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Apr 14, 2018

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    Skriptum zur VorlesungTheologie Interkulturell Afrikanische Traditi-

    onelle Religiongelesen von

    Univ. Prof. Dr. Dr. Claude Ozankomim Wintersemester 2003/04

    Skriptum erstellt von: Bernhard Rohrmoser

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    Theologie Interkulturell Afrikanisch Traditionelle Religionen 1

    0. Einfhrung

    Das Afrika, dass wir betrachten wollen, ist Schwarzafrika. Aufgrund der zunehmenden Glo-balisierung, muss man sich fragen, was die geistige Substanz dieses Erdteils ist. Gibt es inAfrika berhaupt die geistigen Ressourcen, um sich gegen die globalen Herausforderungen

    behaupten zu knnen?Die Religion ist sicherlich eine dieser geforderten Ressourcen. Der Mastab dieser Vorlesungsind die Bantu-Vlker. ntu bedeutet Mensch. Bantu ist dann der Plural, also Menschen. Esgibt in Afrika viele Vlker mit hnlichen Namen: z.B. Mur = Mensch und Muntu = MenschenDiese Vlker leben vor allem in Zentralafrika.

    1. Religion oder Religionen?

    Die erste Frage, mit der wir uns beschftigen wollen, ist, ob es in Afrika eine Religion odermehrere Religionen gibt. Bezglich dieser Frage herrscht bei den Wissenschaftlern kein Kon-

    sens. Interessant ist, dass die auslndischen Experten (z.B. Louis-Vincent Thomas, ReneBastide, Rene Luneau ...) fr die Pluralittsthese, also fr Religionen, eintreten. Sie betrachtendie einzelnen Volksgruppen jeweils gesondert, d.h. der Savannenbewohner hat beispielsweiseeine andere Religion als der Waldbewohner.Die afrikanischen Experten treten fr den Begriff einer einzigen und im Kern gleichen Religi-on ein. Dies ist aus den Unterlagen verschiedener Kongresse (Abidjan 1961, Cotonou 1970,Kinshasa 1978) deutlich zu entnehmen.Je nach Blickwinkel, sind beide Begriffe zutreffend. Es kommt darauf an, worauf derer Blickgerichtet wird. Grundstzlich weist die Religion im vorkolonialen Afrika eine grundlegendeEinheit auf. Die grte Herausforderung bei der afrikanischen Religion ist ein angemessenesReligionsverstndnis. Die Geschichte ist diesbezglich voll von Missverstndnissen.

    2. Frhere Interpretationen der afrikanischen traditionellen Re-

    ligion

    Die Afrikanische traditionelle Religion sei primitivDas Wort primitiv kann auch als ursprnglich oder originr aufgefasst werden, d.h. dieseReligion steht auf der untersten Entwicklungsstufe. Diese These wurde von Charles de Bros-se im 17. Jh. vertreten und salonfhig gemacht. Ausgehend von den Berichten der Missionareund Expeditionen sagte er, dass das Leben in Afrika auf der ersten Entwicklungsstufe stehe.Also trifft dies auch fr die Religion zu.

    Lord Arebury stellte bezglich der Religion folgende Reihenfolge auf: 1. Atheismus, 2. Feti-schismus, 3. Totemismus, 4. Schamanismus, 5. Gtzenverehrung, 6. Verehrung eines Schp-fergottes als Weltherrscher; Er klassifizierte Afrika als auf der ersten Stufe stehend.primitiv beruht auf Missverstndnissen und auf Kategorisierungen von Interpreten, dieteilweise nie in Afrika waren. Charles de Brosse war beispielsweise nie in Afrika. Die afrika-nische traditionelle Religion ist nicht primitiv, sondern auf einer anderen Entwicklungsstufe.Sie stellt eine Hilfe fr die Menschen dar, um beispielsweise ihr Verhltnis zur Umwelt zudeuten.Blickt man auf die einzelnen Volksgruppen (Stmme), so muss man von Religionen sprechen.Diese Volksgruppen sind untereinander vernetzt und haben in ihrer Religion einen gemein-samen Kern.

    Die afrikanischen Religionen wurden durch die Kolonialherren, Sklavenhndler und durchsogenannte Forscher als primitiv eingestuft. Die Forscher waren nicht in der Lage die afrika-nische Religion richtig einzuschtzen.

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    Auch das zweite Vatikanum erwhnte diese Religionen nicht (sieh auch Lumen Gentium 16).Die Kirche hat versucht diese Lcke zu schlieen. Heute versucht sie diesbezglich einenDialog herzustellen. Lange Zeit waren diese Religionen fr die Kirche Teufelswerk.Die Menschen gingen hier nicht voraussetzungslos auf diese Religion zu. Die dadurch vorge-nommenen Kategorisierungen dienten als erste Orientierung. Diesbezglich gibt es eigentlich

    keine Neutralitt. Der Hang zur Kategorisierung verursachte diese Fehleinschtzung, dass dieafrikanische Religion primitiv sei, was sie keineswegs ist.

    Die afrikanische traditionelle Religion ist TotemismusDer Begriff Totemismus kommt eigentlich aus den USA von den Indianern und impliziert indiesem Zusammenhang einen primitiven Glauben. Die Menschen glauben, dass sie in einerBeziehung mit Tieren und Pflanzen leben oder sogar von ihnen abstammen. Der Begriff wur-de von den Indianern auf Afrika bertragen.Die These, die afrikanische traditionelle Religion sei Totemismus, wurde von Emil Djrg-heim aufgestellt. Der Afrikaner lebt in einer engen Beziehung mit seiner Umwelt. Er glaubt,alles, was er der Umwelt antut, kommt zurck. Es gibt zwar diese Gedankengut (z.B. gibt es

    die Sippe des Elefanten), aber diese Beziehung wird nicht als Verwandtschaftsbeziehung an-gesehen. Der Elefant beispielsweise ist das Markenzeichen einer Sippe. Das Markenzeichenist eine Mglichkeit. Andere Mglichkeit: Clan des Lwen: Der Ahne war so stark wie einLwe. Also mssen auch die Nachkommen so stark sein.Es gibt in Afrika ein Gedankengut in Richtung Totemismus. Es ist jedoch ein grobes Missver-stndnis die afrikanische Religion nur im Zeichen des Totemismus zu sehen.

    Die Religion Afrikas erschpft sich im AhnenkultDiese Behauptung geht zu kurz. Der Ahnenkult ist bei den Afrikanern zwar wichtig, abernicht alles. In Bezug auf das Christentum wrde eine gleichbedeutende Behauptung lauten:Im Christentum werden nur die Heiligen verehrt.

    PolytheismusPolytheismus ist die Verehrung von mehreren Gttern oder transzendenten Wesen. Dies ist

    bei der afrikanisch traditionellen Religion nicht so. Gott hat eine einzigartige und konkurrenz-lose Stellung als Herrscher. Folgende Hierarchie ist diesbezglich zu beachten:

    1. Gott2. Ahnen und Helden3. Welt (Menschen)

    Die Ahnen und Helden stehen zwar ber den Menschen und sind in diese Hierarchie einge-bunden, sie sind aber keine Gtter. Nicht bei allen Stmmen sind die Ahnen in diese Rang-ordnung eingebunden.

    AnimismusTylor prgte diesen Begriff durch seine Arbeiten (Animismus = believ in spirtit beings).Der Geist verlsst nach dem Tod den Krper, um in einem anderen Wesen (Tier, Pflanze,Mensch) wirksam zu werden. Schlielich ist die ganze Welt voll von Geistern und beseelt.Die Afrikaner glauben beispielsweise, dass jede Pflanze eine gewisse Kraft besitzt. Das stelltaber noch keinen Geist dar.Die afrikanischen Jugendlichen von heute knnen mit diesem Wissen der Medizinmnner

    nichts mehr anfangen. Darum geht dieses Wissen verloren. Die Medizinmnner betten dasWissen um die Wirksamkeit einer Pflanze in Zeremonien ein. Auch der Begriff Animismuskann die traditionelle afrikanische Religion nicht adquat beschreiben.

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    Andere und bessere Definitionen wurden von folgenden Wissenschaftern geprgt:

    John Mbiti (Ostafrika) Engelbert Mveng (Befreiungstheologe, der ermordet wurde) Vincent Mulago (Kongo) Rene Luneau (Frankreich) Louis-Vincent Thomas (Frankreich)

    Jean-Marc Ela, der Kollege von Engelbert Mveng, musste aus Afrika fliehen.Um zu einem besseren Verstndnis der afrikanisch traditionellen Religion zu kommen mussman genauer auf das Wesen der Religion achten und den europischen Begriff der Aufklrungber die afrikanisch traditionelle Religion verndern. Wichtige Wissenschaften in diesem Zu-sammenhang:

    Religionsgeschichte : geht der Entstehung der Religion nachReligionspsychologie : was bedeutet Religion fr die Seele und Psyche

    Religionssoziologie: Sie untersucht die gesellschaftlichen Faktoren, die eine bestimmte Reli-gion mitbestimmen. Nicht nur der Glaube bestimmt die Entwicklung einer Religion.

    Verbindet man Religionspsychologie und Religionssoziologie kommt man zu Zndstoff. Re-ligion kann beispielsweise Menschen krank machen und muss nicht immer heilsstiftend sein.

    Religionsphnomenologie : vorurteilsfreie Darstellung und Wahrnehmung der Religion inihren VorzgenReligionsphilosophie : Sie stellt die Frage nach dem Sein der Welt und des Menschen in Be-zug auf Gott. Die Religionsphilosophie darf nicht mit der Philosophie der Religion verwech-selt werde, weil sich die Philosophie der Religion mit der Zuordnung der einzelnen Religio-

    nen und mit der Suche von Logik darin beschftigt.Theologie der Religionen im Rahmen christlicher Theologie: Beziehung der Religioneneinerseits und dem Christentum andererseits

    Es gibt vier Problemfelder:

    1. Haben die Nichtchristen ein Recht auf Heil (Dogmatik)?2. Was sind die Kriterien fr die Beurteilung von Religionen?3. Wie gestalten sich konkret und praktisch die Beziehungen zwischen den Religionen?4. religionskritisches Problem: die Vielfalt als Argument gegen eine Religion oder gegen

    die Richtigkeit der Religion

    Der Dogmatiker Karl Barth war beispielsweise der Meinung, dass das Christentum die einzi-ge heilsgebende Religion sei. Durch alle anderen Religionen kann der Mensch nicht zum Heilgelangen (Exklusivismus).

    Was ist unter afrikanisch traditioneller Religion zu verstehen?

    Die afrikanisch traditionelle Religion ist durch Mndlichkeit geprgt. Es gibt keine heiligenSchriften, keine Grndergestalten und keine Fachleute. Auch existiert keine Trennung zwi-schen dem religisen und profanen Bereich des Lebens, weil das Leben als eines begriffen

    wird. Die berlieferung luft ber die Menschen: Stirbt ein alter Mensch in Afrika, stirbteine Bibliothek. Mit der Einfhrung der europischen Form der Schule wurde die mndlicheberlieferung von Religion unterbrochen. Dies stellt heute ein groes Problem dar.

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    Um die afrikanische Religion zu verstehen, darf nicht der christliche und europische Begriffvon Religion verwendet werden.Wir verwenden die Religionsphnomenologie, um uns an das Thema der Vorlesung heranzu-tasten. Wie schon erwhnt, sind die Religionen im vorkolonialen Afrika von Mndlichkeitgeprgt. Eine Ausnahmen stellen thiopien und das Knigreich Kongo dar. Das Knigreich

    Kongo ist eigentlich keine wirkliche Ausnahme, weil im 15. Jh. der portugiesische Entde-ckungsreisende Diego Cao die Schrift mitbrachte.1884-58 fand die Berliner Kongokonferenz statt, die die Grenzziehungen im Kongo festlegte.

    Fragt man einen religisen Afrikaner nach seiner Religion, so wird man sehen, dass er sichdarber nicht viele Gedanken gemacht hat. Die traditionelle afrikanische Religion kennt eineGottesvorstellung, ein Menschenbild und ethische Vorstellungen. Es existiert der Glaube anein transzendentes Wesen, dass durch die Ahnen kennen gelernt wird.

