei der es sich um eine christliche Verfälschung eines echten Jesuszeugnisses des Josephus handelt.375 Brant hat dieses Testimonium auch zitiert, allerdings nicht ohne eine Rüge für Josephus hinzuzufügen: Es hätte ihm gut gestanden, das Leben Christi ausführlicher zu beschreiben und stärker hervorzukehren, dass Jesus Gottes Sohn sei: „Iosephe / sancta quidem christo de principe sentis. Sed succincta nimis: sed breuiora fide. hic decuit totum histori(a)e

protendere nodum. Planius atque Iesum concinere esse deum“.376 Darüber hinaus gab es stets ein starkes geographisch-topographisches Interesse am Heiligen Land, „was man auch aus dem Umstand schließen darf, dass die Entstehung neuer Handschriften sich zeitweilig in den Gebieten Europas massiert, die als geistiges Zentrum und Kernland der Kreuzzugsidee gelten, also vor allem im heutigen Nordosten Frankreichs, in Flandern und am unteren Rhein“.377 Dass Brant gerade diejenigen Passagen, die die Topographie Jerusalems enthalten, in aller Ausführlichkeit übernahm, dürfte in der Tat mit der von ihm wieder propagierten Idee eines (Türken-)Kreuzzuges in Zusammenhang stehen. Auch andere berühmte Stellen des Josephustextes hat Brant in seine Erzählung übernommen, so etwa die Teknophagie der Maria während der Belagerung und Zerstörung Jerusalems unter

Titus.378 Sebastian Brant kannte den lateinischen Text der Antiquitates Judaicae sehr gut und benutzte ihn für die Frühgeschichte Jerusalems bis zum Untergang des jüdischen Jerusalem über weite Strecken als Quelle. Da sich Brant allerdings stark auf die Geschehnisse in Jerusalem konzentriert, wirken die von ihm zusammengefügten Textteile häufig zusammenhangslos. In der Tat lassen sich in Brants Text viele Sprünge feststellen. Auch wenn Brant sich immer bemühte, anhand seiner Datierungen den Überblick über den zeitlichen Rahmen des Erzählten zu wahren, lassen sich die von ihm genannten Personen und Ereignisse nicht ohne weiteres in einen größeren Zusammenhang einordnen, wenn man mit

374 Vgl. SCHRECKENBERG 1972, S. XIIf.

375 Nach BLATT handelt es sich bei dem „Testimonium Flavianum“ (JOSEPHUS, Antiquitates

Judaicae 18, 63-64) um eine Interpolation (Vgl. auch EUSEBIUS: Historia Ecclesiastica 1, 11, 1). Vgl.

The Latin Josephus I. Introduction and text. The Antiquities. Books I-IV. Herausgegeben von Franz BLATT. Koebenhavn 1958 (Acta Jutlandica. Aarskrift for Aarhus Universitet XXX/1.

Humanistik Serie 44), S. 14. Vgl. auch Eduard NORDEN: Josephus und Tacitus über Jesus Christus

und eine messianische Prophetie, in: Abraham SCHALIT (Hg.): Zur Josephus-Forschung. Darmstadt 1973 (Wege der Forschung 84), S. 27-69.

376 Vgl. De origine Eijv.

377 Vgl. SCHRECKENBERG 1972, S. 172ff, mit Hinweis auf BLATT, S. 15f.

378 Vgl. De origine, fol. Gijv und JOSEPHUS: Bellum Judaicum 6, 201ff.

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der Geschichte Judäas und des vorderen Orients nicht vertraut ist. Für diejenige

historische Phase, in der sich die Antiquitates Iudaicae und Bellum Iudaicum überschneiden – es ist dies vor allem von der Zeit des Herodes bis zum jüdischen Krieg – hat Brant beide Werke parallel verwendet. Die von Brant gegebenen Informationen finden sich zum Teil in beiden Werken des Josephus. Hier hat Brant zumeist die Ereignisse mit eigenen Worten wiedergegeben und auch nur diejenigen Geschehnisse erwähnt, die ihm interessant erschienen, so dass man zwar eindeutig auf Josephus als Quelle schließen, aber nur gelegentlich wörtliche Übernahmen konstatieren kann. Die Darstellung des Josephus bricht mit dem Jahr 73 n. Chr. ab, über die nachfolgenden Ereignisse in Jerusalem sind nur sporadische Nachrichten überliefert. Auch Sebastian Brants Darstellung bricht mehr oder weniger unvermittelt mit dem Untergang des Tempels ab.

Sebastian Brant hat nicht die griechischen Texte verwendet, sondern eine lateinische Übersetzung. Bei der ältesten Übersetzung des Josephus ins Lateinische

(um 370) handelt es sich um eine freie Wiedergabe des Bellum Judaicum in fünf

Büchern.379 Der unter dem Namen Hegesippus bekannt gewordene Text hat immer wieder als Quelle für topographische Beschreibungen Jerusalems gedient, ist von Brant aber nicht benutzt worden.380 Die meistverbreitete und auch von Brant

benutzte Übersetzung des Bellum Judaicum wird Rufinus von Aquileia (gest. 410)

zugeschrieben. Die Antiquitates sowie Contra Apionem wurden von Cassiodor ins Lateinische übertragen bzw. von ihm veranlasst. Rufin schreibt ein gutes Latein mit einer einigermaßen wortgetreuen Übertragung des Griechischen. Dennoch enthält der Text Auslassungen einzelner Wörter oder Satzteile, Erweiterungen, Ergänzungen und Paraphrasierungen. Cassiodors Übertragung hingegen zeichnet sich zum Teil durch Willkür oder Auslassungen von Partikeln und Konjunktionen, Modi und Tempora aus. Unverstandenes bleibt oft weg bzw. wird paraphrasiert. Zudem besteht ein kontaminierender Einfluss von der Bibel her, besonders bei Eigennamen.381 Heute sind etwa 230 lateinische Handschriften des Josephus bekannt.382 Es gab zu Brants Zeiten auch einige gedruckte Ausgaben wie die bei

379: Der Text des Hegesippus ist nicht von Ambrosius, wie lange vermutet, sondern vielleicht von dem bekehrten Juden Isaak, von dem Hieronymus spricht (Comment. in Epist. ad Titum 3,9),

übersetzt worden. Der Text beruht zwar im wesentlichen auf dem Bellum Judaicum, der Autor

erweiterte und kürzte ihn aber mal mehr, mal weniger und bezog gelegentlich auch Stücke der

Antiquitates Judaicae und den römischen Historiker Tacitus mit ein. Manches Eigene, in erster Linie Reden, findet sich darin. Auffällig ist ein starker antijüdischer Affekt, vor allem der Untergang Jerusalems und die Zerstörung des Tempels durch Titus werden als verdiente Strafe für die Perfidie

der Juden und die Tötung Christi angesehen. Vgl. Hegesippi qui dicitur historiae libri V. Edidit Vincentius USSANI. Pars prior: textum criticum continens. Wien, Leipzig 1932. Pars posterior: praefationem Caroli Mras et indices Vincentii Ussani continens. Wien 1960 (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. 66). Weitere Literatur zu Hegesippus bietet SCHRECKENBERG 1972, S. 57f.

380 Vgl. SCHRECKENBERG 1977, S. 30.

381 Vgl. SCHRECKENBERG 1972, S. 58-61.

382 Vgl. SCHRECKENBERG 1972, S. 172ff.

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Johannes Schüssler in Augsburg 1470 erschienene, bei der es sich um die erste lateinische Druckversion handelt. Weitere Ausgaben wurden 1475 in Rom, 1475 in Lübeck (?), 1480 in Verona, 1481 und 1486 in Venedig gedruckt.383 Ein Vergleich hat ergeben, dass die Augsburger Ausgabe von 1470 und die Venezianische Ausgabe von 1486 einen nahezu identischen Text aufweisen. Es ist davon auszugehen, dass Brant eine der oben genannten Ausgaben verwendet hat, weil viele der kompilierten Passagen wortwörtlich übereinstimmen.

Die Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea wurde, wie auch das Bellum

Judaicum des Flavius Josephus, von dem Presbyter von Aquileia, Rufinus, ins Lateinische übertragen. Rufin hatte den Originaltext zum Teil erheblich verändert; vor allem ist die Übersetzung bisweilen stark gekürzt. Außerdem hat Rufin dem Werk noch zwei weitere zwei Bücher hinzugefügt (X und XI). Rufins Werk enthält zudem weitaus mehr Bibelzitate als das griechische Original. Der lateinische Text wurde vielfach rezipiert; Theodor Mommsen zählte bereits 92 Handschriften, seine Liste ist nicht vollzählig. Die älteste gedruckte Ausgabe erschien 1473 (ohne Ortsangabe), namhaft wurde die Basler Ausgabe von Beatus Rhenanus (1523). Die beiden von Rufin hinzugefügten Bücher X und XI wurden noch mehrmals separat gedruckt.384 Die Kirchengeschichte Eusebs (in der Übersetzung Rufins) reicht von der Zeit der Geburt Christi bis zu Kaiser Theodosius. Brant benutzte die lateinische Übersetzung des Rufinus für die spätrömisch-frühbyzantinische Phase der Jerusalemer Geschichte, da die Werke des Flavius Josephus mit dem Ende des Jüdischen Krieges enden. Euseb erzählt das Martyrium des Jakobus, das auch Brant erwähnt.385 Die Passage über die Auffindung des Kreuzes durch Helena entstammt ebenfalls der Kirchengeschichte, allerdings dem von Rufin ergänzten Buch X.386 Wortwörtlich kopiert hat Brant ferner Rufins Schilderung der Heimsuchung der Juden, die den wahren Christus nicht erkennen, sondern weiterhin ihre Opfer im Tempel darbringen wollen. Als Strafe für ihren Hochmut fährt eine Feuerkugel durch die Gassen Jerusalems, ein Erdbeben legt die Stadt in Schutt und Asche und auf den Kleidern der Juden erscheinen Kreuze, die sich nicht entfernen lassen.387 In der Abfolge der Jerusalemer Bischöfe folgt Brant zum Teil den Angaben Eusebs, einige bei Euseb genannte geistliche Würdenträger sind bei ihm allerdings nicht zu finden. Von den in Hist. Eccl. IIII, 3 genannten Namen Jacobus, Symeon, Iustus, Zacchaeus, Tobias, Beniamin, Iohannes, Matthias, Philippus, Seneca, Iustus, Levi,

383 Zu den genauen bibliographischen Angaben vgl. Heinz SCHRECKENBERG: Bibliographie zu

Flavius Josephus. 2 Bände. Leiden 1968 und 1979. Zu den genannten und weiteren lateinischen Ausgaben vgl. insbesondere Band 2, S. 163-169.

384 Vgl. dazu das Vorwort von Theodor Mommsen in seiner Edition des Rufintextes, in: EUSEBIUS,

Hist. Eccl. II.3., S. CCLI-CCLXVIII. Vgl. allgemein auch David S. WALLACE-HADRILL: Eusebius

von Caesarea, in: TRE Band 10, S. 537-543.

385 Vgl. De origine, fol. [Gvj]v und EUSEBIUS, Hist. Eccl. III, 11, in MOMMSEN Band II.1., S. 227.

386 Vgl. EUSEBIUS: Hist. Eccl. X, 7, in: MOMMSEN Band II.2., S. 969, und De origine, fol. [Gviij]v.

387 Vgl. De origine, fol. Hv-Hijv und EUSEBIUS, Hist. Eccl. X, 38-40, in: MOMMSEN Band II.2., S.

997f.

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Efrem, Ioseph und Iudas finden sich lediglich Jacobus, Symeon und Justus wieder; in Hist. Eccl. IIII, 7 ist Marcus genannt.388 Von den in Hist. Eccl. V, 12 genannten Bischöfen Cassianus, Publius, Maximus, Iulianus, Gaius, Iulianus, Capiton, Valentin, Dolichianus und Narcissus ist wiederum nur Narcissus genannt.389 Dafür hat Brant die in Hist. Eccl. VI, 10 erwähnten Apostelnachfolger Dios, Germanius, Gordius und Narcissus (zum zweiten Mal) alle genannt.390 Auch die bei Brant genannten Amtsträger Alexander, Mazzabanes, Hyemeus, Zabdas und Hermon sind bei Euseb zu finden.391 Einige der Jerusalemer Bischöfe, die Brant in seinem Text erwähnt, entstammen aus den Rufinschen Ergänzungen, es sind dies die Bischöfe Macarius, Maximus, Cyrillus und Johannes.392

Mit der Verwendung von Augustins Werk De civitate Dei beschreitet Brant einen überaus klassischen Weg der Autoritätsversicherung seiner eigenen Ausführungen. Brant hat vor allem Teile des vierten und fünften Buches exzerpiert, und zwar für den Beginn seiner Mahnrede, um den Sinn und die Legitimität von Herrschaft darzustellen. Dabei ging es ihm vor allem darum, eine Erklärung für die ausgedehnte Macht „schlechter“ Herrscher zu finden. Letztendlich bleibt die Erklärung aus; Augustins Verweis auf den verborgenen, aber niemals ungerechten Ratschluss Gottes muss genügen. Ebenso wird aber auch deutlich, dass alle diejenigen Herrscher, die den christlichen Glauben missachtet haben, nicht das ewige Glück des Himmelreiches erhalten können. Die Beweisführung Augustins für den Niedergang der römischen Welt aufgrund eben dieser Ignoranz gegenüber dem christlichen Glauben wird von Brant weitgehend fraglos übernommen. Hätten die Römer die Christen nicht verfolgt, sondern sie gestützt und gefördert, dann hätte ihr Reich wohl noch lange bestehen können. Das Beispiel des überaus erfolgreichen Kaisers Konstantin reicht ihm als Beweis.

Brant hat schließlich sowohl die Dekaden Flavio Biondos als auch die von Enea Silvio Piccolomini angefertigte Epitome der Dekaden Biondos als Referenzwerk verwendet. Der päpstliche Sekretär und Humanist Flavio Biondo gilt nicht nur als einer der wichtigsten Geschichtsschreiber des italienischen Quattrocento, sondern er wurde rasch zum Vorreiter einer Auseinandersetzung mit den Kreuzzügen des Hochmittelalters vor dem Hintergrund der aktuellen Türkengefahr.393 Im Jahr 1452

388 Vgl. EUSEBIUS, Hist. Eccl. IIII, 3 und IIII, 7, in: MOMMSEN Band II.1., S. 305-307 und 309.

389 Vgl. EUSEBIUS, Hist. Eccl. V, 12, in: MOMMSEN Band II.1., S. 455.

390 Vgl. EUSEBIUS, Hist. Eccl. VI, 10, in: MOMMSEN Band II.1., S. 541.

391 Vgl. EUSEBIUS, Hist. Eccl. VI, 11 (Alexander); VI, 39 (Mazzabanes); VII, 14 (Hyemeus, nur im griechischen Text); VII, 32, 29 (Hyemeus, Zabdas und Hermon); in: MOMMSEN Band II.1., S. 541, 595, 668 und 729. Euseb/Rufin spricht nicht von Hyemeus, sondern von Hymenaeus.

392 Vgl. EUSEBIUS, Hist. Eccl. X, 8 (Macarius); X, 13 (Maximus); X, 24 (Cyrillus); X, 38 (Cyrillus); XI, 21 (Johannes), in: MOMMSEN Band II.2., S. 970-1024.

393 Zu Biondo vgl. allgemein COCHRANE 1981, S. 34-40; FERGUSON 1948, S. 11-15; Riccardo

FUBINI: Flavio Biondo, in: DBI 10, Roma 1968, S. 536-559; Denys HAY: Flavio Biondo and the

Middle Ages, in: Proceedings of the British Academy 45 (1959), S. 97-128; IANZITI 1980; SCHMUGGE 1987, S. 8-11.

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hielt er sich am Hof von Alphons von Aragón in Neapel auf, wo er im April im Beisein des deutschen Königs Friedrich III. eine feierliche Rede hielt, in der er zum Kreuzzug mahnte.394 Im Juli 1453, kurz nach dem Fall Konstantinopels, sandte er dem König von Neapel eine erneute Schrift über die Notwendigkeit eines Türkenzugs, in der er auf die Situation der griechischen und balkanischen Völker

Bezug nahm.395 Auch im letzten Buch seines großen Werkes Roma triumphans, das sich ansonsten mit der Geschichte des alten Rom beschäftigte, schlug Biondo einen Bogen in die eigene Gegenwart, „vagheggiando un trionfo cristiano, modellato all’antica, a conclusione della crociata contro i Turchi, e riaffermando quindi l’idea della Chiesa quale vera erede dell’universalità di Roma“.396 Bei diesem Werk scheinen sich für Biondo keine Schwierigkeiten ergeben zu haben, Antike und Christentum in einer allgemeinen, gemeinsamen Geschichte anzusiedeln; die Probleme, die vielen anderen Autoren entstanden, wenn sie die altrömische Religion in Zusammenhang mit der Größe der Geschichte des Römerreichs bringen wollten, hat Biondo nicht gekannt. Für ihn zeigte sich in der Verehrung des Ruhmes und in der Öffentlichkeit der Tugenden der Stimulus für den sozialen Zusammenhalt und für das Wohlbefinden der Seele. Die Gemeinsamkeiten zwischen heidnischer Antike und christlicher Gegenwart bestanden, in Bezug auf wahre religiöse Demut, der Substanz nach in den persönlichen ethischen Überzeugungen.397 Biondos

ambitioniertestes Werk, Historiarum ab inclinatione Romanorum imperii decades, das zwischen 1436 und 1453 entstand, umfasst 31 Bücher und behandelt die Geschichte Italiens vom Untergang des alten Römerreiches bis zu seiner Gegenwart. Trotz seines starken contemporaneischen Gewichts enthält das Werk viele Exkurse über die alte römische Geschichte. „Nonostante le sproporzioni evidenti, si tratta pur sempre per Biondo di un testo unitario, nell’idea a lui cara del grande corpo storico in cui i popoli moderni potessero imparzialmente riconoscersi, e nella sua attuazione egli vide con orgoglio uno dei maggiori motivi di gloria della sua epoca. Le linee direttive sono quelle indicate dalle concezioni umanistiche, così per l’oggetto di indagine – le tradizioni romane, l’Italia, l’Europa civile o Cristianità occidentale – come per il sentimento della rinascita e l’impegno culturale che ne consegue.“398 Damit, so Fubini, könne der Bruch zu den Grundlagen der

394 Blondi Flavii Forliviensis oratio coram serenissimo imperatore Frederico et Alphonso

Aragonum rege inclito Neopoli in publico conventu habita. Die Rede ist bei Nogara abgedruckt.

Vgl. Bartolomeo NOGARA: Scritti inediti e rari di Biondo Flavio. Roma 1927 (studi e testi 48), S. 107-114.

395 Ad Alphonsum Aragonensem serenissimum regem de expeditione in Turcos. Die vatikanische Handschrift (vat. lat. 1946, ff. 1-21v) wurde von Nogara erstmals ediert. Vgl. NOGARA 1927, S. 31-

51. Auch die ersten acht Bücher seiner Decades hatte Biondo dem napoletanischen König gewidmet.

396 Vgl. FUBINI 1968, S. 553.

397 Vgl. FUBINI 1968, S. 553.

398 Erste Dekade: von 412 (nach Biondo Alarichs Eroberung Roms von 410) bis754; zweite Dekade: bis 1402; dritte Dekade: 1412-1439; Bücher 1 und 2 der vierten Dekade: 1440-1441. Vgl. FUBINI 1968, S. 544.

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(mittelalterlichen) Universalgeschichte nicht größer sein. Trotz einiger philosophischer Fragestellungen in Anlehnung an den Kirchenvater Augustin sind keinerlei Anklänge an biblisch-providenzialistische Konzepte auszumachen. Wiewohl gelegentlich Wundererzählungen oder Appellationen an den göttlichen Willen auftauchen, bleibe seine Geschichte „essenzialmente una storia positiva di fatti, personaggi, istituzione umane, nel termine costante di paragone con la più maestosa delle istituzioni umane, l’impero romano.“399 Weder die Ursachen der altrömischen „inclinatio“, noch gegenwärtige Zustände unterliegen damit einem biblischen Konzept von Weltanfang und -ende, noch misst Biondo der Fortuna ein größeres Gewicht bei. Im Zentrum seiner Geschichte stehe, so Fubini, ein robuster Sinn für die Fähigkeiten und die Verantwortung des Menschen, der gelegentlich harte Urteile gegenüber seinen Mitmenschen zur Folge habe. Wiewohl Biondo einen propädeutischen Sinn in der Geschichte sehe, vermeide er gleichwohl rethorisch-moralistische Anklänge. Moralische Urteile sind in die Beschreibung der Ereignisse und Personen integriert, so dass der geneigte Leser daraus lernen kann, ohne sich direkt angesprochen zu fühlen. Weiterhin gilt Biondo als Anhänger der städtischen und laizistischen päpstlichen Politik, dem weder die römisch-deutschen Kaiser, noch die religiös legitimierten Machtansprüche der Kurie übermäßig sympathisch waren.400 Das Werk fand, wie auch die anderen Bücher Biondos, rasch in ganz Europa Verbreitung. Hartmann Schedel besaß die ganze Ausgabe. Ansonsten fand es sich in den Bibliotheken zahlreicher Fürsten, Bischöfe, Klöster und in Bürgerhaushalten.401 In Italien waren die Werke Biondos etwa ein Jahrhundert lang maßgeblich, bevor sie von anderen Autoren abgelöst wurden. Außerhalb Italiens, vor allem in Deutschland, „l’opera offriva il modello per l’impresa di K. Celtis e degli umanistici tedeschi de rinconoscere l’identità nazionale nella somma delle sue

tradizioni.“402 Dies betraf in erster Linie die Italia illustrata. Die Dekaden brachten vor allem die Geschichtsschreibung zum Florieren. Weitaus intensiver wurde, zumindest in Deutschland, jedoch die von Enea Silvio Piccolomini angefertigte Kurzfassung der ersten beiden Dekaden rezipiert.403 Brant hat große Teile dieses gekürzten Werkes kompiliert. Dennoch hat er auch Biondos Originalwerk gekannt, denn er hat die Rede Papst Urbans II., die dieser auf dem Konzil von Clermont gehalten hatte und die zum begeisterten Aufbruch zum ersten Kreuzzug geführt

399 Vgl. FUBINI 1968, S. 544.

400 Vgl. FUBINI 1968, S. 544-546 und S. 549, dort über die Gründe des Konfliktes zwischen Biondo und Papst Nikolaus V.

401 Die Nationalbibliothek Wien verfügt z.B. über ein handschriftliches Exemplar, das den Eintrag

ex libris Johannis Hinderbach trägt. Es handelt sich dabei um einen Trienter Bischof. Vgl. FUBINI 1968, S. 555, und Repertorium Fontium II, Spp. 540-544.

402 Vgl. FUBINI 1968, S. 555f.

403 Vgl. Enea Silvio PICCOLOMINI: Aeneae Sylvii Pii Pontificis maximi supra de clades Blondi ab

inclinatione imperii usque ad tempora Ioannis vicesimitertij pontificis maximi epitome, in:

PICCOLOMINI, Opera omnia, Basel 1551, unveränderter ND Frankfurt am Main 1967. Die Kurzfassung Enea Silvios wurde auch von Marcantonio Sabellicus und von Platina (für seine Papstviten) verwendet.

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hatte, daraus entnommen. Die Rede des heiligen Vaters wurde von Enea Silvio nicht übernommen, und ganz offensichtlich stellte dies Sebastian Brant nicht zufrieden. Er wollte auf die bewegende Rede des berühmten Papstes in seiner Darstellung nicht verzichten und bediente sich der Vorlage des italienischen Geschichtsschreibers.404 Dies ist nicht selbstverständlich, denn gerade diese Rede Urbans hat sich, wie kaum ein anderer Text aus der Kreuzfahrerzeit, zu einem eigenen literarischen Topos entwickelt. Es gibt daher mehrere, bisweilen recht verschiedene Versionen dieser Rede.405 Es ist sicher nicht fehlgeschlossen, das Interesse Brants am Humanismus und an der „neuen“ Geschichtsschreibung als Grund für diese Wahl anzunehmen.406 Auch die der Rede direkt folgenden Ausführungen – die Begeisterung der Zuhörer und die spontane Kreuznahme vieler Tausender – entstammt wortwörtlich Biondos Text. Erst, als dann die Beschreibung des ersten Kreuzzuges folgt, wendet sich Brant wieder dem Text von Eneas Kurzfassung zu. Das Werk, das zunächst eine handschriftliche Verbreitung fand, wurde erstmals 1483 in Venedig gedruckt, ebendort erschien 1484 eine weitere Ausgabe.407 Die erste Ausgabe nördlich der Alpen wurde 1531 in Basel von Froben

besorgt, und zwar zusammen mit einigen weiteren Werken Biondos (Italia

illustrata, Roma instaurata, Roma triumphans). Brant konnte also auf keine lokale Druckausgabe zurückgreifen. Entweder lag ihm eine der gedruckten venezianischen Ausgaben vor, oder er gelangte auf irgendeine Weise an ein handschriftliches Exemplar.

404 Vgl. De origine, fol. Kij

v-Kvr, und BIONDO, Historiarum decades, Decadis secundae liber tertius,

S. 207f.

405 Vgl. z.B. die bei Migne PL 151, S.579f, unter der Überschrift Urbani II Papae sermones III:

Orationes in concilio Claromontano habitae abgedruckten Texte.

406 Allerdings entstammt der Text, wie er sich bei Biondo wiederfindet, auch aus älteren Quellen.

Biondo hat sein Werk unter anderem unter Verwendung der Gesta regum francorum, der Historia

Langobardorum des Paulus Diaconus und der Histora gestorum in concilio claremontensi des Robertus Monachus geschrieben. Wiewohl er den mittelalterlichen Geschichtsschreibern im allgemeinen wenig Können zubilligte („Martinus Polonus errorum ecclesiasticae historiae fomes“), schätzte er die Quellentexte, die er daraus entnehmen konnte, dennoch nicht wenig. Vgl. FUBINI

1968, S. 543 und 546. Zu den Quellen Biondos siehe auch Paul BUCHHOLZ: Die Quellen der

Historiarum Decades des Flavius Biondus. Diss. phil. Leipzig 1881. Größtenteils folgt der Text

Biondos dem bei Migne PL 151, S.579f, abgedruckten Text: Urbani II Papae sermones III:

Orationes in concilio Claromontano habitae VIII, Nachesne, Histoire de tous les cardinaux francais Bd. II, S. 43. Die weite Verbreitung und Beliebtheit der Rede Urbans und die Diversivität der Texte haben auch zu unterschiedlichen vermuteten Zusammenhängen mit dem Brantschen Text geführt. So haben etwa Charles Schmidt und in Anlehnung daran José Jiménez Delgado

angenommen, die Vorlage Brants sei das 5. Buch der Rerum Venetarum libri des Marcantonio Sabellico gewesen. Demnach habe Brant die Rede zum Teil wörtlich übernomen, zum Teil in die indirekte Rede transferiert, und zwar nach Art und Weise der großen Schriftsteller Titus Livius oder Tacitus.

407 Zur Editio princeps 1483 vgl. HAIN-COPINGER 3248; PROCTOR 4575; GW 4420. Zur Ausgabe Venedig 1484: HAIN-COPINGER 3249; PROCTOR 4758; GW 4420.

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„Für Aeneas/Pius“, so Johannes Helmrath in seiner Studie über Enea Silvio als Humanist, „wird Geschichtsschreibung zur Existenzweise bis zur Besessenheit, als unmittelbare schriftstellerische Lebensbewältigung. Seine verzweigte Gelehrsamkeit scheint stets abrufbar, auch wenn er als Papst nachts und gichtgeplagt bei Kerzenschein arbeitet, sie verschmilzt mit seiner singulären „curiositas“, dem Interesse für die Dinge.“408 Enea Silvio Piccolomini hat den deutschen Bildungsmarkt mit seinen Werken nachhaltig beeinflusst. Auch wenn er überwiegend als Briefautor, Redner und Poet wirkte, so blieben seine historischen Werke dennoch maßgeblich für die Entwicklung der Geschichtsschreibung in Deutschland. Die von Helmrath hervorgehobene „curiositas“ bildete neben seiner Gelehrsamkeit, seiner profunden Kenntnis der klassischen Autoren und nicht zuletzt seinen Erfahrungen als Kanzleibeamter und Politiker die Grundlage für sein

historisches Schaffen. 1453-1458 entstand in drei Redaktionen die Historia

Austrialis oder Historia Friderici. Ferner schrieb Enea Silvio eine Historia

Bohemica, seine am weitesten verbreitete Schrift. Seine Darstellung Böhmens prägte das allgemeine Bild für lange Zeit.409 Sein großes Projekt, die Abfassung einer

Cosmographia, wurde nicht zu Ende geführt; es blieb bei Europa und Asia, die 1458 veröffentlicht wurden.410 Es handelt sich dabei um eine geographisch-ethnographische Beschreibung im Stil Flavio Biondos, die viele Anekdoten und Anspielungen auf das Zeitgeschehen enthält. Vollendet wurde lediglich der Teil über Asien, der Eneas Kenntnisse der griechischen Kultur offenbart. Sein Interesse für den Florentiner Geschichtsschreiber Biondo schlug sich in einer Epitomisierung von dessen breitangelegten Dekaden nieder, Eneas Kurzfassung wurde 1463 fertiggestellt. Nicht weniger einflussreich waren die Reden und Briefe des späteren Papstes. Das Epistular Eneas galt schon zu seinen Lebzeiten als Musterbeispiel für gutes Schreiben.411 Als Redner nutzte Enea seine Position am Hof Friedrichs III., als Forum dienten ihm die Reichsversammlungen, insbesondere die „Türkenreichstage“ in Frankfurt, Regensburg und in der Wiener Neustadt.412 Die Schriften des späteren Papstes wurden beinahe zum Kanon der Auseinandersetzung mit der deutschen Nation, dem Selbstverständnis und der Bildung der deutschen Humanisten – Enea Silvio wurde gar als „Apostel“ des Humanismus, insbesondere

408 Johannes HELMRATH: Enea Silvio Piccolomini als "Apostel" des Humanismus. Formen und

Werke seiner Diffusion, in: Johannes HELMRATH, Ulrich MUHLACK, Gerrit WALTHER (Hg.): Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten. Göttingen 2002. S. 99-141, hier S. 141.

409 Helmrath nennt 51 Handschriften. Die editio princeps datiert auf 1475 (Rom), bereits fünf Nachdrucke wurden bis 1500 angefertigt; 1464 erfolgte eine Übersetzung ins Deutsche. Vgl. HELMRATH 2002, S. 140.

410 Vgl. HELMRATH 2002, S. 137-141, mit weiteren Literaturangaben.

411 Vgl. HELMRATH 2002, S. 117-122, bes. S. 121f.

412 Zu Enea als Reichstagsredner vgl. Johannes HELMRATH: Reden auf Reichsversammlungen im

15. und 16. Jahrhundert, in: Lotte KÉRY, Dietrich LOHRMANN, Harald MÜLLER (Hg.): Licet preter solitum. Ludwig Falkenstein zum 65. Geburtstag. Aachen 1998, S. 266-286, bes. 272-274, und HELMRATH 2000, S. 84-97.

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für den deutschen Humanismus, bezeichnet.413 Paul Weinig schrieb in seiner Studie über die Rezeption Enea Silvio Piccolominis: „Die prospektive Erkenntnis Worstbrocks, dass Piccolomini in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts der verglichen mit seinen deutschen Zeitgenossen produktivste und meistgelesene Schriftsteller gewesen sei, vermag ich für die Seite der Handschriftenüberlieferung faktisch zu untermauern, und darüber hinaus konstatiere ich, dass er zugleich der meistgelesene und meistübersetzte der italienischen humanistischen Autoren in Deutschland in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gewesen ist; er wurde in den Handschriften sogar häufiger rezipiert als Petrarca.“414 Sebastian Brant bestätigt diese Beobachtung. Enea Silvio stellt, neben Flavius Josephus, die umfangreichste Quelle Brants dar. Ähnlich wie bei Josephus ist Brant zum Teil exzerpierend verfahren, zum Teil hat er ganze Textblöcke übernommen. Die Werke, die Brant dabei benutzte, sind für den historischen Teil die Epitome der Dekaden Biondos,

Teile aus Europa und Asia sowie für die Exhortatio die Türkenrede Oratio de

Constantinopolitana clade et bello contra Turcos congregando Enea Silvios. Die Verwendung Martin von Troppaus lässt sich nicht über einen direkten

Textvergleich nachweisen, da Brant lediglich die Daten aus dessen Chronik415 verwendet hat, nicht aber den Text als solchen abschrieb. Dass Brant tatsächlich auf die Papst- und Kaiserchronik Martins zurückgriff, zeigt sich einerseits daran, dass er den Chronisten zusammen mit Jakobus de Voragine als Quelle angibt,416 und andererseits an der Beschreibung der Taten und Verdienste Karls des Großen, dessen legendäre Pilgerfahrt bei dem Chronisten vermerkt ist und von Brant mit offenen Händen in seine Geschichte Jerusalems aufgenommen worden ist. Vor allem die reichhaltigen Reliquien haben den elsässischen Humanisten beeindruckt.

Die nachfolgend abgehandelten Autoren und Quellenwerke haben dem keinen

unmittelbar am Text nachweisbaren Einfluss auf De origine gehabt. Das in mehrjähriger Arbeit geplante, mit mehr als 1800 Holzschnitten ausgestattete weltchronistische Werk Hartmann Schedels, welches fast das gesamte Spektrum humanistisch-historiographischer Literatur Italiens verarbeitete, enthält zahlreiche

413 So der Titel des neuesten Beitrags von HELMRATH 2002.

414 Vgl. Paul WEINIG: Aeneam suscipite, Pium recipite. Aeneas Silvius Piccolomini. Studien zur

Rezeption eines humanistischen Schriftstellers im Deutschland des 15. Jahrhunderts. Wiesbaden

1998 (Gratia 33), S. 4. Zur Rezeption Eneas vgl. ferner Paul WEINIG: Aeneas Silvius Piccolomini

in Deutschland. Beobachtungen zur Überlieferung der lateinischen Handschriften, in: FÜSSEL, Stephan; HONEMANN, Volker (Hg.): Humanismus und früher Buchdruck. Akten des interdisziplinären Symposions vom 5./6. Mai 1995 in Mainz. Darmstadt 1997. (Pirckheimer-

Jahrbuch 11) S. 71-82; Frank FÜRBETH: Aeneas Silvius Piccolomini deutsch. Aspekte der

Überlieferung in Handschriften und Drucken, in: Stephan FÜSSEL; Volker HONEMANN (Hg.): Humanismus und früher Buchdruck. Akten des interdisziplinären Symposions vom 5./6. Mai 1995 in Mainz. Darmstadt 1997 (Pirckheimer-Jahrbuch 11), S. 83-114.

415 MARTIN VON TROPPAU, Martinus Oppaviensis Chronicon pontificum et imperatorum, S. 377-475.

416 Vgl. De origine, fol. Iijr.

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Geschichten und Legenden, die sich auch in Sebastian Brants Geschichte Jerusalems

wiederfinden. Schedels Werk fußt hauptsächlich auf dem Supplementum

Chronikarum des Bergamasken Jakobus Philippus Foresti, auf Flavio Biondos

Decades, Platinas Vitae pontificum, Biondos Italia illustrata und Roma

instaurata.417 Enea Silvios Historia Bohemica, Historia Australis und Europa bestimmten die Darstellung der jüngeren Geschichte von Karl IV. bis zu Friedrich III. Diese und weitere Quellen – Boccaccio und Petrarca, Ptolemäus, Strabo und

Pomponius Mela oder Bernhard von Breydenbachs Peregrinatio in terram sanctam – hat Schedel als „unermüdlich studierender und aufnehmender Kompilator“ zusammengefügt, ohne sich an die humanistischen Ansätze der historischen Quellenkritik anzulehnen.418 In seinem Werk finden sich mithin Historisches und Fabulöses, Biblisches und Profanes. Der Stoff der Chronik ist in sechs Weltalter eingeteilt. Das erste Weltalter erzählt von der Erschaffung der Welt bis zur Sintflut, das zweite von der Sintflut bis zur Geburt Abrahams, das dritte von der Geburt Abrahams bis zum Anfang des Reiches Davids, das vierte von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft, das fünfte von der Babylonischen Gefangenschaft bis zur Geburt Christi, das letzte und umfangreichste von der Geburt Christi bis in die Gegenwart Schedels. Danach folgt ein kurzes, eschatologisches siebtes Weltalter, das vom Kommen des Antichristen am Ende der Welt berichtet, und einzelne Stadtbeschreibungen. Dem Selbstverständnis der Zeit zufolge sollte die gedruckte Chronik die Gesamtheit der wissenschaftlichen Bildung, die Naturkenntnis und die Philosophie umfassen und dem Leser durch die Beziehung von Text und Bild ermöglichen, „die Abfolge der Zeiten nicht nur zu lesen, sondern leibhaftig zu

schauen“.419 Die lateinische Version des Textes, das Liber chronicarum cum figuris

et ymaginibus ab inicio mundi wurde erstmals am 12. Juli 1493 bei Anton Koberger in Nürnberg gedruckt. Im Dezember des selben Jahres erschien die von

dem Nürnberger Losungsschreiber Georg Alt übersetzte deutsche Ausgabe, Buch

der Croniken vnd geschichten mit figuren und piltnussen von anbeginn der welt

bis auf dise vnnsere zeit. Das Werk fand nicht zuletzt durch die bei Johann Schönsperger in Augsburg angefertigten Raubdrucke rasche Verbreitung.420 In

417 Vgl. Béatrice HERNAUD, Franz Josef WORSTBROCK: Hartmann Schedel, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon Band 8. Berlin, New York 1992, Spp. 609-621, und

Klaus A VOGEL: Hartmann Schedel als Kompilator. Notizen zu einem derzeit kaum bestellten

Forschungsfeld, in: Stephan FÜSSEL (Hg.): 500 Jahre Schedelsche Weltchronik. Akten des interdisziplinären Symposions in Nürnberg vom 23./24. April 1993. Nürnberg 1994 (Pirckheimer-Jahrbuch 1994. 9), S. 73-97.

418 Vgl. HERNAUD, WORSTBROCK 1992.

419 So wirbt die von Schedel in ein Handexemplar eingeklebte Buchanzeige für die Chronik. Vgl.

den Kommentar von Stephan Füssel in Hartmann SCHEDEL: Weltchronik. Kolorierte Gesamtausgabe von 1493. Einleitung und Kommentar von Stephan FÜSSEL, Köln u.a. 2001, S. 8. Schedels Kenntnisse an Wissenschaft und Literatur werden eindrücklich durch seine Bibliothek wiedergespiegelt. Vgl. dazu STAUBER 1908.

420 Zu Schedels Chronik vgl. auch Stephan FÜSSEL (Hg.): 500 Jahre Schedelsche Weltchronik. Akten des interdisziplinären Symposions in Nürnberg vom 23./24. April 1993. Nürnberg 1994

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beiden Werken finden sich gleiche oder ähnliche Informationen wieder, die nahelegen, Schedels Chronik als Informationsquelle für Brants Historia anzunehmen. So findet sich beispielsweise die Zählung der Belagerungen Jerusalems auch in der Schedelschen Chronik wieder; möglicherweise haben sie die Vorlage für Brant geliefert.421

Ein Werk, das Sebastian Brant wenn auch nicht nachweislich zitiert, so doch mit Sicherheit gekannt hat, ist die biographische Sammlung berühmter Frauen von Boccaccio.422 In Sebastian Brants Mahnrede befindet sich gegen Schluss eine Aufzählung einiger Frauen, die sich im Kampf um ihre Heimat verdient gemacht haben. Es sind dies die sagenhafte babylonische Königin Semiramis, das Heer der Amazonen, die thrakische Königin Harpalyke, ihr lateinisches Pendant Camilla, die pontische Königin Pythodoris, die ungarische Königin Maria, die französische Jungfrau von Orléans, Jeanne d’Arc, zwei apulische Machthaberinnen namens Johanna, eine Gruppe gotischer Gefangener des römischen Kaisers Claudius und die Jungfrau von Lesbos, die die Türken in die Flucht geschlagen hat.423 Von den genannten Frauen werden in Boccaccios Kompendium nur einige behandelt. Boccaccios Kapitel über Semiramis424 enthält einige der Informationen, die sich bei Brant auch finden. Allerdings wird die bei Brant zentrale Erzählung über den spontanen Kampfeinsatz der Semiramis mit halbfrisierten Haaren nicht erwähnt. Brant selbst gibt in diesem Zusammenhang Valerius als Quelle an. Die Amazonenkönigin Penthesilea wird von Boccaccio eher in spöttischer Manier behandelt – dass einige Frauen tapferer kämpften als Männer liege wohl daran, dass sich manche Männer vom Müßiggang und den Begierden in Frauen bzw. in behelmte Hasen verwandelt hätten –, Marpesia, Lampedo, Orythia und Anthiopa und weitere von Boccaccio behandelte Amazonen spielen bei Brant keine Rolle.425 Der von Brant genannte Heldentod Camillas im Kampf gegen die Rutuler während des Trojanischen Krieges wird auch von Boccaccio erwähnt.426 Allerdings sind die

(Pirckheimer-Jahrbuch 1994. 9); Elisabeth RÜCKER: Hartmann Schedels Weltchronik. Das größte

Buchunternehmen der Dürer-Zeit. München 1973 (Bibliothek des Germanischen

Nationalmuseums Nürnberg zur deutschen Kunst- und Kulturgeschichte 33); Hartmann Schedels

Weltchronik. Eine Ausstellung in der Universitäts- und Landesbibliothek Saarbrücken. Vorträge gehalten am 27. Oktober 1994 anlässlich der Ausstellungseröffnung. Saarbrücken 1995 (Saarbrücker

Universitätsreden 39); Reinhard STAUBER: Hartmann Schedel, der Nürnberger Humanistenkreis

und die "Erweiterung der deutschen Nation", in: Helmrath; Muhlack; Walther 2002, S. 159-185.

421 Vgl. SCHEDEL, Liber Chronicarum, fol. XVIIr. Vgl. dazu die Ausführungen weiter oben zu den Belagerungen Jerusalems.

422 Vgl. Giovanni BOCCACCIO: De mulieribus claris. A cura di Vittorio ZACCARIA. Milano 1967 (Tutte le opere di Giovanni Boccaccio. A cura di Vittore BRANCA. Vol. 10).

423 Vgl. De origine, fol. [Sviij]v-Tv.

424 Vgl. BOCCACCIO, De mulieribus claris, S. 32-38.

425 Vgl. BOCCACCIO, De mulieribus claris, S. 134-137 (Penthesilea), 62-66 (Marpesia und Lampedo), 92-94 (Orythia und Anthiopa).

426 Vgl. BOCCACCIO, De mulieribus claris, S. 158-160.

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Worte Brant allesamt Zitate aus Vergils Aeneis. Es bleibt somit offen, ob Brant sich tatsächlich an Boccaccios Werk angelehnt hat. Wie sich gezeigt hat, benutzte er für die infrage kommenden Frauen im wesentlichen andere Quellen. Allerdings wäre zu fragen, ob die Idee, überhaupt eine solche Passage in seine Mahnrede einzufügen, nicht doch einem Einfluss Boccaccios geschuldet ist. Erwiesenermaßen hat Brant die Werke Boccaccios gekannt und auch benutzt,427 sodass man davon ausgehen

kann, dass er zumindest Kenntnis von der Existenz von De mulieribus claris hatte.428

Charles Schmidt zufolge hat Brant die Geschichte Venedigs des Marcantonio

Sabellicus als Quelle für De origine verwendet. Ihm folgt Delgado, demzufolge das

5. Buch der Rerum Venetarum libri Vorlage für die Rede Urbans II. gewesen sei. Brant habe die Rede zum Teil wörtlich übernommen, zum Teil in die indirekte Rede transferiert, und zwar nach Art und Weise der großen Schriftsteller Titus Livius oder Tacitus.429 Schmidt, der offensichtlich seine Vermutung nicht eigens überprüft hat,

merkt an: „Mais il est probable qu’il s’est servi aussi de la historia hierosolymitana du moine Robert, dont un ms. sur vélin, du XIIe siècle, se trouve à la bibliothèque de Bâle; et c’est d’après ce ms. que l’ouvrage fut publié dans cette même ville en 1533. Il en existe aussi une édition de la fin du XVe siècle [...]. Chez Robert le discours d’Urbain a la même longueur que chez Brant; certains passages paraissent prouver que ce dernier avait vu le manuscrit.“430 Wie gezeigt wurde, entstammt die genannte Rede Urbans II. weder der Textversion, die Robertus Monachus zugeschrieben wird, noch der Geschichte Venedigs des Sabellicus, sondern den Dekaden des Florentiner Humanisten und Geschichtsschreibers Flavio Biondo. Dessen Text fußt allerdings in Teilen auf der genannten Rede des Mönches Robert.

Die Verwendung von Sentenzen klassischer Autoren, allen voran Vergil, demonstriert vor allem Gelehrsamkeit. Brant demonstrierte seine Kenntnis antiker Schriftsteller ziemlich ungeniert, da er zumeist auf entsprechende Zitate mittels Randglosse aufmerksam machte. Die meisten Zitate antiker Autoren befinden sich

in der Mahnrede. So stammt z.B. jeweils ein Zitat aus Ciceros Werken De officiis

427 Boccaccios Buch über die Götter wurde von Brant für eine seiner Einblattdrucke benutzt: Ein

Vergleich der Ausgabe Giovanni BOCCACCIO: Genealogiae Ioannis Boccatii cum

demonstrationibus in formis arborum designatis. Eiusdem de montibus et sylvis. de fontibus:

lacubus: et fluminibus. Ac etiam de stagnis et paludibus: nec non et de maribus: seu diversis maris

nominibus. Augustinus de Zannis de Portesio, Venedig 1511, mit Sebastian Brants Einblattdruck

Pacis in Germanicum Martem nenia hat eindeutige Verbindungen ergeben. Vgl. Antje

NIEDERBERGER: Sebastian Brants Einblattdruck „Pacis in germanicum Martem nenia“ und der

Schweizerkrieg, Sammelwerkbeitrag für die Tagung „Schwabenkrieg – Schweizerkrieg 1499. Ereignis und kollektive Identitäten“. Tagung im Rahmen des Teilprojekts B5 „Ausbildung kollektiver Identitäten im Renaissance-Humanismus“ in Freiburg, 12.-13. Mai 2000 (Manuskript).

428 Vgl. dazu auch die mehrfach von Joachim Knape aufgezeigten Parallelen zwischen Boccaccios

Werk De mulieribus claris und den im Straßburger Rathaus angebrachten sog. Freiheitstafeln. Vgl. KNAPE 1992, insb. S. 413 und die Registereinträge zu Boccaccio.

429 Vgl. DELGADO 1968, S. 443.

430 Vgl. SCHMIDT 1879 Band 2, S. 249, Anm. 21.

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und aus De oratore. Cicero diente Brant neben Augustin vor allem als Gewährsmann für die Entstehung von Herrschaft unter den Menschen. Aus Senecas Schriften hat Brant Zitate aus der Tragödiensammlung – genauer aus der

Tragödie über Herkules –, aus De Clementia, aus den Controversiae und aus den

Ad Lucilium epistolae morales verschiedene Zitate gewählt.431 Die weitaus meisten

Sentenzen in der Mahnrede stammen aus der Aeneis des Vergil. Ein Zitat

entstammt der vierten Ekloge der Bucolica. Da Sebastin Brant wenige Jahre später eine prachtvolle Ausgabe der Aeneis publizierte, kann davon ausgegangen werden, dass ihm das Werk des römischen Meisterdichtes besonders gut vertraut war. Ovids

Fasti, Epistolae ex Ponto und Metamorphosen liehen ebenso Verse wie Lukans

Bellum civile oder Suetons De Vita Caesarum. Weitere Zitate und Sentenzen

stammen aus den Saturae des Persius, aus Sallusts Bellum Iugurthinum, aus den

Metamorphoses den Apuleius und aus Horaz’ epistolae. Über den ganzen Text verteilt, vor allem aber in dem Teil der Geschichte, die

von Christi Geburt und dem Untergang des jüdischen Jerusalem berichten, und in der Mahnrede befinden sich zahlreiche Bibelzitate, die teils mit den Vorlagen übernommen, teils von Brant selbst eingefügt wurden. Brant wies den Leser entweder mit Randglossen auf die entsprechenden Bücher und Kapitel, denen er das jeweilige Zitat entnommen hatte, hin oder er setzte die Bekanntheit voraus. In der Tat finden sich häufig vielzitierte Passagen wieder, so etwa die Prophezeiung Jesu über den Untergang Jerusalems im Buch des Evangelisten Lukas. Der Umgang Brants mit dem biblischen Stoff ist nicht immer gleich. Bisweilen benutzte er die Bibel wie eine historische Quelle – dies betrifft vor allem das Alte Testament und die Frühgeschichte Palästinas – und setzte die biblischen Inhalte mit den von Josephus gebotenen Informationen in Beziehung. In der Regel handelt es sich nicht um eigens ausgewählte Zitate, sondern um biblisches Allgemeingut wie etwa das Buch Josua zur Landnahme der Israeliten oder die Bücher Samuel zur Geschichte König Davids. Entsprechend fehlen auch die Marginalien am Rand, die den Leser sonst auf ein Bibelzitat aufmerksam machen. Philologisch lassen sich die Zitierungen freilich nicht nachweisen, da Brant in den genannten Fällen keine ganzen Verse übernommen hat, sondern sich lediglich auf den biblischen Stoff bezieht. Ganz anders stellen sich die eigens ausgewählten Bibelstellen dar, die sich überwiegend in der Mahnrede finden. Sie dienen zur Untermauerung der Argumentation, zur rhetorischen Untermalung des Gesagten und schließlich als Beweis der Wahrheit Gottes und der Propheten. Damit zeigt sich die zentrale Bedeutung der Religion für Brants Argumentationsweise. Ähnlich verhält es sich mit den Weissagungen der Propheten über den Untergang Jerusalems und über das Schicksal der Juden. Hier nutzt Brant die moralische Autorität der Bibel und erinnert an das unentrinnbare Fatum einer vorherbestimmten Geschichte. Die Zitate in der Mahnrede entstammen überwiegend dem Neuen Testament und dem Psalter. Brant ist sich durchaus bewusst, dass die Bibel nicht alle gewünschten

431 Laut José Jiménez DELGADO: Sebastián Brant y el „Liber Faceti“, in: Revista de Archivos, Bibliotecas y Museos 71 (1965/65), S. 301-353, hat Brant auch in seinem Vorwort zu seinen Fazetien auf Seneca zurückgegriffen.

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Auskünfte geben kann. Bereits auf der zweiten Seite seines Buches merkt er an, dass die Heiligen Schriften Auskünfte vermissen lassen: Man erfahre nicht, wer zu Beginn die Macht über Jerusalem innegehabt habe: „Quis tamen precipue Hierosolymam tenuerit: aut quo pacto / ab vno ad alium deriuata fuerit: nihil certi constat. eo / quod pr(a)eter nomina: in sacris litteris de his nihil reperimus“.432

Brants Werk De origine präsentiert sich als äußerst facettenreiches Werk. Es handelt sich keinesfalls ausschließlich um eine Geschichte der Stadt Jerusalem, auch

wenn der Titel des historischen Teils, De urbis Hierosolymae origine et statu, eine solche erwarten lässt. Es handelt sich, wie der Gesamttitel des Buches ankündigt, um die Geschichte guter und schlechter Herrscher. Der Maßstab der Beurteilung ist der rechte Glauben, zuerst der jüdische Jahweglauben, dann der Glaube an Christus und die Rechtmäßigkeit der römisch-katholischen Kirche als Stellvertreter Christi. Dass die Kirche Roms der wahre Erbe Christi ist, zeigt sich allerdings keineswegs an einem Unfehlbarkeitsglauben, sondern nur in der Konkurrenz zum byzantinischen Reich, das dann auch zurecht seine Existenz verliert. Die Kirche selbst scheitert stets an der Unmoral, Herrschsucht, Gier und Zwietracht ihrer Vertreter. In Brants Augen herrschen allgegenwärtig Zustände wie im alten Babylon, vor allem mit Blick auf Hofhaltung und Repräsentation hoher Würdenträger, seien es weltliche, seien es geistliche. Dass etwas geschehen muss, ist evident. Anders als Martin Luther, der alles Übel in der päpstlichen Amtskirche sah begründet sah, war Sebastian Brant jedoch nicht daran gelegen, sich von den alten Institutionen zu lösen, sondern er sah den Königsweg darin, den Sinn und die Strukturen des vorhandenen Institutionen, d.h. Kirche und Reich, wieder zu vergegenwärtigen und zu respektieren. Jerusalem, in wehmütiger Erinnerung noch immer der Nabel der Welt, soll wieder in den Schoß der Christenheit zurückkehren, damit die Reinheit und Wahrheit des Glaubens der Welt den ersehnten Frieden bringen kann.

432 Vgl. De origine, fol. Aiiij

v.

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IV. Europäischer Friede und Türkenkrieg

Gegenstand der bisherigen Ausführungen war Sebastian Brants Geschichtswerk

De origine sowie seine Vorgehensweise bei der Zusammenstellung seiner Texte. Doch nicht nur die unmittelbare Verwendung der Schriften anderer haben seine Darstellung maßgeblich beeinflusst, sondern auch das politische und literarische Umfeld seiner eigenen Gegenwart oder unmittelbaren Vergangenheit, vor allem die Beschäftigung mit den Kreuzzügen und der Türkengefahr, die politischen Verhältnisse der Zeit sowie die öffentliche Meinung, aufkommende Ängste und Stereotypen. Ausgelöst wurde die Debatte vor allem durch den Fall Konstantinopels 1453, dessen Wirkung Erich Meuthen so charakterisiert: „Entsetzen über das Gemetzel. Das Bild des Westens vom Türken war gemalt als grelles Gemisch aus Blutdurst, viehischer Grausamkeit und Perversion“.1 Dieses Bild, so Meuthen, setzte sich fest und führte gleichermaßen zu Kreuzzugsaufrufen seitens Päpste und Prediger, zu politischen Auseinandersetzungen an den Höfen der Herrscher Europas wie zur Indienstnahme für eine „europäische Kulturrettung“ bei den Humanisten, die sich vor allem den historischen Studien vergangener Kreuzzüge widmeten.2 Das Erlebte, Erwartete und Erhoffte wurde in der Regel literarisch verarbeitet. Zeitgleich zur literarischen Verarbeitung erfolgte aber auch das Handeln der geistlichen und weltlichen Machthaber. Sowohl Maximilian I. als auch die Kurie haben mehrfach versucht, einen Türkenzug zu unternehmen, allerdings gerieten die Pläne und Unternehmungen oft in Konflikt mit den Einzelinteressen der verschiedenen Beteiligten des gesamtchristlichen Bemühens, sodass die Versuche in der Regel eher scheiterten als glückten. Mit welchen Eindrücken Sebastian Brant seine Geschichte Jerusalems schrieb, ist Gegenstand dieses Kapitels. Dabei werden noch einige weitere, kleinere Texte Brants beleuchtet, in denen er sich zu den Ereignissen äußerte.

1. Antitürkische Literatur und die Wiederentdeckung der Helden der

Kreuzfahrerzeit

Für das Verständnis von Brants Geschichtswerk und vieler seiner Gedichte, Briefe und Einblattdrucke ist es wichtig zu beleuchten, welche Informationen ihn

1 Vgl. Erich MEUTHEN: Der Fall von Konstantinopel und der lateinische Westen, in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 16 (1984), S. 35-60, hier S. 37.

2 Vgl. MEUTHEN 1984, S. 39.

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erreicht haben könnten, und zwar sowohl im Bereich der Verbreitung von historischen und literarischen Texten, die den Hintergrund des Zeitgeschehens ausleuchteten, als auch im Bereich der Kommentierung der politischen Ereignisgeschichte, die in der Regel konkrete Handlungsanweisungen oder -aufforderungen beinhalteten. Der Fall Konstantinopels hatte einen enormen Anstieg schriftlicher Auseinandersetzung mit den Türken und der Frage, wie man sie bekämpfen könnte, zur Folge. Die textuelle Verarbeitung verselbständigte sich aber gelegentlich so weit, dass sie vom politischen Tagesgeschehen nicht direkt als unabhängig, so aber doch als stark stereotypisiert und von spezifischen, durch eigene Werte und Normen bedingte Bewertungen geprägt betrachtet werden muss. Vor allem zwei Bereiche wurden in den Folgejahren thematisiert. Da der Fall Konstantinopels geradezu eine traumatische Schockwirkung auf die Zeitgenossen hatte, suchte man nach Lösungen, wie man diesem bedrohlichen Feind entgegentreten könnte. Dabei fiel der Blick auf die Kreuzzüge des Hoch- und Spätmittelalters. Ihre spirituelle Motivation („deus lo vult“) und die erfolgreiche „Befreiung“ Jerusalems zumindest im ersten Kreuzzug schienen ein probates Vorbild für die Probleme der eigenen Zeit zu sein. Auf der anderen Seite wandte man sich dem Feind zu und studierte seine Eigenheiten, um entweder einen Modus vivendi für beide Seiten zu finden oder aber Argumente für einen Krieg gegen ihn zu sammeln. Beim Studium der verschiedenen Schreckensszenarien und der zahlreichen Schlachtrufe sind die friedliebenden Interessen verschiedener Parteien nicht außer acht zu lassen. Nicht jeder hatte ein Interesse an der Bekämpfung der Türken bzw. Osmanen.

1.1. Die Verbreitung der Türkenliteratur und die öffentliche Meinung3

„Die Verflechtung militärischer, politischer und religiöser Gesichtspunkte, jeweils zurückweisend auf territoriale, also innenpolitische Konstellationen und Interessen, ja das Unerhörte der osmanischen Expansion an sich schlugen sich in einem weitverzweigten, bis heute kaum überschaubaren Schrifttum nieder, das alle materiellen Mittel der Kommunikation, auch die der bildlichen Darstellung, umfasste und als transnationales Paradigma frühneuzeitlicher „Öffentlichkeit“ angesehen werden muss“ – so das Vorwort eines Sammelbandes zu Europa und den Türken in der Renaissance.4 Es ist mithin ein beinahe bodenloses Unterfangen, ein Kapitel über die Türkenliteratur im frühneuzeitlichen Europa schreiben zu wollen. Flugschriften, Volksschauspiele, Türkenlieder, Türkenpredigten sowie Hof- und Reichstagsreden sind nur einige Beispiele. Diese „Medienflut“ war in der Tat

3 Der Begriff der öffentlichen Meinung ist problematisch, da er aus späterer Zeit stammt und suggeriert, die Ansichten einer gesamten Bevölkerung widerzuspiegeln. Dies trifft für das ausgehende 15. und beginnende 16. Jahrhundert nicht zu. Er wurde hier dennoch benutzt, weil er, wenn auch in einem begrenzteren Rahmen als heute, das ausdrückt, was im weitesten Sinne unter einer allgemeinen Wahrnehmung und Auseinandersetzung zu einem bestimmten Thema zu verstehen ist.

4 Vgl. Bodo GUTHMÜLLER, Wilhelm KÜHLMANN: Vorwort, in: Bodo GUTHMÜLLER, Wilhelm KÜHLMANN (Hg.): Europa und die Türken in der Renaissance. Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit. 54), S. 1-8, hier S. 1.

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beträchtlich und dürfte breite Schichten der Bevölkerung erreicht haben, zumal diese verbalen Verbreitungsmittel noch durch weitere Maßnahmen ergänzt wurden wie etwa das seit Calixt III. bestehende Türkengeläut oder die allenthalben eingeführten Türkensteuern.

Carl Göllner hat in seiner Trilogie „Turcica“ ein Verzeichnis zusammengestellt, das allein rund 500 Traktate aus dem 16. Jahrhundert enthält, deren Autoren namentlich identifiziert sind. Mindestens ebenso viele anonyme Traktate sind überliefert.5 Göllner erfasste gleichwohl nur gedruckte Texte und berücksichtigte weder Handschriftliches noch einschlägige Sammelwerke, noch umfasst sein Werk Turcica des 15. Jahrhunderts.6 Dies wird zum Teil durch das von Agostino Pertusi erstellte Kompendium von Quellentexten mit Reaktionen zum Fall Konstantinopels aufgefangen. Pertusi sammelte Quellen aus dem Orient und Okzident, bietet aber nicht ausdrücklich Antitürkisches, sondern vor allem Auseinandersetzungen mit dem Verlust der Hauptstadt des oströmischen Kaiserreiches.7 Zu nennen ist noch das ältere Quellenwerk von Nicolas Iorga,8 das zahlreiche Quellentexte enthält, deren Herkunft heute jedoch nicht immer genau zu bestimmen ist und die auch nicht nach modernen Kriterien ediert sind. Häufig fasst Iorga den Inhalt mit eigenen Worten zusammen. Dennoch enthält das Quellenwerk viele Texte, die sonst bis heute nicht zugänglich wären. Zu nennen ist ferner eine Abhandlung von James Hankins, die insgesamt elf von ihm edierte Texte zum Thema enthält.9 Nicht weniger umfangreich als das Quellenmaterial sind die Abhandlungen, die sich mit der Konfrontation des Westens mit den Türken und den Reaktionen auf deren Vorrücken beschäftigen.10 Die Nachrichten aus dem Osmanischen Reich flossen

5 Vgl. Carl GÖLLNER, Turcica I-III, Band 1: Die europäischen Türkendrucke des 16. Jahrhunderts, 1501-1550; Band 2: Die europäischen Türkendrucke des 16. Jahrhunderts, 1551-1600; Band 3: Die Türkenfrage in der öffentlichen Meinung Europas im 16. Jahrhundert (Bibliotheca Aureliana 70). Berlin, Bukarest, Baden-Baden 1961-1978.

6 Vgl. MERTENS 1997, S. 41-43. Mertens verweist auf ein Sammelwerk des Hofbibliothekars Maximilians II., Hugo Blotius, der bereits im 16. Jahrhundert einen Katalog über die Turcica in der Kaiserlichen Bibliothek in Wien und in fünf weiteren Privatbibliotheken erstellt hat. Ein Jahrhundert später, 1595-1603, gab der Jurist und sächsische Rat Nikolaus Reusner umfangreiche Sammelbände mit Turcica heraus, darunter Türkenreden, Türkenbriefe und Berichte über Kriege und Türkenherrschaft in Ungarn.

7 Vgl. Agostino PERTUSI: La caduta di Costantinopoli I-II (Band 1: Le testimonianze dei

contemporanei; Band 2: L‟eco nel mondo). Milano 21990, sowie DERS.: Testi inediti e poco noti

sulla caduta die Costantinopoli. Edizione postuma a cura di Antonio CARILE. Bologna 1983 (Il mondo medievale. Sezione di storia bizantina e slava. 4).

8 Nicolas IORGA: Notes et extraits pour servir à l’histoire des croisades au XVe

siècle. 6 Bände. Band 1-3 Paris 1899-1902; Band 4-6 Bukarest 1915-1916.

9 James HANKINS: Renaissance Crusaders. Humanist Crusade Literature in the Age of Mehmed

II., in: Dumbarton Oaks Papers 49 (1995), S. 111-207.

10 An dieser Stelle sei nur auf einige Titel verwiesen: Bertold ALTANER: Zur Geschichte der anti-

islamischen Polemik während des 13. und 14. Jahrhunderts, in: Historisches Jahrbuch der

Görresgesellschaft 56 (1936), S. 227-233; Nancy BISAHA: Creating East and West. Renaissance

Humanists and the Ottoman Turks. Philadelphia 2004; Franco CARDINI: Europa e Islam. Storia di

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über zahlreiche Kanäle nach Europa, so etwa über Postknechte oder Kaufleute, die lange Monate unterwegs waren und bei ihrer Rückkehr Neues und oft Wundersames zu berichten hatten. Landsknechte und adlige Kriegsteilnehmer gaben ihre Erlebnisse bei ihrer Konfrontation mit den türkischen Streitkräften weiter und schmückten sie bisweilen mit allerlei Greueltaten ihrer Gegner aus. Zu nennen sind ferner Gesandtschaftsberichte diplomatischer Missionen nach Konstantinopel. Die wichtigsten Nachrichtenumschlagplätze waren Venedig und Nürnberg: Venedig entwickelte sich zur führenden Nachrichtenbörse über Ereignisse aus dem Osmanischen Reich, dort wurden Nachrichten gesammelt und feilgeboten. Nach Nürnberg gelangten Nachrichten, die häufig über die alten levantinischen Handelswege zunächst nach Wien, dann über die Augsburger Handelsfamilie der Fugger als Fuggerzeitungen im Reich verkauft wurden. Mit der Verbreitung des Buchdrucks konnten solche „zeyttungen“ auch in gedruckter Form verbreitet werden. Dabei wurde offenbar gedruckt, was immer an Informationen zur Verfügung stand, ohne dabei auf Homogenität oder Plausibilität der Nachrichten zu achten.11 Maßgeblich zum Bild des Türken in der öffentlichen Meinung trugen auch die Türkenlieder bei. Geistliche Türkenlieder argumentierten religiös für die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Glaubensfeinde, politische Lieder drückten Furcht und Hoffnung des Volkes aus und riefen ebenfalls zum Kampf auf. Dabei, so Carl Göllner, wurden viele Türkenlieder „daheim am warmen Herd geschrieben“.12 Gedruckt wurden solche Liedtexte aber erst später, so wie allgemein

un malinteso. Roma, Bari 1999 (Europa und der Islam. Geschichte eines Mißverständnisses.

München 2000). Anna Maria CAVALLARIN: L’umanesimo e i Turchi, in: Lettere Italiane 32 (1980),

S. 54-74; Norman DANIEL: Islam and the West. The Making of an Image. Edinburgh 1960, Oxford 21993; Norman DANIEL: The Arabs and Mediaeval Europe. London 1975; GUTHMÜLLER,

KÜHLMANN 2000; Burhaneddin KÂMIL: Die Türken in der deutschen Literatur bis zum Barock

und die Sultansgestalten in den Türkendramen Lohensteins. Diss. Kiel 1935; Hans Joachim

KISSLING: Türkenfurcht und Türkenhoffnung im 15. und 16. Jahrhundert. Zur Geschichte eines

"Komplexes", in: Südostforschungen 23 (1964), S. 1-18; Cornelia KLEINLOGEL: Exotik – Erotik.

Zur Geschichte des Türkenbilds in der deutschen Literatur der frühen Neuzeit (1453-1800).

Frankfurt am Main 1989; MERTENS 1997; MERTENS 1991; MEUTHEN 1984; Senol ÖZYURT: Die

Türkenlieder und das Türkenbild in der deutschen Volksüberlieferung vom 16. bis zum 20.

Jahrhundert. München 1972 (Motive. Freiburger Folkloristische Forschungen. 4); C. A. PATRIDES:

„The Bloody and Cruel Turke“: The Background of a Renaissance Commonplace, in: Studies in the

Renaissance 19 (1963), S. 126-135; Hasso PFEILER: Das Türkenbild in den deutschen Chroniken

des 15. Jahrhunderts. Phil. Diss (masch.). Frankfurt am Main 1956; Georg SCHREIBER: Das

Türkenmotiv und das deutsche Volkstum, in: Volk und Volkstum. Jahrbuch für Volkskunde 3

(1938), S. 9-54; Winfried SCHULZE: Reich und Türkengefahr im späten 16 Jahrhundert. München

1978; Robert SCHWOEBEL: The Shadow of the Crescent: The Renaissance Image of the Turk (1453-

1517). Nieuwkoop 1976; R. W. SOUTHERN: Western Views of Islam in the Middle Ages. Cambridge

Mass. 1962, 21978; D. A. ZAKYTHINOS: Die Eroberung Konstantinopels und ihre Folgen für die

Welt. Zur fünfhundertjährigen Wiederkehr des Untergangs des Byzantinischen Reiches, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 5 (1954), S. 385-399.

