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HEINRICH SCHENKER •• Damit steht Heinrich Schenkers Persönlichkeit im geistigen Zentrum des musikalischen Ge- schehens unserer Tage. Von ihm geht jene ethische Kraft aus, die das Fluidum des Großen ist • • W a l t e r Dahms UNIVERSALEDITION A. G. WIEN N E W YORK 000001
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Jun 04, 2018

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HEINRICHSCHENKER

•• Damit steht Heinrich Schenkers Persönlichkeitim geistigen Zentrum des musikalischen Ge-schehens unserer Tage. Von ihm geht jeneethische Kraft aus, die das Fluidum des Großenist • • W a l t e r Dahms

UNIVERSALEDITION A. G.WIEN N E W YORK

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Oev. Tonwilleber bi 5 1. Vtitober 1928 criebienenen 4 ßefte:

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EINIGE URTEILEÜBER SCHENKER UND SEINE WERKEAus „Heinrich Schenkers Persönlichkeit"

von Walter Dahms (Allgem. Musik-zeitung, Berlin 1923).I n diesestheoretischeundpraktische

Chaos trat im 20. Jahrhundert Heinrich Schen-ker, der Künstler und Denker, mit dem zwei-felsohne eine neue Epoche i n der Musik-anschauung und Musiklehre beginnt. Ihn als dengrößten und tiefsten Musiker unserer Tagezu bezeichnen, scheue ich mich ebensowenigwie Otto Vrieslander. Seit den etwa zehn Jahren,da ich als erster in Deutschland rückhaltlosauf Schenkers epochemachende Persönlichkeithinwies, hat sich mancherlei geändert. Es gibtheute schon eine große Zahl von hervorragendenMusikern, die von Schenker gelernt haben, diedurch ihn das Beste erworben haben, was siein ihrer Kunst besitzen. Daß sie es nicht allelaut und öffentlich bekennen, mögen sie mitsich selber ausmachen. Vielfach ist es Furchtvor den Feinden Schenkers, den Männern der„Presse". Denn dort ist Schenker vielen einStein des Anstoßes, weil er aus der Leiden,schaft und Größe der Sache heraus ein scharferund rücksichtsloser Polemiker ist, So schweigtman ihn, sein Werk, seine Persönlichkeit undBedeutung in den Zeitungen, die sich so gerndie öffentliche Meinung nennen, tot, in demtörichten Glauben, damit den Sieg der Wahrheitverhindern und die eigene Bedeutungslosigkeitnoch ein wenig konservieren und aufblasen zukönnen. Die Fülle des Beweismaterials ist je-doch jetzt so groß, daß die Zeit gekommen istzur ernsthaften Auseinandersetzung.

Schenkers Lehre ist ein Tor, durch das derWeg in jenes Reich geht, dem die Sehnsuchtunserer besten Jugend gehört. Und dieses Torist jedem geöffnet, der ernsthaft strebend undsuchend sich um die Kunst bemüht. So habenviele unserer besten Musiker heute bereits ein-gesehen, daß Schenkers Lehre •— die tiefgrün-digste, sachlichste, den schaffenden Meistern kon-geniale Lehre, die wir besitzen — eine fest-stehende Tatsache ist, die man aus der Ent-wicklungsgeschichte der Musik nicht mehr fort-denken kann. Sie strahlt bereits mannigfachihren Segen aus, als eine fundamentale, zeu-gungsfähige, naturhafte, schöpferische und auf-bauende Kraft.

Damit steht Heinrich Schenkers Persönlich-keit im geistigen Zentrum des musikalischenGeschehens unserer Tage. Von ihm geht jeneethische Kraft aus, die das Fluidum des Großenist. Sonneneigenschaft, die unbegreifliche Fähig-keit des genialen Menschen, überall leben,weckend zu wirken — sie ist die schenkendeGüte, die ihren Reichtum hemmungslos undohne Bedenken ausschüttet, um der Sache, umdes Lebens willen. Man sehe diese segnende,spendende, strafende, richtende, werbende Güte

des Wissenden i n den zahlreichen Werkendie der Erkenntnis der musikalischen Meister-werke gewidmet sind und die die eigentlicheLehre ergänzen. Man erkenne, sage ich, dieseGüte, die nur der aufbringt, dem alles gehört,auch die Zukunft, und man wird wissen, daßein W eg dahin führt, wo die klingenden Wunderder großen deutschen Meister ewig leben. Esist eine andere Welt als die unserer verlogenenTage. Entweder — Oder bleibt deshalb auch dieletzte Forderung, die Schenker, wie jeder Große,erheben muß. So ist also auch sein Werk nurfür diejenigen getan und gesagt (wie wenigesind es immer zu allen Zeiten!) die den Mutzur Entscheidung aufbringen.

Aus „Heinrich Schenker und sein Werk"von Otto Vrieslander (Musikblätterdes Anbruch, Wien 1923),Denjenigen, welchen heute der Name HeinrichSchenker vertraut ist, welchen sein Werk hohe,

höchste Bedeutung trägt, wird die nunmehrigePublikation des zweiten Teiles der Lehre vomKontrapunkt (innerhalb des Lehrgebäudes, dasunter dem Namen „Neue musikalische Theorienund Phantasien" errichtet wurde) ein Ereignis,eine Epoche sein,

In der Tat haben Freunde und Anhängerdieses größten und tiefsten Musikers unsererTage mit Sehnsucht dem so lange angekün-digten und zur Ergänzung des bereits 1910 pu-blizierten ersten Teiles der Stimmführungslehreso notwendigen Buches entgegengeharrt und esbedeutet ihnen daher ein wertes, ein wunder-volles Geschenk 1

Es ist schwer, in einem Aufsatz über seinWerk zu berichten, denn er wie seine Materiesind universal und es ist innerhalb der Musikselbst kein kleinster Nebenzweig von Bedeutung,dem er nicht seine Kraft widmet, den er nichtmit genialem Blick röntgengleich völlig bis zuden Uratomen zu durchleuchten Gewalt hätte.