    Moral

    RechtWortLebenGlck

    Unsichtbare Welt

    Sichtbare Welt

    Leid

    AhnenTote

    MenschenUmwelt

    Die Thematisierung des afrikanischen Religionsverstndnisses erhlt durch den Begriff Le-ben Orientierung.

    3. Leben in der Gemeinschaft als Schlssel zum Religionsver

    stndnis in Afrika

    Die Afrikaner schtzen das Leben als wichtigstes Gut. Leben luft in einer Rangordnung ab.Diese Rangordnung umfasst zwei Bereiche: die sichtbare und die unsichtbare Welt. In derunsichtbaren Welt ist Gott an erster Stelle. Dann folgen die Ahnen. In der sichtbaren Weltsteht der Knig an erster Stelle. Dann folgen die, die an der Macht teilnehmen. Dem gemsieht die hierarchische Ordnung im Lebensvollzug folgendermaen aus:

    Unsichtbare Welt Sichtbare Welt

    Gott Knig/Huptling LebenAhnen: Grnder Clanvorsteherder Volksgruppe ltesteHelden Junge ElternAndere Vor- Unverheiratetefahren Erwachsene

    Kinder

    Gott

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    Der Kreis, der alles umgibt, ist das Leben!

    Das Leben hlt beide Welten zusammen. Mit Leben ist eigentlich Teilnahme (Partizipation)gemeint. Zwischen beiden Welten gibt es einen Kreislauf und eine Kommunikation. JederMensch muss die Ordnung akzeptieren und nur durch die Teilnahem am Kreislauf erlangt der

    Mensch Erfllung.Die eine Seite ist das Verhltnis zu den Nachkommen, Ahnen und Gott. Die andere Seitestellt das Verhltnis zu Grund und Besitz, also zur materiellen Grundlage des Lebens, dar.Der Ort zur Entfaltung des Lebens ist die Grofamilie. Es sind dies Menschen, die durch einweitverzweigtes Beziehungsgeflecht verbunden sind. Ein Mensch kann durch Geburt, Heirat,Pakt des Blutes (selten) und durch Adoption (selten) zu einer Grofamilie gehren.Ist fr zwei Menschen die Freundschaft nicht mehr genug, so schlieen sie einen Pakt desBlutes. Das Blut der Beiden wurde vermischt und dann gemeinsam mit einer Flssigkeit ge-trunken oder es wurde eine Frucht mit einem roten Saft verwendet. Adoption kommt bei weit-schichtigster Verwandtschaft vor.Eine Familie ist also eine groe Anzahl von Menschen, die in konzentrischen Kreisen ver-

    wandt oder verbunden sind. Die erste Stufe stellt diesbezglich die Kleinfamilie dar. Diessind nicht nur die Eltern und ihre Kinder, sonder alle Verwandten der aufsteigenden Linie Zhlung nach Vater oder Mutter mglich. Je nach Zhlung zhlt der Vater oder die Mutter nur1 x. Der andere Ehepartner hat die gesamte Verwandtschaft im Rcken. Viele Verwandtewerden dann als Bruder oder Schwester bezeichnet.Die zweite Stufe ist der Zusammenschluss von Kleinfamilien zu einer Grofamilie (Clan).Entscheitend ist, dass sie einen gemeinsamen Ahnen besitzen mssen. Dieser muss nicht un-

    bedingt historisch sein.Die Existenz des Individuums kommt in der Gemeinschaft zur Geltung: Sie sind, also binich. Diese Gesellschaft ist zweidimensional, weil sie die Lebenden und die Verstorbenenumfasst. Die Ahnen erfahren Respekt und Verehrung. Im Mittelpunkt steht eine harmonische

    Lebensentfaltung: Keine Ressource gehrt einem Menschen allein. Jeder muss lebenszerst-rende Dinge vermeiden, weil das Bse des Einzelnen die ganze Gruppe beeinflusst. Der Ein-zelne soll versuchen, das Leben im Einklang mit der Umwelt zu leben. Das Eingebettet-Seinin die Gemeinschaft wird als Leben im Kosmos oder als Verbindung zum Kosmos gesehen.Das Leben soll im Einklang mit dem Kosmos oder der Umwelt geschehen.Die Gemeinschaft ist keineswegs tadellos. Dieses bergewicht des sozialen Gefges verur-sacht Erstarrung. Das fhrt dazu, dass junge Menschen die Drfer verlassen, um in den Std-ten Freiheit zu suchen. Meistens wird diese Hoffnung nicht erfllt. Jean-Marc Ela, ein Theo-loge aus Kamerun, beschrieb diese Entwicklung. In Afrika ist eine Dualitt des Systems geb-eben: Das Alte ist noch nicht verschwunden und das Neue ist noch nicht voll etabliert. Diesezwei Systeme mssen noch in Einklang gebracht werden.Im politischen Bereich spielt der Tribalismus eine groe Rolle. Viele Afrikaner whlen diePartei, die von einem Stammesangehrigen gegrndet wurde. Ziele und Programme spielendabei keine Rolle. Tribalismus bedeutet, dass man sich dem anschliet, zu dem man sowiesoschon gehrt. Das zeigt, wie lebendig der Gemeinschaftssinn ist, aber auch seine Schattensei-ten. Die Afrikasondersynode erhob die Kirche zur Familie Gottes, um dem starken Familien-und Gemeinschaftssinn gerecht zu werden.Vincent Mulago beschreibt die Gesellschaftsstruktur in Afrika als Vitale Union, also alsTeilnahme an der Gesellschaft und am Leben. Teilnahme meint, dass jeder Mensch seinenPlatz im Beziehungsgefge und in der Welt erhalten soll. Der Rang des Einzelnen ergibt sichaus der Weitergabe von Ressourcen und der Partizipation. Der Huptling eines Stammes muss

    dafr Sorge tragen, dass alle etwas zum Leben haben (Interdependenz).

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    3.1. Gott in der traditionellen afrikanischen Religion

    3.1.1. Gott ist einzig und ohne Ursprung

    Das Leben stammt von Gott, der verschiedene Eigenschaften besitzt: Er ist einzig und ohne

    Ursprung. Im vorkolonialen Afrika glaubten die meisten Menschen an einen Gott. Das siehtman anhand von Legenden, liturgischen Handlungen ... Die Menschen hatten einen Namenfr den einen Gott:

    Baluba (Kongo): Vidye Luimbe (Angola): Nzambi Bakongo: Nzambi Herero (Namibia): Ndjambi Igbo (Nigeria): Chukwu

    Das Leben ist in der traditionellen afrikanischen Religion sakral und zentral, weil es von Gott

    kommt. Der einzige Gott ist Ursprung aus sich selbst und unergrndlicher Grund. Zwischenihm und den Menschen besteht eine unermessliche Distanz. Der Gott thront in der Hhe oderim Himmel und der Mensch wohnt auf der Erde. Himmel ist eine topografische Angabe, diedie fundamentale Distanz zwischen Gott den Menschen zeigt.Diese Metapher wird auch mit dem Bild vom hohen Berg wiedergegeben. Die Lwalwa, eineVolksgruppe aus dem Kongo, sagen folgendes: Das ist der hohe Berg, auf dem sich keinVogel niederlsst. Der Berg wird als Wohnsitz Gottes betrachtet und darum besteigen dieMenschen in Afrika die Berge nicht. Geht jemand trotzdem auf den Berg, so bewirkt dies kei-neswegs eine Entmythologisierung.Auch die Sonne wird als Symbol fr Gott betrachtet. Die Menschen knnen die Strahlen derSonne nicht ungestraft anblicken. Sie bestimmt den Wechsel von Tag und Nacht, den

    menschlichen Lebensrhythmus und die Jahreszeiten. Ihr unzugnglicher Raum und ihr Glanzzeigen wieder die Distanz zwischen Gott und den Menschen. Auch das Licht der Sonne spielthier eine Rolle. Dieses Licht und der Glanz machen aus ihr ein Wunder der Schnheit. Auchdurch das Licht wird Gott ausgedrckt.Die Symbole fr Gott sagen aus, dass er von den Menschen grundverschieden ist.

    3.1.2. Gott ist allmchtig und allgegenwrtig

    Dies wird durch das Bild des Leopardenbeschrieben. Der Leopard gilt in vielen berliefe-rungen als Knig des Waldes. Er ist mnnlich , alleine , mchtig und braucht ein Revier, indas kein anderer Leopard eindringen darf. Er ist der Knig der Knige. Auch das Bild desLwen wird benutzt.Der omniprsente Gott ist Herr des Sehens . Er ist Augenzeuge fr alles, was auf der Erde

    passiert. Ihm bleibt nichts verborgen. Er ist der Meister des Sehens, der selbst bei Nach gutsieht. Gott durchdringt alles mit seinem Blick. Sehen steht in engem Zusammenhang mit Wis-sen. Gott weis also alles. Sehen bedeutet in Afrika Augen haben.Gott wird auch als Herr des DA bezeichnet. Er weis alles was im DA geschieht. Die genann-ten Symbole fr Gott beschreiben seine Allmacht und Allgegenwart.

    3.1.3. Gott ist Schpfer und Erhalter allen Lebens

    Herr und Gebieter des Seins/aller Dinge ist ein Anruf an Gott. Der Titel Herr und Gebie-ter anerkennt den Anspruch des ersten Besitzers. Die Tradition erkennt diesen Titel auchMenschen an. Bei den Menschen mssen diejenigen, die nachher kommen, Tribut entrichten.

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    Bei Gott ist seine immerwhrende Gegenwart gemeint. Mit diesem Titel wird Gott personifi-ziert. Die Menschen nehmen ihn als personifizierte Realitt war. Die Anrede Schon-immer-dagewesener verweist auf die Anterioritt (anterior = vorn, weiter vorn gelegen) Gottes.Selbst der erste Ahne kam nach Gott zur Welt. Der Afrikaner hat Respekt vor dem Alter. Gottgehrt alles. Er ist Herr und Gebieter ber Mensch und Welt, also Herr und Gebieter aller

    Dinge.Der Mensch und das Universum erleben sich auf diesem Hintergrund als Meisterwerke einesgenialen Knstlers. Der traditionelle Afrikaner versteht sich selbst als Kunstwerk des perfek-ten und gttlichen Knstlers, das keine noch so schne Statue ersetzen knnte. In diesem Sinnwird der Mensch als Ebenbild Gottes und als Glanz und Schmuck der Welt gesehen. Gott istAutor (Schpfer) und nicht nur Besitzer der Welt.These 1: Gott ist ein Knstler und braucht zur Schpfung Material. Gott ist Ursprung dessen,was die Dinge sind. Ihr Wesen wird von ihm bestimmt.These 2: Gott braucht zur Schpfung kein Material (creatio ex nihilo).Die ontologische (Ontologie = die Lehre vom Sein, vom Wesen und den Eigenschaften desSeienden) Differenz ist der Unterschied zwischen Schpfer und Geschpf. Dies kommt in

    Metaphern zum Ausdruck. Gott wird darin als ltester Ahne dargestellt. Diese Bild dient nurder Hinfhrung zu Gott, weil Gott im Gegensatz zum Ahn schaffen und schpfen kann. DerAhn gibt nur weiter, was er erhalten hat. Gott aber ist die Quelle.Gott gewhrleistet die Stabilitt des Universums. Dies wird mit dem Bild des Pfeilers oder derSule mit dem Haus darauf ausgedrckt. Dieses Bild der Architektur wird auf Gott bertra-gen: Das Universum hat als Fundament (Pfeiler/Sule) Gott. Dieses Bild wird auch oft aufden Menschen umgemnzt. Ein Mensch kann beispielsweise eine ganze Sippe tragen. Gott istdas Prinzip der Stabilitt und des Zusammenhalts des Universums und des menschlichen Ge-

    budes. Gott wird damit nicht zu einem Teil der Welt gemacht. Er wird auch nicht als einesder kosmischen Elemente verstanden. Eine Befragung der Geschpfe knnte die Menschen zuGott fhren. Wir haben ein kosmisches Haus, mit dem sich der Mensch zufrieden geben kann.