11 Vgl. GÖLLNER, Turcica III, S. 11-17.

12 Vgl. GÖLLNER, Turcica III, S. 17.

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festzustellen ist, dass die Türkendrucke wie Ebbe und Flut mit dem Verlauf der verschiedenen kriegerischen Ereignissen ab- und zunahmen. Die meisten Drucke erschienen in Augsburg, Nürnberg und Venedig, also den „Nachrichtenzentralen“, aber auch in Antwerpen, Basel, Bologna, Frankfurt am Main, Krakau, London,

Madrid, Mailand, Prag, Straßburg, Wien und Wittenberg. Viele der Newen

Zeyttungen und Avvisi wurden in den Volkssprachen verfasst, dann übersetzt und gelangten z.B. über die Frankfurter Buchmesse weiter in Umlauf. Bänkelsänger und Vorleser verbreiteten ihren Inhalt auf Märkten und Messen weiter, des Lesens Unkundige konnten sich an (meist älteren und mehrfach verwendeten) Holzschnitten, die viele der Druckwerke schmückten, über das Geschehen und das Aussehen des „Türken“ informieren.13 Die neuen Möglichkeiten der Nachrichtenverbreitung und die damit verbundenen Möglichkeiten der Beeinflussung der Meinungsbildung wurden bald von verschiedenen Institutionen genutzt. Namentlich die Wortführer der Kirche nutzten den Türkendiskurs aus, um ihre eigenen politischen Interessen durchzusetzen und die Interessen der anderen vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Türkenpolitik in andere Bahnen zu lenken. „Es war [...] ein in höchstem Grade kirchenpolitisches Unterfangen, die Christenheit um die Fahne Sankt Petri im Geiste der Kirchenunion von Florenz (1439) zu scharen. Ein weiteres politisches Ziel der Kurie war die Aufwertung der päpstlichen Stellung gegenüber den europäischen Nationen. Nicht zufällig lehnte Papst Pius II. auf dem Höhepunkt der Kreuzzugsvorbereitungen dem zur Obedienzleistung erschienenen Georg von Podiebrad eine Bestätigung der Kompaktaten ab und drängte Ludwig XI. von Frankreich, die Beschlüsse von Bourges aufzuheben.“14 Analog zu solchen politischen Ambitionen wurde auch im innerkirchlichen Bereich eine Intensivierung der Frömmigkeit betrieben: Mittels der Umwidmung bisheriger

missae contra paganos in missae contra Turcos wurde der Türke zum Häretiker gebrandmarkt; Türkenpredigten ergänzten Liturgie und Gebet. Somit wurde auch in der religiösen Literatur ein Bild des Türken als verruchter Heide und Erzfeind des Christentums geschaffen. Anspruchsvoller, aber im gleichen Kontext zu verankern

sind die sog. Epistolae Magni Turci des Laudivio Vezzanese, die gern gelesen, aber frei erfunden waren, ebenso die angeblich persönlichen Schreiben Sultan Mehmeds II. an den Papst und an den Herzog von Burgund.15 Diese Werke, die Anfang der 1450er Jahre im Umlauf waren, begründeten die umfangreichen Kollekten für den geplanten Kreuzzug Pius‟ II. In Deutschland wurde der Türkendiskurs, soweit er sich in Rahmen politischer Propaganda bewegte, Teil von Maximilians Bestreben, die Grundlagen seiner kaiserlichen Macht zu stärken. Da das Reich eine lockere Zusammenballung verschiedener, mehr oder weniger in sich abgeschlossener Territorialstaaten war, gerieten gemeinsame Unternehmungen in das langsame Mahlwerk von Zustimmungsprozessen und von Auseinandersetzungen über das Für

13 Vgl. GÖLLNER, Turcica III, S. 17-21.

14 Vgl. GÖLLNER, Turcica III, S. 22.

15 Vgl. GÖLLNER, Turcica III, S. 22. Zu Vezzanese vgl. auch Wolfgang FRIEDRICHS: Das

Türkenbild in Lodovico Dolces Übersetzung der Epistolae magni Turci des italienischen

Humanisten Laudivio Vezzanese, in: GUTHMÜLLER, KÜHLMANN 2000, S. 333-344.

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und Wider des anvisierten Projektes, so dass nicht selten die Unternehmung zum Erliegen kam. Dies betraf vor allem die kriegerische Aktivierung des Reiches und die Verhandlungen um die Bewilligung von Geldern. Um sich von den schleppenden Verfahren zu lösen, bediente sich Maximilian unter anderem der Kunst der Überredung und Überzeugung.16 Wie noch deutlich werden wird, war Sebastian Brant hierin einer der großen Unterstützer des Habsburger Herrschers. Maximilian nutzte in bis dahin nicht gekanntem Maße die Druckkunst, um seine Mandate und Propositionen zu verbreiten.17 Ein Beispiel im Kontext der Türkenkriegspropaganda ist der Aufruf zum Eintritt in die von ihm gegründete St. Georgsbruderschaft vom Oktober 1494.

Fernab von den Regierungszentren, aber nicht losgelöst von ihren Intentionen, erfolgte die Auseinandersetzung auf verschiedene Weise. Beispielsweise erschien 1502 von Jakob Locher, dem Übersetzer von Brants Narrenschiff ins Lateinische,

ein Spectaculum a Jacobo Locher, more tragico effigiatum. In quo christianissimi

Reges. adversum truculentissimos Thurcos consilium ineunt. expeditionemque

bellicam instituunt. inibi salubris pro fide tuenda exhortatio [...]. Es handelt sich dabei um ein dramatisches Werk, worin der spanische, englische und französische König den Entschluss fassen, gegen die Türken zu kämpfen. Am Schluss befindet sich ein Aufruf, die Johanniterritter in Rhodos im Kampf gegen die Türken zu unterstützen.18 1518 rief auch Ulrich Hutten die deutschen Fürsten zum Türkenkrieg auf. Dabei ist vor allem die Mahnung an die deutschen Fürsten interessant, sie möchten ihr Leben bessern und gemeinsam gegen die Türken kämpfen. Der Papst und die Kirche sollten sich dabei aus den Kämpfen heraushalten, dafür aber einen Teil des Geldes, das sie für ihre Prunksucht benötigten, bereitstellen. Es handelt sich nicht zuletzt um eine massive Kritik an der Kurie, den Türkenkrieg zum Vorwand zu nehmen, um Geld aus Deutschland zu erpressen, das dann für andere Dinge ausgegeben werde.19

16 Vgl. dazu allgemein Peter DIEDERICHS: Kaiser Maximilian I. als politischer Publizist. Diss. Heidelberg 1931.

17 Vgl. allgmein zu Maximilian und zur politischen Kommunikation (Buchdruck): Falk

EISERMANN: Buchdruck und politische Kommunikation. Ein neuer Fund zur frühen Publizistik

Maximilians I., in: Gutenberg-Jahrbuch 2002, S. 77-83, und DERS.: „Darnach wisset Euch zu

richten“. Maximilians Einblattdrucke vom Freiburger Reichstag, in: Hans SCHADEK (Hg.): Der

Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498. Aufsatzband und Katalog zur Ausstellung des Stadtarchivs Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Breisgau-Geschichtsverein vom 17. Mai bis 31. Juli 1998 im Augustinermuseum Freiburg. Freiburg i. Br. 1998, S. 199-215.

18 Vgl. GÖLLNER, Turcica I, S. 24 Nr. 12. Das Spectaculum erschien in einer längeren Version bereits 1497 in Straßburg (Grüninger); die kürzere Version erschien wohl 1502 zusammen mit anderen Abhandlungen in Ingolstadt (vermutlich bei J. Kachelofen).

19 Vgl. GÖLLNER, Turcica I, S. 70, Nr. 100: Ulrichi de Hutten Eqvitis Germani ad Principes

Germaniae, ut bellum Thurcis invehant. Exhortatoria. Publico Germaniae Concilio apud

Augustam Vindelycorum. Anno domini M.D.XVIII. Maximiliano Austrio Imperatore. Cum

Privilegio Imperiali. Mainz, Sigismund Grim, 1518.

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Die genannten Beispiele geben freilich nur einen kleinen Eindruck der zunehmend anschwellenden Flut von Türkentraktaten, die im Laufe des 16. Jahrhunderts entstanden. Dabei ging es allerdings nicht immer um die Ermahnung der deutschen Fürsten oder um Kritik am Klerus, sondern oft genug um Charakterisierungen der Türken, die in der Regel als grausam und perfide dargestellt wurden. Darüber hinaus handelt es sich oft schlichtweg um Nachrichten über das Kriegsgeschehen, worin allerdings nie in Frage gestellt wurde, dass es sich beim Feind in erster Linie um einen Feind des christlichen Glaubens handelt. So titelt

etwa ein 1532 entstandener Bericht über eine Schlacht im Wiener Wald: Newe

zeyttung, un(n) warhafte anzaygu(n)g, wie die streiffend rott des Türckischen

Tyrannen vnd verfolger des Christlichen plüts, auß hilff vnd gnad des almechtigen

Gots, durch die vnsern erlegt vnd vmbgebracht, Am 18. Septembris geschehen.20 Trotz der verschiedenen Interessen und des unterschiedlichen Umgangs mit der osmanischen Expansion blieb das Bild, das in der Öffentlichkeit entstand, in einer Hinsicht homogen. Senol Özyurt, die das Türkenbild in der deutschen Volksüberlieferung untersuchte, kam zu folgendem Fazit: „Der Türke galt in dieser Epoche für das Abendland als der Glaubensfeind schlechthin. Eine objektive Stellungnahme war gegenüber dem türkischen Volk nur höchst selten anzutreffen; Spott und Hohn dominierten in allen Schilderungen“.21 Wichtiger als dieser Befund ist vielleicht die Tatsache, dass dieses Bild, das im Lauf der Jahrzehnte entstand, nur zu einem geringen Teil auf tatsächlichen Begebenheiten und wahrheitsgemäßen Berichten beruhte, sondern zu einem überwiegend von Stubengelehrten entworfenen Bild geworden war: „Was Norman Daniel über die Diffamierung des Islam in den Jahrhunderten der klassischen Kreuzzüge schrieb, das traf auf viele Kompendien des 16. Jahrhunderts, die nicht auf Berichten von Augenzeugen fußten, zu [.....]. Dies [.....] wurde noch von Verlegern gefördert, die durch Kürzungen und Ergänzungen das Vorbild bewusst verwischten und die so entstandenen Kompilationen als neue „Türkengeschichten“ feilboten“.22

1.2. Das Wiederaufgreifen der Kreuzzugsidee

Anders als geistliche und weltliche Machthaber, die mit der Produktion und Verbreitung der Türkenliteratur meist ein konkretes Interesse verbanden, reflektierten die Humanisten das Türkenproblem in einem universalen Kontext: Sie verbanden die Kreuzzugsidee alter Zeiten mit der neuen Bedrohung der Christenheit durch die türkischen (Glaubens-)Feinde. Sie erhoben also ein Problem, das auch als

20 Vgl. GÖLLNER, Turcica I, S. 242, Nr. 486.

21 Vgl. ÖZYURT 1972, S. 139. Ausdrücklich zu verweisen ist an dieser Stelle aber auch die mit dem Schlagwort „Türkenhoffnung“ verbundene positive Wahrnehmung des osmanischen Reiches, sei es auf der Ebene des Unterhaltungswertes „seltsamer“ Türken auf Jahrmärkten (meist handelt es sich um zur Schau gestellte Kriegsgefangene) oder um offensichtlich bessere Lebensbedingungen

unter der neuen osmanischen Herrschaft in den eroberten Gebieten. Vgl. dazu GÖLLNER, Turcica III, S. 24ff.

22 Vgl. GÖLLNER, Turcica III, S. 27, und DANIEL 1960, S. 260.

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ein rein außenpolitisches betrachtet werden könnte, zu einem grundlegend religiösen, nämlich zu der Notwendigkeit der Verteidigung des eigenen Glaubens. Die Verteidigung des Glaubens wurde zudem mit dem Aufruf zur Wahrung des Heils des eigenen Vaterlandes verbunden. Dieses Phänomen zeigt sich unter anderem in den lateinischen Türkenreden, die auf den Reichstagen in Nürnberg und Frankfurt und auf dem großen Christentag in Regensburg gehalten wurden. Auslöser für die sowohl praktisch-politische als auch literarische Auseinandersetzung mit den Kreuzzügen war die Eroberung Konstantinopels 1453. Viele Humanisten wie etwa Bessarion, Francesco Filelfo, Flavio Biondo oder Poggio Bracciolini riefen nun zum

„heiligen Krieg“ auf; so etwa Bessarion in seinem Carmen de apparatu contra

Turcum, worin dem Dichter der Kriegsgott Mars erscheint und verkündet, dass man

nun gegen Mehmed kämpfen müsse,23 oder die Epistolae et orationes de arcendis

Turcis a Christianorum finibus desselben Kardinals Bessarion, die 1471 in Paris erschienen und mittels derer den erschreckten Zeitgenossen das Ende „Nabuchonosars“ prophezeit wurde.24 Das Wiederentdecken des „Heiligen Krieges“ schlug sich sowohl in einem rein historischen Interesse als auch in der Propagierung eines Feldzuges gegen die Türken nieder. Beides lässt sich nicht wirklich trennen, doch lassen sich unterschiedliche Gewichtungen vor allem zwischen Deutschland und Italien feststellen. In Italien wurden die Kreuzzüge auch Gegenstand historischer Studien, wohingegen sie in Deutschland zum Instrument des

Türkenzugs wurden.25 Wie sich noch zeigen wird, bildet Sebastian Brant mit De

origine hierbei eine gewisse Ausnahme.

1.2.1. Die Wiederentdeckung der Kreuzzüge in der italienischen Historiographie des 15. Jahrhunderts

Der italienische Geschichtsschreiber Flavio Biondo, der unter Eugen IV. an die päpstliche Kurie kam und bis 1450 als Geschichtsschreiber am Hof der Päpste tätig

war, widmete sich in seinen Historiarum ab inclinatione romani imperii decades auch den Kreuzzügen. Er verwendete für seine Darstellung verschiedene Quellen, darunter die Kreuzzugsgeschichten des Robertus Monachus, des Jakob von Vitry und den Bericht des Wilhelm von Tyrus. Biondos Geschichtswerk erfuhr eine europaweite Verbreitung, nicht zuletzt durch die von Enea Silvio Piccolomini

23 Vgl. GÖLLNER, Turcica III, S. 36. Das Auftreten des römischen Kriegsgottes hatte in dieser Zeit offenbar Konjunktur. Auch Brant bediente sich des alten Waffenherolds, nämlich in seinem

Einblattdruck Pacis in germanicum martem nenia von 1499, wo Mars als Personifizierung des kriegerischen Wütens während des Schweizer Krieges erscheint. Vgl. dazu die Ausführungen im nachfolgenden Kapitel „Geschichtsschreibung und Weltbild bei Sebastian Brant“.

24 Vgl. GÖLLNER, Turcica III, S. 36, und HAIN Nr. 3005: In demselben Kompendium

verschiedener Werke befindet sich auch eine Oratio de Discordiis sedandis et bello in Turcam

decernendo.

25 Die Beschränkung auf Deutschland und Italien soll nicht den Blick auf die anderen Länder verdecken, in denen ebenfalls eine rege Auseinandersetzung mit dem Thema erfolgte. Für die Länder Ungarn, England, Frankreich und Polen vgl. die Beiträge in dem Sammelband von GUTHMÜLLER, KÜHLMANN 2000.

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angefertigte Kurzfassung. Obwohl sich das Werk ansonsten stark auf Italien konzentrierte, erschienen gerade die Kreuzzüge als internationale, gesamtchristliche Angelegenheit. Auf die humanistische Historiographie hatte Flavio Biondos Werk eine massive Wirkung, die durch die Türkengefahr eine hohe Aktualität erlangte.26 Enea Silvio Piccolomini hatte als Papst Pius II. nicht nur ein literarisches Interesse an den Kreuzzügen, sodass er sich neben der Herausgabe der Kurzfassung von Biondos Dekaden 1463 um die Aufstellung eines Kreuzzuges gegen die Türken bemühte. Von dem eigens hierfür abgehaltenen Kreuzzugskongress in Mantua 1459 sind viele Schriftzeugnisse des Papstes erhalten, so auch seine bereits auf dem

Frankfurter Fürstentag 1454 gehaltene Oratio de Constantinopolitana clade et bello

contra turcos congregando, die schließlich in Brants Werk Eingang gefunden hat.

Auf die Kreuzzugsinitiativen Pius‟ II. nimmt das unvollendet gebliebene Werk De

expeditione Pii Papae II. adversus Turcos Lodrisio Crivellis Bezug.27 Der Mailänder, der seit 1452 Sekretär der Sforza war, schrieb in seinem ersten Buch einen Abriss der Kreuzzüge und der Kreuzfahrerstaaten, wobei er sich ausgiebig der Vorlage von Biondos Dekaden bediente.28 Auch der Florentiner Kanzler Benedetto Accolti machte die Kreuzzüge zum Gegenstand seiner historischen Studien. Er widmete

seine Schrift, das 1464 unter dem Namen Historia Gotefridi erschien, Piero di Medici. Die politische Absicht, die er damit verfolgte, lässt sich am eigentlichen Titel

der Abhandlung, Bededicti da Acoltis Aretini de bello a Christianis contra barbaros

gesto pro Christi sepulcro et Iudaea recuperandis libri IV, ablesen.29 Das Werk, das auf Wilhelm von Tyrus fußt, bietet in breiter Erzählung die Geschichte des ersten Kreuzzuges und verzichtet weitgehend auf Legenden und Wunderberichte. Im 16. Jahrhundert erfuhr es zahlreiche Übersetzungen ins Italienische, Deutsche und Französische.30 Bartolomeo Sacchi, genannt Platina, bot in seinen Papstviten31 zu den Kreuzzügen unter den jeweiligen Päpsten kurze Einträge, so zum Beispiel unter Urban II und Paschalis II. zum ersten Kreuzzug, unter Eugen III. zum zweiten.

26 Vgl. SCHMUGGE 1987, S. 8-11, und COCHRANE 1981, S. 34-40. Vgl. auch FUBINI 1968, Sp. 536-559; HAY 1959, S. 97-128; IANZITI 1980, S. 3-39.

27 Lodrisio CRIVELLI: Leodrisii Cribelli De expeditione Pii Papae II adversus Turcos. Herausgegeben von Giulio G. ZIMOLO (Rerum Italicarum Scriptores. Raccolta degli storici italiani dal Cinquecento al Millecinquecento [Muratori] 23/5). Bologna o.J., S. 3-107.

28 Vgl. IANZITI 1980, S. 3-39; Franca PETRUCCI: Lodrisio Crivelli, in: DBI 31. Roma 1985, S. 146-152.

29 Benedetto ACCOLTI: De bello a Christianis contra barbaros gesto pro Christi sepulchro et Iudaea

recuperandis libri IV. Hg. Paul RIANT, in: Receuil des historiens des croisades, Historiens

Occicentaux, 5. Paris 1895, S. 525-620.

30 Vgl. Robert BLACK: Benedetto Accolti and the Florentine Renaissance. Cambridge u.a. 1985;

Robert BLACK: La storia della prima crociata di Benedetto Accolti e la diplomazia fiorentina

rispetto all'oriente, in: Archivio Storico Italiano 131 (1973), S. 3-25; Alfredo PETRUCCI: Benedetto

Accolti, in: DBI 1. Roma 1960, Spp. 99-101.

31 PLATINA, Platynae Historici Liber de vita Christi ac omnium pontificum.

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Einzige Vorlage ist aber auch hier Flavio Biondo.32 Bedeutend für die italienische Geschichtsschreibung ist noch das Werk des venezianischen Gelehrten Marcantonio

Coccio Sabellicus: In kurzer Zeit verfasste er eine Historia rerum Venetarum, die

1486 in Venedig erschien, einige Zeit später die Rapsodiae Hisoriarum Enneades (1498),33 die Schmugge als „Mythos einer großen Serenissima, die 1204 in Konstantinopel lediglich wieder Ordnung herstellte“ bezeichnet.34 Die Geschichte der Kreuzzüge und der Kreuzfahrerstaaten wird jedoch relativ ausführlich erzählt; selbst in den venezianischen Geschichte wird die Rede Urbans II. auf dem Konzil von Clermont zitiert.35 Ein direkter politischer Anlass lag auch dem Werk des

Dominikaners und Erzbischofs von Florenz Antonin zugrunde: Seine Summa

historialis,36 die er in der Zeit von 1440-1459 schrieb, dokumentiert ein besonderes Interesse an den Kreuzzügen. Seine Informationen entnahm er den Werken Wilhelms von Tyrus und Vinzenz‟ von Beauvais.37

Selbstverständlich kursierten in Italien auch zahlreiche Türkentraktate und Aufrufe zum Kreuzzug gegen die Türken, die kein ausdrückliches Interesse an den bewaffneten Pilgerfahrten des Hochmittelalters zeigten. Die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Türkenproblem bestand in Italien schon früher als in Deutschland. Bereits im Vorfeld des Florentiner Konzils 1438 schrieb der nach Venedig emigrierte Grieche Georg von Trapezunt verschiedene Briefe an Papst Eugen IV. und an Johannes VIII. Palaiologos mit der Mahnung zur Kirchenunion, und zwar mit der Intention, danach gemeinsam der Expansion der Türken Einhalt

zu gebieten. Vier Jahre später wandte er sich in einer Rede mit dem Titel De

recuperandis locis sanctis auch an Alphons von Aragon, König von Sizilien und Neapel, welche das Projekt eines Kreuzzuges gegen die Ungläubigen flankieren

32 Vgl. COCHRANE 1981, S. 53-56.

33 Marcus Antonius SABELLICUS: M. Antonii Coccii Sabellici opera omnia, ab infinitis quibus

scatebant mendis, repurgata & castigata: cum supplemento Rapsodiae historiarum ab Orbe

condito, ad haec usque tempora, pulcherrimo ac diligentissimo, in Tomos quattuor digesta: qui,

quid contineant, aduersa pagina indicabit: atque haec omnia per Caelium Secundum Curionem,

non sine magno labore iudicioque confecta. Basileae, per Ioannem Hernagium, Anno M.D.L.X.

34 Vgl. SCHMUGGE 1987, S. 17.

35 Vgl. Ruggero BERSI: Le fonti della prima decade delle Historie Rerum Venetarum di

Marcantonio Sabellico, in: Nuovo Archivio Veneto, Nuova Serie 19 (1910), S. 422-460; Felix

GILBERT: Biondo, Sabellico, and the beginnings of Venezian official hisoriography, in: J. G. ROWE, W. H. STOCKDALE (Hg.): Florilegium Historiale. Essays presented to Wallace Klippert Ferguson.

Toronto 1971, S. 275-293; Agostino PERTUSI: Gli inizi della storiografia umanistica nel

Quattrocento, in: DERS. (Hg.): La storiografia Veneziana fino al secolo XVI. Aspetti e problemi. Firenze 1970, S. 269-332 (Civilità Veneziana saggi 18).

36 Antoninus FLORENTINUS: Chronicon sive Summa Historialis. Chroniques de Saint Antonin.

Fragments originaux du titre XXII (1378-1459). Herausgegeben von Raoul MORÇAY. Paris 1913.

37 Vgl. Arnaldo D‟ADDARIO: Antonio Pierozzi, in: DBI 3. Roma 1961. Sp. 524-532. Zum

Kreuzzugsgedanken in Italien vgl. allgemein auch Franco CARDINI: Studi sulla storia e sull’idea di

crociata. Roma 1993.

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sollte.38 Wenig später, nach der Kunde besorgniserregender Erfolge Mehmeds II.,

schrieb Georg eine Oratio pro defendenda Europa et Hellesponti claustra an Papst Nikolaus V. Darin betonte er, dass man es sich nicht mehr leisten könne zu zaudern: Die Verteidigung der Meerenge am Bosporus und der Stadt Konstantinopel sei eine Angelegenheit, die ganz Europa und die christliche Religion betreffe. Das Halten der Meerenge werde selbst von dem byzantinischen Kaiser Manuel II. als heilige Verpflichtung zum Schutz Europas gegenüber Konstantin dem Großen angesehen. Daher müsse man, auch wenn die Byzantiner Häretiker seien, ihnen helfen, Konstantinopel zu halten, wenn man nicht bald auch Kreta, Negroponte, Pera und sämtliche Inseln verlieren wolle. Georg von Trapezunts Appelle blieben ungehört.39 Wichtig zu nennen ist ferner der oben bereits erwähnte Francesco Filelfo, welcher sieben Jahre in Konstantinopel verbracht hatte, um Griechisch zu lernen, und den man somit als Kenner der Lage am Bosporus bezeichnen kann. Filelfo schrieb im März 1451 einen Brief an Karl VII. von Frankreich. Er wollte ihm einen Feldzug gegen Mehmed II. schmackhaft machen. Er beschrieb Mehmed II. als schwachen, unfähigen Jüngling, der keine Erfahrungen mit Waffen habe, ein liederliches Leben führe und bestenfalls eine Armee von 60.000 Mann aufstellen könne.40 Damit taucht bereits ein Topos auf, der auch später wieder begegnet: die angebliche Schwäche der

Türken. Brant hat auf dieses Motiv ein ganzes Gedicht aufgebaut: Thurcorum terror

et potenia.41 Neben den Bemühungen vor allem seitens Pius‟ II. sind ferner die auf den verschiedenen Türkenkongressen und Reichstagen gehaltenen Reden zu nennen oder die zahlreichen Berichte der im byzantinischen Reich ansässigen italienischen Kaufleute, die ihre Heimatstädte über die jeweilige Lage informierten und um Hilfe baten.42

Über die Grenzen Italiens hinaus spielten die Kreuzzüge nur da wirklich eine Rolle, wo die Türkengefahr eine reale Größenordnung erhielt. So sind sie

beispielsweise in der Anglica Historia des Polydor Vergil nur von marginaler Bedeutung. Sie sind dort eine Epoche der mittelalterlichen Geschichte, und es wird vor allem die englische Beteiligung beleuchtet. Auch in Frankreich werden die Kreuzzüge eher als nationale Heldentat denn als europäisches Unternehmen

skizziert, wie zum Beispiel die zehn Bücher De rebus gestis Francorum des Paulus Aemilius verdeutlichen.43

38 Zur Rolle Georgs von Trapezunt am Hof von Neapel vgl. den Beitrag von Bruno FIGLIUOLO:

Die humanistische Historiographie in Neapel und ihr Einfluss auf Europa (1450-1550), in: HELMRATH, MUHLACK, WALTHER 2002. S. 77-98.

39 Vgl. PERTUSI I, 1990, S. xiif.

40 Vgl. PERTUSI I, 1990, S. xivf.

41 Vgl. dazu die Ausführungen weiter unten.

42 Vgl. dazu die verschiedenen Texte, die u.a. bei PERTUSI 1990 und bei IORGA 1899-1916 zusammengestellt sind.

43 Vgl. SCHMUGGE 1987, S. 21-24. Zu Polydor Vergil vgl. auch Frank REXROTH: Polydor Vergil als

Geschichtsschreiber und der englische Beitrag zum europäischen Humanismus, in: HELMRATH, MUHLACK, WALTHER 2002, S. 415-435. Zu Paulus Aemilius vgl. aus dem selben Sammelband

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1.2.2. Die Kreuzzugsidee im Deutschen Reich Im Deutschen Reich spielte die Kreuzzugsidee ebenfalls eine bedeutende Rolle,

war aber stärker an die Lösung der Türkenfrage gebunden. Schon im Jahr 1454/55

wurde in Mainz bei Johannes Gutenberg ein Türkenkalender gedruckt, Eyn manung

der christenheit widder die durken. Der Türkenkalender, dessen Auftraggeber unbekannt ist, ist das älteste, vollständig erhaltene gedruckte Buch. Es wendet sich an die weltlichen und geistlichen Fürsten und versucht, ihnen die drohende Gefahr zu verdeutlichen und zum Kreuzzug gegen den Erzfeind aufzurufen. Für jeden Monat des Jahres sind dabei Ereignisse, Gefahren und daraus resultierende Pflichten

genannt.44 Ähnliche Mahnungen finden sich auch in dem weit verbreiteten Tractatus

seu exhortatio ad Serenissimum dominum Fridericum Imperatorem domini

Joannis de Castilione, episcopi papiensis et apostolici legati, ad defensionem fidei

catholicae contra Thurcos, der im Jahr 1453 verfasst wurde und sich ausdrücklich an den deutschen Kaiser wandte.45 Vor allem unter dem Eindruck der Türkenreden Enea Silvios und Giovanni Antonio Campanos entstanden zahlreiche Traktate und Werke zur Türkengefahr, in denen die Kreuzzugsidee für die aktuelle Situation instrumentalisiert wurde. Bezeichnend ist stets der Aufruf zu vereintem Handeln, da nur so der Sieg der christlichen Waffen möglich sei. Immer wieder befinden sich darunter Schreiben von Untergebenen und Vasallen an den Kaiser, in denen um Hilfeleistungen gegen die Türken gebeten wird. Die folgenden Beispiele zeigen, dass das Thema in aller Munde war und überall Gegenstand der Diskussion war.

1481 richteten Adel und Gemeine des Fürstentums Krain ein Schreiben an Friedrich III., worin sie ihn etwas rüde an seine Pflichten als Herrscher erinnerten:

Stand auf von dem Schlaf darinn du lang nach Leibs Lust gelegen pist, nym für dich des Reichs aigen vnd deiner Lehenschaft getrew Undertan, quel Jamer vnd Not pey deinen Zeiten von wegen kristenlichs Namens vnd des heiligen Gelauben. Nym für dich deiner Wirdigkait hochsten Tytel: Allerdurchleuchtigister, vnnberwindlichster, gnadigster, was dy auf in tragen bedeüten oder was sy wellen: „Allerdurchleuchtigester“, jn Tugend, Frid vnd Gerechtigkait. „Unüberwidlichister“, nichts zu furchten, noch erschrecken in Widerwärtigkeit, sich nicht ze übernemen in Gelücksäligkait vnd nicht chlain zu sein in Aufrichthumb müglicher Ding deiner Vndertan. „Gnädigister“, mildgütig, diemutig, parmhertzig deinen neme Leuten. O, wie gar hoche wart tröstliche Meinung und guete Erckentnuss deiner Undertan! Deiner

Franck COLLARD: Paulus Aemilius De rebus Gestis Francorum. Diffusion und Rezeption eines

humanistischen Geschichtswerks in Frankreich, S. 377-397.

44 Eine italienische Übersetzung des Türkenkalenders findet sich bei PERTUSI II 1990, S. 324-334. Pertusi stellt fest, dass der Kalender von einem elsässischen Autor verfasst wurde, da der Dialekt elsässisch beeinflusst sei und weil der Kalender dem der Diözese Straßburg folge. Eine moderne

Edition des deutschen Textes bei J. JOACHIM: Die „Mahnung der Christenheit wider die Türken“

aus dem Ende von 1454, in: Beiträge zur Kenntnis des Schrift-, Buch- und Bibliothekswesens 6 (Sammlung Bibliothekswissenschaftlicher Arbeiten 14), 1901, S. 87-92.

45 Vgl. GÖLLNER, Turcica III, S. 36 und IORGA Bd. 4, 1915, S. 75f, mit Verweis auf ein Exemplar in München. Bei dem Autor handelt es sich um Joannes Castiglioni, Bischof von Coutances seit

September 1444, seit Oktober 1453 Bischof von Pavia. Vgl. Conrad EUBEL: Hierarchia Catholica

medii aevi sive summorum pontificum, s. r. e. cardinalium, ecclesiarum antistitum series. Vol. II. Münster 1914, S 134, 212 und 260.

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Grosmächtigkait Underworffen vnd Undertan vom Adel vnd Gemain des Fürstenthumb in Krain vnd in der Metling, der du naturlicher Herr pist, ruffen dich.46

Das Schreiben zeigt, dass sich die Untertanen mit dem Problem der Türkenbedrohung alleine gelassen fühlten und dass Friedrich III. ihrem Empfinden nach seinem Versprechen nach Schutz und Schirm nicht nachkam. Er soll etwas unternehmen, wie es sich für einen Kaiser geziemt, und sich nicht dem Schlaf der Glückseligkeit hingeben, während seine Getreuen in Angst und Schrecken ausharren.

Ein ähnliches Lamento, das einem detaillierten Kreuzzugsplan vorausgeht,

stammt aus Nürnberger Archivtruhen: Anslag wider den Turken. Das ist ein Weg

wie mann um Verderbung der Lande der Veinden Christi den Turcken widersten

mag jnn die Lenge.47 Der lange Text beginnt mit Vorwürfen gegen den König und die Fürsten: „ob Got verhenget das der Romisch Keyser verseumig und hinlessig were jn solchem gotlichen vnd nöttlichen Sachen, so gerort zu den Fursten vnd den Herren der Lande jn solicher Noth zu beschirmen, auss jrem Ambt vnd auss jren Wirdigkeyt. Darumb sie Fursten genent werden [...]“. Angemahnt werden Eintracht und Ordnung unter den Fürsten, deren Aufgabe es sei, in den Kampf zu ziehen, da sie als Ritter schließlich zu Pferde unterwegs seien und so sowohl im Gebirge als auch auf dem Feld kämpfen könnten. Empfohlen werden eintausend Reiter mit sechstausend Fußknechten. Sie sollen sich nicht mit mehr Dingen beschweren als mit dem Schatz Christi, der auch der Lohn der Fußknechte sein soll. Das Volk hingegen solle in vier Teile geteilt werden: Der erste Teil, etwa drei- bis viertausend Mann, solle ausziehen und mit roten Kreuzen gekennzeichnet werden. Aus jedem Herzogtum soll zu gleichen Teilen rekrutiert werden. Der zweite Teil des Volkes soll weiße Kreuze tragen. Die zwei- bis dreitausend Kämpfer sollen aus den umliegenden Gebieten und Bistümern kommen. Die dritte Gruppe trägt schließlich goldene Kreuze. Hier ist jedermann aufgerufen, der Heim und Herd verlassen kann, um den ersten beiden Gruppen zur Hilfe zu kommen. Ein- bis zweihundert Mann sollen schließlich aus den Gebieten kommen, die päpstlicher oder bischöflicher Gewalt unterstehen. Diesen Untertanen könne zur Erleichterung ihres Gewissens vorher die Beichte abgenommen werden. Der so aufgestellte Zug soll neben den Schilden, die die jeweilige Herkunft der Truppen verdeutlicht, auch die Fahnen des Glaubens mit sich führen, und zwar diejenigen der Heiligen Dreifaltigkeit, des Christus des Seligmachers, des Heiligen Kreuzes und schließlich einige verschiedener Heiliger und Schutzpatrone. Zur Motivation des Volkes solle man Kreuzzugsprediger bestellen, die man an ihrem angehefteten Kreuzzeichen erkennen solle. Zum Schatz Christi, der die Entlohnung der Fußsoldaten ermöglichen soll, schreibt der Text folgendes: „Von dem Ursprung des Viscus Christi, zu teutsch genent ein Behaltnuss oder Seckell Christi [...], darein man leyt zu bewarenn Edellgestain, Gold, Silber vnd ander Ding die da gehoren jn den Schatz Christi, welicher ursprunglich soll wachsenn auss dem Erbtayll Christi, das ist auss vnnutzem

46 Vgl. IORGA V, 1915, S. 104.

47 Vgl. IORGA V, 1915, S. 88-103.

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Gold vnd Silber vnd edelm Gestain aller Kirchen, von uberflussigen Kyrchenbilden vnd Monstrantzen-Guldin vnd silberyn vnd andernn Geschir, die da mer die Gemuet der Menschen erstrewen dann sie Andacht machen [...]“. In diesem Zusammenhang sollen die Fürsten und Bischöfe darauf verzichten, neue Kirchen und Stiftungen zu errichten, Tafelbilder und Orgeln in Auftrag zu geben, „damit die Gemein gar ser beschwert vnd das Almussen zu Zeitten vnnutzlich zu furwitzen Sachen verspent wurde. Wann was hilfft es das wir new Kyrchen pawen, vnnd lassen vns verprennen, berawben vnd verderben die gebautten?“ Zum selben Zweck solle man die Bettler verbieten: Gemeint sind die neuen Bettelorden wie etwa das Spital zum Heiligen Geist, das man überall auf Geheiß Roms auf deutschem Boden errichten müsse, worin aber nie ein Deutscher beherbergt würde, oder die Anthonier, die mehr Almosen sammeln würden als die vier traditionellen Bettelorden zusammen, die aber weder studierten, noch predigten, noch die Messe läsen, sondern lediglich das Geld außer Lande schafften. Statt dessen sollen Tafeln umhergetragen werden, auf denen Christus in der Luft schwebend gemalt sein soll, darunter die „verfluchten Turcken, wie gefangen furen Cristen gebunden, Frawen vnd Mann, auch die Kynder“. Mit diesen Bildern sollen die Almosenstöcke für den Türkenzug gefüllt werden. Es folgen noch einige Strafmaßnahmen für unredliche und sündige Geistliche und andere, die die so gesammelten Gelder veruntreuen. Dem Kreuzzugsplan folgt schließlich eine Abhandlung über das Vorrücken der Türken und ihre Eroberungen, vor allem über die Belagerung von Rhodos. Der Text veranschaulicht auf schöne Weise, inwieweit in Erinnerung an die Kreuzzüge des Hochmittelalters ein neuer Kreuzzug gegen den Glaubensfeind, diesmal gegen die Türken, geplant wurde. Kreuzzugsprediger, angenähte Kreuze, Ablässe und Kollektoren erinnern an die Zeiten Papst Urbans II. und Bernhards von Clairvaux. Es zeigt sich aber auch deutlich, dass hier lediglich die Idee aufgegriffen wurde, es den Vorvätern gleichzutun. Ein den italienischen Historiographen ähnliches Werk, das sich von historischem Interesse geleitet den Kreuzzügen widmet, findet sich zu dieser Zeit nirgends.48 Auch später blieb die Konzentration auf das gegenwärtige Handeln im Vordergrund: So verfasste beispielsweise Aventin zwischen 1526 und 1532 einen flammenden Aufruf zum Türkenkrieg;49 Ulrich Hutten übermittelte dem

Augsburger Reichstag 1518 eine Exhortatio ad principes Germanos, ut bellum

Turcis inferant.50 Was in den früheren Texten hingegen überdeutlich zum Ausdruck kommt, ist die wütende Kritik an den Missständen in der Kirche, die zwar fleißig beim Eintreiben von Gütern sei, aber nicht sonderlich motiviert, diese zum Schutz ihrer Gläubigen zur Verfügung zu stellen.

48 Um 1472 erschien in Köln bei Johann Schilling die Geschichte des ersten Kreuzzugs von Robert von Saint-Remi aus dem Jahr 1188, die sogenannte Historia Hierosolymitana. Sie erlebte im 15. Jahrhundert eine deutliche Renaissance. Der Kölner Druck weist einen anderen Titel auf: Explicit hystoria de Itinere contra turchos. Damit ist das neue Interesse an dem Bericht begründet, nämlich

der Türkenzug. Vgl. Peter JOHANEK: Historiographie und Buchdruck im ausgehenden 15.

Jahrhundert, in: ANDERMANN 1988, S. 89-120, hier S. 112.

49 Vgl. dazu Gunther E. ROTHENBERG: Aventinus and the Defense of the Empire against the

Turcs, in: Studies in the Renaissance 10 (1963), S. 60-67.

50 Vgl. SCHMUGGE 1987, S. 24f.

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1.2.3. Les chroniques de Jérusalem abregées Ein besonderes Augenmerk verdient ein Werk, das sich nicht nur mit dem ersten

Kreuzzug, sondern in erster Linie mit Jerusalem beschäftigt. Es handelt sich um eine französische Handschrift, die dem Umfeld Philipps des Guten von Burgund entstammt.51 Die überaus prachtvoll ausgestattete Chronik hat weder vom Textbestand, noch von ihrer Illustration her eine Parallele. Sie zählt als „Dokument einer einzigartigen historischen Konstellation: ihre Entstehung ist aufs Engste mit den politischen Interessen und Ambitionen ihres Auftraggebers, Philipps des Guten, Herzog von Burgund (1419-1467), in einem ganz bestimmten Abschnitt seiner Herrschaft verknüpft“.52 Philipp hatte die Handschrift selbst in Auftrag gegeben. Hintergrund dieses Auftrages waren seine eigenen Kreuzzugspläne, Jerusalem zu befreien und das Heilige Land zu erobern. Kurz nach dem Fall Konstantinopels im Jahr 1453 hatte Philipp auf einem berühmt gewordenen Festmahl in Lille im Februar 1454 das Kreuzgelübde abgelegt. Es handelte sich um jenes legendäre „Fasanenfest“, das den Zweck verfolgen sollte, den burgundischen Hof und vielleicht auch die französische Krone auf den geplanten Kreuzzug festzulegen. „Es wird kein Zufall sein, dass, wie aus der Subskription der im folgenden Jahr vollendeten Urschrift der Chronik von Jerusalem hervorgeht, es wieder Lille ist, wo die Handschrift abgefasst wurde, welche die Geschichte der Kreuzfahrer und die Genealogie der Eroberer des Heiligen Landes eindrucksvoll vor Augen führt“.53 Bereits die Vorfahren Philipps waren an dem Kreuzzug von 1396 beteiligt: Die Planung dieses Zuges nahm Philipps Großvater, Philipp der Kühne vor, die Durchführung oblag Johann ohne Furcht, Philipps Vater. Auch wenn der Zug mit einer vernichtenden Niederlage bei Nikopolis endete, so stand Philipp der Gute doch in bester Kreuzfahrertradition. Dem Fasanenfest folgten daher intensive Vorbereitungen, die von speziellen Kollekten in den Kirchen bis hin zu Marschroutenplanungen reichten. „Der Wiener Prachtcodex, in den Jahren entstanden, als die Kreuzzugsidee ihren Höhepunkt erlebte, ist Zeuge des

51 Vgl. ÖNB Cod. 2533. Ausführliche Beschreibungen finden sich bei Otto PÄCHT, Ulrike JENNI,

Dagmar THOSS:Flämische Schule I. Textband. Wien 1983, S. 61-77 (Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters. Reihe I, Band 6; Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Denkschriften, 160. Band); Eva

IRBLICH (Hg.): Thesaurus Austriacus. Europas Glanz im Spiegel der Buchkunst. Handschriften

und Kunstalben von 800-1600. Wien 1996, S. 299-302; Dagmar THOSS: Flämische Buchmalerei.

Handschriftenschätze aus dem Burgunderreich. Ausstellung der Handschriften- und Inkunabelsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Prunksaal 21. Mai-26. Oktober 1987. Graz 1987, S. 34-37. Die Handschrift ist in den burgundischen Inventaren vom Jahr 1467 und 1487 aufgeführt. Später gelangte sie in den Besitz Karls V. Vgl. PÄCHT, JENNI, THOSS 1983, S. 61.

52 Vgl. Chronik von Jerusalem. Farbiges Vollfaksimile nach dem Original (Signatur 2533) der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. München 1980. Das Zitat befindet sich im beigebundenen Erläuterungsheft, S. 2.

53 PÄCHT, JENNI, THOSS 1983, S. 76.

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Dekorums, mit dem sie umgeben wurde, und gleichzeitig Ausdruck des Anspruchs Philipps des Guten auf die Führerschaft.“54

Die Handschrift behandelt die Geschichte des ersten Kreuzzuges, beginnend mit dem Konzil von Clermont bis hin zur Eroberung Jerusalems 1099, und widmet sich den drei Kreuzfahrerstaaten: dem Königreich von Jerusalem, dem Fürstentum Antiochia und der Grafschaft Edessa. Eine Besonderheit stellt die Anordnung des Textes in vier Spalten dar, die quer zum Buchrücken gelesen werden müssen.55 Die beiden mittleren Spalten beinhalten die Schilderung der Hauptereignisse und eine Genealogie der Könige von Jerusalem; die Geschichte der Grafschaft Edessa ist in die linke Spalte eingeschoben (ff. 4v und 12r-15r), diejenige des Fürstentums Antiochia in die rechte (ff. 8r-9r und 11r-14r). Diese äußere Form imitiert die traditionelle Textform von dynastischen Genealogien, die gewöhnlich in Buchrollen abgefasst wurden. Der Text, der in schöner burgundischer Bastarda geschrieben ist, wird in einzigartiger Weise von insgesamt 85 verschiedenartigen Miniaturen ergänzt: „ein nicht unbeträchtlicher Teil der Information wird nicht durch den fortlaufenden Text geliefert, sondern durch Bildunterschriften oder Inschriften in Medaillons; das gilt etwa für die meisten der im Verlauf des ersten Kreuzzugs in rascher Folge von den Kreuzfahrern gemachten Eroberungen oder für den zweiten und dritten Kreuzzug, auf die nur in zwei Inschriftenmedaillons bzw. zwei Reitermedaillons mit Umschrift verwiesen wird. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass der Text selbst ausdrücklich auf diese spezifische Verflechtung von fortlaufender Schilderung mit ergänzenden Inschriften und Illustrationen Bezug nimmt [.....]. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es wohl nur wenige Codices geben wird, in denen Schrift, Kalligraphie, Dekoration und Bild eine stärkere und originellere Einheit bilden“.56

Mit Blick auf De origine ist die Verbindung von Herrschergenealogien und chronikalischer Erzählung von besonderem Interesse. Dennoch hat die Chronik Sebastian Brant mit Sicherheit nicht als Informationsquelle für die Abfassung seines eigenen Textes gedient. Wohl kann man aber vermuten, dass er von ihrer Existenz

54 Vgl. Chronik von Jerusalem, Faksimile 1980, Erläuterungsheft S. 3. Zu den Kreuzzugsplänen

Phillips vgl. auch Heribert MÜLLER: Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Phillip des

Guten von Burgund. Göttingen 1993 (Schriftenreihe der historischen Kommission bei der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. 51).

55 Auf fol. 2r werden die einzelnen Spalten erklärt. Die Erklärungen, die auch die Funktion von Überschriften erfüllen, sind in roter Tinte geschrieben. In dem beigebundenen Erläuterungsheft der genannten Faksimileausgabe befindet sich eine Übersetzung des altfranzösischen Textes (S. 5-12, vgl. hier S. 5): „Es wird im folgenden von denen berichtet, die das Land Syrien und Jerusalem eroberten. Und Ihr könnt die Namen der hohen Herren zum Teil in Medaillons lesen, und die Örtlichkeiten und Städte, die sie eroberten, dargestellt sehen (Sp. 1); Und dann könnt Ihr sehen, wie Gottfried von Bouillon zum König von Jerusalem erkoren wurde, doch nie eine Krone tragen wollte, und wie Dagobert, Erzbischof von Pisa, zum Patriarchen von Jerusalem bestellt wurde (Sp. 2); Und dann werdet Ihr in Stammbaumfolge alle christlichen Könige vorfinden, die nach Gottfried von Bouillon in einem Zeitraum von etwa achtundachtzig Jahren in Jerusalem regierten (Sp. 3); Ebenso werdet Ihr erfahren, wie das gesamte Heilige Land, jenseits des Meeres gelegen, verloren ging und alle Christen getötet wurden; und es wird berichtet werden, welche Jahre jeder König in Jerusalem und im Königreich Syrien herrschte (Sp. 4)“.

56 Vgl. PÄCHT, JENNI, THOSS 1983, S. 62-64.

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Kenntnis hatte, denn von der Thematik her, nämlich den Kreuzzügen, von dem Hintergrund ihrer Entstehung her, dem Plan einer bewaffneten Wallfahrt gegen die Türken und der Befreiung des Heiligen Landes, sowie von ihrer genealogischen Konzeption her, die Aufreihung der jeweiligen Regenten, hat sie große Gemeinsamkeiten mit Brants Geschichte Jerusalems. Man könnte somit die Frage stellen, ob nicht unter Umständen das Wissen um die burgundische Handschrift mit als Ideengeber für sein eigenes Werk gedient hat. Man könnte vermuten, dass Brant dem deutschen Herrscher Maximilian ein ebensolches Werk zukommen lassen wollte, und zwar ein ausführlicheres, eines, das bereits mit der Gründung der Stadt Jerusalem beginnt und bis in die eigene Gegenwart führt, und eines, das zugleich noch einen politischen Kommentar und Aufruf zum Kampf enthält. Um ein echtes „Konkurrenzunternehmen“ handelt es sich gleichwohl nicht, denn mit Blick auf die Ausgestaltung der Handschrift als Prachtstück in Sachen Kalligraphie und Buchmalerei nimmt sich das Layout des Brantschen Werkes nicht nur nüchtern aus, sondern Brant hatte von Anbeginn an nicht den Anspruch, das Buch zu einem Meisterwerk der Buchkunst zu gestalten. Die Analogien beschränken sich mithin auf die Verbindung von Genealogie und chronischer Abfolge der Ereignisse. Diese

Tatsache bleibt nichtsdestoweniger wichtig, da die chroniques de Jérusalem abregées

meines Wissens bislang das einzige Werk der Zeit ist, das neben De origine diese Verknüpfung vornimmt.

1.2.4. Lateinische Türkenreden Eine eigene Gattung antitürkischer Literatur sind die lateinischen Türkenreden,

die auf den verschiedenen Reichs- und Fürstentagen sowie auf den eigens zur Lösung der Türkenfrage einberufenen Christentagen gehalten wurden. Sie trugen nicht unerheblich zur Meinungsbildung bei den Angehörigen der Höfe und bei der gebildeten Elite bei. Dass die Türkenreden bereits von den Zeitgenossen als eigene Gattung angesehen wurden, hat Dieter Mertens anhand von Jakob Wimpfelings

Epitome rerum Germanicarum aufgezeigt: Diesem Werk, das stets als erste deutsche Geschichte bezeichnet wird, hat Wimpfeling eine eigene Rede angefügt, die ein kleines Verzeichnis der bis dahin gehaltenen Türkenreden beinhaltet und die die Fürsten zur Beilegung ihrer Streitigkeiten und zur Einheit bewegen soll.57 Die Geschichte selbst behandelt in 60 Kapiteln „die „deutsche‟ Geschichte von den fünf

genera an, aus denen sich die Germanen zusammensetzten (Vindeliker, Ingvaeonen, Istvaeonen, Hermionen und Peuciner), bis hin zu den Kriegen Maximilians I. [...]

und gelangt in einer Art peroratio zu einer aktuellen moralischen Nutzanwendung

der deutschen Geschichte. Fünf deutsche Stämme (gentes) reichen aus – Bayern, Schwaben, die Alpenstämme der Lepontiner, Sachsen, Cymber –, um ein Heer aufzustellen, das über die Türken siegen werde“.58 Bemerkenswert ist laut Mertens das Zusammenfügen von drei völlig verschiedenen Kriegslegitimationen, nämlich

der Angriffskrieg pro gloria, der Glaubenskrieg für die christliche Religion und der

Verteidigungskrieg pro salute patriae. Die Argumente und Formulierungen

57 Vgl. MERTENS 1997, S. 39-57, bes. S. 45-47.

58 Vgl. MERTENS 1997, S. 46.

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Wimpfelings in seiner Rede an die Fürsten sind, wie es sich auch bei Sebastian Brant gezeigt hat, teilweise aus den Türkenreden Enea Silvio Piccolominis entlehnt.

Kurz nach dem Bekanntwerden des Verlustes von Konstantinopel an die Türken fand im Mai 1454 ein kaiserlicher Rätetag in Regensburg statt. Enea Silvio, damals Legat Kaiser Friedrichs III., hielt seine große Türkenrede, die er einige Monate in Frankfurt in überarbeiteter Form noch einmal halten sollte.59 Der Tag war in erster Linie der Türkendiskussion gewidmet und sollte nicht nur die Deutschen betreffen, sondern internationalen Charakter haben. Auf dem Regensburger Rätetag war auch Philipp der Gute von Burgund anwesend, der erst wenige Monate zuvor sein Kreuzzugsgelübde abgelegt hatte. Da der Kaiser abwesend war, kam es Enea Silvio

zu, dessen mandata zu vertreten. Er nutzte die Gelegenheit und präsentierte eine professionelle, rhetorisch ausgefeilte Rede, die sich „durch das Herausstellen der welthistorischen Bedeutung der beschriebenen Lage, durch den Appell an verpflichtende moralisch-politische Grundwerte, durch das Vermeiden bloß an den Moment gebundener Aussagen, durch kunstvolle und dichte sprachliche Ausarbeitung“ auszeichnete.60 Damit war eine Tradition von Türkenreden begründet, die nicht zuletzt von Enea selber fortgeführt wurde. Er verwendete seine

überarbeitete Frankfurter Rede sowohl für seine Germania 1457 als auch zur Eröffnung des Kongresses von Mantua im Jahr 1459.61

Enea Silvio schickte als Pius II. Kardinallegat Bessarion nach dem Türkenkongress von Mantua als „tanquam pacis angelum“ nach Deutschland. Er sollte die Länder zuerst besuchen, dann Heere einberufen, Gelder eintreiben und Prediger benennen, um den geplanten päpstlichen Türkenzug vorzubereiten. Das Mandat datiert auf den 15. Januar 1460.62 Auf dem Nürnberger Tag desselben Jahres hielt er eine Türkenrede.63 Allerdings verwendete er darin kaum einen Satz an die Türken, sondern konnte sich darauf berufen, dass seinen Zuhörern die Problematik

hinlänglich bekannt sei. Er konzentrierte sich statt dessen auf das Thema pax und meinte damit den Reichslandfrieden.64 Brüder sollen die Fürsten sein, und nicht in Zwietracht und Begierde das auseinanderreißen, was die Natur zusammengefügt

59 Enea Silvio PICCOLOMINI: Oratio Aeneae de Constantinopolitana clade et bello contra Thurcos

congregando. Epistola CXXX (I), in: PICCOLOMINI, Opera omnia, S. 678-689. Vgl. auch die

Habilitationsschrift von Johannes HELMRATH: Studien zu Reichstag und Rhetorik. Die

Reichstagsreden des Enea Silvio Piccolomini 1454/55. Habilitationsschrift (masch.) Köln 1994. Vgl. ferner HELMRATH 2000, S. 89-97.

60 MERTENS 1997, S. 51.

61 Enea Silvio PICCOLOMINI: Oratio Pii Papae II. habita in conventu Mantuano 1459. Epistola

CCCXCVIII, in: PICCOLOMINI, Opera omnia, S. 905-914

62 Vgl. IORGA 1915, Bd. 4, S. 177. Iorga bietet eine kurze Zusammenfassung des Mandats auf Französich.

63 BESSARION: Oratio habita in conventu Nurimbergensi, in: Ludwig MOHLER: Kardinal

Bessarion als Theologe, Humanist und Staatsmann. Bd. 3: Aus Bessarions Gelehrtenkreis.

Abhandlungen, Reden Briefe. Paderborn 1942 (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte. 24), S. 377-83.

64 Vgl. MERTENS 1997, S. 53.

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habe. Frieden und Gerechtigkeit lehre nicht nur die christliche Religion, sondern auch der Philosoph Aristoteles. Bessarion appelliert an die Ehre der Angesprochenen und mahnt zur Demut vor Gott: „Non concipitis animo, non cogitatis, principes illustres, quam nocivae, quam graves damnosaeque reipublicae christianae fuerint et sint christianorum principum simultates atque dissensiones? Quid aliud maximam Christianorum potentiam minuit, Turcorum vero magnam ex minima effecit [...]? Sine pace enim absque unione vestra quicquam contra inimicos crucis moliri frustra laborare esset”.65 Die an die Fürsten Italiens gerichteten Türkenreden wurden 1471 bei Guillaume Fichet in Paris gedruckt und in Bessarions Auftrag den Königen von Frankreich und England, dem Kaiser und dem Herzog von Savoyen persönlich gewidmet und den Fürsten Europas zugesandt.66

Giovanni Antonio Campano trug ebenfalls entscheidend zu der Entwicklung der Redegattung „Türkenrede“ bei. 1471 kam er in Begleitung des von Papst Paul II. entsandten Kardinallegaten Francesco Todeschini nach Regensburg, um an dem sogenannten Großen Christentag teilzunehmen. Seine Rede, von der nicht bekannt

ist, ob sie wirklich gehalten wurde, enthält viele Elemente der Germania des Tacitus und hat damit eine gewichtige, wenn nicht folgenschwere Rolle für das deutsche Nationalbewusstsein gespielt.67 Campano führt den Deutschen seiner Zeit vor, wie tüchtig und tapfer ihre eigenen Vorfahren einst gewesen seien – anders als Enea Silvio, der die selbe Quelle, Tacitus, benutzte, um seinen Hörern mitzuteilen, wie gut sie es doch jetzt unter den Segnungen des Christentums hätten, verglichen mit ihrer rauen Urzeit.68

Die genannten Redner entstammen alle einem Umfeld, nämlich dem Enea Silvio Piccolominis, dem späteren Papst Pius II. Bessarion war Legat, Campano war Schüler und Freund, Mitarbeiter, Biograph und Hofdichter Enea Silvios. Die Tatsache, dass gerade diese Gruppe von Rednern großen Einfluss auf den Diskurs im deutschen Reich hatte, lag Mertens zufolge nicht nur am Thema, sondern auch an ihrer Anbindung an das Verfassungsleben des Reiches, nämlich an ihrer systematischen Verortung und Funktion als Reichstagsreden. Wimpfeling, der die Situation unter Maximilian I. vor Augen hatte, konnte die auf den Rätetagen gehaltenen Türkenreden als Vorgeschichte des Reichstagslebens unter Maximilian in Anspruch nehmen und für seine eigene Rede in Dienst nehmen. Hinzu kommt, dass

65 Vgl. BESSARION, Oratio, S. 382.

66 Vgl. MERTENS 1997, S. 47, dort (Anm. 23) Angaben zu einzelnen gedruckten und handschriftlichen Ausgaben, die Widmungen an einzelne Fürsten enthalten.

67 Johannes Antonius CAMPANUS: Oratio in conventu Ratisponensi ad exhortandos principes

Germanorum contra Turcos et de laudibus eorum anno 1471 habita. Rom, Stephan Planck, um 1487, ebd. um 1488/90 (GW 5940 und 5941); Rom, Eucharius Silber, 1495 (GW 5939). Vgl. auch

Johannes Antonius CAMPANUS: Omnia opera. Venedig, Bernadus Vercellensis, 1502. Zu Campano

vgl. auch Frank-Rutger HAUSMANN: Giovanni Antonio Campano (1429-1477). Erläuterungen

und Ergänzungen zu seinen Briefen. Phil. Diss. Freiburg i. Br. 1968 sowie J. BLUSCH: Enea Silvio

Piccolomini und Giannantonio Campano. Die unterschiedlichen Darstellungsprinzipien in ihren

Türkenreden, in: Humanistica Lovaniensia 28 (1979), S. 78-138.

68 Vgl. BLUSCH 1979, S. 81f.

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der Türkenkrieg als ein Problem kollektiver, politischer Ordnung des Reiches und seiner Nachbarn ein Nachdenken über eben dieses eigene Reich erzwang, denn bloße individuelle Bereitschaft zum Kampf reichte nicht mehr aus. Im Unterschied zu den Kreuzzügen des Hoch- und Spätmittelalters konnte die Pilgerschaft, welche ja immer ein individuelles Ziel vor Augen hatte, nämlich die persönliche Bußleistung, nicht mehr als Legitimation herhalten. Erforderlich war mithin eine neue Kriegslegitimation, wie sie von Enea Silvio und Bessarion entwickelt wurde: Durch die noch in der Ferne stehende Bedrohung der eigenen „domus“, nämlich Europas, wird der Krieg in der Ferne zum eigenen Verteidigungskrieg. So konnte es auch gelingen, die älteren Orientzüge in diesem Licht erscheinen zu lassen und ihnen die Dignität einer Vaterlandsverteidigung zuzuschreiben. Da die neu geschaffenen Größen, „natio“, „Europa“, „christianitas“, „respublica christiana“, „christiana societas“ jedoch keine rechtlich verfassten Gebilde sind, sondern sich auf größere Einheiten beziehen, können sie auch keine bereits rechtlich verankerten Pflichten zur Verteidigung beanspruchen, sondern erfordern allgemeine moralische Begründungen und Verpflichtungen: „Wer, wie Enea, „Europa“ als „patria“, „domus“ und „sedes“ bezeichnet, oder, wie Bessarion, allein der „respublica christiana“, nicht aber den einzelnen Fürsten den Rang des Öffentlichen und des Gemeinwohls zuspricht, tut dies, um im Bereich moralischer Verpflichtungen, sozusagen auf der moralischen Schiene, einen Loyalitäts- und Legitimationstransfer vorzunehmen, wie er im Bereich der rechtlichen Verpflichtungen kaum zu bewerkstelligen wäre, zumal er nicht etwa aus der Pflicht der Fürsten, Herren und Städte, dem König zu raten und zu helfen, abgeleitet werden kann. Die bei Wimpfeling beobachtete, aber ebenfalls bei Enea vorzufindende Häufung und Vermischung der Kriegslegitimationen „Christus, gloria, patria“ ist ein Ausdruck des versuchten Legitimationstransfers“.69 Sebastian Brants Mahnrede im Anschluss an die „historia“ von Jerusalem ist im gleichen Kontext zu verorten. Sein Bemühen, das Buch noch zu Beginn des Wormser Reichstages 1495 zu publizieren, war vermutlich mit der Hoffnung verbunden, die dem historischen Teil angefügte Rede als humanistische Reichstagsrede verstanden zu wissen und damit als publizistisches Mittel dem Kaiser zur Verfügung zu stellen. Die Reichstage Maximilians spielten von Beginn an eine Rolle als Gelehrten- und Literatentreffen und waren von Dichterkrönungen, Darbietungen rhetorischer und poetischer Natur und Panegyriken begleitet. Später, 1510 und insbesondere 1518, wurde vom Hof Maximilians die Drucklegung lateinischer Türkenreden in großem Umfang gefördert.70 Zu Zeiten Brants und Wimpfelings begann die Professionalisierung der Propaganda durch den gezielten Einsatz rhetorisch geschulter Humanisten im Dienst des Hofes. Die Widmung einer „historia“ Jerusalems an Maximilian, die historische Aufarbeitung der Kreuzzüge unter dem Stern der Verteidigung des christlichen Glaubens und die anschließende Rede an die Fürsten, die das Vaterland und Europa zur Wahrung des altehrwürdigen Ruhms des Kaiserreiches verteidigen sollten, ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Die Reden Enea Silvios und Giovanni

69 Vgl. MERTENS 1997, S. 55.

70 Vgl. MERTENS 1997, S. 48f.

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Antonio Campanos lagen bereits zu Wimpfelings Zeiten gedruckt vor. Insbesondere Eneas große Türkenrede wurde, zusammen mit seinen Briefen, sogar als Schullektüre verwendet: „Die lateinischen Gebildeten des späteren 15. und des frühen 16. Jahrhunderts“ so Dieter Mertens, „mussten nicht, aber konnten Eneas Frankfurter Rede ohne Schwierigkeiten kennen“.71 Sebastian Brant kannte sie, und auch seine Leser dürften die von ihm zitierten Passagen ohne Mühe wiedererkannt und damit sein Bemühen, sich in Eneas Tradition zu stellen, bemerkt haben. Wenn in den 1450er Jahren noch die Eroberung der Stadt Konstantinopel und die damit erlittenen Ungerechtigkeiten seitens der Türken den Kern- und Ausgangspunkt für die Argumentation in den Türkenreden gebildet hatten,72 so verwendete Brant für seine Rede einen ungleich weiteren Horizont: Er nahm nicht ein einzelnes Ereignis, sondern die Jahrhunderte lange Geschichte des Heiligen Landes als historische

Argumentationsbasis. Sein Werk De origine hat den Charakter einer historisch-wissenschaftlichen Abhandlung, weil die Notwendigkeit des Türkenzugs historisch begründet wird und das eigene Handeln als notwendige Konsequenz langer Entwicklungslinien erscheint.

1.3. Enea Silvio Piccolominis Brief an Sultan Mehmed II.

Enea Silvio Piccolomini, der bisher als Redner mit dem Ziel, für den Kreuzzug zu werben, begegnet ist, und der im Folgenden als Organisator kriegerischer Unternehmungen gegen die Türken von Italien aus begegnen wird, hatte noch eine andere Strategie zur Anwendung gebracht. Er schrieb als Papst einen berühmt gewordenen Brief an den türkischen Sultan und versuchte ihn davon zu überzeugen, sich zum Christentum zu bekehren. Als Gegenleistung versprach der Stellvertreter Christi die uneingeschränkte Anerkennung des Sultans als Herrscher.

Der Pisaner Historiker Adriano Prosperi stellte in seiner Einleitung einer kommentierten Ausgabe des Briefs die Frage, wie zu vereinbaren sei, dass der selbe Papst, der so viel Energie darauf verwendet hatte, einen Kreuzzug gegen die Türken zu unternehmen, dem Sultan zugleich den Kaisertitel anbieten konnte. „Si tratta“, fragt Prosperi, „di un gioco letterario o di una offerta reale?“.73 Prosperi weist ferner darauf hin, dass dieser Versuch des Papstes in eine Zeit der Krise des westlichen Kaisertums fiel. Ein türkischer Herrscher beugt sich vor einer weltlichen Macht, die aufgrund ihrer Schwäche verstärkt eine religiöse Konsakration erfährt; die Verbeugung des sich unterwerfenden Sultans vor dem Papst konsakriert auch die

71 Vgl. MERTENS 1997, S. 51.

72 Enea hatte die historischen Dimensionen des Falls von Konstantinopel herausgearbeitet und die kirchengeschichtliche, macht- und kulturgeschichtliche sowie die geostrategische Bedeutung der Stadt hervorgehoben. Vgl. MERTENS 1997, S. 53.

73 Adriano PROSPERI: Prefazione, in: Luca D‟ASCIA: Il Corano e la tiara. L’epistola a Maometto di

Enea Silvio Piccolomini (papa Pio II). Introduzione ed edizione. Bologna 2001, S. 7-11, hier: S. 8. D‟Ascias Edition des lateinischen Texts folgt der bereits vorliegenden von Giuseppe Toffanin mit einigen kleineren Abweichungen. Begleitend bietet er eine ausführliche Einführung und eine

Übersetzung ins Italienische mit Kommentar. Vgl. auch ENEA SILVIO PICCOLOMINI: Lettera a

Maometto II (Epistola ad Mahumetum) di Pio II. Hg. von Giuseppe TOFFANIN. Napoli 1953.

