-
in Versammlungen sirzen und sich mit der Tora befassen;die einen
erklren als unrein, und die anderen erklren alsrein; die einen
verbieten, und die anderen erlauben; die einenerklren als
unbrauchbar, und die anderen erklren alsbrauchbar. Vielleidrt sagt
jemand: \enn dem so ist, wie kannich demnach das Gesetz studieren?
Darum sagt die Schriftweiter: Sie sind yon einem Hirten gegeben;
ein Gott hat siegegeben, ein Y/aher [Moses] hat sie gesagt, aus dem
Mundedes FIerrn allen Tuns, gelobt sei er, wie es heit lExodszo:r]:
Und Gott sprach all diese \lorte. Und auch du machedein Ohr wie
einen Trichter und verschafie dir ein verstndi-ges FIerz, um die
\orte der als unrein Erklrenden und die\lorte der als rein
Erklrenden, die Vorte der Verbietendenund die Worte der
Erlaubenden, die Vorte der als unbraudr-bar Erklrenden und die
\orte der als brauchbar Erklren-den zu verstehen., So haben wir
denn hier das Zeugnis, daalle Differenzen der Meinungen und
Ansichten, die einanderwidersprechen, von einem Gott gegeben und
von einem tWal-ter gesagt sind. Dies sctreint dem menschlichen
Verstand ganzfern zu liegen, und es ist seiner Konstitution
versagr, es zu. er-fassen, wenn ihm nicht der gebahnte lWeg Gottes,
der \eg,auf dem das Licht der Kabbala sohnt, eine Hilfe
gibt.*'sEchte Tradidon also, wie alles Schpferische, ist der
jdischenAuffassung keine Leistung der menschlichen
Produkrivittallein. Sie kommt aus einem Urgrund, und es trifft auf
sie zu,was Vgh einmai von Max Scheler zitiert hat: nDerKnstler ist
nur Mutter des Kunstwerks, der Vater ist Gott.nDie Tradition ist
eine der groen Leistungen, in der die Be-ziehung des menschlidren
Lebens auf seine Grundlagen reali-siert wird. Sie ist die lebendige
Berhrung, in der der Mensdrdie uralte \ahrheit ergreift und ber
alle Geschlechter hin inder Zwiesprache des Gebens und Nehmens sich
mit ihr ver-bindet.
r8 Vgl. Jesaja Florowitz, Scbne L*chotb ha-Brith, Amsterdam
r698, Bl.z5bl z6a.
Zum Verstndnis der messianischen Idee
im Judentum
721
-
wahr en Zentrum des historisclen, freilich als
nHeilsgeschichteonunmehr sonderbar aufmontierten prozesses. \a,
"die Kirche
9.1;"i.yb.-:"c,, "I: dieser_ Auffasrung ., Erl
-
sind, genauer gesagr, auf einen Zustand, wie er sich in
derhistorischen Phantasie und dem Gedchtnis der Nation alsein
Zustand idealer Vergangenheit darstellt. Hier ist dieHoffnung nach
rckwrts gerichtet, auf die Viederherstel-lung eines ursprnglichen
Standes der Dinge und auf einol-eben mit den Vtern.. Dazu
treten
"b., 1, Drittes vor_wrtstreibende und erneuernde Krfte, die von
einer Visionder Zukunft genhrt sind und unter utopischer
Inspirationstehen. Sie gehen auf einen Stand der Drrge a.rs, d.,
,,ochnie da var. Im \lirkungsfeld dieser Krfte erscheint dasProblem
des Messianismus im historischen Judentum. Frei-lich, die
konservativen Tendenzen, ,o g.o und geradezuentsdreidend ihr Anteil
und ihre Bedeutung fr das Bestehe.,der religisen Gesellschaft des
Judentums iar, haben an derAusbildung des Messianismus innerhalb
dieser Gesellschaftkeinen Anteil. lohl aber die beiden anderen
Tendenzen, dieich als Restaurarion und Utopie charakterisieren
wrde.Beide Tendenzen sind tief ineinander verschlungen und
dochzugleich gegenstzlicher Narur, und nur aus b"eiden
herauskristallisiert sich die messianische Idee. Nie fehlen sie
ganzin den historisdren und ideologischen Erscheinunge., de,
