Schriftliche Vorbereitung für die didaktische Abschlussprüfung in der Studienrichtung Bachelorstudium Instrumental(Gesangs)pädagogik – Klassik Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Andrea Szewieczek Matrikelnummer: 0912896 12. 04. 2014
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
Schriftliche Vorbereitung für die didaktische Abschlussprüfung in der
Studienrichtung
Bachelorstudium Instrumental(Gesangs)pädagogik – Klassik
Klavier
an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz
5.3 Internet ........................................................................................................................................... 25
F. Burgmüller: 25 leichte Etüden Op. 100, Nr. 1 – La Candeur (in einem langsameren Tempo als
der von Burgmüller angegebene Metronomzahl)
J. S. Bach: Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach, Musette D-Dur, BWV Anhang 126
L. v. Beethoven: Zwölf deutsche Tänze WoO 8, Nr. 1 – C-Dur
R. Schumann: Album für die Jugend Op. 68, Nr. 1 – Melodie
D. Kabalewski: 24 kleine Stücke Op. 39, Nr. 82 – Scherz
M. Schmitz: Mini Jazz, Nr. 3 – Doubles
10
3. Ludwig van Beethoven: Sonatine F-Dur, Anh. 5 Nr. 2 –
2. Satz: Rondo. Allegro15
3.1 Hintergrundinformationen
Zum Komponisten
Ludwig van Beethoven (1770–1827) war der spätest geborene der drei „Wiener Klassiker“, zu
denen neben ihm die beiden österreichischen Komponisten Joseph Haydn und Wolfgang
Amadeus Mozart zählen. Er selbst wurde in Bonn (Deutschland) geboren, lebte aber ab seinem
22. Lebensjahr in Wien. Zu Beethovens berühmtesten Werken zählen seine neun Sinfonien, die
Instrumentalkonzerte, die 32 Klaviersonaten und zahlreiche kammermusikalische Werke.
Aufgrund eines Ohrenleidens wurde der Komponist mit zunehmendem Alter völlig taub, schrieb
aber trotzdem bis zu seinem Lebensende Musik.16
Zum Stück
Der vorliegende Satz ist der zweite und letzte der Sonatine in F-Dur, welche im Kinsky-Katalog
zusammen mit der Sonatine in G-Dur den Anhang 5 bildet.
Wie schon aus der Satzbezeichnung „Rondo. Allegro“ hervorgeht, entspricht der formale Aufbau
des Stückes einem Rondo mit dem groben Ablauf A-B-A-C-A. Das 16-taktige Hauptthema A
gliedert sich in 8+8 Takte, die als a und a‘ bezeichnet werden können. In der ersten Reprise von
A erscheint dieses nur in Form von a‘, in der letzten wieder vollständig als a-a‘. Der erste
Zwischenteil B enthält 12 Takte, der zweite, C, kann als 30-taktiger Mittelteil angesehen werden
und gliedert sich in 12+10+8 Takte (b1-b2-b1‘). Gefolgt wird er von einer 8-taktigen, rezitativ
aufgebauten Überleitung, welche zum letzten Erscheinen des Themas führt. Abgeschlossen wird
das Stück von einer 4-taktigen, kadenzartigen Coda.
15 Irmer, Otto von (Hrsg.): Beethoven – Zwei Sonatinen, S. 7f. 16 Kerman, Joseph et al.: „Beethoven, Ludwig van“, in: Grove Music Online.
11
Der Grundcharakter der Komposition ist durch das rasche Tempo und die obligate Verwendung
der non legato- bzw. staccato-Artikulation des Themas lebhaft und heiter. Einen Kontrast dazu
bietet der Mittelteil C, welcher üblicherweise im legato gespielt wird und dadurch lyrisch wirkt.
Der technisch anspruchsvollste Teil ist der Zwischenteil B, welcher in der rechten Hand an
Dreiklangszerlegungen und Tonleiterabschnitte angelehnte Sechzehntelläufe enthält.
In diesem Schwierigkeitsgrad bzw. wenn der Schüler noch wenig Erfahrung mit der Wiener
Klassik hat, finde ich persönlich es durchaus legitim, statt einer Urtext-Ausgabe eine bearbeitete
zu verwenden – beispielsweise jene von Franz Prisching17
. Hier ist der Notentext durch
zusätzliche Vortrags- und Artikulationsbezeichnungen ergänzt, welche sonst meist vom Lehrer
eingetragen werden müssen. Ergänzend sollte man jedoch in diesem Fall den Schüler auf die
Unterschiede von Urtext und bearbeitetem Text hinweisen.