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Herrschaft des Sultans. Mit MaximilianI. und Karl V. änderte sich die Situation. Der Erfolg des Briefs an Mehmed II. nahm rapide ab. In Italien wurde die Idee des konvertierten und sich verbeugenden Sultans zum Traum und prophetischen Trostbild angesichts der gegenwärtigen Kriege und der Furcht vor türkischen Pferden, die ihren Durst an römischen Brunnen stillen.74 Luca D‟Ascia, der Herausgeber, Übersetzer und Kommentator des Briefs, identifizierte im Italien des 15. Jahrhunderts drei verschiedene Haltungen gegenüber der muslimischen Welt: die offizielle Lehrmeinung der Kirche, die der Kreuzzugsideologie treu blieb; die der Irenisten, die an eine friedliche Konversion der Muslime glaubten und eine substantielle Übereinstimmung zwischen Koran und Evangelium erkannten; die pragmatische, die den Islam als Gegebenheit ansah wie das Christentum und ihn

damit auch auf politischer Ebene als legitimes instrumentum regni erachtete.75 Diese an und für sich unvereinbaren Elemente vereinigen sich in der Gestalt Papst Pius II., insbesondere in dem genannten Brief an den türkischen Sultan. Der Grund für diese verschiedenen Haltungen einer Person liegt in der komplexen Persönlichkeit des Papstes, der weniger Geistlicher als vielmehr intellektueller Dichter, Humanist und politischer Pragmatiker war. Irenistische Positionen wurden von seinen Gesprächspartnern Nikolaus von Kues und Johannes von Segovia vertreten und später von Ficino und Pico della Mirandola weitergeführt. Auch Erasmus von Rotterdam lehnte einen Kreuzzug ab. Johannes von Segovia, der bereits auf dem Basler Konzil intensiv gegen die Ansichten der Hussiten argumentiert hatte, ließ den Koran aus dem Arabischen ins Spanische übersetzen, um dann seinerseits eine lateinische Version auf Basis der spanischen zu erstellen, da er sich der Unzulänglichkeit bisheriger Übersetzungen bewusst wurde. Allerdings führten ihn seine Studien zu der Ansicht, dass der Islam die natürliche Negation des Evangeliums sei. Da er den Jihad ablehnte, stellte er auch die Kreuzzüge (als Religionskriege) infrage; er schlug stattdessen ein einseitiges Friedensangebot vor, das von einem Gelehrtengespräch und dem Predigen des Evangeliums begleitet werden sollte. Nur so konnte sich das seiner Ansicht nach „falsche Bild des Christentums“, das sich unter den Muslimen ausgebreitet hatte, zerstreuen. Er schrieb auch an den burgundisischen Kirchenmann Jean Germain, Bischof von Châlons-sur-Saone, als er von den Kreuzzugsplänen am burgundischen Hof erfuhr, in deren Kontext die oben beschriebene Jerusalem-Handschrift entstand. Johannes von Segovia lud den Bischof zum Gespräch, erhielt neben einer Absage aber den Rat, seine irenistischen Schriften nicht zu veröffentlichen.76

74 Vgl. PROSPERI 2001, S. 10f.

75 Vgl. D‟ASCIA 2001, S. 13.

76 Vgl. D‟ASCIA 2001, S. 26-32, Zitat S. 30: “Egli [Segovia] concepisce l‟attività missionaria come saggio adattamento alla suscettibilità dell‟utitorio, pedagogia gradualistica (“omnia fieri omnibus”, secondo la tattica adottata dagli apostoli nei confronti di Farisei e giudaizzanti) aliena dai toni

aggressivi che avevano determinato fino allora il fallimento della predicazione in partibus

infidelium. Nell‟opera di Giovanni da Segovia, come poi nella tradizione erasmiana e riformatrice del secolo successivo, l‟età apostolica appare un modello ancora vitale e operante, implicitamente

contrapposto alla Chiesa medievale, anziché una plenitudo temporis irripetibile, ormai perduta

insieme ai miracoli e al dono dono delle lingue, come sostenevano i difensori dello jus gladii contro

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D‟Ascia sieht in dem Unternehmen Enea Silvios eine indirekte Reaktion auf die humanistische und pragmatische, eigentlich nichtreligiöse Turkophilie, die im italienischen Quattrocento vorherrschend war. Der natürlichen Akzeptanz der osmanischen Herrschaft als „faktische Realität“ setzt Pius II. das „Scheinexperiment“ einer erneuerten religiösen Weihung der weltlichen Herrschaft vermittels eines politischen Bündnisses zwischen Kirche und bekehrten Türken entgegen. Der Islam, der zu Beginn als Häresie und als solche eher als ein politisches Phänomen und weniger als eigenständige Religion gesehen wurde (Mulsime als Protagonisten eines Beute-„Heidentums“, die wie die Sarazenen, Normannen, Ungarn, Slaven und Hunnen in den Westen einfielen), wurde vom 12. Jahrhundert an als vereinende Klammer einer muslimischen Kultur wahrgenommen, die vom lateinischen Westen eher bewundert als gefürchtet wurde. Die Bewunderung islamischer Gelehrsamkeit wurde aber von einer bescheidenen Kenntnis der religiösen Inhalte und der arabischen Sprache begleitet, sodass eine einseitig geführte Auseinandersetzung mit eher vermeintlichen als tatsächlichen Inhalten erfolgte. Das Ergebnis war eine Widerlegung von Elementen, die man nicht genau kannte und die Überzeugung, dass sich die Muslime mit lateinischer Gelehrsamkeit nicht gewinnen ließen. Die Dispute erfolgten im Kreis christlicher Gelehrter ohne Einbeziehung der muslimischen Gelehrten. „La controversistica anti-islamica dei secoli XIV e XV fu quindi“, schließt D‟Ascia, „sopratutto un esercizio teologico a uso interno, che non presupponeva un concreto intento missionario e neppure la conoscenza dell‟arabo“.77 Dies trifft auch auf Enea Silvios Brief an Mehmed II. zu, denn das Ergebnis „ad maiorem Dei Gloriam“ ist von Anfang an bestimmend. Die Lehren Mohammeds werden Punkt für Punkt zerlegt, die gewünschte Unterwerfung des Sultans gleicht einer bedingungslosen Kapitulation.

Enea beginnt seinen Brief an Mehmed mit der Aussage, er schreibe zur Rettung und zum Ruhm des Sultans, aber auch für den Frieden und den Trost vieler Völker. Man hasse, so der Papst, nicht den Sultan, nur dessen Taten. Außerdem denke er, dass der Sultan nicht so unwissend sei, dass er nicht Kenntnis von der Macht der christlichen Welt habe, der Stärke Spaniens, der Streitkraft Frankreichs, der zahlenmäßigen Überlegenheit Deutschlands, der Kraft Englands, der Kühnheit Polens, dem Wert Ungarns und der Reichtümer und der Feindseligkeit Italiens.78 Ein Argument Eneas, warum der Sultan kein Anrecht auf Italien habe, lautet, dass seine

gli infedeli”. D‟Ascia verweist auch auf Wilhelm von Tripolis, der bereits den irenistischen Geist des 15. Jahrunderts vorweggenommen habe, nämlich die grundlegende Konvergenz zwischen der Christologie des Korans und der Doktrin des Evangeliums, die ausreichend sei, um die Muslime zu bekehren. Wilhelm von Tripolis hat Enea entweder direkt oder über Nikolaus von Kues

beeinflusst. Zu Wilhelm von Tripolis vgl. D‟ASCIA 2001, S. 21-24, und John RILEY-SMITH: W. v.

Tripolis, in: LexMA Bd. 9, Sp. 190f.

77 Vgl. D‟ASCIA 2001, S. 17.

78 Vgl. D‟ASCIA 2001, S. 233f: „Scripturi ad te aliqua pro tua salute et gloria proque communi multarum gentium consolatione et pace [...] Operibus tuis, non tibi sumus infensi [...] Nos non ita ignarum te credimus nostrarum rerum, quin scias quanta est christianae gentis potentia, quam valida Hispania, quam bellicosa Gallia, quam populosa Germania, quam fortis Britannia, quam audax Polonia, quam strenua Hungaria, quam dives et amimosa et bellicarum perita rerum Italia“.

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Vorfahren das Land nie besessen, ja nicht einmal gesehen hätten. Der Papst pocht also auch auf ein Gewohnheitsrecht. Falls der Sultan dennoch kämpfen wolle, treffe er nicht auf Weiber, nicht auf asiatische Schlagstöcke, sondern auf harte Schwerter. Er solle auch nicht glauben, dass die innerchristlichen Streitereien die Christen von einer Vereinigung gegen die Türken abhalten würden.79 Wenn Mehmed sich hingegen taufen ließe, so könne keiner ihm gleichkommen, man würde ihn Kaiser von Griechenland und Kaiser des Orients nennen, und all das, was er nun widerrechtlich mit Gewalt besetze, werde ihm dann rechtmäßig gehören.80 Viele Kriege hätten vermieden werden können, wenn Mehmed sich hätte taufen lassen; viele Völker hätten sich ihm mit Freude unterworfen, wenn er Christ gewesen sei, und niemand hätte Angst vor ihm. Enea ruft aus, dass es einen großartigen Frieden geben könnte, dass das goldene Zeitalter des Augustus zurückkehren würde, dass Leoparden neben Lämmern leben würden und Kälber neben Löwen. Schwerter würden zu Pflugscharen, Felder könnten bestellt werden, Klöster und Heiligtümer wieder errichtet usw., wenn der Sultan sich nur zum Christentum bekehren würde.81 Mit theologischen Argumenten versucht der Papst im Anschluss an diese Verheißungen, Mehmed von der Richtigkeit des christlichen Glaubens und vom Irrtum des Islams zu überzeugen, die am Ende eher einer Selbstrechtfertigung und theologischen Abhandlung zum eigenen Zweck gleichen. Enea Silvios Brief an Mehmed II. liefert zahlreiche Argumente, die sich später bei Sebastian Brant wiederfinden. Es ist also durchaus möglich, dass Brant Kenntnis dieser Schrift des Renaissancepapstes hatte, wie vor allem die nachfolgenden Ausführungen zu

Sebastian Brants Gedicht Thurcorum terror et potentia nahelegen.

1.4. Antitürkische Einblattdrucke und Gedichte Sebastian Brants

Die weiter oben angesprochenen Aspekte – die Verbindung von Christentum,

gloria und salus patriae – kommen auch in weiteren Werken Sebastian Brants zum Ausdruck, ebenso die oben in aller Kürze dargestellte „Medienpräsenz“ des

79 Vgl. D‟ASCIA 2001, S. 234f: „Tui progenitores nunquam aut possederunt Italiam aut viderunt, nec tibi ius ullum in ea est: quodsi pergas Italiam invadere, senties tibi cum viris bellum esse [...] Non pugnabis contro feminas [...] Fero hic res geritur, non asiaticis sudibus [...] Nec christiana discidia desiderio tuo conducere putes aut in his confidas: unientur Christiani omnes, siquando te audiant interiora Christianitas accedere“.

80 Vgl. D‟ASCIA 2001, S. 236f: „Non est inventu difficilis, neque procul quaerenda, ubique gentium reperitur: idest aquae pauxillum, quo baptizeris et ad Christianorum sacra te conferas et credas Evangelio. Haec si feceris, non erit in orbe princeps qui te gloria superet aut aequare potentia valeat. Nos te Graecorum et Orientis imperatorem appellabimus et quod modo vi occupas et cum iniuria tenes possidebis iure”.

81 Vgl. D‟ASCIA 2001, S. 237f: „O quanta esset abundantia pacis, quanta christianae plebis exultatio, quanta iubilatio in omni terra: redirent Augusti tempora et quae poetae vocant aurea saecula renovarentur! Habitaret pardus cum agno et vitulus cum leone; gladii verterentur in falces, in vomeres ac ligones; rediret omne ferrum, excolerentur agri, aspera dumis terra mitescerent, vici repararentur et urbes resurgerent; templa Deo sacrata, quae ceciderunt, emergerent; collapsa monasteria et plena viris religiosis divinis omnia laudibus personarent! O quanta esset tua gloria, qui pacem orbi reddidisses!”.

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Türkenthemas um 1500 und die daraus resultierende öffentliche Meinung über

diesen vermeintlichen Feind der Christenheit. Neben De origine beschäftigt sich Brant auch in anderen Schriften mit der osmanischen Expansion bzw. mit der „Türkengefahr“. Einige wenige sind ausdrücklich diesem Thema gewidmet, bei anderen wurde es in einen größeren Zusammenhang integriert, wie der Fall des

Narrenschiffs zeigt. Die antitürkischen Schriften Brants haben in der Forschung in jüngster Zeit verstärkt Interesse geweckt, wie die neueren Beiträge von Sebastian Schünicke und Jean Schillinger zeigen. Schünicke stellt einige Gedichte und Flugschriften vor; überzeugender integriert Schillinger die Werke Brants in seinen Aufsatz zum Thema Türkenkrieg bei Sebastian Brant. Schillinger betont die in den Werken zum Ausdruck gebrachte Abscheu gegenüber den Türken, die Brant immer als besonders unmenschlich und lüstern charakterisiert habe. Der Zusammenhang von Türkenbild, Türkenkrieg ,Translatio imperii und Kaisertum bei Brant wird auch von Wilhelm Kühlmann angesprochen.82

Im 98. und 99. Kapitel des Narrenschiffs finden sich die frühesten Äußerungen Brants zum Türkenthema.83 Die Türken werden zunächst in Kapitel 98 zusammen mit Sarazenen und Heiden als ausländische Narren (Überschrift: „von vslendigen

narren“) aufgefasst, die vom Glauben abgefallen sind. Für diese Narren, so Brant, müssten sich selbst andere Narren noch schämen (Einleitende Verse vorab: „vnd

hant den nammen | Dern ander narren sich doch schammen“). Sie sind dem Teufel an den Schwanz gebunden und nicht wert, belehrt oder mit Spott zurechtgewiesen zu werden. Im 99. Kapitel, das den Abfall vom Glauben behandelt, werden ihre „Schandtaten“ dann näher erläutert. Der Glaube sei bereits durch Ketzerei stark angeschlagen, und nun leide er noch zusätzlich unter dem schändlichen Mohammed. Brant beklagt den Verlust vieler Gebiete: Asien und Afrika, Kleinasien und Griechenland, Dalmatien, Österreich, Ungarn, Apulien und Sizilien. Ferner fürchtet er um Italien, Rom, die Lombardei und weint den vier bereits verlorenen orthodoxen Patriarchaten und zahlreichen Kirchengütern nach. Der Wolf sei schon im Stall und raube die Schafe der Kirche, während die Zeitgenossen, die an all den Ereignissen selbst schuld seien, schliefen. Brant nennt, wie später in der Mahnrede

von De origine, Zwietracht und Ungehorsamkeit sowie das Streben der Einzelnen nach Macht als Gründe für den Erfolg der Ungläubigen. So sei es auch der römischen Republik ergangen, die aus den selben Gründen unterging. Viele Städte müssten sich jetzt verteidigen, achteten aber den Kaiser nicht mehr, da ein jeder Fürst nur danach strebe, sich eine Feder der Gans (Brant bezeichnet hier wohl nicht ohne Bitterkeit den Reichsadler als Gans) zum eigenen Schmuck auszureißen. Es folgt nun auch hier eine Schelte der Deutschen, denen man einst das Kaisertum anvertraut habe und bei denen sich nun die Pferde gegenseitig den Schwanz

82 Vgl. SCHILLINGER 2008, SCHÜNICKE 2002 und Wilhelm KÜHLMANN: Der Poet und das Reich, in: GUTHMÜLLER, KÜHLMANN 2000, S. 193-227, besonders ab S. 198.

83 Die hier zitierte Verse folgen der Ausgabe Sebastian BRANT: Das Narrenschiff. Studienausgabe. Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494. Herausgegeben von Joachim Knape. Stuttgart 2005. Vgl. auch die Ausführungen zu Brants Antiturcica im Aufsatz von SCHÜNICKE 2002, S. 51ff.

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abbissen.84 Brant fordert Eintracht und vor allem Gehorsam gegenüber Maximilian, der der Krone würdig sei und fähig, das Gelobte Land wieder in seine Hände zu bekommen. Er wendet sich vor allem an die Fürsten des Reiches, die als treue Untergebene verpflichtet seien, Gefolgschaft zu leisten und Schutz und Schirm zu gewähren. Sonst, so Brant, glichen die Fürsten einem Hund, der nicht belle, oder einem Schiffsmann, der auf hoher See schlafe, oder einem Wachmann, der nicht Wache halte. Brant schließt mit der Metapher eines Schiffs, das auf dem Meer schwanke, da die Seeleute uneins seien. Wenn Christus selbst nicht Wache halte, werde es Nacht um die Zeitgenossen. Man möge auf seine Mahnungen hören und tun, was dem eigenen Stand gezieme, damit der Schaden nicht größer werde und das Reich nicht mit Haupt und Gliedern untergehe. Solange er lebe, werde er mahnen und all denen eine Narrenkappe schenken, die nicht auf seine Worte hören wollen.85.

Die Argumentation der Mahnrede in De origine ist mit diesen wenigen Zeilen im 99.

Kapitel des Narrenschiff bereits vollständig vorweggenommen. Die Aneinaderreihung der Argumente „schändlicher Sarazene/Türke – Verlust vieler christlicher Gebiete – Trägheit und Schläfrigkeit der eigenen Fürsten, die somit die wahren Schuldigen sind – Zwietracht und mangelnde Gefolgschaft – ein hervorragender Kaiser Maximilian – Aufforderung zum Handeln, bevor es endgültig zu spät ist – Brant als Mahner“ zieht sich fortan durch zahlreiche seiner Werke. Brant verzichtet in den beiden Kapiteln des Narrenschiff auf das didaktische Element und sieht für die schlimmsten aller Narren (Türken, Juden, Heiden und Ketzer) keinen Weg der Bekehrung vor. Dass die kritisierten Fürsten nicht als Narren gebrandmarkt werden, interpretiert Schünicke als Ausdruck von Brants Respekt gegenüber der Obrigkeit.86

Die Gedichtsammlung Varia Carmina, die Brant 1498 in Basel und Straßburg drucken ließ,87 enthält ebenfalls einige Texte, in denen das Türkenthema aufgegriffen wird. Dabei lassen sich nicht immer Grenzlinien zwischen antitürkischer Polemik und Äußerungen über die Rolle der Deutschen allgemein, der deutschen Fürsten oder über die Bedeutung der christlichen Kirche und Religion ziehen. Vor allem im zweiten Teil des Werks befinden sich einige Gedichte, in denen

Brant das Türkenthema aufgreift, so z.B. der Gedichzyklus De corrupto ordine

vivendi pereuntibus, die Gedichte In bethicum triumphum congratulatio, De vita

et conversatione regum Israhel et Juda (das Schlussgedicht aus De origine, worauf

84 Vgl. BRANT, Narrenschiff, Kap. 99: „der tütschen lob was hochgeert | Vnd hatten erworben durch solch rům | Das man jnn gab das keyserthům / | Aber die tütschen flissen sich | Wie sie vernichten selbst jr rich | Do mit die stůdt zersto(e)rung hab | Bissen die pferd jr schwa(e)ntz selb ab“ (V. 140-146).

85 Vgl. BRANT, Narrenschiff, Kap. 99: „Důnt was üch zymbt noch üwerm grad | Do mit nit gro(e)sser werd der schad | ... | Das houbt / vnd glyder vndergon“ (V. 207-210) [...]„Leb ich / jch man noch manchen dran | Vnd wer nit an myn wort gedenck | Die narren kappen / ich jm schenck“ (V. 212-214).

86 Vgl. SCHÜNICKE 2002, S. 51 und 56f.

87 Vgl. Sebastian BRANT: Varia Sebastiani Brant Carmina. Basel, Johann Bergmann von Olpe,

1498, und Varia Sebastiani Brant Carmina. Straßburg, Grüniger, 1498.

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hier nicht noch einmal eigens eingegangen wird), Von der wunderbaren Su zu(o)

Landser, De morte imperatoris Friderici III. und Thurcorum terror et potentia. Das bekannteste und schon mehrfach in der Literatur herangezogene Gedicht ist

Thurcorum terror et potentia.88 Das Gedicht befindet sich nur in einigen

Exemplaren der Basler Ausgabe der Varia Carmina von 1498, in die es nachträglich mit einer eigenen Lage eingebunden wurde (nr-niv

r). Das Gedicht selbst ist auf Kal. Sept. 1498. datiert. Es befindet sich im Anschluss an die Lage m und noch vor dem Kolophon. Ein weiterer Hinweis auf die nachträgliche Einbindung des Gedichtes ist das Fehlen des Titels im Index des Buches; es wird weder die Überschrift genannt, noch das Vorhandensein einer Lage n erwähnt. Zu Beginn befindet sich ein Holzschnitt mit der Darstellung des türkischen Sultans, der zu Pferde vor den im linken oberen Bildrand dargestellten kaiserlichen Truppen flieht. Auch in der Straßburger Ausgabe wurde das Gedicht nachträglich mit einer zusätzlichen Lage in einige Exemplare eingebunden. Brant lässt in diesem Gedicht den türkischen Sultan selbst zu Wort kommen; der Sultan antwortet auf eine Türkenkampagne des Ulmer Geistlichen Leonhard Clemens. Das Gedicht ist Maximilian I. zur Ehre und Ermahnung gewidmet.89 Nach einleitenden Versen, in denen der Sultan über die skythische Herkunft, die einstige Schwäche und den Aufstieg des türkischen Volkes berichtet, geht er sogleich dazu über, den christlichen Fürsten ihre Fehler im Umgang mit den Osmanen und im Umgang mit ihrer eigenen Religion und Moral vorzuhalten. Nach dem Sieg des türkischen Volkes über die Perser und nach der Einnahme des Schwarzen Meeres, des Kaukasus und Kleinasiens sei nun die Lage ebenso günstig wie sie schon einmal für die Vorväter günstig war. Damals trieben sich in Rom sorglose Herren herum, träge Männer hielten das Szepter der Welt. Dem müsse nun eine große Menge Verbrechen der abendländischen Fürsten hinzugefügt werden, da kein Glaube, keine Rechtschaffenheit oder Scham bei ihnen vorhanden und die Religion auf viele Weise von ihnen beschmutzt worden sei. Dann stellt der Sultan fest, dass die Fürsten Europas in ständiger Zwietracht und die christlichen Völker selten in Frieden leben.

So wie sie es versäumt haben, dem sich abmühenden Volk Hilfe zu gewähren, so machen sie ihren Feinden den Weg frei. Und deswegen, so der Sultan, müssen die Christen nun wegen ihres Unglaubens und ihres Nichthandelns mit Strafen und Schlägen büßen und ihren Untergang erfahren. Die Vorfahren der Christen hätten

88 Vgl. SCHILLINGER 2008, SCHÜNICKE 2002 und Antje NIEDERBERGER: Das Bild der Türken im

deutschen Humanismus am Beispiel der Werke Sebastian Brants (1456-1521), in: Marlene KURZ, Martin SCHEUTZ, Karl VOCELKA, Thomas WINKELBAUER (Hg.): Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie. Akten des internationalen Kongresses zum 150-jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Wien, 22.-25. September 2004. Wien, München 2005 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 48), S. 181-204.

89 Vgl. Thurcorum terror et potentia. Ad cuiusdam Leonhardi Clementis in Thurcum invectivam

Sultat Othomanidae responsio: per Sebastianum Brant in honorem exhortationemque

Serenissimae regiae maiestatis divi Maximiliani etcetera conficta. Anno 98 kalendis septembribus,

in: BRANT, Varia Carmina, Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1498, fol. nr-[niiii]r. Vgl. auch WILHELMI 1998, Nr. 244.

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bereits den Verlust Phöniziens hinnehmen müssen, ebenso erging es ihnen mit Ägypten und Kleinasien. Bislang seien den Christen die europäischen Königreiche verblieben, doch eben dieses Europa, dessen Beute Asien immer gewesen sei, sei nun seinerseits Asien als Beute gegeben.90 Es folgt eine Aufzählung aller Gebiete, die die Türken seit dem Überschreiten des Hellesponts – an dieser Stelle steht ein Lob des Perserkönigs Xerxes – eingenommen haben: Byzanz, Thrakien, Makedonien, Akarnanien, die Peloponnes, Rhodos, das ionische und das ägäische Meer, Moldavien, die Walachei, Phokis und Epirus, Thessaloniki und Illyrien, Euboia, Pera und Caffa, Istrien, Dakien, Dalmatien und das Schwarze Meer. Bald sei es geboten, die Felder der Litauer, Preußen und Polen zu verwüsten, und bald seien die Flüsse Weser, Oder, Theiß, Elbe, Weichsel, Rhein, Tiber und Po an der Reihe, also Polen, das Reich und Italien. Wenn die europäischen Fürsten Ehre besitzen, fragt sich der Sultan, wie können sie dann ihren Glauben so zu Fall bringen? Wenn sie das Göttliche so vernachlässigen, sollten sie sich schämen, von den wilden Türken so niedergestreckt worden zu sein.91 Nach dieser Ohrfeige geht der Sultan zu seinen weiteren Eroberungsplänen über. Da der Weg nun frei sei, werde man die christlichen Erbländer mit Krieg überziehen. Über Tarent wolle man Rom einnehmen, wie eine Flussüberschwemmung alles wegspülen, das alte Rom, die Hauptstadt der Welt, werde in die Hände Osmanen fallen und zu einem neuen Rom werden. Nichts scheint den Sultan an seinen Plänen hindern zu können, und nichts fürchtet er – mit Ausnahme einer Person: König Maximilian I. von Habsburg, der die Zügel des Römischen Reiches in der Hand hält. Er fürchtet ihn, weil Deutschland und seine Fürsten nun einträchtig in Waffen stehen, und zwar, wie der Sultan hört, um gegen ihn auszurücken.92 Doch er nimmt seine Äußerungen sogleich

90 Vgl. BRANT, Thurcorum terror et potentia (zitiert nach WILHLEMI): „Opportuna simul nobis nostroque parenti, | Et proavis nostris est data condicio, | Socordes habuit dominos quia Roma frequentes, | Ignavique orbis sceptra tulere viri | Additur huic scelerum vestrorum grandis acervus | Et cumulus, superi quem neque ferre valent. | Nulla fides, probitas, pudor aut reverentia veri, | Est polluta modis relligio innumeris | Principibus placuit vestris discordia semper, | Christicolae genti pax quoque rara fuit | Quique laboranti populo dare opem atque petenti | Debuerant, populi nec sua damna vident. | Dum deest componat qui concilietque furentes, | Hosti aditus vestro panditur atque via | Atque hinc perfidiae luitis poenasque plagasque | Desidiae et vestrae carpitis exitium“ (V. 21-26) [...]: „Integra sed vobis Europae regna manebant | Caetera, quae mundi sceptra tulere diu. | Illa inquam Europa, cui praeda Asia omnibus ante | Temporibus fuerat, nunc data

praeda Asiae est” (V. 43-46).

91 Vgl. BRANT, Thurcorum terror et potentia (zitiert nach WILHLEMI): „Vesera noster erit Viadusque, Tibiscus et Albis | Istula, mox Rhenus, Tybris et Eridanus | Vos si christicolum tangimini honore, feretis | Quo ne animo vestram sic ruitare fidem? | Quod si negligistis divina,

pudere at oportet | Vos homines, nostris succubuisse feris“ (V. 85-90).

92 Vgl. BRANT, Thurcorum terror et potentia (zitiert nach WILHLEMI): „Vos mox relliquias Christi et patrimonia bello | Tollemus, prona est nam patefacta via | Parte alia aggrediar quam mox imbelle Tarentum, | Hinc Romam, Italiam, regnaque cuncta soli. | Neque quisquam audebit nobis oppedere, more | Fluminis undantis sternere cuncta libet. | Nobilis in manibus nostris nova Roma, sequetur | Quae mundi domina est Roma vetusta cito | Nec quemque timeo regem nisi Maximilianum | Qui modo romani frena habet imperii, | Praecipue quia nunc Germania vestra, ducesque | Consensu unanimi mutua in arma ruunt. | Audio enim proceres modo coniurasse potente | Nos contra, et regi porrigere arma suo” (V. 97-110).

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wieder zurück. Seine Kriegsmacht sei so stark, dass ein uneiniges Europa ihm nicht wirklich zum Feind werden könne. Nur bei einem gemeinsamen Schlag würden sich Donau, baltischer Meerbusen und Bosporus mit türkischem Blut füllen.93 Mit der Ankunft der Christen hätte der Sultan viel Übel zu erleiden, da die Christen Waffenhilfe erhielten. Er fürchtet insbesondere, dass er von deutschen Städten umgeben sein würde und dass Maximilian I. ihm auf die selbe Weise zum Verhängnis würde wie es zuvor das Schicksal seines Vorfahren (gemeint ist Sultan Bāyezīd I., 1389-1403) nach verlorenem Kampf gegen Tamerlan (Timūr) gewesen war: in einen Käfig eingeschlossen zur Schau gestellt zu werden.94 Nur Maximilian sei es gegeben, die Türken zu besiegen, nur er werde vollbringen, was viele begehrten. So möchten sich alle von Maximilian leiten lassen, der allen den Sieg bringen werde. Maximilian werde das aufrichtige Lob seines Feindes nicht verschmähen. Der Sultan würde den Waffen Maximilians zwar lieber entkommen, betrachtet es aber als sein Schicksal, von Maximilian besiegt zu werden und zieht es angesichts dessen sogar vor, sich taufen zu lassen, um die Niederlage erträglicher zu gestalten. Maximilian werde alle Könige an Ehre übertreffen und keiner werde ihm gleichen, weder zuvor noch später.95 Mit dieser Verbeugung des Sultans vor dem Römischen König endet das Gedicht.

Selbstverständlich geht es in den Versen nicht um die Ängste und Stärken der Osmanen und ihres Sultans, sondern um eine Mahnung an die regierende Oberschicht des Reiches durch den Gelehrten Sebastian Brant. Mit der Aufzählung all derjenigen Gebiete, die von den Osmanen im Lauf des 14. und 15. Jahrhunderts erobert wurden, weist er auf die bedrohte Lage Mitteleuropas und insbesondere des Reiches hin. Wie er den Sultan sagen lässt, sind als nächstes Polen, das Reich und Italien an der Reihe, erobert zu werden. Mit der Erwähnung des Xerxes im Zusammenhang mit dem Überschreiten des Hellesponts durch die Osmanen bildet

93 Vgl. BRANT, Thurcorum terror et potentia (zitiert nach WILHLEMI): „Sic vos Christicolae vestro quoque Maximiliano | (Belligero inprimis magnanimoque viro) | Viribus, ingenio, nummis, ope, conque meatu, | Navibus atque armis, aereque adeste gravi. | Huic si Gallorum rex, Hispani, atque Britanni, | Germanique duces, Italiaeque aderunt, | Heu quam plenus erit thurcorum sanguinis Ister, | Balthicus atque sinus Bosphoreumque mare” (V. 135-142).

94 Vgl. BRANT, Thurcorum terror et potentia (zitiert nach WILHLEMI): „Hi mala in adventu vestro mihi multa parabunt, | Suppetias vobis, et socia arma ferent: | „Heu timeo ne nos Germana per oppida circum | Maximilianus eo more modoque ferat, | Quo quondam Thamberlanes proavum quoque nostrum, | In cavea inclusum, duxit ad instar avis“ (V. 153-158). Bāyezīd I. wurde am 20. Juli 1402 von Timūr auf dem Schlachtfeld nahe Ankara gefangengenommen. Die Gefangennahme

Bāyezīds wurde von Brant auch in seinem Werk De origine erwähnt und endsprechend ausgeschmückt: Bāyezīd sei in einen Käfig gesperrt und in ganz Asien herumgetragen worden. Vgl.

De origine fol. [Pvj]v.

95 Vgl. BRANT, Thurcorum terror et potentia (zitiert nach WILHLEMI): „Palma haec a superis servata est Maximiliano | Cui soli Thurcos vincere posse datur“ (V. 163f) [...] „Nec dedignetur rex tantus forsan ab hoste | Laudari, laus est integra ab hoste quidem. | Mallem equidem illius posse arma, et proelia saeva | Effugere, at capiar, sic quia fata iubent. | Ante sed o liceat vestrum baptisma subire, | Et veram christi suscipere ante fidem, | Tum facile et leve erit, tantis cecidisse sub armis | Atque a magnanimo rege viroque capi, | Qui cunctis reges multo superabit honore | Par sibi nemo prius, nemo futurus erit“ (V. 171-180).

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Brant eine Parallele zur griechischen Geschichte, nämlich zur Bedrohung Athens und Griechenlands durch die Perser. Die geplante Einnahme der altehrwürdigen Stadt Rom legt einerseits einen Vergleich mit der Eroberung und Zerstörung Athens 480 v. Chr. nahe, andererseits trifft der Sultan damit den Nerv der „christianitas“, indem er die Zerstörung der Residenzstadt des Stellvertreters Christi androht. Den Grund für die bisherigen Erfolge der Osmanen sieht Brant in der Zerstrittenheit der christlichen Fürsten untereinander. Die logische Schlussfolgerung der Ausführungen des Sultans lautet mithin, dass die Europäer an der Expansion der Osmanen selbst schuld sind. Der Hohn des Sultans, es sei wohl weder Ehre und Anstand, noch Rechtschaffenheit und Gottesfurcht bei den christlichen Fürsten anzutreffen, weist ein moralisch-religiöses Defizit aus. Doch vermittels des anschließenden Lobes Maximilians gibt Brant den Seinen wieder berechtigte Hoffnung, dem vernichtenden Siegeszug der Osmanen entgegentreten zu können. Zugleich nutzt er die Verse zum Herrscherlob des zu Diensten stehenden Poeten, d.h. zur Anempfehlung seiner eigenen Person als Ratgeber und Günstling. Mit Blick auf das Türkenbild Brants ist dem Gedicht nicht sehr viel mehr als die Bedrohung der christlichen „patrimonia“ seitens der Türken zu entnehmen. Die Türken selbst erscheinen als eroberungsdurstig und furchtlos (bis sie Maximilian gegenüberstehen). Am Schluss des Gedichts überrascht, dass Brant offenbar eine Bekehrung des Sultans zum Christentum in Betracht zieht. Es ist gut möglich, dass Sebastian Brant mit diesem Gedicht das von Enea Silvio begonnene literarische Element der persönlichen Ansprache des Sultans vermittels eines Briefes weiterentwickelt und den muslimischen Herrscher nun antworten lässt. Anders als Enea Silvio, der in seinem Brief an Mehmed II. den Sultan von der Taufe überzeugen wollte und ihm dafür die Anerkennung als Kaiser versprach, nimmt Brant aber nicht von der militärischen Lösung Abstand, da er dem Sultan die Taufe zwar zubilligt, aber eine endgültige Unterwerfung unter Maximilian für unabdingbar hält. Brant bringt mit diesem Gedicht zum Ausdruck, dass er, anders als Enea in seinem Brief, nicht an eine Überzeugungslösung glaubt.

Weitaus drastischer betitelt Brant die Türken in einem Gedicht, das Maximilian I. gewidmet ist und bei dem es sich um eine Interpretation einer Missbildung handelt.96 Bei dem missgebildeten Wesen handelt es sich um zwei zusammengewachsene Schweine bzw. um ein Tier mit vier Ohren, acht Beinen, einem Kopf und zwei Mäulern. Dieses Übermaß an Beinen und Zungen bedeutet Brant zufolge „Eyn oberkeyt an Suwschen lyt“, ein Übermaß an säuischen Menschen, und zwar – an Türken: „Als Turcken, die man halt billich | Das ir wesen der Su syg glich, | Eyn Su ist eyn wu(e)st unreyn thier | Die in unflat su(o)cht all ir zier, | als du(o)t der

Türcken unreyn Schar | Jn allem unflat leben gar“. Hier taucht das Motiv des unreinen, schmutzigen Türken auf, ja schlimmer noch: „ Die Su der Türcken bruter ist, | Wol würd verglicht sie dem endkrist“. Die Sau bedeutet den Endchristen, die Türken werden mithin mit dem Satan gleichgesetzt. Die handschriftlich überlieferte

96 Sebastian BRANT: An den grosmechtigsten aller durchlichtigsten herren Maximilianum

Ro(e)mischen künig. Von der wunderbaren Su zu(o) Landser jm Suntgaw des jars

.M.CCCC.XCVj. Uff den erstentag des mertzen geboren Ein versa(e)helich ußlegung Sebastiani

Brant (Basel, nach 1. März 1496). Vgl. WILHELMI Nr. 158.

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deutsche Version weicht von der erstmals 1498 ebenfalls in den Varia carmina erschienenen lateinischen Version ab, aber auch in den lateinischen Versen ist von einer „bestia spurca“ (V. 59) die Rede, und weiter (V. 63-66) „Hinc Mahumetanam spurcamque libidine gentem | Hac designatam quis negat esse Sue? | Quae terrena sibi dumtaxat quaerit amatque | Et luxu vivit spurciciaque iugi“, also ebenfalls eine entsprechende Betitelung der Türken als schmutzig, habgierig und lüstern.97 Doch Sebastian Brants Optimismus obsiegt in diesem Gedicht (V. 122f, 126-129): „Doch frewt mich das dis wunderschwyn | Die leng nit ist in leben gsyn [...] Als hoff ich das, ob licht glich wol, | (Do vor uns gott behu(e)tten sol) | Ein Suwsch rumor uff erd entspring | das des glich ouch bald ab ging“. Mögen die Türken nicht länger leben als das Wunderschwein. Dafür kann wiederum Maximilian I. sorgen, dem Brant Gottes Hilfe dazu wünscht.

In dem Gedicht De corrupto ordine vivendi pereuntibus98 widmet Brant einen

Abschnitt den Türken. Dieser Abschnitt trägt die Überschrift Thurci irruptio und befindet sich zwischen Abschnitten, die die Translatio imperii und den Ausgang des Wormser Tags behandeln.99 Der Abschnitt beginnt auch hier mit einer kurzen Erwähnung der bereits geraubten Gebiete und der Ankündigung, dass die Türken bald am Rhein stünden und das Kaisertum verlorengehen werde. Die Zeitgenossen jedoch widmeten sich dem Wein, dem Luxus und dem Spiel. Heutzutage gebe es keine Eintracht mehr unter den Deutschen, noch Frieden, Gesetz oder Freundschaft, alle wüteten gegeneinander wie die Löwen und strebten danach, wie die Wölfe zu räubern. Wenn er doch, so wünscht sich Brant, ein falscher Zeichendeuter wäre, doch die eigenen Zeiten und Sterne sprächen anders. Man lebe im Zeichen des Krebses, und so seien schreckliche Kriege zu erwarten, der Rhein werde von Blut überschwemmt werden, ebenso die Quellen der Donau. Die höchsten Götter, wünscht sich Brant, möchten diese Pest vom germanischen Erdreich abwenden.100 Die Kriegsgöttin Bellona, die an den Ufern des Rheins wütet,

97 Sebastian BRANT: Ad sacrosancti Romani imperij invictissumum regem Maximilianum: de

portentifico Sue. in Suntgaudia: kalendis Marcijs Anno & xcvj. edito coniecturalis explanatio S.

Brant (Basel, nach 1. März 1496). Vgl. WILHELMI Nr. 157.

98 Vgl. BRANT, De corrupto ordine vivendi pereuntibus. Inventio nova Sebastiani Brant, in

BRANT, Varia Carmina, Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1498, fol. ar-bciijv. Vgl. auch

WILHELMI Nr. 195 (mit weiteren bibliographischen Angaben).

99 Zu dem Gedichtzyklus ausführlicher an anderer Stelle.

100 Vgl. Brant, „De corrupto ordine vivendi pereuntibus (zitiert nach WILHELMI). „Dum nos consulimus, Thurcus sua littora graeca | Posthabet, Illyricos Pannoniasque rapit, | Quique Istrum

prius obtinuit, mox littora adibit | Rhaeni, et Germanis inferet exitium. | Inde alio (timor est) regni

traducere sceptra | Cernemus, nostrum et deficere imperium. | Tradimus interea tam fortia corpora vino, | Et iuvat ignavae vivere luxuriae, | Noxius obiectus ludus, iacta alea pernix. | Senio diplicuit, unio saeva cadet. | Dii melius, vates utinam sim faslus, at illud | Fata canunt, monstrant tempora et astra docent. | Nec mirum nobis si cancer forte minetur, |Iam nuper Cancri caepimus ire viam. | Germanos vero genitos de germine quondam | Ac vere fratres fama fuisse canit. |

Nulla sed o superi est hodie concordia nostris | Germanis, nec pax: lex nec amicitiae, | Sed cuncti

inter se grassantur more leonum, | Raptorisque student vivere more lupi. | Heu quantum vereor

bella horrida bella nephanda, | Intestina simul suregere et ire procul. | Nam Rhaenum (metus est)

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ist ein Motiv, das auch in anderen Gedichten Brants auftaucht.101 Brant geht es auch hier in erster Linie darum, den Zeitgenossen einen Spiegel vorzuhalten. Das

moralische Argument ist überdeutlich und führt zum Narrenschiff zurück; von den Türken selbst ist hingegen kaum die Rede.

Alles in allem wiederholen sich die Argumente und die Art und Weise ihrer Präsentation. Die stets wiederkehrenden, gleichen Motive erinnern an Litaneien in Versform, die, mit Jan Assmann gesprochen, als rituelle Kohärenz in dem Sinne zu verstehen sind, dass die Leser mit dem Aufgreifen des immer wieder gleichen Themas auf immer wieder ähnliche Weise auf ein bestimmtes Bild eingeschworen werden sollen. In den Vordergrund ist dabei das Verhalten der Fürsten und Untertanen des Kaisers zu stellen. Brant liefert damit eine Art historisch-soziale

Untermauerung seiner im Narrenschiff dargestellten Verhaltensnormen. Herauszustellen sind ferner die Charaktereigenschaften der Türken, die immer wieder als schmutzig, lüstern, raubgierig und grausam beschrieben werden.102 Ihr

Ursprung wird sowohl in De origine als auch in dem Gedicht Thurcorum terror et

potentia als skythisch angegeben (und nicht als „Teucri“, wie z.B. in Schedels Weltchronik, womit ihre Abstammung von den Trojanern nahegelegt wird); „die Tragweite“, so Jean Schillinger, „dieser Herkunftszuweisung war alles andere als gering. Selbstverständlich wurden auf diese Weise die Türken von der Familie der zivilisierten Welt des Altertums ausgeschlossen und zu den Barbaren gezählt“.103 Damit lehnt sich Brant eindeutig an die Tradition an, die von Enea Silvio Piccolomini und Flavio Biondo begründet wurde.104 Brants Darstellung der Türken

fügt sich in den Diskurs seiner Zeitgenossen ein: „Zahlreiche Poeten der aetas

Maximilianea haben Ähnliches verfasst und damit eine rhetorische Topik verfestigt, die später nur noch dem jeweiligen Fall und den – allerdings manchmal komplizierten – politischen Umständen angepasst zu werden brauchte“.105

undandum sanguine multo, | Neve Istri fontes stagna cruoris agant, | Dii superi talem Germano avertite paestem, | Praelia pellatis Theutonicoque solo. | Longius in Thurcos Arabesque et Achaica

regna | Haec Bellona ferox pulsa et abacta ruat. | Regna etenim divisa cadunt, aditus datur hosti |

Perfacilis, dispar vertit aratra iugum”. Die kursiv gesetzten Verse finden sich wortwörtlich in einem Brief wieder, den Brant an Konrad Peutinger schrieb. Vgl. dazu die Ausführungen im nachfolgenden Kapitel.

101 So im Einblattdruck Pacis in Germanicum Martem naenia, vgl. dazu das nachfolgende Kapitel.

102 Vgl. dazu die Zusammenstellung der Brantschen Texte bei SCHILLINGER 2008, der sich insbesondere diesem Bild der Türken bei Brant widmet.

103 Vgl. SCHILLINGER 2008, S. 173.

104 Enea Silvio Piccolomini hat in seinem Werk De Europa der Herkunft der Türken ein eigenes

Kapitel gewidmet: Vgl. PICCOLOMINI, De Europa. S. 62-67. Es handelt sich um das 4. Kapitel mit der Überschrift “Turci: origo et historia usque ad Pii II tempora”. Dort widerlegt Enea ausdrücklich die Theorie der teucrischen Herkunft: “Video complures etatis nostre non oratores aut poetas dumtaxat, uerum etiam historicos, eo errore teneri, ut Teucrorum nomine Turcos appellent. credo eos idcirco motos, quoniam Turci Troiam possident, quam Teucri coluere. sed illorum origo ex Chreta atque Italia fuit; Turcorum gens scythica et barbara est”. Vgl. S. 62.

105 Vgl. KÜHLMANN 2000, S. 203.

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1.5. Eine von Brant herausgegebene antitürkische Schrift

Brant ließ auch die Traktate anderer drucken: Ein nach Deutschland gesandter Legat, Kardinal Raymond de Gurck, sollte Geld für den Türkenzug sammeln. In Straßburg hielt er sich dreimal in den Jahren 1501, 1502 und 1504 auf. Brant unterstützte ihn offenbar bei seinem Ansinnen: „ce fuit lui sans doute qui, afin d‟exciter l‟horreur du peuple, publia ou fit publier à Strasbourg une traduction, ornée d‟images, d‟un traité sur les projets des Turcs impies et maudits contre la chrétienté“.106 Es handelt sich dabei um einen bei Bartholomäus Kistler 1502

gedruckten Traktat mit dem Titel Der vermaledigsten unfrommen Türggen

anschläg und fürnemen wider die heiligen christenheit, die Übersetzung eines Traktats von Wilhelm Caoursin, dem Kanzler des Großmeisters von Rhodos, der den Text verfasste, um vom Papst Hilfe gegen die Türken zu erhalten. Caoursin begegnete bereits als Verfasser der Geschichte von Rhodos, deren Abbildungen zum

Teil in der deutschen Übersetzung von De origine erneute Verwendung fanden.

2. Discordia, cupiditas, ambitio: Das Scheitern des Türkenzugs

Das Osmanische Reich erstreckte sich im 16. Jahrhundert von Buda bis Bagdad, von der Krim bis zum Nil, und umfasste damit drei Kontinente. Die christlichen Niederlagen gegen die Osmanen sind zahlreich: die Schlacht auf dem Amselfeld (1389), bei Nikopolis (1396), der Verlust Konstantinopels (1453), die Eroberung des griechischen Kaiserreichs Trapezunt (1461), dann die Eroberung Ägyptens und die Einnahme Belgrads, um nur einige Beispiele zu nennen. Unter Mehmed II. (1451-1481)107 hatten die Türken nicht nur Konstantinopel unter ihre Gewalt gebracht, sondern auch den gesamten Balkan bis vor die Tore Venedigs,108 so dass die Italiener sich plötzlich türkischer Nachbarschaft gegenübersahen. Auch wenn innere Schwierigkeiten der Osmanen nach dem Tod Mehmeds II. keine Großangriffe mehr zuließen, so waren Raubzüge in die Österreichischen Lande (Krain, Steiermark) und nach Bosnien und Kroatien doch an der Tagesordnung.109 Es kann hier nicht darum gehen, die Gründe für den ungeheuren Erfolg der omanischen Eroberungspolitik aufzuspüren. Tatsache ist jedoch, dass es keine einheitliche antitürkische Linie im

106 Vgl. SCHMIDT 1879, Bd. 2, S. 217.

107 Zu Mehmed vgl. Ernst WERNER: Sultan Mehmed der Eroberer und die Epochenwende im 15

Jahrhundert. Berlin 1982 (Sitzungsberichte der sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-Historische Klasse. Band 123, Heft 2).

108 1459 fiel Serbien, 1463 Bosnien, 1466 Albanien. Vgl. Ägidius LEIPOLD: Die Ostpolitik König

Maximilians I. in den Jahren 1490-1506. Diss. (masch.) Graz 1966, S. 39. Zum Aufstieg des

Osmanischen Reiches vgl. allg. Ernst WERNER: Die Geburt einer Großmacht. Die Osmanen 1300-

1481. Ein Beitrag zur Genesis des türkischen Feudalismus. Weimar 1985 (Forschungen zur Mittelalterlichen Geschichte. 32).

109 Vgl. LEIPOLD 1966, S. 40.

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lateinischen Westen gab, sondern der Umgang mit diesen „Feinden“ sehr unterschiedlich gewesen ist. Die venezianische Serenissima trieb lieber Handel mit den Osmanen als sie zu bekriegen, und der französische König Franz I. und seine Nachfolger nutzten die Situation aus, um sich mit den Osmanen gegen die Habsburger zu verbünden. Daher beklagt Brant sicher zu Recht, dass seine Zeitgenossen nicht eben danach strebten, sich gemeinsam gegen die Türken zu wenden und dass ein Zurückdrängen der Osmanen unter diesen Umständen nicht zu bewerkstelligen war. Kirchenmänner sahen die christliche Religion in Gefahr und mussten die Eroberungen der Osmanen vor allem unter dem Gesichtspunkt des Verlustes von Einflussgebieten der Kirche und von Gläubigen sehen. Immerhin wurden nicht nur viele Christen bei Übergriffen getötet, sondern, und das trifft besonders auf den Balkan und die östlich angrenzenden Gebiete zu, viele bekehrten sich zum Islam. Stadtstaaten und Handelsmächte wie Venedig oder Genua dürften vor allem ihre wirtschaftlichen Interessen im Blick gehabt haben und sich weniger darum geschert haben, wer der Bevölkerung die Steuern abpresste, solange der Warenverkehr nicht gestört wurde. Für den Rest der Bevölkerung war wohl eher entscheidend, inwieweit sie durch kriegerische Handlungen in Mitleidenschaft gezogen wurden und ob sich die Lebensbedingungen unter den neuen Herrschern verbesserten oder verschlechterten. Vieles deutet darauf hin, dass die Herrschaft der Osmanen keineswegs eine Verschlechterung für die Bevölkerung darstellte, sondern häufig sogar eine Verbesserung.

2.1. Türkenkongresse und Kreuzzugsinitiativen

Es gab sowohl seitens der Kaiser als auch seitens der Päpste zahlreiche Bemühungen, das Türkenproblem in den Griff zu bekommen. Ablasskampagnen, eine Türkensteuer und Türkenglocken, das Glockenläuten zum Gebet zur Abwehr der Türken gehen bereits auf Papst Calixt III. zurück, der anlässlich der Verluste von 1456 diesen Brauch einführte; die anderen Einrichtungen sind meist auf das 16.-18. Jahrhundert zu datieren, haben ihre Ursprünge aber häufig schon im ausgehenden 15. Jahrhundert.110 Calixt III. hatte in Frankreich und Deutschland neben dem Türkengeläut auch einen Türkenzehnten erhoben, der zwar gerne von den Fürsten eingetrieben, aber häufig zweckentfremdet wurde.111 Die osmanische Bedrohung hatte auch Konsequenzen für die Reichsverfassung; die Einführung des Gemeinen Pfennigs ist, ebenso wie der Ewige Landfrieden, auch vor diesem Hintergrund zu

sehen. All dies hatte Sebastian Brant in der Mahnrede von De origine bitter beklagt. Die folgenden Zusammenfassungen können und wollen nur kursorisch sein; vieles

110 Vgl. ÖZYURT, S. 21-34, und MEUTHEN, S. 39.

111 Vgl. Ulrich ANDERMANN: Geschichtsdeutung und Prophetie. Krisenerfahrung und -

bewältigung am Beispiel der osmanischen Expansion im Spätmittelalter und in der

Reformationszeit, in: GUTHMÜLLER, KÜHLMANN 2000, S. 29-54, hier S. 32f, und Peter MORAW:

Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250-1490. Frankfurt am Main, Berlin 1989.

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wäre zu ergänzen und zu verbessern, doch erlaubt der gegebene Raum kaum mehr.112

2.1.1. Kreuzzugsinitiativen der Kurie in den Jahren 1450 bis 1518 Papst Nikolaus V. (1447-1455) hatte bereits wenige Tage, nachdem der Fall

Konstantinopels bekannt wurde, seine Legaten an die Fürsten Italiens geschickt. Er ließ umgehend fünf Triremen in Venedig bauen und versprach in seiner Kreuzzugsbulle vom 30. September 1453 einen vollkommenen Ablass, verlangte von allen Kardinälen und Beamten der Kurie den Zehnten und drohte harte Strafen für Sach- und Waffenlieferungen an die Ungläubigen an.113 Allerdings konnte er keine Unterstützung von den italienischen Stadtstaaten gewinnen, da diese ihre eigene Politik betrieben. Venedig suchte zu retten, was zu retten war, und schloss einen Friedenspakt mit der Pforte, worin die Serenissima versprach, keine andere christliche Macht mit Waffen, Geld oder sonstigem Bedarf gegen die Türken zu unterstützen. Der von Papst Nikolaus V. Anfang 1454 einberufene Friedenskongress in Rom blieb ohne Ergebnisse. Trotzdem kam ein Jahr später den Frieden von Lodi (9. April 1454) zustande114 und kurz darauf die Italienische Liga, bei der sich Venedig, Mailand, Florenz, Neapel und der Papst auf einen 25 Jahre währenden Frieden einigten. Damit war jedoch noch nichts gegen die Türken unternommen, sondern es waren bestenfalls die Voraussetzungen für die sich daran anschließende Phase des sogenannten „Gleichgewichts“ in Italien geschaffen (1454-1494).

Mit dem Pontifikat von Calixt III. (1455-1458) änderte sich die Türkenpolitik. Der neue Papst legte sofort nach seiner Wahl ein Gelübde ab, dass er alles unternehmen wolle, um Konstantinopel zurückzuerobern. Er schickte Nikolaus von Kues nach Deutschland und Kardinal Carvajal nach Polen und Ungarn. Die Bettelorden sollten den Kreuzzug predigen und Ablässe verkünden, alle Geistlichen wurden zum Türkenzehnten verpflichtet. Von ihm war auch der Franziskanermönch Johannes von Capestrano mit dem Predigen beauftragt. Selbst vor der eigenen Schatzkammer machte Calixt nicht halt: Er ließ Kostbarkeiten daraus in bare Münzen umprägen oder verkaufte sie. Er stellte die von Nikolaus V. begonnene

112 Vgl. grundlegend zu den folgenden Kapiteln Kenneth M. SETTON: The Papacy and the Levant

(1204-1571). 2 Bände. Philadelphia 1976-1078.

113 Vgl. Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. 1453-54. Herausgegeben von Helmut WEIGEL und Henny GRÜNEISEN (RTA 19/1). Göttingen 1969, S. 63. Vgl. auch Ludwig MOHLER:

Kardinal Bessarion als Theologe, Humanist und Staatsmann. Funde und Forschungen. Band 1: Darstellung. Paderborn 1923 (Quellen und Forschungen auf dem Gebiete der Geschichte. In Verbindung mit ihrem Historischen Institut in Rom herausgegeben von der Görres-Gesellschaft. 22), S. 276f.

114 Der Friede von Lodi beendete die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Venedig und dem Herzogtum Mailand. Die Geheimverhandelungen zwischen den beiden Parteien fanden gleichzeitig zu dem von Papst Nikolaus V. einberufenen Friedenskongress von Rom statt, der jedoch scheiterte. Der so zustande gekommene Vertrag zwischen Mailand und Venedig und der von ihnen abhängigen Gebiete schuf die Voraussetzung für die Liga vom 30. August, der auch Florenz beitrat,

und für die Italienische Liga von 1455. Vgl. Paolo MARGAROLI: Art. Lodi, Friede von, in: LexMa Bd. V, Sp. 2069.

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Bautätigkeit ein und ließ dafür eine Flotte erbauen: Er gedachte die Türken zu Land und zur See zu schlagen. Immerhin 25 Segelschiffe mit 300 Kanonen, 1000 Seeleute und 5000 Soldaten brachte Calixt auf; freilich viel zu wenig für einen erfolgreichen Schlag gegen die Türken. Trotz aller Bemühungen erreichte der Papst wenig. Immerhin wurde unter seinem Pontifikat die Aufhebung der Belagerung von Belgrad erreicht (1456). Da er weder von Friedrich III. noch von den anderen westeuropäischen Königreichen Unterstützung für seine Türkenkriegspläne erhielt, stützte er sich auf den albanischen Fürsten Georg Kastriota Skanderberg und auf Alfons von Aragón-Neapel. So gelang ein Seesieg gegen die Türken bei Metelino 1457. Der Führer der päpstlichen Flotte, Erzbischof Pietro Urrea von Tarragona, ließ jedoch einen Teil der für den Türkenkrieg gebauten Segelschiffe an der Seite von König Alfons I. von Neapel gegen Genua ausrücken und fiel damit dem Gesamtunternehmen in den Rücken.115

Mit der Wahl Enea Silvio Piccolominis zu Papst Pius II. (1458-1464) gelangte ein Mann an die Spitze der Kirche, der als Sekretär Friedrichs III. bereits eine glänzende Karriere absolviert hatte, die Situation im Reich kannte und großen Einfluss auf den Türkendiskurs in Deutschland genommen hatte. Als Humanist, Redner, Sekretär des Basler Konzils und Verfasser historischer und geographischer Werke konnte er als welterfahrener Staatsmann gelten. Er wollte dem Türkenzug universaleuropäische Dimensionen verleihen.116 Er war wie kein anderer Autor und Papst vor ihm mit einer solchen Intensität für die Bündelung und Verbreitung der Türkenkriegs- und Kreuzzugsthematik verantwortlich, und zwar sowohl mit Blick auf das Feindbild der Türken als auch auf die argumentative Kriegslegitimation.117 Zwischen literarisch-rhetorischer Propaganda und tatsächlichem Erfolg zeigen sich größere Diskrepanzen, deren sich Enea gleichwohl bewusst war. Als Redner predigte Enea Silvio bereits auf dem Basler Konzil von der Gefahr der vorrückenden Osmanen;

anlässlich der Krönung Friedrichs III. in Rom hielt er am 25. April 1452 mit Moyses

vir dei vor Kaiser und Papst die erste eigentliche Türkenrede; nach dem Fall Konstantinopels sprach er vor allem auf den deutschen Reichstagen, namentlich in Regensburg, Frankfurt und Wiener Neustadt.118 Als Papst versuchte er selbst, einen

115 Vgl. MOHLER 1923, S. 278-280, und Miquel BATLLORI: Art. Calixt III, in: LexMa Bd. 2, Sp. 1398f.

116 Zu Pius II. vgl. Enea Silvio Piccolomini Papa Pio II. Atti del Convegno per il quinto centenario della morte e altri scritti raccolti da Domenico MAFFEI. Siena 1968; HELMRATH 2000, S. 79-137

mit vielen weiteren Literaturangaben; Erich MEUTHEN: Art. Pius II, in: TRE Bd. 26, S. 649-652;

Ludwig Freiherr von PASTOR: Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters. Band 2: Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance von der Thronbesteigung Pius‟ II. bis zum

Tode Sixtus‟ IV. Freiburg i. Br. 1928, S. 19 und 49-81; Luisa ROTONDI SECCHI TARUGI (Hg.): Pio

II e la cultura del suo tempo. Atti del primo convegno internazionale 1989. Milano 1991 (Istituto di

Studi Umanistici F. Petrarca. Mentis Itinerarium). Franz Josef WORSTBROCK: Art. Piccolomini,

Aeneas Sylvius (Papst Pius II.), in: Die Deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band 7. 1989, S. 634-669.

117 Vgl. HELMRATH 2000, S. 82f.

118 Vgl. den Überblick bei HELMRATH 2000, S. 89-100. Der Titel der Regensburger Rede vom 16.

Mai 1454 lautet Quamvis omnibus; die Frankfurter Eröffnungsrede vom 15. Oktober 1454

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Kreuzzug gegen die Türken zu unternehmen. Zur Vorbereitung lud er die europäischen Fürsten 1459 auf einen Kongress nach Mantua, der praktisch erfolglos

blieb. Auf seine Bulle Vocavit nos pius reagierte kaum jemand; bei der Eröffnung des Kongresses am 1. Juni fehlte nicht nur Kaiser Friedrich III., auch die geistlichen und weltlichen Fürsten des Reiches erwiesen sich als saumselig. Der französische

König signalisierte gar offene Ablehnung. Eneas Rede Cum bellum hodie verbreitete sich zwar in ganz Europa,119 bewirkte aber kaum eine Reaktion. Schließlich setzte er sich selbst an die Spitze der Expedition, starb aber, als die venezianische Flotte am 15. August 1464 in Ancona eintraf.120

Paul II. (1464-1471) kümmerte sich kaum um das Türkenproblem. Er unterstützte zwar finanziell Georg Kastriota Skanderberg, begünstigte Matthias Corvinus in Ungarn, belegte den böhmischen König Georg von Podiebrad mit Bann und hielt gute Verbindung mit Friedrich III., galt aber als Barbar und Feind von Kunst und Wissenschaft.121 Er bestätigte den von Kaiser Friedrich III. ins Leben gerufenen Georgsorden (ordo militaris sub invocatione sancti Georgii) und kleidete den ersten Hochmeister feierlich am 1. Januar 1469 in San Giovanni im Lateran ein. Der Orden wurde zum Lob und Ruhm Gottes und der heiligen Jungfrau, zur Erhöhung des katholischen Glaubens, für des Kaisers Seelenheil und zur ehrenden Erinnerung des Hauses Österreich gestiftet.122 Friedrich III. sah sich zu der Ordensgründung veranlasst, weil er während der Belagerung der Wiener Burg angesichts seiner Not gelobt haben soll, bei glücklicher Abwendung der Gefahr ein Bistum zu gründen und einen Ritterorden vom hl. Georg zur Bekämpfung der Türken nach dem Vorbild der Johanniter und Templer einzurichten.123

Sixtus IV. (1471-1484) betrieb aktiv, aber wenig erfolgreich die Abwehr der Türken. Zu seiner Zeit hielten die Türken die italienische Stadt Otranto besetzt. Im Zusammenhang mit dem Türkenproblem sind auch seine erfolglosen Unionsverhandlungen mit dem Fürsten Ivan III. Vasilevic zu sehen.124

Constantinopolitana Clades. In Wiener Neustadt hielt Enea zwei Reden: im Februar In hoc

frequentissimo conventu und am 25. März Si mihi. Zu den Editionen vgl. HELMRATH 2000, S. 94.

119 Vgl. dazu HELMRATH 2000, S. 95. Demzufolge dürfte die Eröffnungsrede aus Mantua zu den am weitesten verbreiteten Türkenreden gehören.

120 Zu Enea Silvio Piccolomini vgl. Arnold ESCH: Art. Pius II., in: LexMa Band 6, Spp. 2190-2192;

R. EYSSER: Pius II. und der Kreuzzug gegen die Türken. Bukarest 1938 (Mélanges d'histoire

générale 2); A. MATANIC: L'idea e l'attratività per la crociata antiturca del Papa Pio II. (1458-

1464), in: Studi Francescani 61 (1964), S. 382-394; Gioacchino PAPARELLI: Enea Silvio

Picccolomini (Pio II). Bari 1950 (Biblioteca di cultura moderna 481); Berthe WIDMER: Enea Silvio

Piccolomini. Papst Pius II. Ausgewählte Texte aus seinen Schriften. Basel, Stuttgart 1960.

121 Vgl. Georg SCHWAIGER: Art. Paulus II, in: LexMa Bd. 6, Sp. 1823f.

122 Vgl. PLÖSCH 1959, S. 35.

123 Vgl. Walter WINKELBAUER: Kaiser Maximilian I. und St. Georg, in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs 7 (1954), S. 523-550, hier S. 526.

124 Vgl. Georg SCHWAIGER: Art. Sixtus IV, in: LexMa Band 7, Sp. 1944.

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Innozenz VIII. (1484-1492) bemühte sich, die Türkenabwehr zu einem gesamtchristlichen Unternehmen europäischer Politik zu machen: Er richtete 1484 an die italienischen Staaten und an die Mächte Europas eine Enzyklika mit Bitte um Hilfeleistungen angesichts der drohenden Gefahr durch die Türken. Dabei dachte er insbesondere an den deutschen König Friedrich III.125 1486 schickte er den Magister Raimund Peraudi sowie Gratian de Villanova, zwei spätere Generalkollektoren, zu Kaiser Friedrich und Maximilian, um ihnen seine Kreuzzugspläne zu unterbreiten; 1487 erließ er eine Kreuzzugsbulle, in der er die Kreuzzugsbereitschaft des deutschen Kaisers rühmte. Wegen politischer Auseinandersetzungen Friedrichs mit Frankreich hatte diese Initiative keinen Erfolg, so dass der Papst im März 1488 einen erneuten Appell an die deutschen Stände richtete mit dringender Bitte, der Türkengefahr beizukommen. Anlässlich des Frankfurter Reichstages 1489 schickte er ein Türkenbreve nach Deutschland und vermittelte einen Frieden mit Frankreich.126 Ein Jahr später, in den Monaten Juni und Juli 1490, fand in Rom ein Türkenkongress unter der Leitung des Papstes statt, auf dem ein auf drei Jahre angesetzter Kreuzzug mit drei verschiedenen Heeren geplant wurde, die dem Oberbefehl des deutschen Kaisers unterstehen sollten. Ein Heer sollte vom Papst und den italienischen Staaten aufgestellt werden, das zweite vom Reich, Ungarn, Polen und den christlichen Binnenstaaten, das dritte von den atlantischen Seemächten Frankreich, Spanien und England. Aber „während Spanien außer der Reconquista die afrikanische Nordküste ins Auge fasste, richtete Frankreich seinen Blick auf das aragonesische Unteritalien, Maximilian hingegen auf Ungarn. So verband jede Macht mit dem Kreuzzug recht eigensüchtige Ziele“.127 Das Unternehmen scheiterte an österreichisch-ungarischen Thronstreitigkeiten (Tod des Matthias Corvinus) und an Streitigkeiten zwischen Maximilian und Karl dem VIII.128

Alexander VI. (1492-1503) unterstützte die von Maximilian gestiftete St. Georgsbruderschaft, indem er sie mit einer Bulle bestätigte (13. April 1494) und ihr mitsamt seiner Kardinäle beitrat. Er rief die Geistlichkeit, die Ordensregularen, Mendikanten und nichtwaffenfähige Laien auf, durch Schenkungen und Gaben zur

125 Vgl. LEIPOLD 1966, S. 40f, und Hermann WIESFLECKER: Maximilians I. Türkenzug

1493/1494, in: Ostdeutsche Wissenschaft. Jahrbuch des Ostdeutschen Kulturrates 5 (1958), S. 152-178, hier S. 152.

126 Der Papst hatte sich aufgrund des Misserfolgs der Bulle von 1487 an den französischen Kaiser Karl VIII. gewandt, in dem er die Überzeugung wecken konnte, für die Wiedererlangung des Königreiches Jerusalem und die Besetzung des byzantinischen Kaiserthrones prädestiniert zu sein. So gelang es dem französischen Herrscher auch, mit Hilfe des Papstes den Sohn Mehmeds und Bruder Bayazids II., Dschem, den Rhodesiern abzugewinnen und als Pfand nach Frankreich zu schaffen. Mit diesem Trumpf in der Hand und der Einigung Frankreichs mit dem deutschen Reich gelang es, Dschem zu dem Versprechen zu bringen, die Türken aus Europa abzuziehen und vielleicht sogar Konstantinopel wieder „herauszurücken“. Vgl. LEIPOLD 1966, S. 39-42.

127 Vgl. WIESFLECKER 1958, S. 153.

128 Vgl. LEIPOLD 1966, S. 43-46. Karl VIII. hatte aufgrund der Abmachungen mit dem Papst kein Interesse an der Unterstützung des deutschen Königs; mit der Einverleibung der Bretagne in sein Reich konnte er Maximilian erfolgreich von seinen Kreuzzugsplänen abhalten. Vgl. auch WIESFLECKER 1958, S. 152f.

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Verteidigung des Glaubens beizutragen. Er verlieh der Bruderschaft eine Anzahl weltlicher und geistlicher Privilegien. Neben kleineren Ablässen von 100 Tagen bis zu 33 Jahren gewährte er denjenigen einen vollkommenen Ablass, die ein Jahr lang Kriegsdienst für den Glauben leisteten, ebenso den im Bruderschaftsheer als Seelsorger tätigen Geistlichen und Mendikanten. Pilgerschaftsgelübde, insbesondere die drei großen nach Jerusalem, Rom und Santiago, konnten zugunsten eines Kostenbeitrags für die Glaubensverteidigung an die Bruderschaft abgeändert werden. Neben diesen geistlichen Ebnungen übertrug der Papst die Zisterzienserabtei Vikring in Kärnten und die Benediktinerabtei St. Jakob zu den Schotten der Bruderschaft. Er erklärte beide für aufgehoben und stellte sie dem Ritterorden zur Verfügung. In einem Breve verordnete er überdies den Erzbischöfen und Bischöfen, an vier aufeinanderfolgenden Sonntagen in allen Kathedral-, Pfarr- und Klosterkirchen Bittprozessionen gegen die Türken abhalten zu lassen und die dabei gesammelten Kreuzzugsgelder dem Georgsorden zur Verfügung zu stellen.129 Während eines Kreuzzugskongresses 1500 in Rom spielten Maximilians Gesandte eine Nebenrolle; es bestand die Gefahr eines Kreuzzuges ohne Beteiligung Maximilians bzw. sogar gegen ihn, unter französischer Patronage (dem türkischen Angriffsstoß gegen Venedig begegneten damals neben den Venezianern päpstliche, spanische und französische Schiffe).130

Julius II. (1503-1513) widmete sich vor allem inneritalienischen Problemen. Er versuchte, auf der Grundlage eines gefestigten Kirchenstaats ein starkes Papsttum in einem von Fremdherrschaft freien Italien zu errichten. Durch die Heilige Liga mit Venedig und Spanien (1511) konnte Julius vorübergehend mit Hilfe der Schweizer die Franzosen aus Italien vertreiben. Damit leistete er jedoch ungewollt der spanischen Vorherrschaft in Italien Vorschub.131

Leo X. (1513-1521) hatte zunächst versucht, mit dem französischen König Franz I., der Maximilian in Marignano besiegt und sich dabei die Herrschaft über Oberitalien gesichert hatte, über einen Türkenzug zu verhandeln. Bei einer Geheimkonferenz im Dezember 1515 hatten die beiden Protagonisten bereits über die Aufteilung des Osmanenreiches verhandelt. Allerdings stand dem Unternehmen, wie so oft, das Fehlen eines allgemeinen Friedens der Christenheit im Wege. Im Oktober 1516 trug Leo dem französischen König die Leitung des Kreuzzuges an, allerdings verhandelte Franz I. Anfang 1517 auf dem Kongress von Cambrai im Geheimen mit Karl I. und Maximilian, um einen Kreuzzug zu dritt ohne Beteiligung des Papstes auf die Beine zu stellen. Der Kaiser unterrichtete den Papst jedoch über dieses Ansinnen, und somit blieb die Initiative auf dem Papier stehen. Dennoch fassten der Papst und die Kardinäle auf dem Laterankonzil im März 1517 einen Kreuzzugsbeschluss und schickten Sonderlegaten zu den christlichen Häuptern mit der Aufforderung zur Teilnahme. Die Dringlichkeit des Unternehmens wurde durch

129 Vgl. PLÖSCH 1959, S. 46f.

130 Vgl. Georg WAGNER: Der letzte Türkenkreuzzugsplan Kaiser Maximilians I. aus dem Jahre

1517, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 77 (1969), S. 314-353, hier S. 219.

