Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 1 Studienarbeit zum Thema: Schockwerbung Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne Dozent: Julian Gebhardt Studienfach: Mediensoziologie Studiengang: Medienwirtschaft (Bachelor) Vorgelegt von: Romina Hinderks (Matrikel-Nr.: 22629) Stuttgart, den 29.07.2012
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Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 1
Studienarbeit zum Thema:
Schockwerbung Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne
Abb. 6: Werbeplakat zum Thema Rassismus „Breastfeeding“ 1998............. 21
Abb. 7: Werbeplakat zum Thema Tod „Hinrichtung“ 2000 ............................ 23
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 5
II Abkürzungsverzeichnis
o. g. oben genannte
ZAW Zentralverband der deutschen Werbewirtshaft
UWG Unlauterer Wettbewerb
Hrsg. Herausgeber
vlg. Vergleich
WRP Wettbewerb in Recht und Praxis
GG Grundgesetz
Art. Artikel
Abs. Absatz
Ebd. Ebenda
ZAW Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft
z. B. zum Beispiel
u. a. unter anderem
Abb. Abbildung
H.I.V. Humane Immundefizienz-Virus
FAZ Frankfurt Allgemeine Zeitung
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 6
1. Einleitung
Auf Werbung trifft man überall, man kann sich dieser kaum entziehen. Wer-
bung wäre in der freien Marktwirtschaft nicht wegzudenken. Zu gering wäre
die Informationsflut, die den Kunden immer wieder schnell um den Finger
wickelt. Werbung ist die Grundlage, der erste Schritt, der zu wirtschaftlichem
Wachstum führt.
Seit jeher wird über Werbung stark kontrovers diskutiert. Nach Wünnenberg
wird Werbung häufig als Übel in der heutigen Zeit verkauft. Verbotene Wün-
sche werden geweckt, die zu spontanem Kauf verleiht.1
Dabei kann Werbung auf unterschiedlichste Art wirken. Bei einem Betrachter
löst sie Erstaunen aus, beim Anderen Ekel oder Ablehnung.
Die Studienarbeit befasst sich mit schockierender Werbung – Werbung die
nicht nur zum Verkauf von Produkten bezweckt wird, sondern die mit Vorur-
teilen spielt, die Menschen in ihren Bann zieht – sei es aus Mitleid oder Ent-
setzen.
Diese Studienarbeit soll Grenzen in der Werbung zeigen, insofern wie weit
Werbung gehen darf, ohne jedoch zu verletzen, zu beeinflussen.
Es soll gezeigt werden nach welchen ethischen und moralischen Prinzipien
eine Einschränkung vorhanden soll sein.
Weiter wird auf die selbstregulierenden Institute der Werbewirtschaft einge-
gangen.
Im Hauptteil werden zum Thema Schockwerbung, Werbeplakate von dem
italienischen Textilunternehmen Benetton gezeigt und daraufhin erörtert.
2. Medienethik und Moral
2.1 Moral
Nach dem Duden ist Moral die „Gesamtheit von ethisch-sittlichen Normen,
Grundsätzen, Werten, die das zwischenmenschliche Verhalten in einer Ge-
sellschaft regulieren.“2 Moral ist somit ein System von Regeln, dass das
menschliche Verhalten jedes Einzelnen in seinem sozialen und auch natürli-
chen Umfeld beeinflusst. Jeder lernt in seinem Leben gewisse Grundprinzi-
pien und Verhaltensmuster, insbesondere die der eigenen Kultur und Gesell-
1 Vgl. Wünnenberg, 1996, S.1
2 Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hrsg.), Duden, Fremdwörterbuch. Mann-
heim, Wien, Zürich (Dudenverlag) 1997, S. 532
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 7
schaft geltenden Moral. Diesbezüglich durchlebt jede Gesellschaft und Kultur
ihre eigenen Sichtweisen von Moral.