3.2 Begründung der Werkauswahl und Unterrichtsziele
Die beiden mit „Anhang 5“ bezeichneten Beethoven-Sonatinen sind ein wunderbarer Einstieg in
die zyklischen Werke der „Wiener Klassik“. Durch den übersichtlichen formalen Aufbau und die
überschaubare Länge der Sätze können sie auch zu formalen Analysen herangezogen werden.
Der ausgewählte Satz kann bei entsprechend genauer, differenzierter Interpretation in
verschiedenen Bereichen äußerst lehrreich sein – fast etüdenhaft sind hier viele technische
Probleme (siehe die spätere Auflistung der Feinziele) in ein Musikstück verpackt. Durch seinen
heiteren Charakter kann es trotzdem sehr ansprechend für Schüler sein, besonders für Kinder und
Jugendliche. Desweiteren kann es zusammen mit dem ersten Satz als eines der ersten größeren
Originalwerke von Beethoven erlernt werden, was als Meilenstein in der musikalischen
Entwicklung angesehen bzw. präsentiert werden kann.
Die Grob- und Feinziele der Arbeit mit diesem Stück könnten wie folgt lauten:
17 Prisching, Franz (Hrsg.): Sonatinen Vorstufe – Eine Sammlung leichtester Sonatinen als Vorbereitung zu
Clementi, Kuhlau, Diabelli, Universal Edition, Wien, 1995, S. 20f.
12
Grobziele
Einführung bzw. Vertiefung des Wissens über die „Wiener Klassik“ (kognitiv)
Formenlehre (kognitiv)
Verbesserung der Fingertechnik und Geläufigkeit (motorisch)
Intensivierung der musikalischen Ausdrucksfähigkeiten (expressiv, kreativ)
Feinziele
exakte Artikulation und regelmäßige Sechzehntelläufe und Verzierungen (motorisch)
Differenzierte Dynamik zwischen Melodie und Begleitung (auditiv, motorisch)
überzeugende Interpretation und Wechsel der musikalischen Charaktere (expressiv)
Verständnis der Rondo-Form und selbstständiges Finden anderer Stücke in Rondo-Form
(kognitiv, explorativ)
3.3 Mögliche Herangehensweise
Am Anfang des Lernprozesses sollte, unbedingt noch vor dem ersten Einstudieren des
Notenmaterials, die genaue Besprechung der Artikulationsvorschriften erfolgen. Damit kann,
zumindest in den meisten Fällen, der Aufwand des Umlernens einer möglicherweise eingeübten
schlampigen Spielweise vermieden werden.
In den Teilen A und C können die Intervalle der linken Hand zur Übung auch simultan statt
sukzessive angeschlagen werden (siehe nachfolgendes Notenbeispiel, Thema A). Dies begünstigt
eine stabile Handpositionierung und das Erfassen von mehreren Noten als Einheiten
(„Chunks“18
).
18 vgl. Mantel, Gerhard: Einfach üben, S. 43ff.
13
Von Beginn an sowie auch zu späteren Zeitpunkten des Erlernens sollte die linke Hand mitunter
getrennt geübt werden, da sie durch ihre Begleitfunktion und dadurch, dass die meisten Schüler
Rechtshänder sind, sowohl auditiv als auch motorisch oft benachteiligt wird.
Bei der staccato-Artikulation des Hauptthemas A sollte darauf geachtet werden, dass Hand, Arm
und Schulter sich nicht verkrampfen, sondern der gesamte Bewegungsapparat durchlässig, das
Handgelenk locker und federnd bleibt. Falls der Schüler zum Verspannen neigt, können einzelne
Töne und Tongruppen im staccato geübt werden, dabei ist auf eine schwungvolle „Spring“-
Bewegung nach dem Loslassen der Taste zu achten, die der Lehrer in jedem Fall selbst
vormachen sollte. Mögliche Assoziationen hierzu sind, je nach Belieben und Alter des Schülers,
der Sprung eines Frosches oder eines Gummiballs, das Anzupfen einer Saite, das Auftreffen
eines Regentropfens auf Wasser, etc.