131 Vgl. Georg SCHWAIGER: Art. Julius II, in: LexMa Band 5, Sp. 805.

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Sultan Selims I. Erfolge in Ägypten bestätigt, da dieser nun von Alexandria aus Italien bedrohte. Im November 1517 versammelte Leo seine Kardinäle und einige „Ostexperten“ sowie Gesandte verschiedener europäischer Mächte und ließ eine

Denkschrift Consultatio Romana ausarbeiten,132 in der er einen Bund zwischen ihm und den Fürsten vorschlug. Es sollte eine Besteuerung der Geistlichen und der Laien geben. Der geplante Feldzug sollte mit drei Heeresgruppen erfolgen, die von Italien aus über den Balkan gegen Konstantinopel ziehen sollten, und zwar zu Land und zur See. Alle anderen Gebiete sollten im Anschluss an die Wiedereroberung der ehemaligen Hauptstadt des byzantinischen Reiches fallen. Die Aufteilung der osmanischen Gebiete würde unter der Aufsicht des Papstes erfolgen. Die Beute sollte entweder christliches Gemeingut werden oder je nach Beitragsleistung unter den Teilnehmern aufgeteilt werden. Leo sandte die Denkschrift an alle europäischen Fürsten und bat um rasche Antwort. Der Kreuzzugsplan wurde von Maximilian I. aufgegriffen und gilt als das letzte große geplante Türkenunternehmen des deutschen

Kaisers.133 Am 6. März des Jahres 1518 erließ Leo eine Bulle Bulla considerantes ac

animo revolventes generale consilium, mit der er der Christenheit die Notwendigkeit eines Waffenstillstandes für fünf Jahre einbläute und sich als Schlichter für Streitigkeiten anbot. Am 13. März verkündete er feierlich in der Kirche Santa Maria sopra Minerva den fünfjährigen Frieden und den heiligen Krieg. Doch trotz einer anschließenden großen Rede Kardinal Jakob Sadolets, in der die Verdienste der europäischen Könige und Fürsten um die heilige Sache herausgestellt wurden, geschah nichts. Papst Leo X. Türkenzugsinitiativen verliefen ebenso im Sand wie die seiner Vorgänger.134

Trotz aller Initiativen und Bemühungen schaffte es keiner der Päpste seit dem Fall Konstantinopels, sich erfolgreich an die Spitze eines Türkenzugs zu setzen oder ein solches Unternehmen zwischen den europäischen Fürsten zu vermitteln. Zu sehr waren die einzelnen Mächte in Italien mit ihren eigenen Interessen beschäftigt, um den Papst zu unterstützen, geschweige denn gelang es, die Kräfte auch außerhalb Italiens zu bündeln und eine gemeinsame Unternehmung unter der Führerschaft des heiligen Stuhls zustande zu bringen. Die steten Spannungen zwischen der französischen Krone und den Habsburgern vereitelten einen gemeinsamen Schlag der Christenheit ebenso wie die Uneinigkeit der Machthaber im Reich.

2.1.2. Maximilians I. Türkenzugspläne und die St. Georgsbruderschaft Der Türkenkrieg schien eine Aufgabe zu sein, die Maximilian I. in die Wiege

gelegt worden war: „Maximilian [war] seit seiner Erhebung zum König fest entschlossen, den Türkenkrieg nicht bloß als eine Last, sondern als ein Hauptanliegen der Christenheit auf sich zu nehmen und womöglich ganz Europa

132 Sanctissimi domini nostri papae Leonis decimi una cum coetu cardinalium

christianissimorumque regum et principum oratorum consultationes pro expeditione contra

Thurcum [...], 12. November 1517. Ausführlichere Angaben bei WAGNER 1969, S. 321, Anm. 22.

133 Vgl. WAGNER 1969, S. 321f.

134 Vgl. WAGNER 1969, S. 348.

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unter dem Ehrenvorrang des Kaisers zu einem Türkenunternehmen zu sammeln“.135 In der Tat sind die Jahre seit seiner Erhebung zum deutschen König bis hin zu seinem Tod von verschiedensten Unternehmungen und Planungen, die alle einen großen Kreuzzug gegen die Türken ermöglichen sollten, durchzogen. Beinahe ebenso kontinuierlich lassen sich die Versuche Sebastian Brants verfolgen, Maximilian mit seiner Autorität als Gelehrter und Dichter zu unterstützen. Doch zunächst hatte Maximilian das Türkenproblem von seinem Vater Friedrich III. geerbt; er wurde in die von Papst Innozenz VIII. geleitete Türkenkriegsinitiative einbezogen. In dem geplanten Vorhaben sollte Kaiser Friedrich III. als Teil der zweiten Heeresgruppe sein Heer bei Wien versammeln. Friedrich III. hatte den Oberbefehl für sich beansprucht und auch erhalten. Da aber aufgrund von Differenzen bezüglich der Finanzierung des Zuges der Kongress in Rom vorzeitig beendet wurde und mit dem Tod des Matthias Corvinus und dem „Brautraub“ Karls VIII. die ursprüngliche Planung hinfällig wurde, blieb dieses Unternehmen lediglich auf dem Papier bestehen. Die Idee, drei Heeresgruppen aufzustellen, wurde von Maximilian allerdings knapp 30 Jahre später, in den Jahren 1517/18, wiederaufgegriffen und weiterausgefeilt. Die erste eigene Initiative Maximilians war der Türkenzug, den er nach dem Tod seines Vaters Friedrich III. in die Wege leitete. Durch den Tod des ungarischen Königs Matthias Corvinus entstand in Ungarn ein Vakuum. Das Königreich drohte, nicht mehr als das Bollwerk zu dienen, das es unter Matthias einst war. Besonders die sogenannte „Kroatenschlacht“ 1493 verbreitete erneut Angst und Schrecken. Zu den umfangreichen Kriegsvorbereitungen Maximilians zählte die von Brant erwähnte Gründung der St. Georgsbruderschaft und die Stationierung ihrer Ritter an der türkischen Grenze.136 Da ein gesamtchristliches Unternehmen zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Beine gestellt werden konnte, diente die Bruderschaft vor allem als provisorische Maßnahme, um die Grenze im Osten zu sichern. Das Heeresaufgebot, das

135 Vgl. WIESFLECKER 1958, S. 152, und LEIPOLD 1966, S. 38. Zur Türkenpolitik Maximilians I.

vgl. auch Hermann WIESFLECKER: Kaiser Maximlilian I. Das Reich, Österreich und Europa an

der Wende zur Neuzeit. Band 2: Reichsreform und Kaiserpolitik. 1493-1500. Entmachtung des Königs im Reich und in Europa. München 1975, S. 151 - 165.

136 Bereits Friedrich III. gründete 1469 einen Georgsritterorden; Maximilian dann 1493 und 1503

eine Georgsbruderschaft. Vgl. Holger KRUSE: St. Georgs-Ritterorden (1469), in: Holger KRUSE, Werner PARAVICINI, Andreas RANFT (Hg.): Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland. Ein systematisches Verzeichnis, Frankfurt am Main u.a. 1991

(Kieler Werkstücke D/1), S. 407-416, und DERS.: St. Georg (1493), in: Ebd., S. 470-472; PLÖSCH 1959; WINKELBAUER 1954. Dass gerade Georg als Patron des neuen Ordens gelten sollte, hat zum einen mit dem besonderen Verhältnis der Habsburger zu diesem Heiligen zu tun, insbesondere unter Maximilian, zum anderen dürfte ein Ritterorden unter dem Zeichen des hl. Georg auch deshalb erfolgversprechend gewesen sein, weil die Verehrung des Georg gerade in der Zeit um 1500 einen besonderen Höhepunkt erfahren hat. Der Heilige schien auf besondere Weise kriegerischen Ruhm und christlichen Heldenmut in sich zu vereinigen und eignete sich als heroisches Vorbild für alle Stände. Er wurde folglich von Rittern und Reitern, Schützen und Waffenschmieden, Soldaten und Wanderern, aber auch von Bauern als Schutzherr angesehen. Vgl.

WINKELBAUER 1954, S. 524, und Tanja REINHARDT: Die habsburgischen Heiligen des Jakob

Mennel. Diss. Freiburg i. Br. 2002.

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Maximilian 1493 bestellte, blieb jedoch ohne Arbeit, da die Türken sich trotz zahlreicher vorheriger Stürme in die Steiermark und Krain zurückhielten, so dass Maximilian seine Landsknechte wieder nach Hause schicken konnte. Zudem war vom ungarischen König Wladislaw keine Unterstützung zu erwarten,137 „König Maximilian war zu spät gekommen. Der Türke hatte sich samt seiner ungeheuren Beute noch einmal ungestraft zurückziehen können“.138 Alles in allem hatte das Unternehmen einen defensiven bzw. abwartenden Charakter, „um gegebenenfalls als Befreier die Hand auf Ungarn und Kroatien legen zu können und so die 1490 verhinderte Erwerbung dieser Länder zu vollziehen“.139 Der für das kommende Frühjahr 1494 geplante Feldzug scheiterte erneut an den Kontroversen mit Frankreich, da Karl VIII. unter dem Deckmantel eines eigenen Türkenkreuzzuges Neapel erobern wollte und somit Maximilians Stellung in Italien gefährdete. Trotz des Beitritts des Papstes samt seiner Kardinäle zur St. Georgsritterbruderschaft musste Maximilian wegen den französischen Plänen von seinem Feldzug für 1494 Abstand nehmen; derweil rückten die Türken wieder vor.140 Als Karl VIII. im Sommer in Italien einfiel, war an einen Türkenzug nicht mehr zu denken. Maximilians Bemühungen um einen Frieden mit Frankreich, den er bitter benötigt hätte, um im Osten gegen die Türken operieren zu können, scheiterten. Er war gezwungen, zunächst Italien und die Kaiserkrone zu sichern. Bei der Ausschreibung für den Reichstag im Frühjahr 1495 ließ er durchblicken, dass der Krieg gegen Frankreich den Vorzug vor den Türkenzügen erhalten müsse.141 Im April 1495 trat er daher einem Waffenstillstand bei, den König Wladislaw von Ungarn mit den Türken ausgehandelt hatte.142

Zeitgleich bediente er sich verstärkt der St. Georgsbruderschaft. Am 28. Oktober 1494 proklamierte er die Annahme der Insignien des Ordens von Antwerpen aus.143 In dem Mandat führt er der Christenheit die allgemeine Türkennot vor Augen und weist auf die Bruderschaft hin, die zur Abwehr der Türken gegründet und von Papst und König bestätigt und privilegiert sei. Mit seinem persönlichen Eintritt bekundet er seinen Willen, demnächst einen Türkenzug unternehmen zu wollen, zu welchem ihm fast alle christlichen Könige ihre Unterstützung zugesagt hätten. Er wolle ferner bald die Fürsten zu einem Reichstag laden (Worms) und sie um Hilfe für das

137 Vgl. WIESFLECKER 1958, S. 159-165.

138 Vgl. WIESFLECKER 1958, S. 165.

139 Vgl. PLÖSCH 1959, S. 47.

140 Vgl. WIESFLECKER 1958, S. 170f.

141 Vgl. WIESFLECKER 1958, S. 174. Die kaiserliche Flugschrift, die diesen Prioritätenwandel deutlich machte, ist unter dem Titel „Traum des Hans von Hermannsgrün“ bekannt geworden. Vgl. dazu WIESFLECKER 1959.

142 Vgl. WIESFLECKER 1958, S. 174 und LEIPOLD 1966, S. 62-72. Hinderlich für Maximilian war auch das geringe Interesse der Stände an der Reichspolitik: Sie sahen in Maximilians Bestrebungen, Ungarn unter seine Fittiche zu bekommen, vor allem ein Mittel zur Stärkung seiner Hausmacht. Vgl. LEIPOLD 1966, S. 46. Zu dem Waffenstillstandsabkommen vgl. auch RTA / Mittlere Reihe: Band 5, Nr. 298.

143 Vgl. RTA / Mittlere Reihe: Band 5, Nr. 7.

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Unternehmen bitten. Angesichts der Lage Kroatiens und der Erbländer solle möglichst jedermann der Bruderschaft beitreten und so zur Verteidigung des Glaubens beitragen. Als Lohn für den Einsatz verspricht er den Erhalt eines Teils der eroberten Gebiete und Herrschaften. Jeder Ritter, der mitmachen wolle, würde von seinem Erzbischof oder Bischof die militärischen Abzeichen erhalten. Während eines feierlichen Gottesdienstes, zu der der Beitrittswillige bereits in Kreuzzugsrüstung erscheinen solle, erhalte der Ritter als Gegenleistung für den Eid, ein Jahr lang auf eigene Kosten unter dem Römischen König zu Wasser und zu Land gegen die Türken zu kämpfen, ein goldenes Kreuz mit einer goldenen Krone am rechten Arm angeheftet, das man nach Belieben mit Edelsteinen beschlagen könne. So als Bruderschaftsritter erkennbar, dürfe man immer und überall das Kreuz tragen und genieße Vorrang vor allen übrigen Rittern, sogar vor denen vom Heiligen Grab oder der Tiberbrücke. Da man für die geleisteten Dienste auch die Krone des Himmels empfangen würde, erhalte man von Maximilian den Namen eines „miles coronatus“. Nach geleistetem Dienst dürfe man das Kreuz auf den Waffen, Siegeln und Grabsteinen führen und könne für weitere Heldentaten weitere Kronen erhalten. Adlige wie Nichtadlige verpflichten sich, alle Dienste wie Gesandtschaften und andere, für den Türkenkrieg notwendige Geschäfte zu übernehmen. Das Mandat enthält noch einige Bestimmungen für die gemeinen Leute, denen ebenfalls verschiedene Ehrenzeichen und Auszeichnungen versprochen werden, sowie verschiedene Bestimmungen im Falle von Krankheit u.a.144 Die Bestimmungen, die Maximilian hier herausgab, dienten dazu, ihm ein stehendes, allein ihm gefügiges Heer zu schaffen, das er nach Belieben einsetzen konnte. Maximilian schuf damit die Voraussetzungen für einen Angriffskrieg, da er, anders als noch 1493, auch außerhalb des Reiches operieren und seine Ritter für andere Dienste als den direkten Kampf einsetzen konnte.145 Er ließ die Ordnung als Flugblatt an alle katholischen Könige, geistlichen und weltlichen Fürsten sowie deren Untertanen versenden. Er appellierte an die Mildtätigkeit der Christen, da er selbst nicht über genügend Mittel verfüge, und versprach, noch im selben Winter Pässe, Wege und Distrikte an der türkischen Grenze zu besetzen und mit der nötigen Kriegsausrüstung versorgen zu lassen. Im kommenden März 1495 wolle er zusammen mit seinem niederländischen Heer, mit dem burgundischen und dem österreichischen Kriegsvolk, den Kriegsleuten der Reichsfürsten und den Kriegern aller übrigen christlichen Könige und Fürsten die Türken angreifen und besiegen. Daher sollten alle der Bruderschaft beitreten. In der Ausschreibung zum Wormser Reichstag betonte Maximilian zugleich die Notwendigkeit der Erlangung der Kaiserkrone, da er dies als Voraussetzung für das Gelingen des Türkenzugs ansah. Damit schien er auch die von den Reichsständen dringend geforderten

144 Zu den Inhalten des Mandats vgl. PLÖSCH 1959, S. 51.

145 Plösch vermutet, dass Maximilian nicht nur ein Heer gegen die Türken aufbauen wollte, sondern auf diesem Wege auch eine Truppe zur Verfügung hätte, die ihn auf seinem geplanten Romzug unterstützen würde. Wenn Maximilian zuerst nach Italien reisen wollte, um sich die Kaiserkrone zu sichern, und anschließend nach Südosten weiterziehen wollte, um gegen die Türken zu kämpfen, dann ließe sich dies alles mit den Statuten der Bruderschaft vereinbaren. Vgl. PLÖSCH 1959, S. 52-54.

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Reformverhandlungen umgehen zu wollen, denn er beraumte für den Tag bescheidene 14 Tage an. Maximilians Planungen ließen sich nicht umsetzen, da nicht nur der Wormser Reichstag verspätet begann, sondern mit der Gründung der Heiligen Liga von Venedig im März 1495 sich auch die Verhältnisse in Italien entscheidend veränderten.146 Der Romzug, der zunächst auf 1496 verschoben wurde, unterblieb ebenso wie der geplante Türkenzug.147

Sebastian Brant widmete dem Wormser Bischof Johann von Dalberg anlässlich der Gründung der Liga ein Gedicht. Der Papst habe daran erinnert, dass man die Braut Christi erhalten und das Schiff der Kirche vor den gefährlichen Wellen retten und in den Hafen bringen müsse. Daher habe er um Beistand gebeten und Könige und Fürsten zusammengerufen, die zusammen eine Liga gegründet hätten. Diesen Tatsachenpräliminarien folgt – wie kaum anders zu erwarten – eine Lobpreisung Maximilians. Jener führe die mit starker Brust bewehrten und in der Kriegskunst erfahrenen Deutschen mit sich. Er werde auch bald Italien und Rom beschützen und dann sämtliche Feinde besiegen. Brant widmet auch den anderen Beteiligten einige Zeilen; Ferdinand II. von Spanien stehe mit Waffen und Tugendhaftigkeit bereit. Seine Erfolge gegen die Afrikaner werden gelobt und die Größe seiner Gattin Elisabeth mit den Siegen gegen die Sarazenen und der erfolgreichen Vertreibung der Juden in Verbindung gebracht. Die Venezianer werden zumindest als mächtig bezeichnet. Der Mailänder Herzog findet lediglich Erwähnung, der Papst schließlich möge die Kirche erhalten. Dem folgt eine Klage über die schlechten Zeiten und die Hoffnung, die Fürsten möchten diesen stürmischen Zeiten den Frieden bringen. Maximilian möge es gelingen, den Zorn der Türken und die Waffen Mohammeds zurückzuwerfen. Brant wünscht sich, dass die Liga möglichst lange bestehen bleibe und Maximilian langes Heil beschieden sei.148 Wiewohl die Liga eigentlich zum Ziel hatte, die Franzosen aus Italien zu vertreiben, preist Brant sie als Bündnis zur Bekriegung der Türken. Deutlich wird in den Versen neben dem Lobpreis der Liga auch die geplante Politik Maximilians, nach Italien zu ziehen und im Anschluss daran die Ungläubigen zu besiegen. Auch wenn die Rahmenbedingungen dies längst

146 Vgl. Hermann WIESFLECKER: Maximilian I. und die Heilige Liga von Venedig (1495), in: Festschrift für Wladimir Sas-Zaloziecky zum 60. Geburtstag. Graz 1956, S. 178-199.

147 Vgl. PLÖSCH 1959, S. 54.

148 SEBASTIAN BRANT: Ad reverendissimum patrem et dominum Johannem Dalburgi

Vuormatiensem praesulem de salutifera summi pontificis Alexandri sexti cum serenissimo

Maximiliano Romanorum augusto alijsque nonnullis regibus principibusque christianis anno

domini 1495 kalendis aprilibus facta confoederatione congratulatio Sebastiani Brant. In: Varia

Carmina. Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 148: „Divus Alexander [...] Sextus [...] Is memor, ut valeat sponsam Christi atque columbam | Servare, hostiles et fugere insidias, | Quoque ratem ecclesiae saevis defendere ab undis, | Ducere et in portum, protegere atque queat [...] Hic quoque Alemannos, fortissima pectora, secum | Ducet, et expertos in fera bella viros. | His propere Italiam Romamque tuebitur, armis | Ut decet, inde hostes deprimet omnigenos [...] Venetus [...] ille Senatus | [...] | Qui virtute sua regnum maris hactenus armis | Tutatus longe sceptra secunda tenet [...] Nescio quid fati divina potentia monstrat, | O bona temporibus saecula nata meis. | Quis saltem a prima repentens vel origine mundi | Talia commemoret? seu paria ulla ferat? | Sed faxint superi pacemque hoc tempore, nostris | Dent rogo principibus christicolis bonam”.

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nicht mehr ermöglichten, hielt Brant an den Zielen seines Königs fest. Nicht weniger deutlich wird die Vorrangstellung Maximilians vor den anderen Bündnispartnern.

Auf dem Reichstag selbst hielt Maximilian eine dichterisch verklärte Türkenrede und verhinderte weitgehend die Reichsreformen, die ihm zur Bekriegung der Türken Deutschlands Hilfsquellen erschlossen hätten: „Er setzte der Osmanengefahr ein Trugbild entgegen, den kaiserlich-päpstlichen Gedanken der längst unausführbar gewordenen Kreuzzüge [...]. Es kam ihm zunächst darauf an, zur Verwirklichung dieses „gotischen Gedankens‟ die alte Kaisermacht in Italien wieder herzustellen“.149 Diese Bewertung Babingers dürfte in Teilen zu revidieren sein, denn, wie sich im folgenden noch zeigen wird, verfolgte Maximilian eine doppelte Strategie: Auf der einen Seite hatte er sich nach den realen Begebenheiten und Möglichkeiten zu richten und tat dies auch, auf der anderen Seite unterhielt er eine stete Propaganda, zu der die Forderung nach Geld und anderer, jedweder Unterstützung der Türkenkriegspläne gehörte. Die Kreuzzugsidee und der Ritterorden sind nicht nur, aber auch Teil dieser Propaganda. Maximilians Türkenpolitik zeichnet sich durchaus auch durch die Verpflichtung zu Ritterlichkeit aus. Dies zeigt nicht nur der Georgsorden, der in seiner Struktur und mit seinen Aufgaben an die alten Kreuzritterorden erinnert – Georg war ja auch der Patron der Kreuzritter –, sondern auch sein Verständnis von bewaffneter Auseinandersetzung, wie das folgende Beispiel zeigt. Auf der anderen Seite hat sich Maximilian aber auch um eine einstweilige friedliche Koexistenz mit dem Osmanischen Reich bemüht, und zwar zum Schutz der ständig von den türkischen Heerscharen heimgesuchten österreichischen Länder Krain, Steiermark und Kärnten. Seine Politik war also zweigleisig. Dies zeigt sich schon in seinem Beitritt zu dem Waffenstillstand zwischen dem ungarischen König und Bayezid II. im Frühjahr 1495.150 In Jahren 1496 und 1497 gab es diplomatische Beziehungen zwischen Abgesandten der Pforte und dem deutschen König.

Auf seinem Italienzug 1496 hielt Maximilian in Vigevano, etwa 40 Kilometer südwestlich von Mailand, in einem Schloss der Visconti Hof und empfing dort einen Abgesandten Bayezids II. Das stattliche, prunkvolle Auftreten des Sendboten Andreas Grecus-Pontcaracce hatte den deutschen König stark beeindruckt. Er ließ den türkischen Herrscher bitten, nicht weiterhin Scharmützel und Überfälle auf das Reichsgebiet zu unternehmen, sondern seine Kräfte für einen ordentlichen,

149 Vgl. Franz BABINGER: Zwei diplomatische Zwischenspiele im deutsch-osmanischen

Staatsverkehr unter Bayezid II. (1497 und 1504), in: DERS.: Aufsätze und Abhandlungen zur Geschichte Südosteuropas und der Levante I. München 1962 (Südosteuropa. Schriften der Südosteuropa-Gesellschaft 3), S. 254-269, hier S. 258.

150 Gröblacher geht davon aus, dass Maximilian zu dieser Zeit nach dem Preßburger Friedensvertrag den diplomatischen Verkehr mit der Pforte dem ungarischen König überließ und dem Waffenstillstand nicht expressis verbis beigetreten ist, da er sich in keiner Weise vertraglich binden wollte. Dies geschah erst nach dem misslungenen Italienzug im folgenden Jahr. Vgl.

GRÖBLACHER, Johann: König Maximilians I. Gesandtschaft zum Sultan Baijezid II, in: Alexander NOVOTNY, Othmar PICKL (Hg.): Festschrift Hermann Wiesflecker zum 60. Geburtstag. Graz 1973, S. 73-80, hier S. 74.

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organisierten Schlagabtausch zu sparen. Damit wollte er nicht gezwungen werden, einen überhasteten Vertrag mit Karl VIII. von Frankreich schließen zu müssen. Dies bedeutete nichts anderes, als dass Maximilian „einerseits vom türkischen Sultan die Herstellung fairer Kampfbedingungen verlangte und somit ausdrücklich an seinen Türkenzugsbestrebungen festhielt und andererseits die Einstellung der türkischen Angriffe auf seine österreichischen Erbländer forderte. Letzteres war nur durch den Abschluss eines bilateralen Waffenstillstandes zu erreichen.“151

Im Juli 1497 trafen sich die türkischen Abgesandten, die Abgesandten Venedigs, Neapels, Mailands und Spaniens, der päpstliche Nuntius Raimund Peraudi, einige Reichsfürsten und Maximilian selbst nahe des Tiroler Zisterzienserklosters Stams. Der Sultan ließ ausrichten, dass er mit der Liga von Venedig und dem deutschen König „bona amicitia“ pflegen wolle und dass er einen Botschafter in Istanbul erwarte, der einen Vertrag in die Wege leiten sollte. Maximilian entsandte zwei Botschafter nach Konstantinopel. Sie erwirkten im folgenden Jahr den Abschluss eines Waffenstillstandes, der am 1. August 1498 in Kraft trat und danach öfters erneuert wurde. Maximilian hielt seine diplomatischen Verhandlungen zunächst geheim, um weiterhin Gelder für den Türkenzug einwerben zu können, gab aber nach dem Scheitern des Wormser und des Kölner Reichstages sein Geheimnis dem Erzbischof und Reichskanzler Berthold von Mainz preis.152

Einige Jahre später unternahm Maximilian erneut einen Versuch, mit Hilfe des Georgsordens seine Interessen – Romzug und Türkenkrieg – umzusetzen. Diesmal richtete er eine St. Georgsgesellschaft ein. Das Mandat vom 12. November 1503 gilt als rhetorisches Meisterstück. Maximilian nutzte die aufgeladene Stimmung seiner Zeit aus: Kreuzregen, herabfallende Meteore, Seuchen wie die Blattern oder Syphillis, stigmatisierte und blutschwitzende Hostien führten allerorten zu Prozessionen und Wallfahrtsgelübden. In des Königs Mandat nun heißt es, Gott sei entzürnt über die Trägheit der Christenheit, die nichts gegen den Glaubensfeind unternehme. Die seltsamen Erscheinungen seien Mahnungen, ihm als Haupt der Christenheit zum Türkenkrieg zu folgen. Die Statuten der Gesellschaft sind wesentlich weniger umfangreich als die der Bruderschaft. Mit einer einfachen Bescheinigung durch einen Notar oder durch Meldung bei einem königlichen Kommissar kann man eintreten. Beim Zug gegen die Glaubensfeinde, welcher ein Jahr dauern soll, müssen die Mitglieder die Hälfte des Solds selbst aufbringen, die andere entrichtet der König. Wiederum ging es Maximilian darum, ein ihm persönlich zur Verfügung stehendes Heer aufzubauen.153 Der Aufruf wurde in ganz Deutschland verbreitet, verlesen oder angeschlagen. Auch diesmal trat Maximilian selbst in die Gesellschaft ein, präsentierte sich öffentlich im Ornat des Obersten und ritt so in Ulm ein. Es gelang im ferner, die von Raimund Peraudi im Auftrag des Papstes gesammelten Gelder aus dem Jubel- und Jubiläumsablass des Jahres 1500

151 Vgl. GRÖBLACHER 1973, S. 76.

152 Quellen und weitere Details bietet GRÖBLACHER 1973, S. 77-80. Vgl. auch Vgl. BABINGER,

Zwischenspiele 1962, S. 258-261 sowie 266-268, und die Zimmersche Chronik. Herausgegeben von Karl August BARACK. Band I, Stuttgart 1869, S. 501ff.

153 Vgl. WINKELBAUER 1954, S. 535f.

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für die Gesellschaft in die Hände zu bekommen. Ein Kreuzheer vermochte er dennoch nicht zu rekrutieren, da der bayrische Erbfolgekrieg ausbrach und die Romzug- und Türkenpläne zum Erliegen brachte.

Eine weitere Chance hätte bestanden, wenn Maximilians Sohn Philipp nicht im September 1506 plötzlich gestorben wäre: Mit dem Antritt des kastilischen Erbes hätte Philipp mit der spanischen Flotte die kommende Romfahrt und den folgenden Türkenzug absichern sollen und seinem Vater so bei der Realisierung einer weitumfassenden Herrschaft zur Hilfe kommen sollen. Ein letztes Mal versuchte Maximilian auf dem Konstanzer Reichstag 1507, einen Romzug mit anschließender Fahrt gegen die Ungläubigen zu verwirklichen. Jeder Kurfürst und Fürst sollte nach seinem Vermögen Edelleute samt Rüstung bereitstellen, die ihn für ganzen Sold nach Rom, dann für halben Sold gegen die Türken begleiten sollten. Auch diesmal sollte alles unter dem Schutz der Georgsbruderschaft bewerkstelligt werden. Die Reichsstände und -städte erhielten ein Gesuch zur Stellung von Gewappneten.154

Neben dem Ansinnen, das Kräftemessen mit dem Sultan mit sportlicher Fairness auf dem Schlachtfeld zu begehen, trieb Maximilian nach wie vor ein doppeltes Spiel: Nach wie vor hatte er einen Türkenkrieg im Visier, und zu diesem Zweck mahnte er auch auf dem Reichstag zu Augsburg im Frühjahr 1510 die Stände des Reiches, ihn bei seiner vornehmsten Herrscherpflicht zu unterstützen. Gleichzeitig entschloss er sich jedoch, die Pforte für einen gemeinsamen Plan gegen die Seerepublik Venedig zu gewinnen. Hintergrund dieses Ansinnens ist das Bündnis von Cambrai vom 10. Dezember 1508 zwischen Ludwig XII. von Frankreich und Kaiser Maximilian I., demzufolge sich fast ganz Europa gegen Venedig verbündete. Für die Handelsrepublik bedeutete das den Bannfluch durch Papst Julius II., weil Venedig angeblich allein die Schuld an der Türkennot trage, sowie eine herbe Niederlage bei der Schlacht von Agnadello im Mai 1509. So auf sich alleine gestellt suchte die Lagunenstadt die Nähe des türkischen Sultans und des Mamlukenherrschers von Kairo. Die Gesuche und Verhandlungen fanden im Geheimen statt. Venedig konnte jedoch keine Fortschritte erzielen, denn der Sultan und auch Bosnien, das Waffenhilfe leisten sollte, hielten die Venezianer lange hin. Trotz der Geheimhaltung kamen die Absprachen dem kaiserlichen Hof zu Ohren und zogen entsprechende Gegenmaßnahmen nach sich. Wiewohl sich die Lage Venedigs besserte und Julius II. den Bann im Mai 1510 aufhob, versuchte Maximilian, die Osmanen gegen das verhasste Venedig auszuspielen: In einer Instruktion vom 1. Juni 1510 beauftragte er seinen Diplomaten Federico di Strassoldo, einen in seinen Diensten stehenden friulischen Adligen, dem Landpfleger von Bosnien, Ferîz-Beg, einen Brief zu übermitteln. Als dieser den Brief erhielt, erfuhr er, dass der römische Kaiser dem Sultan die Landschaften Dalmatiens, die bislang Venedig gehörten, versprach, falls er sich gegen Venedig stelle. Ferîz-Beg sandte daraufhin einen Botschafter an die Pforte. Der Verrat des Kaisers geriet sowohl der Kurie als auch der Regierung in Venedig zu Gehör. Der Sultan wünschte in der Zwischenzeit, Federico di Strassoldo persönlich in Adrianopel zu sprechen, und auch eine venezianische Delegation machte sich dorthin auf. Weder über die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen

154 Vgl. WINKELBAUER 1954, S. 536-538.

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den Venezianern und dem Sultan, noch über eventuelle Erfolge des kaiserlichen Gesandten ist etwas bekannt.155

In den Jahren 1517 und 1518 plante Maximilian den letzten Türkenzug seiner Regentschaft.156 Was den Aufwand der Planung und die Ausarbeitung betrifft, so handelt es sich wohl um das ambitionierteste Unternehmen gegen die Türken, das Maximilian je geplant hatte. Plan und Logistik orientierten sich an dem Projekt, das unter dem Pontifikat Innozenz‟ VIII. begonnen wurde, d.h. es war wiederum ein dreijähriger Krieg unter Einsatz von drei Heeresgruppen vorgesehen. Diesmal schienen die Voraussetzungen deutlich günstiger. Maximilians Enkel Karl hatte 1516 das spanische Erbe angetreten, im Osten gelang es, die Jagellonen mit Hilfe der Moskauer Großfürsten auszuschalten und damit den mittleren Donauraum zu sichern. Außerdem brachte der Erste Wiener Kongress mit der böhmisch-ungarischen Doppelhochzeit im Juli 1515 und der Erbeinigung mit Wladislaw II. von Böhmen-Ungarn die notwendigen Voraussetzungen für eine ausgreifende Orientpolitik. Damit schien der Weg frei für einen gewaltigen Türkenkreuzzug, „dessen Auftakt der nachgeholte späte Empfang der römischen Kaiserkrone und die Wahl [...] Karls zum Römischen König sein sollten.“157 Anlass für das Großprojekt war die Initiative Papst Leos X. und die Übersendung seiner Denkschrift

Consultatio Romana an die europäischen Fürsten. Maximilian griff den Plan des Papstes umgehend auf und überarbeitete ihn mit seinen Räten im November und Dezember 1517.158 Maximilians Entwurf übertraf den päpstlichen sowohl hinsichtlich der Finanzierung als auch mit Blick auf die Strategie: „Der Papstplan hatte, von nur einer Armee sprechend, den Zug eines Korps (Reich, Polen, Ungarn usw.) die Donau entlang, den Zug des zweiten Korps über Friaul, Dalmatien und Illyrien und die Überfahrt des dritten Korps von Ancona und Brindisi aus, mit dem Kaiser und König von Frankreich als Oberbefehlshabern, unter englischer, portugiesischer, französischer, spanischer und italienischer Flottenhilfe nach Epirus und Griechenland, unter anschließender Wegnahme Konstantinopels, vorgesehen. Nun sollte, unter Anführung des Kaisers und des Königs von Portugal, das dritte und Haupt-Korps mit der besagten Flottenhilfe Nordafrika schützen, den bereits von den Türken [...] eroberten Teil befreien, danach den Nil gewinnen, Alexandria und Kairo wegnehmen und schließlich mit den anderen beiden Korps (das mittlere über Friaul sollte erst im zweiten Jahr vormarschieren, unter Anführung Franz‟ I.,

155 Vgl. Franz BABINGER: Kaiser Maximilians I. „geheime Praktiken“ mit den Osmanen

(1510/11), in: DERS.: Aufsätze und Abhandlungen zur Geschichte Südosteuropas und der Levante I. München 1962 (Südosteuropa. Schriften der Südosteuropa-Gesellschaft 3), S. 270-296.

156 Vgl. dazu WAGNER 1969 sowie Ferdinand HEINRICH: Die Türkenzugsbestrebungen Kaiser

Maximilians I. in den Jahren 1517 und 1518. Diss. Graz (masch.) 1958.

157 Vgl. WAGNER 1969, S. 320.

158 Die erste Version von Maximilians Antwort auf den Papstplan, die den Tagenden in Wels vorgelegt wurde, hat Wagner in seiner Abhandlung in Auszügen abgedruckt. Vgl. WAGNER 1969, S 324-326. Demzufolge befindet sich eine Abschrift des Plans im Kopialbuch Georgs II. Hausmanstetter, Probst von Klosterneuburg und Sprecher des Landes unter der Enns, der mit den niederösterreichischen Ständeverordneten zu Wels tagte.

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der bis dahin mit dem König von England Polizeiaufgaben zur Erhaltung der „treuga“ zu erfüllen gehabt hätte) sich vor Konstantinopel treffen, die Stadt einnehmen und, unter Voraussetzung erfüllter Bündnishilfe durch den Schah von Persien, das Osmanenreich in Kleinasien aufteilen.“159

Mit diesem Plan bewies Maximilian politische Weitsicht, da er die neueste akute Gefährdung Nordafrikas ebenso mit einbezog wie die Notwendigkeit einer

christlichen Polizeimacht zur Sicherung einer inducia et treuga. Auf der anderen Seite brüskierte er den französischen König, indem er ihm nur diese polizeilichen Aufgaben übertragen wollte, denn er hatte keineswegs die Absicht, auf seinen Ehrenvorrang gleich hinter dem Papst als oberster Schirmherr der Kirche und der Christenheit zu verzichten. Der Plan wurde, nachdem die niederösterreichischen Ständeverordneten darüber beraten hatten, von Maximilian überarbeitet und in dieser neuen Form im Februar 1518 nach Rom übersandt. Darin taucht pointierter die Forderung nach einem sechsjährigen Waffenstillstand, ein ausgefeilteres Finanzierungskonzept und eine Konkretisierung der Aufgaben der Polizeimacht und des Oberkommandos auf. Das nordafrikanische Unternehmen behielt Maximilian in seiner Hand: „Wenn er seinem Hause, das seit kurzem nicht bloß Spanien, sondern auch Neapel, Sizilien und die Neue Welt beherrschte, auf diese Weise auch die Herrschaft über Nordafrika sichern wollte, so stand dahinter der Traum von einem Weltkaisertum des Hauses Österreich“.160 Auch die wenig ruhmvolle Rolle, die Maximilian Frankreich zugedacht hatte, ist in diesem Sinn zu verstehen. Ein allzu glorreiches Abschneiden des französischen Königs hätte dessen Anspruch auf die Schirmherrschaft des Glaubens und der Kirche erhöhen können und ihn zum potentiellen Konkurrenten um die Kaiserkrone gemacht. Allerdings bemühte sich Maximilian darum, die lateinische Version seines Planes, die er nach Rom überstellte, weniger brüsk und fordernd erscheinen zu lassen. Die deutsche Version verlangte noch, dass alle Beteiligten ins Reich kommen sollten und unter der Vorherrschaft Maximilians mit der strategischen Ausarbeitung beginnen sollten; in der lateinischen hingegen ist der allgemeine, kaiserliche Vorbereitungskongress zugunsten dreier Kongresse, die jeweils unter dem Vorsitz der Anführer der drei Feldzüge vor sich gehen und die nötigen Beschlüsse fassen sollten. Der lateinische Text zeigt humanistische Einflüsse (antikisierte Namen der zu erobernden Gebiete und Völker) und nennt am Schluss Jerusalem, das es als Heimstätte des Grabes Christi wieder zurückholen müsse.161 Georg Wagner bescheinigt dem Plan Maximilians einen bemerkenswerten Realismus, was Strategie, Finanzierungskonzept und geographische Kenntnisse betrifft. Getrieben von erheblichem Ehrgeiz, universalkaiserlichem Geist und großräumigem Denken strebte er nach der Wiederkehr der Zeiten des ungeteilten Römischen Weltreiches im Sinne einer christlichen Universalmonarchie des Hauses Österreich.162 Bemerkenswert mit Blick

159 Vgl. WAGNER 1969, S. 323.

160 Vgl. WAGNER 1969, S. 328.

161 Vgl. WAGNER 1969, S. 327-331. Einen detaillierten Vergleich der deutschen und lateinischen Fassung nimmt Wagner auf den Seiten 331-336 vor.

162 Vgl. WAGNER 1969, S. 336-345.

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auf den zeitgenössischen Diskurs ist die Tatsache, dass in Maximilians Konzept Nordafrika gleichsam als Drittel der Welt aufgefasst wurde und damit auch die Rolle des Nordafrika-Korps stark überbetont wurde.163 Möglicherweise trifft man hier auf eine Verinnerlichung der steten antiislamischen „Propaganda“, nach der bereits zwei Drittel der Welt, nämlich Asien und Afrika, in die Hände der Ungläubigen geraten waren.

Im April 1518 modifizierte Maximilian seinen Plan dahingehend, dass er auf den Afrikazug verzichten und nun doch donauabwärts ziehen wolle. Auf dem Augsburger Reichstag im August 1518 erklärte er gar, das deutsche Heer solle zusammen mit den französischen und englischen Hilfskräften über Pannonien nach Illyrien ziehen. Jetzt gelte es, zusammen mit den deutschen Fürsten eine Einigung über Geld- und Truppenhilfen zu erzielen. Dabei betonte Maximilian die Würde des

Reiches, die es erfordere, die Verteidigung der respublica christiana nicht anderen Nationen zu überlassen. Zum Teil lässt sich der Rückzug aus den vormaligen Ambitionen mit der in der Zwischenzeit erfolgten Stärkung der Position in Unteritalien und Nordafrika durch die Siege Karls I. erklären. Hinzu kommt die Gewissheit Maximilians über die Stärke des Hauses Österreich, da er die beiden Zangenglieder, die zur Vernichtung der Osmanen nötig waren, in der eigenen Dynastie wusste, nämlich Karl I. über Nordafrika, und er selbst über die Donauschiene.164 Allerdings bleibt zu fragen, ob damit schon die Voraussetzung für die universalkaiserliche Herrschaft über Europa, Asien und Afrika geschaffen waren. Dazu, so Georg Wagner, habe sich bereits Friedrich III. berufen gefühlt, der in der

domus Austriae die Wegbereiterin eines höchsten weltlichen, zugleich sakralen Friedens- und Ordnungsdienstes für Gott und die Christenheit gesehen habe. Das

Austriae est imperare orbi universo im Notizbuch Friedrichs III. (wohl nach der Kaiserkrönung von 1452 eingetragen) verrate bereits den universalkaiserlichen Auserwähltheitsglauben des Hauses Österreich, vermutlich in Anlehnung an Dantes Kaiseridee.165 Sebastian Brant bezeugt dieses AEIOU für die Zeit Maximilians I. In

seinem Einblattdruck Zu eren romscher kuniglicher maiestat von der vereyn der

kunigen und anschlag an die turchen von 1502 lautet der letzte Vers All erd ist

ostrych underthon. Dabei dürfte es sich um nichts anderes als um eine deutsche Version des oben zitierten universalen Anspruchs handeln.166 Auch wenn der Anspruch auf ein universelles Kaisertum mannigfachen literarischen und künstlerischen Ausdruck gefunden hat – nicht zuletzt über Sebastian Brant –, so wird dennoch in Betracht zu ziehen sein, dass es sich um Ansprüche handelte, die nicht unbedingt ihren Niederschlag in der Wirklichkeit finden mussten. Die wiederholten doppelten Strategien der Türkenpolitik Maximilians zeigen dies ebenso

163 Vgl. WAGNER 1969, S. 326. Dass die Sarazenen einst mit Afrika ein Drittel der Welt erobert

hatten, schrieb auch Sebastian Brant an entsprechender Stelle in De origine.

164 Vgl. WAGNER 1969, S. 346f.

165 Vgl. WAGNER 1969, S. 347.

166 Vgl. Sebastian BRANT: Zu eren romscher kuniglicher maiestat von der vereyn der kunigen und

anschlag an die turchen, in: WILHELMI 1998, Nr. 386.

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wie die Diskrepanz zwischen Idee und tatsächlichem Handeln immer vorhanden gewesen ist. In der Tat wurde auch aus diesem letzten großen Türkenplan Maximilians nichts. Zwar gewährten ihm die erbländischen Ständevertreter auf dem Generallandtag zu Innsbruck eine Extra-Hilfe von 400.000 rheinischen Gulden, doch lehnten sie seine Forderung nach einem stehenden Heer ab. Auf dem Reichstag Ende August wurde das Türkenkriegsthema erneut vertagt: „Am Vorabend der Reformation, unter heftigster Darlegung der „gravamina nationis Germanicae“, wurde in Augsburg die Türkengefahr verkleinert und zerredet; der Feind saß für die Mehrzahl der Stände in Rom.“167 Maximilian starb am 12. Januar 1519, und damit auch Brants Hoffnung auf die „aurea saecula“ unter einer weitreichenden, christlichen Sonne maximilianeischer Herrschaft.

Als Brant 1502 an den Innsbrucker Hof gerufen wurde, verlas er vor dem König ein Gedicht, worin er ihn wiederum ermahnte, sich dem Türkenproblem zu widmen.

Dieses Gedicht, das in einer gesonderten Ausgabe der Varia Carmina gedruckt ist, war bislang nur fragmentarisch bekannt und ist von Walther Ludwig mit dem in Innsbruck verlesenen und von Brants Sohn Onophrius in einem späteren Bericht erwähnten Gedicht identifiziert worden. Dort prophezeit Brant, es sei Maximilian bestimmt, das Römische Reich wieder in den glücklichen Zustand zu Zeiten des Theodosius und des Konstantin zurückzuführen. Maximilian allein könne die Reste des Reiches sammeln und vereinen und das christliche Volk bewahren. Allein sein Name genüge, um die Türken vor Furcht erschaudern zu lassen. Am Schluss des Gedichtes bittet Brant Gott, er möge dem Kaiser jenes Glück schenken, das er auch Trajan und Titus geschenkt habe: „Et tibi fortunam tribuat deus optimus illam | Traiano dederat: quam prius atque Tito“.168 In den Gedichten, die Sebastian Brant auf den Tod des Habsburgers verfasst hat, klingt unverhohlen seine Enttäuschung über das Ausbleiben des großen Türkenzugs durch. Ein Gedicht von fast hundert Versen, welches auf den 5. Februar 1518 datiert ist, widmete Brant sowohl dem kurz zuvor verstorbenen Kaiser als auch den Fürsten des Reiches.169 Zunächst führt Brant

167 Vgl. WAGNER 1969, S. 349.

168 Vgl. Walther LUDWIG: Eine unbekannte Variante der Varia Carmina Sebastian Brants und die

Prophezeiungen des Ps.-Methodius, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 26 (1997), S. 263-299. Offenbar hatte KNEPPER 1898 diese Variante ebenfalls vorliegen, jedoch ohne ihre Besonderheit zu erkennen. Knape, der die vollständige Version nicht kennt, bezeichnet Knepper daher als missverständlich. Vgl. KNAPE 1992, S. 186. Ludwig bietet eine Edition samt

Übersetzung des Gedichtes mit der Überschrift Ad divum Maximilianum regem [...] Exhortatio

S.B. Man beachte hier insbesondere die Verse 5-12: „Decretum a Superis est felicissime Caesar | Res fidei lapsas te reparare sacrae: | Adque Theodosii / Constantinique beata | Tempora / romanum te revocare statum. | Relliquias regni rex Clementissime solus | Colligere: et solus tu retinere potes. | Tu potes imperium: populum quoque morte redemptum | Conservare dei: te sine nemo potest”.

169 Ad divum Maximilianum Caesarem invictissimum, cunctosque Christiani nominis principes et

populos, Naenia Sebastiani brant, In Thurcarum nyciteria, cum arripiendae in eosdem

expeditionis exhortatione. Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 452. Meines Erachtens ist das Gedicht noch vor dem Tod Maximilians entstanden und die angegebene Datierung, nonis februarijs 1518, bezieht sich auf den Zeitpunkt des Druckes. Das Gedicht selbst enthält, anders als Wilhelmi angibt, keinerlei Hinweis auf den Tod Maximilians.

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gegenüber dem Kaiser Klage über die durch die Türken bereits erlittenen Verluste der Christen und zählt ihm dann auf, welches Potential an Tugenden, Manneskraft und Stärke er zur Verfügung gehabt hätte, um sich aus dem Joch der Türken zu befreien. Schließlich beklagt er, wie einfach es doch sein könnte, dieses Problem zu lösen, wenn endlich alle Einsicht gewinnen würden und zur Tat schritten. Hier sind die Adressaten eindeutig die Fürsten und Grafen des Reiches. Es ist kaum zu übersehen, dass Brant nur mühsam seine Enttäuschung darüber zurückhielt, dass es Maximilian bisher nicht gelungen war, einen erfolgreichen Türkenkreuzzug durchzuführen.

2.2. Sebastian Brants „Conclusio Wormatiensis“

Alles in allem war für Sebastian Brant der Eindruck maßgeblich, dass alle Versuche, die Türken zu bekämpfen, an Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten der europäischen Fürsten scheiterten. Die Abfassung

von De origine fällt genau in die Zeit der Einberufung des Reichstages nach Worms im Sommer 1495 hinein. Der Reichstag wurde jedoch von den verschiedenen Parteien mit unterschiedlichen Forderungen erwartet, so dass eine Meinungsverschiedenheit zwischen Ständen und Kaiser vorauszusehen war. Maximilians Reichstagsproposition vom März 1495 bezog sich auf die Überfälle der Türken auf die österreichischen Erbländer, das Reich und die Christenheit sowie auf die Gefahr für das Kaisertum und den Papst durch die Einfälle Frankreichs in Italien. Von der geforderten Reichsreform war darin keine Rede. Die Stände hingegen waren nicht geneigt, vor der Beratung der Reichsreform über die Türken- und Italienfrage auch nur zu verhandeln.170 Sebastian Brant dürfte stets ein waches Auge auf die politischen Entwicklungen geworfen haben und sich ebenso sehr der Chancen und Erwartungen, die den Wormser Tag von 1495 umgaben, bewusst gewesen sein. Vielleicht war ihm die Bedeutung des Wormser Tages insbesondere vor dem Hintergrund des Frankfurter Tages von 1486 klar, wo sich viele der Schwierigkeiten, die 1495 zu erwarten waren, bereits abzeichneten, so etwa das Ringen um die Gewichtung innenpolitischer Fragen (Ordnung der Friedens-, Gerichts- und Münzangelegenheiten) angesichts außenpolitischer Bedrohungen (in diesem Fall durch den ungarischen König und Frankreich) zwischen dem König, den Kurfürsten und den Fürsten. Brant wusste, dass Maximilian 1495 an der Bewilligung von Geldmitteln für den Zug gegen den französischen König Karl VIII. und für geplanten Türkenzug gelegen war. 1486 war es nicht nur darum gegangen, eine adäquate Summe für die Finanzierung der Kriegszüge gegen Ungarn und Frankreich einzutreiben, sondern auch darum, die versammelten Fürsten von der Gefährdung des Gesamtreiches zu überzeugen, sie also mit ihren im Vergleich zu

den Bedürfnissen der „nacion“ eher von Kleinräumigkeit geprägten Anliegen zu konfrontieren.171 Für den Wormser Tag war ebenfalls ein hartes Ringen um

170 Vgl. LEIPOLD 1966, S. 72f.

171 Vgl. dazu Sabine WEFERS: Der Wormser Tag von 1495 und die ältere Staatswerdung, in: Paul Joachim HEINIG u.a. (Hg.): Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw. Berlin 2000, S. 287-304 (Historische Forschungen 67), insb. S. 290-297, und Georg

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gegenseitige Zugeständnisse unter den verhandelnden Parteien zu erwarten. Ein dringendes Anliegen wie die Bekämpfung der Osmanen geriet dabei in die Mühlen des Interessenskonfliktes zwischen dem durch den König repräsentierten Reich, den dynastischen Interessen des Hauses Habsburg, das zugleich den König stellte, und den vielschichtigen Interessen der Kurfürsten, Fürsten und Städte.172

Im dritten Teil seines bereits genannten Gedichtzyklus De corrupto ordine

vivendi pereuntibus bezieht sich Sebastian Brant auf den Wormser Reichstag. Die

Verse mit dem Titel Conclusio Wormatiensis bilden den Abschluss des Zyklus. Sie

befinden sich in der Gedichtsammlung Varia Carmina.173 Was er von den eigenen Zeiten erwarten könne, seien einstimmige Fürsten, die für ihren König ein Reich in Dauerhaftigkeit, Eintracht und Frieden herstellen und zurück zu Recht und Gerechtigkeit finden: Der glückverheißende Ort Worms am Rhein habe endlich jenes Werk zum Abschluss gebracht, durch welches der alte Ruf abgeschafft und nun die Dinge in eine gute Ordnung gebracht würden.174 Brant erhofft sich, dass die berühmte Freiheit der Germanen ewig erhalten bleiben möge, aber auch, dass alles unter der Schirmherrschaft der Kirche und des Glaubens stehe. Die Türken sollen zurückgeworfen werden, Verbrechen hart bestraft und Gewalt zum Schweigen gebracht werden.175 Nach einigen weiteren erhofften Besserungen spricht Brant

SCHMIDT: Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit 1495-1806. München 1999, S. 33-40.

172 Zum Wormser Tag vgl. auch Heinz ANGERMEIER: Der Wormser Reichstag 1495. Ein

europäisches Ereignis, in: Historische Zeitschrift 261 (1995), S. 739-768; Heinz ANGERMEIER:

Königtum und Landfriede im deutschen Spätmittelalter. München 1966; Arno BUSCHMANN

(Hg.): Kaiser und Reich. Klassische Texte und Dokumente zur Verfassungsgeschichte des Heiligen

Römischen Reiches Deutscher Nation. München 1984, S. 157-194; Manfred HOLLEGER: Die

Grundlinien der Außenpolitik Maximilians I. und der Wormser Reichstag von 1495, in: Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz (Hg.): 1495 – Kaiser Reich Reformen. Der Reichstag zu Worms. Ausstellung des Landeshauptarchivs Koblenz in Verbindung mit der Stadt Worms zum 500jährigen Jubiläum des Wormser Reichstags von 1495. Koblenz 1995. (Veröffentlichungen der

Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz. Katalogreihe) S. 39-55; Heinrich LUTZ: Das Ringen um

deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung. Von Maximilian I. bis zum Westfälischen Frieden

1490-1648. Berlin 1983 (Propyläen Geschichte Deutschlands 4); Peter MORAW: Der Reichstag zu

Worms von 1995, in: 1495 – Kaiser Reich Reformen 1995, S. 25-37; Anuschka TISCHER:

Reichsreform und militärischer Wandel. Kaiser Maximilian I. (1493-1519) und die

Reichskriegsreform, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 685-705.

173 Conclusio Wormatiensis. Vgl. BRANT, Varia Carmina, Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1498, Fol. bcv-bciij

v, und WILHELMI 1998, Nr. 195.

174 BRANT, Conclusio Wormatiensis, V. 1-8: „Sed quid nostra quaeror tam prospera saecula? Quae nunc: | Unanimes regi constituere duces, | Qui stabili imperium, et concordi pace ligarunt. | Reddere iudicium iusticiamque parant | Faelix Vangonium locus (urbs faustissima Rhaeni), | Conclusum hoc tandem quam penes extat opus, | Per quod fama vetus aboletur et incipiunt nunc | Ordine Germanae res coalere bono“. Vangiones: germanisches Volk am linken Ufer des Mittelrheins um Worms und in der Pfalz.

175 BRANT, Conclusio Wormatiensis, V. 21-28: „Iudicio hoc leges et plaebiscita vigebunt, | Atque mali mores frena severa ferent, | Quin et libertas Germani nominis, ampla | Famaque durabit perpetuanda diu Inde etiam fidei sequitur tutela sacratae, | Christicolaeque aderit presidium

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schließlich zuerst Maximilian, dann die Fürsten und schließlich alle Deutschen an. Maximilian sei vom höchsten Gott Glück beschieden, da er so herausragende, unterwürfige, großmütige Fürsten vorfinde; den Fürsten bescheidet er, dass gute Sterne über den heutigen Zeiten stünden und das Schicksal günstig sei, da ein so berühmter, gerechter, großzügiger Mann das Reich beschütze. Die Deutschen schließlich möchten sich um das Reich kümmern, denn die Sterne könne man besiegen, wenn man nur die Ordnung aufrecht erhalte. Auch wenn das Vermögen gering sei, das zur Verfügung stehe, so könne man dennoch viel erreichen. Die Deutschem möchten also zu ihrem eigenen Heil und zum Heil ihres Vaterlands noch einmal nachdenken und das Reich ihres Königs unterstützen.176 Damit meint Brant vor allen finanzielle Unterstützung. Dass das Entrichten von Tributen zum Guten führe, untermauert Brant anschließend noch mit Beispielen aus der Geschichte und der Nachbarländer. Außerdem, so der Dichter, mindere dies schließlich nicht den Ruhm oder die Freiheit. Dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, bedeutet für Brant, die gottgegebene Ordnung einzuhalten.177

Mit diesen Versen bezieht Brant ein weiteres Mal deutlich Stellung zugunsten seines Königs, mahnt ein weiteres Mal Eintracht an und sagt vor allem deutlich, dass es Aufgabe aller Untergebenen sei, den eigenen König auch mit finanziellen Mitteln zu unterstützen. Dieser dritte und abschließende Teil des Gedichtzyklus passt damit einerseits nicht so recht zu den vorhergehenden Teilen, da Brant hier ins politische Tagesgeschäft eingreift (die übrigen Teile widmen sich im allgemeinen der Ordnung der Welt, siehe dazu das nachfolgende Kapitel). Andererseits zeigt sich hier der pragmatische, politisch engagierte Gelehrte, der seine dichterischen Werke nicht für den Müßiggang, sondern als Instrument praktischer Politik abfasste.

ecclesiae | Hic propelluntur Thurci, atque iniuria quaevis, | Saeva cohercentur crimina, visque silet.“

176 BRANT, Conclusio Wormatiensis, V. 35-38, 49-52, 57-58, 61-64: „Haec fortuna quidem tibi enim tibi Maximiliane | Desuper a summo venit adestque deo, | Quod tam devotos, claros virtute, benignos, | Praestantesque duces nactus es imperii [...]Tempora vestra deus foelici sydere obumbrat, | Irradiant vestrum fata benigna diem, | Quod tam praeclaro, iustoque, pioque subesse | Vos decuit Regi, magnanimoque viro […] Vos quoque Germanae gentes, populique potentes, | Imperii vobis sit rogo cura fraequens [...]Sydera vincemus, maneamus in ordine saltem, | Et capiti subsint membra minora suo. | Parva licet nobis sit copia, vincere gentes | Possumus omnigenas, assit ut ordo tamen [...] Theutones ad vestram iccirco, patriaeque salutem | Respicite, et regis suscipite imperium“.

177 BRANT, Conclusio Wormatiensis, V. 111-114, 125-128: „Nec minor inde manet libertas prisca decusque, | Quo semper fretus theutonus orbis erat. | Sed nos imperii rebus succurimus, ut nos | Tutari imperium protegere atque queat [...] Caesaris ille iubet quae sunt, dare Caesari et ipsi | Solvere deinde deo, sunt bona si qua dei, | Ordine sic currus noster procedet optimo, | Temonemque trahent ordine rursus equi“. Zu den Beispielen aus der Geschichte und zu den Nachbarländern vgl. die Verse 89-104.

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V. Weltbild und Geschichtsschreibung bei Sebastian Brant

Sebastian Brant als Historiker zu bezeichnen, kann nicht nur auf der Feststellung beruhen, dass er eine „Historia― geschrieben hat. Brant als Historiker ist vielmehr Bewahrer kulturellen Wissens, Schaffer kultureller Identität und Prophet der nahen Zukunft, dem der Blick in die Vergangenheit Linien zeigt, die über die Gegenwart hinausgeschrieben werden können. Dies lässt sich freilich nicht mit der Methode des historischen Arbeitens allein erklären, sondern ist in erster Linie kulturell zu begründen. Das historische Werk ist nicht ohne eine auf die Gegenwart bezogene Absicht entstanden, sondern es soll etwas aufzeigen und erklären, sogar Handlungsanweisungen geben. Sebastian Brants Geschichtswerk ist eines von vielen umfassenden Geschichtswerken, die der Renaissancehumanismus hervorgebracht hat. Bekanntermaßen werden vielen dieser Werke Neuerungen in der Betrachtung der Welt, der Bestimmung von Geschichte, ihres Endes oder Sinns, der Rolle göttlicher Determination, der Rolle des Menschen, der Tugend, des Glücks und anderer Faktoren zugeschrieben. Ferner erscheint es nicht unbedingt selbstverständlich, warum gerade die Geschichte Jerusalems für Sebastian Brant und Maximilian I., dem er das Buch widmete, interessant sein sollte. Dabei stellt sich auch die Frage, ob es sich dabei eigentlich um die „eigene― Geschichte handelt, es also um die Fundierung und Erläuterung der eigenen Vergangenheit und Gegenwart geht, oder ob es sich auch um das Erzählen „fremder― Geschichte handelt, welches aus einem erkenntnistheoretischen Interesse heraus betrieben wird, sei es, um seine Feinde besser kennenzulernen, sei es, um die Lust nach Wissen über andere Zeiten und Räume zu befriedigen.1 Den Hintergrund bildet das kollektive Empfinden oder geistige Klima, das Jean Delumeau mit seinem Buchtitel „Angst im Abenland― treffend zusammenfasste.2 Die Zeit Brants und auch die Jahrzehnte danach waren von der heftigen Diskussion geprägt, ob das Vorrücken der Türken mit den Prophezeiungen der Apokalypse zusammenfalle. Zugleich wurde diskutiert, was Europa eigentlich sei, ob es christlich sein müsse, wo es ende und anfange und, in den einzelnen Territorien und Königreichen schließlich, welches der Wert der eigenen Nation sei. Mit diesem Hintergrund beginnend, möchte sich das Kapitel Sebastian Brants Weltbild nähern, und zwar mit einem Blick auf Jerusalem als

1 Vgl. dazu auch Gerd TELLENBACH: Eigene und fremde Geschichte. Eine Studie zur Geschichte

der europäischen Historiographie, vorzüglich im 15. und 16. Jahrhundert, in: Kaspar ELM, Eberhard GÖNNER, Eugen HILLENBRAND (Hg.): Landesgeschichte und Geistesgeschichte. Festschrift für Otto Herding zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1977, S. 295-316.

2 Jean DELUMEAU: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis

18. Jahrhunderts. 2 Bände. Reinbek bei Hamburg 1985 (La Peur en Occident (XIVe-XVIIIe siècles). Une cité assiégée, Paris 1978).

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Erinnerunsort und auf das Verhältnis von Translatio-Gedanke, Weltreichlehre und die Vorstellung der „saturnia regna―. Dabei ist auch die Rolle zu beleuchten, die Brant dem Habsburger König Maximilian I. zugedacht hat. Schließlich wird noch einmal Brants Methode der Geschichtsschreibung in den Blick genommen; dabei auch kurz auf von ihm herausgegebene Werke verwiesen. Zusammenfassend wird ein Kanon von drei Elementen vorgeschlagen, anhand derer Brants Welt- und Geschichtsbild umrissen werden kann.

1. Angst im Abendland. Thurci, Europa und Germani

Mit der Geburt Mohammeds, so schrieb Brant, sei eine „lex pestifera― in die Welt gekommen, die nur eines verlange, nämlich die „christianitas― auszulöschen. Seine Schriften thematisierten immer wieder die Gewalttaten („terror―) und Machtbestrebungen („potentia―) der Türken. Die Feststellung dieser Tatsache ruft die Frage hervor, warum eigentlich eine so starke Abwehrhaltung gegenüber der islamischen Welt herrschte, warum sich die Auseinandersetzung nicht einfach auf das Militärische beschränkte. Zu Brants Zeiten war das Türkenproblem zwar aktuell, im westlichen Abendland jedoch noch nicht unmittelbar bedrohlich; viele Autoren, einschließlich Brants, dürften nie einem leibhaftigen türkischen Heer begegnet sein, sondern ihre Kenntnisse aus Traktaten anderer, aus Gerüchten, aus offiziellen Verlautbarungen oder auch von der Kanzel bezogen haben. Dies hat entscheidende Konsequenzen nicht nur für die allgemeine Stimmungslage, sondern auch für die Historiographie bzw. allgemein für den herrschenden Dialog. Selbst wenn die Quellen aus detaillierten Schlachtberichten bestanden haben mögen, so entstand doch in den Köpfen der nicht Dabeigewesenen ein Bild, das bestenfalls als virtuell bezeichnet werden kann. Die Frage, warum die Furcht vor den Türken so groß war, lässt sich nicht einfach beantworten. Man kann jedoch versuchen, sich von zwei Seiten diesem Komplex zu nähern. Zum einen muss man einen Blick nach innen werfen, um herauszufinden, welche Ängste und Erwartungen die Gesellschaft um 1500 prägten – eschatologische Ängste und Entstehung der modernen Welt; zum anderen ist nach dem Objekt der Bedrohung, den Türken selbst, nämlich nach dem, was an ihnen eigentlich so anders und fremd ist, zu fragen, und in Bezug auf die eigenen, inneren Ängste nach einer Antwort zu suchen, warum so und nicht anders

auf sie reagiert wird. Jean Delumeau hat in seinem Werk Angst im Abendland

versucht aufzuspüren, welche kollektiven Befürchtungen und Erwartungen den Menschen im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit umgaben und inwieweit dieses mentale Klima das Leben der einzelnen Menschen beeinflusste. Er hat sein Kapitel über die Türkenfurcht treffend mit „Die Agenten Satans― überschrieben, denn die Themen, die mit der Türkenfurcht verknüpft waren, setzten sich mit der Ankunft des Antichristen oder dem Ende der Welt auseinander. Geiler von Kaysersbergs Predigt „Rette sich, wer kann― von 1508 im Straßburger Münster drückte beispielsweise ein Klima des allgemeinen Zukunftspessimismus aus und beschäftigte sich mit Ende der sündhaften Welt bzw. der Naherwartung der

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Wiederkehr Christi. In der Bulle Papst Nikolaus V. vom 30. September 1453, in der er zum Türkenzug aufrief,3 wird Mehmet II. als zweiter Mahomet bezeichnet. Mahomet, Sohn des Satans, Sohn des Verderbens und Sohn des Todes, hat nichts anderes im Sinn, als die Seelen und Körper der Christen zusammen mit seinem teuflischen Vater zu verspeisen. Es dürstet ihn nach christlichem Blut. Nikolaus sieht in ihm den Drachen der Apokalypse, der bereits Afrika und den größten Teil des Orients besetzt habe. Mehmet II. nun hat als dessen „Nachfolger― nicht eben Besseres im Sinn. Wie seine äußerst grausame Eroberung Konstantinopels gezeigt habe, bei der unzählige Christen niedergemetzelt und Heiligtümer geschändet und entehrt wurden, handelt es sich mithin um einen wahren Vorboten des Antichristen und um einen neuen Sennacharib, welcher ohne Vernunft und Geist alles unter seine Herrschaft bringen wolle und den christlichen Namen auf der ganzen Welt auslöschen möchte.

Angeregt u.a. von Delumeau hat sich auch Ulrich Andermann in dem 2000 erschienenen Sammelband zu Europa und den Türken in der Renaissance mit der Krisenerfahrung durch die osmanische Expansion beschäftigt.4 Demnach erzeugten die vorrückenden Osmanen eine Krisensituation, die Endzeitgefühle und eine verstärkte Furcht vor dem jüngsten Gericht nach sich gezogen habe. Dabei ist besonders der Rahmen einer eschatologischen Geschichtsdeutung stark zu machen, die biblisch (Mt 24f) und theologisch fundiert wurde.5 Unangefochten ist bislang die These, dass vor allem der Fall Konstantinopels im Jahr 1453 einen enormen Schub in der Auseinandersetzung mit und in der Furcht vor den Osmanen bedeutet hat. In den verschiedenen historiographischen Werken wurden diese Auseinandersetzungen jedoch unterschiedlich geführt. Die Stadt- und Landeschronistik war, was die Informationen über die Osmanen und ihre Expansion betraf, mehr von ungenauer Kenntnis der tatsächlichen Lage und von einem Gefühl der „Exotik― geprägt. Dabei waren die Türken nur dann Thema, wenn die Bevölkerung konkret betroffen war, etwa durch Ablässe, oder wenn man die Türkengefahr als Argument für die eigene, innere Politik benutzen konnte. Größere historische Zusammenhänge wurden jedoch nicht hergestellt, auch eschatologische Deutungen spielten keine nennenswerte Rolle.6 Anders verhält es sich hingegen mit der Weltchronistik und der Predigtliteratur. Hier dominiert die Endzeitstimmung stark, da man sich stets am Ende des letzten der vier Weltreiche angekommen glaubte.7 Die Frage, ob die Osmanen stark genug waren, die Prophezeiungen des Propheten Daniel über den

3 Vgl. RTA 19/1, S. 63.

4 ANDERMANN 2000.

5 Vgl. dazu etwa die Kreuzzugsbulle von Papst Nikolaus V. worin Mohammed mit dem roten Drachen der Apokalypse des Johannes (Apokalypse 12, 3ff) gleichgesetzt wurde. RTA 19/1, Nr. 10/1, S. 60.

6 Vgl. ANDERMANN 2000, S. 37ff.

7 Vgl. etwa Hartmann Schedels Liber Chronicarum (1493), Johannes Carions Chronicon Carionis

(1531/32) oder Johannes Sleidans De quattuor summis imperiis libri tres (1556). Vgl. Martin

HAEUSLER: Das Ende der Geschichte in der mittelalterlichen Weltchronistik. Köln, Wien 1980 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 13), S. 139. ANDERMANN 2000, S. 40f.