Wohl gibt es keine allgemeine Richtlinie, die für jede Situationen besagt, was
moralisch richtiges Handeln ist. Nach Horster gelten im Recht, Normen und
in der Moral Werte. Normen gelten absolut, Werte sind subjektiv geteilte Prä-
ferenzen. Die Wertung einer Handlung ist somit grundsätzlich subjektiv und
kann nach seiner Ansicht nicht verallgemeinert werden.3
2.2 Ethik
Moral und Ethik können prinzipiell nicht voneinander getrennt betrachtet wer-
den. Während die Moral grundlegende Regeln für das Verhalten von Men-
schen und das sittliche Verhalten aufweist, werden in der Ethik allgemeine
Aussagen über gutes und gerechtes Handeln festgelegt. Laut Duden ist Ethik
die Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen in verschiede-
nen Lebenssituationen. Ethik kann als Reflexionstheorie der Moral verstan-
den werden. Sobald jemand festlegt, ob ein Verhalten moralisch oder unmo-
ralisch ist, legt er ethische Maßstäbe an.4
2.3 Medienethik
Auch im Medienbereich gilt, die maßgebende Moral zu prüfen und kontinuier-
lich zu überdenken.
In der Medienethik wird darauf Acht gegeben, inwieweit sich die Denkweise
von Markt und Moral miteinander vertragen. Dies bezieht sich sowohl auf das
ökonomische Prinzip eines Marktes sowie auf den Wettbewerb und auf den
Kunden. Medienethik zeigt, ob Medien ein Wirtschafts- und Kulturgut sind
und welche politischen Funktionen sie im Bezug auf die Öffentlichkeit haben.
Besonders interessant ist hier der ständige Wertewandel der Gesellschaft.
Auf den nächsten Seiten wird beurteilt, inwiefern sich Moral mit der Volks-
wirtschaft vertragen, bezogen auf die Marktwirtschaft sowie auf den Wettbe-
werb.
3 Detlef Horster. Was sind moralische Regeln und wie lernt man sie? In: Kurt Beutler,
Detlef Horster. Pädagogik und Ethik. Stuttgart (Reclam-Verlag) 1996, S. 285 4 Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hrsg.),a.a.O, S. 238
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 8
3. Benetton-Schockwerbung – Reaktion auf gesell-
schaftskritische Motive
Schockwerbung, auch Aufmerksamkeitswerbung genannt, ist eine spezielle
Ausprägung der Imagewerbung. Die Benetton-Kampagne gehört definitiv zur
Schockwerbung.
Diese besondere Art von Werbung entstand wahrscheinlich mit der Informa-
tionsflut in den Massenmedien. Den Unternehmen viel es immer schwerer
mit origineller Werbung aufzufallen. Etwas Neues musste her: Werbung mit
Bezug zur Realität, die provokant, politisch, kulturell oder gesellschaftlich mit
sensiblen Gesprächsthemen emotional bewegt. Themen aus Nachrichten
und der Politik.5 Benetton will schockieren, ohne jedoch den Verbrauchern
den geringsten Wert an Information zu vermitteln.6 Beworben wird mit einer
gekünstelten oder realistischen Bildaufnahme die Not, Elend, Leid, politisch-
kritische oder religiöse Themen darstellt. Es soll kein Sachbezug zu dem be-
worbenen Produkt oder zur Firma gegeben sein und nur die Bildmarke des
Unternehmens verrät wer der Verantwortliche ist.7
Die Reaktion vieler Konsumenten beläuft sich auf Entsetzen, Abscheu, Ekel
und Leid. Die Folge: Der Konsument fühlt sich mit dem Konzern solidarisch.
Er denkt, mit dem Erwerb eines dieser Produkte kämpfe er gegen das Leid
der Welt an. Jedoch unterstützt Benetton nicht mit Spenden oder Sonstigem.
4. Regulierung der Werbewirtschaft – Institute und
Normen
4.1 Freiwillige versus Rechtskontrolle
Mit dem Zuwachs neuer Medien steigt auch permanent die Informationsüber-
flutung. In Zukunft wird es immer wichtiger Werbung zu kontrollieren. Freiwil-
lige Selbstkontrolle reicht hier nicht aus. Verbraucher müssen vor Irreführung
und Ausbeutung, etc. geschützt werden. Auch der Staat soll hier beitragen.
Fortlaufend werden die wichtigsten Institute zur Regulierung der Werbewirt-
schaft beschrieben und ihre Aufgaben gezeigt.