Zur Erhöhung der Geläufigkeit in den Sechzehntelläufen (vor allem jenen in Teil B) empfiehlt
sich das parallele Studium der Tonleitern und Dreiklangszerlegungen in C-Dur und F-Dur sowie
der chromatischen Tonleiter in verschiedenen rhythmischen Varianten, beispielsweise:
In diesen verschobenen Rhythmen können anschließend auch die in B vorkommenden Passagen
geübt werden – bei sauberer Ausführung stärkt dies die Finger und erhöht deren regelmäßige
Geläufigkeit. Im Hinblick auf die Artikulation des Themas (A) können die Tonleitern und
Dreiklangszerlegungen bei Bedarf auch im staccato geübt werden. Außerdem sollten die
technisch anspruchsvollen Passagen auch in einem langsamen Tempo geübt werden – nicht nur
zu Hause, sondern unbedingt auch im Unterricht. Dabei ist darauf zu achten, dass jeder Ton
bewusst als Teil der Melodie gehört wird. Dies beugt einem späteren „Verschlucken“ einzelner
Sechzehntel vor.
Im lyrischen Mittelteil C kann besonders gut an einer differenzierten Dynamik zwischen Melodie
(rechts) und darunterliegender Begleitung (links) gearbeitet werden. Aus kinästhetischer Sicht
bietet sich an, die rechte Hand in der Vorstellung mit mehr Gewicht zu versehen als die linke.
Zur Weiterentwicklung auf auditiver Ebene und um im Schüler eine klangliche Zielvorstellung
14
entstehen zu lassen, kann es hilfreich sein, wenn einmal der Lehrer die Begleitung und der
Schüler die Melodie übernimmt und dann umgekehrt.
Im gesamten Stück ist es wichtig, den musikalisch-metrischen Fluss nicht auf einzelne Viertel-
oder gar Achtelnoten aufzubauen, sondern taktig, 2-taktig bzw. 4-taktig zu denken; nur so
können zusammenhängende musikalische Phrasen entstehen. Um die Unterschiede zu verstehen,
kann der Schüler als Übung, beispielsweise im Abschnitt der ersten 8 Takte, zuerst jede Viertel
mit einem Akzent versehen, dann nur noch die „Eins“ jedes Taktes, dann jeden zweiten und
später jeden vierten Taktbeginn.
Als ergänzende Übung zum Klavierspiel und als Auflockerung einer Unterrichtseinheit kann die
Beschäftigung mit einem Stück von Beethoven außerdem dazu genutzt werden, gemeinsam
Ausschnitte von Aufnahmen seiner sinfonischen Werke anzuhören und zu besprechen.
Entsprechend dem Charakter und der Tonart des vorliegenden Stückes bieten sich beispielsweise
der erste und dritte Satz der sechsten Sinfonie („Pastorale“) an. Da viele Schüler außerhalb des
Instrumentalunterrichts oft kaum bis nie mit klassischer Musik in Berührung kommen, dient dies
zu allererst der Horizonterweiterung. In weiterer Folge kann es aber auch zur klanglichen
Bereicherung des Stückes beitragen, indem für die einzelnen Formteile des Sonatinensatzes
mögliche orchestrale Besetzungen erfunden werden – so könnte das Hauptthema A der
Holzbläserfraktion zugeordnet werden, der lyrische Teil C dagegen den Streichern. („Das
Klavier ist nicht ein Instrument, es sind hundert Instrumente“, sagte schon Anton Rubinstein.19
)
Die Vorstellung eines Blas- oder Streichinstruments als Melodieträger kann außerdem die
Gestaltung musikalischer Phrasen erleichtern, indem jede Phrase mit einem Atemzug oder einem
Bogenstrich gleichgesetzt wird.
Auch improvisatorisch kann mit dem Stück gearbeitet werden, indem etwa über einer
vorgebenen, Stück-eigenen Harmoniefolge (im untenstehenden Beispiel die ans Hauptthema
angelehnte F-Dur-Kadenz I-I-IV-IV-V-I-V-I) eine Melodie erfunden wird. Dabei empfiehlt sich
vor allem der Wechsel zwischen staccato- und legato-Spiel, sowie der bewusste Einsatz von
charakteristischen rhythmischen Elementen des Stückes, einschließlich Mordenten. Eine
mögliche Phrase, die Bezug auf das Hauptthema nimmt, wäre beispielsweise:
19 zitiert nach: Dostal, Jan (Hrsg.): Das Kind am Klavier, S.117.
