Präsentation Robert-Bosch-Krankenhaus 1 SCHULTERDYSTOKIE 16. Süddeutscher Hebammentag 16. Juli 2014 Stuttgart Dr. Kirsten Amos
Präsentation Robert-Bosch-Krankenhaus 1
SCHULTERDYSTOKIE
16. Süddeutscher Hebammentag
16. Juli 2014
Stuttgart
Dr. Kirsten Amos
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Übersicht
Definition
Risikofaktoren
Komplikationen
Prädiktion
Prävention
Maßnahmen
Risikomanagement
Medikolegale Folgen
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Definition I
Vital bedrohlicher Geburtsstillstand b. Geburt aus SL n.
Austritt d. kindl. Köpfchens
Einstellungsanomalie, die nach Geburt des Kopfes die
vollständige Entwicklung des Kindes erschwert:
Regelwidrige Einstellung des kindlichen Schultergürtels in
Abhängigkeit vom Höhenstand des Kopfes
- Hoher Schultergeradstand
(- Tiefer Schulterquerstand)
Inzidenz:
0,5% (0,2-3%-10%) aller Geburten (abhg. v. Kindsgewicht!)
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Definition II
3 Kriterien:
Klinisch: Routinemaßnahme wie die leichte Traktion ist
nicht ausreichend zur Schulterentwicklung; Anwendung
weiterer Manöver erforderlich!
Zeitlich: Zeitintervall zwischen Kopf und Rumpfentwicklung
> 60sec
Bildlich: Turtle Sign:
Retraktion des kindlichen Kopfes
auf den mütterlichen Vulva-Damm-
Bereich (nach erschwertem Durchtritt)
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Turtle Sign
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Relevanz !?
Stress im KRS !!!
Häufigkeit: Dritthäufigste geburtshilfl. Komplikation
Komplikationen (Plexusparese)
Medikolegale Folgen §§§: häufigster Grund für Klagen
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Risikofaktoren
Antenatal Z. n. Schulterdystokie:
Wiederholungsrisiko: 13%
Maternaler Diabetes mellitus Diabetes
Adipositas/BMI > 30kg/m2 Obesity
Exzessive Gewichtszunahme
Beckendeformität, Kleinwüchsigkeit
Multiparität
Terminüberschreitung Postterm
(Z. n.) Makrosomie >4.500g Excessive fet weight
GG > 4000g: 3%
GG > 4.500g: 11%
GG > 5.000g: 40%
Cave: M. + D.!
Intrapartal
Protrahierte AP / EP
Oxytocingabe
Vaginal-operative Geburt
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Schulterdystokie – Makrosomie I - DM
B. GDM od. DM ist Risiko e. SD b. gleichem Geburtsgewicht im Vgl. zu nicht
diabet. Kontrollkollektiv um bis zu Faktor 5 erhöht.
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Schulterdystokie – Makrosomie II
Probleme:
- Kindsgewicht
- ungünstiges Verhältnis BIP-TQ
SD in 48% bzw. 93% b.
GG < 4.000g bzw. < 4.500g
SD auch ohne Vorliegen v. RF!
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Komplikationen:
Maternale Morbidität
Geburtsverletzungen:
- Höhergradige Dammrisse in 3,8%
- Scheidenrisse in 19%, Zervixrisse in 10%
- Blasenverletzungen, -atonie
- Uterusruptur in 1%
- Symphysensprengung/-lockerung
- Fisteln
- Infektionen
Postpartale Blutungen 14%
Inguinaltunnel-Syndrom/
Meralgia paraesthetica:
Nervenkompressionssyndrom/
Neuropathie d. N. femoralis cutaneus lat.
im Bereich d. Leistenbands od.