Ies-sianismus. \ohl aber ist die proportion zwisch ihnen
denstrksten Schwankungen
^,trges.tzt. In verschiedenen Grup-
pen der jdischen Gesellschaft liegt der Akzent an ganz
ver_schiedenen Einsatzstellen solcher Krfte und Tendenzen. Niehat
es hier im Judentum ein harmonisches Ausgewogenseinzwisdren dem
restaurativen und dem utopisch"., Mo-n, g._geben. Manchmal
erscheint die eine Tendenz unter maximalerBetonung, whrend die
andere auf ein Minimum reduziertwird, aber niemals finden wir einen
,reinen Fallu der aus-schlielichen Auswirkung oder Kristallisation
der einen die-ser Tendenzen. Der Grund hierfr ist klar: auch das
Restau_rative har utopische Momente und in der Utopie
werdenrestaurarive Momenre wirksam. Die restaurative Tendenzselber,
auc} wo sie sich als solche versteht - wie etwa beiMoses ben
Maimon, auf dessen Darlegungen ber die mes_sianische Idee ich noch
ausfhrlicher zu sprechen komme _wird in.nicht geringem. Mae von
utopischen Momenten ge-nhrt, die nunmehr als Projektior,
"f di" Vergangenh"eitr24
anstelle von Projektionen auf die Zukunft ersdreinen. Auchhierfr
ist der Grund klar. Es gibt einen gemeinsamenGrund der
messianischen Hoffnung. Die Utopie, die dem Ju-den jener Epoche die
Vision eines Ideals vor Augen stellt,wie er es verwirklicht sehen
mchte, zerfIlt selber auf na-trliche \leise in zwei Kategorien. Sie
kann die radikaleForm der Vision eines neuen Inhalts annehmen, der
von einerZukunft realisiert werden soll, die doch im Grunde
nichtssein soll als die '!iederherstellung des Uralten, die
\lieder-bringung des Verlorengegangenen. Dieser ideale Inhalt
desVergangenen liefert zugleich die Grundlage fr die Visonder
Zukunft. Aber in solche restaurativ ausgerichtete Utopieschleichen
sich bewut oder unbewut Elemente ein, die garnidrts Restauratives
an sich haben, und die sich aus der Vi-sion eines ganz neuen,
messianisch zu verwirklichenden Stan-des der \leit herschreiben.
Das ganz Neue hat Elementedes ganz Alten, aber auch dieses Alte
selber ist gar nicht dasrealiter Vergangene, sondern ein vom Traum
Verklrtes undVerwandeltes, auf das der Strahl der Utopie gefallen
ist'.So sind hier in der dialektisch versdrlungenen Spannung
zwi-schen den utopischen und restaurativen Momenten tiefeSpannun$en
auch in den Gestaltungen des Messianismus imrabbinisch
kristallisierten Judentum gegeben - geschweigedenn in den
Interiorisationen dieser Momente, wie sie sidretwa in der jdisdren
Mystik vollzogen haben. EinigeFlauptformen dieser Gestaltungen
sollen hier entwidcelt wer-den, die uns zugleich ber die hier zum
Ausdruck gelangen-den Spannungen ins Reine setzen werden.
z F den Begrifi des Utopisdren in den folgenden -Ausfhrungen sei
vorallem auf die Analysen dieser Karegorie verwiesen, die Ernst
Blodr inseinen beiden Verken Gejs der (Jtopie, Mncben r9r8, und Das
PrinzipHoffnung, Bcrlin r9i4li9, gegeben hat. Auch wer vielen
DarlegungenBlochs mit groen Reservationen gegenbersteht, wird die
Energie unddcn Tiefblid< rhnen mssen, mit der diese Errterung
des Utopisdrenbei ihm angefat und durdrgefhrt wird. Die
marxistisdre Montage seineszweiten \lekes sreht in
schlerverhohlenem siderstreit zu der mystischenInspiration, dcr
(wie scin estes \lerk beweist) Blodrs beste Einsichten
imwerencldren verpflichret sind und die er durdr einen wahren
Dsdrungelmarxistisdrcr Rhapsodien nidrt ohne Mut hindurdrgerettet
hat.