15
In ähnlicher Weise kann auch über die Harmonien des Teiles C improvisiert werden, wobei dann
Rhythmik und Artikulation wiederum an die in C verwendeten Werte angepasst werden sollten.
Natürlich muss der vorgegebene Rahmen immer auf das Können des jeweiligen Schülers
abgestimmt werden – nicht jeder wird in der Lage sein, nach dem obigen Schema zu
improvisieren. Alternativ dazu kann man daher auch als Lehrer die Begleitung der linken Hand
übernehmen, oder aber diese entsprechend vereinfachen, um das improvisatorische Üben auch zu
Hause zu ermöglichen. So könnten vom Schüler als Harmoniegerüst in der linken Hand auch
lediglich die Basstönen (f-f-b-b-c-f-c-f) als halbe Noten gespielt werden. Ansonsten kann die
Begleitung entweder in, der jeweiligen Artikulation angepassten, Viertelnoten (wie im
obenstehenden Beispiel in den Takten 1–4) oder in Achtelzerlegungen erfolgen (Takte 5–8).
3.4 Parallel verwendbare Literatur
H. Bertini: 25 Etüden Op. 100, Nr. 18 – C-Dur
J. S. Bach: Zweistimmige Inventionen, Nr. 6 – E-Dur, BWV 777
W. A. Mozart: Londoner Skizzenbuch, Rondo D-Dur, KV 15d
E. Grieg: Lyrische Stücke op. 12, Nr. 2 – Walzer a-Moll
B. Bartók: Mikrokosmos 2, Nr. 66 – Geteilte Melodie
Yiruma: Filmmusik zu “Twilight”, River Flows in You
16
4. Johannes Brahms: Rhapsodie Op. 79, Nr. 2
4.1 Hintergrundinformationen
Zum Komponisten
Johannes Brahms (1833–1897) war ein deutscher Komponist, dessen Schaffen üblicherweise der
Epoche der Romantik zugeordnet wird. Durch seine starke Orientierung an der Wiener Klassik
wird er jedoch auch als „Klassiker der Romantik“ bezeichnet.20
So gilt er nicht nur als direkter
Nachfolger Schuberts und Schumanns, sondern auch als jener Beethovens. Er hinterließ eine
Vielzahl an Werken, darunter vier Sinfonien, über 20 Ungarische Tänze in orchestralen und
pianistischen Fassungen, Instrumentalkonzerte, Klavierstücke verschiedenster Gattungen sowie
zahlreiche Chorwerke und Lieder.21
Zum Stück
Der Ursprung des Begriffes „Rhapsodie“ geht auf das alte Griechenland zurück, wo er ein von
Wandersängern, sogenannte „Rhapsoden“, vorgetragenes episches Gedicht bezeichnete. Weitere
berühmte Komponisten, die sich der Gattung „Rhapsodie“ widmeten, sind neben Brahms
beispielsweise Franz Liszt, Claude Debussy, Antonin Dvořák und George Gershwin.22
Im Gegensatz zu den meisten anderen Rhapsodien, welche an keine strenge Form gebunden sind,
enthält das vorliegende Werk alle Merkmale einer Sonatenhauptsatzform: Die Exposition
gliedert sich in Hauptsatz (im folgenden sowie im Notenbeispiel als A bezeichnet), modulierende
Überleitung (B), Seitensatz (C) und, entsprechend dem Stil der Romantik relativ lange
Schlussgruppe (D). Die darauffolgende Durchführung greift vorwiegend auf Material der
Themen A und D zurück. In der anschließenden Reprise ist die Schlussgruppe noch weiter
ausgebaut und mündet in einer 8-taktigen Coda.
20 Schumann, Otto: Handbuch der Klaviermusik, S. 76. 21 Bozarth, George S. und Frisch, Walter: „Brahms, Johannes“, in: Grove Music Online. 22 Salmen, Walter: Geschichte der Rhapsodie, S. 12.