Plexus lumbalis
Postpartales Stress-Syndrom
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Komplikationen:
Neonatale Morbidität I
Klavikulafraktur: 1,7-9,5%
Humerusfraktur: 0,1-4,2%
Plexusschädigung: 13%
10% der Plexusschädigungen führen zu bleibender Funktionseinschränkung
Mekoniumaspiration: 2,9%
Pneumothorax
Schwere Azidose: 4,3%
Asphyxie m. neurolog. Schädigung: 1,8-2,9%
Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie: 0,3%
Neonatale Mortalität: 2,9%
Sympathikusläsion
Hämorrhag. Kontrakturen
3% bleibende Schäden!
Gherman R. et al., ACOG 2006
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Neonatale Morbidität II:
Plexusparese
I. R. d. Schulterdystokie:
Kombination aus (Press-)Wehen und Traktion am Kopf
Ohne SD:
Intrauteriner Druck (Myome, Septum, Fehlbildungen): posteriorer Arm!
Präpartale Lageanomalie, z.B. b. Oligohydramnion
Spontanes Auftreten n. Sectio: 4-12% d. PP
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Obere Plexuslähmung /
Erb-Duchenne-Lähmung
- Läsion d. 5. u. 6. Zervikalwurzel / C5 und C6
Schlaffe Lähmung des M. deltoideus mit
- Funktionseinschränkung v. Abduktion und Außenrotation der Schulter
- Lähmung der Beuger und Supinatoren des Unterarms
- Funktionseinschränkung d. Streckung im Handgelenk u. d. Finger
- Schultertiefstand
- Handgreifreflex erhalten
- 85% d. Plexusparesen
- 80% d. Plexusläsionen heilen innerhalb d. ersten
3-6Lebensmonate aus
- 3% irreversible Schädigung
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Erb-Duchenne-Lähmung
Kaiser Wilhelm II., 1890
(1854-1941)
Geburt aus Steißlage mit forcierter
Entwicklung des Armes durch
Geburtshelfer Prof. Martin
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Untere Plexuslähmung /
Plexuslähmung n. Klumpke
- Läsion im Bereich von C7 und C8
- 2-3% aller Plexusverletzungen
- Zusätzliche Einschränkung d. Fingerbeugung, d. Handbeugung,
Fingerabduktion und Fingeradduktion
- Kommt isoliert b. Neugeb. quasi nicht vor
Verletzung des ges. Plexus brachialis: 0,03-0,5/1.000 Geburten
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Prädiktion:
Kann die SD vorausgesagt werden?
Ante- und intrapartale RF sind häufig
Makrosomie ist schwierig zu schätzen!
2-4fach erhöhtes Risiko b. Schwangeren mit DM
Risikokalkulationen sind insuffizient!
Makrosomie-Index (Verhältnis KU bzw. BIP / AU bzw.
Abdomendurchmesser):
- keine empir. Überprüfung anhand v. Studien
- Eignung als Vorhersage- u. Entscheidungskriterium nicht belegt
Prädiktion bisher unzureichend!
daher:
SD b. jeder Geburt antizipieren!
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Prävention der SD durch Einleitung
Induction of labour (IoL) reduziert nicht die Rate an SD b. Makrosomie
ohne GDM
IoL reduziert Rate an SD b. Schwangeren mit GDM
Einleitung ohne GDM hat keinen Effekt auf Sectiorate
Behandlung d. GDM reduziert Risiko für SD!
Präventive Maßnahme: gute BZ-Einstellung!
Horvath K. et al., BMJ 2010
Bei V. a. Makrosomie (+/- DM) kann Einleitung
n. Risikoabwägung ab 37+0 SSW erwogen werden. LL DGGG, 2010
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Prävention der SD durch elektive Sectio I
Zur Prävention v. 5 Fällen v. SD via Sectio b. Geburtsgewicht v. 4.500g
132 Sectiones erforderlich Gross et al., JAMA, 1987
Sandmire, JAMA, 1987
Kindsgewicht 4000g:
733-3226 S. zur Verhinderung 1 Plexusparese
800-16.000S. zur Vermeidung 1 permanenten Parese
Kindsgewicht 4500g:
233-1026 S. zur Verhinderung 1 Plexusparese
1300-28000 S. zur Vermeidung 1 permanenten Parese
2345 zusätzl. Kaiserschnitte zur Verhinderung einer einzigen Plexusparese!