t25
-
2 der Anschauung vom Inhalt der Prophetie vor. Diesenanonymen
Autoren von Sdrriften wie dem biblische BucbeDaniel, den zvei
Henoch-Bchern, dem vierten Bch Esra,de Barucb-Apokalypsen oder den
Testamenten der zutllPatriarchen - um nur einige Dokumente dieser
einmal offen-bar berreich geflossenen Literatur zu nennen - liefern
die'Sorte der alten Propheten schon einen Rahmen, auf den siesich
beziehen und den sie auf ihre \eise ausgestalten underfllen.Hier
zeigt Gott nun dem Seher nicht mehr einzelne Mo-mente des
historisclen Geschehens oder eine Vision vondessen Ende allein,
sondern er sieht vielmehr die ganze Ge-schidrte vom Anfang bis zum
Ende, unter besonderer Beto-nung des Fleraufkommens jenes neuen
Aons, der sich in denmessianischen Ereignissen durchsetzt und
manifestiert. Sowird schon fr den Phariser Josephus Adam, der
ersteMensc, zu einem Propheten, der nicht nur die 'WassBrflutzu
Noahs Zerten, sondern auch die Feuerflut am Veltende,und damit
offenbar die gesamte Flistorie, in seiner Vision um-fat. Und ganz
hnlich hat es die talmudische Aggada gese-hen. Gott zeigt dem Adam,
aber audr dem Abraham oderdem Moses alles Vergangene und alles
Knftige, den gegen-wrtigen und den kommenden on+. duch der
endzeitlichePriester (priesterliche Messias) des
Habau.-Kommenraresder Sektierer vom Toten Meer vird imstande sein,
die Vi-sionen der alten Propheten ber den Gesamtverlauf der
Ge-schichte Israels in allen ihren nun voll sichtbar werdendenZigen
z't deuten. Bei dieser Ausdeutung der Visionen deralten Propheten
oder audr der neuen Apokalyptiker selbergehen Motive
zeitgeschidrtlicher Natur, die sich auf die ge-genwrtigen
Verhhnisse und Nte beziehen, eng verschlun-gen mit solchen
endgeschichtlicher, eschatologischer Natur, indenen nicht nur die
Erfahrungen der Gegenwart wirksam wer-den, sondern oft genug alte
mythische Bilder mit utopischemInhalt erfllt werden. Hierbei
werden, wie den Erforschernder Apokalyptik von jeher mit Recht
aufgefallen ist, die3 Flavius Josephus, Altertmer 1,7o.4 Midrasch
Tancbama, Absclnitt Mss'e, $ 4; Midrasch Brescbith Rabba,ed.
Theodor S. 44.
f27
In seiner Erscheinung als lebendiger Macht in der \Welt
desI,udentums, und gerade auch in der des mittelalterlichen
Ju_dentums, das
.so ganz in die \elt d,er Halacba.r.rrponi.r,sdreint, tritt der
messianische Gedanke stets in engster Ver_bindung mit Apokalyptik
auf. Die messianische Iee bildetdabe gleicherweise einen Inhalt des
religisen Glaubensberhaupt wie audr eine- lebendige, akute
rwarturrg. DieApokalyptik erscheint dabei als die notvendig sich
biidendeGestalt des akuten MessianismusEs versteht sich von selbst
und bedarf im Zusammenhangdieqer Errterungen wohl keiner Begrndung,
da die messia]nische Idee nicht nur als Offenbaruig eines
t.tr^kt"r, Satre,von der. Hoffnung der Mensdrheit auf Erlsung
entstandenist, sondern in jeweils sehr bestimmten historish en
Zusam_menhngen. Die'Weissagungen oder Botsdraften der
biblischenPropheten kommen ebensosehr aus Ofienbarung wie ausder
Not und Verzweiflung derer, an die sie sich iichten; siesind aus
Situationen heraus gesprochen und haben ihre ir_kung immer wieder
in Situtinen bewhrt, in denen dasEnde als unmittelbar bevorstehend,
als etwa ib.. N".ht hhereinbrechend
_empfunden wurde. Freilich liegt hier i" ;;\eissagungen der
Propheten noch keinerlei irisictr gescl-rlos_sene Auffassung des
Messianismus vor, sondern wir aben esmit einer Vielfalt
versdriedener Motive zu run, wobei dasberaus stark betonte
utopische Momenr, die Vision von einerbesseren Mensdrheit am Ende
der Taje, mit restaurativenMomenten, wie der '!iederherstellrrng
eines als ideal gedach_ten davidischen Reiches, durdrsetzt ist.