17
Auch die Anordnung der musikalischen Charaktere des Stückes ist typisch für die
Sonatenhauptsatzform: Das Hauptthema A erscheint sehr stark und entschieden im forte – einen
Kontrast hierzu bildet das lyrische, melodisch fließendere Seitenthema C, dessen vorherrschende
Dynamik piano lautet. Dieser lyrische Fluss beherrscht auch den Großteil der Durchführung,
deren wellenförmige Dynamik im pianissimo endet. Dadurch wirkt der Einsatz der Reprise
ähnlich abrupt und kräftig wie der Beginn des Stückes. Damit vergleichbar ist auch das Ende des
Stückes: Hier folgen auf das decrescendo und das sozusagen auskomponierte ritardando in der
Mittelstimme der Coda (Achteltriolen-Achtel-Vierteltriolen-Viertel) aus dem scheinbaren Nichts
die beiden abschließenden fortissimo-Akkorde.
4.2 Begründung der Werkauswahl und Unterrichtsziele
Die beiden Rhapsodien Op. 79 eignen sich meiner Ansicht nach hervorragend als
Unterrichtsliteratur: Sie sind zwei in sich geschlossene Stücke, welche Grundcharakteristika von
Brahms„ Kompositionsstil enthalten, jedoch im Gegensatz zu vielen anderen seiner Werke in
musikalischer und technischer Hinsicht für Schüler der Oberstufe keine unüberwindlichen
Schwierigkeiten aufweisen. So finden sich im Stück zwar viele Oktavgriffe und einige volle
Akkorde, jedoch sind diese alle auch für relativ kleine Hände machbar. Die überschaubare Länge
reduziert außerdem auch die Schwierigkeit der Spannungsbewahrung über weite Strecken, die
beispielsweise in den Sonaten gegeben ist.
Die Grob- und Feinziele der Arbeit mit diesem Stück könnten wie folgt lauten:
Grobziele
Intensivierung der musikalischen Ausdrucksfähigkeiten (expressiv, kreativ)
durch genaues, zielgerichtetes Üben: Erlangung von genügend technischer Sicherheit,
dadurch beim Vortragen Konzentration auf Musikalität (motorisch, expressiv)
Verständnis des Sinnes der zusätzlichen Übungen, ev. Erfinden eigener Übungen
(explorativ, kreativ)
18
Feinziele
kontrolliertes Rubato, trotz „molto passionato“ keine Verkitschung (expressiv)
auditiv nicht wahrnehmbares Übergreifen der linken Hand über die rechte (motorisch)
Hervorheben der vorkommenden Polyphonie durch deutliche Differenzierung (motorisch,
auditiv)
sichere Oktavsprünge der linken Hand durch Stabilität und Flexibilität (motorisch)
charakterlich überzeugende Interpretation, eventuell durch Hinzudenken einer Geschichte
(kreativ, expressiv)
Verständnis des Widerspruches zwischen der Gattung „Rhapsodie“ und der verwendeten
Sonatenhauptsatzform – Brahms als „klassischer Romantiker“ (kognitiv)
4.3 Mögliche Herangehensweise
Eine der größten technischen Schwierigkeiten des Stückes liegt meiner Meinung nach in den
teilweise recht weiten Sprüngen der linken Hand. Diese sollten daher auch unbedingt getrennt
geübt werden, wobei die Bewegungen zuerst bewusst sehr langsam und rund ausgeführt und
darauf geachtet werden soll, dass keine unnötigen Mikrobewegungen (beispielsweise
übertriebenes Federn des Handgelenkes, etc.) durchgeführt werden. Die Konzentration des
Schülers soll bei weiten Oktavsprüngen von Anfang an auf jenes Intervall gerichtet werden, das
durch die beiden mittleren der jeweils vier vorkommenden Töne gebildet wird – Bei den
Oktavsprüngen des Hauptthemas von der jeweils vierten zur ersten Viertel wären das also die
folgenden Töne:
Diese Töne können mitunter auch alleine geübt werden, wobei jedoch zu beachten ist, dass sich
die Hand trotz Weglassen der Oktave in stabiler Oktavstellung befinden soll. Die Konzentration
auf die „Innentöne“ der Sprünge lässt die Distanz geringer erscheinen und begünstigt damit eine
19
höhere Treffsicherheit. Ähnliche Passagen, für welche die obenstehende Übung hilfreich sein
kann, sind die Takte 13, 23ff. und 58ff.