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Zerfall des vierten Reiches zu erfüllen, war durchaus virulent. Bedeutend ist die Naherwartung der Endzeit und die Hoffnung, Christus persönlich werde am jüngsten Tag dem mörderischen Treiben der Türken ein Ende bereiten.8

Endzeiterwartungen und -prophezeiungen fanden naturgemäß auch in die Prognostiken und Wunderdeutungen Eingang. Beispiele dafür sind etwa der Hofastrologe Friedrichs III., Johannes Lichtenberger, oder der brandenburgische Astronom und Historiograph Johannes Carion. Beide erwarteten eine Endschlacht zwischen einer bösen Macht und den Christen, wobei erstere nicht selten mit den Osmanen in Verbindung gebracht wurde und letztere eine Chance zum Sieg haben würden, sollten sie sich bessern und zu Eintracht und Tugendhaftigkeit umkehren. Die biblische Grundlage des Endschlachtmythos war das Buch des Propheten Ezechiel.9 In diesen Rahmen passen auch die Gog und Magog-Vorstellungen, die durch die Apokalypse des Pseudo-Methodius kolportiert wurden. Doch nicht nur die vermeintliche oder reale Bedrohung von außen durch die Osmanen ist für die Wahrnehmung einer Bedrohung verantwortlich, sondern, vielleicht in einem noch stärkeren Maße, die innere Krise, die durch die Uneinigkeit zwischen Kirche und Reich und durch die Zwietracht der einzelnen Machthaber innerhalb des Reiches gekennzeichnet war. Als Sebastian Brant lebte und seine Werke schrieb, war die Reformation bestenfalls im Entstehen begriffen; der Bruch in verschiedene Konfessionen noch nicht vollzogen, sondern alle Auseinandersetzungen befanden sich in einem brodelnden Gärprozess. Die eschatologischen Geschichtsdeutungen sind von Gottesunmittelbarkeit allen Geschehens geprägt und gehen nicht von der

8 Es gab in der Weltchronistik wie in der Predigtliteratur verschiedene Auslegungen der einzelnen Kapitel des Buches Daniel. Sooft die Wiederkehr des Antichristen mit den Osmanen in Verbindung gebracht wurde, sooft wurde sie später von den protestantischen Autoren auch auf das Papsttum bezogen, oder aber beide Situationen wurden zugleich mit den Prophezeihungen des

Propheten erklärt, wie etwa das Beispiel Martin Luthers zeigt. Vgl. dazu Werner GOEZ: Translatio

imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im

Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Tübingen 1958; Notker HAMMERSTEIN: „Imperium

Romanum cum omnibus suis qualitatibus ad Germanos ewst translatum“. Das Vierte Weltreich

in der Lehre der Reichsjuristen, in: Johannes KUNISCH (Hg.): Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, Berlin 1987 (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 3), S. 187-202; Franz

KAMPERS: Die Idee von der Ablösung der Weltreiche in eschatologischer Beleuchtung. Materialien

und Forschungen, in: Historisches Jahrbuch 19 (1898), S. 423-446; Klaus KOCH: Das Buch Daniel. Darmstadt 1980 (Erträge der Forschung 144), S. 182- 213 (mit ausführlichem Literaturverzeichnis);

Klaus KOCH: Europa, Rom und der Kaiser vor dem Hintergrund von zwei Jahrtausenden

Rezeption des Buches Daniel. Hamburg 1997 (Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften

e.V., Hamburg 15 (1997), H. 1), S. 97-100; Gertrude LÜBBE-WOLFF: Die Bedeutung der Lehre von

den vier Weltreichen für das Staatsrecht des Römisch-Deutschen Reiches, in: Der Staat 23 (1984), S.

369-389; Edgar MARSCH: Biblische Prophetie und chronographische Dichtung. Stoff- und

Wirkungsgeschichte der Vision des Propheten Daniel nach Daniel VII. Berlin 1972.

9 Vgl. ANDERMANN 2000, S. 45ff. Weitere von ihm genannte Beispiele sind unter anderem der Florentiner Predigermönch Girolamo Savonarola oder der sog. oberrheinische Revolutionär, „der in seiner zwischen 1490 und 1510 entstandenen radikalen Reformschrift im Stil der Endkaiserprophetien Friedrich als Friedenskaiser und Messias verkündet und dessen Sieg über die

Osmanen am Rhein voraussagt― (S. 49), Joseph Grünpeck (Speculum naturalis, coelestis et

propheticae visionis), Jakob Pflaum und Sebastian Brant (Ausgabe des Methodius).

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Welt als Handlungsfeld frei entscheidender Menschen aus. Sie sind Ausdruck der Suche nach Sicherheit in einer krisengeschüttelten Umwelt.10 Sie dienen der historischen Selbstvergewisserung, sie führen zum Verständnis des tatsächlich Erfahrenen und Erlebten und erfüllen politische Zwecke. Nach Winfried Schulze wurde die Osmanische Bedrohung zum Integrationsfaktor, mithin zum stabilisierenden Element für die bestehende politisch-soziale Ordnung.11 Dies gilt auch für das späte 15. und frühe 16. Jahrhundert.12 Doch trotz Defaitismus herrschte keine völlige Resignation, sondern eher eine Art Zweckpessimismus: Das Christentum galt schließlich als das Unüberwindliche. Die jüdisch-christliche Apokalypse als Grundlage zu wählen ist damit logisch gedacht, die geschichtstheologische Deutung ebenfalls. Beides dient der Bewältigung einer tatsächlichen Krise.13 „Apokalyptische Deutungsmuster wie die Apostrophierung des politischen Gegners als „Antichrist― finden sich zwar bereits im Mittelalter, traten aber im konfessionellen Zeitalter in vorher nicht gekannter Häufung auf. Vor allem die religiös-politische Publizistik verbreitete religiöse Deutungsmuster politischer Auseinandersetzung, die im weiteren Sinne biblischen oder apokalyptischen Traditionen entstammen, in denen also z. B. Topoi vom „Antichrist―, Vorstellungen von einem Endkampf zwischen Gläubigen und Ungläubigen, die Erwartung des nahen Weltendes oder die Vorstellung von der mehr oder minder großen Mitwirkung an der Heraufführung eines – mit unterschiedlichen Akzenten – sakralen oder säkularen Friedensreiches verwendet wurden.― 14 Die Vorstellung, in den Türken sei „der― oder „ein― Antichrist zu sehen, war bereits zu Beginn der Reformationszeit vor allem in humanistischen Kreisen üblich, scheint aber schon damals in erster Linie ein protestantisches Phänomen gewesen zu sein. Mit Bezug auf die Türken als Bedrohung des letzten Reiches und Ankündiger des Weltendes steht bei den Katholiken die Kreuzzugsidee im Vordergrund und die Befürwortung einer offene Bekämpfung und Bekehrung der Türken, die Lutheraner hingegen bevorzugten eine apokalyptischere Deutung und sähen in den Türken eine Aufforderung zur Buße, die sich zunächst in einer passiveren Haltung gegenüber den militärischen Problemen und später in der Formel des „gerechten Krieges― manifestierte.15 Dass Brant sich zumindest indirekt in die Diskussion eingemischt hat, zeigen die von ihm herausgegebenen

10 Vgl. ANDERMANN 2000, S. 53.

11 Vgl. SCHULZE 1978.

12 Vgl. ANDERMANN 2000, S. 53.

13 Vgl. ANDERMANN 2000, S. 54.

14 Matthias POHLIG: Konfessionskulturelle Deutungsmuster internationaler Konflikte um 1600 -

Kreuzzug, Antichrist, Tausendjähriges Reich, in: Archiv für Reformationsgeschichte 93 (2002), S. 278-316, hier S. 278.

15 Vgl. POHLIG 2002. Weiterführend zum Thema vgl. auch SCHULZE 1978; Heinz-Dieter

HEIMANN: Antichristvorstellungen im Wandel der mittelalterlichen Gesellschaft. Zum Umgang

mit einer Angst- und Hoffnungssignatur zwischen theologischer Formalisierung und beginnender

politischer Propaganda, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 47 (1995), S. 99-113.

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Offenbarungen des Pseudo-Methodius, in denen genau diese Fragen abgehandelt werden.

1.1. Der Türke als Vorbote der Apokalypse? Die Offenbarungen des Pseudo-Methodius und Wolfgang Aytingers Traktat über Methodius

„Incipit―, so der Beginn des von Brant herausgegebenen Offenbarungstextes des hl. Methodius, „divinarum revelationum sancti Methodij episcopi Martyris incliti de regnis gentium et novissimis temporibus certa demonstratio christiana ab Adam

usque ad extremum diem iudicij procedens―.16 Nach Dieter Wuttke handelt es sich dabei um „[...] eine politische Prophetie, die den endgültigen Sieg der Christenheit über die Türken voraussagt und die Brant mit der Begründung edierte, er hoffe, der Sieg des Christentums stehe unmittelbar bevor―.17 Der Originaltext der Offenbarungen des sogenannten Pseudo-Methodius entstand im 7. Jahrhunderts in Syrien. Ein unbekannter Christ fasste den Text wohl unter dem Eindruck der langen Auseinandersetzungen zwischen Byzanz und dem Sassanidenreich in Syrien auf syrisch ab. Er wollte damit eine Universalgeschichte der Menschheit präsentieren, die von der Schöpfung bis zum jüngsten Gericht handeln sollte. Der stark chiliastische Text wurde dem bekannten Bischof Methodius von Olympos in Lykien zugeschrieben, der am Anfang des 4. Jahrhunderts das Martyrium erlitt. Der Text wurde bald ins Griechische übersetzt, um 700 dann auch ins Lateinische übertragen und verbreitete sich rasch. Die Beliebtheit erklärt sich damit, dass im Text unter Vorgabe einer Prophezeiung der Arabersturm genau vorausgesagt wurde und einen christlichen Endsieg verhieß. Der Sieg sollte von einem nicht namentlich genannten Endkaiser errungen werden, der anschließend in Jerusalem abdanken würde.18 Die ursprüngliche syrische Fassung ist als Homilie zu verstehen und besteht aus einer Weissagung über die dem Ende der Welt vorausgehenden Ereignisse, der eine Darstellung der Weltgeschichte vorangeht. „Diese ist in sieben Jahrtausende eingeteilt. Mit der Beschreibung der Eroberung von sehr vielen Teilen der Welt durch die Araber im siebenten Jahrtausend, das heißt mit der Beschreibung seiner Gegenwart, gibt der Verfasser vor, von der Darstellung der Vergangenheit zur Weissagung der Zukunft überzugehen, tatsächlich aber tut er dies erst im Falle der

16 Methodius primum olympiade: et postea Tyri civitatum episcopus. sub diocleciano Imperatore In

Calcide civitate (que nigropontum appellatur ut divus scribit hieronimus martyrio) coronatur: qui

cum eruditissimus esset vir: multa edidit documenta et presertim de mundi creatione eidem in

carcere revelata: passus fuit quartadecimo Kalendas octobris. De revelatione facta Ab angelo beato

methodio in carcere detento. Basel, Michael Furter, Januar 1498, fol. av.

17 Vgl. WUTTKE 1974, S. 278f.

18 Vgl. Otto PRINZ: Bemerkungen zum Wortschatz der lateinischen Übersetzung des Pseudo-

Methodius, in: Adolf REINLE, Ludwig SCHMUGGE, Peter STOTZ (Hg.): Variorum Munera Florum. Latinität als prägende Kraft mittelalterlicher Kultur. Festschrift für Hans F. Haefele zu seinem sechzigsten Geburtstag, Sigmaringen 1985, S. 17-22. Sehr ausführlich zu Endzeitweissagungen im allgemeinen und zu Pseudo-Methodius im besonderen vgl. MÖHRING 2000.

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angeblich auf den Arabersturm bis zum Weltende folgenden Ereignisse.―19 Die lateinische Übersetzung ist in mindestens vier Fassungen bekannt; die verbreitetste

ist eine von einem nicht näher bekannten Petrus monachus übertragene Version. Die Offenbarungen des Methodius erfreuten sich im späten Mittelalter wachsender Beliebtheit, weil sie sich als Verheißung eines Sieges über die Türken interpretieren ließen. Erstmals gedruckt wurden sie 1475 in Köln, dann 1496 bei Froschauer in Augsburg, und zwar zusammen mit dem Kommentar des Augsburger Geistlichen Wolfgang Aytinger, dann 1497 in Memmingen bei Kunne (ohne Aytingers Kommentar), ein weiteres Mal in Memmingen bei Kunne ohne Jahresangabe und schließlich 1498 bei Furter in Basel unter Brants Anleitung. Bei dem in der Offizin Michael Furters in Basel gedruckten Ausgabe handelt es sich um eine wortgetreue Wiedergabe des Augsburger Texts inklusive des Aytingerschen Kommentars.20 Brant gab den Text erstmals 1498 heraus, dann folgten weitere Ausgaben in den Jahren 1500, 1504 und 1515.21 1504 erschien zugleich noch eine deutsche Version des Textes, an dem Sebastian Brant jedoch nicht beteiligt gewesen zu sein scheint.22 Die zweite Ausgabe von 1500 enthält die selben Holzschnitte wie die erste Basler Ausgabe. Die Auswahl der Holzschnitte traf Sebastian Brant, wie er insgesamt die Ausgabe auf Anregung des Basler Minoritenpredigers Johannes Meder anfertigen ließ. Die erste Ausgabe Brants enthält ebenfalls nicht nur die Prophezeiungen des Methodius, sondern zusätzlich noch den langen Traktat Wolfgang Aytingers. Aytinger stammt aus Augsburg, war Sohn eines dort ansässigen Schmieds und absolvierte sein Studium in Köln, wo er 1485 den Titel des Magister artium

verliehen bekam. Später bezeichnete er sich als iuris utriusque promotus, doch ist nicht bekannt, ob er sein Rechtsstudium ebenfalls in Köln betrieben hat. Später (seit 1496) ist Aytinger als Kleriker bekannt. Über seine Priesterweihe weiß man allerdings nichts.23 Von 1496 an lebte er wieder in Augsburg, wo er nachweislich als Korrektor für die Drucker Erhard Oeglin und Georg Nadler tätig war.24 Friedrich

19 Vgl. MÖHRING 2000, S. 59. Nicht die Rede ist allerdings von einem durch Jesus gegründeten tausendjährigen Reich, das mit Anbruch des siebten Jahrtausends beginnen würde; ebenso wenig beginnt eine tausendjährige Friedensherrschaft.

20 Vgl. SCHRAMM 1940, Bd. XXII/2, S. 15.

21 Vgl. WILHELMI 1990, Nr. 446, 447, 448, 449 sowie VD 16, Nr. M 4934 (1504), M 4935 (1515).

22 Vgl. VD 16, Nr. M 4936: Eyn biechlin sancti Methodij martrers. vnd bischoffs zu(o) partinentz.

jn kriechen land. in dem begriffen sind. go(e)tlich offenbarungen. von denn hailigen engel

geschehen. von dem anfang der welt. vnd außreütung menger reichtumb. vnd des letsten künigs

der ro(e)mer geschicht. vnd künfftige überwindung. wider die Türcken. vnd von der erlo(e)sung

der cristen. vnnd nidertruckung der sarracenen. Uon der nüwerung vnd gemainen fryd der

cristenlichen kirchen Und von der volbringung des ends der weltt. Als dem wirdigen glauplichen.

grünlichen aynhelligkaiten der wyssagungen. [...]. Basel, Michael Furter, 1504.

23 Vgl. das nachfolgend abgedruckte Nachwort der Methodius-Ausgabe, das die genannten Angaben zu seinen akademischen Graden enthält.

24 Vgl. dazu Friedrich ZOEPFL: Wolfgang Aytinger - ein deutscher Zeit- und Gesinnungsgenosse

Savonarolas, in: Zeitschrift für deutsche Geistesgeschichte 1 (1935), S. 177-187, hier S. 178f. Zoepfl vermutet, dass Aytinger auch bei der Herausgabe der Türkenliteratur in der Werkstatt des Johannes Froschauer beteiligt war.

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Zoepfl bescheinigt Aytinger „eine nicht üble formaljuristische und formalscholastische Schulung – dafür eine umso schlechtere humanistische; sein Latein musste für ein humanistisches Ohr geradezu beleidigend klingen, echt „kölnisch― im Sinne der Dunkelmännerbriefe―.25 Diesem schlechten Zeugnis zum Trotz hat Aytinger über gute Literaturkenntnisse vor allem aus dem Bereich der Visions- und Weissagungsliteratur, aber auch der antiken Autoren und der Kirchenväter verfügt, wie die Analyse seines Traktats zeigt. Der Abhandlung Aytingers war kein geringer Erfolg beschieden, was zum einen an der bildnerischen Ausgestaltung seitens Sebastian Brants lag, zum anderen an der Tatsache, dass er die zeitgenössischen Debatten im Kern traf: Sowohl das drängende Problem der Kirchenreform als auch die zu dieser Zeit stark präsenten Endzeitvisionen tauchen in seinem Text auf. Zusammen mit dem ohnehin beliebten Visionstext des Methodius wurde das Werk mithin auch für Brant äußerst attraktiv, da es seine eigenen Bemühungen zur Sensibilisierung der Zeitgenossen mit Blick auf den immer heller strahlenden Halbmond auf fast perfekte Weise unterstützte.

In seinem Vorwort zu den Offenbarungen des Pseudo-Methodius (av-aiir), das er

dem Basler Franziskaner Johannes Meder widmete, betonte Brant, niemand könne sagen, wann das Ende tatsächlich komme, dies sei allein von Gott bestimmt. Allerdings könne man den Triumph der Kirche berechnen. Bedeutend ist hierbei die „Verwissenschaftlichung― der Prophetie, denn, wie Brant schreibt, könne kein Gelehrter es in Zweifel ziehen, dass man den ruhmreichen Triumph der katholischen Kirche und die Bekehrung der Völker nicht auch mit astrologischen Berechnungen bestimmen könne. Brant wünscht dem präsentierten Werk den verdienten Erfolg, vor allem aber Kaiser Maximilian, dass seine Herrschaft durch göttliche Milde vermehrt und beschützt werde:26

Hortaris me crebro, interpellacionibus quoque assiduis efflagitas, amantissime pater, quatenus Methodij Euboici praesulis sanctissimi beateque Hildegardis virginis revelationes quas vocant, in picturatas redigere non dedigner tabellas. Motus fortassis Gregoriane constitutionis lectione, qua scriptum reliquit picturam rerum gestarum esse necessariam. Nam quod legentibus scriptura hoc et idiotis praestat pictura cernentibus, quia in ipsa ignorantes vident quid sequi debeant, in ipsa legunt qui litteras nesciunt. Unde et praecipue imperitis pro lectione pictura est. Tuo igitur iussu, deo amabilis pater, tuoque suasu hanc quam coram cernis popularem subij provinciam. Tabulas utcumque sculpendas ordinavi, quo facilius spiritus prophetici multis innotescat vaticinium. Fecique id eo libentius quo gloriosum reipublice christiane contra infideles Thurcasque inibi repromissum proprius existimo fore triumphum. Id quod ex varia iam rerum mutatione colligi licet tametsi comperiantur qui prius Italiam hostili gladio feriendam autument scriptores. Neque rursus ignoro quosdam vaniloquij sectatores non vereri hanc nostram revelationem propheticam. anile deliramentum aut fabulam appellare inanem. Illud beati Augustini in epistulis afferentes elogium tempora novissima dinumerare non audemus. Neque aliquem prophetam de hac re numerum existimamus praefinisse annorum, sed illud pocius praevalere quod ipse ait dominus: „Nemo potest colligere tempora quae pater posuit in

25 Vgl. ZOEPFL 1935, S. 178.

26 Vgl. Brant: Ad venerandum religiosumque fratrem Johannem Meder ordinis sancti francisci

minorum de observatia in Basilea publicum concionatorem Sebastiani Brant in beati Methodij

revelationem praefacio, in: De revelatione facta Ab angelo beato methodio in carcere detento. Basel, Michael Furter, Januar 1498. Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 199.

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sua potestate―. Quasi praedicere christiane reipublice status reformationem triumphumque, continuo foret terminum extremi praefinisse iudicij. Quod mihi non sit verisimile. Cum et salvator noster omnis veritatis auctor in evangelio dixisse legatur et praedicabitur hoc evangelium regni in universo orbe, in testimonium omnibus gentibus, tunc veniet finis. Quid est tunc veniet finis, nisi ante non veniet. fateamur ergo necesse est, incertum esse nobis quando veniet finis et id sibi soli deum reservasse.27 Dubitare tamen utique non debemus, antea non esse venturum finem nisi prius fructificante ecclesia, universus a mari usque ad mare impleatur orbis. et gentium prius ut apostolus ait intret plenitudo. Nemo igitur doctus negare ausit gloriosum hunc ecclesie catholice triumphum gentiumque subversionem immo ad fidei archana conversionem non modo divinis praedici revelacionibus, sed et astrologicis praefiniri posse calculacionibus. Ego itaque neque detrahere sanctorum assertionibus tutum esse arbitror, neque cuncta taliter tradita pro necessarijs accipere evangelijve haberi loco dignum esse iudico. Cum autem multa per eos praenunciata, effectu iam dudum completa esse pervideam, dubium non statim quoniam sequantur et pauca que restant. Quia sequentium rerum ut Gregorius inquit certitudo est praeteritarum exhibitio. Proderit itaque hec nostri effigiati operis promulgatio, ut saltem ad cautele studium mentes evigilent humane, ne securitate torpeant aut ignorantia languescant. Sed semper eas et timor in bono opere sollicitet et sollicitudo confirmet, maturet deus optimus maximus hanc sanctissimi sui nominis credentium plenitudinem, praesertim invictissimi christianissimique regis nostri Maximiliani ductu et auspitio felicissimo, cuius regnum et imperium vitamque et fortunam divina adaugeat tueaturque clementia. Vale, devotissime pater, utque id celerius fiat cuncta quoque prosperentur, sedulo deum exorabis. Ex edibus nostris kalendis novembribus nonagesimo septimo.

Brant schrieb dieses Vorwort im November 1497, das Buch erschien im Januar des folgenden Jahres. Offenbar schien es, wie aus dem Schreiben an Johannes Meder hervorgeht, schon längere Zeit ein Anliegen zu sein, die Offenbarungen des Methodius zu publizieren, denn Brant rechtfertigt sich dafür, dass er so lange für die Ausgestaltung der Ausgabe mit Bildern gebraucht habe. Doch so könnten mehr Menschen die Prophetien verstehen, auch diejenigen, die nicht lesen könnten. Er wisse wohl, dass gewisse Anhänger von Großschwätzern die Prophetie für Phantasien und Märchen halten würden. Vieles sei aber bereits in Erfüllung gegangen. Man müsse daher stets wachsam bleiben und das Richtige tun, dann werde Gott seine Milde walten lassen, vor allem mit Blick auf Maximilian.

Der Text der Prophetie beginnt mit einer Vorrede (aiijr-aiiij

r), in der, beruhend auf den Prophetien Ezechiels und Jesaias und auf der Apokalypse, auf einen großen Kampf im Himmel zwischen Gott und dem Antichristen verwiesen wird. Letzterer strebe danach, Gott gleichzukommen. Als die Engel geschaffen wurden, hätten sich einige Gott angeschlossen, andere Luzifer. Dies sei die erste Schlacht im Himmel gewesen. Der Erzengel Michael hätte mit dem Drachen gekämpft; der Drache würde Teufel („diabolus―) und Satan („sathanas―) genannt und sei schließlich in Gestalt einer Schlange auf die Erde geworfen worden, wo er die ganze Welt („universum orbem―) verführt hätte. Den ersten Krieg auf Erden hätte er mittels der Frau entzündet; denn für den elenden Menschen sei der Dämon stärker als die Unschuld. So sei der Mensch in die Hände des Teufels geraten, und der entrüstete Gott habe ihn daraufhin aus dem Paradies geworfen und in das Tal der Tränen verbannt. Der Vorrede folgt ein historischer Abriss über die Geschichte der Menschheit, die hier in sechs Weltalter (Jahrtausende) eingeteilt wird ([av]r-[div]v): Das erste Jahrtausend

27 Vgl. Mt. 2513: ―vigilate itaque quia nescitis diem neque horam‖.

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([av]r) beginnt mit der Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies und wird kurz auf einer Seite abgehandelt. Der Brudermord Kains wird genannt, ebenso die Geburt Seths. Im sechshundersten Jahr dieses ersten Jahrtausends seien die Menschen der Unzucht verfallen, diese schmutzige Unzucht („inquinamentum fornicationis―) hätte sich im 8. Jahrhundert noch ausgeweitet. Die Stämme des Kain und des Seth hätten sich getrennt und auf verschieden Gebiete verteilt; Seth auf einen Berg nahe des Paradieses und Kain an jenen Platz, an dem er seinem Bruder das Leben genommen habe. Im zweiten Jahrtausend ([av]v-[avj]v) seien die schlechten Künste erfunden worden. Die Nachkommen des Kain hätten durch den Einfluss des Teufels magische Künste und allerlei Musik hervorgebracht. Außerdem sei die Unzucht noch schlimmer geworden als im ersten Jahrtausend: Die Menschen lebten wie die Tiere und frönten der Homosexualität ebenso wie der Inzucht. Im achten Jahrhundert des zweiten Jahrtausends hätten die teuflischen Nachkommen ihre schrecklichen Sitten auch auf die Nachkommen des Seth übertragen, diese seien daraufhin in die Sünde verfallen und zu Wilden geworden. Darob entzürnt schickte Gott am Ende des zweiten Jahrtausends die Sintflut auf die Erde. Das dritte Jahrtausend ([avij]r+v) beginnt mit dem Geschlecht Noahs. Erwähnt werden der Turmbau zu Babel, die Sprachverwirrung und die Zerstreuung der Menschheit auf der Erde. Jonithus, ein Sohn Noahs, betrat das Gebiet Eliochora, das Land der Sonne, wo er siedelte und von Gott die Gabe der Weisheit und der Künste erhielt. Unter anderem sei er der erste Erfinder der Astronomie gewesen. Zu ihm stieß Nimrod, der ein gelehrter Gigant gewesen sei. Jonithus habe ihn in Astronomie unterwiesen. Nimrod sei ein Nachkomme von Chams Vater Chus gewesen und sei der erste Herrscher auf Erden gewesen. In diesem dritten Jahrtausend sei auch Babylon errichtet worden, wo Nimrod regiert habe. Unter der Regentschaft des Nimrod und des Jonithus hätte Frieden geherrscht. Die Söhne Noahs Sem, Cham und Japhet hätten sich jedoch zerstritten. Somit seien die verschiedenen Königreiche auf Erden entstanden. Das vierte Jahrtausend ([aviij]r) erzählt von den Kämpfen der Königreiche untereinander, von den Nachfolgern Nimrods, Elisden und Cosdron, die das ägyptische Reich und den ganzen Orient unter ihre Gewalt gebracht haben und von der Auslöschung der Nachkommen Agars. Das fünfte Jahrtausend ([aviij]v-[bvij]r) wird, anders als die vorhergehenden, sehr ausführlich dargestellt. Die Nachkommen Ismaels verlassen die arabische Wüste, betreten die bewohnbare Welt, kämpfen mit den Königen der verschiedenen Völker und nehmen die Menschen gefangen. Sie setzen sich auf der „terra promissionis― fest, laufen nackt umher, essen Kamelfleisch und trinken mit Milch vermischtes Blut. Sie bauen Schiffe und verteilen sich auf dem übrigen Erdreich bis nach Rom, Illyrien, Ägypten und Thessaloniki. Gedeon befreit das Volk Israel von den Ismaeliten. Methodius prophezeit eine erneute Ausbreitung der Ismaeliten auf die bewohnte Welt; ausdrücklich wiederum auf Rom und andere Regionen des Okzidents und Orients. Brant setzt in einer Randglosse die Ismaeliten mit den Türken gleich, welche sich in genannter Weise ausbreiten würden. Es folgen Ausführungen zum Perser- und Assyrerreich. Alexander der Große schließt die Völker Gog und Magog „propter eorum turpitudinem― in den kaspischen Bergen ein. Methodius prophezeit den Einmarsch der Völker Gog und Magog nach Israel. Das sechste und letzte Jahrtausend ([bvij]v-[div]v) erfährt ebenfalls wieder eine ausgedehnte Beschreibung

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und enthält nun die eigentlichen Prophezeiungen bis zum Ende der Welt. Auf fol. [bvij]v heißt es ausdrücklich: „Non est autem gens atque regnum sub celo quod prevalere posset aut superare regnum christianorum, sicut iam prefati sumus superius quod in medio terre vivificans confixa est crux sancta sub qua orbis terre

munitur“. Alle Weltreiche bis auf das römische würden untergehen; die Sünden der Menschheit würden von Gott mit der Macht Ismaels betraft werden. Wiederum werden die Nachkommen Ismaels mit den Türken gleichgesetzt. Unter den Heimgesuchten werden die Länder Frankreich (Gallia) und Deutschland (Germania) genannt. Seuchen und Hungersnot wird über die Sündigen hereinbrechen, „et erit

christianorum tribulatio maxima, et erunt omnia sub iugo eorum“. Weitere schlimme Strafen werden plastisch beschrieben. Schließlich wird ein römischer König über die Ismaeliten siegen. Alle diejenigen, die sich zu Christus bekennen, finden sich auf der sicheren Seite. Dann wird der Antichrist auf die Erde kommen. Der letzte römische König wird auf dem Ölberg von Gott die Krone und das Königreich übertragen bekommen. Schließlich werden beim letzten Weltgericht alle gerichtet werden.

Dem Text des Methodius folgt nun der Traktat des Augsburger Magisters und Rechtsgelehrten Wolfgang Aytinger über die Prophezeiungen des Methodius, welches fünf Kapitel enthält. „Aytinger war nicht wie Hildegardis, Joachim, Savonarola vom Geiste Gottes berührt, er trug nicht selbst den Prophetenmantel, er war nur Prophetendiener [...]. Nicht eine Prophetie ist sein Traktat, sondern ein Prognostikon, in kühler, verstandesmäßiger, schulgerechter Form angelegt und durchgeführt, eine scholastische Distinktion, ein juristisches Gutachten.―28 Aytingers Ausgangsfrage lautet, ob mit dem Fall Konstantinopels der Antichrist bereits seinen Fuß in den Bereich des abendländischen Christentums gesetzt habe und ob somit schon das Ende nahe sei. Gott, so Aytinger, habe die türkische Herrschaft über das Heilige Land und über die orientalische Christenheit zugelassen, und zwar sowohl für die Türken, die nach ihrer Niederlage christlich werden sollen, als auch für die Christen, die durch die Bedrängung, die sie erfahren, den Weg zurück in die römische Gemeinschaft finden sollen. Die Tage der Türkenherrschaft seien gezählt, doch zuvor komme noch ein großes Strafgericht über die abendländische Kirche und über Rom. Dies liege an den vielen Sünden, die vor allem vom Klerus begangen worden seien. Die Geißel erscheint in Form eines von Gott gesandten mächtigen

Fürsten, eines deutschen „Aquila grandis“, der gemäß dem Vorbild des biblischen Königs Antiochus IV. und seines Feldherrn Lysias den Römern einen schismatischen Papst aufdrängen werde und, da die Römer dies nicht akzeptieren würden, schließlich mit einem gewaltigen Heer gegen Rom ziehen und dort hausen werde. Es werde für einige Zeit keinen rechtmäßigen Papst mehr geben, der Klerus werde verarmen und die heiligen Messen werden nicht zelebriert werden. Dies alles geschehe einer kumäischen Sybille zufolge unter Papst Alexander VI. Nach Methodius dauert diese Krise insgesamt 56 Jahre. Aytinger sieht den Beginn der Krise in Übereinstimmung mit anderen Propheten in der Eroberung Konstantinopels. Das Ende der Krise wäre demzufolge im Jahr 1509 anzusiedeln. Der Sieg über Bāyezīd II. werde bald von dem endzeitlichen Kaiser erreicht werden.

28 Vgl. ZOEPLF 1935, S. 181-187.

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Zuvor jedoch werde die Kirche eine „purgatio et reformatio― erleben. Auch die „reformatio ecclesiae― werde von Gott nicht dem Papst, sondern einem „beatus rex Romanorum― übertragen. Dabei handelt es sich dann um den „ultimus rex Romanorum―, also um den Endkaiser. Dieser werde auf jedem Fall dem Abendland entstammen, das der wahre Erbe Christi sei. Allerdings legt sich Aytinger nicht namentlich fest, es müsse aber ein „rex Almanus― sein, wenn man Methodius folge, aber prinzipiell käme auch ein anderer Herrscher infrage. Der Endkaiser werde nach der Niederwerfung der Türken Glaubensboten ausschicken und Türken und Heiden zum Kreuz bekehren. Er stelle damit die Alleinherrschaft des römisch-katholischen Glaubens wieder her, richte das große Friedensreich auf und bereite so dem großen Friedenskönig den Weg.

Nach dieser verlockenden Vision verpasst Aytinger seinen Zeitgenossen, vor allem aber dem Klerus und den Päpsten, eine Abfolge schallender Ohrfeigen. Die Christenheit trage Schuld daran, wenn vor der glücklichen Endzeit noch solch große Not über sie hereinbreche. Aytinger verbindet hier die Schau des Propheten mit einer profunden Kritik an der Kirche und mit Reformforderungen.29 Er folgt in seiner Kritik einer Reformschrift, für deren Verfasser der deutsche Kaiser Sigismund gehalten wurde.30 Da Sigismund Aytinger als „vir christianissimus, pius ac iustissimus imperator und als illustrissimus, devotus et beatus imperator― gilt, in einer Reihe mit Konstantin dem Großen, Karl dem Großen und den drei ottonischen Königen steht, wird der Wert seiner Kritik vollständig legitimiert, nicht zuletzt, weil Sigismund auf dem Basler Konzil für die Reform der Kirche gekämpft habe und gegen die Habsucht der Kurie und der Prälaten aufgetreten sei. Die römische Kirche sieht Aytinger von Dornen und Disteln überwuchert, gar der Höllenschlund selbst sei sie. Der Teufel Mammon habe dort sein Lager errichtet und schlage nun Geld aus dem Leiden und dem martervollen Tod des Gottessohnes. Wenn sie nur bezahlten, erhielten Unwürdige, Esel und Idioten Prälaturen, Kanonikate, Pfarreien und Pfründe. Wer hingegen nichts habe, sehe sich vor verschlossenen Toren. Auch den Bischöfen werden Simonie und Hurerei vorgeworfen. Diejenigen, die man eigentlich hinauswerfen müsse, fänden stets Fürsprecher an den bischöflichen Höfen. Vernachlässigung der Residenzpflicht, nachlässige, pflichtvergessene und unapostolische Auswahl der Kleriker – die lange Liste an Verfehlungen, die Aytinger aufzählt, sollen zeigen, dass all dies nichts mehr mit dem evangelischen Vorbild des guten Hirten zu tun habe. Nicht weniger gescholten werden Kanoniker, Äbte und Prälaten und auch der niedere Klerus, der,

29 Zeitgleich zu Aytinger hielt sich der Regensburger Priester und Prognostiker Joseph Grünpeck in Augsburg auf. Da Brant auch eine Schrift Grünpecks herausgegeben hatte, ist es wahrscheinlich, dass zwischen Aytinger, Grünpeck und Brant Verbindungen bestanden.

30 Zoepfl zufolge entstand die Schrift in den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts in Basel und stammt aus der Feder eines Geistlichen namens Friedrich, Kanzleibeamter Herzog Wilhelms von Bayern. Womöglich handelt es sich dabei um den Notar Friedrich Winterlinger aus Rottweil. Vgl. ZOEPFL 1935, S. 183. Über die Benutzung der Reformschrift durch Aytinger vgl. auch Paul JOACHIMSEN:

Die Reformation des Kaisers Sigmund, in: Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft 41 (1921), S. 36-51. Da die Schrift mehrfach in den entsprechenden Jahren in Augsburg gedruckt wurde (1476, 1480, 1484, 1490[?], 1497), ist die Benutzung durch Aytinger leicht erklärbar.

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wiewohl von den Oberen der kirchlichen Hierarchie ausgepresst und gebeutelt, dennoch vom Geizteufel besessen und zum Pfründenschacherer geworden sei. Die allgemeine Ehrfurchtslosigkeit gegenüber den heiligsten Sakramenten werde von Gott mit der Türkenherrschaft bestraft, so dass der Segensstrom des Messopfers ganz versiegen werde. Dies treffe, allerdings zu Recht, auch die Laien. Kaum noch wüssten die Leute das Kreuzzeichen zu machen, zu beten oder zu beichten. Die wenigsten kennten die Gebote und Glaubensartikel richtig. Die Willkür, Raubsucht, Ungerechtigkeit und Pflichtvergessenheit des Adels ziehe folgerichtig den Fluch Gottes auf die Erde. Mit diesen düsteren Beschreibungen seiner Gegenwart endet Aytingers Traktat.

Dem Text Aytingers folgt ein kurzer Kommentar Aytingers zu seiner Person und zu seinem Werk. Darin sagt er noch einmal deutlich, dass er den Text des Methodius samt seines Traktats herausgegeben habe, weil er vom rechten Glauben bewegt dem zweiten Babylon, nämlich der Türkei, das Wort reden wolle und weil er auf den großen Triumph des römischen Königs hoffe:

Tractatus continens in se quinque capitula de fine quinti flagelli ecclesie super textum divinarum revelationum beati Methodii martyris cum prefatione ac concordantijs autenticis notabilibusque diversis textui conformiter applicatis, hic completur laboriosa cura et ingenio Wolffgangi Aytinger clerici ac incole Augustensis vindelicorum Artium magistri. necnon Juris utriusque promoti. Qui motu compassionis orthodoxe fidelium modo mancipatorum in altera secundaque Babylonia videlicet Turcia qui in sanguine agni nobiscum redempti sunt, Ac pro speciali consolamine deliberationis eorundem per magnum triumphum regis Romanorum et catholicos in proximo conflictu habendum cum Ismaheliticis. sicut libellus presentis opusculi vere deludicat, pro quo feliciter orate.

Diesem Schlusstext folgt unmittelbar ein vierzeiliges Gedicht Sebastian Brants:

Omnipotens genitor qui verbo cuncta creasti, Condignas laudes quis tibi ferre potest. Tu pacem conferre velis per tempora nostra,

Ne miseros tangant seva futura, iuves.31

Offenbar in Kenntnis eines älteren Druckes der Offenbarungen hat Brant diesen Vierzeiler platziert, denn in der undatierten Memminger Ausgabe befindet sich ebenfalls ein vierzeiliges Gedicht mit folgendem Wortlaut:32

Cunctipotenti qui orbem verbo creavit. Instar architephi sophiaque stabilivit.

31 Bei Wilhelmi: seu a futura. Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 232.

32 Vgl. (Pseudo-)Methodius; Aytinger, Wolfgang: Titulus in libellum sancti Methodij martyrus et

episcopi Partinensis ecclesie prouincie grecorum continens in se reuelationes diuinas a sanctis

angelis factas de principio mundi et eradicatione variorum regnorum atque ultimi regis

romanorum gestis et futuro triumpho in Turcos atque deliberatione christianorum ac oppressione

Sarracenorum: de restauratione ecclesie et vniuersali pace cum autenticis concordantijs

prophetiarum deque consumatione seculi hic annotatur. Ohne Kolophon. A. Kunne, Memmingen, ca. 1490, [evj]r.

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Redemptori nostro ac pneumati quoque sanctor Sit laus et gloria per infinitaque secla. Amen.

Meines Erachtens handelt es sich um ein bewusstes Aufgreifen und Abwandeln jenes Gedichtes. Aus einem reinen, ergebenen Lob Gottes wird eine Bitte um Frieden für die eigene Zeit und zugleich ein Ausdruck der Furcht, es würden bittere Stunden auf die elenden Zeitgenossen zukommen, wenn Gott nicht seine Gnade walten lasse. Die zweite Zeile von Brants Gedicht, „condignas laudes quis tibi ferre potest―, klingt geradezu wie eine Antwort auf die letzten beiden Zeilen des anderen Gedichtes: „Redemptori nostro.....sit laus et gloria per infinitaque secla―. Reines Gotteslob und reine Gottergebenheit genügen ihm nicht mehr, um den Fährnissen der eigenen Zeit entgegenzutreten: Neben dem vehement eingeforderten eigenen Handeln braucht man von Gott konkrete Hilfe, um die Brant hier auch bittet.

Dem gesamten Text sind ausführliche Marginalien an die Seite gestellt, die sowohl ein grobes Zeitraster enthalten – hier beginnt das erste Jahrtausend, hier das zweite etc. – als auch auf die entsprechenden Bücher der Bibel verweisen, auf die der Text jeweils anspielt. Die Marginalien finden sich auch in älteren Ausgaben wieder, so etwa in der undatierten Memminger Version, so dass sie nicht von Brant erstellt, sondern übernommen worden sind. Bemerkenswert sind die insgesamt 61 Abbildungen, die das 136seitige Buch enthält.33 Wie Brant in seiner Vorrede erwähnte, wurden sie angefertigt, um auch demjenigen Leser, der der Buchstaben nicht mächtig war, den Inhalt der Offenbarungen zugänglich zu machen. Diese Absicht spielte eine so große Rolle, dass die von Johannes Meder beklagten Verzögerungen vor allem auf die zeitraubende Bildredaktion zurückzuführen sind. Die Abbildungen, die extra für den Text entworfen wurden, finden sich auf nahezu jeder Seite und sind alle mit einer erläuternden Über- oder Unterschrift versehen, die zugleich meist als Kapitelüberschriften fungieren.34 Die beiden Texte, die Offenbarungen des Methodius und Aytingers Traktat, wurden von Brant als Einheit aufgefasst und gemeinsam publiziert. Das ist nicht nur anhand der durchgehenden Lagenzählung oder anhand des einheitlichen Layouts – sowohl mit Blick auf den Text als auch auf die Bebilderung – auszumachen, sondern Brant schließt das Buch mit dem o.g. Gedicht, worin er seiner Hoffnung auf eine gute Zukunft Ausdruck verleiht. Dies ist vor allem vor dem bei Aytinger konkret gemachten Szenario einer drohenden Türkenherrschaft zu interpretieren und wird sich kaum allein auf die für sich gesehen eher unbestimmten Offenbarungen des Methodius beziehen.35

33 Alle Holzschnitte des Werkes sind bei SCHRAMM 1940, Bd XXII/2, Nr. 561-614 und 1141, abgebildet. Vgl. dazu den Kommentar zu den Abbildungen ebd. S. 15f.

34 Die Bemerkung von Weisbach, die Holzschnitte seien von so geringem Wert, dass „es sich nicht verlohnt näher auf sie einzugehen―, ist sicher nicht richtig. Es wäre ganz im Gegenteil sehr lohnend, Bild und Text der Methodius-Aytinger-Ausgaben eingehend im Zusammenhang zu untersuchen. Vgl. WEISBACH 1896, S. 28.

35 Aus Wilhelmis Werk ist weder aus der Bibliographie noch aus den sog. „Kleinen Texte― herauszulesen, dass dem Werk des Methodius der Traktat von Wolfgang Aytinger beigebunden ist. Ebenso wenig wird im bibliographischen Verzeichnis auf das Gedicht verwiesen, das sich am Schluss, vor dem Kolophon, befindet. Dies erfährt man erst, wenn man in den „Kleinen Texten― über das Incipitregister nach dem Gedicht sucht und dann einen Hinweis auf Methodius erhält.

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Die Zusammenfügung der beiden Texte und der damit hergestellte enge Konnex zwischen den beiden Themen – Endzeitvision und islamische Expansion – lassen

einen deutlichen Zusammenhang zu De origine herstellen. Dem Text kommt somit bei der Interpretation von Brants Werk eine große Bedeutung zu. Kaiser Maximilian I. wird, wie die vorherigen Kapitel gezeigt haben, von Brant mit hohen Erwartungen konfrontiert und erfährt eine solche Verehrung, dass man den Schlüssel für die Frage nach dem Warum eigentlich nur in der bei Methodius und anderen entwickelten und propagierten Idee eines Endkaisers finden kann: Maximilian als letzter Kaiser vor der Apokalypse, der die Insignien seiner Herrschaft in Jerusalem von Gott persönlich erhält. Möglicherweise ist hierin ein Schlüssel zur Erklärung für

die Entstehung des Werkes De origine zu sehen.36 Dennoch kann Brant nicht zu den düsteren Pessimisten gezählt werden, die nur auf das Ende der Welt warteten. Er ist stets ein Optimist geblieben. Angesichts der Endzeitstimmung seiner Zeit, die sich mannigfach über Flugschriften, Predigten, die Schriften Luthers und anderer breit machte, welche vor Prophezeiungen über den nahen Weltuntergang strotzten, gewinnt man einen „tröstlichen― Eindruck bei der Lektüre der Brantschen Werke, die zwar auch nicht vor Mahnungen, Warnungen und Wehklagen Halt machen, aber doch immer ein Heilsversprechen in sich tragen, in dem sie einen Lösungsweg formulieren: In der Rückkehr zur Demut und zum Glauben und in der Hinwendung zu Kaiser Maximilian liegt der Königsweg, um die europäische „domus― zu einer christlichen und damit hoffnungsvollen und glücklichen zu machen. Vermeintliche Schreckensbotschaften wie missgebildete Tiere und Menschen oder unerklärliche Phänomene wie vom Himmel fallende Meteoriten werden, anders als bei vielen Zeitgenossen, nicht als Hiobsbotschaften eines nahen Weltendes gedeutet, sondern als Fingerzeige für einen richtigen Weg, den man fortan nur noch einschlagen müsse. Dass Brant keine unmittelbare Naherwartung des Weltendes formulierte, lässt den abgeklärten, pragmatischen Handelnden in ihm erkennen und rückt in von den Theologen ab. Auch wenn seinem Geschichtswerk eine biblische Vorstellung der Konzeption von Zeit und Raum zugrunde liegt, so ist er dennoch weit davon entfernt, vom Strom einer alles beherrschenden Eschatologie mitgerissen zu werden. Er gibt stets konkrete Ratschläge für Gegenwart und Zukunft und erweist sich damit

Dies ist irritierend, da Wilhelmi ja das Vorwort, das sich an Johannes Meder richtet, als Brants Text mit Lagenangabe in seiner Bibliographie genannt hat. Wilhelmi hat die Datierung des Gedichts anhand des Kolophons vorgenommen.

36 Vgl. dazu die Ausführungen weiter unten. Weiterführend zum Thema vgl. auch Franz KAMPERS:

Die deutsche Kaiseridee in Prophetie und Sage. München 1896; Dietrich KURZE: Johannes

Lichtenberger. Eine Studie zur Geschichte der Prophetie und Astrologie. Lübeck, Hamburg 1960

(Historische Studien 379); Will-Erich PEUCKERT: Die große Wende. Das apokalyptische Saeculum

und Luther. Hamburg 1948; Marjorie REEVES: Joachimist Influences on the Idea of a Last World

Emperor, in: Traditio 17 (1961), S. 323-270; Marjorie REEVES: The Influence of Prophecy in the

Later Middle Ages. A Study in Joachimism. Oxford 1969; Ernst SACKUR: Sibyllinische Texte und

Forschungen. Pseudomethodius, Adso und die Tiburtinische Sibylle. Halle 1898; E. SARNOW (Hg.):

Handschriften, Einbände, Formschnitte und Kupferstiche des 15. Jahrhunderts. Druckwerke und

Einblattdrucke des 15. bis 20. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1920.

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weit mehr als diesseitiger Politiker denn als jemand, der auf sein unabänderliches Schicksal angesichts des nahen Endes wartet.

1.2. Christianitas, Europa, Germani

Angesichts mannigfacher Verunsicherung und Bedrohung verstärkte sich der Diskurs um die Frage nach dem eigenen „Wir― bzw. der eigenen Identität. Wenn die Türken die Vorboten des Antichristen sein konnten, wer waren dann die übrigen? Reicht es aus, Christ zu sein? Wenn ja, welcher war dann der Wohnraum der Christen? Geographisch betrachtet, stellte Franz-Reiner Erkens fest, sei Europa nichts anderes als ein vielgliedriger und zerlappter Ausläufer des asiatischen Kontinents. So sehr man sich darüber einig sei, so wenig sei damit aber etwas über die tatsächliche Grenze jenes Europa gesagt, „und noch komplizierter werden die Probleme, wenn Europa nicht nur als geographischer Begriff, sondern als politische, kulturelle und historische Einheit verstanden wird.―37 Die Frage nach der kulturellen Abgrenzung überschneidet sich also mit der Frage nach dem geographischen Raum, sodass das Thema ebenso im nachfolgenden Kapitel abgehandelt werden könnte. Die Rolle der Türken als Erfüller der bibilischen Apokalypse zeugt in erster Linie von einer kulturellen Abgrenzung (und nicht von einer geographisch oder geopolitisch begründeten Grenzziehung). Die Geographie ist dabei also durchaus zweitrangig, wenn auch nicht nebensächlich (schließlich wies Enea Silvio Piccolomini in seinem Brief an Mehmed II. mögliche Gebietsansprüche der Türken auf Italien mit dem Argument zurück, die Türken hätten dieses Land nie besessen).

„Europa― ist einer der Begriffe, die bei Brant regelmäßig wiederkehren. Allerdings ist dieser Begriff nur im Kontext mit seinen Synonymen wirklich zu vertehen, nämlich „christianitas―, „respublica christiana― oder „orbis christianus―. Dass die Verwendung nicht neu ist, zeigt ein Blick in die Quellen. Über einen rein geographischen Blick hinaus spricht erstmals Urban II. auf dem Konzil von Clermont während seiner Kreuzzugspredigt von Europa bzw. von der christlichen Gemeinde Europas, die durch die Regentschaft des heiligen Landes durch Heiden geknechtet werde. Bemerkenswert ist bei den Urban in den Mund gelegten Reden die Tatsache, dass Europa als politische und vor allem als kirchlich-religiöse Einheit verstanden wird. Byzanz und die orthodoxe Kirche zählen dabei hinzu. Außerdem ist hervorzuheben, dass die Christen Europas davor gewarnt werden, im eigenen Gebiet von den Ungläubigen geschlagen zu werden. Damit sind bereits zwei wesentliche Eigenschaften einer Europadefinition, wie auch Brant sie formuliert, in der literarischen Tradition vorhanden.38 Urbans Argument, die Gegner hätten einen

37 Franz-Reiner ERKENS: Einleitung, in: DERS. (Hg.): Europa und die osmanische Expansion im ausgehenden Mittelalter. Berlin 1997 (Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 20), S. 7-12, hier S. 7.

38 Vgl. Basileios KARAGEORGOS: Der Begriff Europa im Hoch- und Spätmittelalter, in: Deutsches

Archiv für Erforschung des Mittelalters 48 (1992), 137-164, dort S. 139f mit Verweis auf die Gesta

Francorum expugnantium Iherusalem, in: Recueil des historiens occidenteaux 3 (1866), S. 491. „Urban II. spricht hier ausdrücklich von Europa als einer politischen und vor allem kirchlich-religiösen Einheit, die auch Byzanz und die orthodoxe Kirche umfaßt. Gerade die Bedrängung

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Mangel an Kampfgeist, da sie die Hitze ihrer Herkunftsländer nicht ertrügen, erinnert an Brants Liste der Unzulänglichkeiten der türkischen „Armee―.39 Bereits im 12., 13. und 14. Jahrhundert wurde mit Europa immer wieder ein geographischer Raum assoziiert, in dem Christen leben. Was genau alles dazu zu zählen sei, schwankt je nach Zeit und Autor. Alexander von Roes etwa verstand unter Europa eine geistige, kulturelle und vor allem religiöse Einheit; Dante und Petrarca verwendeten den Begriff Europa in einem politischen und kulturellen Sinn. Maßgeblich bleibt jedoch stets, dass die christliche Religion eine Klammer bildet.40 Mit Blick auf Sebastian Brant ist der Einfluss Enea Silvio Piccolominis entscheidend: In seinen geographischen, politischen und kirchlichen Schriften sprach der Papst

von Europa, insbesondere aber in seiner unvollendeten Cosmographia, deren erster Teil Asien behandelt, der zweite Europa. Neben geographischen Aspekten werden auch Ursprünge, Kultur und Sitten der verschiedenen Völker abgehandelt sowie historische Ereignisse, politische, kirchliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Besonderheiten hervorgehoben. Interessant ist vor allem die Ostgrenze von Piccolominis Europa, denn Kriterium für die Zugehörigkeit zu Europa ist die Christianisierung. Damit gehören Polen, Böhmen, Ungarn, die Balkanländer und das byzantinische Reich selbstverständlich hinzu.41 Dies ist nicht ohne Bedeutung für die Wahrnehmung der osmanischen Expansion, denn wenn Europa auch das byzantinische Reich umfasste, dann waren die Türken in der Tat schon längstens in Europa und gaben den Zeitgenossen das Gefühl, allmählich in den Würgegriff genommen zu werden, und zwar nicht nur rein militärisch, sondern vor allem mit Blick auf kulturelle Identitätsräume. Dies hatte Enea Sivio in seiner Türkenrede auf dem Frankfurter Reichstag 1454 eindrücklich deutlich gemacht. Es sei nun das eigene Haus, der eigene Wohnsitz, wo man auf das Schwerste getroffen werde.42 Dass es vor allem das Christentum ist, das den Anspruch auf Europa als Heimat legitimiert, zeigt auch der Brief Enea Silvios an den türkischen Sultan Mehmed II., der mit seiner Bekehrung zum christlichen Glauben dieses Bedrängungsgefühl schlagartig beenden könnte. Man würde ihn, schreibt Enea Silvio weiter, sogar außerordentlich bewundern, wenn er diese „conversio― vollbringen würde.43 Die Dependenzen Brants von Enea Silvio sind offensichtlich. Dies zeigt nicht zuletzt die

durch die Araber und die Türken erzeugt ein christliches Gemeinschaftsgefühl im europäisch-mittelmeerischen Gebiet.―

39 Karageorgos verweist auf den Ursprung solcher Volkscharakterbeschreibungen im klassischen Altertum, z.B. Hippokrates und Aristoteles. Vgl. KARAGEORGOS 1992, S. 140.

40 Vgl. auch Gottfried von Viterbo oder Nikolaus von Kues. Nähere Angaben bei KARAGEORGOS 1992, S. 141-146.

41 Vgl KARAGEORGOS 1992, S. 146ff.

42 PICCOLOMINI, De constantinopolitana clade et bello contra Turchos congregando, in:

PICCOLOMINI, Opera omnia, S. 678-689, Zitat S. 678: ―nunc uero in Europa, id est in patria, in domo propria, In sede nostra percursi cæsique sumus‖, eine Zeile, die von Brant in seine Mahnrede

übernommen wurde. Vgl. De origine, fol. Siijr.

43 Vgl. KARAGEORGOS 1992, S. 150, sowie D‘ASCIA 2001, S. 233-286. Vgl. dazu auch die Ausführungen im vorigen Kapitel.

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Übernahme der Kommentare Enea Silvios zum Fall Konstantinopels, den er als Verlust des „zweiten Auges Europas―, als „Auslöschung des zweiten Lichts der Christenheit― bezeichnete.44 Exakt dieselbe Definition legt also auch Brant zugrunde, daher auch sein Eindruck, in den letzten „angulus Europae― zurückgedrängt worden zu sein. Auch die Argumentation Brants für den Türkenkrieg findet sich zum Teil in wörtlicher Übereinstimmung bei Enea Silvio wieder; d.h., die Art und Weise, wie den Türken ein Besitz- und Heimatrecht in Europa abgesprochen wird, ist bei beiden Autoren gleich. Auch tauchen gelegentlich Äußerungen auf, die auf die altbekannte Dreiteilung der bewohnten Erde in die Kontinente Europa, Asien, Afrika anspielen. Brant erzählt von der Expansion der Sarazenen zur Zeit des byzantinischen Kaisers Leontios (695-698). Diese hätten mit Afrika bereits ein Drittel der Erde besetzt und wollten nun weiter nach Europa ziehen: „Sarac(a)eni [...] mox Europam inuadere pr(a)esumebant [...] Et postquam omnem eam orbis partem tertiam / c(a)eperant confirmauerantque [...] per fretum athlanticum [...] omnem Hispaniam [...] c(a)eperunt―.45

Europa und christianitas sind zusammengehörige Elemente derselben Sache; unterschieden werden allerdings die einzelnen „nationes―, die es in Europa gibt. Für Brant sind die „Theutones― oder „Germani― maßgeblich. Wenn Brant von den „Germani― spricht, dann meint er zwar zunächst die (deutschsprachigen) Bewohner der deutschen Städte und Lande, die durch das Lehensystem an den Königshof gebundenen Vasallen, aber zusammengehalten werden die von ihm Angesprochenen vor allem von einer abendländisch-universalen Idee des Reiches, als Zugehörige zur Christenheit unter der Verantwortung von Kaiser und Papst. Die besondere Rolle der Deutschen rührt daher, dass sie durch die Translatio imperii zu den Erben des Römischen Reiches wurden. Die Vorstellung einer Nation fällt bei Brant nicht anders aus als bei vielen seiner Zeitgenossen. Ende des 15. Jahrhunderts setzte sich allmählich eine Art offizieller „Reichstitel― für die bis dahin vor allem als programmatische Hierarchie bestehende Idee des Reiches durch, die vor allem durch ihren Repräsentanten, den Kaiser, konstituiert wurde: das Heilige Römische Reich deutscher Nation. Die Vorstellungen, was dieses Reich ausmache, waren unterschiedlich, wenn nicht gegensätzlich.46 Sebastian Brant hat zwar mehrfach darauf verwiesen, dass die Deutschen aufgrund ihrer Tugenden das Imperium geerbt haben. Allerdings erhebt er darauf keinen Rechtsanspruch und ist sich der Tatsache bewusst, dass man diese Ehre, das Kaisertum bei sich zu haben, auch wieder verlieren könne. In einem Brief an Konrad Peutinger beklagt er sich bitter über die Verhältnisse in Deutschland. Unter den Deutschen gebe es keine Eintracht, keinen Frieden und keine Freundschaft mehr, alle würden nach Löwenart wegelagern und strebten danach, wie die Wölfe zu leben. Brant fürchtet schreckliche, gottlose innere Kriege und das Ende des Reichs, da uneinige Reiche zerfielen und dem Feind leicht

44 Enea Silvio PICCOLOMINI, epist. 61, in: Der Briefwechsel des Eneas Silvius Piccolomini 1.Hg. Rudolf WOLKAN. 1918 (Fontes rerum austriacarum II: Diplomata et acta 68), S. 129 und epist. 109, S. 201.

45 Vgl. De origine, fol. [Hvj]v-[Hvij]r.

46 Vgl. SCHMIDT 1999, S. 9f.

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Zugang ermöglichten. Außerdem sei das Römische Reich nicht der deutschen Scholle zugeschrieben, sodass es durchaus auch an einen anderen Ort wandern könne. Mit dem Reich scherze man nicht, es hänge von der menschlichen Hinfälligkeit und dem Glück ab. Brant nennt vier Feinde des Friedens, und zwar vier der sieben Todsünden: Geiz, Neid, Zorn und Hochmut. Wenn es den Fürsten gelänge, diese zu überwinden, könne Frieden einkehren.47 Brant weist also noch einmal darauf hin, dass man sich das Reich verdienen müsse. Dass den Deutschen das Reich übertragen wurde, ist somit keine Selbstverständlichkeit. Die Appelle, die Brant an die Fürsten richtete, sind alle vor diesem Hintergrund einer größeren, universellen Idee des römisch-deutschen Kaisertums zu verstehen. Dennoch wäre es zu wenig, wollte man Brant lediglich den Wunsch unterstellen, alle Fürsten möchten sich mit mehr oder weniger Pathos als Angehörige eines solchermaßen ideellen

Reiches fühlen. Es ging ihm, ganz im Gegenteil, darum, aufgrund dieser Zugehörigkeit die sich daraus ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen, nämlich zum Schutz jenes Reiches alle erforderlichen Mittel bereitzustellen.48

47 Extract eines Antwortt-Schreibens Dr. Sebastiani Branden ahn Conrad Peutingern August.

Urbis Syndicum & Scriniorum Magistrum, absque die & consule; ubi Germaniae status illorum

temporum perversus paucis describiter. Vgl. Jacob WENCKER: Apparatus et instructus archivorum

ex usu nostri temporis, vulgo Von Registratur und renovatur novis observationibus nec non

rerum germanicarum praesidiis adornatus, auctus & illustratus ex archivis & bibliothecis. Straßburg 1713, S. 26-29. Vgl. auch WILHELMI 1998, Nr. 408, mit Verweis auf eine handschriftliche

Version im Stadtarchiv Straßburg. In dem Brief heißt es unter anderem: ―[...] Nulla sed non

superest hodie concordia nostris Germanis: nec pax: lex nec amicitiæ. Sed cuncti inter se grassantur

more leonum Raptoresque student vivere more lupi: heu quantum vereor bella horrida, bella

nephanda intestina simul surgere et ire procul. Inde alio timor est regni traducere sceptra

fortunam: & nostrum deficere imperium. Regna etenim divisa cadunt: aditus datur hostis

perfacilis: dispar vertit aratra jugum. [...] Neque enim ita Germanicæ glebæ ascriptum est Romanum Imperium ut alio migrare non liceat. [...] Non est amplius gaudii materia Romanum Imperum, sed humanæ fragilitas & fortunæ variantis iudicium. [...] Etsi paululum differatur affuturum tamen: ut quid ergo Germaniam nostram remur exemptam imperio fortunæ, cum sit mundus ipse mortalis &c. [...] Quatuor nobiscum habitant pacis hostes: Auaritia: Invidia: Ira: Superbia: hos si Principes nostri in exilium pellerent: pax gratissima foret [...]‖. Die kursiv gesetzten

Verse stammen aus einem Teil von Brants Gedicht De corrupto ordine vivendi pereuntibus, und

zwar aus dem Abschnitt mit dem Titel Thurci irruptio. Das Gedicht ist in den Varia Carmina enthalten. Vgl. dazu die Ausführungen weiter oben.

48 Vgl. grundlegend zum Thema folgende Beiträge: B. R. ANDERSON: Imagined Communities.

Reflection of the Origin and Spread of Nationalism. London 1983; B. R. ANDERSON: Die

Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Frankfurt a.M. 1996; Karl

Otmar Freiherr von ARETIN: "Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation", in: Otto BÜSCH; James J. SHEEHAN (Hg.): Die Rolle der Nation in der deutschen Geschichte und Gegenwart. Beiträge zu einer internationalen Konferenz in Berlin (West) vom 16. bis 18. Juni 1983. Berlin 1985. (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 50) S. 73-83; Marco

BELLABARBA; Reinhard STAUBER (Hg.): Identità territoriali e cultura politica nella prima età

moderna. Territoriale Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit. Trento, 10-12 aprile 1997. Bologna 1998 (Annali dell' Istituto Storico Italo-Germanico in Trento, Contributi 9); Helmut

BERDING (Hg.): Nationales Bewußtsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des

kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit 2. Frankfurt am Main 1994; Helmut BEUMANN (Hg.):

Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter. Ergebnisse der Marburger Rundgespräche 1972-75.

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Dennoch musste er, wie das andere Zeitgenossen auch taten, Argumente dafür

finden, warum es sich lohnte bzw. erforderlich war, sich als deutsch wahrzunehmen. Anhand eines Flugblatts, das Sebastian Brant anlässlich des Schwabenkriegs 1499 verfasste, lässt sich zeigen, wie Brant die Deutschen definierte. Der Einblattdruck

mit dem Titel Pacis in germanicum Martem nenia per Sebastianum Brant defleta muss noch vor dem Friedensschluss von Basel vom 22. September 1499 entstanden

Sigmaringen 1978 (Nationes. 1); Helmut BEUMANN: Europäische Nationenbildung im Mittelalter.

Aus der Bilanz eines Forschungsschwerpunktes, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 39

(1988), S. 587-593; A. BEUS: Mittelalterliche nationes – neuzeitliche Nationen. Probleme der

Nationenbildung in Europa. Wiesbaden 1995 (Quellen und Studien 2); Frank L BORCHARDT:

German Antiquity in Renaissance Myth. Baltimore, London 1971; Michael BORGOLTE: Vor dem

Ende der Nationalgeschichten? Chancen und Hindernisse für eine Geschichte Europas im

Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 272 (2001), S. 561-596; Joachim EHLERS (Hg.): Ansätze und

Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter. Sigmaringen 1989 (Nationes. Historische und philologische Untersuchungen zur Entstehung der europäischen Ntionen im Mitttelalter. 8);

Jörn GARBER: Trojaner - Römer - Franken - Deutsche. "Nationale" Abstammungstheorien im

Vorfeld der Nationalstaatsbildung, in: Klaus Garber (Hg.): Nation und Literatur im Europa der Frühen Neuzeit. Akten des 1. Internationalen Osnabrücker Kongresses zur Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit. Tübingen 1989 (Frühe Neuzeit. Studien und Dokumente zur deutschen Literatur

und Kultur im europäischen Kontext 1) S. 108-163; Bernhard GIESEN (Hg.): Nationale und

kulturelle Identität. Frankfurt am Main 1991 (Studien zur Entwicklung des kollektiven

Bewußtseins in der Neuzeit 1); Hans Hajmar JAKOBS: Studien zur Geschichte des

Vaterlandsgedankens in Renaissance und Reformation, in: Die Welt als Geschichte. Eine

Zeitschrift für Universalgeschichte 12 (1952), S. 85-105; Paul JOACHIMSEN: Vom deutschen Volk

zum deutschen Staat. Eine Geschichte des deutschen Nationalbewußtseins. Berlin, Leipzig 1916

(Aus Natur und Geisteswelt. 511); Norbert KERKSEN: Geschichtsschreibung im Europa der

"nationes". Nationalgeschichtliche Gesamtdarstellungen im Mittelalter. Köln 1995 (Münstersche

historische Forschungen. 8); Hans KLOFT: Die Idee einer deutschen Nation zu Beginn der frühen

Neuzeit. Überlegungen zur Germania des Tacitus und zum Arminius Ullrichs von Hutten, in: Rainer WIEGELS; Winfried WOESLER (Hg.): Arminius und die Varusschlacht. Geschichte – Mythos

– Literatur. Paderborn, München, Wien, Zürich 1999; Herfried MÜNKLER: Nation als politische

Idee im frühneuzeitlichen Europa, in: Klaus Garber (Hg.): Nation und Literatur im Europa der Frühen Neuzeit. Akten des 1. Internationalen Osnabrücker Kongresses zur Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit. Tübingen 1989. (Frühe Neuzeit. Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext. 1) S. 56-86; Herfried MÜNKLER, Hans GRÜNBERGER:

Nationale Identität im Diskurs der deutschen Humanisten, in: BERDING 1994, S. 211-248;

Herfried MÜNKLER: Reich, Nation, Europa. Modelle politischer Ordnung. Weinheim 1996; Ulrich

PAUL: Studien zur Geschichte des deutschen Nationalbewußtseins im Zeitalter des Humanismus

und der Reformation. Berlin 1936. (Historische Studien. 298); Dirk RICHTER: Nation als Form.

Opladen 1996; Georg SCHMIDT: Teutsche Kriege. Nationale Deutungsmuster und integrative

Wertvorstellungen im frühneuzeitlichen Reich, in: Dieter LANGEWIESCHE; Georg SCHMIDT (Hg.): Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum Ersten Weltkrieg.

München 2000. S. 33-61; Alfred SCHRÖCKER: Die deutsche Nation. Beobachtungen zur politischen

Propaganda des ausgehenden 15. Jahrhunderts. Lübeck 1974 (Historische Studien. 426); Joachim

WAGNER: Äußerungen deutschen Nationalgefühls am Ausgang des Mittelalters, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 9 (1931), S. 389-424.