Diese messianischeBotschaft der Propheten betrifft den Menschen als
Ganzesund entwirft Bilder von den Vorgngen in der Natur undin der
Gesdrichte, durdr die Gort ,pri.ht, in denen sich dasEnde der Tage
ankndigt oder realiiiert. Nie betreffen dieseVisionen den einzelnen
als solchen, nie auch erheben dieseVerkndigungen einen Anspruch auf
irgendein b.ro.rd.r"r,,,geheimes. lflissen, das sich etwa auf
ein"en nicht jedermaniwahrnehmbaren inneren Bereich bezge.
D"mg"g.ibe. Ii.giin den \orten der Apoklyptiker sJhon ei.r
"rs.ti.b.rrgtz6
-
r28
verden konnte, vird in den . Esgehrt zu den Rtseln der dievon
keinem der vielen Erk be-antsortet worden sind, was eigentlich der
wahre Grund die-ser Metamorphose ist, die das \issen um das
messianischeEnde, wo es den prophetischen Rahmen der biblischen
Texteberschreitet, zum esoterischen rVissen macht. \arum ver-steckt
sich der Apokalyptiker, anstatr wie die rophete., sel-ber der
feindlichen Macht seine Vision ins Gesicht zu schreien?\flarum ldt
er die Verantwortung fr seine unheilschwange-ren Gesidrte den
Fleroen des biblischen Altertums a.rf u.,dwarum gnnt er sie nur
der.r Auserwhlten oder Eingeweih_ten? Ist es Politik? Ist es ein
verndertes Bewutsein von der
Chiffre-Charakter und dem Mysterium der messianischenBotschaft,
die doch stets gerade auch die liederherstellungjener verlorenen
Realitt betraf, so wenig sie sich auch in ihierschpfte.Auf eine
fast natrliche \Weise ordnen sich in der messiani-schen Apokalyptik
dieund die neuen Motive,ihre Seite treten, untersdle Idec von nun
an Vg. mcin Buch Djc idische Ml,sti in ibren Hauptstrmungen,
Ztir'tcht957, S.78.
r29
-
und behk. Diese zwei Aspekte, die im Grunde schon in denVorten
der Propheten selber angelegt und mehr oder weni_ger sichtbar sind,
betrefe" die kalastiophale und destruktiveNatud,er.Erlsung
einerseits und die topie vom Inhalt desverwirklichten Messianismus
andererseirr.b". jdische Mes_sianismus ist in seinem Ursprung
undgar nidrt stark genug b"toni *e"n,
"rie. Diese Theorie betont das revolutiElement im bergang von
jeder historischen Gegenwart zurmessianischen Zukunft. Dieser
bergang selber wird zumProblem, indem das eigentlich berla.,[slose
a., ihm gernhervorgehoben .,nd ,r.rtle.strichen *i, i;-;*ar schon
inden Vorten der alten Amos und Jesaja. D"rTag des FIerrn, von wa
in Kap. z und 4)fPricht.,ist ein Tag d und wird in
VisionenDescn.een' dre drese phalitt aufs schrfste unter-streidren.