    Er muss nicht zwangslufig nach Gott fragen.

    3.1.4. Gott ist gtig

    Der Afrikaner erlebt Gott als frsorglich. Er ist gtig gegenber der gesamten Schpfung undin besonderer Weise gegenber dem Menschen. Dies findet Ausdruck in den Anrufungen anGott in Notlagen der Menschen. In der Sahel-Zone beispielsweise rufen die Menschen Gottum Regen fr sich, aber auch fr die Natur, an. Wer Gott vertraut, erfhrt seine Flle. DieLuba sagen Folgendes: Gott ist der herrliche, groe Geber, der auch den Bumen im Wald

    gibt. Gott beschenkt sogar die Bume im Wald. Er ist grozgig und verschwenderisch. DieMenschen denken immer auch an die Natur. Sie Leben in Gemeinschaft mit der Natur. Mannennt das Konnaturalitt.

    3.1.5. Gott ist allwissend, transzendent und immanent zugleich

    Allwissend drckt die hchste Ehrenstellung aus, weil die Weisheit als hchstes Gut angese-hen wird. Die Weisheit Gottes ist absolut und nicht bruchstckhaft. Weisheit bedeutet in Af-rika sich auf das Leben zu verstehen, d.h. das Wenige, was man weis, auf das Leben hin zuartikulieren. Alter reicht fr Weisheit nicht aus, weil die Praxis entscheidend ist.Akan (Ghana): Gott ist derjenige, der alles sieht und weis.Yoruba (Nigeria): Gott ist der Weise, der Erkenner der Herzen, der sowohl das Innere und

    uere der Menschen kennt.Gott ist so nah, dass die Menschen bei ihm geborgen sind und er ist so fern (transzendent),dass er unerreichbar ist. Daher entsteht der Eindruck, dass sich manche Vlker lieber an die

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    Ahnen wenden. Die Menschen erfahren sich als geliebte, abhngige und bedingte Wesen. Siefhren ihr Leben vor Gott. Was ihnen diesbezglich fehlt, ist die Hinwendung zu Gott, weildie Ahnen als nher erscheinen.

    Exkurs: Theodizee - Das Schweigen Gottes (siehe Gliederung)

    Gott wird in vielerlei Hinsicht als schweigender Gott erlebt. Der Mensch scheint vergebensauf eine klare Antwort von Gott zu warten. Diese Erfahrung beunruhigt, weil sie im Wider-spruch zum Bild des fhrsorgenden und mitfhlenden Gottes steht. Wie ist es mglich imAngesicht von Krankheit und Leit an Gott zu Glauben und von ihm zu sprechen.

    Die Erfahrung der kleinen UnzulnglichkeitenEs gibt drei Gruppen von Texten, mit denen wir uns beschftigen.Die erste Gruppe artikuliert eine Unzulnglichkeit im Schpfungsakt Gottes. Die Menschenmerken, dass die Schpfung fr sie nicht hundertprozentig perfekt ist. Storichtung: Unzu-lnglichkeiten in der Schpfung, In diesen und hnlichen Texten wird ausgedrckt, dass das

    Werk Gottes nicht vollkommen ist. Die Allmacht Gottes wird nicht angetastet. Mangel anRespekt oder Undankbarkeit kommt in diesen Texten nicht vor. Die Menschen drcken ledig-lich ihre Enttuschung aus.Die zweite Textgruppe macht den Vorwurf, dass Gott sozusagen ungerecht ist. z.B.Gott liebtdie einen und verwirft die Anderen., Ich ging hin Gott zu gren und sagte: Mein Gott wr-dest du mir gtigst antworten, wieso du deine Menschen so erschaffen hast: Einige die zeugenund gebren und einige die unfruchtbar sind. Letztes Beispiel: Wenn ich das Leben nichtweitergeben kann, unterbreche ich den Fluss Leben. Auch kann ich kein Ahne werden, weildazu die Weitergabe des Lebens gehrt. Habe ich keine direkten Nachkommen, so denkt auchnach meinem Tod niemand mehr an mich. In diesen zwei Zitaten wird Gott als parteiisch inder Verteilung der Gter hingestellt. Dadurch gibt es Menschen, die so scheint es in der

    besonderen Gunst Gottes stehen. Der Mensch klagt und sucht eine Erklrung.Die dritte Gruppe von Texten beklagen die Realitt des Todes. Teilweise identifizieren dieMenschen auch Gott mit dem Tod. Gott, Tod, der die Kinder niederstreckt, der auch die M-ter niederstreckt, Gott ohne Einsicht der die Mnner ttet, der die Frauen ttet, der selbst diekleinen Kinder ttet. Gott ist wie der Tod, den man nicht sehen kann ... Stirbt ein Menschhochbetagt im Kreise der Angehrigen, so haben die Menschen kein Problem mit dem Tod.Die Klagen der Menschen werden ins Wort gehoben. Vor Allem das Sterben der Kinder wirdnicht verstanden, weil sie vom Leben nichts mitbekommen haben. Wo ist Gott im Angesichtdes Todes. Vielleicht ist er der Tod selbst.

    Wie gehen die Menschen mit diesen Problemen um Die Unterscheidung der GeisterGott ist derjenige, den man liebt, wenn er gibt. Wenn er dir etwas abschlgt, dann sagst duGott ist nicht. Gott, den man liebt, wenn man sich des Lebens freut. Kommt der Tod, sagtman, Gott liebt die Menschen nicht. Solange es dem Menschen gut geht, erkennt der MenschGott als frsorgenden Beschtzer an. Die Einstellung ndert sich, wenn der Mensch von Leidheimgesucht wird und seine Gebete als unerfllt erfhrt. Gott gibt auf seine Weise, aber ergibt immer. Diese Art und Weise ist fr den Menschen nicht immer nachvollziehbar. DerMensch soll geduldig darauf warten und vertrauen, dass Gott in beschenkt, begleitet und be-schenkt. Selbst dort, wo der Mensch das nicht erfhrt oder wahrnimmt. ber die Trauer, Ent-tuschung und Verbitterung hinaus bleibt die Offenheit auf Gott hin als die goldene Regel, alsdie einzige lebensfrdernde Verhaltensweise, die bleibt, wenn sich der Mensch wnscht, dass

    sein Leben glckt. Auch in verworrenen Situationen gilt es die Orientierung nicht zu verlie-ren. Mit diesem Bemhen um Unterscheidung wird der Mensch auf die Verschiedenheit Got-tes vom Menschen verwiesen. Gott entzieht sich dem menschlichen Begreifen.

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    3.2. Die Ahnen

    3.2.1. Nicht alle Verstorbenen sind Ahnen

    Die Ahnen sind die verstorbenen Mitglieder der Sippengemeinschaft. Nicht jeder Verstorbe-

    nen wird automatisch nach dem Tod zum Ahn erhoben. Nur wer rechtschaffen gelebt hat,kann ein Ahne werden. Die schurkischen Vorfahren (Verbrecher, Querulanten ...) drfen we-gen der schlechten Lebensfhrung nicht zu den Ahnen gezhlt werden. Dies sind Menschen,die ihre Stellung in der Gesellschaft nicht konstruktiv eingesetzt haben. In manchen berlie-ferungen gibt es noch eine dritte Kategorie von Verstorbenen: Die Vorfahren, die einen grau-samen Tod starben (z.B. Mord, Krieg, Selbstmord ...). Auch manche Helden werden zu dieserGruppe gezhlt. Diejenigen, die den grausamen Tod zum Wohle der Gemeinschaft starben,werden zu den Ahnen gezhlt (z.B. Selbstmord zum Wohle der Gemeinschaft, Helden, imKrieg Verstorbene ...). Aber was macht man nun mit den Kindern? Ein Kind kann schlecht zuden Ahnen gezhlt werden, weil dazu ein Mindestma von Jahren notwendig ist.

    3.2.2. Ahnenverehrung

    BA KONGO und BA LUBA sind Volksgemeinschaften (BA = Plural).Die Verehrung der Ahnen bei den BAKONGO: Die Ahnen sind die eigentlichen Besitzer allerGter, die die Lebenden zur Gestaltung des Lebens brauche. Die Lebenden mssen sich daheran den Ahnen orientieren, damit das Leben auf der Erde gelingen und weitergehen kann. Esgibt Riten, die auf da Wohlwollen der Ahnen abzielen. Der normale Ahnendienst wird im

    Namen der ganzen Gemeinschaft vom Ahnendiener wahrgenommen. Er nimmt am wchent-lichen freien Tag der Sippengemeinschaft Palmwein und bringt ihn in die Htte der Ahnen.Dabei besprengt er die Htte mit Palmwein, kniet nieder, bezeichnet sich die Brust drei malmit Palmwein, klatscht drei mal in die Hnde und dann zieht er sich zurck.

    Es gibt in Afrika eine Vier-Tage-Woche. Nach vier Tagen muss man ruhen, weil der Menschund die Natur zur Ruhe kommen mussten. Am Ruhetag wurde dann der Ahnendienst ausge-fhrt. Fr die Missionare war es daher schwierig, den Sonntag und die Sonntagsruhe durchzu-setzen. Bis heute gibt es in lndlichen Gebieten die Vier-Tage-Woche. Pfarrer z.B. gehen ge-nau an diesen Tagen in die Drfer, weil sie dann dort am meisten Menschen antreffen.Die Ahnen und die Jagt: Auch das Wild ist Eigentum der Ahnen. Eine erfolgreiche Jagd wirddaher als Gnadenerweis angesehen, um den man die Ahnen vor der Jagd bitten muss. Amzuvor festgesetzten Tag der Jagd begeben sich alle Jger auf den Friedhof und der Huptlinggiet Palmwein auf die Grber. Whrend sich alle niederknien ruft er die Vter und Mtter anund bitte sie um eine erfolgreiche Jagd. Danach schlagen alle in die Hnde und die Jagd kann

    beginnen.Das Fest der Ahnen ist die feierlichste Form der Ahnenverehrung bei den Ba Kongo. Anlasshierfr ist in der Regel Krankheit oder Katastrophe, die in einen urschlichen Zusammenhangmit den Ahnen gebracht wird. Man versucht das Wohlwollen der Ahnen wiederzuerlangen.Wichtig ist, dass die Krankheit etc. in einem Zusammenhang mit den Ahnen stehen.Die Sippengemeinschaft trifft sich und legt Termin und Modalitt fest. Der erste Schritt stellteine Bekanntmachung da. Der lteste Mensch der Sippengemeinschaft geht auf den Friedhofund spricht am Grab seines unmittelbaren Amtsvorgngers ein Gebet. Dabei erwhnt er dieKrankheit. Dann legt er den mitgebrachten Palmwein auf das Grab und dann ziehen sich allezurck. Die zweite Etappe umfasstAlle in der Ferne wohnenden, erwachsenen Verwandten der Sippengemeinschaft werden ein-

    geladen. Dann gehen wieder alle auf den Friedhof. Hier mach der lteste eine Verbeugungvor dem Grab seines Vorgngers. Dabei verweist er auf den mitgebrachten Palmwein. Danachkehren alle ins Dorf zurck, wo es eine feierliche Verabschiedung der Verwandten gibt. Nach

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    acht Wochen kommen die Verwandten zurck und leiten die dritte Etappe, d.h. den eigentli-chen Hhepunkt, des Festes ein. Der lteste hlt eine Ansprache, in der er die Gruppe auffor-dert die Gesetzte zu Achten, die Querelen zu unterlassen und die Frauen zu respektieren. Ermchte, dass das Leben reibungslos funktioniert. Dann gibt es ein Fest mit Tanz, Geschenken,Salven in den Himmel und Essen. Dieses Fest ist der letzte Akt des Festes. Der Abschluss der

    Festtage bildet eine feierliche Anrufung der Ahnen durch den ltesten der Sippe. Das Ver-hltnis zu den Ahnen ist von tiefer Demut und weitgehendem Vertrauen geprgt. Dabei ms-sen wir festhalten, dass sich die Menschen nicht nur als Erben, sondern als Fortfhrer derWerke betrachten, die durch die Ahnen initiiert worden sind. Daher erbitten sich die Leute vorallem das Leben und die Mittel, um das Leben zu schtzen und fortzufhren, von den Ahnen.