Das Kunstwerk ist eine Synthese. Es stellteine sehr komplizierte Einheit vieler Teile vor,deren jeder selbständig und abhängig zugleichist, Aus dem Grunde dieser Vielgestaltigkeitbetrachtet, ist es daher gar nicht denkbar, daßTheoretiker nur theoretisch einem Kunstwerkeje seine Geheimnisse abhorchen können. So istdenn demgemäß zu sagen, daß Schenker garnicht das ist, was man mit einem Theoretikerzu bezeichnen zumeist gewohnt ist. Er ist eben-sosehr aufbauender Künstler. Genau adäquatdem jeweiligen Inhalt eines Kunstwerkes odereines Theorems ist er an abgewogenen Kräften.das als Künstler und das als Theoretiker. Mittiefsinniger Bedeutung nannte er sich daher aufseinem ersten Werke, seiner Harmonielehre,anonym nur : „von einem Künstler".

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Schenkers Gemeinde ist, wie das die ernsteund tiefe Sache mit sich bringt, langsam aberstetig im Wachsen. Bedeutende Männer sindvon seiner Sendung überzeugt und wissenwohl, daß sein Werk längst kein Kampfobjekt,sondern einen Begriffskomplex darstellt, mitwelchem, als mit einer bestimmten Größe, zurechnen ist.

So viel ist gewiß : daß, wenn der unendlicheWust geschriebenen und gedruckten Papieresunserer Tage, Noten wie Bücher, in absehbarerZeit den Weg aller Makulatur genommen hat,Schenkers Schrifttum, wie selbstverständlich,übrig bleiben und fortbestehen wird. Denn weres mit den Großmeistern hält, hält es mit derNatur selbst, und diese ist es ja, der wirUnsterblichkeit vindizieren. Es ist demgemäßnichts von besonders prophetischer Geste, wennman schon jetzt seinem Oeuvre, als mit Groß,meistertum und Natur völlig adäquat, einelange, sehr lange, gegen die Tagesliteratur ge-halten, unendliche Wirkung und Dauer vor-aussagt.„Konservative Monatsschrift," Berlin.

(Walter Dahms, „Heinrich Schenker"zu seinem 50, Geburtstag)

Wäre Schenker nur ein MusiktheoretikerVorn alten Schlage, dann könnte sein Schaffenim engeren Sinne nur für die eigentlichenMusikerkreise Bedeutung haben. Aber er istmehr. Seine Theorien dienen nicht nur dermusikalischen Technik, sondern der Erkenntnisder Musik überhaupt. Er ist Philosoph; beiihm lernen wir die Synthese des musikalischenKunstwerkes begreifen. Er enthüllt das Wesender Musik, ist also im höchsten Sinne einNeuschaffender. Dies eben ist das Hochziel seinesWirkens: Die Erschaffung einer neuen, einzigund allein aus den Werken der großen Meistergewonnenen und auf ihnen aufgebauten Anschau-ung von Wesen und Sinne der Kunst. SeineDarstellung des Wesens der Musik von derBiologie der Töne angefangen bis hinauf zurkompliziertesten Lebensäußerung des Kontra-punktes ist ein Wunderwerk an künst-lerischer B ildnerkr a ft, philosophischerTiefgründigeit der Ausdeutung und packender,mitreißender Sprache. Wer in seinen „Neuenmusikalischen Theorien und Phantasien" einge,drangen ist, der hat die felsenfeste überzeugunggewonnen, daß mit diesem Werk eine neueEpoche der Musikanschauung beginnt.

Man muß es dahin bringen, jedes Kunstwerkin seinen eigenen Notwendigkeiten zu erkennen.

Das ist Schenkers Forderung, die er in der Vor-rede seines Buches über Beethovens NeunteSymphonie erhebt. Und er gibt in diesem Werkselbst gleich ein unübertreffliches Musterbei-spiel der Kunstbetrachtung, wie sie jedem Ernst-strebenden dauernden Gewinn bringen kann.Fortgesetzt findet sich diese Art der Erläute-rung, eine Kompositionslehre erhabensten Stils,in den Ausgaben der fünf letzten KlaviersonatenBeethovens und der Phantasie von Bach.

Wir haben noch wichtige Werke von Schenkerzu erwarten. Seine Pläne sind von ungeheurerWeite und Spannung. Möge er nur ein Ge-schlecht finden, das willig von ihm lernt. Dannwird der Segen für unser musikalisches unddamit für unser geistig-kulturelles Leben nichtausbleiben.

Aus „Walter Dahms, Die Offenbarungder Musik. Eine Apotheose FriedrichNietzsches."(Musarion Verlag, München).