Wie jener Tag des i{".rn, an dem die bisherigeGesdrichte.zu Ende
geht, an dern die \/elt bis in ihre Fund_mente erschttert wird,
sich zu jenem (am Anfang desselbenKapitels Jesaja verheienen) "nde
der Tageu ierhlt, andem das Flaus des Herrn ufgeri.hr", ,"ln'*ird
auf demGipfel der Berge und die Vlker zu ihm strmen, darbererfahren
wir nichts.Die Elemete des Katasrrnen legen sich in der
messeinander. Sie werden einersUntergang bezogen, in dem dren wird
- daher schreibt siburtswehen des Messiaso fr diese periode _,
andererseits aberi".f.9i. Schrecken des Jngsten Gerichtes, ds i.,
vielen dieser5chrlderungen die messianische Zeit abschliet, statt
ihr Her_lufk:TT"l zu begleiten. Und so verdoppelt ri.h "u.h oft
frcten .tck des. Apokalyptikers die messianische Utopie. Der"!u,.
lo" und die Tag^e des Messias sind nicht mehr e'ins (wienoch rn
manchen Schriffen dieser Literatur), sondern b.r..ff..,zwei
Perioden, von denen die eine, die errschaft des Mes_sias,
eigentlich noch dieser lelt zugehrt, die andere aber*o.". t"lr."ll
g"r dem neuen lton, der mit dem JngstenGerichr einbricht. Aber
diese y'erdoppelung der Stadien derr30
Erlsung ist mehr ein Ergebnis gelehrter Exegese, die jedeAussage
der Bibel harmonistisdr an ihre Stelle zu setzensucht, als das
einer ursprnglichen Vision, in der Katastropheund Utopie nicht
zweimal aufeinander folgen, sondern ge-rade in ihrer Einrnaligkeit
die beiden Seiten des messianischenGeschehens ir.r voller Kraft zur
Gelturrg bringen.Bevor ich aber diesen beiden Seiten der
rnessianischen Idee,wie sie die messianische Apokalyptik
charakterisieren, einigeBetrachtungen widme, mu ich ein \orr
voranschicken, dasder Berichtigung einer weit verbreiteten
Vorstellung gilt. Ichmeine die bei jdischen und chrisrlichen
Forschern gleicher-weise beliebte Entstellung der historischen
Verhltnisse, die inder Ableugnung der Kontinuitt der
apokalyptischen Tradi-tion im rabbinischen Judentum liegt. Diese
Entstellung hatbegreifliche geistesgeschichtliche Grnde, die bei
den christ-lichen Forschern ebensosehr einem antijdischen
Interesseentsprangen wie bei den jdischen Gelehrten einern
anti-christlichen. Den Tenderlzen der einen Partei entsprach es,
dasJudentum nur als Vorhalle des Christentums anzusehen uncles,
nadrdern das Christentum es aus sich entlasscn hatte, lsein
gleichsam abgestorbenes Element zu betrachten. Dem ent-sprach dann
die Vorstellung von einer echten Kor-rtinuitt desMessianismus ber
die Apokalyptiker in die neue I/elt desChristentums. Aber auch die
andere Partei, die groen jdi-sdren Forscher des r9. und beginnenden
zo. Jahrhunderts, diedas populre Bild vom Judentun.r weitgehend
bestimmthaben, zahlten ihren Tribut an ihre Vorurteile. Aus
ihrenrBegriff eines geluterten und rationalen Judentums
herauskonnten sie nur mit Beifall den Versuch begleiten, die
Apoka-lyptik aus dem Bereich des Judentun-rs auszuschalten oder
zuliquidieren. Ohne Bedauern berlieen sie den Anspruch
aufapokalyptische Kontinuitt einem Christentum, das dadurchin ihren
Augen keineswegs gewann. Den Preis fr diese Vor-urteile beider
Lager zahl,te die historische tVahrheit. Ver-suche, die Apokalyptik
aus dem Bereich des rabbinischenJudentums vllig auszuschalten,
haben seit dem Mittelalternicht gefehlt, und wir werden im Verfolg
dieser Darlegungenuns sogar mit dem folgenreichsten dieser
Versudre, dem desMaimonides, befassen. Solche Versuche stellen eine
Tendenz
IJI