5 Vgl. Teichmann/v. Krüchten, WRP 1994, 704, 708.
6 Vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O.
7 Vgl. Wünnenberg, sChockeierende Werbung-Verstoß gegen § 1 UWG, 1996, Seite 4
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 9
4.2 Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG)
Damit in Deutschland freier Wettbewerb herrschen kann, folgt neben dem
Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen das Recht gegen unlauteren
Wettbewerb. Dieses Recht findet sich in Form des UWG und lautet:
„Wer im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbes Hand-lungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unter-lassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.“8
Mit dieser Generalklausel kann eingegriffen werden, falls Einzelvorschriften
nicht ausreichen. Somit dient das UWG-Recht nicht nur dem Wettbewerbs-
schutz untereinander, sondern auch zum Schutz der Verbraucher, sowie
Schutz vor Auswuchs des Wettbewerbs.9
4.3 „Gute Sitten“
„Gute Sitten“ sind kaum zu konkretisieren. Laut Hirtz kann man den Begriff
„Gute Sitten“ an ethisch-moralischen Maßstäben messen.10 § 1 UWG dient
dem Schutz der Interessen der Konsumenten und der übrigen Marktteilneh-
mer. Die Konsumenten sollen in ihrer Entscheidungsfreiheit am Wettbe-
werbsmarkt nicht durch Belästigung, Irreführung oder Gefühlsausnutzung
beeinträchtigt werden. Außerdem sollen die übrigen Marktteilnehmer im
Wettbewerb nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass fremde Leistungen
ausgenutzt werden, ein Vernichtungswettbewerb oder nachahmende Wer-
bung entsteht. Böttner behauptet aber die Interpretation des § 1 UWG liegt
insbesondere bei dem Richter. Dieser habe den Maßstab für die guten Sitten
aus dem Volksbewusstsein zu entnehmen, dem Anstandsgefühl aller billig
und gerecht Denkenden.11 Baumbach schlussfolgert daraufhin, das es letz-
tlich darauf ankomme, welcher Auffassung ein Richter sei, der das praktische
Geschäftsleben jedoch nie in seiner realen Form kennengelernt habe. Den-
noch gilt die Wahrheit als wichtigster Anspruch in der Werbung und wird un-
terlassen in § 3 UWG. Demnach sind irreführende Angaben unlauterer Wett-
bewerb und somit zu unterlassen. Zuwiderhandlung führt zur Unterlassungs-
klage.12
8 Vgl. Redel, 2002,
9 Ebd. Redel
10 Vgl. Hirtz, GRUR 1986, S. 110, 112
11 Vgl. Baumbach
12 Ebd. Baumbach
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 10
4.4 Grundgesetz
Bei der Beurteilung von Schockwerbung spielen zwei Artikel des Grundge-
setzes eine entscheidende Rolle: zum einen Art. 5, Abs. 1 GG, hier kann sich
der Werbende auf seine Meinungs- und Berufsfreiheit berufen. Diesem Ge-
genüber steht der Art. 1, Abs. 1 GG, dieser gewährleistet dem Bürger Schutz
vor dem Eindringen in seine Intimsphäre bzw. Schutz seiner Menschenwür-
de.13
4.5 Der Deutsche Werberat und seine Aufgaben
Der Deutsche Werberat ist eine Einrichtung innerhalb des Zentralverbands
der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Die Hauptaufgabe des Werberats ist,
die Selbstdisziplin in der Werbung innerhalb der Werbewirtschaft zu fördern.
Nach Bäuerle soll das Bewusstsein für eine lautere Werbung verschärft und
somit die Disziplin gefördert werden.14
Der Deutsche Werberat setzt sich ein gegen verletzende, anstößige und
diskriminierende Werbung. Dabei soll Werbung den Rahmen von gesetzli-
cher und selbstdisziplinärer Grenzen beachten.15
Der Deutsche Werberat achtet auf Werbung, die den Rahmen des Erlaubten
überschreiten bzw. beanstanden Werbekampagnen die als anstößig emp-
funden werden.
Laut Kassebohm ist der Deutsche Werberat für folgendes Verfahren zustän-
dig: Trifft eine Beschwerde ein, wird der werbetreibende Konzern zur Stel-
lungnahme aufgefordert. Wird die kritisierte Werbung von dem Konzern nicht
eingestellt oder geändert so wird der Werberat zur Beurteilung und Begu-
tachtung einbezogen. Ist der Werberat der Meinung, dass eine Werbung
nicht beanstandend ist, so wird dies dem Beschwerdeführer mitgeteilt. Ist der
Werbetreibende nicht bereit die Werbung einzustellen, so kann der Werberat
diese Werbung öffentlich rügen.16
4.6 ZAW – Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft
Die Ziele des Zentralverbands sind in § 2 der ZAW-Satzung festgelegt:
13
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft 14
Vgl. Bäuerle, Pflaum, 1995, S. 475 f. 15
Vgl. Nickel 16
Vgl. Kassebohm, 1995, S. 64 f.