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sein.49 Laut Aufdruck wurde er 1499 in Basel bei Johann Bergmann von Olpe gedruckt.50 Brant lässt den Frieden gegen den Krieg klagen, an den Rhein gekommen zu sein und dort sein Unwesen zu treiben (Gedicht I). Dem langen, pathetischen Gedicht folgt eine nicht weniger dramatische Antwort des Krieges. Brant kritisiert in harschen Worten den Krieg und mahnt stattdessen an, Einigkeit zu zeigen und Maximilian im Türkenkrieg zu unterstützen (Gedicht II). Bislang gänzlich unbekannt ist die deutschsprachige Version ebendieses Flugblattes.51 Der in zwei Exemplaren überlieferte Einblattdruck ist allerdings nicht vollständig erhalten geblieben; bedauerlicherweise fehlt bei beiden Exemplaren die obere Hälfte des Blattes. Somit ist der Text nicht vollständig vorhanden. Vermutlich verfügte das Blatt auch über die beiden Holzschnitte, die auf der lateinischen Version abgedruckt sind. Die Tatsache, dass es überhaupt Krieg geben konnte, liegt nach Brant am Verlust der deutschen Tugendhaftigkeit. Die Vorfahren der Deutschen hätten Name und Würde des Reichs mit Schweiß und Blut erworben, ihre Eintracht brachte sie in den Besitz der Herrschaft und der Krone. Sie seien ehemals grimmiger und grausamer gewesen als selbst die wildesten Völker. Diese Feststellung findet ihren stärksten Ausdruck in der Überhöhung, kein Volk unter der Sonne habe es gewagt, die Deutschen anzugreifen. Doch auch wenn bislang die Alemannen mit ihrer Tapferkeit das Imperium aufrecht gehalten hätten, so seien die Zeitgenossen selbst schuld daran, dass sie es nun duch Nachlässigkeit, Raub, etc. wieder verlören.52

49 Erwin Vischer deutet die Zeile „Indicit vobis pacem ecce caduficer― als möglichen Hinweis auf

den baldigen Friedensschluss. Vgl. Erwin VISCHER: Formschnitte des 15. Jahrhunderts in der

Großherzoglichen Landesbibliothek zu Karlsruhe (Baden). Mit Erläuterndem Text herausgegeben von Erwin Vischer. Mit 21 Abbildungen. Straßburg 1912 (Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts. Herausgegeben von Paul Heitz), S. 18. Die folgenden Ausführungen beruhen auf NIEDERBERGER:

Sebastian Brants Einblattdruck „Pacis in germanicum Martem nenia“ und der Schweizerkrieg (Manuskript).

50 Der Text des lateinischen Blattes ist bei WILHELMI 1998, Nr. 266 und 267 ediert, dort mit Verweis auf je ein Exemplar in der Landesbibliothek Karlsruhe (vollständiges Exemplar; Sign.: Pc 116) und in der National Galery of Art in Washington (nur Holzschnitt und Überschrift sind erhalten) sowie auf eine handschriftliche Version, die sich in der Breslauer Biblioteca Glówna Uniwersytetu im. Boleslawa Bieruta befindet (Sign.: IV Q 42 (Hs. Nr. 21), fol. 296r-297r). Darüberhinaus gibt es jedoch noch einen bislang völlig unbeachteten Nachdruck (Straßburg, Bartolomäus Kisler) mit unklarer Datierung, auf den mich Falk Eisermann aufmerksam machte.

Ein Faksimile des Karlsruher Exemplars findet sich in Flugblätter des Sebastian Brant. Mit einem

Nachwort von Prof. Dr. F. Schultz, herausgegeben von Paul HEITZ.. Straßburg 1915 (Jahresgaben der Gesellschaft für elsässische Literatur 3) und bei VISCHER 1912, Tafel 17. Das erhaltene Karlsruher Exemplar wurde in früherer Zeit zerschnitten und auf sechs unbedruckte Seiten einer

Sallustausgabe (De coniuratione Catilinae, Basel 1491; beigebunden Domitius Calderini,

Commentarii in satyras Juvenalis, Venedig 1491) aufgeklebt. Möglicherweise hat Brant das Blatt selbst zerschnitten und als eine Art Exlibris verwendet; zumindest befindet sich ein Distichon am Schluß des Buches mit der Chiffre s.b. darunter. Vgl. Vischer 1912, S. 18.

51 Das deutsche Flugblatt ist in zwei Exemplaren überliefert, die sich beide in der Staatsbibliothek Berlin (Sign. Inc 617, 10 und Inc, 617, 10a) befinden. Beide Exemplare sind unvollständig (es ist jeweils nur die untere Hälfte des Blattes erhalten geblieben).

52 Vgl. BRANT, Pacis in germanicum Martem nenia: „Maiores vestri sudore et sanguine nomen | Imperii vobis et peperere decus― (I, V. 59f); „Mitior est etenim Geta, Sarmata, Thrax, Scytha,

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Doch nicht nur eine gewisse Vernachlässigung oder Selbstverständlichkeit des Besitzes seien verantwortlich für den gegenwärtigen Zustand, sondern die Vorherrschaft von Untugenden wie Missgunst (adversitas), Neid (invidia), Leidenschaft (cupido), Rachsucht (vindicta), Zwietracht (discordia), Frevel (nefas), Scheelsucht (livor) und Verschleuderung von Hab und Gut (dispersio rerum). Diese Liste ließe sich weiter fortsetzen. Brant lässt Mars resümieren, dass es nichts Menschliches mehr gebe, keine Milde oder Glauben, dass Schamgefühl, Frömmigkeit und Vernunft nicht mehr vorhanden seien, heimatlos die Tugendhaftigkeit, vertrieben die Redlichkeit und rechtschaffene Aufrichtigkeit.53 Besonders bitter sind nun die konkreten Vorwürfe an die Verantwortlichen, insbesondere die Herren, die ihre Zeit mit Trinkgelagen verbrächten und somit dem Mars dienten, nicht aber der guten Sache des Friedens und der Erhaltung des Reiches. Damit, so Brant, seien die Eigenschaften der heiligen Krone fortgeworfen, die Deutschen wollten wohl mit aller Macht ihr Reich verlieren. Auch hier zeigt sich erneut, dass das Reich nicht selbstverständlich und dauerhaft in den Händen der Deutschen sein muss. Brant mahnt daher den Frieden an, die Deutschen sollen die Waffen wegwerfen, die sie unbedacht ergriffen hätten. Sie sollen sich darum bemühen, den Frieden zu bewahren, die Treue zu ehren und Bündnisse zu schließen, um den Ruhm der Vorväter fortzutragen. Dazu müssten sie den Kirchenstaat bewahren und Achtung vor dem Glauben haben.54 Dies alles sei nur möglich, wenn die Deutschen einträchtig wären und sich hinter ihren Monarchen, Maximilian I., stellten. Die Eintracht hat besonderes Gewicht, hierin ist ein Schlüsselbegriff für Brants Reichsverständnis zu sehen, denn durch sie allein seien die Deutschen überhaupt in den Besitz des Reiches gekommen. Schließlich erinnert Brant an eine große Aufgabe, die das Reich, und damit alle Deutschen, zu bewältigen hätte, nämlich das Aufhalten der stets vorrückenden Osmanen. Daher sollten die Angesprochenen sich endlich dieser Aufgabe widmen. Für diese Leistung verspricht Janus, der Frieden, für die Deutschen und ihr Reich einzustehen und

Dacus, | Quam modo Germani, Theutones atque tui. | Quin etiam vis est truculentior asperiorque | Germanis, Gethicis quam fuit ulla viris. | Nec tam crudeli, calido neque sanguine Thraces, | Quam sunt Theutonici, Rhenicolaeque tui‖ (II, V. 51-56); „Non regnum quodcumque soli, nec gens viget ulla | Tangere Germanos quae foret ausa viros― (II, V. 63f); „Hactenus et tenuit virtute Alemania forti | Imperium, quod nunc de prope ad ima ruit― (II, V. 57f); „At vos desidia, fraterna caede, rapina et | Civili, vultis perdere cuncta simul― (I, V. 61f).

53 Vgl. BRANT, Pacis in germanicum Martem nenia: „Humanum nihil hic, clementia nulla, fidesve, | Hic pudor et pietas et ratio omnis abest. | Virtutem extorrem facio, probitasque fugatur, | Iustaque simplicitas fertur exilium‖ (II, V. 29-32).

54 Vgl. BRANT, Pacis in germanicum Martem nenia: „Non expectato fetiali aut patre patrato, | In praedam et stragem turba nefanda ruit― (II, V. 41f); „Artibus et quibus est vobis sacra parta corona | His modo depulsis, decidet, interiet. | Vos quoque Germani, vestrum diadema decusque | Imperii summa perdere vultis ope‖ (II, V. 59-62); „Proicite arma tamen temeraria martis iniqui― (I, V. 67); „Proin vos, Germani, pacem observate, fidemque | Percolite, inque vicem foedera inite sacra‖ (I, V. 57f); Vincite adhuc, vigilate viri, servetis honorem, | Imperii laudem continuate sacri― (I, V. 63f); „Ut quid Romanam sedem, et patrimonia Christi | negligistis miseri catholicamque fidem― (I, V. 71f).

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weiterhin das Szepter vornewegzutragen.55 Allerdings hat Brant gewisse Zweifel an der Einsicht seiner Zeitgenossen, denn nicht ohne Ärger verwies er auf seine wiederholten Mahnungen zur Türkengefahr.56 Er beschuldigt die Deutschen direkt, an den inneren Kriegen schuld zu sein, denn er lässt den Mars unwissend über die Gründe seiner Mission. Dennoch findet dieser Gefallen an der Einladung, am Rhein zu wüten. Resigniert meint Brant schließlich, die Deutschen sollten sich doch abschlachten lassen, wenn ihnen ihre Ehre nichts mehr wert sei.57

Die im lateinischen Blatt Angesprochenen sind neben Krieg und Frieden selbst die „Germani―. Sowohl Janus spricht am Ende seiner Rede die Deutschen an: „Proin vos Germani...― (I, V. 57ff) als auch Mars: „Vos quoque Germani...― (II, V.

61ff). Beide Gedichte schließen also mit einer direkten Anrede an die Deutschen. Ebenso verhält es sich im deutschen Blatt. Hier heißt es in der Rede des Janus analog: „Har umb jr frommen tütschen nu(o)n...― (V. 63ff); in der Rede des Mars: „Wendt jr nit uwer boßheit myden...― (V. 139ff). Es fällt im Unterschied zu anderen

Einblattdrucken geradezu auf, dass es nicht an den Kaiser, seinen Hofkanzler oder

an bestimmte Fürsten gerichtet ist, sondern an alle Germani. Auch finden sich keine Herrschaftssymbole wie Kronen, Reichsadler, Wappen o.Ä. abgebildet, so dass die von Jan Dirk Müller bei anderen Blättern festgestellte Simulierung eines Aktes „repräsentativer Öffentlichkeit―, also der „offizielle Anstrich―, der damit erreicht

werden soll, nicht gegeben ist.58 Damit dürfte, anders als sonst, auch der gemeyn angesprochen sein. Dennoch wird zumindest für die lateinische Version die Leserschaft in einer Schicht gebildeter Verantwortlicher zu suchen sein, sicher an den Höfen der Fürsten und Maximilians I., aber auch bei Kollegen an der Universität und in den Räten der Städte, vielleicht insbesondere Basels, der damit zur Unterstützung des Hauses Österreichs aufgefordert würde. Die deutsche Version hingegen richtet sich eher an die Kriegstreiber und -teilnehmer selbst, denn erstens fehlt dem Blatt der Hinweis auf das Türkenproblem, es beschränkt sich im wesentlichen auf die gegenwärtigen Missstände im eigenen Land, und zweitens wird die antikisierende Ästhetisierung von Inhalt und Sprache zugunsten einer Polemik gegenüber den Versäumnissen der Zeitgenossen zurückgedrängt. Auch der einfache

55 Vgl. BRANT, Pacis in germanicum Martem nenia: „Si saltem unanimis populus concorsque monarchae, | Non capitis proprii quareret exitium― (II, V. 65f); „Virtute unanimi vos primum in sceptra reduxi― (I, V. 66); „Ite, | Ite citi, Thurcos pellite ab Italia! | [.....] | Brant ea praedixit vobis iterumque redixit, | Sed contempsistis. Ite modo! Hostis adest― (I, V. 70-74); „Ecce aderit Thurcus, Italorum caede respersus, | En vestra pulsat gens aliena fores― (II, V. 73f); „Vos ego defendam, vestra ego signa sequar | [.....] | Sint procul a vobis bella nefanda, velim. | Indicit vobis pacem ecce caduficer‖ (I, V. 66-69).

56 Hier spielt Brant auf frühere Flugblätter sowie auf sein großes Prosawerk De origine an, in dem er sich ausführlich mit der „Türkenprolematik― beschäftigte.

57 Vgl. BRANT, Pacis in germanicum Martem nenia: „Cur tamen hunc veniam, causas si forte requiras, | Nescio, sed voluit gens tua bella geri― (II, V. 43f); „Olim ego Bisthonios bacchatus caede per agros, | Nunc etiam Rheni litora adire iuvat, | Threicios steriles campos sine fruge reliqui, | Ut perimam Rheni nunc sata laeta tui― (II, V. 47-50); „At famam et proprium si fastiditis honorem, | Sternite vos ipsos, vol iugulate simul― (II, V. 69f).

58 Vgl. MÜLLER 1980, S. 123.

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Landsknecht wird daran erinnert, wem er letztendlich seine Treue zu leisten hat, nämlich dem Reich und seinem König.

In den Versen ist wiederholt von „Germani―, „Theutones―, „Theutonici―, „Getici―, „Rhenicolae― oder der „Alemannia― die Rede. Wie bereits erwähnt, sind die „Germani― die direkt Angesprochenen. Es ist zu untersuchen, was damit jeweils gemeint sein kann bzw. was das Deutschsein ausmacht. Zum anderen ist festzustellen, dass der Schweizerkrieg von Brant als deutscher Krieg bezeichnet wurde. Es muss also klar werden, was das Deutsche vom Anderen unterscheidet. Die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe für das, was als „deutsch― verstanden werden kann, bereitet einige Schwierigkeiten. „Germani―, „Theutones―, „Theutonici―, „Getici―, „Rhenicolae― oder die „Alemannia― können, müssen aber nicht einheitlich als Synonyme für die Deutschen oder Deutschland verstanden werden. Einen eindeutig lokalen Bezug haben die „Rhenicolae―, die Anwohner des Rheins. Hier meint Brant die vom Schweizerkrieg betroffenen Regionen entlang des Rheins. „Germani―, „Theutones―, „Theutonici― und „Getici― dürften in der Tat als Varianten für die Deutschen stehen. Schwierig bleibt der Begriff „Alemanni―. In der Regel bedeutet „Alemannia― um 1500 „Suevia―, also ein Land Schwaben, dessen geographischer und identifikatorischer Raum nicht eindeutig zu umreißen ist. Auf der anderen Seite könnte auch schlichtweg Deutschland gemeint sein. Ungewöhnlich scheint jedoch die Plazierung der „Alemanni― im Kontext der Schaffung und Erhaltung des Imperiums: „Hactenus et tenuit virtute Alemannia forti | Imperium, quod nunc de prope ad ima ruit― (II, V. 57f). Hier drängt sich der Gedanke an die besonderen Leistungen der Alemannen bzw. Schwaben unter dem altehrwürdigen Graf Gerold auf, die sich das Vorrecht erworben haben, das Banner in Kriegszügen vorneweg zu tragen. Allerdings lässt sich keinerlei Beweis für eine solche Verbindung erbringen. Es bleibt mithin fraglich, ob Brant hier auf das alte Schwaben, das immerhin auch die nördliche Schweiz umfasste, rekurrieren wollte. Mit Blick auf die deutsche Version des Flugblattes ist weiterhin zu vermuten, dass die oben genannten Begriffe allesamt als Synonyme für deutsch zu verstehen sind. Auch wenn gerade im letzten Teil starke Abweichungen vom lateinischen Text festgestellt werden können, so ist dennoch der im Deutschen stets verwendete Begriff „tütsch―. Die „Alemanni― tauchen überhaupt nicht auf. Brant spricht also nicht die Grafen und Fürsten einzelner Landesherrschaften und deren Landsknechte an, sondern alle zusammen in ihrer Eigenschaft als Deutsche, die ein deutsches Vaterland zu verteidigen haben. Mars ist ein „Mars Germanicus― geworden, der aus weiter Ferne von den getischen Gestaden an den Rhein kam. Die Deutschen, ließ Brant den Kriegsgott feststellen, verfügten einst über grimmige und rauhe Kraft, über grausames und feuriges Blut, sodass selbst die wilden Geten, Skythen und Thraker nicht mithalten konnten. Grund für diese Stärke sei die heilige Krone des Reiches gewesen. Solange diese Krone regierte, wagte kein Volk der Erde, die deutschen Männer zu erproben. Was macht nun das Besondere der Deutschen aus? Zum einen verfügen sie über besonderes Blut: „Nec tam crudeli, calido neque sanguine Thraces, | Quam sunt Theutonici, Rhenicolaeque tui― (II, V. 55f), d.h., die Stärke der Deutschen rührt von ihrer Herkunft und Abstammung her. Zum anderen, und dies wird weitaus häufiger betont, verdanken die Deutschen ihre Stärke und Kraft der Kaiserkrone. Die Fixierung auf die Krone und die damit

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eingeforderte Loyalität und Eintracht bedeutet, dass bei Brant neben äußeren Feinden in besonderem Maße innere Feinde wahrgenommen werden müssen, nämlich eben jene, die diese Loyalität nicht wahren und die Eintracht nicht hegen. Brant mahnte eben diese Tugenden in seinem Einblattdruck an und so folgt aus diesen Versen deutlich, dass der Schweizerkrieg für ihn sowohl nicht gerechtfertigt als auch in höchstem Maße unvernünftig ist. Er betrachtete die Eidgenossen als vom Reich Abgefallene, als Verräter, die sich etwas nahmen, was ihnen gar nicht zustand. Zugleich zeigen die Verse aber auch auf, welche Schwächlinge die Deutschen geworden waren. Das, was die Vorfahren mit Schweiß und Blut geschaffen haben, nämlich das Reich, reißen sie nun durch Krieg und Mord in den Abgrund, weil sie die alten Tugenden – Glaube, Ehrfurcht, Vernunft, Tugendhaftigkeit, Redlichkeit und Treue – missachten. „Mars Germanicus― steht also für einen inneren Krieg.

Georg Schmidt stellt für die frühe Reformationszeit fest, dass „deutsch― vor allem im Unterschied zu „welsch― oder dem Papsttum und Rom verstanden wurde. Im Glaubenskampf – in erster Linie in der Auseinandersetzung mit Rom – spielte dabei sowohl die Frage der religiösen Solidarität als auch die Abstammungsgemeinschaft eine Rolle. Die Kampfrufe galten aber auch nach innen. Wer auf der falschen Seite kämpfte, galt als „teutscher Mameluck― und als Verräter am deutschen Blut. Es etablierte sich in der Folge dieser Auseinandersetzungen ein Diskurs um deutsche „Freiheit―, der wahlweise die Mitbestimmung seitens der Stände, die Freiheit der Bauern oder die religiöse Freiheit in den Vordergrund rückte. Mit den Bemühungen um Religionsfrieden traten Werte wie Eigentumsfreiheit und Rechtssicherheit hinzu.59 Solche Aspekte treten bei Brant nicht auf. Eine „deutsche Freiheit― in dem von Schmidt angesprochenen Sinn einer befürchteten Einschränkung rechtlicher und eigentumsrechtlicher Aspekte (womöglich durch den eigenen Kaiser) spielte keine Rolle, aber ein deutsches „Freiheitsverständnis― im Sinn einer befürchteten Fremdregierung, sei es durch einen welschen oder, noch schlimmer, einen türkischen Regenten, ist sehr wohl vertreten. Damit verbunden ist folglich auch das Verständnis eines nicht näher umrissenen deutschen Territoriums, das, wenn ein anderer Herrscher als der deutsche Kaiser dort eindringt, als fremdbeherrscht verstanden wird. Das Argument

begegnete bereits in Brants Conclusio Wormatiensis, in der Brant sich erhoffte, dass die berühmte Freiheit der Germanen ewig erhalten bleiben möge, aber auch, dass alles unter der Schirmherrschaft der Kirche und des Glaubens stehe. „Ecce aderit Thurcus, Italorum caede respersus, | En vestras pulsat gens aliena fores― (II, V. 73f), stellt Mars alias Brant am Ende seiner Rede drohend fest. „Die Osmanen―, schreibt Schmidt, „waren kein spezifisch deutscher Feind. Als Erbfeind der Christenheit bedrohten sie vor allem die Habsburger Gebiete. [...] Die Türkenangst [...] ließ sich nur bedingt zur Stabilisierung eines einheitlichen nationalen Wertesystems nutzen―.60 Diese Feststellung gilt ebenso uneingeschränkt für Sebastian Brant. Seine Argumentation ist nicht so gestrickt, dass die Bedrohung durch die Türken vor allem als Bedrohung der Deutschen verstanden werden sollte,

59 Vgl. SCHMIDT 2000, S. 35 und S. 39ff.

60 Vgl. SCHMIDT 2000, S. 43.

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sondern in erster Linie als Bedrohung des wahren Glaubens. Brants Vision war ein christliches Pangäa unter der Regentschaft eines starken Herrschers, wie unter

anderem sein Geschichtswerk De origine zeigt. Um auf die eingangs gestellte Frage nach integrativen Wertvorstellungen im

Kontext der „Nation― zurückzukommen: Es ist wohl die Tatsache, dass hier überhaupt auf das Deutschsein als gemeinsames Merkmal rekurriert wird, das entscheidend Besondere an Brants Einblattdruck, mehr noch als die Frage, wie dieses Deutschsein definiert wird. Das, was es zu wahren gilt, ist zwar althergebracht, nämlich die gesellschaftliche Ordnung unter den Prärogativen von Kirche und Reich, Gläubigkeit und patronalem System. Neu ist aber, wie dafür argumentiert wird. Die Einigkeit aller Deutschen ist notwendig für den Zusammenhalt des Deutschen Reiches, dieser Zusammenhalt wiederum ist Voraussetzung, um den christlichen Glauben bewahren zu können und vor dem Einfluss der Türken und des Islams zu retten. Freiheit bedeutet vor allem Freiheit von Fremdherrschaft und Unglauben. „Tütsch nacion―61 aber ist eine Teilhabeverheißung für alle diejenigen, die sich dem Reich gegenüber treu verhalten und sich zum christlichen Glauben bekennen.

2. Räume und Zeiten. Die Achsen eines Weltverständnisses

Die Dimensionen „Raum― und „Zeit― sind die in der Einleitung genannten „konnektiven Strukturen―, die von jeder Kultur gebildet werden. Bei Brant stehen vor allem zwei „Räume― im Mittelpunkt: Jerusalem als heiliger Ort der Christen und Europa als deren bevorzugter Lebensraum. Jerusalem ist verloren gegangen, Europa wird von den Glaubensfeinden zunehmend bedrängt. Beides ist für Brant nicht annehmbar, und dafür sind die kulturelle Bedeutung der genannten Räume und die daraus abgeleitete Wahrnehmung und Beschreibung historischer Ereignisse, d.h. die Dimension des Zeitlichen, verantwortlich zu zeichnen. Zeit-Räume und Epocheneinteilungen haben im Umgang mit Geschichte und Kultur immer eine Rolle gespielt. Das zeigt sich in der Zeit der Renaissance besonders deutlich, weil hier zeitgleich, je nach Autor, die Epochen in einen heilsgeschichtlichen Plan eingeordnet oder als einfache Abfolge historisch zusammengehörender Zeiten betrachtet wurden. Dass Zeit in Mittelalter und früher Neuzeit durchaus unterschiedlich wahrgenommen wurde, hat Klaus Schreiner in einem Beitrag unter der Überschrift „Diversitas temporum― deutlich gemacht. Ihm zufolge sind es stets Gegenwartserfahrungen, die Umdeutungen oder Umbesetzungen überlieferter Gliederungsschemata nach sich ziehen. Der Begriff der „diversitas temporum― geht auf spätmittelalterliche Geschichtsschreiber zurück, die damit „Erfahrungen der

61 Vgl. die Verse 67-72 des deutschen Blattes: „Uwer va(e)tter/ eltter/ vorfaren | Hant weder sweyß noch blu(o)t du(e)n sparen | Dar dürch sye mit gewerter hant | Brochten das römsch rich in tütsch lant | Do mit all vo(e)lcker nacion | Mit dienst jm würden underton―.

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Andersheit und des Wandels auf den Begriff― brachten.62 Schreiner zitiert Erasmus von Rotterdam und Sebastian Münster, die beide die eigene Zeit als besonders unruhig, wenn nicht verstörend empfanden und die sich beide bewusst waren, in einer besonderen Zeit zu leben. Das Empfinden der Besonderheit der eigenen Zeit, „das Wissen um die epochale Einmaligkeit und Differenz der verschiedenen Zeiten― bilde die Grundkategorie ihres geschichtlichen Denkens und zeige „einen Zugewinn an entwicklungsgeschichtlicher Denkweise―. Schreiner folgert richtig, dass „die Einsicht in die Verschiedenheit und Andersheit vergangener Zeiten [...] von theologischen, kosmologischen und anthropologischen Prinzipien der Zeitgliederung― befreit und Möglichkeiten erschließt, „weltlichen Handlungs- und Ereignisfolgen ihre eigene Historizität zu geben―.63 Ungleich größere Bedeutung erhalten somit „certae personae, certi loci, certa tempora― und „certae actiones―. Zugleich bedeutete die empfundene Unruhe der eigenen Zeit aber auch, in ihr die Vorzeichen des nahenden Endes aller Zeiten zu erblicken. Diese „Erkenntnis― mündete in ein geradezu gegenteiliges Urteil über die Einteilung der Zeit, nämlich in der bewiesenen Richtigkeit der Endlichkeit von Zeit und damit in der Richtigkeit der göttlichen Heilslehre. „Wer―, so Schreiner, „wie Luther, Carion und Melanchthon, die Wiederkunft des von Daniel prophezeiten Antichristen auf die Türken, den Papst und die römische Kirche bezog, der musste auch vom nahenden Weltende beunruhigt und überzeugt sein―.64 Das hier zutagetretende Geschichtsbild geht in der Folge mit dem Verlust historischer Realität einher. Die besondere Herausforderung dieser Erkenntnisse lag für die Zeitgenossen darin, die wahrgenommenen Veränderungen, den Wandel der Zeit, mit der zeitlosen, theologischen Offenbahrungswahrheit in Einklang zu bringen. Eine weitere Herausforderung bestand darin, die aus diesem Bemühen hervorgegangenen Erkenntnisse auch räumlich umzusetzen. Sebastian Brant hat sich beiden Herausforderungen stellen müssen.

2.1 „Hierusalem, Hierusalem: quia si cognovisses et tu scilicet fleres―. Jerusalem als Erinnerungsort

„Sanctam ciuitatem Hierosolymam: sanct(a)eque terr(a)e loca―, „terra olim fructifera / atque illustrium virorum f(a)ecunda: nunc tribulos profert & spinas: (a)eternis ignibus exurendas― – das Heilige Land, einst fruchtbare Heimat berühmter Männer, nun zerfressen von Feuer, überwuchert von Unkraut und Dornen: So wird

62 Vgl. Klaus SCHREINER: "Diversitas temporum". Zeiterfahrung und Epochengliederung im

späten Mittelalter, in: Reinhart HERZOG, Reinhart KOSELLEK (Hg.): Epochenschwelle und Epochenbewußtsein. München 1987 (Poetik und Hermeneutik 12), S. 381-428, hier besonders S. 410 und 414 (Zitat). Schreiner betont eigens (vgl. S. 419 und S. 424f), dass sich die Erklärungskraft der Interpretationsfigur „Zeitverschiedenheit― „im Spätmittelalter vornehmlich auf den Wandel empirisch feststellbarer Verfassungsstrukturen, nicht auf die Sinngebung universalgeschichtlicher Abläufe und Zusammenhänge― bezog. Dies änderte sich erst wieder mit der Reformationszeit, in der die Eschatologie und die Visionen Daniels die Epochengliederung bestimmten.

63 Vgl. SCHREINER 1987, S. 414.

64 Vgl. SCHREINER 1987, S. 425.

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an vielen Stellen in Brants Mahnrede von jener „terra benedicta― gesprochen.65 Wir aber, klagt der Humanist, haben jenes ruhmreiche Land, in dem Milch und Honig fließen und das unseren Vorvätern verheißen wurde, verloren: „Nos tamen (peccatis nostris id iuste exigtentibus) terram illam gloriosam / lac melque fluentem / patribus nostris multipliciter / &t pro summa retributione promissa amisimus―.66 Doch es ist nicht nur der Verlust, der schmerzen muss. Das gelobte Land, in Purpurrot getaucht vom Blut des heiligen Lammes, werde nun schon lange von den Händen und Füßen der Sarazenen beschmutzt: „Terra benedicta / terra promissionis / terra lac fluens & mel [...] Sanctaque loca / inmaculati agni cruore purpurata: Sarac(a)enorum iam diu manus pedesque polluerunt―.67 Die Botschaft scheint klar: Türken und Sarazenen haben ein heiliges Land unrechtmäßig entweiht, und dies ist eine Schande für jeden guten Christen. Dass die Ungläubigen immer mehr Gebiete ihrer Macht unterwerfen und man dagegen etwas unternehmen muss, ist communis opinio unter Brants Zeitgenossen. Die ersehnte Wiedereroberung Jerusalems hingegen scheint eine Reminiszenz an die vergangenen Zeiten der großen Kreuzfahrer zu sein, denn es scheint kaum glaubhaft, dass ein solches Unternehmen tatsächlich in den Bereich politischer Intention gelangen könnte. Damit könnte man sich begnügen, wenn

nicht schon der Buchtitel De origine.....et laude civitatis Hierosolymae cum

exhortatione eiusdem recuperandae lauten würde. Es geht also ausdrücklich um Jerusalem, und nicht nur um den Türkenzug. Jerusalem ist freilich kein beliebiger Ort, sondern jahrhundertlanges Pilgerziel und Ort der Sehnsucht, weil es der Ort der christlichen Theophanie und Ausgangspunkt des neuen Bundes Gottes mit den Menschen ist. Von hier aus sandte Christus die Apostel in die Welt. Der Prophet Ezechiel bezeichnete die Stadt als das Zentrum der Welt, Christus selbst beweinte ihr kommendes Ende: „Et ut adpropinquavit videns civitatem flevit super illam dicens: quia si cognovisses et tu et quidem in hac die tua quae ad pacem tibi, nunc autem abscondita sunt ab oculis tuis, quia venient dies in te et circumdabunt te inimici tui vallo et circumdabunt te et coangustabunt te undique, et ad terram prosternent te et filios tuos qui in te sunt. Et non relinquent in te lapidem super lapidem, eo quod non cognoveris tempus visitationis tuae―.68 Die Bedeutung Jerusalems als heiliger Ort der Christenheit könnte Anlass für Brant gewesen sein, seine Geschichte zu schreiben, und zwar erstmals eine „eigene Geschichte―, keinen Pilgerbericht und keine „descriptio terrae sanctae―.

Kulturanthropologisch gesehen repräsentiert die räumliche Ordnung auch eine symbolische Ordnung. Fixieren lässt sich dieses Ordnungskonzept in erster Linie anhand der Sprache, aber auch anhand anderer, nonverbaler Manifestationen einer Kultur.69 Gerade im religiösen Kontext sind Räume Repräsentationen symbolischer

65 Vgl. De origine, fol. Rv

v.

66 Vgl. De origine, fol. [Rvj]r.

67 Vgl. De origine, fol. Siijvf.

68 Vgl. Lc 1941-44. Die Textstelle wurde auch von Brant zitiert. Vgl. De origine, fol. Eiiijv.

69 Zur nonverbalen Kommunikation vgl. Edmund Ronald LEACH: Kultur und Kommunikation.

Zur Logik symbolischer Zusammenhänge. Frankfurt am Main 1978, bes. S. 45-49; zu Sprache und

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Ordnungen. Objekte und heilige Orte sichern den Fortbestand von Religion, da sie als „kraftgeladene Räume―, als Manifestationen des Heiligen gleichsam ontologische Bedeutung haben.70 „Jede Kratophanie und jede Hierophanie, gleich welcher Art, verwandeln den Ort, der ihr Schauplatz war: der bis dahin profane Raum ist ein heiliger Raum geworden. [...] Die ganze Landschaft ist auf diese Weise belebt, ihre geringsten Einzelheiten haben Bedeutung, die Natur ist von menschlicher Geschichte gezeichnet. Man könnte genauer sagen, dass die Natur durch Kratophanien und Hierophanien eine Transfiguration erfährt und danach vom Mythos „gezeichnet― ist.―71 Dies gilt nicht nur für Naturreligionen, sondern auch für das Christentum. Das Beispiel des Heiligen Landes zeigt dies besonders deutlich, denn, wäre es nicht so, hätte keine Pilgerfahrt einen tieferen Sinn. Man möchte mit eigenen Augen und Ohren das Land und die Orte aufnehmen, an denen Christus gewesen ist, man möchte mit den eigenen Füßen die Wege gehen, die er gegangen ist, um von seiner Kraft und Spiritualität etwas in sich aufnehmen zu können. Die Beziehung zu Orten ist konstitutiv für alle Religionen. Sie sichern den Zusammenhalt der Gläubigen über Zeiten und Räume hinweg, weil sie Geschichte und Traditionen manifestieren und es gestatten, vergangene Ereignisse immer wieder zu vergegenwärtigen.72 Dass diese Art der Wahrnehmung des Heiligen Landes und Jerusalems auch bei Brant auf diese Weise auftaucht, lässt sich recht einfach beweisen, indem man noch einmal einen Blick auf die Lobrede auf Jesus und Jerusalem wirft, die Brant in seiner „historia― im Anschluss an den Tempelbesuch Christi hält: „Is nempe Iesus: [.....] miracula f(a)ecit multa / qualia antea nunquam fuere visa. ciuitatemque illam gloriosissimam / sua exemplari vita / fructifera pr(a)edicatione / ineffabili passione / morte / sepultura / & resurrectione reddidit magis insignem & mirificentissima eff(a)ecit‖.73 Durch sein Leben, sein Wirken, seinen Tod und seine Auferstehung habe Christus die Stadt groß gemacht. „Adeo vt non inmerito dicatur: quod ista sit speciosa Hierusalem: qu(a)e Typum gerit

c(a)elestis arcani / merito igitur laudanda / vbi est tantarum domicilium virtutum― –

Kultur vgl. Benjamin Lee WHORF: Sprache, Denken, Wirklichkeit. Beiträge zur Metalinguistik

und Sprachphilosphie. Reinbek bei Hamburg 1963.

70 Rolf GEHLEN: Raum, in: HrwG Band IV, S. 377-398, bes. S. 383f, und Emile DURKHEIM: Die

elementaren Formen des religiösen Lebens. Frankfurt am Main 1981 (Titel der Originalausgabe: Les formes élémentaires de la vie religieuse. Paris 1968), S. 30f.

71 Vgl. das Kapitel Der heilige Raum: Tempel, Palast, „Mitte der Welt“ in Mircea ELIADE: Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte. Frankfurt am Main, Leipzig 1998 (Titel der Originalausgabe: Traité d‘histoire des religions. Paris 1949), S. 423-444, hier S. 423.

72 Vgl. ELIADE 1998, S. 424: „Die Hierophanie bewirkt also nicht nur die Heiligung eines Stückes des homogenen profanen Raumes; sie bedeutet darüber hinaus die Dauerhaftigkeit dieses Sakralen.

Hier, in diesem Bereich wiederholt sich die Hierophanie. Auf diese Weise wandelt sich der Ort in eine unversiegliche Quelle der Macht und Heiligkeit, und der Mensch kann, wenn er nur in den Raum gelangt, an dieser Macht und dieser Heiligkeit teilhaben.― Im Bereich des abendländischen Christentums zeigt sich die Wiederholung des heiligen Raumes und damit seine Wiedererlebbarkeit in der Übernahme architektonischer Konzepte z. B. der Sakralbauten.

73 Vgl. De origine, fol. Eijv und Eiij

r.

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man könne also verdientermaßen sagen, dass die Stadt, welche die Gestalt der Geheimnisse des Himmels trage, zu loben ist, da sie Heimstätte so vieler Tugenden sei. Christus als menschgewordener Gott hat also die Stadt zu dem gemacht, was sie

ist – „mirificentissima― –, und deswegen ist sie nicht beliebig, sondern Trägerin und Sinnbild des Himmlischen und damit voller Tugendhaftigkeit. Daran anschließend nennt Brant bedeutende Stätten, an denen die Heiligkeit manifest wird. Die Anaphern, die sonst an keiner anderen Stelle des Textes eingesetzt wurden, verdeutlichen diese Wahrnehmung ebenfalls:

Ibi enim piscinam natatoriam in figuram sacri baptismatis: vt curaret infirmos: descendens angelus commouebat. Ibi Siloa imperante domino / c(a)eci tenebras lauit: et damnatis oculos: lucis dona restituit. Ibi mensa Christi: c(a)elestibus plena delitiis: spiritualiter saturabat apostolos. Et ne nos ab illa c(a)ena relinqueremur impasti: sacer calix / & communionem nobis praestitit / & salutem. Ibi lapis durissimus: vestigia pii redemptoris ostendit: quando ante Pylatum iudicem constitit audiendus. Ibi columna: religati in se domini flagella testabatur. Ibi spinea corona saluatori domino imposita: vt totius mundi aculei collecti frangerentur. Ibi harundo: caput domini percussit: vt ipsum esse initium rerum / terris omnibus nuntiaret. Ibi crux illa salutis & glori(a)e: loci reuerentiam consecrauit. Ibi lancea latus domini perforauit: vt nobis illius medicina succurreret. Ibi credentes / hodie ipsius sepulcra viuificant. Ibi resurrectionis locus: ad cœlos euehit corda fidelium. Ibi Syon ille montium praecipuus: vbi residentibus discipulis in c(a)enaculo: clausis ianuis mirabiliter saluator intrauit. & c(a)etera: quae diues illa patria: domini passione promeruit.

Brant nennt verschiedene relevante Plätze der biblischen Heilsgeschichte: ein Wasserbecken in Gestalt der heiligen Taufe, an dem Kranke geheilt werden; die Siloahquelle, an der Blinde ihr Augenlicht wiederfinden; den Abendmahlstisch Christi; den allerhärtesten Felsen, auf dem Christus Pilatus gegenüberstand und welcher nun seine Fußspuren trage; die Säule, an der Christus gegeißelt wurde; die Dornenkrone; das Rohr, mit dem das Haupt Christi geschlagen wurde; das Kreuz; die heilige Lanze; das heilige Grab; den Ort der Auferstehung und schließlich den Berg Sion, auf dem Christus den Jüngern durch geschlossene Türen hindurch erschien. Nach dieser Zusammenstellung resümiert Brant selbst: Diese Stadt ist mit so vielen Wunderzeichen geziert, dass sie dem Sternenhimmel gleicht. Niemand werde sich erdreisten, diejenige gering zu nennen, die mit dem heiligsten Glauben den ganzen Erdkreis erfülle: „Sed cum tot miraculis decorare splendeat: & in modum stellarum alterum possideat cœlum: quis eam audebit paruam dicere: quae sanctissima fide: orbis terminos probatur implesse?―74 In der obigen Auflistung fehlen einige, sonst bekannte Stätten und Pilgerziele. Das Grab Davids auf dem Berg Sion wird ebenso wenig genannt wie der Berg Golgatha, der Tempel Salomons und der Felsendom finden keine Erwähnung, der Davidsturm, das Tal Josaphat mit dem Mariengrab und der Ölberg sind nicht mitaufgezählt. Daraus mag man schließen, dass Brant nicht irgendeinen Pilgerbericht oder eine Beschreibung des heiligen Landes verwendete, um eine möglichst vollständige Aufzählung der wichtigen

74 Vgl. De origine, fol. Eij

v und fol. Eiijr.

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Pilgerstätten zu bieten. Das Leben und Wirken Christi macht die Heiligkeit des Ortes aus, nicht seine Topographie und seine „touristischen― Ziele. Brant bleibt ganz der christlichen Überlieferung verhaftet und fundiert die Bedeutung Jerusalems rein biblisch. Damit enthebt er den Wert der Stadt jeder historischen Verwurzelung. In der Konsequenz kann Jerusalem nur christlich sein und spielt damit eine konstitutive Rolle für die christliche Religion.

Bei aller konstitutiven Bedeutung heiliger Räume und Ordnung darf jedoch nicht der spezifische soziokulturelle Hintergrund vergessen werden, der die jeweilige Raumwahrnehmung und zeitgenössische Interpretation der Bedeutung von Orten spezifisch bestimmt und den jeweiligen Bedürfnissen anpasst. Es ist evident, dass der Verlust heiliger Orte eine schwierige Situation schafft, und zwar ganz besonders dann, wenn die Bedeutung des Ortes noch dadurch gesteigert wird, indem er eine räumliche Verankerung als Mittelpunkt erfährt. Jerusalem als Mittelpunkt der Welt anzusehen war für die Zeitgenossen durchaus gewöhnlich, wenn auch keineswegs selbstverständlich, wie ein Blick auf die Entwicklung der mittelalterlichen Kartographie zeigt. Nach Ingrid Baumgärtner sind mittelalterliche Weltkarten „in der Verschränkung von Makrokosmos und Mikrokosmos [...] gemeinhin bildliche Allegorien einer christlichen Kosmologie, darüber hinaus sogar Konstruktionen eines universalen Geschichts- und Weltmodells, in dem historische Verlaufsformen bewusst neben dauerhafte Zustände gesetzt wurden―.75 Die biblische Begründung für Jerusalem als Zentrum der Welt geht auf den Propheten Ezechiel zurück: „Haec dicit Dominus Deus: ista est Jerusalem, in medio gentium posui eam, et in circuitu eius terras―.76 Mit dem Kirchenvater Hieronymus, der Jerusalem als Nabel der Welt („umbilicum terrae―) bezeichnet hatte, nahm die Idee der geographischen Zentralität ihren Anfang. Auch wenn diese Vorstellung zunächst noch keinen Eingang in entsprechende Werke gefunden hatte, so wurde Hieronymus doch zum Begründer einer langen exegetischen Tradition.77 Mit den Kreuzzügen erhielt der Gedanke der

75 Vgl. Ingrid BAUMGÄRTNER: Die Wahrnehmung Jerusalems auf mittelalterlichen Weltkarten, in: Dieter BAUER, Klaus HERBERS, Nikolas JASPERT (Hg.): Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter. Konflikte und Konfliktbewältigung - Vorstellungen und Vergegenwärtigungen. Frankfurt am Main, New York 2001 (Campus Historische Studien 29), S. 271-334, hier S. 273. Vgl. die weiteren Literaturangaben dort.

76 Vgl. Ez. 55.

77 Vgl. BAUMGÄRTNER 2001, S. 275, mit Verweis auf S. Hieronymi presbyteri opera, pars I: Opera

exegetica 4, Commentariorum in Hiezechielem libri XIV. Herausgegeben von Franciscus GLORIE. Turnhout 1964 (CCSL 75), S. 55f. Wie Baumgärtner zeigt (S. 275-294), haben sich die verschiedenen Kartenzeichner des Frühmittelalters keiner eschatologischen oder theologischen Geschichtsdeutung verschrieben, die eine Zentrierung Jerusalems erfordert hätte, sondern sich im Gegenteil eher je nach eigenem Bedarf an verschiedenen Anordnungsmodellen orientiert oder eigenständige Neuerungen eingefügt. Jerusalem erscheint dabei in der Regel durch ein besonderes Bauwerk o.ä. hervorgehoben, befindet sich aber selten bis nie im Zentrum der Karte. Als physischer Mittelpunkt erscheint hingegen mit erstaunlicher Konstanz das östliche Mittelmeer. Dennoch fehlt Jerusalem auf kaum einer der frühen Weltkarte, so dass die Bedeutung der Stadt für die Heilsgeschichte nicht infrage gestellt wurde. Vgl. auch Anna-Dorothee VON DEN BRINCKEN:

Mappa mundi und Chronographia. Studien zur imago mundi des abendländischen Mittelalters, in: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters 24 (1968), S. 118-186.

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Jerusalemzentrierung einen deutlichen Auftrieb. Diverse Karten zeigen Jerusalem unmissverständlich als Mittelpunkt; in der berühmten Ebstorfer Weltkarte folgt die äußere Gestalt Jerusalems der Beschreibung des neuen Jerusalems in der Offenbarung des Johannes, also mit quadratischem Grundriss, umgeben von einer mächtigen Mauer mit zwölf Toren und vier Türmen.78 „Der hervorstechende goldene Farbton der Befestigung korrespondiert mit der optischen Veranschaulichung der Auferstehung Christi aus dem Sarg innerhalb der Stadt, die genau im Mittelpunkt der als Leib Christi fungierenden Erde situiert ist. Diese einmalige Bildkomposition, die den Nabel-Mythos mit dem Heiligen Grab verbindet, entfaltet gleichsam eine Sogwirkung [...].―79 Irdisches und himmlisches Jerusalem, Heilsgeschichte und Kreuzzugsideologie sind so auf geniale Weise verknüpft. Es ist jedoch zu betonen, dass diese Art der Weltdarstellung keineswegs zum Standard wurde. Die Verstärkung des Blicks auf das spirituelle Jerusalem ist vielmehr eine bewusste Entscheidung mit einem ideologischen Impetus, vor allem, da die meisten Zentrierungsbestrebungen zu einem Zeitpunkt erfolgten, als Jerusalem schon wieder verlorengegangen war.80 Analog zu der bewussten Zentrierung Jerusalems auf den Weltkarten wurden die in der Zeit der Kreuzzüge vielfach entstehenden regionalen Karten und Stadtpläne bisweilen durch Details bereichert, welche auf Beobachtungen beruhen, die Pilger und Kreuzfahrer vor Ort gemacht haben. Die meist schematischen Grundrisse der Stadt (Quadrat oder Kreis) enthalten wohl manches Mal individuelle ikonographische Ausgestaltungen, doch überwiegt ein Idealtypus. Es wurde auch versucht, methodisch neue kartographische Absichten mit graphischen Standardbildern zu verknüpfen und verschiedene Kartentypen mit ihren jeweils eigenen Intentionen miteinander zu kombinieren.81 Mit Beginn der Entdeckungsfahrten, mit der Rezeption der Geographie des Ptolemaios und der fortschreitenden Verbesserung der Portolane ergaben sich neue Perspektiven. Als Grundlage dienten jedoch zunächst nach wie vor altbewährte

78 Vgl. Apc 2112-21.

79 Vgl. BAUMGÄRTNER 2001, S. 299, mit weiteren Literaturhinweisen zur Ebstorfer Karte. Vgl. auch die weiteren Beispiele auf den Seiten 294-310. Baumgärtner mahnt zur Vorsicht mit Blick auf eine Interpretation der Oxford-Karte durch Folker Reichert, der in der Gestalt der Karte (Zentrierung Jerusalems unter Beibehaltung der älteren Tradition der Mittigkeit des östlichen Mittelmeers, Einteilung der Kontinente Europa, Asien, Afrika mittels eines T-Balkens, Ortsbenennungen aus dem Leben Christi und der Apostel) auch eine weltliche Intention sieht, nämlich eine Ausdehnung des lateinischen Europa über die bisherigen Grenzen hinaus. Asien und Afrika würden demnach in die Defensive gedrängt, Jerusalem sei nicht mehr nur geistiges, sondern auch geographisches Zentrum der Welt, und Europa habe nun seinen Mittelpunkt außerhalb seiner

selbst besessen. Vgl Folker REICHERT: Grenzen in der Kartographie des Mittelalters, in: Andreas GESTRICH, Marita KRAUSS (Hg.): Migration und Grenze. Stuttgart 1988 (Stuttgarter Beiträge zur Migrationsforschung 4), S. 36f. Baumgärtner hält diese Deutung für zu gewagt, da die Karte die gerade neu errichteten Kreuzfahrerstaaten, die ja eine grenzüberschreitende Siedlung lateinischer Christen im Orient bedeute, in ihren Legenden nicht benennt. Vgl. BAUMGÄRTNER 2001, S. 296f.

80 Vgl. BAUMGÄRTNER 2001, S. 308f.

81 Vgl. dazu die Beispiele bei BAUMGÄRTNER 2001, S. 311-322. Die Kombination verschiedener Modelle zeigt sich Baumgärtner zufolge insbesondere in den Karten des Matthaeus Parisiensis (Mitte 13. Jhr.) und des Pietro Vesconte (ca. 1320).

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Modelle, die im Detail modernisiert wurden. Mit der Zeit jedoch, vor allem aber mit den anderen Bedürfnissen der Seefahrer, die in erster Linie an genauen Küstenverlaufsbeschreibungen Interesse hatten, wurde die Jerusalemzentrierung weitgehend aufgegeben. Jerusalem ließ sich so nicht mehr ohne weiteres als geographischer Mittelpunkt verorten, wiewohl immer noch versucht wurde, neue Erkenntnisse und alte Weltsicht miteinander in Einklang zu bringen: Wenn die Stadt schon nicht mehr genau in der Mitte liegen konnte, so wurde sie bisweilen mit prächtigen Stadtsymbolen hervorgehoben. Jerusalem wurde so als befestigter, uneinnehmbarer Platz stilisiert und geriet zugleich in die zeitgenössischen Diskussionen über die (Neu-)Verteilung des Raumes: „Kartographen und Berichterstatter hatten also längst verstanden, dass die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Glaube an die Heilsgeschichte zwei Seiten der selben Medaille waren, zwischen denen sie je nach Absicht und Zielsetzung wählen konnten und sogar entscheiden mussten. [...] Im ausgehenden Mittelalter verlor also die Zentrierung auf Jerusalem wieder an Häufigkeit, aber die Frage nach den Gründen gewann an Bedeutung.―82

Es stellt sich nun die Frage, wie Sebastian Brant mit dieser neuen Unsicherheit

umging. Ziemlich am Anfang von De origine, als Brant die Gründung Jerusalems behandelt und von der Landverteilung an die Stämme Israels spricht, beschreibt er kurz das Land Kanaan. Seiner Beschreibung zufolge liege Jerusalem in dessen Mitte. Die Bemerkung Brants, man habe wohl deshalb nicht ohne Grund davon gesprochen, Jerusalem sei der Nabel der Welt – „Vnde quidam / non sine ratione / vmbilicum eius terr(a)e / id oppidum vocauerunt―83 – zeugt von der oben erläuterten Unsicherheit: Ein wenig trotzig verteidigt er ein althergebrachtes Weltbild gegen die neueren Erkenntnisse der Geographen, indem er betont, es habe wohl Gründe für diese Einordnung gegeben. Da die Zentralität Jerusalems geographisch nicht mehr bewiesen werden konnte, bediente Brant sich eines anderen Mittels, nämlich der Geschichte. Jerusalem ist nun, historisch betrachtet und untermauert, der zentrale Ort der Christen. Der andere Umgang mit der Mittigkeit Jerusalems zeigt sich noch an anderer Stelle. Robert von Reims legte in seiner Historia Hierosolymitana Papst Urban II. folgende Worte in den Mund: „Jherusalem umbilicus est terrarum [...] civitas regalis, in orbis medio posita― – Jerusalem befinde sich in der Mitte der Welt und sei der Nabel der Erde.84 Diese

82 Vgl. BAUMGÄRTNER 2001, S. 322-332, Zitat S. 332. Die Weltkarte des Salzburger Benediktiners Andreas Walsperger ist ein schönes Beispiel einer Hervorhebung Jerusalems durch die Darstellung als starke Festung in einer ansonsten gesüdeten Karte. In seiner Karte sind alle christlichen Städte mit einem roten, die heidnischen mit einem schwarzen Punkt gekennzeichnet. Angesichts der politischen Realität seiner eigenen Zeit hat auch Jerusalem einen schwarzen Punkt. Nicht weniger interessant ist in diesem Zusammenhang die Weltkarte des venezianischen Kamaldulensermönches Fra Mauro, der Jerusalem verschob und dies damit begründete, die Stadt befinde sich aufgrund der verschiedenen Einwohnerdichte in Asien und Europa, nicht aber aufgrund der wirklichen geographischen Gestalt der Erde im Mittelpunkt. Beide Beispiele behandelt Baumgärtner auf den angegebenen Seiten.

83 Vgl. De origine, fol. Avr.

84 Vgl. Roberti monachi Historia Jherosolimitana, in: RHC Hist. Occ. Band III. Paris 1866, S. 717-882, hier S. 729 A (lib. I, Cap. 2).

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Aussage findet sich in der von Flavio Biondo erstellten Version nicht, und man kann davon ausgehen, dass Brant sich bewusst an die für den Türkenkrieg der eigenen Gegenwart umgestaltete Rede Biondos hielt. Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass Brant Kenntnis von den aktuellen Entdeckungen, neuen Geographien und den Veränderungen der Kartographie hatte, so dass er, auch wenn er im einzelnen nicht damit vertraut sein mochte, sich nicht auf ein eindeutig heilsgeschichtlich ausgerichtetes, rein religiös motiviertes geographisches Weltbild stützen konnte. Immerhin publizierte Brant sein Lobgedicht auf den spanischen

König Ferdinand in einem Werk des Carolus Verardus mit dem Titel In laudem

Serenissimi Ferdinandi Hispaniarum regis Bethicae et regni Granatae obsidio

victoria et triumphus Et de Insulis in mari Indico nuper inuentis.85 Das Buch enthält einen ins Lateinische übersetzten Brief des Christoph Columbus über die neuentdeckten westindischen Inseln.

Damit ist aber immer noch nicht erklärt, warum er an einer Eroberung Jerusalems und am Vorbild der hochmittelalterlichen Kreuzfahrt festhielt. Die vergleichsweise sehr kurze Beschreibung Jerusalems, die Brant in seinen Text einfügt, als das erste Kreuzheer die Stadt erreichte, lautet folgendermaßen (die kursiven Textteile sind Übernahmen aus Enea Silvios Dekaden Biondos):

Exinde motis / de tertia vigilia / castris: sex progressi passuum milia: sole vix dum orto:

primum urbisHierosolym(a)e mœnia prospexere Videres vero tunc / varios summo in gaudio motus. pars clamores in cœlum attollere. Iubilis pars / & canticis optimum maximum Iesum venerari. pars lachrymis vbertim in genas fluentibus ridens. in faciemque prostrata: sanctam vrbem: sanctum venerandumque sepulchrum domini salutabat. Ea autem vrbs vt paulo ante

etiam demonstramus: in pal(a)estina Syri(a)e regioni / arduo in monte sita: montibus pariter

arduis circundatur. Nec flumina intus / aut proximo in agro: nec fontes habet praeter vnicum

Syloe amnem: tenui / et quandoque per (a)estatem nulla / fluente aqua. qui montem Syon

radens: vallem Iosophat / mediam secat. Ob quam aquarum necessitatem, cysternas aquam

continentes pluuiam: intus et extra ager multas et prope infinitas habet. Pertinet autem eius

ager / ad varias / gentes christiano inimicas nostri. Nam Arabes / moabitid(a)e &

Ammonit(a)e ab orientali plaga. Idum(a)ei Aegyptii & Phylist(a)ei a meridionali: &

maritim(a)e ciuitates / Ptolomayda (qu(a)e et Accon) Tyrus et tripolis / ab occidentali.

Tyberias / qu(a)e C(a)esarea Philippi: et regio decapoleos / & Damascus / a septentrionali in

Hierosolymitanos fines spectant. Itaque quam primum ad Hierosolym(a)e m(o)enia / portasque ventum est: nihil vtilius duces existimauere: quam vrbe in circuitu lustrata: metandis quam oportune castris / loca ducibus exercituique diuidere.86

Es ist auffallend, dass sich Brant in keiner besonderen Weise der Gestalt Jerusalems zur Zeit der ersten Eroberung durch die Kreuzfahrer widmet. Angesichts des großen Interesses, das er ansonsten der Stadt entgegenbringt – man denke nur an die ausgedehnte Beschreibung ihrer Lage und Gestalt zur Zeit Christi – würde man vermuten, dass die Ankunft des Kreuzheeres Anlass bieten würde, um die heiligen Orte, die sich nun wieder in christlicher Hand befinden, zu beschreiben,

85 VERARDUS: In laudem Serenissimi Ferdinandi Hispaniarum regis Bethicae et regni Granatae

obsidio victoria et triumphus. 1494.

86 Vgl. De origine, fol. [Lviij]r+v.

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und sei es nur, um hervorzuheben, wie sehr sie unter der Herrschaft der Glaubensfeinde gelitten hätten. Statt dessen findet man in dem von Enea Silvio bzw. Flavio Biondo abgefassten Text, der sich vor allem mit dem Wassermangel in der Stadt beschäftigt und die Feinde der Christen nennt, die die Stadt von allen Seiten umgeben, lediglich einen kurzen Einschub, der besagt, wie bewegt die Kreuzfahrer beim Anblick der Stadt gewesen seien. Vermutlich hatten Brant und auch Flavio Biondo und Enea Silvio aber einfach keine weiteren Quellen zur Verfügung, die Jerusalem zur Zeit der Kreuzfahrer beschreiben.

Die Diskrepanz zwischen dem soziokulturellen Hintergrund (die tatsächliche Situation: die Notwendigkeit des Türkenkriegs) und einer durch textuelle Kohärenz maßgeblich statisch gewordenen Raumwahrnehmung (ein Soll-Zustand: Jerusalem als dem eigenen Territorium zugehöriges Zentrum) bleibt einer der wesentlichen Problempunkte in Sebastian Brants Entwurf. Wenn sich das Heilige Land und die Stadt Jerusalem nicht mehr innerhalb des von den Christen bewohnten Raumes befinden, ergeben sich aus diesem Umstand Handlungszwänge. Die Frage, warum gerade um 1500 ein humanistischer Gelehrter der Idee verfallen kann, ein längst verlorenes Land wie Palästina wieder zu erobern, lässt sich einzig und allein mit der ontologischen Bedeutung des „Kraftfeldes― erklären. Sebastian Brants religiöse Motivation überlagert hier seine historische Analyse; seine Beobachtungen, die ihn erkennen ließen, dass es ohne innereuropäischen Frieden nicht gelingen könne, die osmanische Expansion nach Europa zu stoppen, fließen über in einen tief verwurzelten Traum des abendländischen Christentums, nämlich die Herrschaft über ihre ureigenste religiöse Geburtsstätte auszuüben. Besonders dem Moralisten Brant dürfte die Sehnsucht nach Jerusalem so etwas wie das Heimweh nach dem (verlorenen) Paradies bedeuten. Wäre die Welt „in Ordnung―, dann hätte sie auch ihr gewissermaßen natürliches Zentrum wieder, nämlich den Ort der christlichen Hierophanie und Theophanie, Jerusalem.87

2.2. Neue Zeiten?

„Petrarca―, so Klaus Schreiner, „unterschied zwischen „alten Geschichten― (historiae antiquae) und „neuen Geschichten― (historiae novae), die er durch eine literatur- und kulturlose Zwischenzeit, das „medium tempus―, scharf voneinander getrennt sah―.88 Laut Schreiner deutete Petrarca damit ein bereits bestehendes Drei-Epochen-Modell um, welches die christliche Zeit (so zum Beispiel Bonaventura) in die Zeit der Urkirche, in eine „mittlere Zeit― und schließlich in eine „letzte Zeit―

87 Vgl. hierzu auch das später folgende Kapitel über die Religion als Distinktionsmittel sowie die

Beiträge von Christoph AUFFARTH: Irdische Wege und himmlischer Lohn. Kreuzzug, Jerusalem

und Fegefeuer in religionswissenschaftlicher Perspektive. Göttingen 2002 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 144), sowie zur Vorstellung und Vergegenwärtigung Jerusalems im Hoch- und Spätmittelalter den zweiten Teil des 2001 erschienenen Sammelbandes

von Dieter BAUER, Klaus HERBERS, Nikolas JASPERT (Hg.): Jerusalem im Hoch- und

Spätmittelalter. Konflikte und Konfliktbewältigung – Vorstellungen und Vergegenwärtigungen. Frankfurt am Main, New York 2001 (Campus Historische Studien 29).

88 Vgl. SCHREINER 1987, S. 410.

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(seine eigene Gegenwart im 13. Jahrhundert, folgt man weiterhin Bonaventura) eingeteilt hatte. Im 13. Jahrhundert erschienen die Bettelorden mit ihrem Gebot der Armut als Verkünder einer neuen Antwort auf eine von Gewinnstreben und großen Veränderungen geprägte Zeit. Petrarca fand neue Impulse für seine eigene Zeit, indem er die antike Tugend der „virtus― in die eigene Gegenwart holte und durch die „studia humanitatis― wiederzubeleben versuchte. „Petrarcas Periodisierung―, so weiter Klaus Schreiner, „folgte nicht mehr dem zeitlich gestuften Heilshandeln Gottes, sondern dem Verhalten der Menschen―.89 Damit gilt Petrarca als einer der entscheidenden Erfinder eines modernen Umgangs mit Geschichte. Die sonnigen Anzeichen eines im Zeichen der menschlichen Verantwortung geführten Lebens und des eigenen Gestaltens von Geschichte wurden nördlich der Alpen jedoch nur ansatzweise oder gar nicht aufgegriffen. Melanchthon sah das Ende der Welt kommen und fand die Bestätigung dafür in der Daniel-Prophetie mit ihrer Lehre der vier Weltreiche. Nicht anders argumentierte Johannes Sleidanus, der Hofhistoriograph Karls V., der ebenfalls Daniels Prophezeiungen erfüllt sah und darin eine göttliche Bestätigung für die Regentschaft seines Dienstherren fand. Erasmus hingegen erwartete den Anbruch eines „saeculum aureum―, falls es gelingen sollte, „pietas christiana, optimae literae― und „publica et perpetua concordia― zu vereinigen, also christliche Frömmigkeit zu üben, hervorragende Wissenschaft zu pflegen und in allgemeiner und dauernder Eintracht zu leben. Dies wiederum konnte nur mit menschlicher Mühe und und Umsicht erreicht werden.90

Sebastian Brant suchte sich ebenfalls einen Weg durch den Dschungel der verschiedenen Zeit-Vorstellungen, indem er die Hoffnung auf ein goldenes Zeitalter an die Regentschaft Maximilians I. knüpfte, zugleich aber dem bekannten Schema der vier Weltreiche und der göttlichen Heilslehre verhaftet blieb, weil er, ebenso wie viele seiner Zeitgenossen, vom Einfluss der gegenwärtigen Krisenstimmung nicht frei war. Die beiden Pole zeigen sich in den nachfolgend besprochenen Konzepten der Weltreichlehre mit der Vorstellung des Übergangs des letzen, römischen Weltreiches auf die Deutschen sowie der Erwartung eines neuen, goldenen Zeitalters. Eine Zuspitzung erfährt das Konzept des neuen Zeitalters in einer wiederum tief von der Heilserwartung geprägten Idee des Endkaisertums, das nach Brant den Habsburgern, genauer Maximilian I. zufällt. Damit schließen sich die sich eigentlich widersprechenden Konzepte zu einem Kreis, in dem alles menschenmöglich scheint und zugleich nach Gottes Plan verläuft.

2.2.1. Der translatio-Gedanke, die Weltreichlehre und die „saturnia regna―

Das Verhältnis der Translatio-Idee als dem Fortbestehen des Römischen Reiches bis zum Weltende und der neuen Vorstellung einer „declinatio imperii―, des politischen und kulturellen Verfalls des Römerreiches wurde wiederum erstmals von Petrarca, der „als erster die mittelalterliche Theorie von den vier einander ablösenden Weltreichen auf[gibt] und [...] nach Titus den Verfall des Imperiums, die

89 Vgl. SCHREINER 1987, S. 411.

90 Vgl. SCHREINER 1987, S. 412f.

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Zeit der Finsternis beginnen [lässt]―,91 verschoben. „Für das Mittelalter – gleichviel, ob man der Theorie der vier Weltreiche oder der Lehre von den sechs Weltzeitaltern folgte – war die Geschichte mit Christi Geburt in ihre letzte Epoche eingetreten und damit eigentlich abgeschlossen. Demgegenüber verlangte die neue Gliederung des Geschichtsprozesses mit den Begriffen des Verfalls und der Wiedergeburt nach einer Erklärung, wie es denn zu diesen durch die Offenbarung nicht bestimmten Einschnitten im Ablauf des Geschehens hatte kommen können. Die Erklärung, die in der Bibel nicht enthalten war, suchte man im Geschichtsablauf selbst.―92 Leonardo Bruni beispielsweise thematisierte die politische Freiheit: Der Verfall Roms begann, als durch die Kaiser der römische Bürgersinn vernichtet wurde. Der Verfall der Freiheit kam dem Zugrundegehen der Kultur gleich. Ein Symptom dafür sah Bruni im Abstieg der lateinischen Sprache nach Cicero. Sebastian Brant hielt hingegen an der Vorstellung der Translatio imperii fest. Die Translatio erwähnte er

zum einen in seinem Geschichtswerk De origine, wo es heißt, der griechische Kaiser Konstantin habe den Franken das Imperium überlassen und sich somit der Pflicht entledigt, dem Papst gegen die Langobarden zu helfen: „Erat per id tempus Gr(a)ecorum imperator Constantinus: qui sæpe per Gregorium eius nominis secundum requisitus: vt contra Aistulphi Longobardorum regis perfidiam: quassat(a)e subueniret ecclesi(a)e: nihil tamen nisi verba remiserat: & propterea transferendi a Gr(a)ecis in Francos imperii: casum praebuerat vrgentissimam. Nullam enim subueniendi curam susc(a)epit: quanquam varia tunc: & sibiipsi contraria vsus fuerit fortuna―.93 Man könnte dahinter eine rein maliziöse Anspielung auf die Pflichtvergessenheit des griechischen Kaisers erblicken und der Translatio als solche noch keinen größeren Wert beimessen. Die genannten Erben sind, ganz mit historischer Distanz betrachtet, die Franken, nicht ausdrücklich die Deutschen.94 Dennoch ist die Episode von Bedeutung, denn Frey widmet der Übertragung eine eigene Überschrift mit dem Wortlaut „Warumb das kayserthumb auß kriechen

genommen vnd in franckrych verwendt ist worden“, und auch Brant ist dieses Ereignis eine zusätzliche Marginalie wert: „Causa quare imperium a gr(a)ecis in

francos fuit translatum“.95 Trotzdem überwiegt die Betonung der Ursache die Nennung der reinen Tatsache. Das Thema findet sich in der bereits herangezogenen

dichterischen Abhandlung De corrupto ordine vivendi pereuntibus wieder, das von Brant der lateinischen Ausgabe des Narrenschiffs beigefügt wurde und das sich

91 Vgl. BUCK 1957, S. 12. Ebenso auch Flavio Biondo, der die Geschichte des Verfalls des römischen Imperiums mit der Plünderung Roms durch die Goten beschrieb.

92 Vgl. BUCK 1957, S. 12f.

93 Vgl. De origine, fol. Ir.

94 Kaspar Frey machte in seiner Übersetzung aus den Franken allerdings Franzosen. Vgl. Von dem

anfang, fol. hvjr. Diese Tatsache belegt ebenfalls, dass Sebastian Brant der Übersetzung nicht seine

volle Aufmerksamkeit widmete, denn eine solche Änderung bzw. Uminterpretation hätte er wohl kaum gutgeheißen, wenn man all seine anderen Äußerungen zur Überlegenheit der Deutschen und der deutschen Kaiserwürde mit in Betracht zieht. Die Franzosen werden von Brant zudem stets als „Galli― bezeichnet.

95 Vgl. De origine, fol. Ir.

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ebenfalls in der Sammlung der Varia carmina befindet.96 Der Gedichtzyklus hat ein eigenes Titelblatt (fol. ar), auf dem sich ein Holzschnitt befindet. Über dem

Holzschnitt steht die Überschrift De corrupto ordine vivendi pereuntibus. Inventio

nova Sebastiani Brant. Auf der Abbildung selbst ist in der rechten oberen Ecke ein Quadrat ausgespart, das in etwa ein Viertel des gesamten Bildes an Größe umfasst. Darin befindet sich eine Raute, die selbst wiederum ein kleineres Quadrat umschließt, in welchem sich folgender Text befindet: „Anno domini 1503. 2. die octobris post meridiem hora nona ascendendem ad medium vi. climatis‖. Die einzelnen Felder, die zwischen diesem inneren Quadrat, der Raute und dem äußeren Quadrat entstanden sind, sind mit Zahlen gefüllt. Es handelt sich dabei um ein in dieser Zeit typisches astronomisches Modell, das die exakten Berechnungen zu der im Text angegebenen Konstellation angibt. Der Holzschnitt selbst zeigt einen Wagen, in dem sich ein auf dem Kopf stehender Narr befindet. Links neben dem Wagen treibt ein weiterer Narr zwei Pferde an, die aber ausgeschirrt sind. Um den Wagen herum sind fünf verschiedene Wappen gruppiert, auf denen Tierkreiszeichen dargestellt sind.