-
\elt des Judentunrs, in denen freilich aufbauende und
de_struktivc Krfte ineinarrder verschrnkt crsclreinen. Die
Vor_slellulS., als ob alle apokalyptischen Strmungen der
vor-chrisrlichen Zeft ins Christentum mnderen ur dort
ihreneigentlichen Platz gefunden htten, ist eir.re Fiktion, clie
vortieferer historischer Einsicht nicht bestehen kann. Gleich
hin-
erhaltenen Schriften ihren Ausdruck gefunden hat. Von
einerDiskontinuitt zwischen jenen alten Apokalypsen, deren
he_brische Originale bisher verlore,l ..,r-rd n,r. durch
bersetzun_gen und Bearbeitungen der christlichen Kirchen erhalten
sind,und diesen spteren kann keine Rede sein. [Jnd wenn manzweifeln
kanrr, welchen jdischen Kreisen diese, den pseud_epigraphischen
Charakter als Literaturform bewahi..,d.n
gelehrten. Hier wurde die Anonyrnitt wieder abgeschttelt,das
geheimnisvolle Flstern wird zur ofenen G.J"rrk"naus-tausch und zum
Lehrvortrag, 1a zurl pointierten Epigran-rm,dessen Autoren nrit
ihren oft vohlbekannten Namen i. ih..\Worte einstehen. Die
Bedeutung dieser beiden euellen rab_binisdrer Apokalyptik fr das
Verstndnis des in der Weltd,er HaLacha lebendigen Messianismus kann
nicht hoch ge_nug eingeschtzt werden.Ich sprach von der
Katastrophalitt der Erlsung als einem
IJ2
entscheidenden Moment jeder solchen Apokalyptik, an dessenSeite
dann die Utopie vom Inhalt der realisierten Erlsungtritt. Das
apokalyptische Denken enrhh immer das Elementdes Grauens und des
Trostes ineinander versd-rlungen. DasGrauen und die Not des Endes
bilden ein Element desSchod
-
einbrechendes gesehen, sondern mag in Stufen und Stadiensidrtbar
werden, aber diese Stufen Jnd Stadien haben nichtsmit denen der
vorangegangenen Geschic}te zu tun. ,Es wirdvon Rabbi Chija und
Rabbi Simgn erzhk, da sie bei derMorgendmmerung im Tale von Arbela
wanderten und dieMorgenrte heraufbredren sahen. Da sagte Rabbi
Chija: Soist Israels. Erlsung auch; zuersr wird lie ,,.rr g"nz
errigsichtbar, dann strahlt sie strker auf und erst ,rahh..
b.icr-risie in voller Macht hervor.nd Solche Meinung war bei
denapokalyptischen Rechnern zu allen Zejren eft verbreitet,venn sie
Schemata suchten, nach denen verschiedene Stadiender Erlsung im
Rahmen der Endzeit sich vollziehen. Aberdas_ apokalyptische
Rechnen, das sich auf Zahlen und Kon_stell4tionen sttzte, spridrt
nur eine Seite dieser Ansicht aus,und'nicht umsonsr wurde es immer
wieder, .wenn a.rch ziemjli.h erfolglos, von vielen Lehrern
,rerororf.rr. Ihm gegenbersteht mit nicht minderer Machr das Gefhl
von dei Unbe_rechenbarkeit der messianischen Zeit. Zugespitzt hat
es sei_nen Ausdruck in den \orren eines talm,risihen Lehrers des3.
Jahrhunderts gefunden: ,Drei kommen unversehens: derMessias, ein
Fund und ein Skorpion..z Und in noch schrfe_rer Flervorhebung des
je,erzeit mglichen Endes, der Got_tesunmittelbarkeit jeden Tages:
,\enn Israel auch nur einenTag Bue rte, so wrden sie sofort erlst
werden, und eskme sofort der Sohn Davids, denn es heit (psalm
9:7)heute nodt, wenn Ihr meine Stimme hrt.uIn soldren lorten tritt
neben die Vorstellung von der Spon_taneitr der Erlsung auch die
Idee, die in viren morarislche.,Sentenzen der talmudischen
Literatur ihren Ausdruck findet,9" * T:.:l gibt, die gleidrsam die
Erlsung herbeibrinfenhelten, dre rhr sozusagen Geburtshilfe
leisten. \er dies unddas tut (wer etwa, vas er gehrt hat, im Namen
seinerQuelle weitergibt), 'der bringt Erlsung in die rleltu.