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 11
„Der Zentralausschuss der Werbewirtschaft widmet sich allen Angele-genheiten der Wirtschaftswerbung. Seine Tätigkeit bezweckt eine staat-liche Werberegelung und Werbeaufsicht entbehrlich zu machen.“17
Der ZAW gehören derzeit 40 Verbände an. Er gilt als autorisierter Sprecher
der gesamten Werbewirtschaft, woraufhin dieser auch als „Dachverband der
Werbewirtschaft“ benannt wurde. Die Hauptaufgabe des ZAWs ist, größere
Transparenz in der Werbewelt zu erzielen.18
5. Schockwerbung in der Praxis
5.1 Firmenphilosophie und geplante Werbewirkung
Das italienische Textilunternehmen Benetton stand mit seiner Werbestrategie
seit Beginn der neunziger Jahre immer wieder in Diskurs. Die Werbeplakate
zeigen Not- bzw. Katastrophensituationen wie Krieg, Tod, Leid, Umweltver-
schmutzung, Krankheit, etc. Verhältnismäßig klein ist das Logo Benettons
angebracht. Später dazu Beispiele.
Warum jedoch hat Benetton genau diese Form der Aufmerksamkeitswerbung
gewählt. Es war offensichtlich dass diese Art von Schockwerbung eine rege
Diskussion an die Öffentlichkeit tragen würde, aber genau dieser Schockef-
fekt war geradezu von Benetton einkalkuliert. Nach Kassebohm erzielte der
Konzern dank dieser Werbekampagne eine weitreichende Publicity auf Me-
dien, Institutionen und Verbraucher. Auf indirektem Weg wurde somit das
Image Benettons im Bewusstsein der Gesellschaft gefördert.19 Kroeber-Riel
prophezeite, dass eine Firma oder Marke eine Aktualität besitzt, wenn sie im
Gespräch bzw. wenn sie „in“ ist und in den Entscheidungsprozessen von
Käufern gedanklich beachtet und als Alternative berücksichtigt wird.20 Lucia-
no Benetton bezeichnete diese Art der Werbung als Werbung der Zukunft.
Der Ruf seines Konzerns sollte durch diese Schockwerbung keinen Schaden
nehmen. Entscheidend sei für ihn, den Wettbewerb zu gewinnen. Die öffent-
lichen Diskussionen seien eine hervorragende kostenlose Publicity.21
Benetton wurde dank seiner publicityträchtigen Werbekampagnen zu einem
in aller Munde beachteten Thema. Konsumenten erlangten mit dem Kauf und
dem Tragen von Benetton-Kleidung das Feeling ein Teil des öffentlichen Dis-
17
ZAW 18
ZAW 19
Vgl. Kassebohm, 1995, S. 53 20
Vgl. Kassebohm 21
Vgl. Kassebohm, s. 55
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 12
kurses zu werden. Toscani beschrieb das Phänomen wie folgt: „Wenn über
ein Konzern so intensiv gesprochen wird, dann werden auch deren Produkte,
interessanter gehalten als die der Konkurrenz.“22
Insofern war die Benetton-Kampagne allein schon wegen der nachhaltigen
Steigerung des Bekanntheitsgrades erfolgreich.
5.2 Ausgewählte Werbeelemente
Folglich werden ein paar Werbebeispiele der Benetton-Kampagnen gezeigt.
Besonders diejenigen, die die meiste Aufmerksamkeit erzielten und die am
Heftigsten von der Umwelt diskutiert wurden.
5.2.1 Ölverschmutzter Vogel
5.2.1.1 Sachverhalt
Zu dem Thema Umweltverschmutzung publiziert Toscani 1992 das Bild eines
ölverschmutzten Vogels. Der im Bild dargestellte Vogel schwimmt „in gleicher
Haltung aller Seevögel auf der Welt“23 auf einem dunklen Ölteppich. Dieses
Bild erzeugte Furcht vor gesundheitsbedrohenden Umweltschäden. Gleich-
zeitig wurde Kritik an das System geübt, dass solch ein Elend zulässt und
sogar in gewisser Weise verantwortlich dafür ist. Dieses Bild, voller Qual und
Leid, wurde stark kontrovers diskutiert.