Es bedurfte erst des Künstlers, um dieTheorie und Ästhetik in ihre Grenzen zurück-zuweisen und den Erkenntnisdrang in die richtigeBahn zu lenken. Erst mit Heinrich Schenkerhaben wir einen wahren Fortschritt in demVerständnis vom Wesen der Musik gemacht.Die Anschauung eines musikalischen Werkesals einer Folge von lebendigen Ereignissen imExistieren der Töne' der Motive, das ist diegroße Befreiung der Betrachtung aus den Fesselnnutzloser Schönrednerei und abstrakter Über-legung. Mit Schenkers Lehre von der Biologieder Musik lichtet sich der Nebel. Das Motivist als die Ideenassoziation der Musik erkannt.Durch das Prinzip der Wiederholung pflanztes sich fort, gewinnt und erzeugt Leben -- Leben,das wir nun bis in seine geheimsten Regungenund Äußerungen beobachten und erkennenkönnen. Schenker, der Mann dervollkommenstenPraxis, der schöpferisch inspirierte Denker,schafft die Vermittlung zwischen Analyse undSynthese. Er hat den Mut zur Selbstverständlich-keit: nämlich das Genie als die allein maßgebendeInstanz in der Kunst zu erklären und allenanderen in die gebührende Entfernung zu weisen.Aber immer wieder steht der nie rastendeIntellekt des Menschen an der Grenze und fragt,was jenseits der biologischen Erkenntnis ver-borgen ist. Wohl lehrt uns Schenker die Mate,rialisation des musikalischen Geistes erkennen,wie nie zuvor jemand; aber die Frage kannnicht verstummen : was ist dieser Geist selbst?Der Philosoph sucht die Antwort.

zuEINIGE STIMMEN

„BEETHOVENS IX. SYMPHONIE"Bernhard Paumgartner, („Heimgarten"),

Ein durchaus interessantes, mit reifster Sach-kenntnis geschriebenes Werk von denkbar er-schöpfender Gründlichkeit und Breite, ohnedabei jemals in trockene Gelehrsamkeit zu ge-raten, ein besseres Lehrbuch der musikalischenTheorie — freilich auf erhabenster Grundlage— als die meisten, die ausschließlich Lehr-buch sein wollen. Hier aber, an der Hand derAnalyse, wird der Adept zum erkennendenBlick in die unermeßlichen Weiten der titani-schen Schöpfung erzogen, wo auch das scheinbarkleinste, etwa eine 32stel-Pause, in kosmischerArt der großen Idee des Ganzen organisch einsgeordnet ist. Wie deutlich hat das scharfsinnigeBuch Schenkers das ungeheuere konstruktiveGenie Beethovens neben seiner tiefen Ursprüng-lichkeit erfaßt und verständlich gemacht! DasBuch ist bedeutend und schafft wirkliche Werte;darum soll, darf keiner daran vorübergehen,dem die Musik Beethovens ein tiefernster Faktorin seinem Leben ist und mehr als laienhaftesGenießen.

„Kunstwart," (Leipzig).Zweifellos eines der erstaunlichsten Werke

der letzten Jahre. Hier ist mit vollem Erfolgder Versuch gemacht, die Struktur eines großenWerkes ausschließlich auf Grund der Partitur

„Kreuzzeitung", Berlin,Wir bewundern bei Schenkers Erläuterungs,ausgabe der Klaviersonate, op. 111 — wie schonbei den früher veröffentlichten Werken über

die Sonaten, op. 109 und 110, und die IX. Sym-phonie — die tiefschürfende Darstellung desInhaltes ebenso, wie die überlegene Art derLiteraturbetrachtung. Ein Künstler Von um-fassendster Geistesbildung, von höchstem Idea-lismus beseelt, reicht hier allen die Hand,die ehrlich bestrebt sein Wollen, das Geniein der ungeheuren Größe und Erhabenheitseiner Äußerungen zu verstehen. Neben einerkritischen Ausgabe der Klavierwerke Pla.E. Bachs

und Handschriftentums zu analysieren .Hier dämmert so etwas wie das Ende der un-sachlichen und oberflächlichen Hermeneutikder letzten Jahrzehnte herauf. Tiefer ist kaumjemals ein Darsteller in Absicht und Weseneines Kunstwerkes eingedrungen.

„Neue Zeitschrift für Musik," (Leipzig).Wenn der begabte Dirigent weiter in Beet-

hovens heiligstes Symphoniewerk eindringenund den ganzen darüber angewachsenen Stoffin der Hand haben will, so sei er auf ein ein-ziges Werk verwiesen, das alles enthält undalles ersetzt, auf Heinrich Schenkers Mono-graphie, ein Buch, das nicht nur restlos in derSache aufgeht, sondern auch sonst jenseits vonGut und Böse liegt und weder Autoritätenfurchtnoch Cliquengeist kennt.

„Zeit am Montag," (Berlin).Die Darstellung des Inhaltes, der zugleichFormanalyse, Vortragsbeleuchtung und Liters

,turumschau ist, zeigt sich als eine gleich grün&Eche wie klare Meisterleistung, wie sie bislangauf diesem Gebiete nicht da war.

EINIGE STIMMENZU DEN „ERLÄUTERUNGSAUSGABEN"

und einem Beitrag zur Ornamentik als Ein-führung dazu hat er eines der am meistenmißhandelten und verunstalteten Werke vonallen Bearbeitern befreit: Die chromatischePhantasie und Fuge von Johann Seb. Bach. DieSchenkersche Ausgabe möchte ich gern als dieBeste und Endgültigste angesehen wissen. Hierspricht doch wirklich und rein der Geist Bachs.Vergleicht man mit anderen Ausgaben und liestdazu die tiefschürfenden Bemerkungen Schenkersüber Lesarten, Dynamik, Fingersatz u. s. w., sowird man wohl Schenker zustimmen müssenSeine Arbeit ist um so verdienstvoller, als sienun auch rücksichtslos und ohne Bedenken demMeister selbst gegen seine Bearbeiter vordringt•

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Auch Schenkers Beitrag zur Ornamentikist äußerst wertvoll und ich muß sagen: fürjeden Klavierspieler unentbehrlich. Wenn manweiß, welch heillose Verwirrung in den Köpfender Musiktreibenden in Bezug auf diese Dingeherrscht, wie bedauerlich selbst auf dem Kon-zertpodium die Unkenntnis bei berühmten undunberühmten Künstlern sich offenbart, so kannman Schenkers Lehre nur die weiteste Ver-breitung wünschen.