Aberhier handelt es sidr dann nidr um .ir,. lirkli.lre
Kausalitt,sondern sdlon um einen festen Rahmen fr zugespitzr"
,.rr_tezi1fs9 Formulierungen, bei denen weniger anii"
-essiani._sche Erlsung als an den moralischen \eit der so
empfohle_
nen Flandlung d Stze dieser Art stehendenn aucl gan kalyptischen
Denkens. Inihnen kndigt an, er spteren Umdeu-tungen des Me einer
vernnftig-besonne-nen Utopie willkommen sein mute. Im Grunde aber
kannder Messias nichr mmt pltzlich,unangemeldet und wenigsten
er-wartet oder gar die n hat.Dieses tiefe Gefhl t der
messiani-sdren Zeit har in der messianischen Aggada die Idee von
derVerborgenheit des Messias hervorgebradrt, der irgendwoschon
immer da ist und den eine tiefsinnige Legende nidrtumsonst am Tage
der Tempelzersrrung geboren sein lt.Vom Moment der tiefsten
Katastrophe an gibt es die Chanceder Erlsung. ,Israel spricht vor
Gott: wnn wirst Du uns
Ihr auf die unterste Stufe gesun-e ich Eudr.ns Dieser stndig
ge-drt die Vorstellung des in dernden Messias, die viele Formen
angenommen hat, freilich keine groartigere als jene, weldrein
einer malosen Antizipation den Messias unter die Ausst-zigen und
Bettler an den Toren Roms, in die Ewige Stadtversetzr hats. Diese
wahrhaft gewaltige "rabbinisch Fabelustammt aus dem z. Jahrhunderr,
lange bevor dieses Rom, dasgerade den Tempel zersrrr und Israel ins
Exil gejagt hatte,nun selber der Sitz des Vikars Christi und der
mit dem An-sprudr messianisdrer Erfllung herrschaftlich
aufrretendenKirdre wurde. Diese symbolisdre Antithese des am Tore
vonRom sitzenden wahren Messias und des dort herrschenden
6 Midrascb Schir ha-Scbirim Rabba,yI, to.7 Sanbedrin, gTa.
r)4
8 Midrasch Tehillim zu Psalm 4:3.9 Sanhedrin, gSt.
fJt
-
)
ro Vgl. dic bersichtliche Zusammcnsrcllung des cinschlgigen
Materialsbci
. Scrad
-
ihr Mysterium nidrt den Vlkern der llelt enthllen undda sie
nidrt alle wie eine Mauer [in groen Massen] aus demExil
hinaufziehen sollen. \Wenrr dem aber so iri *"rrr*kommt der Knig
Messias? Eben um die Verbannten Israelseinzusammeln.n So lesen wir
in dem alten Midrasch zumHohenlied,t. Aber auch den Autor des
vierten Bucbes Esraermahnt der Engel: uDu wirst doch nicht mehr
eilen wollen
messianischen Aktionen einzelner oder ganzer Bewegungendie
revolutionre Meinung durch, da iese Halturig v"er-dient, berrannt
zu werden. Das ist der messianische Aftivis-
Projekt enschen auf seine Zukunft, wie siegerade nismus in
seinen utopischen Ele-menten tellte, wohnt die Verfhrung zurAktion,
llzuge, inne.