    Ahnenverehrung bei den BALUBA: Die Ahnen haben durch ein vorbildliches Leben diesenRang erlangt. Sie werden, aufgrund ihres vorbildlichen und tadellosen Lebens, als FreundeGottes und als Frsprecher der Hinterbliebenen angesehen. Die Ahnen werden wieder mitvielfltigen Riten angerufen und verehrt.Die Riten der Ahnenverehrung: Bei jeder Mahlzeit wird eine Portion Nahrung beiseite ge-

    stellt, um die Ahnen am Mahl teilhaben zu lassen. Diese Riten stehen im engen Zusammen-hang mit der Darbringung von Gaben an die Ahnen. Handelt es sich um mnnliche Ahnen,fhrt der lteste Mann des Clans die Riten aus. Bei den weiblichen Ahnen, die lteste Frau.Anmerkung: Katanga ist ein Teil des Kongos mit vielen Bodenschtzen.Durch den Dienst dieser auserkorenen Frauen und Mnner werden die brigen Mitglieder derSippengemeinschaft nicht zur Unttigkeit verurteilt, weil es jedem offen steht, sich in persn-lichen Angelegenheiten an die Ahnen zu wenden. Die Handlungen fr die Gemeinschaft dr-fen nur durch die ltesten Frauen und Mnner ausgefhrt werden. Sie mssen fr die sorgfl-tige Vorbereitung der Zeremonien Sorge tragen. Die Vorbereitungen beginnen sptestens amVorabend durch die Vorbereitung der Htte der Ahnen. Die Auserkorenen bringen das Opfer-tier zur Htte der Ahnen und ersuchen dort das Tier um die Ausfhrung der Bitten. Am dar-

    auffolgenden Tag wird das Tier geschlachtet und zubereitet. Der Vorsteher ldt alle Mitglie-der der Sippengemeinschaft in die Htte der Ahnen ein. Er nimmt Fleisch in seine Hnde, ruftdie Ahnen an, bittet sie das zu ihren Ehren bereitet Mahl anzunehmen und die Bitten zu erh-ren. Nach der Anrufung wird Fleisch fr die Ahnen an eine exponierte Stelle gelegt. Begin-nend mit dem ltesten wird der Rest des Fleisches an alle Anwesenden ausgeteilt. Alle essenvor Ort und verabschieden sich dann in der berzeugung, dass sich die Teilnahme am Op-fermahl gnstig auf ihr Leben auswirken wird. Es gibt auch Mahlhandlunge bei denen diegesamte Gemeinschaft zusammenkommt oder nur die Mnner oder nur die Frauen. Bei Hand-lungen fr Mnner sind so beispielsweise nur Mnner zugelassen.Jedes halbwegs wichtiges Ereignis ist ein willkommener Anlass, um die Verbundenheit mitden Ahnen in Szene zu setzen. Ein Anlass ist, wenn der Clan ein neues Mitglied erhlt. Ausdiesem Grund bringt man den Ahnen ein Dankopfer dar und sie werden gebeten den Clanweiter mit reichem Nachwuchs zu beschenken. Ein weiterer Anlass ist beispielsweise, wenndas erstgeborene Kind den Eltern die Frucht seiner ersten selbstndigen Arbeit darbringt. Dasist ein Zeichen der Dankbarkeit. Das ist heute noch in manchen Gegenden blich. Vor allemsind Krankheiten, Katastrophen und pltzlicher Tod der Anlass um den Ahnen ein Opfer dar-zubringen, d.h. sie um Hilfe zu bitten und, wenn mglich, ihren Zorn zu besnftigen. Die Ah-nen werden als Freunde Gottes und die Frsprecher der Menschen gesehen. Also knnen sie

    bei Katastrophen und Krankheiten Hilfe leisten. Ein pltzlicher Tod ist ein Zeichen dafr,dass die Ahnen mglicherweise zornig sind. Also mssen sie besnftigt werden. Woher weisman, dass die Ahnen zornig sind? Der Rat schaut auf die Gemeinschaft und versucht das nun

    festzustellen.Weitere Anlsse sind: der Beginn der Feldarbeiten, vor der Jagd, nach der Ernte

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    Die Wahl der Opfertiere wird keinesfalls dem Zufall berlassen. Es gilt dabei folgende Regel:bei mnnlichen Ahnen wird je nach Gewicht des Anlasses ein Ziegenbock oder ein Hahn vor-geschrieben. Bei weiblichen Ahnen eine Henne.Betrachtet man nun das Verhalten der Baluba Kasa, so kann man festhalten, dass sich dieBaluba ihren Ahnen stets verbunden fhlen. Dabei kommt es zu einer Vergttlichung der Ah-

    nen oder zu einer Verwechslung der Ahnen mit Gott. Gebet der Baluba: Gott (Mulopo Ma-weja), der Herr, reinige die Herzen der hier anwesenden Menschen, damit sie keine bsenGeister seien. Ihr unsere Ahnen bereitet die Wege, damit die bsen Geister das Mahl, dasseuch vorbereitet ist, nicht wegnehmen.

    1. Es gibt eine enge Verbundenheit zwischen Verstorbenen und Lebenden einer Sippen-gemeinschaft.

    2. Die Ahnen nehmen am Leben ihrer Nachkommen. Sie haben Anteil daran.3. Die Ahnen werden durch verschiedene Riten und Praktiken geehrt. Man bittet sie aus

    den verschiedenen Anlssen um Schutz und Hilfe.

    Beneset Bujo schreibt im Horizont dieses Befundes: Der Ahnenkult ist das feierlichste Mo-ment und der privilegierte Ort an dem der Afrikaner versucht die Lebenskraft des mystischen

    Ahnenleibes zu intensivieren.

    3.2.3. Die Bedeutung der Ahnen

    Der Ahnenkult kann also nicht mit einem christlichen Gottesdienst gleichgesetzt werden,denn die Gaben sind eher ein Symbol fr die Teilnahme der Ahnen ab Leben der menschli-chen Gemeinschaft und hnlich ist der Begriff Gebet ein Gesprch mit den Ahnen. Das Lebenkann sich nur entfalten, wenn die Menschen den Ahnen treu bleiben und sich ihr Gedchtnisvergegenwrtigt. Es gibt so etwas wie ein Aufeinander-Angewiesen-Sein beider Lebenswel-

    ten, denn whrend die Lebenden nur dann das leben in Flle haben, wenn sie den Toten dieEhre erweisen, besteht das Glck der Toten darin, im Gedchtnis der Lebenden weiterlebenzu knnen. Dadurch knnen alte Menschen, die das Leben nicht mehr biologisch weitergebenknnen, zum Leben durch ihre Weisheit beitragen und so das Leben frdern. Die beiden Wel-ten kommunizieren miteinander.

    Es ist in diesen Kulturen immer wichtig, was haben die Ahnen in der Vergangenheit gemacht.Was ist nun, wenn die Ahnen dieses Problem nicht hatten? Es geht um einen kreativen undschpferischen Umgang mit der Tradition. Es gibt Flle, die nicht mit der Vergangenheit ge-lst werden knnen.

    4. Die Welt und der Mensch

    1960 herum wurden die meisten afrikanischen Lnder in die Unabhngigkeit entlassen.L. S. Senghor wurde dann Staatsprsident in Senegal. Er gab sein Amt dann freiwillig auf, umwieder seine Bcher schreiben zu knnen. Er rief die Bewegung Negritude ins Leben.gypten war lange vor den anderen Lndern eine Gromacht auf der Welt.An dieser Gromacht waren auch Schwarze beteiligt. gypten wurden auch von den Schwar-zen bestimmt, also kann man die Kulturen Afrikas nicht so einfach abtun. Die Europer habenvon gypten gelernt. Problematik: die kulturelle Distanz ist zu gro

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    4.1. Die Welt

    Es gibt viele verschiedene Vorstellungen von der Welt, die in den Mythen grundgelegt sind.gypten: Der Schpfungsakt wird mit dem Sonnenaufgang gleichgesetzt. Dies geschah auf-grund einer Willensuerung Gottes Darauf folgte die Erschaffung zweier gttlicher Wesen.

    Also kommen wir zu einer Triade. Die Gttertriade reprsentiert die Familie (Vater, Mutter,Kind). In einer anderen Variante formte der Sonnengott Re (Ra) als selbstentstandener Urgottdie Welt als seinen geordneten und gut funktionierenden Kosmos mit Gttern, Tieren, Men-schen, Pflanzen usw.Die Auffassung, dass der Schpfergott die Welt aus Erde und Wasser geformt hat, ist weitverbreitet. Mythos der Yoruba (Nigeria): Am Anfang war unter dem Himmel nur Olokun (das

    Meer). Olodumare (der Knig der Gtter) schickte den Erdgott aus, um ein Gef mit Erdeauf das Wasser zu schtten. Ein Vogel, den er mit sich fhrte, scharrte in dieser Erde. Aufdiese Weise entstanden Berge und Tler.Mythos der Dogon (Mali): Gott (Amma) hat Erde und Gestirne geschaffen, in dem er Lehm in

    seine Hand zusammendrckte und in den Raum schleuderte und die Masse dehnte sich nach

    verschiedenen Richtungen aus und gewann die Gestalt einer Frau eben der Mutter Erde.In vielen Vorstellungen kommt die Erde als Mutter vor. Von ihr kommt das Leben. Vielfachwird Gott in den Schpfungsmythen als Tpfer bezeichnet. Auch andere handwerkliche T-tigkeiten werden mit Gott in Verbindung gebracht (Gott als Holzhauer, als Schnitzer ...). DieSchwierigkeit ist die Interpretation der Mythen. Es handelt sich um eine narrative Theologie.Die Afrikaner waren der berzeugung, dass Gott da ist und er den Rest gemacht hat. Es isteine Schpfung mit zwei Seiten (sichtbare und unsichtbare Welt).Mythos der Zulu (Sdafrika): Gott hat Uthlanga erschaffen. Dieser Begriff bedeutet zum Ei-nen Anfang und zum Anderen das pflanzliche Rohr. Diesem Rohr entstiegen ein mnnlichesund ein weibliches Wesen, die dann die ersten Menschen zeugten. In anderen Mythen wirderzhlt, dass die Menschen bevor sie auf die Erde kamen - in einem Gef eingeschlossen

    waren. Wichtig ist, dass Mann und Frau gleichzeitig auftreten. Dennoch ist die Vorstellungverbreitet, dass der Mann vor der Frau da war. Nandi (Kenia): Gott hat zuerst einen Knaben

    geschaffen und dann versetzte er ihn in einen tiefen Schlaf, entnahm ihm eine Rippe undmachte daraus ein Mdchen, dass heranwusch und eine Mutter wurde ... Es gibt hier vieleverschiedene Mythen, die viele verschiedene Richtungen zeigen.Aus allen Schpfungsmythen geht hervor, dass den Menschen ein besonderer Rang gegenberder Welt zukommt. Beneset Bujo Gott stellt dem Menschen ja alles zur Verfgung: die Son-ne, das Licht, den Regen, die gute Ernte, die fruchtbare Herde, die Gesundheit und anderesmehr. Selbst die Kruter der Medizinmnner verdanken Gott ihre Wirksamkeit, da man ohneGott unmglich in der Lage sein kann die Gesundheit wiederzuerlangen. Der Mensch wirdnicht ber, sondern in die Welt hineingestellt. Er ist Teil dieser Welt und hat den Auftrag

    pfleglich mit der Welt umzugehen (kologie). Denn alles, was er der Natur antut, schlgt aufkurz oder lang auf ihn selbst zurck.In den Mythen gibt es auch die Vorstellung einer Harmonie von Gott und Mensch. Sie lebtenzusammen und dann kndigte der Mensch durch sein Verhalten diese Freundschaft. Gott be-schloss dann die Distanz zwischen ihm und dem Mensch zu vergrern.