„Neue Freie Presse", Wien,Die Erläuterungsausgaben von Schen-

ker gelten heute schon als das B e den ts am st eauf dem Gebiete musikkritischer Ana-lyse. Sie geben eine erschöpfende Darstellungdes musikalischen Inhaltes sowie des Vortragesund der bezüglichen Literatur und übertreffenan tiefgründigem Wissen sowie neuen Gesichts-punkten alles, was auf diesem Gebiete i nder letzten Zeit geschaffen wurde. An ersterStelle unter ihnen stehen Schenkers Werkeüber Beethovens IX. Symphonie sowie überdieses Meisters letzte fünf Sonaten. Von denanderen musikkritischen Werken Schenkerssind die über die chromatische Phantasie undFuge von Bach, der Klavierwerke Ph. E. Bachsund die vor einigen Jahren erschienenen Beiträgezur Ornamentik hervorzuheben.

A. Halm: „Heinrich Schenker",(Die freie Schulgemeinschaft, Jena,Oktober 1917).Über die B e e t h o v e n,E r l ä u t e r u n g s a us g a b e n :

Allen Ernstes wünsche ich diese Ausgaben inder Hand jedes musikbeflissenen Menschen oderKreises. Zwar war ich auch hier im Zweifeldarüber, ob Schenker dem Nichtmusiker nichtzuviel Aufwand an Zeit zumutet. Aber schließ-lich mag jeder sich aussuchen, was er darinstudieren kann ; er wird von der Analyse auchschon eines einzelnen Satzes ein Bild davonbekommen, wie tief der Verfasser in die Fragendes meisterlichen Schaffens einführt. Und zumGlück kam in meine Zweifel hinein der Briefeines Musikfreundes, der mir schreibt: „Ich kamerst nach Beginn der Ferien dazu — man mußschon wirklich Zeit dafür haben — und bineinfach hängen geblieben. Denn da hat man

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wirklich das beglückende Gefühl, daß tuan alt-bekannten Meisterwerken näher kommt, sieüberhaupt erst recht kennen lernt." Ich möchteaber abgesehen von dieser Frage die Bitteäußern, wenn irgend möglich diese Ausgabenanzuschaffen und dadurch solche Art von Arbeitzu unterstützen: denn gewiß haben wir vondes Verfassers außerordentlich, ja möglicher-weise beispiellos gründlichen Kenntnissen nochhöchst Wichtiges zu erwarten und ein Mißerfolgdieses Sendboten einer besseren Zeit läge schwerauf unserem, der Zeitgenossen, GewissenAls einen der wahren Nothelfer zeigt sichSchenker durch sein positives Tun, das alsdoppeltes erscheint, aber einem und demselbenWollen und auch Erkennen entquillt. Das eineist seine Wiedergabe des Notemextes. Hier ent-deckt er uns einen Notstand, von dem viele nichts,von dessen großer Bitterkeit aber wohl überhauptkaum jemand sonst etwas ahnte. Nicht nurerfahren wir von vereinzelten falschen Lesarten,das ist Notensünden samt den für jeden Kundi-gen ohnehin wahrscheinlichen Ungenauigkeitender Dynamik ; sondern wir bemerken auch, wieBeethovens Schreibart, das ist seine für dasAuge des Spielers und zur Leitung seiner Auf-fassung wohlberechnete graphische Darstellung,die Wahl der Auf- und Abstriche, die Benützungder verbindenden Balken und ähnliches teilsder gewohnheitsmäßigen Setzer- und Stecher-manier, teils einem eingebildeten Besserwissender Herausgeber zum Opfer fiel, und dabeihält sich unser Erschrecken über die Tragweitesolcher Zerstörungsarbeit und das Staunen überdie uns bisher entzogenen Feinheiten, ja ichmöchte manchmal sagen Schönheiten auch deräußerlichen Notierung die Wage. Also alleinschon der Notentext, den Schenker, alle vor-handenen Grundlagen, vor allem natürlich dienoch erhaltenen Manuskripte, sodann von Beet-hoven selbst durchgesehene Kopien und Druckeaufs neue durcharbeitend, uns wieder eroberthat, rechtfertigte unsere Bitte, diese Ausgabenanzuschaffen. Zu großem Dank stimmt es unsferner, daß sie aus Beethovens Skizzen Wichtigesmitteilen und uns das Werden der musikalischenGestalt vor Augen führen. Dies geschieht inSchenkers Analysen, die er mit beherzigens-werten Vorschlägen für den Vortrag in der demNotentext folgenden „Einführung" vereinigt.In der Lage des Neulings dürften sich ihmgegenüber die allermeisten beruflich und nicht-beruflich Musiktreibenden befinden, denn einsolches Eindringen war vor ihm wohl kaumjemals da. So erfuhr ich soviel überraschendeAufklärung im einzelnen, daß ich mir über einZuviel des Fragens und Deutens jetzt noch keinUrteil zutrauen will,

EINFÜHRENDE BEMERKUNGENZU DEN „NEUEN MUSIKALISCHENTHEORIEN UND PHANTASIEN"