Das Foto des ölverschmutzten Vogels entstand im Golfkrieg. Ein Zitat des
Fotografen McCurry lautet:
„Dieser ölbedeckte Vogel im Persischen Golf symbolisiert die Umweltka-tastrophe, die während dem Golfkrieg geschaffen wurde. Er steht auch für die Opfer, die zwischen den sich bekriegenden Parteien gefangen sind. Die Opfer sind u.a. Frauen, Kinder und alte Menschen.“24
Europa kritisierte dieses Bild sehr, vor allem umweltbewusste Länder wie z.
B. Deutschland. Dabei zeigt es die Realität. Toscani versuchte mit diesem
Bild den Menschen die Augen zu öffnen. Es zeigt, dass nicht nur die Men-
schen unter Krieg leiden, sondern auch Umwelt und Tiere.
22
Kassebohm, s. 59 23
Toscani 1996, S. 55. 24
McCurry, Steve (2005): Bird. Internet www.benetton.com/wws/aboutyou/ucdo/reality/file1757.html,18.01.2010.
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 13
Quelle: Süddeutsche.de 2012
5.2.1.3 Position
Dieses Bild wurde als wettbewerbswidrig eingestuft. Es handele sich um eine
groteske Aufmerksamkeitswerbung. Dieses Foto erzeuge Mitleid und Entset-
zen. Es widerspreche dem Leistungswettbewerb. Benetton zeige sich als
Streiter für Umweltschutz, ohne aber dafür beizutragen.
5.2.1.3 Bundesgerichtshof
Vorwurf des sittenwidrigen Wettbewerbsverhaltens liege darin begründet,
dass Benetton Gefühle des Mitleids oder der Solidarität mit sozialem Enga-
gement ohne sachliche Veranlassung zu Wettbewerbszwecken ausnutze.25
Der Schutz der Kunstfreiheit komme Benetton nicht entgegen.26 Zwar könne
das Foto ein Kunstwerk darstellen, die Anwendung des UWG bedeute aber
nicht, dass Art. 5 ABS. 3 GG in unzulässiger Weise eingeschränkt werde.
Das UWG regele nur die Wettbewerbswidrige Verwendung, nicht die Publika-
tion an sich.27
5.2.1.4 Kunstfreiheit Art. 5 Abs. 3 GG
Die Werbeanzeige ist jedoch über die Kunstfreiheit geschützt, falls das Motiv
auch als Kunstwerk nach Art. 5 Abs. 3 GG gesehen werden kann. Die
25
Vgl. BGH GRUR 1995, 598 (599) – Ölverschmutzte Ente 26
Ebd. 27
Ebd.
Abb. 1: Werbeplakat zum Thema Umweltverschmutzung „Bird“ 1992
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 14
Schwierigkeit liegt darin, zu nennen was Kunst ist und was nicht. Dieses
Thema ist gesellschaftlich heftig umstritten und diesbezüglich auch rechtlich
bisher unscharf.28 Das Bild des ölverschmutzten Vogels geht weit über den
Nachrichtenwert hinaus. Es regt durch die künstlerische Gestaltung und des
Blickwinkels zum Nachdenken an, ggf. auch zum Widerspruch. Somit ist das
Motiv unter diesen Gesichtspunkten als ein Kunstwerk einzustufen.29 Das
Bild hat einen kommunikativen und politischen Wert. Nach Maharak kann
neben dem künstlerischen Ansatz auch eine Verwendung als Werbeträger
akzeptabel sein. Die Bedeutung und der Übergang von Werbung und Kunst,
nimmt stets zu, wie z. B. in der POP ART.30
5.2.2 Blutverschmierte Uniform
Quelle: Stuttgarter Zeitung 2012
Im Jahr 1993 publizierte Toscani ein Werbeplakat das an den Krieg in Ex-
Jugoslawien appelliert. Man sieht die blutverschmierte Kleidung eines getöte-
ten Soldaten. Auf dem T-Shirt ist deutlich das Einschussloch zu sehen. Der
Vater des gestorbenen Soldaten schrieb in einem Brief an Benetton: Er wün-
sche, dass der Name seines toten Sohnes und alles, was von ihm geblieben
ist, für den Frieden und gegen den Krieg verwendet wird.31 Toscani erinnerte
28
Ardorno, Ästehtische Theorie, 1973 29
VgL. Sevecke AfP 1994 30
Vgl. Maharak 192 Seite 16 ff 31
Vgl. Toscani 1996, S. 89.