Kosten 8,7 Mill. USD Rouse DJ, OwenJ, JAMA 1999
Ecker JL et al, Obs. Gyne 1997
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Prävention der SD durch elektive Sectio
II
Elektive Sectio bei Schwangeren m. EFW > 4.500g
Z. n. Schulterdystokie und Plexusparese:
Wiederholungsrisiko 2-13%
Aufklärung bei Vorliegen einer Risikokonstellation:
spezif. Risiko, Folgen, Geburtsmodi, Komplikationen, Morbidität b. vag. Entbindung
Cave: Genauigkeit d. sonograf. Schätzgewichts?
RCOG shoulder dystocia 2012
ACOG bulletin shoulder dystocia 2007
LL DGGG, 2010
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Management der SD
Basics
Erkennen!, dann systematisch vorgehen:
1. Hilfe organisieren:
CA, OA, erfahrene Hebamme,
Anästhesie, OP-Team, Kinderarzt
2. Simple/externe Maßnahmen zuerst:
2.a) Kein Fundusdruck, nicht
Mitpressen, Oxytocin aus, evtl. Tokolyse
2.b) Blase leeren
First Line-Manöver
3. McRoberts
4. Suprapubischer Druck
5. Episiotomie?!
6. Vierfüßler-Stand / Gaskin Manöver
H Call for help
E External maneuvers
H E L P
L legs back = Mc Roberts
P suprapubic pressure
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Mc Roberts
Flach Liegen, kein Kissen
Beine in den Hüften maximal strecken und rasch beugen u. abduzieren
Ausgleich der lumbosakralen Lordose
Vergrößerung des AP-Durchmessers des Beckens
Erfolgsrate: 40%-90%
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Suprapubischer Druck / Rubin I
Suprasymphysärer Druck von der Seite des kindl. Rückens zur Rotation
des Schultergürtels
u. dezenten Druck auf kindl. Kopf
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Episiotomie!?
„no benefit from this practice despite historical recommendations“
1.9.1998 – 31.8.2009
94.842 Geburten
953 Schulterdystokien
102 Plexusparesen
Episiotomie-Rate b. SD
- 1999: 40%
- 2009: 4%
Keine Änderung d. Anzahl an Plexusparesen: 1,1-1,9%/Jahr
Paris et al., Am J Obstet Gynecol 2011;
Die Episiotomie wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert, da ein Dammschnitt nur den Scheidenausgang und nicht den Beckeneingang erweitert. Das Nicht-Anlegen eines Dammschnittes ist im Falle eines Rechtsstreits aber ein Kunstfehler!
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Gaskin-Manöver: Vierfüßler-Stand
Erweiterung des Abstands zw. Symphyse und Steißbein
80% Erfolgsrate in 2-3min
Eingeschränkt einsetzbar (PDA?)
Ina May Gaskin (* 8. März 1940) ist eine US-amerikanische Hebamme (in den USA Certified Professional Midwife, CPM), die als „mother of authentic midwifery“ („Mutter der authentischen Geburtshilfe“) bezeichnet wurde.