    Die Welt in der die Menschen leben wird als Schpfung begriffen. Der Begriff der creatio exnihilo ist christlich geprgt. In manchen Mythen war vor der Schpfung schon etwas vorhan-den. Der Begriff creatio ex nihilo wird der Sache zwar gerecht. Es gibt ihn aber in diesemZusammenhang nicht.

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    4.3. Der Mensch

    In den Mythen erschuf Gott den Menschen. Die Frage ist nun, wer zuerst dar war: der Mannoder die Frau. In den Mythen wird alles Leid auf den Menschen zurckgefhrt, weil sich derMensch gegen Gott auflehnte. Deshalb fhrte Gott eine Distanz zwischen seinem Wohnbe-

    reich und dem Wohnbereich des Menschen ein. In einem Mythos bauen die Menschen einenTurm, um gegen Gott Krieg zu fhren. Gott zerstrt diesen dann durch ein Erdbeben. Wahr-scheinlich haben die Mythen Motive aus der Bibel bernommen (Turmbau zu Babel). Es gibtkeine Beweise dafr, die Parallelitt ist aber auffallend.Aufgrund der groen Distanz zwischen Gott und den Menschen braucht man quasi eine Zwi-schenstation zu Gott. Diese Zwischenstation sind die Ahnen.In der afrikanischen Theologie gibt es eine Zwei- oder eine hufigere Dreiteilung. Bei denmeisten Vlkern sind die Grundzge gleich. Einige Beispiele dazu:

    Batetela (Kongo): Sie glauben, dass der Mensch zwei Teile aufweist: 1. Leib, 2. See-le/Doppelgnger, Was geht nun zu den Ahnen nach dem Tod? Der Leib kann nicht zu denAhnen gehen, weil er begraben wird. Dies ist aber keineswegs eine dualistische Denkweise.

    Bakongo: Sie unterteilen den Menschen in vier Bestandteile: 1. Krper, 2. Blut, 3. Seele,4. Doppelgnger Es gibt ein geistliches und ein leibliches Element. Wichtig ist, dass hier inkeinem Fall dualistisch gedacht wird, weil der Mensch im Mittelpunkt steht. Der Mensch istein dynamisches Wesen. Der Begriff Lebenskraft (vgl. P. Tempels) drckt das aus, weil dasLeben zu- und abnehmen und verschwinden kann. Die Bestrebungen der Menschen tragenzum Wachsen des Lebens bei. Das Leben ist das wichtigste Gut, das der Mensch besitzt.Durch das Leben steht der Mensch in einer doppelten Beziehung.

    Gott

    Ahnen

    Gemeinschaft

    Nachfahren

    Jeder Mensch steht in einer Beziehung zu den Vor- und Nachfahren. Die Gemeinschaft sinddie Verwandten im Dorf.

    5. Die wichtigsten Riten

    Jeder wichtige Einschnitt im Leben der Menschen wird von Riten begleitet. Die Riten sinddeswegen wichtig, weil sie dem Menschen erlauben an den wichtigsten Ereignissen der Ge-meinschaft aktiv teilzunehmen sofern es sich nicht um Riten handelt, die nur einigen Weni-gen (den Eingeweihten) vorbehalten sind. Die Riten erfllen mehrere Funktionen. Sie werden

    beispielsweise herangezogen, um Konflikte beizulegen, um Vershnung zur ermglichen, umFrieden zu stiften, um sich an Gott und die Ahnen zu wenden. Vershnung ist sehr wichtig,

    weil dadurch das Leben weitergehen kann. Der Palaver ist eine der Institutionen, die es denMenschen ermglicht sich zu vershnen und Frieden zu stiften. Es geht in erster Linie darumden Konflikt beizulegen und nicht um Recht und Unrecht. Der Palaver wird von Riten beglei-

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    tet. Am Schluss trinkt man beispielsweise Palmwein, man wscht sich die Hnde in einerSchssel und man hlt natrlich ein Mahl. Ein Palaver dauert lang, weil jeder gehrt werdenmuss. Ein Palaver kann z.B. eine Woche dauern. Auch Sprichwrter werden rezitiert. DieSprache ist indirekt. Normalerweise kommt es am Ende zu Frieden und Schlichtung. Das istdas Ziel des Palavers. Vor diesem Hintergrund kann festgehalten werden, dass die Riten eine

    Sprache oder ein Ausdrucksmittel sind, durch die das Jenseitige zumindest teilweise in dasDiesseits Eingang finden kann. Die Riten werden durch Worte und Gesten begleitet, die dieRiten ausdeuten und die Riten verstndlich machen. Fr Auenstehende bleiben manche Wor-te und Gesten dennoch ambivalent und sogar unverstndlich. Es ist daher notwendig sich inden Geist dieser Riten einfhren zu lassen. Damit ist nichts anderes gemeint, als eine Reise indie Fremde. Dazu sind drei Eigenschaften oder Tugenden notwendig:

    1. Geduld2. Interesse3. Wachsamkeit

    Die meisten Riten knnen mit Blick auf Entwicklung und Leben des Mensch in der Gemein-schaft folgendermaen klassifiziert werden:

    1. Geburtsriten2. Initiationsriten3. Hochzeitsriten4. Vershnungsriten5. Todesriten

    Wir konzentrieren uns auf die Geburts-, Initiations- und Todesriten. Es gibt einen Strang imafrikanischen Denken, den man mit dem Begriff Reinkarnation wiedergeben kann. Nachdem

    der Mensch bei den Ahnen ist, kommt er irgendwie wieder auf die Erde zurck. Die Familiestellt den Ort dar, an dem der Mensch das Leben entfalten kann.

    5.1. Hochzeitsriten

    Heiraten zwei Menschen, kommen zwei Sippengemeinschaften zusammen. Von den Eheleu-ten wird erwartet, dass sie u. a. Kinder zur Welt bringen, damit der Strom des Lebens nichtabreit. Die Kinder sind wichtige und willkommene Helfer bei einigen Aufgaben in der Fami-lie und Gesellschaft. Sie sind auch eine Art soziale Versicherung. Dies kommt einer Art Ge-nerationenvertrag gleich. Auch sind die Kinder bei den Todeszeremonien fr die Eltern un-verzichtbar, weil sie der Toten und der Ahnen gedenken. Die Eltern sind auch fr eine wrdi-ge Beerdigung verantwortlich. Die Eltern fragen sich auch, wer sie einmal begraben wird. DieKinder sind also fr die Riten der Ahnenverehrung zustndig. Wer denkt nach meinem Todan mich, wenn ich keine Nachkommen habe? Durch die Kinder geht das Leben weiter. Die

    biologische Fruchtbarkeit ist wichtig. Ein Kind ist auch ein Bindeglied zwischen zwei Famili-en und das nicht nur in der sichtbaren, sonder auch in der unsichtbaren Welt. Das ist auch einGrund fr die Vielfrauenehe. Kann eine Frau keine Kinder bekommen, so kann der Mann einezweite Frau haben. Die erste Frau behlt jedoch ihren Status und die Kinder sagen zu ihr dannauch Mutter. Auch die zweite Frau wird Mutter genannt.Das Kind wird als Segen Gottes und als Geschenk der Ahnen, das den Fortbestand der Fami-lie sichert, angesehen. Es gibt folgende Zeremonien Dank an die Ahnen und an Gott, Na-

    mensgebung, Darbringung der Gaben

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    Wird ein Kind geboren, wird der lteste der Sippe benachrichtigt. Er informiert dann die ge-samte Sippe. Dabei wird ein Tag vereinbart, an dem alle zusammenkommen, um den Ahnenund Gott zu danken. Am vereinbarten Tag kommen alle bei den Eltern des Neugeborenenzusammen. Der zustndige Mann oder die zustndige Frau trgt ein Gebet vor, in dem er odersie Gott dankt, der den Menschen mittels der Ahnen das Kind geschenkt hat. Dieses Gebet ist

    eine Darstellung des Kindes, d.h. man dankt nicht nur, sonder prsentiert das Kind. Das Gebetlautet folgendermaen: Vater Gott du, der du uns diesen Menschen gebracht hast, wir sindhierher gekommen, um dir zu danken. Auch dir unserem Ahn wollen wir fr dieses Wunderdanken. Wir haben deine Gte gesehen. Gepriesen seiest du Vater, Gott der Strke. Das Ge-

    bet hat Gott und den Ahn als Adressaten. Das Gebet bringt den Dank der Familie gegenberden Spendern des Lebens zum Ausdruck. Das Gebet ist zugleich ein Zeichen dafr, dass dieFamilie dieses Kind willkommen heit. Das Kind ist eine Gabe Gottes, die die Menschendurch die Frsprache der Ahnen hin erha lten. Infolgedessen verdient nicht nur Gott, sondernauch die Ahnen, Dank und Anerkennung. Die Geburt erhlt dadurch einen mystischen Cha-rakter: Die Eltern bekommen das Kind zwar biologisch, aber das Neugeborene kommt woanders her.

    Das Leben eines Neugeborenen bedarf besonderer Schutzmanahmen. Die Gebete und dieGaben der ganzen Familie dienen dazu die Sicherheit des Kindes zu gewhrleisten. So bringtman den Ahnen Gaben dar und bittet sie um den besonderen Schutz des Kindes. Der zustn-dige Mann oder die zustndige Frau bereitet oder lsst bereiten ein Huhn. Das Mahl wird inden Raum, in dem das Kind ist, an eine Stelle gestellt. Der Palmwein darf nicht fehlen. Dabeiwird ein Gebet gesprochen: Ihr unsere Vorfahren nehmt an dieses Mahl. Mge dieses Kindeuren Segen erhalten. Und sollten diese Gaben nicht ausreichen, so lasst es uns im Traumwissen. Am Tag danach kommen die Mitglieder der ganzen Familie zusammen und haltenMahl. Dieses Mahl strkt den Zusammenhalt der Lebenden mit den Verstorbenen, denn dasMahl ist ein Zeichen der comunio (Gemeinschaft) um so mehr, wenn es sich um ein Mahlaus einem besonderen Anlass handelt.

    Jedes Kind gehrt einer Familie, einer Gruppe und einer Gesellschaft an. Es ist blich einKind anhand seines Namens zu verorten, denn der Name des Kindes dient dazu das Kind indie Gesellschaft zu integrieren. Der Name muss daher eine Bedeutung haben. Im Allgemeinen

    bekommt das Kind den Namen eines der Vorfahren, dem das Kind hnlich ist. Oder der Namewird anhand eines Ereignisses zur Zeit der Geburt gewhlt. Beispielsweise eine Drre oderWohlstand durch viele Tiere (Ziegen ...).

    Nachtrag zur Polygamie: Woher nehme ich das Recht die Kette des Lebens zu unterbrechen?Die Frage der Polygamie muss im modernen und im traditionellen Kontext betrachtet werden.

    Bei der Namensgebung spielt ein traditioneller und ein moderner Kontext eine Rolle. Kinderbekommen heute in christlichen Familien einen christlichen Namen und den traditionellenNamen.

    5.2. Initiationsriten

    Das sind jene Riten, die den bergang von der Pubertt in das Erwachsenenalter, in den meis-ten afrikanischen Gesellschaften markieren. Sie zielen darauf ab diesen bergang als einenendgltigen und unumkehrbaren Vorgang zu verstehen. Einige wichtige Elemente:Rckzug in den Busch oder in den Wald: Der Aufenthalt im Wald oder im Busch ist symbol-trchtig, weil der Wald oder Dschungel eine geheimnisvolle Umgebung ist und er kann in

    vielen Traditionen als Sinnbild fr das Jenseits ausgelegt werden. Man glaubt das diese Men-schen von wilden Tieren getragen werden. Der Tiger als Symbol der Ahnen begrt die Kan-didaten.