Der lange Gedichtzyklus, der sich, beginnend mit der Ordnung der Engel und fortschreitend mit der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies, schließlich den verschiedenen Reichen in der Geschichte zuwendet, kann vielleicht als stärkster Repräsentant eben jener Weltreichlehre gelten, die im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation das von den Römern ererbte, letzte Reich auf Erden vor dem Beginn der Herrschaft Christi sieht. Das Gedicht gliedert sich in drei Hauptteile, die folgende Überschriften tragen: „Quod inordinatio causa fuerit destructionis omnium rerum― (1), „Thurci irruptio― (2), „Conclusio wormatiensis― (3). Der erste Teil wiederum hat insgesamt 17 Unterkapitel, in denen verschiedene Zeitalter und ihre jeweiligen Verfehlungen abgehandelt werden. Auf eine Einleitung folgt der Sturz der Engel und die Geburt des ersten Dämons, des Teufels („ordo angelicae Ierarchiae―). Damit sei die Ordnung der Engel zerstört worden, wie dies überhaupt der Beginn der Zerstörung von Ordnung sei. Um diesen Fehler wieder gutzumachen, habe Gott

das Menschengeschlecht geschaffen (Ordo humani generis). Doch durch die Verführung des Teufels habe er den Mensch aus dem Paradies weisen müssen und ihn dazu bestimmt, sein Brot mit Schweiß zu verdienen. Dem folgen die Entstehung der ersten Königreiche und die ersten Kriege („ordo regni universalis―), die Usurpation der Macht durch Kain nach dem Mord an seinem Bruder und die darauffolgende Sintflut („usurpatio regnorum―), das Reich der Assyrer („Assyriorum monarchia―), das wegen Nachlässigkeit und Luxussucht an die Meder fiel

96 BRANT: De corrupto ordine vivendi pereuntibus, in:Varia Carmina, Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1498, fol. ar-bciij

v. Das Gedicht ist auch in der Straßburger Ausgabe (Johannes

Grüninger, 1498) enthalten (fol. Cr-[Dv]v). Zum Narrenschiff vgl. Sebastian BRANT: Stultifera navis

Narragonie profectionis nunque satis laudata per Sebastianum Brant [...] Atque iam pridem per

iacobum Locher cognomento Philomusum Suevum in latinum traducta eloquium [...] per

Sebastianum Brant denuo seduloque revisa. Augsburg, Johannes Schensperger, 1497, fol. CXLV-CLV. Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 195 (mit weiteren bibliographischen Angaben) und die ältere Edition bei Friedrich ZARNCKE: Sebastian Brants Narrenschiff. Mit vier Holzschnitten. Leipzig 1854, S. 121-127.

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(„Maedorum monarchia―), das Königreich der Juden, welches die bekannten biblischen Plagen zu erleiden hatte und unter babylonische Gewalt kam („Iudeorum regnum―), das Reich der Perser, das wegen Gewaltherrschaft von Alexander erobert wurde („Regnum persarum―), das Reich Alexanders des Großen, dessen Nachfolger im Bruderkrieg untergingen („Alexandri monarchia―), dann das Römische Reich, das zuerst gut regiert wurde, dann aber in die Hände einzelner Tyrannen geriet („Romanum imperium―). Es folgt nun eine Unterbrechung der Reihung. Als nächstes nennt Brant das Reich Christi, welches alle Szepter in seinem Reich vereinigen sollte: „Christus nempe fuit solux rex verus, eique | Debetur mundi fabrica iure suo― („Regnum christi―). Dem folgt ein Lob Konstantins des Großen, der das Christentum anerkannte („Constantinus magnus―), schließlich ein Kapitel mit der Überschrift Romana monarchia, in welchem die Vorhersagen des heiligen Propheten Daniel über das kommende Ungemach abgehandelt werden; ähnlich im folgenden Kapitel Figura caeli M.CCCCC.III., in dem den Deutschen kommende Gefahren aufgrund der Sternenkonstellation des Jahres 1503 im Zeichen des Krebses dargelegt werden. Nach diesem Einschub setzt Brant die Reihe mit dem Byzantinischen Reich fort („Constantinopolitanum imperium―). Da der Kaiser von Konstantinopel sich mit dem Papst überwarf, wurde ihm das Imperium entzogen und den Deutschen übertragen („Translatio imperii―). Dieses letzte Unterkapitel ist zugleich das längste. Brant hebt darin die Ehre hervor, Erbe des Reiches zu sein, und beklagt im Anschluss daran die ungeheure Schande, dass die Deutschen aufgrund mangelnder Moralität diese Ehre entweihen. So heißt es nun eindeutig, die Deutschen seien diejenigen, die das Szepter von den Griechen erhalten hätten. Karl der Große, der das Reich entgegengenommen habe, sei überdies von wahrer teutonischer Abstammung, da er ein Ostfranke sei, vor allem aber ein Franke und kein Gallier (also kein Franzose!). Frankreich hingegen trüge nur diesen Namen. Die Deutschen hätten nun seit 700 Jahren das Reichsszepter inne, was sonst keiner vorweisen könne. Die Babylonier, Assyrer, Chaldäer, Parther und Achäer seien alle gescheitert, sodass schließlich die Deutschen zum Zuge gekommen seien. Es sei außerdem von größerer Würde, das Imperium übertragen zu bekommen, als es nach Altväterrecht einfach zu erben. Der römische König schließlich würde von führenden Adligen gewählt, die nur jemanden bestimmten, der dessen auch würdig sei. All dies ginge auf das Verdienst Kaiser Ottos zurück. Der König werde von sechs Fürsten und vom böhmischen König gewählt. Die Steuereinnahmen verdanke man Karl IV.97 Im Anschluss an die Aufzählung der großen Leistungen der beiden

97 Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 195: „Translato imperio a Graecis. Germana repente | Natio, suscepti regia sceptra, et opus. | Germanus quia nam, nostro quoque natus in orbe | Karolus: et vero semine theuton erat: | Nempe orientalis francus fuit: unde recepit | Francia gallorum, quod modo nomen habet. | Germani sic nos annis prope septingentis: | Sceptra sacra, et vittas gessimus imperii. | Quo liquido patet. in terris quod saecula tanta | Nulla monarchiae gens tulit imperium. | Nam Babel, Assyrius, Chaldaeus, Parthus, Acheus | Ultro citro instabili regna tulere loco. | At nos Romanum nomenque, urbemque sacratam | Continuo in nostro reximus imperio. | Quodque magis dignum est, reliqui quia iure paterno | Haeredisque loco regna habuere sua. | At rex Romanus legitur per vota virorum | Integra praestantum nobiliumque ducum. | Eligit hunc nullus qui non sit caesare dignus, | Et qui non sceptrum iure suo ipse ferat. | Traditus hic modus est ordo quoque Caesare Othonae | Quo regnum melius constet et imperium. | Saepe etenim ignavus vel iners, vel inutilis excors | Nascitur, at legitur frugi homo et eximius. | Sex ita principibus legitur

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deutschen Kaiser folgen einige Klagen über die gegenwärtigen Zustände, vor allem über die endlosen Tagungen und das stete Hinausschieben überfälliger Beschlüsse. Am Ende bleibt der Verdacht, dass die Translatio imperii in diesem Fall nicht so sehr dazu dient, um das Ende der (römischen) Welt noch für eine Weile hinauszuschieben, sondern einzig und allein dazu, um der Welt mitzuteilen, dass der Führungsanspruch bei den Deutschen liegt, und um den Deutschen zu verdeutlichen, was sie zu verlieren haben, wenn sie diese Errungenschaften nicht pflegen. Dennoch verdeutlicht der Gedichtzyklus zweifellos ein Geschichtsbild, das auf dem alten Gedanken der ererbten Reiche beruht. Es steht außer Frage, dass das deutsche Kaiserreich der legitime Rechtsnachfolger des römischen Reiches ist und somit die Verantwortung für das Weiterbestehen eben dieses Reiches trägt. Damit steht Brant im Widerspruch zu den italienischen Humanisten wie etwa Petrarca, in deren Werke die Lehre der Weltreiche als überwunden gelten kann. Auf der anderen Seite steht für die geschilderte Entwicklung eindeutig der Mensch mit seinen Verfehlungen Pate. Nur zu Beginn ist es das Werk des Teufels, doch auf hier kann der Vorwurf lauten, der Mensch sei nicht standhaft und besonnen genug gewesen, um ihm zu widerstehen. Die Verfehlungen in der Vergangenheit und Gegenwart sind Ursache für den gegenwärtigen, beklagenswerten Zustand, aber es gibt die Möglichkeit der Wiedergutmachung und Heilung, wenn man fortan richtig lebt und handelt. Damit zeigen sich Ähnlichkeiten sowohl zu dem von Brant

herausgegebenen Methodius-Text als auch zu De origine. Ganz anders als die Erwartung des – nahen oder fernen – Weltendes ist hingegen

die Erwartung eines goldenen Zeitalters. Erasmus von Rotterdam knüpfte die Erwartung eines goldenen Zeitalters (saeculum aureum) an die Einhaltung der „precipua bona―, der Grundwerte „pietas christiana―, „optimae literae― und „publica et perpetua concordia―. Diese Erwartungen und Forderungen finden sich auch bei Sebastian Brant. Allerdings überwogen Anfang des 16. Jahrhunderts die Zweifel am Anbruch solch schöner Zeiten beträchtlich. Brant nennt die „aurea saecla― in

mehreren Gedichten. In De prospera regis Maximiliane electione, Versen, die Brant zur Wahl Maximilians zum König verfasste, schreibt er, nun habe das Haus Österreich ein Reich inne, das beide Pole umfasse. Unter den jetzigen Königen (Friedrich III. und Maximilian I.) kehre das goldene Zeitalter zurück.98 Ähnliches formuliert Brant anlässlich des Todes Friedrichs III. Den Klagen über den Tod des Regenten folgen Ermahnungen Maximilians, dem nun die Leitung des Reichs obliegt. Brant meint schließlich, es sei nun Zeit, dass das goldene Zeitalter zurückkehre und dass das Heilige Land in die Hände Maximilians gelange.99

rex, atque Bohaemus | Rex paribus votis saepe vocatus adest. | Karolus his quartus dedit electoribus amplum | Rheni vectigal grandia dona satis.― (V. 349-376).

98 Vgl. Sebastian BRANT: De prospera regis Maximiliani electione. Anno. 87, in: Varia Carmina, fol. [bciiij]v, und WILHELMI 1998: „Nunc tenet australis domus / hoc sub c(a)esare mundi | Totius imperium qua stat vterque polus. | Filius atque parens orbis moderantur habenas: | Regibus his redeunt aurea s(a)ecla deum‖ (V. 9-12).

99 Vgl. Sebastian BRANT: Fulgetre inmanis iamnuper Anno: xcii. septimo idus Nouembris: prope

Basileam in agros Suntgaudi(a)e iaculat(a)e: in N(a)enia mortis optimi imperatoris Friderici:

consolationemque & exhortationem Diui Maximiliani / explanatio. S. Brant., in: Varia Carmina,

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Sebastian Brant und seine Zeitgenossen waren zwischen der Hoffnung auf eine andere, bessere Zeit und dem Sichfesthalten an dem herkömmlichen Schema des göttlichen Heilsplanes hin- und hergerissen. Man sah, dass der Mensch mit seinem Verhalten durchaus die Macht hatte, in das Geschehen der Zeit einzugreifen. Zugleich mochte die Überzeugung, dass alles nach eigenem Planen geschehen konnte, viel zu verwegen und im Angesicht Gottes viel zu vermessen sein. In dieser Unsicherheit bezüglich der eigenen Gedanken und ihres Wertes erscheint das tiefe Hoffen auf Gott, dieser werde schon alles nach seinem Plan regeln, als eine Zuflucht in unsicheren Zeiten und als Ausdruck einer großen Demut vor dem eigenen Schicksal.

2.2.2. Das Endkaisertum oder Maximilian I. als christlicher Weltenherrscher Man hat Sebastian Brant nicht selten vorgeworfen, ein konservativer Humanist

gewesen zu sein, der nichts anderes im Sinne gehabt habe, als die „mittelalterliche― Ordnung unter den Prärogativen von Kirche und Reich wiederherstellen zu wollen. In der Tat hatten Humanisten wie Petrarca Vorbehalte gegen das Kaisertum, es sei nordisch und barbarisch, und der Romzug und die Kaiserkrönung Friedrichs III. in Rom 1452 waren wohl so armselig, dass die Italiener darüber lachten. Die Art und

Weise, in der sich Maximilian I. verehren ließ – durch die Werke Weißkunig und

Theuerkauf oder die riesenhafte Ehrenpforte, die in erster Linie Dürer zu verdanken ist und die 1517 fertiggestellt wurde – mögen das Festhalten an einer alten Herrschaftsform symbolisieren. Karl V. hingegen demonstrierte, dass, anders als Erasmus dies im Vorwort seiner Suetonausgabe behauptete, das Kaiserreich weitaus mehr war als nur ein schöner Name.100 Unter der Herrschaft Kars V. zeigte sich die Präsenz einer messianischen Idee des Kaisertums; Karl sah sich als Gesandter des Himmels, dem es bestimmt war, den Lauf der Geschichte zu vollenden.101 Der französische König Franz I. sah sich daher genötigt, 1518 ebenfalls nach dem Kaisertitel zu streben; Ivan der Schreckliche proklamierte Moskau zum „Dritten Rom―. In allen Fällen ist die Verbindung des Gedankens einer geistlichen Funktion des Kaisertums mit dem Wiederauflebenlassen antiker römischer Symbole als Ausdruck herrscherlichen Triumphes entscheidend: „Das Kaisertum hat auf diese Weise zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Gipfel seiner symbolischen Bedeutung erlangt. Es repräsentiert die weltliche Gewalt und ihr universales Prinzip―.102 In diesem Kontext zu verorten ist die Übernahme des römischen Rechts durch die Rechtsgelehrten des Kaisers, zu deren Kreis Sebastian Brant zu zählen ist. Seine juristischen Werke und auch sein Romzugbuch, das Maximilian bei ihm in Auftrag

fol. [evij]v-fj

v, und WILHELMI 1998, Nr. 35: „Tempus adest bone rex / redeant Saturnia regna. | Inque tuas redeat fac sacra terra manus― (V. 49f). Vgl. auch Anm. 105.

100 Vgl. André CHASTEL, Robert KLEIN: Die Welt des Humanismus. Europa 1480-1530. München 1963, S.10f.

101 So beschrieb ihn Kardinal Ägidius von Viterbo, Ordensgeneral der Augustiner. Vgl. AEGIDIUS

VON VITERBO: Scechina e libellus de litteris Hebraicis. Egidio da Viterbo. Inediti a cura di François SECRET. Roma 1959 (Edizione nazionale dei classici del pensiero italiano II, 10-11).

102 Vgl. CHASTEL, KLEIN 1963, S. 12.

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gegeben hatte, zeigen dies.103 Über die juristische Stärkung des Kaisertums hinaus betrieb der Autor, Publizist und Verwaltungsbeamte Sebastian Brant Propaganda für das (deutsche) Kaisertum. Er stilisierte den Kaiser als christlichen Weltenherrscher und erwartete von ihm, nach dieser Rolle zu streben. Dieser Entwurf erscheint heutzutage vor allem als literarischer Topos. Doch stellt sich die Frage, was Sebastian Brant wirklich von Maxilmilian wollte: nur einen gut organisierten und von Erfolg gekrönten Türkenzug? Oder doch ein christliches Pangäa? Sah er ihn, wie dies der von ihm herausgegebene Text des Pseudo-Methodius vorschlug, als letzten Endkaiser vor der Wiederkehr des Satans und dem jüngsten Gericht? Letztendlich handelt es sich um das Maß der Sakralität des Königtums um 1500. Besaß Maximilian als König thaumaturgische, von Gottes Gnaden verliehene Fähigkeiten? Gibt es etwas, was ihn aufgrund seiner Rolle als König als heilig qualifizierte? Wenn ja, war es dann sein „Amt― als König oder seine Angehörigkeit zur Dynastie der Habsburger?104 Einen entscheidenden Ausdruck großer

Erwartungshaltung zeigt sich im Schlussgedicht von De origine, wo nach der Abhandlung sämtlicher Könige Jerusalems mit Maximilian ein Höhepunkt erreicht wird. Nach einer kurzen Peroratio folgt eine „Diui Maximiliani commendatio―, in der Maximilian als „pater patriae―, als „decus imperii― und „salus fidei― bezeichnet wird. Das Heilige Land begehre nur ihn als König; unter Maximilian könne die „respublica Christi― wachsen. Dieser Teil des Gedichts wurde von Brant aus einem früheren Gedicht entnommen und stellenweise verändert, und zwar aus dem bereits

genannten Gedicht zum Tod Friedrichs III.105 In Fulgetre inmanis iamnuper Anno:

xcii. septimo idus Nouembris: prope Basileam in agros Suntgaudi(a)e iaculat(a)e: in

N(a)enia mortis optimi imperatoris Friderici: consolationemque & exhortationem

Diui Maximiliani / explanatio. S. Brant kommen, anders als im Schlussgedicht von

De origine, auch die „saturnia regna― zur Sprache. Warum Brant in De origine gerade auf diese Verheißung verzichtet hat, ist nicht klar. Die zentrale Bedeutung Kaiser Maximilians für die literarische Produktion Sebastian Brants kommt besonders in den panegyrischen Versen zum Ausdruck. Das früheste bekannte Panegyricum bezieht sich auf die Wahl Maximilians zum Römischen König im Jahr

103 In diesem Zusammenhang wäre noch zu untersuchen, ob Maximilian in den juristischen Werken Brants eine besondere Rechtsstellung zugewiesen bekommt, die über den zu dieser Zeit üblichen

Rahmen hinausging. Vgl. dazu Marc BLOCH: Die wundertätigen Könige. München 1998 (Titel der Originalausgabe: Les rois thaumaturges. Etude sur le caractère surnaturel attribué à la puissance royale particulièrement en France et en Angleterre. Paris 1983), S. 227.

104 Vgl. REINHARDT: 2002, und Dieter MERTENS: Geschichte und Dynastie – Zu Methode und Ziel

der "Fürstlichen Chronik" Jakob Mennels, in: ANDERMANN 1988 (Oberrheinische Studien 7), S. 121-153.

105 Vgl. De origine, fol. [Vvj]v: ―Tu pater es patri(a)e [...] | Tu decus imperii: tu fideique salus. [...] Te solum / regem terra sacrata cupit. | [...] | Crescere nunc sub te / potis est respublica Christi: | Iamque augere sacrum tu potes imperium‖. Die letzten beiden Verse (und zahlreiche weitere)

finden sich wortgleich im Gedicht Fulgetre inmanis iamnuper Anno: xcii. septimo idus

Nouembris: prope Basileam in agros Suntgaudi(a)e iaculat(a)e: in N(a)enia mortis optimi

imperatoris Friderici: consolationemque & exhortationem Diui Maximiliani / explanatio. S.

Brant, V. 37f.

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1486. Darin wird Maximilian als Friedensbringer der Welt gepriesen, unter dessen Herrschaft die goldenen Zeiten wiederkehren würden. Maximilian wird von Brant als Weltenherrscher dargestellt, der von einem Erdenpol zum anderen regiere und der zusammen mit seinem Vater Friedrich III. als Garant für Frieden und Eintracht stehe.106 Ein Lobgedicht aus dem Jahr 1507 spricht wiederum Maximilian als Friedensbringer an, auf den die Stadt Rom warte, um seinen Triumph zu feiern.107 Maximilian, so Brant, bringe durch seine Tugendhaftigkeit, seinen Mut und durch Waffenstärke den gegenwärtigen Zeiten den Frieden zurück. Er werde die Reiche seiner Großväter wiederherstellen, und daher würde ihm bald das gebührende Erbe zufallen. Da hier davon die Rede ist, dass Rom auf Maximilian warte, spielt Brant hier vielleicht auf die noch ausstehende Reise nach Rom zur Kaiserkrönung durch den Papst an.108 Die Gedichte, die Brant anlässlich des Todes Maximilians und später verfasst hat, verstärken diese Rolle des Kaisers noch. Den Tod Maximilians

beweint Brant in In mortam divi Caesaris Maximiliani Epicedion. Darin bezeichnet er den Verstorbenen als „pater patriae―, „unica Germanis spes― und als „Theutonici [...] portus, et aura soli―. Mit seinem Tode, so Brant, seufze die deutsche Erde, „graviter Theutona terra gemet―. Brant wünscht sich, ein falscher Prophet zu sein, wenn er voraussagt, dass nun alles verlorenginge, was Maximilian geschaffen habe.109 Um 1520 ließ Brant in Straßburg eine Sammlung mit Panegyriken auf Maximilian drucken. Darin befinden sich weitere Gedichte, in denen er die

106 Das Gedicht wird in der Überschrift allerdings Anno. 87 datiert. Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 35, der einen Irrtum vermutet bzw. in Erwägung zieht, dass das Gedicht erst in diesem Jahr entstanden sei: „Falcifer imperium terrae ante Iovem tenuisse | Fertur: et assidua pace stetisse solum. | Alter caesareo sed semine missus ab alto | Maximiliane quidem pacifer orbis ades. | Equior hic gnatus fueris quam Iuppiter olim: | Qui patrem regno non saturande fugas. | At novus is modo rex concordi pace parentem | Diligat: observet: fata secunda iubent. | Nunc tenet australis domus, hoc sub caesare mundi | Totius imperium qua stat uterque polus. | Filius atque parens orbis moderantur habenas: |Regibus his redeunt aurea saecla deum‖. Vgl. zum Thema auch WIEGAND 1993.

107 Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 413. Wilhelmi schreibt Brant die Autorenschaft zu, obwohl er nicht ausdrücklich als Verfasser genannt wird. Merkwürdig erscheint der Nominativ „laetus Maximilianus―: „Vive igitur laetus rex Maximilianus triumphum | Roma tuum expectat: te tua roma vocat. | Tu virtute tua, forti quoque pectore et armis | Nostra reformabis saecula pace bona. | Restituesque tuis ea regna nepotibus: et mox | Debita quae patrio iure sibi obveniunt‖.

108 Ein Gedicht, das Brant in einer Sammlung verschiedener Panegyriken auf Maximilian 1519/1520 in Straßburg drucken ließ, lautet beinahe gleich: „Vive diu felix rex Maximiliane, triumphum | Roma tuum expectat, te tua Roma vocat. | Papa tuo capiti sacrum diadema reponet, | Ornabitque tuas sancta corona comas. | Tu virtute tua, forti quoque pectore et armis, | Nostra reformabis saecula, pace bona, | Restituesque tuis ea regna nepotibus, et mox | Debita quae patrio iure sibi

obveniunt‖. Vgl. BRANT, In laudem divi Maximiliani Caesaris, WILHELMI 1990, Nr. 258, und WILHELMI 1998, Bd. 3, Nr. 147 Es ist also davon auszugehen, dass Brant auch der Autor der ersten Version ist. Im Unterschied zu der oben im Text zitierten Version sind hier zwei weitere Verse eingefügt, in denen Brant den Wunsch ausdrückt, Maximilian möge vom Papst das heilige Diadem empfangen und sein Haupt möge von ihm bekränzt werden. Ganz offensichtlich war er mit der Selbstkrönung Maximilians zum Kaiser nicht einverstanden.

109 Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 455.

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Tugendhaftigkeit und Vornehmheit Maximilians preist.110 Maximilian übertreffe an Ruhm, Zierde und Tugendhaftigkeit Trajan und Titus. Nur er vereinige alle Dinge in sich, die die Götter anderen Herrschern gegeben hätten. Viele Könige und Mächte seien ihm durch Verträge verbunden und trügen ihre Waffen für ihn. Weder der schreckliche Türke, noch die hochmütigen Venezianer und andere Schrecklichen könnten Maximilian unterjochen.111 Über die „nobilitas― Maximilians schreibt Brant ferner, es gebe unter dem Himmel keine, die von so altehrwürdiger Herkunft sei wie die des Habsburgers. Maximilian I. wird in eine Reihe gestellt mit Alexander dem Großen, Pompeius, Iustinian, Constantin, den Aeakiden, Karl dem Großen, Otto, Dagobert und Hektor. Weder Julius Caesar, die Alkiden, die Scipionen, noch die altrömische Patrizierfamilie der Camilli könnten soviel Lob auf sich vereinigen wie Maximilian. „Tu iubar in terris―, fasst Brant zusammen, „hominum moderator et auctor, Per te cuncta vigent, stant quoque regna soli―.112 Als Brant 1502 an den Innsbrucker Hof gerufen wurde, verlas er vor dem König ein Gedicht, worin er ihn ermahnte, sich dem Türkenproblem zu widmen. Dieses Gedicht, das in einer

gesonderten Ausgabe der Varia Carmina gedruckt ist, war bislang nur fragmentarisch bekannt und ist von Walther Ludwig mit dem in Innsbruck verlesenen und von Brants Sohn Onophrius in einem späteren Bericht erwähnten Gedicht identifiziert worden. Dort prophezeit Brant, es sei Maximilian bestimmt, das Römische Reich wieder in den glücklichen Zustand zu Zeiten des Theodosius und des Konstantin zurückzuführen. Maximilian allein könne die Reste des Reiches sammeln und vereinen und das christliche Volk bewahren. Allein sein Name genüge, um die Türken vor Furcht erschaudern zu lassen. Am Schluss des Gedichtes bittet Brant Gott, er möge dem Kaiser jenes Glück schenken, das er auch Trajan und Titus geschenkt habe: „Et tibi fortunam tribuat deus optimus illam | Traiano dederat: quam prius atque Tito―.113

110 Vgl. Anm. 108.

111 Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 462: „Felicem Augustum quisquis legit, et meliorem | Traianum, mundi delitiasque Titum, | Senserit haud ab re, modo cunctis Maximilianum | Caesaribus divum, protenus anteferat, | Cuius inmensum stat gloria, fama, decusque, | Atque omni virtus altior Imperio. | Quicquid enim magni per tempora prisca seorsum | Dij dederant alijs, cuncta ea solus habet. | Caesar ut es felix, felici ita Caesare natus, | Solus et e cunctis Regum avus, atque parens. | Addo quod in terris iubar est, ter Maximus ille | Aemilianus, habet nomen et inde decens. | Huic multi Reges, et scaeptra potentia, iuncti | Foedere, ad illius iussa sacra, arma ferunt, | Romanusque orbis totus, Germaniaque audax, | Et quidquid Rhenus, Danubiusque videt. | Nemo igitur contrarie potest tanto armipotenti | Caesari, et illius non subijsse iugum. | Non Cayrus, non turcus atrox, venetusve superbus, | Tartarus, aut Maurus, barbaricusve Canis―.

112 Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 463: „Idem [sc. Sebastian Brant] de nobilitate Caesaris―. Ähnlich auch Nr. 464.

113 Vgl. LUDWIG 1997. Offenbar hatte KNEPPER 1898 diese Variante ebenfalls vorliegen, jedoch ohne ihre Besonderheit zu erkennen. Knape, der die vollständige Version nicht kannte, bezeichnete Knepper daher als missverständlich. Vgl. KNAPE 1992, S. 186. Ludwig bietet eine Edition samt

Übersetzung des Gedichtes mit der Überschrift Ad divum Maximilianum regem [...] Exhortatio

S.B. Man beachte hier insbesondere die Verse 5-12: „Decretum a Superis est felicissime Caesar | Res fidei lapsas te reparare sacrae: | Adque Theodosii / Constantinique beata | Tempora / romanum te revocare statum. | Relliquias regni rex Clementissime solus | Colligere: et solus tu

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Dabei beschränkt sich seine Kompetenzzuweisung jedoch nicht auf Maximilians Persönlichkeit, sondern er betrachtet den Herrscher als Angehörigen des Hauses

Habsburg. So endet das Gedicht Zu eren romscher kuniglicher maiestat von der

vereyn der kunigen und anschlag an die turchen mit den Worten: „Und ere dem frumen kunig werd | Das er sy herr der ganzten erd | Vive la maximilian | All erd ist ostrych unterthon―.114 Maximilian wird hier als Herrscher über die ganze Welt angesprochen. Die letzte Zeile des Gedichts, „all erd ist ostrych underthon―, ist die deutsche Variante der Formel AEIOU, „Austriae est imperare orbi universo―.115 Brant redet hier den universalkaiserlichen Ansprüchen Maximilians das Wort und unterstützt dessen eigene Propaganda, die später in Dokumenten des Kaisers ihren Ausdruck finden.116 Man kann davon ausgehen, dass Brant ihm mit seinen Werken zu diesen Ansichten mitverholfen hat, indem er mit Texten und Versen immerfort den schriftlichen Ausdruck dazu zur Verfügung stellte. Allerdings ist in Erinnerung zu behalten, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit stets eine große Lücke klaffte und dass Maximilians tatsächliche Türkenpolitik ein Lavieren zwischen den einzelnen Auseinandersetzungen mit den Reichsständen, mit den Ambitionen der französischen Könige und zwischen Angriffsplänen gegen und diplomatischen Verhandlungen mit den Osmanen bestanden hatte. Die Propaganda für ein universales Kaisertum ist vor allem literarischer Ausdruck zur Festigung der Herrschaftsansprüche der eigenen Dynastie, und Sebastian Brants Eintreten für den Habsburgerdynasten und seine Pläne sind wiederum im Licht seiner Stellung als humanistischer Gelehrter im Dienste des Hofes zu sehen. Diese Sichtweise forderte Brant sogar selbst ein. In einem Gedicht, das er anlässlich des Sieges Maximilians über die Truppen des französischen Königs im Januar 1493 bei Salins verfasste, verwies er auf seine eigenen Leistungen als Zeichendeuter und Prognostiker: „Den anfang hab ich dir bedütt | Leb ich und sych die kunfftig zytt | Hoff ich, das all min synn und gdycht | Allein werd uff din er gericht | Und du mir gebst mattery genu(o)g | Zu(o) eren dich in feders Pflu(o)g | Das ich allzyt din manheitt groß |

und dugent schrib on unterloß―.117 Schon zu diesem Zeitpunkt, nur wenige Jahre

retinere potes. | Tu potes imperium: populum quoque morte redemptum | Conservare dei: te sine nemo potest‖.

114 Vgl. Sebastian BRANT: Zu eren romscher kuniglicher maiestat von der vereyn der kunigen und

anschlag an die turchen. Sebastianus Brant [Straßburg, um 1502]. Vgl. WILHELMI Nr. 386, V. 168-171.

115 Das Austriae est imperare orbi universo im Notizbuch Friedrichs III. (wohl nach der Kaiserkrönung von 1452 eingetragen) verrate bereits den universalkaiserlichen Auserwähltheitsglauben des Hauses Österreich, vermutlich in Anlehnung an Dantes Kaiseridee. Vgl. WAGNER 1969, S. 347.

116 Vgl. zum Beispiel die Türkenzugspläne vom April 1518 und Maximilians Rede auf dem Reichstag 1518 in Augsburg. Dabei betonte Maximilian die Würde des Reiches, die es erfordere, die

Verteidigung der respublica christiana nicht anderen Nationen zu überlassen. Vgl. WAGNER 1969, S. 346f.

117 Sebastian BRANT: Von der erlichen schlacht der Tutschen by Salyn. Sebastiani Brant ([Basel] 1493). Vgl. WILHELMI Nr. 81, V. 137-144. Die Anspielung auf seine Prophezeiungen meint seine

Auslegung des Meteoritenfalls bei Ensisheim einige Monate zuvor: Sebastian BRANT: Von dem

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nach der Wahl Maximilians zum römischen König, formuliert Brant den Herrschaftsanspruch des Habsburgers über die ganze Welt. Das edle Blut des Hauses Österreich werde nicht nur auf erbrechtlichem Wege an Burgund, Flandern, Brabant, Ungarn und andere Gebiete gelangen, sondern auch Türken, Heiden, ja das ganze Erdreich werde unter die Gewalt Austrias geraten: „Hiemit so end ich diß gedicht | Das nym O adler mitt fur gu(o)tt | Von osterich du edels blu(o)tt | Ein furst Burgund, flandern brabant | Ungre, vil rich und mechtig landt | Sint dir von erbrecht unterthon | Dich forcht all welt und nation | Turck, heiden, all ertrich wird gon | Under din gwalt, gebott, und kron―. Maximilian verdiene den Vergleich mit Herkules und Alexander d. Gr., er soll das wilde Tigergetier aus Arabien vertreiben, das heilige Haus Jerusalem von den Sarazenen befreien und das Heilige Land in den Schoß des Reiches zurückholen: „Hercly din lob sich glichen sol | Und Allexandro, hoff ich wol | Und das die wilden Tygerthier | Du von Arabien drybest schier | Als vor den Dionysius | Das ist, das du das heilig huß | Jherusalem, und berg syon | Machst aller Saracenen on | Uns wider ku(o)m das heilig land | Gott geb den sig dir in din handt | Begert Sebastianus Brandt―.118

Die Rückkehr des Heiligen Landes in den Schoß der Christenheit ist etwas, was Brant nicht nur in diesem Gedicht gewünscht hat. Auch seine hier viel zitierte Geschichte Jerusalems mitsamt ihrer dazugehörigen Mahnrede zum Türkenkrieg

fordert dies explizit, es lautet ja bereits der Titel De [...] laude civitatis Hierosolymae

cum exhortatione eiusdem recuperandae. Somit ist Jerusalem keineswegs vergessen; der Krieg gegen die Türken fordert zwar andere Schauplätze, aber vor allem, und dies ist die große Vision des abendländischen Christen Brant, versperren sie den Weg nach Jerusalem. Maximilian als Herrscher über Jerusalem ist das eigentliche

Programm des Geschichtswerkes De origine. Dass dies so ist, zeigt bereits das Titelblatt an, auf dem Maximilian mit Palmzweig und Schwert vor den Toren der Stadt Jerusalem abgebildet erscheint. Schwert und Palmzweig reicht ihm Gott aus den Wolken herab, beides empfängt der König mit der Rechten. In der Linken hält er eine Georgfahne. Zu seinen Füßen, an einen Baum gehängt, befindet sich ein

großer Schild mit Doppeladler darauf. Die Beischrift maximilianus Romanorum

rex lässt keinen Zweifel mehr daran, was hier beansprucht wird, nämlich die Krone über Jerusalem.119 Das Geschichtswerk selbst bringt diesen Anspruch ebenfalls zum Ausdruck, denn es nennt als ersten König über Jerusalem den biblischen Priesterkönig Melchisedek, und als letzten König den Habsburger Maximilian I.120 Brants Vision ist ein deutscher Universalkaiser, der die Krone über Jerusalem innehat, um die Sehnsuch nach dem himmlischen Jerusalem zu befriedigen. Von einem anschließenden Weltende ist allerdings an keiner Stelle die Rede.

donnerstein gefallen im xcij. jar: vor Ensishein. De fulgetra anni xcij. Sebastianus Brant ([Basel] 1492). Vgl. WILHELMI Nr. 79. Vgl. auch WUTTKE 1976.

118 Vgl. WILHELMI Nr. 81, V. 147-157.

119 Vgl. zu diesem Thema auch Erhard BREITNER: Maximilian I. Der Traum einer

Weltmonarchie. Bremen, Wien 1939, und Hans HECKER (Hg.): Der Herrscher. Leitbild und

Abbild in Mittelalter und Renaissance. Düsseldorf 1990 (Studia humaniora 13).

120 Vgl. dazu auch BLOCH 1998, S. 101.

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3. Sebastian Brant als Autor und Herausgeber

Sebastian Brant war Autor und Herausgeber in einer Ständegesellschaft des 15. und 16. Jahrhunderts. Seine Tätigkeit war weder rein literarischem Interesse geschuldet, noch reine Erwerbstätigkeit. Sebastian Brant verstand sich als einer der neuen humanistischen Gelehrten und Dichter, die sich an den Höfen als Ratgeber zu empfehlen versuchten, und dabei die neuen Mittel und Wege der „studia humanitatis― anwendeten und suchten. Brant hat es geschafft, als Berater des Kaisers wahrgenommen und auch entsprechend entlohnt zu werden, indem er zeit seines Lebens im Interesse Maximilians publizierte. Dazu gehört auch sein

Geschichtswerk De origine. In allen seinen Schriften bediehnte er sich neuester Druckausgaben, verwies auf italienische Geschichtsschreiber und verwendete die Rhetorik der Humanisten nördlich der Alpen bzw. er selbst prägte mit seinen Werken diese Rhetorik entscheidend mit. Dass Brant an vorderster Front der neuen Gelehrsamkeit stand, zeigen auch seine editorischen Tätigkeiten. Neben den juristischen Werken, die er als „doctor utriusque― für seine tägliche Arbeit brauchen konnte, veröffentlichte Brant auch Werke antiker Autoren und italienischer Humanisten.

3.1. Eine Gelehrtenkarriere im Umfeld des Hofes Maximilians I.

Brant profitierte von einem Gelehrtennetzwerk und von neuer Technologie, dem Buchdruck. Seine Rolle als Humanist und Gelehrter lässt sich allerdings nicht ohne die Beziehung zur Obrigkeit erklären. Brant musste, um als Dichter wahrgenommen und entsprechend entlohnt zu werden, die Gunst Maximilians erwerben. Wenn man einmal davon absieht, dass er als Jurist ohnehin über einen Status verfügte, der ihn über andere Magister oder Gelehrte hinaushob und ihn als Berater für den Hof interessant machte, dann bediente er sich des ansonsten gängigsten Mittels, nämlich des Herrscherlobs. Waren Gunst und entsprechendes Ansehen erst einmal erworben, dann war es auch möglich, Ratschläge zu erteilen und sogar maßvolle Kritik an Maximilian zu üben. Die erworbene Position wiederum brachte für den Humanisten Ansehen auch in der „respublica litteraria―, Entlohnungen finanzieller oder generell materieller Art und erhöhte seinen Status als Fürsprecher am kaiserlichen Hof. Zwischen Brants Bemühungen um das römische, kaiserliche Recht und der kaiserlichen Publizistik bestand auch eine innere Verbindung. Das römische Recht stellte nicht nur Rechtsformeln zur Stützung und Erweiterung kaiserlicher Prärogativen bereit, es vermittelte auch ein Herrscherethos mit den Idealen von „magnanimitas―, „liberalitas― und „gloria―, gab eine Vorstellung von antikischer, imperialer Majestät. Laetitia Boehm hat in diesem Zusammenhang von einem „Majestätsästhetizismus― gesprochen, der sich aus der Parallelität der römischen Rechts- und Literaturrezeption heraus entfalten konnte.121 Brants Panegyrik gibt hierfür ein besonders gutes Beispiel. Mit all seinen Publikationen, seien es nun die

121 Vgl. Laetitia BOEHM: Konservatismus und Modernität in der Regentenerziehung an deutschen

Höfen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Wolfgang REINHARD (Hg.): Humanismus im Bildungswesen des 15. und 16. Jahrhunderts (Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung 12), Weinheim 1984, S. 61-93, hier S. 70f.

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Gedichte auf Maximilian, das ihm gewidmete Geschichtswerk oder die von einer breiteren Öffentlichkeit rezipierten Einblattdrucke, hatte Brant vor allem in seinen Basler Jahren dafür gesorgt, dass er als Verehrer Friedrichs III. und Maximilians I. sowie als Vorkämpfer und Bewahrer des Römischen Reiches und seiner Traditionen bekannt wurde. Wer diesem Vorbild entgegen handelte oder redete, musste mit Kriegen, Unglück, dem Zorn Gottes oder gar der Herrschaft der Türken rechnen. Wer aber das Reich und Maximilian unterstützte, der durfte sich des Segens Gottes und langjährigen Friedens gewiss sein. Brant benutzte seine humanistische Bildung und Dichtkunst für die Vermittlung dieser Überzeugung. Anders ausgedrückt stellte er sein humanistisches Wissen und literarisches Können ganz in den Dienst Maximilians und des Reiches. Brant konnte seine Position gegenüber Maximilian durch seine Publizistik so weit ausbauen, dass dieser ihn schließlich an seinen Hof bestellte und mit Ehrentiteln bedachte. Maximilian ersuchte jetzt wiederholt den Juristen Brant um Rat und Gutachten.122 1502 verfasste er für den König ein Gutachten über Fragen des Erbrechts Unehelicher und andere Belange. Dafür erlangte er von Maximilian den Titel eines kaiserlichen „consiliarius― und 80 Gulden vom Rat der Stadt Straßburg, der den Status seines Juristen damit wertschätzte.123 Er erhielt ferner den Titel eines „comes palatinus― samt einem Jahresgehalt von 50 Gulden, und er wurde zum Beisitzer am Speyerer Reichskammergericht berufen. Eine besondere Ehrung war der im selben Jahr erfolgte Ruf an den Innsbrucker Hof — „dem Ersamen, gelerten, unnsern und dess Reichs lieben getreuen Sebastian Branndt― —sein Dienstherr, der Stadtrat der Stadt Straßburg, reagierte großzügig, stellte seinen Stadtschreiber frei und gewährte ihm einen Diener für die Reise. Bei jenem Besuch in Innsbruck las Brant Maximilian das vorhin zitierte Lob- und Mahngedicht vor. Der vielleicht wichtigste und ehrenvollste Auftrag dürfte die Order des „Romzugbuches― 1504 gewesen sein.124 Maximilian wollte für seinen geplanten Romzug von Brant eine Dokumentation ausgewählter, gewohnheitsrechtlicher Fälle zur Abwicklung eben dieses Zuges haben. Es ist nicht rekonstruierbar, ob das Buch je verfasst wurde. Lediglich ein Schreiben Maximilians vom 26. Mai 1504 bezeugt diesen Auftrag. Brant sollte dafür einen neuen Überrock im Wert von 30 rheinischen Gulden erhalten. Er wurde in den Folgejahren noch mehrfach von Maximilian um Rat ersucht und zu Diensten herangezogen. 1508 reiste er in Begleitung Peter Muselers wegen der Straßburger Gerichtshoheit zu Maximilian; auch hierfür erhielt er Dispens und zwei Knechte von der Stadt. Noch ein weiteres Mal zeigte der Kaiser Brant seine Gunst, denn auf dem Kölner Reichstag 1512 gewährte er Straßburg umfassende Privilegien.125 Brant hat sich seine Funktion als kaiserlicher Ratgeber und seine Nähe zum kaiserlichen Hof förmlich erschrieben. Die Zukunfts- und Wunderdeutungen machen dies deutlich, dazu tritt

122 Vgl. KNAPE 1992, S. 184ff.

123 BRANT, Narrenschiff (STROBEL 1839), S. 13, SCHMIDT 1879, S. 214f und ebenso ZEYDEL 1967, S. 54, sprechen von nur 50 Gulden. Der Ernennungsbrief Maximilians an Brant ist bei STROBEL

1839, S. 13f, abgedruckt.

124 Vgl. KNAPE 1992, S 186f.

125 Vgl. BRANT, Narrenschiff (STROBEL 1839), S. 22.

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der Versuch der direkten Einflussnahme auf die Meinungsbildung von Herrschaftsträgern, an erster Stelle Maximilians, dann der Fürsten auf dem Wormser

Reichstag 1495 mittels De origine und schließlich der Kriegsparteien im Schweizer-

/Schwabenkrieg 1499 mittels Pacis in germanicum Martem nenia. Das Heilige Römische Reich ist für ihn die universale geschichtliche Ordnungsmacht und die Restauration kaiserlicher Macht und Größe politische Leitidee. So erklärt sich Brants Fixierung auf den Kreuzzug gegen die Türken. Der Türkensieg steht für ihn als politisches Ziel immer an erster Stelle, auch über die unmittelbaren Kriegspläne Maximilians hinaus. Voraussetzung dafür waren innere Einigkeit und die vorbehaltlose Unterstützung des Kaisers. Diese Voraussetzungen wurden zu Brants Lebzeiten allerdings nie erfüllt. Sebastian Brant wollte aber mehr, als nur auf sich aufmerksam machen. Er wollte eine aktive Rolle als „Herold― des Reiches und gelehrter Berater seines Herrschers spielen. Dass ihm einiger Erfolg beschieden war, zeigen seine Straßburger Jahre. Brant, der Gastwirtssohn, erlangte nicht nur Zutritt zum Hof, sondern er wurde zum geschätzten Rechtsberater Maximilians. Dies äußerte sich auch mehrfach in großzügigem Entgelt seitens des Regenten.126

1.2. Brants Umgang mit historischem Wissen und Literatur

„Man sollte nur dann von humanistischer Historiographie sprechen, wenn sie diesen Namen verdient, d.h. wenn es sich um eine Geschichtsschreibung handelt, die wirklich vom Humanismus her kommt, von genuin humanistischen Motiven erfüllt ist, jedenfalls unter dem Einfluss oder im Zeichen des Humanismus steht―.127 Mit dieser provokanten These Muhlacks könnte man fragen, ob Sebastian Brant nun ein humanistischer Geschichtsschreiber war, oder ob er doch überwiegend in der Tradition der Scholastik stand. Die Frage berührt allgemein die Diskussion darum, was den Charakter der humanistischen Historiographie ausmacht. Ludwig Schmugge versuchte, die Säkularisierungsthese Eduard Fueters zu widerlegen, nach der der Humanismus durch seinen Bezug auf die Antike das Mittelalter zu einer Verfallsepoche gemacht hat und nach der auch die Kreuzzüge ohne Anteilnahme am religiösen Stoff behandelt worden sind.128 Betrachtet man Sebastian Brant als Humanisten, wäre Schmugges These bestätigt. Sebastian Brant hat Heils- und Profangeschichte nicht voneinander getrennt. Dies zeigt sich daran, dass er sich nicht von der herkömmlichen Vorstellung der vier Weltreiche und der Vorstellung der Translatio imperii auf die Deutschen getrennt hat und dass er, was man ansonsten als Charakteristikum humanistischer Geschichtsschreibung bezeichnet hat,129 nicht auf Wunder- und Legendenerzählungen verzichtet hat. Auch das

126 Vgl. zum Thema Antje NIEDERBERGER: Sebastian Brant, das Reich und die Eidgenossen, in: Humanismus am Oberrhein. Neue Gelehrte im Dienst alter Herren. Herausgegeben von Sven LEMBKE und Markus MÜLLER. Leinfelden-Echterdingen 2004 (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 37), S. 189-208.

127 Vgl. Ulrich MUHLACK: Humanistische Historiographie, in: HELMRATH, MUHLACK, WALTHER 2002, S. 30-34, hier S. 30.

128 Vgl. SCHMUGGE 1987, S. 6, und FUETER 1911.

129 Vgl. z.B. MÜNKLER 2000, S. 132.

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Schicksal der Juden ist für Brant nichts anderes als die Umsetzung eines göttlichen Heilsplanes. Folgt man den oben zitierten Kriterien Muhlacks, so darf man Sebastian Brant nicht als humanistischen Geschichtsschreiber betrachten. Die Diskussion stellt allerdings nicht zufrieden. Es kann nicht infrage gestellt werden dass Brant sich selbst zu den neuen humanistischen Gelehrten zählte, und dass er mit seiner literarischen Produktion Erfolg hatte und im Austausch mit anderen humanistischen Gelehrten stand (z.B. Konrad Peutinger). Ein Blick auf die von ihm angewendeten Methoden führt weiter.

Ein von der Forschung vielfach herangezogenes Modell ist das Bild der „historia― als „magistra vitae―. Diese Nutzbarmachung von Geschichte ist in vielen Kontexten untersucht worden.130 Was ihren exemplarischen Wert betrifft, ist die Geschichte von den Humanisten stets als die überzeugendste „Diskursform― (forma di discorso) betrachtet worden, als beste Orientierung im Dickicht menschlichen Daseins, weil sie immer unter dem Zeichen des Möglichen und des Wahrscheinlichen firmierte, weil erst sie den abstrakten Tüfteleien der Logiker, den Predigten der Moralisten und den Doktrinen der Philosophen einen plastischen Wert verlieh. Hinter diese Kraft der Beweisführung trat – zumindest für Coluccio Salutati – sogar die Heilige Schrift zurück.131 Bei einer genauen Analyse des Brantschen Geschichtswerkes lässt sich leicht feststellen, dass eine historische „Erfahrung― sich wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte zieht: Immer, wenn den christlichen Mächten die Geschlossenheit fehlte, sie untereinander in Zwietracht lagen und sich mithin um ihre eigene Macht und ihren Reichtum scherten anstatt sich der christlichen Sache zu widmen, sind Gebiete und Territorien an den Glaubensfeind verloren gegangen. Umgekehrt sind Zugewinne an Ländereien und Gläubigen immer dann möglich gewesen, wenn sich Herrscher um Eintracht und Frömmigkeit bemüht haben. Die historische Beweisführung bei Brant stellt dies deutlich vor Augen; wer es bislang nicht glauben wollte und hinter den Mahnungen nur moralische Intentionen vermutete, konnte spätestens bei einem Blick in die Vergangenheit eines Besseren belehrt werden. Die Beweiskraft der Geschichte wird von Brant jedoch an keiner Stelle explizit erwähnt (im Sinn einer bewussten Reflexion über die Geschichte als Wissenschaft), die genannten Erfahrungen werden als implizite Selbstverständlichkeit hingenommen. Die enge Verbindung von Geschichte und Gegenwart – und damit die Tatsache, dass Geschichte nicht als akademische Disziplin wahrgenommen wird – zeigt sich auch in der bildnerischen Ausgestaltung der Brantschen Werke. Bernd Schneider stellte mit Bezug auf die Holzschnitte in Brants Vergilausgabe von 1502 fest, dieser habe über eine erstaunliche Detailkenntnis der Vergilschen Werke verfügt. Dies zeige sich in den dargestellten Einzelheiten. Dazu stehe aber die „völlige Unkenntnis antiker Trachten und Bauten― in bemerkenswertem Kontrast. Auf den Bildern seien „eindeutig

130 Vgl. z.B. die Arbeit von Landfester, die allerdings sehr allgemein-theoretisch bleibt und sich kaum an Einzeltexten orientiert. LANDFESTER 1972.

131 Cesare VASOLI mit Bezug auf Coluccio Salutati. Vgl. VASOLI 1992, S. 11.

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zeitgenössische Verhältnisse― wiedergegeben. Dies sei „naiv-unhistorisch―.132 Auf den ersten Blick mag man dies als Kontrast empfinden, doch sollte man vielmehr die Frage stellen, ob nicht durch die Darstellung eines zeitgenössischen Umfelds ein bewusster Bezug zur eigenen Gegenwart hergestellt werden sollte. Wenn, wie Schneider selbst treffend feststellt, der auf dem Titelholzschnitt dargestellte Augustus eher Maximilian I. zu gleichen scheint als einem römischen Kaiser, dann sicher, weil dies so gewollt war. Ähnlich als Absicht dürfte auch die Tatsache zu bewerten sein, dass die Trojaner türkenähnliche Turbane tragen.133 Wenn Geschichte als Beispiel dienen soll, dann ist es um so bedeutsamer, ihre „Aussage― in der Gegenwart zu verorten, oder, um es mit Jan Assmann auszudrücken, die Vergangenheit zu vergegenwärtigen.134 Schneider sieht die Funktion der Bilder darin, Geschichten und Erfindungen („historias commentaque―) „lesen― zu können und das Verstehen auch dem „indoctus― zu ermöglichen. Buchschmuck dient also als Verständigungshilfe und hat eine mnemotechnische Funktion.135 „Hinzu kommt, dass das Mittelalter noch keinen historischen Sinn entwickelt hatte; man glaubte einfach, dass man früher genauso gelebt habe wie zur eigenen Zeit. Brant steht also mit der Umsetzung des Vergil in die eigene Gegenwart nicht allein, er folgt damit der im ganzen Spätmittelalter üblichen Praxis, nach der die antiken Gestalten und Themen in die eigene Vorstellungswelt hinübergenommen wurden―.136 Abgesehen davon, dass sich Schneider noch auf der selben Seite selbst widerspricht – die antiken Götter sind nämlich nackt dargestellt – ist zu bezweifeln, dass der spätmittelalterliche Mensch nicht irgendwo ahnte, dass frühere Lebenswelten sich nach anderen Sitten und Gebräuchen richteten. Vielmehr ist anzunehmen, dass historischer Stoff bewusst instrumentalisiert wurde, um den Gegenwärtigen eine Mitteilung zu machen. „Vergessen wir auch nicht―, so Ludwig Schmugge, „dass die meisten Humanisten im Auftrag geistlicher oder weltlicher Fürsten arbeiteten, dass sie, wie Sir Roger Mynors pointiert, aber nicht unzutreffend formuliert hat, von den Großen des 15. und 16. Jahrhunderts ‗fast wie zahme Haustiere‘ gehalten wurden, die Briefe, Reden oder Geschichte des Herrscherhauses und des Landes zu

schreiben hatten.―137 Selbst, wenn Sebastian Brants Werk De origine kein Auftragswerk gewesen ist, so hatte es doch seinen eigenen Auftrag: Maximilian sollte als deutscher Kaiser und europäischer Herrscher legitimiert und gestärkt werden, und zwar mit historischen Argumenten.

132 Bernd SCHNEIDER: „Virgilius pictus“ – Sebastian Brants illustrierte Vergilausgabe von 1502

und ihre Nachwirkung. Ein Beitrag zur Vergilrezeption im deutschen Humanismus. In: Wolfenbütteler Beiträge 6 (1983), S. 202-262, hier S. 208.

133 Vgl. SCHNEIDER 1983, 213f.

134 Auch wenn man Vergil nicht als Geschichtswerk im eigentlichen Sinn betrachten mag, sondern als Epos oder erbauliche Literatur, dann ist angesichts des Befundes trotzdem zu fragen, ob denn bei Brant überhaupt schon von einem Unterschied zwischen „Mythos― (im weitesten Sinn) und „Historie― gesprochen werden kann.

135 Vgl. SCHNEIDER 1983, S. 214f.

136 Vgl. SCHNEIDER 1983, S. 217.

137 Vgl. SCHMUGGE 1987, S. 6.

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Angesichts der oben festgestellten Intention der Nutzung von Geschichte als Handlungsmodell stellt sich nun die Frage, ob es Sebastian Brant überhaupt daran gelegen war herauszufinden und darzustellen, „wie es wirklich gewesen ist―. War er von der Wahrheit dessen, was er schrieb, selbst überzeugt? Wollte er tatsächlich „Geschichte― schreiben, oder ein Überzeugungswerk? Es handelt sich um die eingangs gestellten Fragen nach den Kriterien von „veritas―, „utilitas― und „consilium― für die Geschichtsschreibung der Renaissance. Die Nützlichkeit ist durch das lehrende Beispiel bereits erwiesen, der Ratschlag ist dem Nutzen implizit. Aber wie wird die Wahrheit dessen, was geschrieben wird, bestätigt? Brant hat im Lauf seiner Darstellung immer wieder „Quellentexte― benutzt, in der Regel gehaltene Reden, Gelöbnisse seitens der Päpste oder Herrscher, oder Verträge (Eide). Es stellt sich die Frage, ob diese Dokumente dazu dienen sollen, den Wahrheitsgehalt des Dargestellten zu untermauern, oder ob es sich um ein literarisches Stilmittel handelt. Im Jahr 70 der Fleischwerdung des Herrn, so Brant, sei Jerusalem wohl kaum den Christen wiedergegeben worden, zumindest lese man davon nichts bei den Geschichtsschreibern. „Eratque is annus septingentesimus dominic(a)e Incarnationis: quando & Hierosolyma christianis restituta / haud absimiliter credi potest: licet id scriptores palam non exprimant―.138 An dieser Stelle scheint Brant etwas glaubhaft machen zu wollen, was er in den Quellen als nicht erwiesen betrachtete. Allerdings überließ er es dem Leser zu entscheiden, ob er der Interpretation folgen wolle oder nicht. Auf ähnliche Weise lässt er die Frage offen, ob der von Seleukos nach Jerusalem entsandte Bote Heliodor, der den Tempel plündern sollte, von zwei Jünglingen getötet oder von einem Pferd niedergetreten wurde. Aufgrund der Marginalie „Helyodorus flagellatur― scheint er der zweiten Variante den Vorzug zu gegen. Dies würde auch besser zur Intention des Gesamtwerks passen, denn Heliodor wurde für sein Ansinnen bestraft, da er als Folge des mutwilligen Pferdetritts erblindete und bittere Qualen litt.139 An anderen Stellen im Text verweist Brant immer wieder auf die Geschichtsschreiber und untermauert so den Wahrheitsgehalt dessen, was er geschrieben hat. In der kurzen Vorrede zu seinem Schlussgedicht weist Brant eigens auf die Geschichtsschreiber hin, die erzählten, dass unter den Königen Israels und Judas nur wenige gute gewesen seien: „Ex quibus profecto facile perspicies: quam verissimum esse (id quod a scriptoribus traditur) ex regibus videlicet Iuda / paucos admodum: ex Israhel vero / penitus nullos compertos esse bonos―.140 Auch das Bemühen um exakte Datumsangaben, das sich in der Kombination verschiedener Datierungsmodelle zeigt, weist auf ein Bemühen um historische Exaktheit hin. Dies betrifft vor allem die Darstellung der Geschichte der Kreuzzüge.141 Zudem konzentriert sich Brant auf sein Anliegen und erzählt nicht etwa die ganze Kreuzzugsgeschichte als solche, sondern nur die Episoden, die in der Geschichte der Stadt Jerusalem eine Rolle

138 Vgl. De origine, fol. [Hvij]r.

139 Vgl. De origine, fol Ciijr.

140 Vgl. De origine, fol. Tiijv.

141 Es ist jedoch zu beachten, dass gerade diese Textteile fast ausschließlich der von Enea Silvio angefertigten Kurzfassung der Dekaden Biondos entstammt.

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spielen. Dort, wo Brant auf Flavius Josephus zurückgriff, hat sich gezeigt, dass trotz der umfangreichen Übernahmen es vor allem die verschiedenen Datumsangaben sind, die Brant immer wieder eingefügt hat und die somit als seine Leistung als Geschichtsschreiber anzusehen sind.

Dennoch kann man Sebastian Brants Geschichtswerk nicht als objektiv oder von der Intention getrieben, nur nach den wahren, historischen Begebenheiten zu fragen, betrachten. Subjektive, emotionale Elemente treten in all jenen Situationen auf, in denen der christliche Glaube eine Rolle spielt. In diesen Kontext sind etwa die Lobrede auf die Stadt Jerusalem oder die stark von antisemitischen und heilsgeschichtlich orientierten Äußerungen zur Zeit des Jüdischen Krieges zu stellen, da sich in diesen Situationen die christliche Heilslehre beweist. Ähnlich verhält es sich, wenn islamische Interessen ins Spiel kommen: Hier wird nicht mehr politisch-sachlich argumentiert, sondern allein die Rolle des Islams als Feind der christlichen Welt formuliert und entsprechend die eigene (Re-)Aktion als Verteidigungsfall gewertet. Zu begründen ist diese Tatsache mit dem doppelten Charakter des Werkes, das einerseits eine Geschichte darstellt, also einen historischen Anspruch hat, und andererseits eine politische Absicht verfolgt. Ein weiterer Grund ist die programmatische Gegenüberstellung der verschiedenen Herrscher; etwa der Vergleich der griechischen und römischen Kaiser in der Zeit vor den Kreuzzügen oder die intrigante Haltung der Byzantiner während des zweiten Kreuzzuges. Auch wenn die beschriebenen Ereignisse eine historische Basis haben, ist ihre Bewertung häufig von subjektiven Eindrücken, Vorurteilen und Allgemeinplätzen geprägt. Zurückzuweisen ist aber die Behauptung Edwin H. Zeydels, Brants Geschichte Jerusalems sei inhaltlich betrachtet mehr frommes Wunschdenken als historische Wahrheit142. Trotz aller Wertungen entspricht die von Brant beschriebene Historie dem Wissen, das er aus den Geschichtsbüchern seiner Zeit entnommen hat; um Erfindungen handelt es sich in jedem Fall nicht.

Zur Untermauerung „historischer― Wahrheiten greift Brant auf traditionelle Mittel zurück: Was der Kirchenvater Augustin gesagt hat, kann nicht falsch sein, da seine Werke zum Kanon christlicher Schriften gehören. Somit wird das mit augustinischen Sentenzen Belegte unangreifbar und verleiht ihm einen sakrosankten Charakter. Damit ist ein kritischer Umgang mit den dergestalt „gesicherten― Quellen unmöglich. Brant ist in jeder Hinsicht ein Betreiber „intentionaler Geschichte―,143 der nicht um der historischen Erkenntnis Willen, sondern mit einer bestimmten Absicht Geschichte schreibt. Die im Vorfeld feststehende Absicht bestimmt mithin die Auswahl der Quellen und ihre Aneinanderreihung. Auf der anderen Seite aber schreibt er nicht einfach Beliebiges, das seiner Argumentation dienlich ist, sondern er benutzt Geschichtsschreiber, die einen Namen haben und damit für Qualität bürgen. Flavius Josephus und Flavio Biondo sind nur zwei Beispiele, die aber ausreichen um zu zeigen, dass Brant um Glaubwürdigkeit bemüht ist – seine historischen Argumente sind in seinen Augen ja gerade deshalb so überzeugend, weil es eben alles so gewesen ist wie er es beschreibt.

142 Vgl. ZEYDEL 1967, S. 108: „Brant‘s historical account [...] is based, in good part, on wishful thinking―.

143 Vgl. dazu GEHRKE 1994.

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1.3. Von Brant herausgegebene Werke

Der Zeitgenosse Sebastian Brants (1448-1516) und Angehörige des Karmeliterordens Baptista Mantuanus gilt als berühmter Vertreter eines katholischen

Humanismus, der zahlreiche moralphilosophische (De vita beata; De patientia) und apologetische Werke, Aufrufe unter anderem gegen Türken und Franzosen, Nachrufe auf italienische Fürsten und Päpste und Dichtungen verfasste (insgesamt

etwa 55.000 V.) Sein Werk De suorum temporum calamitatibus (Bologna 1498) zeichnet ein düsteres Bild der Zeit, ruft zur Umkehr auf, behandelt die sieben Todsünden und beschäftigt sich mit Monstra.144 Sebastian Brant hat bei mehreren Druckausgaben als Kommentator gewirkt.145 Weitere Ausgaben des italienischen Humanisten sind von Brant selbst herausgegeben worden.146 In der um 1496 bei

Johann Amerbach in Basel gedruckten Ausgabe der Schrift De temporum

calamitatibus publizierte Brant ein Widmungsgedicht in vier sapphischen Strophen

an den Verleger Johann Amerbach.147 Zu De patientia aurea libri tres verfasste er seinem ehemaligen Studienkollegen und Freund Wymmar von Erkelenz ein Gedicht

(vier Distichen).148 Fünf Distichen gelten den Duarum Parthenicum libri.149 Der

144 Vgl. Reinhard DÜCHTING: Baptista Mantuanus, in: LexMa Band 1, Sp.1424f.

145 Vgl. die insgesamt sieben Ausgaben bei WILHELMI 1990, Nr. 45, 46 und 48-52. Es handelt sich

um folgende Ausgaben: Novem F. Baptiste Mantuani Carmelitae Theologi poetaque clarissimi

opera praeter caetera moralia [...]. Paris, Jean Petit u.a., 1507; Primus operum B. Mantuani Tomus

[...] – Secundus Operum B. Mantuani Tomus [...] – Tertius et ultimus Tomus poematum Reverendi

patris Baptistae Mantuani [...]. Paris, Jeran Petit u.a., 1513; Opus Calamitatum Baptistae Mantuani

cum Commentario Sebastiani Murrhonis Germani Colmariensis. Straßburg, Johannes Schott,

1402 [= 1502]; Opus Calamitatum Baptistae Mantuani cum Commentario Sebastiani Murrhonis

Germani Colmariensis. Straßburg, Johannes Schott, 1502; Baptiste Mantuani vatis eminentissimi

Opus insigne de mundi calamitatibus, earumque tum causis, tum remedijs. Aliud eiusdem contra

Poetas impudice loquentes sive scribentes opusculum perelegans. Straßburg, Johann Knoblouch,

1515; Opus insigne de mundi calamitatibus. Straßburg, Johann Knoblouch, 1516; BAPTISTE

MANTUANI VATIS EMENTISSIME (!) OPUS INSIgne de mundi calamitatibus, earumque tum

causis, tum remedijs, cum facundis in marginibus concordantijs nudo prius textui nunquam

adiuuctis (!). Aliud eiusdem contra Poetas impudice loquentes sive scribentes opusculum perelegans. Straßburg, Johann Knoblouch, 1518.

146 Vgl. die Ausgaben bei WILHELMI 1990, Nr. 47 und 53-55: Baptistae Mantuani de temporum

calamitatibus liber. Basel, Johann Amerbach, ca. 1496; Baptistae Mantuani Poetae Oratorisque

clarissimi duarum Parthenicum libri: cum commentario Sebastiani Murrhonis Germani

Colmariensis [...]. Straßburg, Johann Schott, 1501; Baptistae Mantuani Poetae Oratorisque

clarissimi duarum Parthenicum libri: cum commentario Sebastiani Murrhonis Germani

Colmariensis [...]. Straßburg, Johann Schott, 1402 [= 1502]; Baptiste Mantuani Carmelite de

patientia aurei libri tres. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1499.

147 Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 166.

148 Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 265.

149 Vgl. WILHELMI 1998, Nr. 377.

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Einfluss der Werke des Baptista Mantuanus auf Brants Gesamtwerk ist bis heute nie untersucht worden und stellt ein Desiderat der Forschung dar.150

Neben Baptista Mantuanus veröffentlichte Sebastian Brant auch eine Ausgabe des italienischen Humanisten Francesco Petrarca. Für seine Petrarcaausgabe

verfasste er ein Widmungsgedicht De Francisci Petrarchae laude et praestantia, welches es ganz „den religiösen Charakter von dessen Erkenntnisdrang herausstellt―.151 Darin heißt es unter anderem, Petrarcas Werk sei so voller Zierde, dass nichts hinzuzufügen sei. Ein solches Werk habe es bislang nicht gegeben.152

Petrarcas Werk De vita solitaria (II,9) beklagt das Vordringen des Islam und beschimpft die christlichen Fürsten, Helden nur „in thalamo―, aber Hasenfüße „in

campo― zu sein.153 Petrarcas Bucolicum carmen enthält Allegorien nach dem Vorbild Vergils mit historisch-moralischer Thematik. Die Verse sind in der Gesamtausgabe, die unter der Aufsicht Brants 1495 in Basel gedruckt wurde, enthalten.154 Anders als Brant war Petrarca gegen jede Idee des Translatium-Gedankens, insbesondere gegen die Vorstellung vom Übergang des römischen Reiches auf die Deutschen. Somit zeigen sich deutliche Unterschiede zum

150 Vgl. AMERBACH, Die Amerbachkorrespondenz; Joseph KNEPPER: Jakob Wimpfeling (1450-

1528). Sein Leben und sein Werke. Freiburg i. Br. 1902 (Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes 3, 2-4); WUTTKE 1974.

151 Vgl. WIEGAND 1993, S. 83, und FRANCESCO PETRARCA: Librorum Francisci Petrarchae

Basilae Impressorum Annotatio [...]. Basel, Johann Amerbach, 1496. Das Werk wurde noch mehrfach nachgedruckt, i.d.R. mit dem Widmungsgedicht Brants. Vgl. die bibliographischen Angaben bei WILHELMI 1990, Nr. 464-473. Die letzte Ausgabe mit den Brantschen Versen wurde demzufolge im Jahr 1637 gedruckt.

152 BRANT, Varia Carmina. Straßburg, Johannes Grüninger, 1498, fol. Mv-Mijr. Vgl. Wilhelmi 1998,

Nr. 170: „De Francisci Petrarche laude et praestantia. Sebastiani Brant. | Gloria Petrarchae tanto es cumulata decore, | Ut sibi nil addi, nil minui ve queat. | Quicquid enim humanis potuit complectier usquam | Usibus excultis, arte vel ingenio, | Hoc meus ingenue novit bonus ille poeta, | Calluit hic cunctas funditus historias. | Omnibus his spretis, sed enim hec fucata veneno | Saecula mortifero, liquit et illecebras. | Et nemora et montes habitans colit atque frequentat, | Secreti calles et loca sola placent. | Proinde sibi obtinuit famamque decusque perhenne | Et fieri meruit charior inde deo. | Illic solus enim tot digna volumina scripsit | Quae viciata quidem et sparsa fuere prius. | Pressimus haec nuper, sed adhuc nonnulla super sunt | Tangere quae nostros non potuere manus. | Plurima Amorbacchio debes Francisce labori, | Multa etiam nobis quod bene tersus abis. | Sed tua te virtus, tua te praestantia dignum | Reddidit hoc nostro (crede) labore. Vale‖.

153 Vgl. MERTENS 1997, S. 46, Anm. 21.

154 Vgl. FRANCESCO PETRARCA: Il „Bucolicum carmen“ e i suoi commenti inediti. Edizione curata ed illustrata da Antonio AVENA. Padova 1906.