Die „Neuen musikalischen Theorien undPhantasien" stellen ein auf vier Bände be-rechnetes Werk vor. Der erste Band ist derHarmonielehre, der zweite und dritte Band derLehre vom Kontrapunkt als der Stimmführungan sich, endlich der vierte dem freien Satz alsden Prolongationen der Stimmführung bei Stufeund Urlinie gewidmet. (Durch eine weitereFolge von losen Bänden unter dein Titel „Ent-wurf einer neuen Formenlehre", „Niedergangder Kompositionskunst", „Kunst des Vortrages"u, s. w. soll das Hauptwerk vervollständigtwerden.)Von sämtlichen älteren und neueren Lehr-büchern unterscheidet sich Schenkers Harmonie‚•lehre schon äußerlich dadurch, daß sie keineAufgaben führt, und die Kontrapunktlehre (I.und 2. Halbband) wieder dadurch, daß sie fort-laufend durch Ausblicke auf den freien Satzgefördert wird, wo allein die Stimmführung —allerdings in prolongierter Form — anzutreffenist. Im Kontrapunkt werden dann freilich Auf-gaben gebracht, mehr sogar als in anderenüblichen Lehrbüchern des Kontrapunktes. Zudein Inhalt der Bände im einzelnen ist zusagen :An die Spitze der Harmonielehre ist derGrundgedanke vom biologischen Eigenleben derTonkunst gestellt: die Musik wurde erst zurKunst, ala sie in Wiederholung und Motiv-bildung die unentbehrliche Assoziation aus sichselbst hervorzubringen gelernt hat, Daß derGedanke vom Eigenleben der Musik bis heuteweder gefaßt noch erfaßt worden, hat sich alsdas eigentliche Hindernis eines wahren Fort-schrittes in Ausübung und Erkenntnis bei Mu-sikern, Philosophen und Asthetikern erwiesen.In der Wiederholung liegt zugleich schon derKeim aller Formen. Wenn die Musik auch nurvorübergehend auf die Wiederholung verzichtet,hört sie auf Musik zu sein und nähert sichvielmehr dem Wesen der Sprache.Zum erstenmal — der Band erschien imJahre 1906 — wird der Begriff eines Tonsystemsüberhaupt und unserer beiden Tongeschlechterim besonderen erkannt und geformt: Die Naturstellt die Quint („ e i n e höhere Einheit,gleichsam das Meter des Tonkünstlers") bei,während die Bedürfnisse der Wiederholungden Zusammenschluß von sieben verschiedenenTönen als rein künstlichen Teil bestimmen.Das Künstlerische des Systems zeigt sich nochin der Inversion als einem Gegenstück desQuinterpAufwärtstriebes der Natur: sie führtzur Entstehung der Unterquint. Tonika, Ober-und Unterdominante beseitigen nun alle Wider-sprüche, die sich aus dem naturhaften Dur derTöne als Systemglieder ergeben mußten. Dasist nun das Dur-System, das natürliche. Ihmwird künstlich das MolkSystem nachgebildet,

mit durchgängiger Nachahmung alles dessen,worin das D u r,S y s t e m b e g r i f fl i c h b e g rü n d et i st .

Die alten Kirchentonarten werden dagegenals Systeme zurückgewiesen: der knappe Inhaltder damaligen Musik duldete erst eine hori-zontale Auffassung der Tonarten und konntezu einem wirklichen System noch gar nichtdrängen, dessen erste Voraussetzung la Reich-tum der Auskomponierung mit weitgreifendemAußensatz ist.Auch in der Mischung von Dur und Mollsieht Schenker ein biologisches Zeichen, dasreichere Sichausleben eines Toninhaltes.Als wesentliches Merkmal des Intervall-Be-griffes wird — anders als bisher — die Diatonie-fähigkeit hingestellt. Damit wird von vorn-herein ein Riegel vorgeschoben aller Spinti-siererei über „neue" Klänge, Tonarten 14. S. w., diedas Ohr um das gute Hören und Schaffen bringt.Die Stufe wird als eine höhere Einheit er-kannt: sie ist zwar ein Dreiklang, aber nichtjeder Dreiklang ist eine Stufe. Schenker zeigtan vielen Beispielen diese überragende Erschei-nung und gibt aus der Fülle der Bedingungen,die sie bestimmen, eine beträchtliche Auswahl,vorbehaltlich noch weiterer, die erst im viertenBand zur Darstellung gelangen sollen. Der Be-griff der Stufe wird sodann gegenüber denStimmführungsklängen im strengen Satz, diekeine Stufen sind, erhärtet und auch noch inseiner historischen Herkunft erläutert. Hieranschließt sich endlich eine Kritik der Harmonie-lehrebücher.

Es folgt die Lehre von den Drei- und Vier-klängen ; die Fünfklänge werden verneint undgrundsätzlich zu den Vorhälten gezählt.Nun wird i n neuer Weise gezeigt. wieTonikalisierung, Chromatik, Alteration in denDienst der Diatonie sich stellen und dabei derGrundsatz ausgesprochen, „daß man schon umder Diatonie willen nicht genug chromatischschreiben kann."Endlich wird die Modulation auf eine breitereGrundlage gebracht und entgegen dem billigenWahn von heute der Begriff des Präludierensals einer freien Phantasie im Sinne der älterenimprovisationskundigen Meister richtiggestellt.Zur praktischen Bewertung seiner Harmonie"lehre konnte übrigens Schenker schon imJahre 1910 in der Vorrede zum Kontrapunkt,S. XXXIV, Stellung nehmen. „Im Übrigen wurdeder Inhalt zwar vielfach als ‚geistvoll' be-zeichnet, dabei aber der Zweifel geäußert, obmeine Lehre gerade in dieser Form praktischenWert haben könnte? Nun, ich glaube sagen zudürfen, daß es doch ungleich praktischer ist,einem Kunstjünger zu zeigen, woher er — vonder Urquelle der Inspiration freilich abgesehen— seinen Inhalt zu beziehen habe, als ihn bloßmit Tonpuppen spielen zu lassen, was doch