fungen undchtnis unddie messia-
ai Zwi auf-bewahrt hat, die in der Geschichte des Judentums
Epochegemacht haben. Ja, in der Legende von dem Rabbi Josefde
laReyna, die sich lange groer Popularitt erfreut hat,+, ist die
r3 Scbirb-Schirim Rabba, II, 7 (vgl. Kethtbboth tro a).r4 Diese
Legende, die merkwrdigerweise in M. J. Bin Gorions BornJudas ehh,
ist als kleines VolksLudr oft gedruck"t *o.d"r, vgl. audrmeinen
Aufsatz darber in dem hebrisdrcn Sammelbudr Zion, Band y,
r39
-
Verfhrung zur tion eines einzelnen, diescheitern mu, w Aktion
gewachsen ist, inder Beschreibung s eines gioen Lehrers inIsrael
geschildert Spitze getrie"r,. o.r,r, hier istdie Erlsung nur noch
auf das Oir.frri." .ines letzten Hin_dernisses konzentriert, das
von M"gi" b;;;itgt *..d.r, ,oll
anoym geblieben sind, in irgen,sted
-
i ,-das besagt die Diatektik des jdi_
L ' Vorsto zum Auen. Die \ider_nersreltu n ihren rechten Ort,
welche die Erl_sung ist, Ganze her, d"; ;i.h;, von soldrerScheidung
in Innerlidrkeit und nrfS.rUi.';ei. Das uto_pisd're Element im
Messianir-u, *ii;:;; """. und nurdieses Ganze. Aber es bl"ibt
historiJh *h;;"r", da diesesGanze unrer dem doppelten Blick
"ri, f""... rrd i\rr.r. d..wett angeschaut werden konnre, wie in
der lurianischen Kab_bala,-solange es sicher wa., d"d nicrrt das
";".".- anderenzum Opfer fallen wrde. Es bl
Judentum diese Frage nach dIosung erst so spt auftaudrt _
sdr auf ihr insistierte,te so manifesterweise
n es nach den Kirchen ging,
4
r42
mer an etwas tief Persnlidres gebunden sind. Jesus oder
derverborgene Imam, die als Personen einmal da waren, habendas
Unverwedrselbare und Unvergelie der Person, undgerade das kann
seiner Natur nach das jdische Messias-Bildnidrt haben, an dem alles
Personenhafte nur ganz abstraktgesehen werden kann, weil ihm eben
noch keine lebendigeErfahrung zugrunde liegt.Es gibt aber eine
historische Entwid
-
A solchen A.bsdr in der talmudischenLrreratur selber die
apokalyptische(Jbersteigerung v faszinierte und so
en JudentumAuffassungenptik abgesto-in der strikt
samuel aus der ersten Hrfte 1.,';:rl*fj:U*:"1.i:::druck, auf die
im Talmud des fte'rei ,"ru.g;nen wird:nZwisdren d,i,esem .iton und
den Tagen ", iI"rr;", bestehtnur der erne Untevlker.",z is5s rer
oleStichwort fr ein bt dasKristallisation in rtvollen
Formulierung., d.r"tji:monides wir uns noch zu befassen h"b"n
*".J*.solche. Gegea-Tendenzen haben aber a. rorrrr..nde rirk-:_Tl:
radikaler apoka.lyptisch-urop;r.h.,
-irmungen im
Judlschen Messranismus nicht beeintrchtigen knnen. Im
Ge__.1t-.ll-|:d,ffn sagen drfen, da in "" "oil.rrr.,ia.r,,rn
Drerren Schrchten des mittelalterlichen Judentums lebendi_gen
Gestalten des Judentums diese Apoka"lyptik tief verwur_zelr,ist.
Das esoterische Element tr"t ,il r_er breiter insVolkstmliche hin.
Vomd.,. K.;;;;;;;,:i; Periode,rna'o.r't.h"g;;. tiljl
Fortsetzungneuen Stufe,apokalypti-
reilich damit
kalypti k rab bi ni sdrer Zensur, ;tl'.";lTiT[f t::lf
,::;Zensur, wenn auch in keiner i"rriru,ionli. -For-
konsti_turert, wer zweifellos wirksam. Vieles, was im
Mittelalter:*'l:lf_-y'1d., J"r -den veranrw..rf;A."-'rut....,
g".nrcrr, und manchmal erfahren wir nur durdr zufllig ..hi_tene
Briefe oder durch irgendein versted
-
gar nichr realisierbar war. Zvon einer "Tora des Messias