Athukorala C. et al., Cochrane 2006
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Second line: Interne Manöver
Rubin Manöver
Woods‘ Screw / Woods Korkenzieher Manöver
Hinterer Achselzug
Lösung hintere Hand / Arm
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Rubin (II) - Manöver
Eingehen mit 2 Fingern in vordere Scheide und Rotation der vorderen
Schulter vom Rücken her in den schrägen Durchmesser
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Woods‘ Screw Maneuver / Reverse WSM
Eingehen mit 2 Fingern in hintere Scheide und Rotation der hinteren
Schulter von der Bauchseite her (= gleiche Richtung wie Rubin II)
Kombination mit Rubin II-Manöver
Reverses Woods-Korkenzieher-M.:
Schulterblatt der hinteren Schulter
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Hinterer Achselzug
Umgreifen der hinteren Schulter mit beiden Händen und Eingehen in die
kindl. Achselhöhle mit jeweils einem Finger zur Entwicklung der
hinteren Schulter
Humerusfrakturrate: 2-12%
Keine erhöhte Rate an Plexusparesen! Menticoglou et al., Obstet Gynecol 2006
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Hand-/Armlösung n. Dudenhausen
Herunterholen der hinteren Hand bzw. des hinteren Armes von der
Kreuzbeinhöhle her und Entwicklung der hinteren Schulter
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Notfallmanöver
Manöver n. Jacquemier: Gezielte Klavikulafraktur / Humerusfraktur
Zavanelli Manöver:
Zurückschieben d. kindl. Kopfes entgegengesetzt der Geburtsmechanik in den Geburtskanal u. anschließende Sectio:
- 92% Erfolgsrate (103 Fälle in 30 Publikationen)
- IUFT b. zervikaler C5-C6-Dislokation Sandberg EC et al., Obstet Gynecol 1999
Ross M et al., Obstet Gynecol 2006
Symphysiotomie:
Durchtrennung d. Bindegewebes
zwischen den Schambeinästen zur Vergrößerung d.
Geburtskanals
Kleidotomie: Op. Durchtrennung d. Schlüsselbeins
pH-Abfall: 0,04U/min
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Notfallmanöver II
Abdominaler Rettungsversuch: Notfallsectio mit Rotation der Schulter in
den Geburtskanal (Martius)
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Notfalltraining bzw. - simulation
Use of basic maneuver:
Pretraining 81%
Posttraining 94%
Successfull delivery:
Pretraining 43%
Posttraining 83%
Crofts et al. 2006
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Medikolegale Folgen I:
AWMF-Leitlinien: Schulterdystokie
Die SD-assoziierte kindl. Armplexusparese gilt heute als
eines der am häufigsten behandelten medikolegalen
Paradigmata.
7% aller Gerichtsverfahren aus dem gebh.-gyn. Bereich
stehen in Zusammenhang mit einer Schulterdystokie.
SD ist eigens eine LL d. AG Medizinrecht der DGGG
gewidmet ist:
AWMF-Nr. 015/024 (S1) Empfehlungen zur
Schulterdystokie Erkennung, Prävention und
Management
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Medikolegale Folgen II:
Risikomanagement - Dokumentation!
Generelles Vorliegen eines Risikomanagements bzw. Algorithmus
Dokumentation:
Dokumentationsbogen bzw. gemeinsame gute Dokumentation bzw.
Abgleichen b. getrennter Dokumentation:
- Alarmierung
- Schulterquer- od. Schultergeradstand? Welche Schulter?
- Wer hat wann welche Maßnahme durchgeführt?
- Chronologische Auflistung mit exakten Zeiten!
Zeitpunkt d. Diagnosestellung d. SD - Kindsentwicklung
- Korrelation mit CTG!
Unterschrift aller Beteiligten
Nachbesprechung im Team und mit Eltern
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Zusammenfassung
Die Schulterdystokie ist mit wenigen Ausnahmen ein unvorhersehbares Ereignis mit niedriger Inzidenz im klinischen Alltag
Die Prädiktion ist bisher unzureichend
Maßnahmen bei GDM sind präventiv
Vorliegen e. Managementplans (schriftl. Dienstanweisung)
Rate an Plexusparesen (und damit Klagen) läßt sich durch entsprechendes Riskomanagement (Training!) signifikant senken
Auch bei korrektem Handeln (Dokumentation!) ist eine Plexusparese nicht immer vermeidbar
15% d. Plexus brachialis-Schäden u. 50% aller Frakturen ohne Schulterdystokie!
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit !!!