Abb. 2: Werbeplakat zum Thema „Krieg“ Bosnien soldier 1994
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 15
somit an die Sinnlosigkeit des Krieges und appellierte folgende Friedensbot-
schaft: Stoppt den Krieg, alle Kriege enden auf Friedhöfen.32
Toscanis Meinung unterstützten u.a. Frankreich und Japan, die das Bild mit
dem Preis für den „Best Art Director“ auszeichneten.33
USA und Italien waren gegen diese Kampagne. Die Anzeige wurde
von der „Los Angeles Times“ zurückgehalten wegen der darin enthaltenen
Gewalt. In Genf beschuldigte UNICEF „den Schrecken der Welt“ zu instru-
mentalisieren.34 In Deutschland untersuchten Menschenrechtsorganisationen
ob Benetton nicht internationales Recht verletze, zwecks Ausbeutung von
Gewinnzwecken.35 Die Meinung der Öffentlichkeit: “Den Tod für den Kom-
merz auszubeuten, das ist unmoralisch und zynisch!“ „Werbung sollte nicht
über Krieg, Frieden oder Tod sprechen.“36
5.2.3 Aids-Toter
Die Anti-Aids-Kampagne wurde im Jahr 1992 veröffentlicht. Das Bild zeigt
den HIV-infizierten David Kirby auf dem Sterbebett. Er war Gründer einer
Aids-Foundation in Ohio. Neben ihm befinden sich seine Verwandten, deren
Gesichter Trauer und Schmerz deuten. Diese Werbeanzeige betitelte Tosca-
ni mit „moderne Form der Darstellung von Mitleid“37. Er zeige hiermit, dass
Aids-Kranke auch Teil der Gesellschaft sind. Anfang der 90er Jahre war dies
alles andere als selbstverständlich. Aids galt zu dieser Zeit noch als neuarti-
ge und brutale Krankheit, mit der man noch nicht umzugehen wusste. HIV-
Infizierte wurden häufig von der Gesellschaft ausgeschlossen.
Dieses Bild führte wieder zu heftigen Diskussionen. In Frage wurde gestellt,
ob es das Ansehen der HIV-Infizierten nicht verletze und ob Benetton über-
haupt mit dem Tot des jungen Mannes Geschäfte machen dürfe.
Positiv äußerten sich vor allem HIV-Infizierte: das Foto leiste mehr zur Aids-
Vorbeugung als sämtliche Kampagnen des Gesundheitsministeriums. Es
gewann einen Foto-Preis und wurde auf einer Ausstellung in Amsterdam
präsentiert.38
32
Vgl. Toscani, S. 89. 33
Vgl. ebd., S. 91. 34
Ebd., S. 89. 35
Vgl. ebd., S.51. 36
Ebd. S. 55. 37
Ebd., S. 77. 38
Seidl, Claudius (1992): Kein Platz für tote Italiener. Neue Ethik und Ästhetik der Rek-lame. Internet http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13681868.html, 18.01.2010.
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 16
Quelle: Stuttgarter Zeitung 2012
Frankfurt und Wien zeigten sich als philosophische Länder. Die Berliner-
Aids-Hilfe dankte für das vielsagende Bild des David Kirby.39
Eine negative Einstellung zu dieser Kampagne hatten bis zu ¾ der Men-
schen international. Toscani wurde als zynischer Provokateur beschimpft mit
der „Überbetonung des Negativen“. Dem Vorwurf „vom Leid zu profitieren“.
Kritiker verbinden diese Darstellung auch mit dem Leiden Jesus Christi am
Kreuz. Das Motiv verachte Menschlichkeit und Moral.40
Deutschland und die Schweiz hielten es für nicht ästhetisch und höchst frag-
würdig. New York und Mailand äußerten pures Entsetzen.41 In Paris wird Be-
netton Linksradikalismus vorgeworfen. Toscani wird als „Rechtsanarchist“
beschimpft, dem es nur um die „Überbetonung des Negativen“ ginge, mit
dem Vorwurf „vom Leid zu profitieren“.42 In der britischen Elle erschienen
zwei leere Seiten.43
39
Vgl. Toscani 1996, S. 70. 40
Vgl. Lorenz, Jana (2002): Gratwanderung zwischen den Kulturen? Tabuwerbung. Internet http://soemz.euv-frankfurt-o.de/~sk/SS00/ik_werbung/the_tabu/tabu.html, 12.02.2011
41 Toscani 1996, S. 64f.
42 Ebd., S. 66f.
43 Seidl, Claudius (1992): Kein Platz für tote Italiener. Neue Ethik und Ästhetik der Rek-
lame. Internet http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13681868.html, 18.01.2010.