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    Vor der Initiation komme es zu einer Sammlung der Initiationskandidaten. Aus allen umlie-genden Drfern werden die Jugendlichen zusammengetrommelt. Im Wald bauen sich derMeister und die Kandidaten eine Initiationshtte. Um diese Htte herum mssen sich die jun-gen Mnner verschiedenen Prfungen unterziehen. Die Jugendlichen werden in die Traditio-nen der eigenen Volksgruppe eingefhrt. Die Htte symbolisiert den Mutterscho. In der Pha-

    se der Initiation wird man in das Stadium vor der Geburt zurckversetzt. Die Initiation wirdals eine Art neue Geburt gesehen. Die Zurckversetzung bedeutet auch, dass man in einer Artkosmischen Nacht lebt in der Erwartung des Tagesanbruches. Diese Nacht symbolisiertauch so etwas wie einen Tod. Dieser Symbolismus eines Initiationstodes wird durch verschie-dene Riten angezeigt. Die Kandidaten werden beispielsweise in frischen Grber gelegt. Dabeiknnen sie mit sten bedeckt werden und sie mssen still bleiben, als wren sie tot. An ande-ren Orten werden die Jugendlichen mit weiem Pulver eingerieben, damit sie Gespensternhnlich werden, deren Verhaltensweisen sie dann oft imitieren. Andere Zeichen der Initiationsind die Beschneidung und manchmal auch die Ttowierung. In manchen Gegenden bekommtman nach der Initiation eine anderen Namen. Die Initiation ist so etwas wie eine Schule desLebens. Je nach Gegend dauert die Initiation zwei bis sechs Monate. Dabei lernen die Jugend-

    lichen, welche Rolle sie in der Gesellschaft bernehmen. Die Mnner mssen ihre Mnnlich-keit unter Beweis stellen. Zu den Prfungen gehrt, dass man das Kindsein symbolisch hintersich lsst (Beschneidung, Ttowierung, liegen in Grbern, Beschneidung).Die Frage ist heute, wie geht man mit der Initiation um, angesichts der europischen Schulenin Afrika. In den Stdten findet heute die Initiation kaum mehr statt. Dadurch geht natrlichdie Tradierung der Traditionen verloren.Die Rckkehr in die Gemeinschaft: Das ist so etwas, wie eine Rckkehr zum Leben als er-wachsener Mensch. Die Rckkehr ist mit verschiedenen Reinigungsriten verbunden. So wirddie Initiationshtte zerstrt oder man erhlt eine neuen Namen. Die Rckkehrenden habenkeinen Bezug mehr zu ihrem frheren Leben. Sie werden vom Dorf mit Geschenken ber-huft. Von nun an mssen sie sich wie Erwachsene benehmen. Oft haben die Initiieren eine

    Art Geheimsprache. Es soll durch bestimmte Zeichen signalisiert werden, dass in der Initiati-on alles neu beginnt.Die Riten der Initiation und der damit verbundene Symbolismus zeigen, dass der Andere zueiner neun Existenzweise im Unterschied zu den nicht Initiierten - gefunden hat. In man-chen Gegenden, in denen die Initiation lange genug dauert, lernen die Initiationskandidatengewisse handwerkliche Fhigkeiten (Bau einer Htte, Jagd, Bestellen der Felder). Bei derHochzeit berprfen die Elter der Braut dann diese Fhigkeiten.In vielen Gesellschaften gibt es die Initiation in dieser Form fr die Frauen nicht, weil siezarter sind. In der Sahel-Zone gibt es die Frauenbeschneidung, die mit der Initiation nichtszu tun hat. Afrikaner aus den umliegenden Gebieten und die UNESCO versuchen das abzu-schaffen. Fr die Frauen gibt es gewisse Einweisungstage als Initiation.

    5.3. Todesriten

    Heidegger: Zum Leben gehrt der Tod. Der Afrikaner ist berzeugt, dass man zuerst langeleben muss, um sterben zu knnen. Der Tod wirft Fragen auch bei den Afrikanern auf. Er be-reitet ihnen auch Schmerzen auch, wenn sie wissen, dass der Tod nur ein bergang ist. EinProblem ist der Tod eines jungen Menschen. Stirbt jemand hochbetagt, so kann man das den-kerisch einholen, weil der Mensch schon lange gelebt hat.Stirbt jemand, so gibt es bestimmte Anzeichen dafr. In diesem Fall wird die gesamte Ver-wandtschaft eingeladen, weil ein Mensch im Kreise der Familie sterben soll. Das ist der Ideal-

    fall. Der Tote wird im Kreise der Familie gereinigt, gewaschen und angezogen. In manchenGesellschaften glaubt man, dass ein unordentlicher Toter Schwierigkeiten mit der Aufnah-me bei den Ahnen hat. Der Tote wird dann aufgebahrt und es kommt zu Musik und Tanz.

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    Eine Prozession begleitet dann den Verstorbenen zum Grab. Er erhlt von den Gsten vieleGeschenke. Einem Schmied wird sein Werkzeug ins Grab gelegt. In manchen Gegenden wur-den gemeinsam mit dem toten Huptling seine Sklaven oder ersatzweise Tiere begraben. Dieszeigt an, dass der Verstorbene Begleitung braucht.

    Nach dem Begrbnis kommt die Gesellschaft wieder zusammen. Dabei kommt es dann wie-

    der zu verschiedenen Riten. Reinigungsriten dienen in diesem Kontext zur Wiederaufrich-tung. Dabei werden die Ahnen angerufen. Der lebende Ehepartner muss die Verbindung mitder Sippe des toten Ehepartners lsen, weil man bei einer Heirat nicht nur einen Menschensonder auch seine ganze Familie mitheiratet. Es sei denn, die Sippe des Verstorbenen hat ei-nen Ersatzehepartner eine andere Frau oder einen anderen Mann. In manchen Gegendenkann sich der lebende Ehepartner dagegen nicht wehren. Die meisten beugen sich, um dieGemeinschaft nicht zu brechen (Sie sind, also bin ich.). Srorat oder Levirat: Der Ehemann

    bekommt eine Schwester oder eine Cousine der Verstorbenen Ehefrau zur Frau.Die Toten werden auf einer Art Friedhof, neben dem Haus oder auf dem Friedhof der Sippe

    beerdigt.

    6. Afrikanisch Traditionelle Religion und Christentum

    6.1. Geschichtliches

    Die Begegnung von Christentum und Afrika ist schon zur Zeit Jesu geschehen. Simon vonCyrene war ein Afrikaner. Cyprian, Augustinus und Tertullian waren in Afrika zu Hause. Esentstand eine christliche thiopische Kirche und eine Koptische Kirche (heute vor allem ingypten). Die Begegnung von Christentum und Afrika kam relativ frh zustande. Auch dasKonzil von Nica wurde von Afrikanern angezettelt. Dies war die erste Phase der Christiani-sierung Afrikas. Nach dem Zerfall des Rmischen Imperiums kam es zu keiner Mission durch

    die thiopische und Koptische Kirche. Trotzdem berstanden diese Kirchen die Arabisierungund die Islamisierung. Die Urbevlkerung waren die Berber, die christianisiert wurden undheute mehrheitlich islamisch sind.Im 15. Jh. gab es in Europa zwei Gromchte - Spanien und Portugal - , die versuchten denSeeweg nach Indien zu entdecken. Die Schiffe mussten dazu an der Kste Afrikas entlangse-geln. Diego Co (Co = der Hund) kommt im Jahr 1483 ins Knigreich Kongo. Er bemerkteeinen Swasserstrom (Kongofluss) und fuhr diesem nach. Dadurch kommt es zur Mission,was die zweite Phase der Christianisierung darstellt. 1884-1885 wurde in der Berliner Kongo-konferenz (Vorsitz: Otto von Bismarck) der Kongo aufgeteilt. Dies ist die dritte Phase derChristianisierung. Als Diego Co im Kongo ankam, glaubte die Bevlkerung aufgrund derweien Hautfarbe, dass die Ahnen gekommen sind. Diego Co nahm vier Kinder nach Portu-

    gal mit. Sie lernten dort portugiesisch und gingen spte wieder in den Kongo zurck, um zuvermitteln. Die Knigsfamilie des Kongo wurde getauft und Don Alfonso wird christlicherKnig des Kongo. Sein Sohn Don Enrique wird im alter von 26 Jahren Bischof des Kongo.Die Mission wurde vor allem durch die Kapuziner betrieben. 1835 musste der letzte Missio-nar den Kongo verlassen. Ein Grund dafr waren die Streitigkeiten um die Thronnachfolge.Die Portugiesen schafften es einzufhren, dass nur derjenige Knig werden konnte, der vomBischof die Krone empfngt. Die Kapuziner wurden durch tropische Krankheiten dezimiert.Ein weiterer Grund war der Streit um das Patronatsrecht. Das Patronatsrecht bedeutet, dassdie Entdecker die entdeckten Lnder christianisieren durften. Nur wer das Patronatsrecht hattedurfte ein Land missionieren (z.B. nur portugiesische Kapuziner).Durch den Sklavenhandel kam auch das Christentum in Verruf. Christen durften nicht ver-

    sklavt werden, d.h. getaufte Afrikaner durften nicht als Sklaven verkauft werden.Zwischen der zweiten und dritten Phase tradierten Laien (Maestri) das Christentum weiter.Ohne Seelsorge durch den Klerus erhielten sich Spuren des Christentums bis zur dritten Pha-

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    se. In der dritten Phase der Mission tendierte die Kirche wieder zu einer Hierarchiekirche hin.Die Laien, die ein Gemeinde leiten, nennt man Mokambi oder Bakambi.

    Nach dem Ende des Rmischen Imperiums fiel das Christentum mit Ausnahme der kopti-schen Kirche weg.

    Die religise Gefahr in Afrika ist heute nicht der Islam, sondern die Sekten. Um das Jahr 1960herum wurden viele afrikanischen Lnder unabhngig.

    6.2. Afrikanisch unabhngige Kirchen

    Diese Bezeichnung ist fr die Angehrigen dieser Kirchen schwierig, weil sie keine Emanzi-pation sehen, obwohl es eine emanzipatorische Bewegung gab.Im August 1969 wurde Die Kirche Jesu Christi auf Erden durch den Propheten Simon Kim-

    bangu (EJCSK) in den Weltrat der Kirchen aufgenommen. Damit wurde das erste Mal eineunabhngige afrikanische Kirche ein Mitglied im kumenischen Weltrat der Kirchen. Dieses

    Ereignis lenkte die Aufmerksamkeit auf das Phnomen afrikanisch unabhngige Kirche.

    Was sind die afrikanisch unabhngigen Kirchen (AUK)?

    Es gibt mehrere tausende (ca. 10.000) AUK v.a. sdlich der Sahara. Sie zhlen ungefhr 40Millionen Mitglieder und stellen damit 18 % der afrikanischen Christen. Ihre Einschtzung istunterschiedlich. Sie schwankt zwischen Ablehnung und Untersttzung. Kritiker: heidnischeRevitalisierungsversuche der trad. afrikanischen Religion, synkretistische Gebilde. Von denBefrwortern werden sie als Beispiel gelungener Inkulturation begrt. Diese gegenstzlichenStellungnahmen machen ein objektives Urteil schwer.

    Der zeitliche Ursprung ist nicht genau festlegbar. Wer den Begriff prgte ist nicht klar. Ge-meint sind damit Kirchen, die unter der Initiative von Afrikanern entstanden sind. FolgendeHauptkategorien:

    - thiopische Kirchen- Zionistische Kirchen- Messianische Kirchen

    Unterschied von Initiative und Leitung: Die Initiative ging von Kimbangu aus, die theologi-sche Fakultt fr diese Kirche wurde aber von der Schweizer Theologien Marie-Louise Mar-tin ausgebaut und etabliert. Sie wurde dann auch Dekanin dieser Fakultt.

    thiopische Kirchen: Diese Gruppe entstammt der thiopischen Bewegung, die bereits 1872in Lesoto aufbrach und so etwas wie einen afrikanischen Nationalismus auf religisem Gebietdarstellt. Sie war eine Abwehr gegenber uerungen mancher Missionare, wonach dieschwarzen Vlker verdammt seien. Hier kommen emanzipatorische Grnde durch => wegvon der europischen und amerikanischen Bevormundung.