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nur einen Müßiggang bedeutet, obendrein einenteuer erkauften. Hat der Schüler im Kontra-punkt vorerst die Kunst der Stimmführunggelernt, so mag es ihm dann in der Welt derStufen genügen, zu sehen: wer sie seien, wiesie an Inhalt eintragen, wie sie sich zur Formverhalten, wie viel an Stufengang der eine, derandere Gedanke verbraucht wie man an Stufensparen und dennoch zugleich den Gedankenweit bauen kann u, s. w., u. s. w."Im ersten Halbband des Kontrapunktes ent-wirft Schenker zunächst den Unterschied seinerneuen Lehre gegenüber der in den Hauptwerkender votralen und Generalbaß Epoche (Fux,Ph. Em Bach): sie will die grundlegenden Be-griffe der Stimmführung auch ohne die störendeBeimengung von Gesichtspunkten des freienSatzes vermitteln, um dann erst recht die Pro-longationen entwickeln zu können. Er behältzwar die Einteilung des Stoffes nach Fux bei,drängt aber bei der Bildung der einzelnen Be-griffe auf deren tiefsten, unzerstörbaren Kernunter ständiger kritischer Beleuchtung und Be-richtigung der Ergebnisse in den bekanntenLehrbüchern.

So wird der Begriff des cantus firmus be-reinigt, in der 1. Gattung die Frage der Quartzutiefst und der parallel-geraden, unparallel-geraden Folgen der Lösung zugeführt, in der2, Gattung der Begriff des Durchganges, und inder 4. Gattung der der Synkope in ihren un-abänderlichen Merkmalen erläutert.

Im dreistimmigen Satz (2. Halbband) werdenals neu die wesentlichen Begriffe der Grund-tonhaftigkeit und des Außensatzes aufgestellt.Im letzteren läuft der ursprüngliche zweistim,

Aus Briefen Beethovens und sonstigen anderenZeugnissen wissen wir, daß der Meister mit denDrucken seiner Werke durchaus unzufriedenwar. Sein Tadel und Zorn kamen für das ge-druckte Werk schon zu spät, nützten aber auchgar nicht den noch zu druckenden Werken,obgleich er ausdrücklich darauf hinwies, wiedie Schreibart für den Inhalt wesentlich sei.Die Erstausgaben scheiterten einfach daran, daßdie Setzer und Korrektoren die Beziehung vondiesem Inhalt und dieser Schreibart nicht be-griffen, weil beide durchaus neuartig waren.Die nach Beethovens Tode zunehmende Ver-breitung seiner Werke schuf eine noch mißlichereLage; mit ihr kam eine Verflachung der musi,8

mige als der alleinige Träger des strengen Satzesfort. Bei den Schlüssen im dreistimmigen Satzwird auf die Entstehung der V. Stufe hinge,wiesen. Im Verlauf der weiteren Gattungen desdreistimmigen Satzes werden die schon imstrengen Satz möglichen Prolongationen auf-gezeigt, so die neuen Begriffe der Knotenpunkteüberhaupt, zunächst des Terzknotenpunktes, so,dann des Quartzuges.Zum erstenmal werden Mischungsaufgabenmethodisch ausgebaut und darin die Entstehungder Durchgangsklänge (nicht nur einzeln durch-gehender Töne) erwiesen, hierbei die Prolon-gationen des springenden Durchganges, einesStimmentausches, des dissonanten Zusammen-stoßes u. s. w. vorgeführt. Die Mischung derSynkopengattung mit anderen Gattungen ins-besondere erhärtet den bedeutsamen Unterschiedder Synkope —9 - 8 u n d —4 - 3 a l s w i r kl i c he r

Vorhätte gegenüber den anderen überbundenenErscheinungen, die zweideutig sind, d. h. unterUmständen Vorhätte, aber auch vierklangähn,liehe Bildungen sein können.Die Beflissenheit, zur letztmöglichen Klarheitund Sicherheit der Begriffe zu gelangen, dieeine Kritik der verschiedenen andern Methodenund Lehrbücher einschloß, führte von selbst zueiner enzyklopädischen Darstellung des Kontra-punktes, die jedem Leser ermöglicht, an Ort undStelle die Verschiedenheit in der Auffassungder Begriffe zu überprüfen.Als Stoff des nächsten Bandes, der in Vor-bereitung begriffen ißt, kündigt Schenker denfreien Satz an, worin die Prolongationen imweitesten Ausbau gezeigt und namentlich derAnteil der Urlinie ins Licht gerückt werden soll