Der Zusammenhang mit den Sprüngen in den Bereich des Violinschlüssels kann wie folgt in
Zweiergruppen geübt werden:
Dabei soll die rechte Hand locker auf der Tastatur platziert werden, um das Einlernen eines zu
niedrigen Weges der linken Hand beim Übergreifen zu vermeiden. Es soll vor allem darauf
geachtet werden, dass die beiden Viertel als eine runde Handbewegung gefühlt werden. Falls der
Schüler damit Probleme hat, kann er seine Hand auf die des Lehrers legen, während dieser die
Übung spielt, um eine kinästhetische Vorstellung zu entwickeln.
Bei der Hinzunahme der rechten Hand bietet sich in manchen Stellen, beispielsweise im Falle
des Hauptthemas A eine Übung zur musikalischen Vorstellungskraft an: Sobald dem Schüler die
Melodie der Oberstimme auditiv geläufig ist, spielt er wiederum nur die linke Hand und ersetzt
die dadurch fehlenden Töne der Melodie zuerst durch gesungene Töne, dann nur in seiner
Vorstellungskraft.
Um dann trotz Aufteilung in beide Hände eine regelmäßige, kantable Melodielinie zu erhalten,
kann diese zu Übungszwecken auch nur mit der rechten Hand gespielt werden – ob der Schüler
dazu die Basstöne der linken Hand selbst spielt, oder ob diese vom Lehrer übernommen werden,
hängt von der Flexibilität des Schülers ab. Anschließend soll der Schüler versuchen, dasselbe
klangliche Ergebnis unter Verwendung des Originalfingersatzes zu erreichen. Dieselbe
Vorgehensweise ist in den an A angelehnten Teilen der Durchführung möglich – ihr Zweck und
Ziel liegt darin, dass das klangliche Endergebnis nicht durch Fingertechnik, sondern durch die
Vorstellungskraft kontrolliert wird.
20
Zusätzlich können die begleitenden Mittelstimmen dieser Teile auch akkordisch geübt werden
(siehe nachfolgendes Notenbeispiel) – dies erlaubt eine konzentrierte Wahrnehmung des
harmonischen Verlaufs.
In Teil B sollen, ähnlich wie in der Bassstimme von Teil A, innerhalb der Achteltriolen in beiden
Händen zu sehr vertikal gefühlte Bewegungsmuster vermieden werden. Stattdessen sollen wieder
die jeweils zwei aufeinanderfolgenden Achtelnoten als eine Bewegung gespielt werden und
außerdem auditiv stets der lineare Melodieverlauf verfolgt wird. Zur Entwicklung einer besseren
Klangvorstellung können als Übung mitunter auch nur Oberstimme und Bass-Viertelnoten
gespielt werden:
Bei anschließender Realisation aller Stimmen sollten dann die beiden Außenstimmen melodisch
phrasiert statt nur rhythmisch geklopft werden.
21
Der anschließende Teil C verlangt durch seine polyphone Kompositionsweise ein besonders
differenziertes Spiel. Der Schüler sollte hier, ähnlich wie bei einem Stück J. S. Bachs, in der
Lage sein, jede Stimme mit jeder zusammen zu spielen, sodass die Mittelstimme nicht
vernachlässigt, sondern auch bewusst gehört und gespielt wird. Es sollte dem Schüler außerdem
bewusst gemacht werden, wie sich die Phrasenlänge hier zuerst verlängert, dann in Richtung des
Höhepunktes wieder verkürzt:
Ob in der Endinterpretation des Stückes zwischen diesen Phrasen abgesetzt wird oder nicht, kann
der Interpret selbst entscheiden – zum besseren Nachvollziehen der Phrasierung bietet sich dies
jedoch als Übung an.
In derselben Weise soll auch in den Takten 33–53 genau auf die verschiedenen Längen der
Phrasen geachtet werden, die Brahms hier mithilfe der Bögen eindeutig markiert hat.