    Zionistische Kirchen: Sie zeichnen sich durch das besondere Gewicht auf das Wirken desHeiligen Geists aus: Ihm wird Heiligung, Heilung und Offenbarung zugeschrieben. Sie prak-tizieren die Taufe durch Untertauchen und das Gesundbeten und Heilen. Weitere Kennzei-

    chen: charismatische Kundgebungen, Einhaltung des Sabbats, Verbot bestimmter Genussmit-tel, Verbot der westlichen Medizin. Ihr Name kommt von ihrer Hoffnung auf Zion, das neueJerusalem, das von Gott versprochen worden ist und schon auf die Erde herabgekommen ist.

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    Es handelt sich sozusagen um eine sakrale Topografie. Dort, wo Heil oder Heilungen ge-schehen, ist das neue Jerusalem da.

    Messianische Kirchen: Der Ausdruck messianisch wird fr jene Kirchen verwendet, diesich um eine Fhrerpersnlichkeit sammeln. Man gewinnt den Eindruck, dass es sich um eine

    Art Messiaspropheten handelt, der nicht mit Gott gleichzusetzen ist, aber eine Art Mittler zuverstehen ist. In diesem Sinne ist der Messiasprophet der geistige Fhrer des Volkes. Er hatdie Aufgabe das Volk von der Versklavung der Snde in die Freiheit zu fhren. Mit der Ges-talt des Messiaspropheten werden Erwartungen geknpft, die nicht in die Zukunft gehen, son-der anfanghaft schon jetzt in der Gegenwart wirklich werden. Er muss so geistbegabt sein,dass er Wunder wirken oder Menschen heilen kann. Das wird von ihm erwartet. Diese Art derAUK hat also eine charismatische Dimension.

    Merkmale der AUK:

    Prophezeiungen und bernatrliche Erfahrungen Gesundbeten und Heilen Fhrerschaft Zionvision Wunsch nach Selbstndigkeit

    Prophezeiungen und bernatrliche Erfahrungen: Sie sind oft mit dem Phnomen derGeistbesessenheit verbunden und stellen ein wichtiges Kennzeichen dieser Kirchen dar. DieFhigkeit Visionen zu haben, Trume zu deuten, in Zungen zu Reden und auergewhnlicheStimmen zu hren werden v.a. bei einer Fhrerperson als gttliche Zeichen gesehen. Die Pro-

    pheten oder Prophetinnen versuchen ihren Anspruch auf Autoritt durch Geistfhigkeit zulegitimieren. Die Prophezeiungen bleiben nicht im religisen Binnenraum, sonder betreffen

    beispielsweise auch die Vorhersage von Kriegen, Hungersnten, politischen Umstrzen etc.

    Gesundbeten und Heilen: Heil umfasst seelisches undleibliches Wohlergehen. Deshalbwerden groe Erwartungen an die Heilung durch die Krfte, die Gott der Heilerprophetin oderdem Heilerpropheten geschenkt hat, gesetzt. Heilung geschieht durch Gebet, Handauflegenund manchmal durch Wasserriten.

    Heil. Gerade das ist es, was Afrika besser versteht als der Westen, wo wir das Wort Heil so-sehr auf Seelenheil beschrnkt haben. Heil bedeutet in Afrika was Shalom fr den Hebrerbedeutet ... Einen neuen Himmel und vor allem eine neue Erde, soziale Gerechtigkeit, Frie-den, als Folge davon keine Diskriminierung mehr, keine bittere Armut dirket neben berflie-

    endem Reichtum, Bruderschaft, Ordnung in der Freiheit, Entfaltung aller Lebensmglichkei-ten, aber so, dass damit der Gemeinschaft gedient ist. Marie-Louise MartinHeil ist nicht nur auf die Seele begrenzt. Der Mensch besteht nicht nur aus dem spirituellenElement, sprich der Seele. Unser dualistisches Verstndnis ist hier nicht gemeint. Heil wirdauch als Begabung gesehen.

    Fhrerschaft: In der Literatur wird betont, dass der Erfolg oder Niedergang dieser Kirchen inhchsten Mae von den Qualitten der Fhrer/Propheten ab. Die Rolle des Fhrers oder derFhrerin lsst sich an der Gestalt des Mose veranschaulichen. Mose der Prophet: Wie Mosewird der Prophet oder die Prophetin Mittler zwischen Gott und Volk. Mose der Befreier: WieMose die Kinder Israels aus gyptischer Gefangenschaft befreit hat, befreit der Prophet seine

    Anhnger aus der gegenwrtigen Gefangenschaft. Mose als Grnder einer Religion: Der Fh-rerprophet fhlt sich besonders dazu berufen die dmonischen Mchte zu bekmpfen und dieAlleinherrschaft Gottes darzustellen. Der Glaube an die vielen Geister wird bekmpft und der

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    Glaube an den einen, wahren und lebendigen Gott wird verkndet. Mose als Gesetzgeber: Diezehn Gebote werden in den AUK in der Regel beachtet. Der Fhrer kann je nach Situationneue Gesetze oder Verbote hinzufgen. Bei den Kimbanguisten ist das beispielsweise dasVerbot von Alkohol.

    Zionvision: Die Mehrheit der AUK haben dieses Element. Dort, wo Heilungen geschehen,werden die Zeichen der mit Christus angebrochenen Knigsherrschaft sichtbar. In diesemZusammenhang wird das Augenmerk oft auf den Wirkungsort des Propheten gelegt, der oft inneues Jerusalem oder Zion umbenannt wird. In diesen Ortschaften werden die Christen ande-rer Lnder und Kulturen eingeladen, weil durch ihren Besuch erfllen sie das Versprechen,wonach alle Vlker nach Zion pilgern werden. Bei den Kimbanguisten ist dieser Ort NKAM-BA, weil dort Simon Kimbangu gewisse Zeichen getan hat. Durch die fremden Besucher wirddort Zion greifbar.

    Wunsch nach Selbstndigkeit: Die Entstehung dieser Kirchen steht im engen Zusammen-hang mit dem Afrika des 19. Jh.: Sklaverei ... Diese Kirchen sind eine Reaktion auf diese Si-

    tuation. In diesem Sinne kann man die Kirchen als eine Reaktion auf die Bestrebung betrach-ten, die das Ziel ohne Weie und Finanzhilfe zu existieren hat. Die meisten AUK sind im Zu-sammenhang mit dem Protestantismus entstanden. In den protestantischen Kirchen fing manrelativ bald mit der bertragung der Bibel in andere Sprachen an. Leute wie Kimbangu hattenden Eindruck, dass sie die Bibel ihren Leuten besser vermitteln konnten. So entstanden danneigene Lesarten. In der rmisch-katholischen Kirche war Latein lange die einzig zugelasseneSprache.

    Die genannten Merkmale treffen auch auf die EJCSK zu. Im Mittelpunkt der Bewegung stehtdie Gestalt des Simon Kimbangu. Er war der Fhrerprophet, der heilte und Wunder vollbrach-te. Er wurde am 24. September 1889 in Nkamba (unterer Kongo Richtung Atlantik) geboren.

    Er heiratete im Alter von 24 Jahren Mwilu Marie. Seine Eltern verlor er relativ bald. Er be-suchte ein Katechumenat. Gemeinsam mit seiner Frau empfing er die Taufe bei den Baptisten.Zwischen 1915 und 1916 bewarb er sich um den Posten eines Katechisten in Nkamba. SeineBewerbung wurde abgelehnt, weil er nicht die notwendige Ausbildung dazu hatte. In der Be-grndung des Baptistenpfarrers steht, dass er nicht richtig lesen konnte. Im Jahre 1918 als diespanische Grippe den Kongo heimsuchte und viele Menschenopfer forderte und die medizini-sche Hilfe der Kolonialverwaltung ausblieb erhielt Simon Kimbangu folgenden Ruf vonChristus in einer Vision:Ich bin Christus. Meine Diener sind untreu geworden. Ich habe dicherwhlt, um vor deinen Brdern Zeugnis abzulegen, dass sie sich bekehren. Zunchst weigerter sich dem Ruf und er geht als Kleinhndler und Arbeiter nach Kinshasa. Er scheitert undkehrt nach Nkamba zurck und er versuchte als Tischler und Bauer seine Familie zu ernhren.

    Nach und nach gabt er den Widerstand auf und stellt sich in den Dienst seiner Berufung, diezunchst in Predigt, Heilung der Kranken und Handauflegung im Namen Jesu Christi besteht.In diese Zeit fllt auch eine berhmt gewordene Krankenheilung: Am 6. 1921 begibt sich Si-mon Kimbangu zum Markt ins benachbarte Dorf Ngombe-Kinsuka. Als er an der Htte einerkranken Frau vorbeigehen will fhlt er sich vom Geist angehalten hineinzugehen und sie zuheilen. Die Frau wird gesund, bezichtigt ihn aber der Zauberei. Kimbangu wehrt sich mit fol-genden Worten:Das, was ich getan habe habe nicht ich getan, sondern Gott hat es getan.Danach folgen viele Krankenheilungen, die ihn ber die Gegend hinaus bekannt machen. Diesfhrt zu einer regelrechten Volksbewegung ber den Kongo hinaus. Dadurch stellt sich dieKolonialverwaltung die Frage, ob es sich dabei um eine Rebellion handeln knnte. Es gabt zu

    dieser Zeit viele antibelgische Bewegungen. Viele Siedler (Kolonialherren) waren um denErtrag ihrer Geschfte besorgt, weil viele Menschen ihre Arbeit quittierten, um eine Pilger-reise nach Nkamba zu machen. Viele Menschen hofften zu dieser Zeit auf einen starken

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    kongolesischen Knig durch den ein paradiesischer Statt geschaffen werden sollte. Ebensowaren die christlichen Missionare durch diese Bewegung beunruhigt, weil sie die Kirchenleerte. Fr die katholische Kirche war diese Bewegung eine Folge der protestantischen Bibel-bersetzung. Die Kolonialverwaltung schickte dann den belgischen Hauptmann Morel, dervon den Kimbanguisten unter Simon Kimbangu empfangen wird. Durch Zungenreden glaubt

    er, dass sie geisteskrank sind. Die Kolonialverwaltung schickte Morel nach Nkamba zurck,um Kimbangu gefangen zu nehmen. Es kommt dabei zu einem Handgemenge bei dem SimonKimbangu entkommen konnten. Drei Monate spter stellt er sich freiwillig. Danach findet einProzess statt bei dem er zum Tode verurteilt wird. Durch eine Petition wird das Todesurteil inlebenslngliche Haft und 120 Peitschenhiebe umgewandelt. Am 12. Oktober 1951 stirbt er inHaft. Die Bewegung wurde verboten. Trotzdem entstand eine anerkannte Kirchengemein-schaft daraus.Mit der Verhaftung begann fr die Kimbanguisten eine Zeit der Vertreibungen und Verfol-gungen. Es wurde ihnen verboten sich in der Nhe von Nkamba aufzuhalten. Es kam dannsogar zu Deportationen von denen ca. 100.000 Menschen betroffen waren. Diese Deportatio-nen trugen zur Verbreitung der Bewegung bei. Kimbangu hatte drei Shne, die ab 1953 mit

    den verstreuten Gruppen Kontakt aufzunehmen begannen. Eine groe Rolle spielte hier derjngste Sohn Josef. 1954 bernahmen in Belgien die Sozialisten die Macht. Sie verhieltensich neutral gegenber den Religionen und die Kimbanguisten konnten sich wieder ffentlichversammeln. Es entstand eine eigene und hierarchisch organisierte Kirche unter der Leitungvon Josef. Wichtig ist, dass man diese Bewegung unterschtzt hat. Nachdem die Kimbangu-isten keine eigene Religion waren, waren sie Katholiken, Protestanten ... Bis diese Kirchenforderten, dass sie sich entscheiden mssen => 1959 wurden sie anerkannt.

    Eckdaten der Kimbanguisten-Kirche:

    Schrift: Er misst der Bibel groen Wert bei. Tatschlich bezeugt die Kimbanguistenkirche die

    Heilige Schrift als Wort Gottes und sich selbst als Gemeinschaft derer, die sich Gott verdankt.Durch das Wort teilt sich Gott selbst mit. Das Wort ist die alleinige Quelle von Theologie undGlaube. Predigt, Gesnge, Gebet etc., kurz alle liturgischen Texte sind bibelbezogen.