EINFÜHRENDE BEMERKUNGENZU DER REKONSTRUKTION DER

BEETHOVENSONATENkalischen Instinkte, einem Naturgesetz zutolge,gegen das sich der Mensch vergeblich aufzulehnensucht. Hätte es bloß gegolten, geringfügige druck-technische oder orthographische Verbesserungendurchzuführen — um ein Beispiel aus derSprache anzuführen, etwa „bei" für „bey", „Not"für „Noth" u. s. w. — aber da ging es um tiefsteFragen der Synthese, Form, Stimmführung,Rhythmik, Artikulation, Dynamik, die weder demInstinkt, noch dem Bewußtsein der Herausgebervertraut waren. Zudem gingen die wenigsten vonihnen auf die Originale selbst zurück, sondernmaßen ihre Empfindung und Einsicht nur anden Ausgaben anderer Herausgeber, mutwillig-persönlich, „auffassungslüstern", wie wir das

heute an Dirigenten und Virtuosen sehen, diesich unbekümmert um die Sache gegeneinanderauszuspielen pflegen. Daß .sieh dann aber auchMusiker und Liebhaber diesem Zustand gegen-über vollständig gleichgültig verhielten, darfnicht weiter befremden: glaubten sie doch alle,in jeder Ausgabe den echten Beethoven vorsich zu haben, sodaß sie gar nicht in die Lagekamen, ihr Unterscheidungsvermögen ins Feldzu führen ; sie genossen, wie eigentlich immer,vor allem sich selbst und erst in zweiterReihe Beethoven.

Den ersten Schritt zur Besserung hat dieGesamtausgabe der Beethoven -Werke, wie späterdie Urtext-Ausgabe gemacht als Ausgaben, dieseit Beethovens Tode zum erstenmal die Origi-nale zu Rate gezogen. Indessen stand die Ein-sicht der Herausgeber noch immer nicht aufder nötigen Höhe, so daß noch viel, sehr vielSchuld an die Erstfassung abzutragen übrig-blieb.

Im Zusammenhang nun mit dem Rettungs-werk, als das Schenker seine „Neue musikalischeTheorien und Phantasien" auffaßt, stellte ersich auch noch die Aufgabe, das unschätzbareBeethoven-Gut endlich zu bereinigen. Untergroßen Opfern verschaffte er sich Einblick inalle heute nur irgend erreichbaren Originale, seies Handschriften, Erstausgaben oder vom Autorrevidierte Abschriften, um nach Möglichkeitdie erste Fassung zu ermitteln. Er äußert sichdarüber in der Erläuterungsausgabe von op.101,S. 19 : „Beethovens kräftiges, unmittelbares,sozusagen ton-körperliches Denken bringt ihmvon selbst eine auch das Auge des Leserssinnlich überzeugende Schreibart heran:

das Steigen und Fallen der Linien: hier siehtman sie aus dem unteren ins obere Notensystemziehen, dort vom oberen ins untere sinken;

das tiefsinnige Spiel der Balken: sie kündendem Auge, was im Inneren der Töne vorgeht,den Willen zur Zusammengehörigkeit bei diesen,Trennungszwang bei jenen ;

die geheimnisvolle Beredsamkeit der Bogen:einmal, was auch über Balken und Taktstrichehinweg Bezug aufeinander atmet, absetzend,um Gegengewichten Platz zu machen, öftergleichzeitig auch in verschiedener Spannweitegegeneinander wirkend, vermitteln sie das Bildwohlgepflegter und gesättigter Gerechtigkeit imGefüge der Teile und des Ganzen ;das Auf- und Abwärtsstreichen der Noten-hälse: sie lassen uns die Töne als gleichsamgegeneinanderwirkende Schauspieler wahr-nehmen, scharf umrissen im Mit- und Gegen-spiel, am schönsten wohl dort, wo z. B. einAbwärtsstreichen lange voraus das Gegenspielaufwärtsgestrichener Tonfolgen (oder umge-kehrt) so spannend ankündigt;

das Register der Pausen: sie fehlen zuweilen,um dem Auge das Stimmganze luftiger zu

zeigen und das Kommen und Gehen mancherStimme nicht mehr als nötig zu unterstreichen ;und so vieles andere mehr, wovon ich zahlreicheBeispiele schon in „op. 109", „HO", „111", an-geführt habe und ebenso zahlreiche auch hierwieder bieten werde.

Nicht alle diese Unwägbarkeiten haben aberim Erstdruck Platz gefunden und man kannes nur Zufall nennen, wenn manche zum Vor-schein gekommen, wie man freilich trotzdemalle Ursache hat, sich zu freuen, wenn etwaigeVerstöße der Originalausgabe sich bloß ebenauf die hier gemeinten Züge beschränken."Demgemäß hat der Herausgeber auch be-richtigt, was sonst noch an Verstößen widerTaktstrich, Stimmführung, Motiv, Dynamik,Pedalisierung und Fingersatz in den Ausgabenverbreitet war, In diesem Sinne stellen nun dieneugewonnenen Ergebnisse — und darauf kames dem Herausgeber im Zusamenhang seinesGesamtwerkes wohl am meisten an — mittelbarauch einen neuen Beitrag zur Erkenntnis derBeethoven'schen Kunst, der Tonkunst überhauptvor. Nur der Vergleich mit anderen Ausgabenkann die unendliche Summe und Vielfalt dieserErgebnisse deutlich machen. Wer sich nochaußerdem deren künstlerischen Wert zum Be-wußtsein bringen will, sehe des HerausgebersErläuterungsausgabe (Universal-Edition) oderdie „Tonwille"-Hefte (Tonwille-FlugblätteroVer,lag, Wien, 1. Opernhaus — Albert J. GutmannG. m. b. H.; Leipzig, Karlstraße 10 — FriedrichHofmeister G. m. b. H.) ein, worin er BeethovensInhalt und Schreibart erklärt und gegen dieHerausgeber verteidigt.Schenker hat die Sonaten mit einem Finger