Abb. 3: Werbeplakat zum Thema Aids „David Kirby“ 1992
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 18
Die Öffentlichkeit reagierte empört, da sie sich an die Tätowierung der Aus-
schwitzgefangenen erinnert fühlten.
Aidskranke hingegen befürworteten die Plakate: “Hauptsache unser Problem
kommt weltweit ins Gespräch.“ – “Ich danke Benetton sie machen HIV ge-
sellschaftsfähig“.45 Die Länder Budapest, Prag und Warschau zeigten offene
Reaktionen. Ihre Meinungen und Emotionen äußerten keine Hintergedanken.
Die Menschen reagieren vorurteilslos. Auch die Journalisten versuchten zu
verstehen. Diskussionen fanden ohne Aggressivität statt.46
Tokio zeigte Faszination und Verständnis für europäische Kreativität.47
5.2.4.2 Anwendung
Das Unternehmen Benetton konnte sich in der Hinsicht auf seine Meinungs-
freiheit berufen, der Verlag auf die Pressefreiheit. In dem Rechtsstreit wurde
auf wettbewerbswidrig plädiert, da sich Benetton die Not der AIDS-Kranken
zunutze mache, indem sie beim Betrachter Schock auslöse, um somit ihren
Markennamen in die Öffentlichkeit zu tragen. Benetton mache sich Gefühle
wie Mitleid, Schock planmäßig zunutze, ohne dass ein Leistungsbezug be-
stehe.48
Durch das Stempeln der Häftlingsnummer bei den Opfer entstehen Paralle-
len zu Holocaust, eine Stigmatisierung wie bei den Juden, die als gesell-
schaftlich ausgegrenzt und verfolgt galten. Aids-Kranke könnten hierdurch
als gebrandmarkt gelten, dies enthalte jegliche Wertung und sei darum eine
reine Aufmerksamkeitswerbung. Es sei geschmackslos so etwas zu zeigen.49
5.2.4.3 Bundesgerichtshof
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist diese Anzeige nicht mit den guten
Sitten im Wettbewerbsrecht in Einklang zu bringen.50 Wer mit dem Elend der
Welt werbe und Gefühle wie Mitleid und Ohnmacht wecke, sich dabei als
betroffen darstelle und somit eine Solidarisierung der Einstellung zeige, der
nutze die Gefühle der Umworbenen aus. Mit diesem Motiv sei der Bereich
45
Schießl, Michaela (1993): United Colors of Aids, In: die Tageszeitung, Nr. 4158 (08.11.), S. 3.
46 Toscani 1996, S. 72.
47 Schießl, Michaela (1993): United Colors of Aids, In: die Tageszeitung, Nr. 4158
(08.11.), S. 3. 48
Vgl. LG Frankfurt a.M. , Urt. V. 27.7.1994 Az.: 2/6 O 370/94, Umdruck Seite 2. 49
Ebd. 50
BGH
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 19
des schlechten Geschmacks weit überschritten. Es sei grobanstößig und ver-
letze die Menschenwürde. Zynisch und menschenverachtend sei die Darstel-
lung menschlichen Leids.
6 Folgen schockierender Werbung
Schockwerbung versprach in den 90er Jahren zu einer hohen Rendite.51 Die
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs stufte diese Art von Wer-
bung als negativ ein.52 Auch viele Benetton-Händler klagten nach dieser
Werbekampagne über hohe Umsatzeinbußen, ausgelöst durch die Schock-
werbung.53
Sicher ist, dass bisher kaum eine Werbung so viele Diskurse entfachte wie
die Benetton-Kampagne. Benetton versicherte, sich sozial und höchsten
Werten verpflichtet zu fühlen und die Menschen zum Nachdenken anregen
zu wollen.54 Die Meinungen variierten von zynisch, entwürdigend, unmora-
lisch, schamlos, etc. bis hin zu Befürwortung und Verständnis.
7 Pro und Kontra der Schockwerbung
7.1 Pro
7.1.1 Für das Leben, gegen den Tod
Benetton wirbt mit seiner Werbung nicht für seine Produkte. Nicht ohne
Grund sieht man auf den Werbeplakaten bis heute nicht einmal ein Pullover.