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Geschichtsbild Brants.155 Der Einfluss von Petrarcas Werk auf Brant ist in jüngsten Beiträgen näher in den Blick genommen worden.156

Auch die Textredaktion der überaus prächtigen und berühmten Ausgabe der Werke Vergils, die 1502 in der Werkstatt Grüningers in Straßburg gedruckt wurde, oblag Sebastian Brant.157 Berühmt ist die Ausgabe vor allem wegen der zahlreichen Bilder, denn bis dahin, sagt uns der Herausgeber, „nemo tibi voluit pingere Virgilium―.158 Vergil ist ohne Zweifel der von Brant am meisten geschätzte Autor der römischen Antike und vermutlich auch der von ihm meist zitierte. Allein die Holzschnitte der Vergilausgabe verraten eine detaillierte Textkenntnis, denn die dargestellten Einzelheiten gehen weit über eine Vermittlung des groben Handlungsrahmens hinaus.159 Zu Beginn der Aeneis verrät Brant seine besondere Vertrautheit mit dem Text des Dichters: „Vita magis nullli est sua cognita: docta Maronis | quam mihi musa: canens pergama rura: capras―.160 Brant hat sich bei seiner Ausgabe auf die 1491 in Venedig gedruckte Version des Antonio Mancinelli gestützt, welche ihrerseits spätantike Kommentare des Servius und Donatus und humanistische Kommentare seitens des Cristoforo Landini, des Domizio Calderini und Mancinellis selbst enthält.161] Brants umfassende Textkenntnis Vergils floss auch

in sein Geschichtswerk De origine ein; zahlreiche Zitate vor allem in der Mahnrede

entstammen der Aeneis.

3. Der Kanon, der das Handeln bestimmt

Aus der zuvor geführten Diskussion lassen sich drei Prinzipien ableiten, aus denen das „magische Dreieck― des Brantschen Weltbildes besteht. Diese drei Prinzipien sind die Religion, die Tradition oder Geschichte mit ihren Lehrbeispielen

155 Es wäre noch zu untersuchen, ob Petrarcas Pilgerbericht in irgendeiner Weise Sebastian Brants

Entwurf von De origine beeinflusst hat. Vgl. dazu FRANCESCO PETRARCA:

Peregrinatio/Itinerarium ad sepulcrum domini nostri Ihesu Christi (1358). Itinerario in Terra Santa. Herausgegeben von F. LO MONACO. 1990.

156 Vgl. Jürgen GEIß: Herausgeber, Korrektor, Verlagslektor? Sebastian Brant und die Petrarca-

Ausgabe von 1496, in: WILHELMI 2002, S. 83-102; Jürgen GEIß: Zentren der Petrarca-Rezeption

im vorreformatorischen Deutschland. Rezeptionsgeschichtliche Interpretation und Katalog der

Druckausgaben (um 1467-1525). Diss phil. München WS 1998/99.

157 Vgl. VIRGILIUS, PUBLIUS MARO: Publij Virgilij maronis opera. Straßburg, Johannes Grüninger, 1502. Vgl. WILHELMI 1990, Nr. 594.

158 Vgl. SCHNEIDER 1983, S. 203. Vgl. auch José Jiménez DELGADO: Primera edición illustrada de

Virgilio (Estrasburgo 1502), in: Helmantica 23 (1970) S. 471-491.

159 Vgl. SCHNEIDER 1983, S. 206ff.

160 Zitiert nach SCHNEIDER 1983, S. 204.

161 Diese und zahlreiche weitere Angaben zu Text und Bild der Brantschen Ausgabe bei SCHNEIDER 1983, S. 220ff.

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und die Tugend und Moral. Greift man die eingangs erwähnte Kulturtheorie Jan Assmanns wieder auf, so entdeckt man Parallelen zu der von ihm gebildeten Begriffstrias „Erinnerung― (Vergangenheitsbezug), „Identität― (politische Imagination) und „kulturelle Kontinuierung― (Traditionsbildung). Man kann, ohne Theorie und Ergebnisse der empirischen Studie überzustrapazieren, durchaus in der Religion das identitätsstifende Moment entdecken, die Geschichte als Fundus an Erinnerungen betrachten und die Tugend und Moral als Mittel zu einer kulturellen Kontinuierung betrachten. Dennoch darf man nicht alles auf den genannten Begriffe reduzieren, außerdem sind Überschneidungen möglich und Dinge übrig, die in das Schema nicht so recht hineinpassen wollen. Die folgenden Ausführungen verstehen sich also als Zuspitzungen und wollen zur Diskussion herausfordern.

3.1 Das Heilige und das Schmutzige: Religion als Distinktionsprinzip

„Für den Ethnologen―, schrieb Clifford Geertz, „liegt die Bedeutung von Religion darin, dass sie in der Lage ist, dem einzelnen Menschen oder einer Gruppe von Menschen allgemeine und doch spezifische Auffassungen von der Welt, vom Selbst und von den Beziehungen zwischen Selbst und Welt zu liefern – als Modell

von etwas – wie auch darin, tiefverwurzelte, ebenso spezifische ‗geistige‘

Dispositionen zuwecken – als Modell für etwas.―162 Es geht nicht darum, nach Elementen zu suchen, die den Umgang mit dem Transzendenten regeln, sondern es geht um die Erklärung von Verhaltensmustern und Stereotypisierungen gegenüber Gruppen, die an der Religion des Schreibenden, an dieser Stelle Brants, nicht teilhaben. „Die Erforschung der sozialen und psychologischen Rolle von Religion [...] soll [...] zu einer Klärung der Frage führen, wieso die Vorstellungen der Menschen vom ‗wirklich Wirklichen‘ – wie implizit sie auch sein mögen – und die Dispositionen, die diese Vorstellungen in ihnen wecken, ihre Auffassung vom Vernünftigen, Praktischen, Humanen und Moralischen beeinflussen können.―163 Religion formt also das Weltbild einer Gemeinschaft und all ihrer einzelnen Mitglieder ganz entscheidend mit. Religion regelt mithin auch, welche Personen in diesem Weltbild Platz haben, und wer außerhalb dieses Rahmens steht und somit zur persona non grata gerät. Wie zeigt sich nun in Sebastian Brants Werk die Konfrontation zwischen den fremden Türken und den Christen? An einer Stelle in der Mahnrede schreibt er, dass das gesegnete Land, das verheißende Land, in dem Milch und Honig fließen, mit all seinen purpurbefleckten Orten von sarazenischen Händen und Füßen beschmutzt würde, und das schon seit langer Zeit: „Terra benedicta / terra promissionis / terra lac fluens & mel: scelerat(a)e gentis imperio paret. Sanctaque loca / inmaculati agni cruore purpurata: Sarac(a)enorum iam diu

manus pedesque polluerunt“.164 Hier kommt deutlich zum Ausdruck, dass die heidnischen Sarazenen ein Sakrileg der Verunreinigung begehen, indem sie ihre

162 Vgl. Clifford GEERTZ: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt am Main 1987, S. 92.

163 Vgl. GEERTZ 1987, S. 93.

164 Vgl. De origine Siijv f.

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Hände und Füße auf das gelobte Land setzen. Damit stellen sie eine Gefährdung der Reinheit des christlichen Heiligtums des verheißenen Bodens dar, sie evozieren sowohl Anstoß als auch Angst.165 Die Ethnologin Mary Douglas hat in ihrem

bekannten Werk Purity and Danger die soziale Relativität der Definition von Reinheit sowie allgemein die soziale Disponibilität ethischer Normen hervorgehoben.166 Unter Ausklammerung moderner Hygienevorstellung und der Errungenschaften der Mikrobiologie formulierte sie eine Definition von Schmutz. Sie definiert Schmutz als etwas, das fehl am Platz ist. Damit gelingt es, sowohl die Komplexe geordneter Beziehungen wie auch die Übertretungen dieser Ordnungen sichtbar zu machen, weil Ordnen das Verwerfen ungeeigneter Elemente beinhaltet. Entscheidend ist dabei die Relativität von Schmutz.167 Es ist nur vor dem Hintergrund dieses relativen Ordnungssystems zu begreifen, dass Sebastian Brant

mit soviel Abscheu von der Verschmutzung des heiligen Landes sprechen kann, wenn sich dort Sarazenen bewegen – sie zerstören eine kulturelle, kategoriale Ordnung, sie gehören nicht auf jene „terra benedicta―. Die Vokabel „verunreinigen― (polluere) taucht an vielen Stellen von Brants Geschichtswerk auf. Als Konstantins des Großen Mutter Helena das Kreuz suchte, hatte sie Schwierigkeiten, denn die Christenverfolger vergangener Zeiten hatten eine Venuskultstätte an dem Platz errichtet, an dem sich zuvor das Kreuz befand. Als Helena, göttlicher Weisung folgend, den Platz von den profanen und heidnischen Spuren gesäubert hatte, fand sie in der Erde drei Kreuze: „Helena autem ad locum properans: a c(o)elesti sibi inditio designatum: cuncta ex eo prophana & polluta deturbans / purgatis ruderibus: tres confuso ordine reperit cruces [...]―.168 Auffallend ist zudem, dass durch die heidnische Verunreinigung des Platzes eine Unordnung hervorgerufen wurde: Die drei Kreuze lagen „confuso ordine― in der Erde. Erst die Wirkungsmacht des „echten― Kreuzes – die schon erwähnte Heilung einer Frau bei seiner Berührung – konnte die Ordnung wieder herstellen. Auch die Eroberung Konstantinopels durch die Türken wird als Verschmutzung bezeichnet: „Mahum(a)etus Othomannus

octauus Thurcorum rex: Constantinopolim [...] inuadit / expugnat / & polluit“.169 Wiederholt ist von der „spurcitia― des türkischen Sultans die Rede, so sei etwa die

165 Vgl. allgemein zum Thema Herfried MÜNKLER (Hg.): Furcht und Faszination. Facetten der

Fremdheit. Berlin 1997 (Studien und Materialien der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Die Herausforderung durch das Fremde der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften);

Herfried MÜNKLER (Hg.): Die Herausforderung durch das Fremde. Berlin 1998 (Interdisziplinäre

Arbeitsgruppen. Forschungsberichte 5); Wolfgang NEUBER: Grade der Femdheit.

Alteritätskonstruktion und experientia-Argumentation in deutschen Turcica der Renaissance, in: GUTHMÜLLER; KÜHLMANN 2000.

166 Mary DOUGLAS: Reinheit und Gefährdung. Eine Studie zu Vorstellungen von

Verunreinigungen und Tabu, Berlin 1985 (Purity and Danger. An Analysis of the Concept of Pollution and Taboo. London 1966).

167 Ein Paar Schuhe z.B. sind an sich nicht schmutzig, stellt man sie jedoch auf den Esstisch, werden sie dazu.

168 Vgl. De origine, fol. [Gviij]v.

169 Vgl. De origine, fol. [Pviij]v-Qr.

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Kirche Hagia Sophia der „spurcitia― Mehmeds II. preisgegeben worden. Allerdings beschränkt sich die Benutzung eines solch einschlägigen Vokabulars und die Wahrnehmung der Ausübung anderer Religionen an den eigenen heiligen Stätten nicht nur auf das Christentum. Auch in der Epoche des vorchristlichen Jerusalems tauchen immer wieder diese Wahrnehmungsmuster auf. Als zum Beispiel der Anführer des Makkabäerkrieges Judas nach der Vertreibung des Antiochos nach Jerusalem kommt, findet er den Tempel nicht nur wüst, mit verbrannten Toren und von Bäumen überwuchert vor, sondern verunreinigt: Er ordnet an, die heilige Stätte

zu säubern: „dum ipse interea templum a ruin(a)e fœditate purgaret“.170 Sebastian Brants Wortwahl und Wahrnehmungsweise ist nicht ungewöhnlich. Auch in späteren Reiseberichten zeigen sich die Abgrenzungen zwischen Muslimen und Christen anhand ihrer unterschiedlichen Wahrnehmungsweise dessen, was als sauber oder als schmutzig gilt. Dabei geht es nicht um Faktisches, sondern um Ordnungsmodelle. Auch das, was äußerlich überaus rein sein kann, ist innerlich unrein, so etwa der Türke, der täglich mehrere Waschungen vollzieht, aber dennoch dem falschen Gott anhängt und damit als Teil einer großen „pestilentia― des Antichristen gilt.171

3.2. Ehre, Treue und Tradition: Die Geschichte als Identifikationsprinzip

Die aufgezeigten Zusammenhänge zwischen dem Werk Brants und den verschiedenen Autoren, die er verwendet hat, lässt erkennen, in welche literarischen und historiographischen Traditionen sich der elsässische Humanist gestellt hat. Dabei ist nicht zu verkennen, dass die benutzten Texte einen sehr unterschiedlichen Charakter haben, vor allem mit Blick auf die zugrundeliegende Konzeption von Geschichte. Dies lässt sich bei einem einfachen Vergleich von Biondo mit dem der Prophetie des Pseudo-Methodius feststellen. Man könnte Brant also eine gewisse Inhomogenität seiner Vorstellungen vorwerfen und in seinem Geschichtswerk und -bild etwas Unausgegorenes, bisweilen gar Widersprüchliches vermuten. Dies ist nicht selten genau so geschehen, wie die Urteile William Gilberts zeigen. Aus eben diesen Widersprüchen wurde bislang immer der Schluss gezogen, Brant sei ein konservativer Humanist gewesen.172 Man könnte aber auch zu dem positiveren Urteil gelangen, Brant habe aufgrund seines Studiums verschiedener Geschichtswerke und anderer älterer und zeitgenössischer Werke ein eigenes Bild entworfen. Dieses Bild ist dann gerade nicht einfach nur eine Kopie und damit eine Anbiederung an seine Vordenker, sondern ein auf Deutschland und auf seine eigenen Traditionen und seine Herkunft zugeschnittenes Interpretationsmodell. Daraus lassen sich wiederum spezifische Handlungsanleitungen für das

170 Vgl. De origine, fol. Ciiij

r.

171 Vgl. Almut HÖFERT: Ist das Böse schmutzig? Das Osmanische Reich in den Augen europäischer

Reisender des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Historische Anthropologie. Kultur – Gesellschaft – Alltag 11 (2003), S. 176-192.

172 Vgl. zu diesem Urteil die entsprechenden Kapitel bei STIEGLECKER 2001, S. 94-122. GILBERT

1955 führt die Bezeichnung conservative humanist bereits im Titel seines Beitrags.

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Fortschreiten der eigenen Gesellschaft entwickeln. Diese Hypothese bestätigt sich bei einem nähren Blick auf den Umgang Brants mit seinen Texten. Die längsten zusammenhängenden Blöcke hat er aus Enea Silvios Kurzfassung der Dekaden Biondos entnommen; ansonsten hat er zwar viel kompiliert, aber nicht ohne gezielte Auswahl. Er ließ sich nicht ohne weiteres von Gedankengängen anderer einnehmen, sondern wählte aus. Vor allem für die Frühgeschichte und die römische Zeit der Geschichte Jerusalems fällt ins Auge, dass Brant sich nicht nur auf eine Quelle bezog, sondern mit Aufwand und Sorgfalt verschiedene Informationen aus den von ihm benutzten Quellen zusammensuchte und aneinander fügte. Dem Urteil Charles

Schmidts, es handle sich bei De origine um eine reine Kompilation, mag man daher nur bedingt zustimmen. Sebastian Brants Arbeitsweise und die Verwendung seiner Quellen zeigen ihn als typischen Vertreter einer Zeit, die sich an der Schwelle neuer Entdeckungen und Erfindungen befindet. Brant versuchte, zugleich an die neuen Ideen und Werke sowie an den althergebrachten, bewährten Modelle anzuknüpfen. Als Verwender der neuesten, aus Italien stammenden Geschichtswerke und als Benutzer der meist soeben erst gedruckten Bücher verschiedenster Provenienz zeigt sich Brant als Wissenschaftler auf neuestem Stand, der nicht nur über den Markt informiert war, sondern ihn auch zu nutzen verstand. Dennoch kam er nicht umhin, sich an den Diskussionen seiner Zeit, vor allem an den religiös geprägten Fragen über die eigene Zukunft, zu beteiligen. Dass dies nicht immer mit den Inhalten der Werke italienischer Humanisten korrespondierte, sollte nicht zu dem Urteil führen, Brant sei ein konservativer Moralist gewesen, an dem die neuesten Entwicklungen und geistigen Strömungen der Zeit vorbeigegangen seien.

Festzuhalten bleibt, dass sich Brants Konzept von Geschichte, seine Art Geschichte zu schreiben, grundlegend von derjenigen Flavio Biondos unterscheidet. Dies äußert sich nicht nur sehr deutlich im Umgang mit seinen Quellen – Biondo hat nicht selten Stellung zum Wert seiner Informationen genommen, dies findet sich bei Brant kaum, und wenn, dann nur zur Untermauerung des Gesagten – sondern auch in der Bewertung des Nutzens von Geschichte. Wie bereits angedeutet, hatte zwar auch Biondo eine interne Moral, beließ diese aber im Rahmen seiner historischen Erzählung und fügte dieser auch keine „Nutzanwendung― wie die Brantsche Mahnrede hinzu. Brant hingegen lässt deutlich werden, dass die der Mahnrede vorangegangene Geschichte vor allem einen Zweck hat, nämlich den der Erziehung. Deutliche Unterschiede zeigen sich auch in der Benutzung der Bibel. Lorenzo Valla, Marsilio Ficino und Pico della Mirandola haben die Methode der Sprachkritik auch auf die Bibel, insbesondere auf das Neue Testament, angewendet, später griff Erasmus die von Valla entwickelten Anfänge auf.173 Brant hat die Bibel – vor allem das Alte Testament – wie eine historische Quelle benutzt, die ihren festen Platz neben Josephus, Euseb und anderen Autoren hatte. Dies zeigt sich darin, dass der einzelne biblische Bücher mit der selben Selbstverständlichkeit als Quellen

173 Vgl. Delio CANTIMORI: Eretici italiani del Cinquecento e altri scritti. A cura di Adriano PROSPERI. Torino 1992 (Biblioteca di cultura storica 193), insbesondere Kapitel 1: Umanesimo e problemi religiosi. Valla. Ficino e Pico, Adriano Castellesi e la critica all‘apologia ficiniana della

religione cristiana, S. 15-22, und Delio CANTIMORI: Umanesimo e religione nel Rinascimento. Torino 1975 (Piccola Biblioteca Einaudi. Geografia. Storia 247).

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angibt.174 Das Neue Testament dient ihm eindeutig als Manifest des Glaubens und der christlichen Wahrheit. Ansätze einer Sprachkritik finden sich nirgends. Er suchte nach Argumenten, nicht nach Wahrheiten.

3.3. Der Weise und der Narr: Moral und Tugend als Ordnungsprinzipien

Tugendhaftigkeit und Frömmigkeit spielen für Sebastian Brant eine maßgebliche Rolle für die Aufrechterhaltung der Weltordnung im Allgemeinen und der gesellschaftlichen Ordnung im Besonderen. Auf das Einhalten der vorgegebenen moralischen Prinzipien folgt als Verheißung der Beginn eines goldenen Zeitalters, und in diesem Zusammenhang kann Sebastian Brant ohne weiteres auf die gleiche Ebene mit Erasmus von Rotterdam gehoben werden, der, ähnlich wie Brant, ein solches neues Zeitalter nur in Verbindung mit strikter Moral erwartete und stets zwischen Hoffen und Bangen schwankte, da er ebendiese Moral nicht in ausreichendem Maß in seinem Umfeld erblickte. Brant selbst hat mit seinem

Narrenschiff all denen einen festen Platz zugewiesen, die diese Prinzipien nicht einhalten wollen bzw. nicht zumindest danach streben: Sie sind Narren. Die von Brant eingeforderten Tugenden sind Eintracht, Glaube und die Unterstützung von

Kirche und Reich. Brants Verständnis von Ordnung wird in dem Gedichtzyklus De

corrupto ordine vivendi pereuntibus zum Ausdruck gebracht. In den einleitenden Versen von Teil 1 erläutert Brant den Begriff „ordo―. Alles, was im Himmel, auf der Erde oder in den Wassern lebe, werde in Ordnung gehalten. Wenn man die Dinge verrücke oder aufhöre, in dieser Ordnung zu leben, so gerieten sie durcheinander und stürzten ins Nichts. Doch die Ordnung sei labil, alles habe seine Zeit, auch Leben und Tod. Die Stärke der Ordnung sei es, dass alle Dinge von einem Gesetz auf eine bestimmte Weise gelenkt würden.175 Doch es ist nun keineswegs so, dass der Mensch der Ordnung Gottes schicksalhaft ausgeliefert ist. Es ist im Gegenteil so, dass der Mensch mit seinem Handeln diese Ordnung empfindlich stören kann und auch schon gestört hat, wie die Geschichte gezeigt hat. Somit obliegt es dem Menschen dafür zu sorgen, dass die göttliche Ordnung aufrechterhalten wird. Ganz

deutlich zeigt sich dies im dritten Teil, der conclusio wormatiensis, wo es heißt (V. 544): „Ordo est qui cunctas res crescere cogit in horas―, Ordnung ist, wo man die Dinge zu ihren Zeiten gedeihen lässt. Schrecken und Irrgang herrschen hingegen, wo Ordnung fehlt, und auch Gott missfällt dies (V. 546f): „Horror adest, errorque frequens, ubi deficit ordo, | Ordine perverso nil placet usque deo―. Wie die Ordnung wiederhergestellt werden könne, weiß Brant bestens und verlangt ganz unverblümt einträchtige Fürsten, die im Reich für Frieden und Gerechtigkeit zu

174 Vgl. z.B. De origine, fol. Cr+v, dort wird das Buch Ester als Quelle für die Zeit des Perserkönigs Artaxerxes/Asuerus angegeben.

175 Vgl. BRANT, De corupto ordine vivendi pereuntibus: ―Omnia quae in caelo aut terris vel in aequore vivunt, | Ordine servantur, stantque vigentque suo | Quem si destituant, si vivere in ordine cessent, | Continuo intereunt in nihilumque ruunt. | Ordine infirmo starent elementa, perirent | Ordine habent certum tempus et hora suum | Ordo est nascendi et vitae certissimus ordo | Estque suum mortis tempus et ordo placens | Ordinis haec virtus, ut certa lege modoque | Cuncta gubernentur‖ (V. 20-29).

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sorgen haben.176 Vereinigte Fürsten und ein einträchtiger Frieden sollen es ermöglichen, die deutschen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen (V. 479): „incipiunt nunc | Ordine Germaniae res coalere bono―. Die Deutschen sollen folglich um das Heil ihres Vaterlandes zurückblicken und das Reich stützen (V. 548f): „Theutones ad vestram iccirco patriaeque salutem | Respicite et regis suscipite imperium―, dann werde man die Sternbilder besiegen und Ordnung behalten, (V. 532) „Sydera vincemus, maneamus in ordine saltem―. Brant geht in diesem Gedicht beinahe auf die selbe Weise wie in seiner historia vor. Zunächst führt er biblisch-historische Beweise an (Kapitel 1: die Gründe für das Verlieren der Ordnung), dann folgt ein Schreckensszenario (Kapitel 2: das Einbrechen der Türken) und schließlich eine Mahnung und Ratschläge für die Vermeidung von dem zuvor prophezeiten Unglück (Kapitel 3: die Beschlüsse des Reichstages). Man trifft hier auf einen trickreichen Literaten, der es meisterhaft versteht, zugleich Ängste zu erzeugen und beruhigende Ratschläge zu erteilen. Vor allem zeigt sich hier wiederum der Hofliterat Maximilians, denn die Kritik trifft vor allem die deutschen Fürsten und Stände, die ja gerade auf dem Wormser Tag demonstriert haben, dass sie nur für reichlichen Lohn bereit sind, des Kaisers Wünsche zu erfüllen. Somit schiebt Brant die Verantwortung für kommendes Heil oder Unheil in nicht unbeträchtlichem Maße den Fürsten in die Schuhe. Der Begriff der Ordnung taucht auch in dem

Gedicht In bethicum triumphum congratulatio auf. Ferdinand von Kastilien und Aragón wird wegen seines Siegs über die spanischen Muslime gelobt. Spanien habe fast tausend Jahre unter dem grausamen Joch Mohammeds gelitten. Ferdinand sei nun Regent über drei Königreiche, Kastilien, Aragón und Portugal. Diese lobenden Bemerkungen dienen Brant allerdings in erster Linie dazu, sogleich Klage über die Zustände in seiner Heimat zu erheben. Er wünscht sich, dass das unglückliche Deutschland ebensolches Glück hat und dass Maximilian Kaiser und Zierde des Reichs wird. Dafür müsse der Glaube gestärkt werden, sodass das Schicksal sich zum Guten wende. Mit der Vertreibung der Muslime habe Ferdinand in seiner Heimat Ordnung geschaffen: „Ordine tu certo patriam prius esse fidelem | Fecisti―.177 Brants Verständnis von göttlich legitimierter Ordnung zieht also eindeutige Forderungen nach sich, die sich in seinem gesamten Werk auffinden lassen.

176 Vgl. BRANT, De corupto ordine vivendi pereuntibus: ―Sed quid nostra queror tam prospera saecula? quae nunc: | Unanimes regi constituere duces: | Qui stabili imperium: et concordi pace ligarunt. | Reddere iudicium, iusticiamque parant‖ (V. 472-475).

177 Vgl. In Baethicum triumphum congratulatio S. Brant, in: VERARDUS: In laudem Serenissimi

Fernandi Hispaniarum regis Bethicae et regni Granatae osidio victoria et triumphus. Et de insulis

in mare Indico nuper inventis. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1494, fol. [aa]v, und Sebastian

BRANT: Varia Sebastiani Brant carmina. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1498, fol. [bciiij]r+v. Vgl. auch WILHELMI 1998, Nr. 107, dort mit weiteren bibliographischen Angaben: „quae iam mille minus paucis amissa per annos | Machmeti dirum sustinuere iugum― (V. 5f); „O patria, o foelix Germania, si tibi reges | aut fortuna pares, aut deus ipse daret― (V. 19f); „Conqueror ah quid enim? Cum rex modo Maximilianus | Romani caput et sit decus imperii‖ (V. 23f); Et faciet maiora fide, modo fata secundent | Et sua disponat prospera quaeque deus.‖

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VII. Schlussbetrachtung

Das vorliegende Buch hat sich zum Ziel gesetzt, mit Brants Geschichtswerk De

origine et conversatione bonorum regum et laude civitatis Hierosolymae cum

exhortatione eius recuperandae vertraut zu machen, es zugleich in einen literarischen und politischen Kontext zu stellen und ihm mit Methoden der Kulturgeschichte und Humanismusforschung näher zu kommen. Der Leser wird zahlreiche Unzulänglichkeiten feststellen und noch Vieles nennen können, was zu ergänzen ist. Zahlreiche Gedichte, in denen das Thema angesprochen wird, sind hier nicht vorgestellt worden, so mancher Aufsatz, der hätte zitiert werden müssen, findet sich nicht. Da kein Buch jemals vollständig sein kann, versteht sich auch dieses Buch als Anregung zum Weiterforschen. Um das Weiterforschen zu erleichtern, ist eine Edition des lateinischen und deutschen Textes in Vorbereitung. Das Ziel dieses Buches ist erreicht, wenn deutlich geworden ist, dass Sebastian Brants Geschichtsbuch völlig zu Unrecht jahrelang im Schatten seines großen

Meisterwerks, des Narrenschiffs, gestanden hat. Brant hat erstmals versucht, eine Geschichte der christlichen Religion und des christlichen Abendlandes zu schreiben, die zugleich eine Analyse des christlichen oder unchristlichen Herrschens und eine Legitimation des deutschen Kaisertums ist. Damit bedient er sowohl das Bedürfnis nach der Hervorhebung der eigenen „Nation― als auch die Notwendigkeit einer gesamtchristlichen, religiösen Begründung für die „europäische Kulturrettung―. Man könnte Sebastian Brants Geschichtswerk als einen Versuch bezeichnen, die bestehende Herrschaftsordnung – das deutsche Kaisertum und seine Verbindung zur römisch-katholischen Kirche – und die Kosmologie der christlichen Religion miteinander zu harmonisieren. „Eine so gedeutete kosmische Ordnung gerät hier zur Legitimationsformel für Macht und Herrschaft für die irdische Ordnung mit ihren Formen sozialer Organisation, die sich auf diese Weise gegenüber Kritik als immun erweist.―178 Ein wichtiges Ergebnis ist die Tatsache, dass Identität auch räumlich gedacht wird. Jerusalem bleibt nicht länger geographisches Zentrum der Welt, aber seine Position und Bedeutung als geistiges Zentrum einer Weltordnung steht – zumindest Sebastian Brant – weiterhin außer Frage.

Ferner sollte deutlich geworden sein, dass Sebastian Brant ein Geschichtsbuch geschrieben hat, das in der Tradition der italienischen Geschichtsschreiber Flavio Biondo und Enea Silvio Piccolomini steht und nicht etwa ein Parallelwerk zu Hartmann Schedels Weltchronik darstellt, der mit der Einteilung in sechs Weltzeitalter einem biblisch-prophetischen Modell folgt. Brant übernimmt dieses Konzept ausdrücklich nicht. Er unterscheidet sich trotzdem von den italienischen Geschichtsschreibern, weil er die Herausstellung heilsgeschichtlicher Momente, vor

178 Vgl. GEHLEN, S. 391.

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allem beim Übergang vom Judentum zum Christentum und bei der Konfrontation mit den muslimischen Türken und Sarazenen, für unverzichtbar hält. Auch die Einbettung des Werks in den zeitgenössischen Türkendiskurs kann nicht infrage gestellt werden. Ergebnis ist ein virtuelles Feindbild, das sich vom tatsächlichen Gegner, den historischen Sarazenen oder zu Brants Gegenwart expandierenden Osmanen, so weit entfernt hat, dass es vor allem als Gegenmodell der eigenen Gesellschaft gilt. Letztendlich kehrt Brants Türkenliteratur immer wieder zu den

Prinzipien seines Narrenschiffs zurück; seine Werke sind Fürstenspiegel, Mahnungen und Warnungen, die vor allem als Korrektiv für Fehlentwicklungen gedacht sind, aber auch als politisch-propagandistische Unterstützung des Habsburgers Maximilian, in dessen Lohn und Brot Brant schließlich stand. Brant kam damit schlicht und einfach auch Aufgaben nach, die von ihm als einem der „neuen

Gelehrten― gefordert waren. Dass Sebastian Brant mit De origine ein Buch schrieb, in dem die Kreuzzüge eine zentrale Rolle spielen, ist nicht neu. Auch die Verbindung der Kreuzzugszeit mit der aktuellen Türkengefahr hatte ihren Ausdruck bereits gefunden. Brant hat für seine Darstellung der Kreuzzüge zwar auf die Werke der italienischen Geschichtsschreiber zurückgegriffen, die Aktualisierung und Projektion auf die eigene, gegenwärtige Situation geschah jedoch unter dem Eindruck der in Deutschland verbreiteten Türkenliteratur. Deutlich zu sehen ist die propagandistische Unterstützung der Politik Maximilians I., die Sebastian Brant mit seinen Flugschriften zum Türkenkrieg, aber auch mit seinen Interpretationen monströser Ereignisse leistete. „Das größte literarische Echo erregte Maximilian mit einem Krieg, der keiner wurde. Maximilians Dichter warben und sangen für einen Kreuzzug europäischer Fürsten unter kaiserlicher Führung. Doch war nur die literarische Feindschaft gegen die Türken doktrinär. Faktisch konnte Maximilian erfreut zusehen, wenn die Venezianer 1499 von den Türken bekriegt wurden. Allerdings blieb das osmanische Reich im europäischen Adelskosmos grundsätzlich ein Fremdkörper. Denn es gab keine Möglichkeit, die Türken als Nichtchristen in die normale dynastische Konkurrenz zu integrieren. Die kulturellen Unterschiede blieben Grundlage für agitatorische Literatur, die unter der Berufung auf Basiswerte zum Krieg gegen die Türken aufforderten. Da jedoch die türkische Gefahr für die europäischen Mächte zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich groß war, konnte ein Kreuzzug gegen die Türken nicht realisiert werden und blieb allein dichterischer Ausdruck für die angestrebte Führungsrolle des Kaisers.― 179 Sebastian Brant verstand sich als Dichter des Kaisers, und das Türkenthema bot ihm über all die Jahre den Stoff, auch wenn es oft weder um die Türken selbst, noch um den Krieg gegen sie ging. Brant versuchte mit seinem gesamte Werk, über eine Abgrenzung nach außen eine Identitätsstärkung nach innen zu erreichen: das Zusamenhalten der Deutschen unter dem Kaistertum der Habsburger.

179 Vgl. Sven LEMBKE: Kaiser Maximilian I. Ein Lebensbild, in: Hans SCHADEK (Hg.): Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498. Aufsatzband und Katalog zur Ausstellung des Stadtarchivs Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Breisgau-Geschichtsverein vom 17. Mai bis 31. Juli 1998 im Augustinermuseum Freiburg. Freiburg i. Br. 1998, S. 13-29.

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VII. Anhang

1. Abkürzungsverzeichnis

ANRW Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Geschichte und Kultur

Roms im Spiegel der neueren Forschung. Bisher 37 Bände in 109 Teilbänden. Herausgegeben von Hildegard TEMPORINI und Wolfgang HAASE. Berlin 1972-1997.

BHH Biblisch-Historisches Handwörterbuch. Landeskunde – Geschichte –

Religion – Kultur – Literatur. Herausgegeben von Bo REICKE und Leonhard ROST (Digitale Bibliothek 96). Berlin 2004.

DBI Dizionario Biografico delgi Italiani. Istituto della Enciclopedia Italiana. Dir. Mario CAVALE. Bisher 60 Bände. Roma 1960 -2003.

HrwG Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe. Herausgegeben von Hubert CANCIK, Burkhard GLADIGOW, Karl-Heinz KOHL, Matthias LAUBSCHER. 5 Bände. Stuttgart, Berlin, Köln 1988-2001.

LexMa Lexikon des Mittelalters. 9 Bände und 1 Registerband. Herausgegeben von Norbert ANGERMANN u.a. München, Zürich 1980 - 1999.

RGG4 Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie

und Religionswissenschaft. Vierte, völlig neu bearbeitete Auflage. Herausgegeben von Hans Dieter BETZ u.a. Bislang 5 Bände. Tübingen 1998-2002.

RTA/Mittlere Reihe Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. Mittlere Reihe. Herausgegeben durch die Historische Kommission bei der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. Bisher 5 Bände in 10 Teilbänden. Göttingen 1972-2001

TRE Theologische Realenzyklopädie. Herausgegeben von Gerhard MÜLLER u.a. Bisher 34 Bände. Berlin, New York 1977-2002.

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2. Quellen und Literatur

2.1. Quellen

2.1.1. Handschriften und Frühdrucke (bis 1700)

ADELPHUS, Johannes: DJe Türckisch Chronica Von irem vrsprung anefang vnd regiment biß vff

dise zeyt sampt irem kriegen vnd streyten mit den christen begangen Erba(e)rmklich zu(o)

lesen. Straßburg, Johann Knoblouch, 1516. [Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: G 4531f]

BAPTISTA MANTUANUS: Baptistae Mantuani de temporum calamitatibus liber. Basel, Johann Amerbach, um 1496 [und weitere Ausgaben].

BAPTISTA MANTUANUS: Baptiste Mantuani Carmelite de patientia aurei libri tres. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1499.

BAPTISTA MANTUANUS: Baptistae Mantuani Poetae Oratorisque clarissimi duarum Parthenicum

libri: cum commentario Sebastiani Murrhonis Germani Colmariensis [...]. Straßburg, Johann Schott, 1501.

BAPTISTA MANTUANUS: Baptistae Mantuani Poetae Oratorisque clarissimi duarum Parthenicum

libri: cum commentario Sebastiani Murrhonis Germani Colmariensis [...]. Straßburg, Johann Schott, 1402 [= 1502].

BAPTISTA MANTUANUS: Opus Calamitatum Baptistae Mantuani cum Commentario Sebastiani

Murrhonis Germani Colmariensis. Straßburg, Johannes Schott, 1402 [= 1502].

BAPTISTA MANTUANUS: Opus Calamitatum Baptistae Mantuani cum Commentario Sebastiani

Murrhonis Germani Colmariensis. Straßburg, Johannes Schott, 1502.

BAPTISTA MANTUANUS: Novem F. Baptiste Mantuani Carmelitae Theologi poetaque clarissimi

opera praeter caetera moralia [...]. Paris, Jean Petit u.a., 1507.

BAPTISTA MANTUANUS: Primus operum B. Mantuani Tomus [...] - Secundus Operum B.

Mantuani Tomus [...] - Tertius et ultimus Tomus poematum Reverendi patris Baptistae

Mantuani [...]. Paris, Jeran Petit u.a., 1513.

BAPTISTA MANTUANUS: Baptiste Mantuani vatis eminentissimi Opus insigne de mundi

calamitatibus, earumque tum causis, tum remedijs. Aliud eiusdem contra Poetas impudice

loquentes sive scribentes opusculum perelegans. Straßburg, Johann Knoblouch, 1515.

BAPTISTA MANTUANUS: Opus insigne de mundi calamitatibus. Straßburg, Johann Knoblouch, 1516.

BAPTISTA MANTUANUS: BAPTISTE MANTUANI VATIS EMENTISSIME (!) OPUS INSIgne de

mundi calamitatibus, earumque tum causis, tum remedijs, cum facundis in marginibus

concordantijs nudo prius textui nunquam adiuuctis (!). Aliud eiusdem contra Poetas

impudice loquentes sive scribentes opusculum perelegans. Straßburg, Johann Knoblouch, 1518.

BEBEL, Heinrich: Oratio ad regem Maximilianum de laudibus atque amplitudine Germaniae. Pforzheim, Thomas Anshelm, 1504.

BESSARION, NICOLAUS: Epistolae et orationes de arcendis Turcis a Christianorum finibus. Paris 1471. [zitiert nach Hain, Nr. 3005]

Biblia germanica. Die zehnte deutsche Bibel. Straßburg, Grüninger, 1485 [Die zehnte deutsche Bibel. 2 Bände. Hain Nr. 3138].

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BIONDO, Flavio: Blondi Flavii Forliviensis Historiarum decades ab inclinatione Romanorum

imperii libri XXXI. Basel, Froben, 1531. [Benutztes Exemplar: Biblioteca Cicognara, Sign.: VI 3624 B]

BOCCACCIO, Giovanni Battista: Genealogiae Ioannis Boccatii cum demonstrationibus in formis

arborum designatis. Eiusdem de montibus et sylvis. de fontibus: lacubus: et fluminibus. Ac

etiam de stagnis et paludibus: nec non et de maribus: seu diversis maris nominibus. Augustinus de Zannis de Portesio, Venedig 1511. [Benutztes Exemplar: Biblioteca Palatina, Sign.: II 223 (2) (lat 1226, b)]

BRANT, Sebastian: De origine et conversatione bonorum regum: et laude Civitatis Hierosolymae:

cum exhortatione eiusdem recuperandae. Sebastianus Brant. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1495. [Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: Ink P 2920]

BRANT, Sebastian: In laudem divi Maximiliani Caesaris invict. ex Panegyricis Sebastiani Brant

ποικίλων τῶν κλᾶσματων (sic!) τάδε. De Imperij traductione a Graecis in Germanos. De

foedere Caesaris Maximiliani, cum pontifice Alexandro sexto. De virtutibus eiusdem Caes.

Maximil. De nobilitate eiusdem. Nenia Philippi Regis Hispaniae mortem. Exhortatio

Hispaniae ad Carolum Regem suum. Epicedion in mortem D. Maximil. Pasquillus ad

Franciscum Galliae Regem. Straßburg, Johann Schott, 1519/20.

BRANT, Sebastian: In laudem gloriose virginis Marie multorumque sanctorum. Varij generis

carmina Sebastiani Brant, utriusque doctoris famosissimi. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1494.

BRANT, Sebastian: Stultifera navis Narragonie profectionis nunque satis laudata per Sebastianum

Brant [...] Atque iam pridem per iacobum Locher cognomento Philomusum Suevum in

latinum traducta eloquium [...] per Sebastianum Brant denuo seduloque revisa. Augsburg, Johannes Schensperger, 1497. [Benutztes Exemplar: Biblioteca Palatina, Sign.: VI 246 (1)]

BRANT, Sebastian: Varia Sebastiani Brant Carmina. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1498. [Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: MK 94/169]

BRANT, Sebastian: Varia Sebastiani Brant Carmina, Straßburg, Johannes Grüninger, 1498. [Benutztes Exemplar: Biblioteca Palatina, Sign.: IV 1315 = UB Freiburg, Sign.: MK 90/51-E 2178,79]

BRANT, Sebastian: Von dem anfang und Wesen der hailigen Statt Jerusalem. Und zu welchen

zeyten die selb dem außerwoelten volck Gottes jngegeben wider entzogen und nochmals

aber zugestelt worden ist. Auch allen Künigen daselbs regierenden uffung un abgang. Und

wie die nuwlich under den gewalt des Türckischen tyrann kommen. Durch Sebastianum

Brant beder Rechten Doctor. Eemals in lateinischer histori vergriffen. Übersetzt von Caspar Frey. Straßburg, Johann Knoblouch, 1518. [Benutztes Exemplar: Sächsische Landesbibliothek Dresden, Sign.: Hist. Asiae. 52]

CAMPANUS, Johannes Antonius: Oratio in conventu Ratisponensi ad exhortandos principes

Germanorum contra Turcos et de laudibus eorum anno 1471 habita. Rom, Stephan Planck, um 1487, ebd. um 1488/90 (GW 5940 und 5941); Rom, Eucharius Silber, 1495 (GW 5939).

CAMPANUS, Johannes Antonius: Omnia opera. Venedig, Bernadus Vercellensis, 1502. [Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: D 158 h]

CAOURSIN, Guillaume; ADELPHUS, Johannes: Historia Uon Rhodis Wie ritterlich sie sich

gehalte(n) mit dem Tyrannischen keiser Machomet vß Türckye(n) lustig vn(d) lieplich zu(o)

lesen. (Deutsch von Johannes ADELPHUS). Straßburg, M. Flach d. Jüngere, 1513 [VD16 C 790. Benutztes Exempar: BSB, Sign.: 2 Eur. 8s; Permalink: http://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=165984559].

Page 263: Sebastian Brant als Historiker. Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der osmanischen Expansion

263

EUSEBIUS CAESARIENSIS: Das bu(o)ch der geschücht des grossen Allexandrs Vnnd an(der) hystorien

/ ist durch mich Joha(n)nes doctor jn ertzney / vn(d) jn natürlichen künsten vß dem

ledtein zu(o) teutschem gemacht mit scho(e)nne(n) figuren (et)c. Straßburg, Bartholomäus Kistler, 1503 [VD 16 E 4313. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: Rar. 2290; Permalink: http://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=214287800].

EUSEBIUS CAESARIENSIS, Johannes HARTLIEB: Das buch der geschicht des grossen Allexanders wie

Eusebius beschriben vn(d) geteutscht hat / newgetruckt mit vyl scho(e)nen figuren. Straßburg, Bartholomäus Kistler, 1514 [VD 16 E 4314. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: Rar. 2109; Permalink: http://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=231975228].

JOSEPHUS, Flavius: Iosephi ivdei historiographi viri clarissimi prologvs in libros antiqvitatvm

viginti et de graeco in latinvm tradvctos per Rvffinvm Aqvileiensem virvm doctissimvm.

Iosephi Mathathiae filii haebrei genere sacerdotis ex Hierosolymis de bello Ivdaico in libros

septem prologvs per Rvffinvm Aqvilensem tradvctos. Venedig, Johannes Rubeus für Octavianus Scotus, 1486. [Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: 4.D 2439, b]

JOSEPHUS, Flavius: Antiquitates Judaicae, [Lübeck], [ca. 1475] [Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: 2 Inc. s.a. 747k]

KAYSERSBERG, Geiler von / ADELPHUS, Johannes: Doctor Keiserspegrs (!) Passion des Here(n) Jesu.

. Fürgeben und geprediget gar betrachtiglich (partikuliert) und geteilt in stückes weiß

einsüßen Lebku(o)chen... Neulich uß dem latyn in tütsche sprach Tranßveriert durch

Johannem Adelphum Physicum von Straßburg. Straßburg, Grüniger, 1514. [VD 16 G 747. Benutztes Exemplar: BSB, Sign.: Res/2 P lat 866; Permalink: http://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=243456509].

KAISERSBERG, Geiler von: Doctor keisperspergs pater noster. Des hochgelehrten wurdigen

Predicanten der loblichen statt Straßburg. Ußlegung über das gebette des herren... Straßburg, Michael Hupfuff, 1515.

LICHTENBERGER, Johannes: Prognosticatio = Prenosticatio zu tüetsch, Straßburg, Bartholmäus Kistler, 1497 [GW M18245].

(PSEUDO-)METHODIUS; AYTINGER, Wolfgang: Titulus in libellum sancti Methodij martyrus et

episcopi Partinensis ecclesie prouincie grecorum continens in se reuelationes diuinas a

sanctis angelis factas de principio mundi et eradicatione variorum regnorum atque ultimi

regis romanorum gestis et futuro triumpho in Turcos atque deliberatione christianorum ac

oppressione Sarracenorum: de restauratione ecclesie et vniuersali pace cum autenticis

concordantijs prophetiarum deque consumatione seculi hic annotatur. Ohne Kolophon. A. Kunne, Memmingen, ca. 1490. [Benutztes Exemplar: Biblioteca Palatina, Sign.: IV 809 (4) (lat. 2537, c)]

(PSEUDO-)METHODIUS: Methodius primum olympiade: et postea Tyri civitatum episcopus. sub

diocleciano Imperatore In Calcide civitate (que nigropontum appellatur ut divus scribit

hieronimus martyrio) coronatur: qui cum eruditissimus esset vir: multa edidit documenta

et presertim de mundi creatione eidem in carcere revelata: passus fuit quartadecimo

Kalendas octobris. De revelatione facta Ab angelo beato methodio in carcere detento. Basel, Michael Furter, Januar 1498. [Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: Ink. K 1782, ab]

(PSEUDO-)METHODIUS: Methodius primum olimpiade et postea Tyri ciuitatum episcopus. sub

diocleciano Jmperatore Jn calcide ciuitate... coronatur: qui... multa edidit documenta... De

reuelatione facta Ab angelo beato Methodio in carcere detento (cura... Wolffgangi

Aytinger) (opera... Sebastiani Brant). Basel, Michael Furter, 1504. [zitiert nach VD 16, Nr. M 4934]

Page 264: Sebastian Brant als Historiker. Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der osmanischen Expansion

264

(PSEUDO-)METHODIUS: Eyn biechlin sancti Methodij martrers. vnd bischoffs zu(o) partinentz. jn

kriechen land. in dem begriffen sind. go(e)tlich offenbarungen. von denn hailigen engel

geschehen. von dem anfang der welt. vnd außreütung menger reichtumb. vnd des letsten

künigs der ro(e)mer geschicht. vnd künfftige überwindung. wider die Türcken. vnd von

der erlo(e)sung der cristen. vnnd nidertruckung der sarracenen. Uon der nüwerung vnd

gemainen fryd der cristenlichen kirchen Und von der volbringung des ends der weltt. Als

dem wirdigen glauplichen. grünlichen aynhelligkaiten der wyssagungen. [...]. Basel, Michael Furter, 1504. [zitiert nach VD 16, Nr. M 4936]

(PSEUDO-)METHODIUS: Methodius olimpi lyci primum: et postea Tyri ciuitatum episcopus: nitido

compositoque sermone multa egregia edidit documenta. et praesertim de mundi creatione:

qui in carcere ei existenti ab angelo fuerunt reuelata....[Hg. von (Sebastiani Brant)] (cura...

Wolffgangi Aytinger...). Basel, Michael Furter, 1515. [zitiert nach VD 16, Nr. M 4935]

PETRARCA, Francesco: Librorum Francisci Petrarchae Basilae Impressorum Annotatio [...]. Basel, Johann Amerbach, 1496.

SABELLICUS, Marcus Antonius: M. Antonii Coccii Sabellici opera omnia, ab infinitis quibus

scatebant mendis, repurgata & castigata: cum supplemento Rapsodiae historiarum ab

Orbe condito, ad haec usque tempora, pulcherrimo ac diligentissimo, in Tomos quattuor

digesta: qui, quid contineant, aduersa pagina indicabit: atque haec omnia per Caelium

Secundum Curionem, non sine magno labore iudicioque confecta. Basileae, per Ioannem

Hernagium, Anno M.D.L.X. Basel, Johannes Herwagen, 1560. [Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: PO 2.75/11]

SCHEDEL Hartmann: Liber Chronicarum, Nürnberg, Anton Koberger, 1493.

SLEIDAN Johannes: De quattuor summis imperiis libri tres.1556.

TENGLER, Ulrich: Layenspiegel. Von rechtmässigen Ordnungen in burgerlichen und peinlichen

Regimenten, mit Allegation und Bewerungen auß geschribnen Rechten unnd Gesatzen. Straßburg, Matthias Hupfuff, 1510 [Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: R 2215,a].

TRITHEMIUS, Johannes: Cathalogus illustrium virorum Germaniam suis ingeniis et

lucubrationibus exornantium. Mainz, Peter Friedberg, 1495 [nach 14. August]. [Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: MK 94/155]

TRITHEMIUS, Johannes: De scriptoribus ecclesiasticis. Basel, Johann Amerbach, 1494 [nach 28. August].

VARTHEMA, Ludovico DE: Die Ritterlich vn(d) lobwirdig rayss des gestrengen vn(d) vber all ander

weyt erfarnen ritters und Lantfarers herren Ludowico vartomans vo(n) Bolonia.... Straßburg, Johannes Knoblouch, 1516.

VERARDUS, Carolus: In laudem Serenissimi Ferdinandi Hispaniarum regis Bethicae et regni

Granatae obsidio victoria et triumphus Et de Insulis in mari Indico nuper inuentis. Basel, Johann Bergmann von Olpe, 1494. [Benutztes Exemplar: UB Freiburg, Sign.: Ink. G 6142]

VIRGILIUS, PUBLIUS MARO: Publij Virgilij maronis opera. Straßburg, Johannes Grüninger, 1502.

WIMPFELING, Jakob: Epitome rerum Germanicarum. Straßburg, Johannes Prüß, 1505.

2.1.2. Gedruckte Quellen (ab 1701)

ACCOLTI, Benedetto: De bello a Christianis contra barbaros gesto pro Christi sepulchro et Iudaea

recuperandis libri IV. Herausgegeben von Paul RIANT, Paris 1895 (Recueil des historiens des croisades. Historiens Occidentaux. Band 5). S. 525-620

AEGIDIUS VON VITERBO: Scechina e libellus de litteris Hebraicis. Egidio da Viterbo. Inediti a cura di François SECRET. Roma 1959 (Edizione nazionale dei classici del pensiero italiano II, 10-11).

Page 265: Sebastian Brant als Historiker. Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der osmanischen Expansion

265

AMERBACH, Johann: Die Amerbachkorrespondenz. Im Auftrag der Kommission für die öffentliche Bibliothek des Universität Basel bearbeitet und herausgegeben von Alfred HARTMANN. 1.

Band: Die Briefe aus der Zeit Johann Amerbachs 1481-1513. Basel 1942.

ANTONIUS FLORENTINUS: Chronicon sive Summa Historialis. Chroniques de Saint Antonin.

Fragments originaux du titre XXII (1378-1459). Herausgegeben von Raoul MORÇAY. Paris 1913.

AUGUSTINUS, Aurelius: Sancti Aurelii Augustini De civitate Dei libri XXII ad fidem quartae

editionis Teubnerianae quam anno MCMXXVIII-MCMXXIX curaverunt Bernardus

DOMBART et Alphonsus KALB paucis emendatis mutatis additis. 2 Bände. Turnholti MCMLV (Corpus Christianorum. Series Latina XLVII-XLVIII. Aurelii Augustini Opera Pars XIX, 1-2).

BARON, Hans: Leonardo Bruni Aretino. Humanistisch-philosophische Schriften. Mit einer

Chronologie seiner Werke und Briefe. Leipzig 1928 (Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 1).

BESSARION: Oratio habita in conventu Nurimbergensi, in: Ludwig MOHLER: Kardinal Bessarion als Theologe, Humanist und Staatsmann. Bd. 3: Aus Bessarions Gelehrtenkreis. Abhandlungen, Reden Briefe. Paderborn 1942 (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte 24), S. 377-83.

DIE BIBEL. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung. Herausgegeben im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Luxemburg, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen-Brixen. Für die Psalmen und das Neue Testament auch im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Evangelischen Bibelwerks in der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart 1980.

BIBLIA SACRA: Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem adiuvantibus Bonifatio FISCHER OSB, Iohanne GRIBOMONT OSB, H. F. D. SPARKS, W. THIELE. Recensuit et brevi apparatu instruxuit Robertus WEBER OSB. Württembergische Bibelanstalt Stuttgart. Stuttgart 21975.

BIONDO, Flavio: Scritti inediti e rari di Flavio Biondo. Herausgegeben von Bartolomeo NOGARA, Roma 1927 (Studi e testi. 48).

BOCCACCIO, Giovanni: De casibus virorum illustrium. A cura di Pier Giorgio RICCI e Vittorio ZACCARIA. Milano 1983 (Tutte le opere di Giovanni Boccaccio. A cura di Vittore BRANCA. Vol. 9).

BOCCACCIO, Giovanni: Genealogia Deorum Gentilium Libri. Herausgegeben von Vincenzo ROMANO. 2 Bde. Bari 1951 (Scrittori d’Italia 200 / 201; Giovanni Boccaccio Opere X / XI).

BOCCACCIO, Giovanni: De mulieribus claris. A cura di Vittorio ZACCARIA. Milano 1967 (Tutte le opere di Giovanni Boccaccio. A cura di Vittore BRANCA. Vol. 10).

BONFINI, Antonio: Rerum Ungaricum Decades. Ed. I. FÓGEL. 5 Bände. 1936-1941, 1976 (Appendix, fontes, index. Ed. Margarita KULCSAR) (Bibliotheca scriptorum medii recentisque aevorum. Saeculum XV).

BRANT, Sebastian: Flugblätter des Sebastian Brant. Mit einem Nachwort von Professor Dr. F.

Schultz, herausgegeben von Paul HEITZ, Straßburg 1915 (Jahresgaben der Gesellschaft für Elsässische Literatur 3).

BRANT, Sebastian: Das Narrenschiff. Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der

Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben. Zweite, erweiterte Auflage. Herausgegeben von Manfred LEMMER. Tübingen 1968.

BRANT, Sebastian: Das Narrenschiff des Dr. Sebastian Brant, nebst dessen Freiheitstafeln. Herausgegeben von Adam Walther STROBEL, Quedlinburg, Leipzig 1839 (Bibliothek der gesamten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit 17).

Page 266: Sebastian Brant als Historiker. Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der osmanischen Expansion

266

BRANT, Sebastian: Das Narrenschiff. Faksimile der Erstausgabe Basel 1494. Herausgegeben von Dieter WUTTKE. Baden-Baden 1994 (Saecula spiritalia 6).

BRANT, Sebastian: Das Narrenschiff. Studienausgabe. Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel

1494. Herausgegeben von Joachim KNAPE. Stuttgart 2005.

BRANT, Sebastian: Das neue Narrenschiff. Herausgegeben von Loek GEERAEDTS. Dortmund 1981 (Deutsche Wiegendrucke. Edition XV.-XVI. Jahrhundert).

BRANT, Sebastian: Kleine Texte. Herausgegeben von Thomas WILHELMI. 3 Bände. Stuttgart 1998 (Arbeiten und Editionen zur Mittleren Deutschen Literatur 3.1.1.; 3.1.2.; 3.2.).

BRUNI, Leonardo: Leonardo Bruni Aretino Historiarum Florentini Populi libri XII.

Herausgegeben von Emiglio SANTINI, Città di Castello o.J. (Rerum Italicarum Scriptores. Raccolta degli storici italiani dal cinquecento al millecinquecento [Muratori]. 19/3).

BRUNI, Leonardo: The Humanism of Leonardo Bruni. Selected Texts. Translation and Introduction by Gordon GRIFFITHS, James HANKINS, David THOMSON, New York 1987 (Medieval an Renaissance texts and studies. 46; The Renaissance Society of America. Renaissance Texts Series 10).

BUSCHMANN, Arno (Hg.): Kaiser und Reich. Klassische Texte und Dokumente zur

Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. München 1984.

CELTIS, Konrad: Die „Germania generalis“ des Conrad Celtis. Studien mit Edition, Übersetzung

und Kommentar. Gernot Michael MÜLLER. Tübingen 2001 (Frühe Neuzeit 67).

CHRONIK VON JERUSALEM. Farbiges Vollfaksimile nach dem Original (Signatur 2533) der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. München 1980.

COHN, Werner: Einblatttdrucke des Straßburger Druckerei Johannes Grüninger. Straßburg 1937 (Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts. Hg. von Paul Heitz 92).

CRIVELLI, Lodrisio: Leodrisii Cribelli De expeditione Pii Papae II adversus Turcos. Herausgegeben von Giulio G. ZIMOLO, Bologna o.J. (Rerum Italicarum Scriptores. Raccolta degli storici italiani dal Cinquecento al Millecinquecento [Muratori] 23/5), S. 3-107.

DEUTSCHE REICHSTAGSAKTEN unter Kaiser Friedrich III. 1453-54. Herausgegeben von Helmut WEIGEL und Henny GRÜNEISEN (RTA 19/1). Göttingen 1969.

EUSEBIUS VON CAESAREA: Die Kirchengeschichte. Herausgegeben im Auftrage der Kirchenväter-Commission der königlichen Preussischen Akademie der Wissenschaften von Eduard SCHWARTZ. Die lateinische Übersetzung des Rufinus bearbeitet im gleichen Auftrage von Theodor MOMMSEN. 3 Bände. Leipzig 1903-1909.

HANKINS, James: Renaissance Crusaders. Humanist Crusade Literature in the Age of Mehmed II., in: Dumbarton Oaks Papers 49 (1995), S. 111-207.

HEGESIPPUS: Hegesippi qui dicitur historiae libri V. Edidit Vincentius USSANI. Pars prior: textum criticum continens. Wien, Leipzig 1932. Pars posterior: praefationem Caroli Mras et indices Vincentii Ussani continens. Wien 1960 (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 66).

HEITZ, Paul(Hg.): Flugblätter des Sebastian Brant mit einem Nachwort von Professor Dr. F.

Schultz. Straßburg 1915 (Jahresgaben der Gesellschaft für Elsässische Literatur 3).

IORGA, Nicolas: Notes et extraits pour servir à l’histoire des croisades au XVe

siècle. Sechs Bände. Band 1-3 Paris 1899-1902; Band 4-6 Bukarest 1915-1916.

JOSEPHUS, Flavius: The latin Josephus I. Introduction and text. The Antiquities. Books I-IV. Herausgegeben von Franz BLATT, Koebenhavn 1958 (Acta Jutlandica. Aarskrift for Aarhus Universitet XXX/1. Humanistik Serie 44).

MARTIN VON TROPPAU: Martinus Oppaviensis Chronicon pontificum et imperatorum.

Herausgegeben von Ludwig WEILAND. Hannoverae 1872 (MGH Scriptores XXII).

Page 267: Sebastian Brant als Historiker. Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der osmanischen Expansion

267

MOHLER, Ludwig: Kardinal Bessarion als Theologe, Humanist und Staatsmann. Band 3: Aus

Bessarions Gelehrtenkreis. Abhandlungen, Reden Briefe. Paderborn 1942 (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte 24).

ROBERT VON REIMS: Roberti Monachi S. Remigii in Dioces Remensi Historia Hierosolymitana. Herausgegeben von J. P. MIGNE, Parisiis 1880 (Patrologia Latina 155).

ROBERT VON REIMS: Roberti monachi Historia Jherosolimitana, in: RHC Hist. Occ. Band III. Paris 1866, S. 717-882.

PERTUSI, Agostino: La caduta di Costantinopoli I-II (Band 1: Le testimonianze dei

contemporanei; Band 2: L’eco nel mondo). Milano 21990.

PERTUSI, Agostino: Testi inediti e poco noti sulla caduta die Costantinopoli. Edizione postuma a cura di Antonio CARILE. Bologna 1983 (Il mondo medievale. Sezione di storia bizantina e slava 4).

PETRARCA, Francesco: Il „Bucolicum carmen“ e i suoi commenti inediti. Edizione curata ed illustrata da Antonio AVENA. Padova 1906.

PETRARCA, Francesco: Peregrinatio/Itinerarium ad sepulcrum domini nostri Ihesu Christi (1358).

Itinerario in Terra Santa. Herausgegeben von F. LO MONACO. 1990.

PICCOLOMINI, Enea Silvio: Der Briefwechsel des Eneas Silvius Piccolomini. Abt. 3, Band 1: Briefe

von seiner Erhebung zum Bischof von Siena bis zum Ausgang des Regensburger Reichstags

(23.9.1450-1.6.1454). Herausgegeben von Rudolf WOLKAN. Wien 1918 (Fontes Rerum Austriacarum. Abt. II, Diplomata et Acta 68).

PICCOLOMINI, Enea Silvio: Lettera a Maometto II (Epistola ad Mahumetum) di Pio II. Hg. von Giuseppe TOFFANIN. Neapel 1953.

PICCOLOMINI, Enea Silvio: Aeneae Sylvii Piccolominei senensis, qui post adeptum Pontificatum

Pius eius Nominis secundus appellatus est, opera quae extant omnia, nunc demum post

corruptissimas aeditiones summa diligentia castigata & in unum corpus redacta, quorum

elenchum uersa pagella indicabit. His quoque accessit gnomologia ex omnibus Sylvii

operibus collecta, & Index rerum ac uerborum omnium copiosissimus, Basileae 1551, unveränderter Nachdruck Frankfurt am Main 1967.

PICCOLOMINI, Enea Silvio: Enee Silvii Piccolominei postea Pii PP II De Europa. Edidit commentaioque instruxit Adrianus van Heck. Città del Vaticano 2001.

PLATINA, Bartolomeo (Bartolomeo Sacchi): Platynae Historici Liber de vita Christi ac omnium

pontificum. Herausgegeben von Giacinto GAIDA. Città di Castello 1932 (Rerum Italicarum Scriptores. Raccolta degli Storici Italiani dal Cinquecento al Millecinquecento [Muratori] 3/1), S. 3-420.

POGGIO BRACCIOLINI: Poggii Florentini oratoris clarissimi ad illustrissimum principem

Sigismundum Pandulphum Malatestam de Miseria conditionis humanae, in: Poggii Bracciolini Opera Omnia. Con una premessa di Riccardo FUBINI. Tomus Primus: Scripta in editione Basiliensi anno MDXXXVIII collata. Torino 1964, S. 88-131 (Monumenta Politica et Philosophica rariora ex optimis editionibus phototypice expressa, curante Luigi FIRPO. Series II, Numerus 4).

RHENANUS, Beatus: Briefwechsel des Beatus Rhenanus. Gesammelt und herausgegeben von Adalbert HORAWITZ und Karl HARTFELDER. Leipzig 1886, ND Hildesheim 1966.

SALUTATI, Coluccio: Epistolario. A cura di Francesco NOVATI. 4 Bände. Roma 1891-1911.

SCHEDEL, Hartmann: Weltchronik. Kolorierte Gesamtausgabe von 1493. Einleitung und Kommentar von Stephan FÜSSEL, Köln u.a. 2001.

Page 268: Sebastian Brant als Historiker. Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der osmanischen Expansion

268

WENCKER, Jacob: Apparatus et instructus archivorum ex usu nostri temporis, vulgo Von

Registratur und renovatur novis observationibus nec non rerum germanicarum praesidiis

adornatus, auctus & illustratus ex archivis & bibliothecis. Straßburg 1713.

WIDMER, Berthe: Enea Silvio Piccolomini. Papst Pius II. Ausgewählte Texte aus seinen Schriften. Basel, Stuttgart 1960.

WILHELMI, Thomas: Sebastian Brant. Kleine Texte. 2 Bde, Stuttgart - Bad Cannstatt 1998 (Arbeiten und Editionen zur Mittleren Deutschen Literatur. Neue Folge 3.1.1. und 3.1.2.).

WILHELMI, Thomas: Sebastian Brant. Noten zur Edition. Stuttgart - Bad Cannstatt 1998 (Arbeiten und Editionen zur Mittleren Deutschen Literatur. Neue Folge 3.2.).

WIMPFELING, Jakob: Briefwechsel. Eingeleitet, kommentiert und herausgegeben von Otto

HERDING und Dieter MERTENS. 2 Bde, München 1990 (Jacobi Wimpfelingi opera).

ZIMMERSCHE CHRONIK. Herausgegeben von K. A. BARACK. Band I, Stuttgart 1869.

2.2. Literatur

2.2.1. Kataloge

Arnim = ARNIM, Manfred von: Katalog der Bibliothek Otto Schäfer Schweinfurt. Teil 1: Drucke,

Manuskripte und Einbände des 15. Jahrhunderts. 1. Halbband. Stuttgart 1984.

BAV = Bibliothecae Apostolicae Vaticanae Incunabula. Edited by William J. SHEEHAN C.S.B. 4 Bde. Città del Vaticano 1997 (Studi e testi 380).

BSB = Bayrische Staatsbibliothek: Inkunabelkatalog. Redaktion: Elmar HERTRICH u.a. 5 Bde. Wiesbaden 1988-2000.

BN = Bibliotheque Nationale. Catalogue général des livres imprimés de la Bibliotheque Nationale.

Auteurs. T. 1-132. Paris 1879-1981.

BM = British Museum. General Catalogue of printed books. Photolithographic edition to 1955. Vol. 1-263. London 1965-1966.

BRUNET = BRUNET, Jaques-Charles: Manuel du libraire et de l'armateur de livres. Sechs Bände, zwei Supplement-Bände. Paris 1860-1865, 1878-1880.

BMC = Catalogue of books printed in the XVth Century now in the British Museum. P 1-10. London 1908-1971.

CBHS = Catalogus Librorum sedecimo saeculo impressorum, qui in Bibliotheca Nationali

Hungariae Széchényana asservantur. Editiones non Hungarice et extra Hungariam

empressae. Composuerunt Elisabetha SOLTÉSZ, Catharina VELENCZEI, Agnes W. SALGÓ. 3 Bde. Budapest 1990.

Chrisman = CHRISMAN, Miriam Usher: Bibliography of Strasbourg imprints 1480-1599. New Haven 1982.

CHUL = A catalogue of the fifteenth-century printed books in the Harvard University Library.

Volume 1: Books printed in Germany, German-speaking Switzerland, and Austria-

Hungary. By James E WALSH. Binghamton, New York 1991 (Medieval & Renaissance texts & studies. 84).

Eisermann = EISERMANN, Falk: Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke des 15.

Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. VE 15. Wiesbaden 2004.

Georgi = GEORGI, Theophilus: Allgemeines Europäisches Bücherlexicon. Leipzig 1742. Supplemente: ebd. 1750-1758.

Page 269: Sebastian Brant als Historiker. Zur Perzeption des Reichs und der Christenheit im Schatten der osmanischen Expansion

269

GW = Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Herausgegeben von der Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Bisher 9 Bde. Leipzig, Stuttgart, Berlin, New York 1925-1991.

Goedecke = GOEDECKE, Karl: Grundrisz der Geschichte der deutschen Dichtung. 4 Bände. 2. Auflage Dresden 1884-1891.

Goff = GOFF, Frederick Richmond: Incunabula in American Libraries. A third Census of

Fifteenth-Century books recorded in North American Collections. New York 1964.

Hain = HAIN, Ludwig: Repertorium bibliographicum in quo libri omnes ab arte typographica

inventa usque ad annum M.D. typis expressi, ordine alphabetico vel simpliciter

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- Band 3: Auf der Höhe des Lebens. 1500-1508. Der große Systemwechsel. Politischer

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- Band 4: Gründung des habsburgischen Weltreiches. Lebensabend und Tod 1508-1519. München 1981.

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3. Abbildungen

3.1. Übersicht

Abbildung 1 Titelblatt De origine, fol. Ar

Abbildung 2 Herrscher über Jerusalem, De origine, fol. Tiiijr

Abbildung 3 König Ferdinand von Kastilien und Aragón, unbekannter Meister des Verardus, Basel, Bergmann von Olpe, 1494

Abbildung 4 Titelblatt Von dem anfang, fol. [i]

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3.2. Abbildungen

Abb. 1: Titelblatt De origine, fol. Ar

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Abb. 2: Herrscher über Jerusalem, De origine, fol. Tiiijr

Abb. 3: König Ferdinand von Kastilien und Aragón, unbekannter Meister des Verardus (Basel, Bergmann von Olpe, 1494)

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Abb. 4: Titelblatt Von dem anfang, fol. [i]