    Sakramente : Es gibt vier Sakramente: Taufe, Abendmahl, Eheschlieung und Amt. Besonde-re Aufmerksamkeit verdienen die Taufe und das Abendmahl. Tauf: Sie wird nicht durch Was-ser, sondern durch Handauflegung gespendet. Sie wird am dem 12. Lebensjahr empfangenund entspricht der Geisttaufe der Pfingstgemeinden. Abendmahl: Es wurde 1971 eingefhrtund wird drei Mal im Jahr gefeiert: zu Ostern, am 12. Okt. und zu Weihnachten. Anstelle derblichen Elemente Brot und Wein werden Dinge aus der afrikanischen Umwelt verwendet:Kekse und ein Trank (Honig, Bananen). Jesus nahm auch Elemente aus seiner Lebenswelt.

    Amt: Nach dem Selbstverstndnis des Kimbanguismus sind Kimbangu selbst, seine Frau,seine Shne und seine engsten Mitarbeiter (Opferer) geistgesalbt. Eine besondere Geistgabewurde den Genannten zu Teil. Seine Frau und Shne bestellen durch Ordination neue Seel-sorger. Es lebt nur mehr ein hochbetagter Sohn. Es muss also entschieden werden, ob dashchste geistliche Amt auch Anderen verliehen werden kann. Der Sohn Kimbangus hat dasCharisma ererbt. Wie werden sie sich entscheiden?

    Hinweis zu Leben in der afrikanisch traditionellen Religion: In Afrika gibt es keine Trennungzwischen religis und profan.

    vgl. Karte von Afrika: Ausgenommen der islamisierten Maghreb ist Afrika von der afrika-nisch traditionellen Religion geprgt. Diese Religiositt ist am Leben.

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    vgl. Statistik: Die Statistik zeigt, wie viele Menschen noch nach der afrikanisch traditionellenReligion leben.

    7. Aktualitt und Vitalitt der afrikanischen traditionellen Reli

    gion

    Allgemeine Einschtzung heute: Die afrikanisch traditionelle Religion ist fr die Bewlti-gung von heutigen Problemen nicht relevant.Auch die Leute in den Stdten, die noch Verbindungen auf das Land haben, leben nach denursprnglichen Traditionen. Man kann also nicht von Archologie sprechen, ohne diesenAusdruck zu missbrauchen. Man kann nicht behaupten, dass die Traditionen aus Afrika ver-schwunden sind. Die Menschen leben irgendwie nach den Hauptlinien ihrer Traditionen. DieThese, dass sich die Traditionen auflsen und in Bedeutungslosigkeit verschwinden, ist un-haltbar. Umgekehrt darf man nicht um das Schwarz-Seins willen in das Gegenteil verfallen.Es muss hier ein Mittelweg gefunden werden. Es gibt Vernderungen v.a. durch die Begeg-

    nung mit Europa, aber sie haben die Traditionen noch nicht zum Verschwinden gebracht. Ummit dem Thema zurechtzukommen muss man zwischen drei Ebenen unterscheiden. Anhanddieser Ebenen knnen wir mit den Vernderungen im Zusammenhang mit dem sozioreligi-sen Erbe Afrikas zurechtzukommen.

    - Auffllige Vernderungen (Morphologie)- Ebene der Institutionen- Ebene der wesentlichen Sinndeutungen

    Auffllige Vernderungen: All jene Innovationen, die das Bild Schwarzafrikas seit der Be-gegnung mit Europa verndert haben. Vernderung hinsichtlich der Bekleidung, des Trans-

    portwesens, der Kommunikation, der Arbeitswelt, des Wohnverhaltens etc.Die Aufflligkeit dieser Vernderungen ist frappierend und birgt die Gefahr in sich, in derBeurteilung ihrer Tiefe und ihres Tempos auch auf die anderen Aspekte in allen gesellschaft-lichen Bereichen zu Anwendung zu kommen. Bimwenyi

    Ebene der Institutionen: In diesem Bereich sind die Vernderungen nicht so schnell undbeobachtbar, wie auf der ersten Ebene. Man kann hier von einer Koexistenz der System undInstitutionen sprechen. Das von Europa bernommene ist noch nicht so integriert, dass es alseinzelne Richtschnur dienen knnten. Auch das Alte ist nicht mehr die einzige Richtschnur.Man knnte dies als Dualitt oder Koexistenz der Systeme bezeichnen. Die Diktatoren warenMeister im Jonglieren zwischen den beiden Systemen: Kann man sich mit der Tradition nicht

    durchsetzen, so greift man zu den Waffen (Moderne), um sich zu verteidigen.Die Angriffe auf die traditionellen Institutionen haben nicht zu deren Verschwinden gefhrt.Dies sieht man am Beispiel der Justiz: Man kann sich an moderne Gerichte wenden oder ei-nen Palaver durchfhren. Die Tradition ist nicht mehr so stark da und die Moderne ist nochnicht voll integriert. Die Schwierigkeit ist, dass beide Fremdkrper sind.

    Ebene der wesentlichen Sinndeutungen: Sie meint jenen Bereich der angefllt ist mit engrundbegriffen, den fundamentalen Metaphern und prgnanten Symbolen, mit den ur An-schauungen ber Mensch Welt und Jenseits und die wesentlichen Beziehungen, die spinnwe-benartig die Grundkarte der Welt und die verschiedenen Schicksale der Welt skizzieren.(Bimwenyi) Es handelt sich um die tiefe Schicht der Sinnorientierung, die jeder Kultur eigenist und deren sitz im Leben ist, den Menschen in den Fragen nach Mensch, sinn und Welt. Eshandelt sich um die Ebene der wichtigsten Quellen, aus denen eine Kultur gespeist wird.Hierher gehren die grundlegendsten Vorstellungen ber Gott, Mensch und Welt. Aus dieser

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    Ebene empfangen dann die wichtigsten Riten, die die besonderen Momente des Lebens inbesonderer Weise feiern, ihren Sinn. Hier ist auch jene Grundlage, von der her sich die ganzeLebensaktivitt des Mensche erhlt (Solidaritt, Achtung vor dem Leben ...).Freilich muss man sich bewusst sein, dass die Vernderungen durch die Moderne vor dieserEbene keineswegs Halt gemacht haben: Die Begegnung mit Europa berhrte auch diese Ebe-

    ne und hat neue Interpretationen hervorgerufen. Beispiel der Initiation: Was passiert, wenndie Initiation nicht mehr von der Volksgruppe geleistet werden kann. Heute bernimmt dasdie Schule europischen Zuschnitts. Die Gesellschaft muss andere Wege finden ihre Werte zuvermitteln. Was kann man aus der Initiation fr die Schule bernehmen?Die Vernderungen finden zwar statt, aber in einem anderen Tempo, weil der Mensch in sei-nen Selbstbezgen zu sehr betroffen ist, um aus der Sicherheit des Habens in die Unsicherheiteines Haben-Werdens aufzubrechen. Die Sinndeutungen bewegen sich in der Regel sehr sehrlangsam. Mit Blick auf die traditionelle afrikanische Religion muss festgehalten werden, dasssie nach wie vor aktuell ist und nach wie vor zum Tragen kommt:

    1. Die afrikanische traditionelle Religion ist in den vielen AUK und in den vielen ande-ren religisen Bewegungen lebendig als es hier zu einer neuen Gestalt des Christen-tums im Lichte des afrikanisch religisen Erbes gekommen ist. V.a. in Bezug auf Heilund Heilung, den Traditionen in der Liturgie, Strukturen der Gemeinschaften. Die re-ligisen Bewegungen (Sekten) sind nicht etabliert. Sie schieen wie Pilze aus demBoden.

    2. Die traditionelle afrikanische Religion ist in Gemeinden lebendigen, die sich nichtdem Islam noch dem Christentum angeschlossen haben, und ihr Leben nach ihren re-ligisen Vorstellungen gestalten (= neoafrikanische Bewegungen). Diese Bewegungenverstehen die traditionelle afrikanische Religion unter den Bedingungen des heutigenLebens. Die Lebendigkeit der afrikanisch traditionellen Religion in der Karibik und in

    den USA darf nicht vergessen werden.

    3. Auch die sogenannten Missionskirchen, das sind die Kirchen, die aus der Mission he r-vorgegangen sind, entdecken die Relevanz der traditionellen afrikanischen Religion.Es geht um die Gestaltung des Prozesses der Inkulturation so, dass die Kirchen nichtals Fremdkrper erfahren werden, sondern heimisch werden. Die Liturgie kann ange-

    passt werden: Der Buakt findet nicht am Anfang der Messe statt, sondern nach derPredigt, weil man das Wort Gottes gehrt hat und dadurch zum Nachdenken kommt.Erst nach dem Wort Gottes kann man darber nachdenken, ob man ihm gerecht wird.Das entspricht mehr dem religisen Empfinden der Menschen: Ich muss zuerst wissen,um was es geht.Ein zweites Beispiel sind die Ahnen: Anrufung der Ahnen in der Liturgie durch eineLitanei. Die Grenze des eigenen Stammes wird versucht zu sprengen, weil die Ahnennur die Ahnen des eigenen Stammes sind. Die Aufnahme der Ahnen in die Liturgiewar schwierig, wurde aber von Rom genehmigt.Gabenprozessionen dauern sehr lange in der Liturgie.Es gibt hier zwei entgegengesetzte Richtungen: Den Einen ging das viel zu weit (Hei-dentum) den Anderen ging es viel zu wenig weit.Laien: Wo sich Laien bewehren, knnen sie eine Gemeinde leiten. Sie werden Mu-kambi (Singular) oder Bakambi (Plural) genannt. Das ist eine Schwierigkeit (Kirchen-recht). Der bereits verstorbene Kardinal Malula setzte sich dafr ein.

    4. Die afrikanisch traditionelle Religion ist grundstzlich bei den meisten afrikanischenMenschen lebendig, weil sie zu den wichtigsten Sttzen ihrer Identitt gehrt. Das

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    wird deutlich, wenn ein Mensch keinen Rat mehr wei und sich dann der traditionel-len Religiositt zuwendet und sich dadurch Impulse zur Problembewltigung erhofft.Die Missionare mussten und mssen feststellen, dass sich viele Menschen nicht an siewenden, sondern sich auf den Weg ins Heimatdorf zu den ltesten machen. Die Tren-nung zwischen sakralen und profanen Bereich gibt es nicht. Der Einzelne kann also

    schwer unterscheiden. Manche glauben, dass die Betreuung durch christliche Seelsor-ger nicht ganzheitlich ist.

    Resmee

    Religion im traditionellen Afrika ist kein Sonderbereich. Es gibt keine Trennung zwischeneiner sakralen und profanen Sphre. Dahinter steht die Einsicht, dass das Leben so zentral ist,dass sich kein Religionsbegriff entwickelt hat. Der Begriff des Lebens stellt den hermeneuti-schen Schlssel fr die Artikulierung des afrikanischen Religionsverstndnisses dar. Es gehtum Partizipation, um eine Hierarchie des Weitergeben des Lebens. Auf dieser Grundlagekann dann hervorgehoben werden, dass das Leben von Gott stammt, der einzig, immanent ...

    ist. Die Attribute Gottes kommen in Mythen Gebeten und religisen Handlungen zum Aus-druck. Sosehr die Menschen der berzeugung sind, dass Gott Ursprung und Erhalter allenleben ist, so glauben sie auch, dass ihnen dieses leben ber die Ahnen zuteil geworden ist.Damit ist die Vorstellung verbunden, dass das leben gelingen kann, wenn sich die Menschenan den Ahnen orientierten, ihrer Gedenken und diese Verehrung ins heute zu bersetzen. Die-se Handlungen sollen das Wohlwollen der Ahnen auf sich lenken.Durch die Begegnung mit Europa ist die traditionelle afrikanische Religion nicht verschwun-den: AUK, neue religise Bewegungen, afrikanische Diaspora (USA, Karibik), Inkulturationin die Missionskirche, bei allen Afrikanerinnen und Afrikanern, die die Religion als einenwichtigen Eckpfeiler ihres Lebens ansehen.