Benetton wirbt mit Bildern aus dem realen Leben, gegen das Leid und gegen
den Tod. Damit erschafft Benetton eine Nähe zum realen Leben. Die Bilder
verblüffen und regen zum Nachdenken an.
7.1.2 Möglichkeiten des Sehens
Benetton löst mit seiner Werbung zwei ganz neue Betrachtungsmöglichkei-
ten aus: Schuldgefühle und Scham, gezeigt durch z. B. Gewalt, Tod, unmo-
51
Vgl. Henning-Bodewig, Grur 1993, 950 52
Vgl. die Aufsührungen der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewrebs, WRP 1994, 426; vgl. dies., WRP 1994, 563
53 Vgl. FAZ vom 17.1.1995, S. 15; Villiger-Heilig in: Neue Zürcher Zeitung vom
19./20.02.1995, S. 31; 54
Vgl. FAZ vom 26.02.1992, S. 23; ferner Thiede mit Benetton in einem Interview, Süd-deutsche Zeitung Magazin vom 09.10.1992, S. 38, 39 f.
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 20
ralisches Verhalten. Die negativen Aspekte in der Welt werden angespro-
chen. Diese Bilder schrecken ab und wirken beklemmend auf die einzelnen
Personen. Man fühlt sich schuldig, da die Konsumgesellschaft wenig Beitrag
leistet um gegen das Leid der Welt anzukämpfen. Selten werden in her-
kömmlicher Werbung Gefühle wie Scham und Schuld angesprochen. Meist
erscheint die übertrieben schöne, heile Werbewelt.
Benetton zeigte mit seiner Schockwerbung erstmals eine andere Seite der
Werbung. Der Inhalt, sprich das Bild wird zum Mittelpunkt.
7.1.3 Tabuverletzung
Toscani ist gegen „die schöne heile Werbewelt“. Er missachtet die Art der
Werbung in der Familien lachen, jeder reich und schön zu sein scheint.
Durch ihn entsteht eine neue Art der Werbung. Er traut sich die Tabus der
Gesellschaft anzusprechen. Öffnet den Menschen die Augen.
Quelle: Süddeutsche.de 2012
Neben den Themen wie Krieg, Aids, Rassismus publizierte Toscani auch
dieses Motiv. Ein Priester küsst eine Nonne mit der Message: Liebe kennt
keine Grenzen. Damit stellte Toscani die Kirche in Frage in Bezug auf das
Zölibat – das Versprechen bzw. Verpflichtung zum Eheenthalt. Vor allem in
den katholischen Ländern löste dieses Werbeplakat heftige Diskussionen
aus. In Italien wurde es vom Vatikan daraufhin verboten.
Abb. 5: Werbeplakat zum Thema Zölibat „Priester küsst Nonne“ 1991
Schockwerbung – Am Beispiel der Benetton-Werbekampagne 21
7.1.4 Normen und Werte
Das Unternehmen Benetton beteiligt sich mit seiner Werbung an einer ge-
sellschaftlichen Diskussion über Normen und Werte und regt zu Gesprächen
an, die lange in den Köpfen der Konsumenten verankert bleibt. Benetton ver-
folgt somit die gleichen Ziele die in Politik, Religion und Wissenschaft auch
verfolgt werden.
Quelle: The Photography Pages 2012
Zum Thema Rassismus veröffentlichte Toscani viele Plakate mit Menschen
aus verschiedenen Ländern. Man erkennt deutlich die äußerlichen Unter-
schiede der Menschen, wie Haut und Haare.
Als Beispiel kann das Werbeplakat „Breastfeeding“ zur Antirassismus-
Kampagne veranschaulicht werden. Toscani appelliert gegen die Vorurteile
die oft zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen bestehen.
1998 publiziert Toscani dieses Motiv: Eine schwarze Frau stillt ein weißes
Baby. Dieses Werbeplakat löste heftige Reaktionen aus. In den USA galt das
Foto als rassistisch, da es die Sklaverei verkörpern würde und die Frau in der
Rolle eine Amme darstellen würde.55
Schwarze Minderheiten waren der Meinung das Bild würde das „alte kolonia-
listische Klischee vom weißen Kind und der schwarzen Amme“ aufrecht er-
55
Vgl. Schicha, Christian (2003): Unterhaltsame Formate als Bausteine der medienethi-schen Ausbildung. Spielfilme und Benetton-Werbung als populäre Beispiele. Internet