In Teil D soll wiederum auf eine sorgfältige klangliche Abstufung zwischen der Hauptmelodie
(im Bass), der Oberstimme (die eine zweite, untergeordnete Melodie enthält) und der
begleitenden Mittelstimme hingearbeitet werden. Eine Schwierigkeit hierbei bilden die sehr leise
und regelmäßig zu spielenden Achteltriolen der Mittelstimme. Als Übung können diese auch
ohne die linke Hand in schnelleren Notenwerten gespielt werden:
22
Dabei sollte besonders auf metrische und dynamische Regelmäßigkeit und die gleichzeitige
höhere Gewichtung der Oberstimme (Viertelnoten) geachtet werden. Diese Übung eignet sich
auch für die Takte 63ff., in denen nicht nur ein dreifaches pianississimo, sondern auch sotto voce
vorgeschrieben ist.
Auf klanglicher und agogischer Ebene besteht bei diesem Stück, wie auch bei anderen Werken
Brahms„, meiner Meinung nach die Gefahr zur Verkitschung. Besonders die lyrischen Teile (C,
D, Durchführung) verleiten so manchen zu übermäßigem rubato und übertrieben „sanftem“
Spiel. Um dem entgegenzuwirken, kann sich der Schüler vorstellen, selbst einmal in die Rolle
von Johannes Brahms zu schlüpfen und auszuprobieren, wie er wohl sein eigenes Stück gespielt
haben könnte – die Imagination von diesem sehr voluminösen Herren mit dem ebenso
gewaltigen Bart ist meiner Meinung nach der Inbegriff von Stabilität, die sich sowohl auf
metrischer, als auch auf klanglicher Basis auswirken kann. Zusätzlich kann als Hilfe bei der
Suche einer stabilen Spielweise natürlich auch der Lehrer die jeweiligen Melodiestimmen in
anderen Oktaven mitspielen. Neigt der Schüler zu großen Temposchwankungen, kann im Sinne
von Tempovergleichen immer wieder zwischen einzelnen Teilen hin- und hergesprungen
werden, wobei nicht nur der Lehrer, sonder vor allem der Schüler selbst auf ein durchgehendes
Metrum achten sollte.
Um eine ausdrucksstarke Interpretation zu erreichen, kann es hilfreich sein, sich mit dem Schüler
zusammen eine Geschichte zum Stück auszudenken. Dies liegt hier aufgrund der
Stückbezeichnung „Rhapsodie“ besonders nahe. Beispielsweise könnte man sich einen
Rhapsoden vorstellen, der davon erzählt, einen Bären erlegt zu haben: Die Teile A und B wären
dann der selbstbewusste Auftritt des Erzählers und dessen stolzes Präsentieren des Bärenfells,
Teil C beschreibt dessen gefährliche Suche nach dem Bären, in Teil D schleicht sich der Erzähler
23
an das Tier an, der Durchführungsteil beschreibt dann das versteckte Auflauern und das immer
wieder versuchte Erwischen des Bärens bis zum Triumph (fortissimo in Takt 79). Darauf folgt
die Reprise sozusagen als nochmalige Zusammenfassung des Rhapsoden.
Diese Geschichte ist hier selbstverständlich nur beispielhaft erwähnt – im Idealfall überlegt sich
der Schüler selbst eine eigene. Die Miteinbeziehung eines imaginativen, möglicherweise etwas
überdramatischen Erzählers („Rhapsoden“) kann dabei manche ruhigeren, schüchternen
Schülern durch die spielerische Annahme dessen Rolle zu einem starken und selbstbewussten
Vortrag animieren. Eine passende Visualisierung wie jene des „Auflauerns“ im
Durchführungsteil kann außerdem eine viel einfacher vorstellbare Grundlage zum Aufbau langer
Spannungsbögen darstellen als der blanke Notentext.
4.4 Parallel verwendbare Literatur
J. S. Bach: Wohltemperiertes Klavier I, Präludium und Fuge d-Moll, BWV 851
W. A. Mozart: Sonate G-Dur, KV 283
F. Chopin: Trois Nouvelles Etudes, Nr. 1 – Etude f-Moll
S. Rachmaninoff: Moments Musicaux Op.16, Nr. 3 – h-Moll
Helmut Eder: Rhythmische Klavierstücke Op. 18, Nr.6 – Allegro martellato
Michael Nyman: Filmmusik zu “The Piano”, The Sacrifice
24
5. Literaturverzeichnis
5.1 Fachliteratur
Bozarth, George S. und Frisch, Walter: „Brahms, Johannes“, in: Grove Music Online, Oxford