,sate versehen, die wenigen Stellen ausgenom-men, die in Handschrift oder Erstausgabe desMeisters Fingersatz aufweisen. Über die Artseines Fingersatzes äußert er sich in der Er-läuterungsausgabe von op. 110, S. 30 : „Mit derFreiheit des Rhythmus hängt endlich auch dieArt meines Fingersatzes organisch zusammen,weshalb es nicht anginge, diesen etwa von ab-strakten Gesichtspunkten aus zu beurteilen. Sogut jede einzelne Situation im Kunstwerk ihreeigene Freiheit aufweist, die nicht aus allge-meinen Prinzipien, sondern eben nur aus denbesonderen Gründen der Situation hergeleitetwerden kann, so gut hat auch der Fingersatz,ohne auf allgemeine Gesetze Rücksicht zunehmen, die Besonderheit der Situation aus-zudrücken. In diesem Sinne möge nun derSpieler, wie gesagt, meinen Fingersatz mit alsorganischen Schlüssel zur jeweiligen Situationbetrachten; und hat er erst etwaige Vorurteilevom Standpunkt des gangbaren Fingersatzesüberwunden, so wird er bei aufmerksamer undwohldurchdachter Ausführung sich selbst davonüberzeugen, wie geboten, ja notwendig er sichauch dort erweist, wo er fürs erste nur denEindruck eines sonderbaren macht."

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Hei rich Schenkt 7r k ein der Universal.Edition

1LE. Nr, 11.E.Nr.3974 Sonate op. 101 A dur n. 9.— 3977 Sonate op.110 As dur n. 9.—3975 Sonate op. 106 B dur n. 9.— 3975 Sonate op.111 C moll n. 9.—3976 Sonate op.109 E dur n‚ 9.—

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U. E, Nr. 6866

U.E. Nr. 6867

11. E. Nr. 6868

1. Theoretische Werke

Band: HARMONIELEHREBand: KONTRAPUNKT:

Erster Halbband : Cantus firmus und zwei-stimmiger Satz

Zweiter Halbband : Drei, u n d m e h r s t i mm i g e r

Satz. Übergänge zum freienSatz.

Vgl. Einführende Bemerkungen Seite 7

U. E. Nr. 1999 n n 7.50

011 111111 HI11111111 I HU NU I 11111111111111111111111ill H IU I IH HUH IH 1 H I 011 11111 MW IMHUHU HI II IM 111111 UH im MIM 11111111111 111111111111H1 HUH U111111111111111111[11H11111111

NEUE MUSIKALISCHETHEORIEN UND PHANTASIEN

nn, 40.—

nn, 40.—

EIN BEITRAG ZUR ORNAMENTIKEinführung in die Klavierwerke Philipp Emanuel Bachs, enthaltend auch

die Ornamentik Haydns, Mozarts und Beethovens (2. Auflage)U. E. Nr. 812 i m 6.—

BEETHOVENS IX. SINFONIEDarstellung des musikalischen Inhaltes unter fortlaufender Berück-sichtigung des Vortrages und der Literatur (über 400 Seiten stark)

U. E, Nr. 3499 n n 24*—Vgl. Seite 6

A. NILOFFS (II‚ SCHENKER)INSTRUMENTENTABELLEMit einer Einführung,

behandelnd die Einteilung der Instrumente, Erzeugung der Tonhöhe,Auftreten der Instrumente als Familien und die „transponierenden"Instrumente

2. Erläuterungsausgaben klassischer MusikJOHANN SEBASTIAN BACH

CHROMATISCHE PHANTASIE UND FUGE D MOLLKritische Ausgabe mit Anhang

U, E. Nr. 2540 n 7.—Der Band enthält außer der mit Fingersätzen und dynamischen Zeichen versehenen Phantasieund Fuge eine ausführliche Einführung, in der zunächst die chromatische Phantasie, dann dieFuge sehr eingehend besprochen und analysiert und dann Ausführungen über Non legato,

Fingersatz und Dynamik gemacht werden.

PHILIPP EMANUEL BACHK L AVI E RWE R K E, zwei Bände

Kritische Ausgabe vonHeinrich SchenkerU. E. Nr. 548 a/b ä n. 4.50

Hiezu vgl. „Ein Beitrag zur Ornamentik.",,Der 1895 bei Breitkopf dz Härtel erschienene Urtextneudruck blieb wesentlich auf Fachmusikerbeschränkt, so daß Heinrich Schenker, auch hier mit unentwegtem Mute, mit genialem Entdecker,.blick sich freie Bahn machend, im Jahre 1902 eine Auswahl brachte, ebenfalls den sechsSammlungen entnommen, vorn Editor mit Spielmanieren und Fingersatz versehen, sonst aberdurchaus des Meisters Text konservierend, Hierneben erschien als Anregung und Ergänzung dasWerk : Beiträge zur Ornamentik (vgl. S. 9 dieses Prospektes). — Um einen Überblick überBachs Klavierschaffen zu gewinnen, ist Schenkers Auswahl jedenfalls das einzige, bis jetzt inBetracht kommende Werk, mit Ausnahme des Urtextunternehmens, das freilich Uneingeweihtenzunächst nicht zu empfehlen ist." O t t o Vrieslander: „Carl Philipp Emanuel Bach."

ERLÄUTERUNGSAUSGABENder letzten fünf Sonaten von Beethoven

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U.E. Nr.4010 Sonate4011 Sonate4012 Sonate4013 Sonate4014 Sonate4015 Sonate4016 Sonate4017 Sonate4018 Sonate4019 Sonate4020 Sonate4021 Sonate4022 Sonate4023 Sonate4024 Sonate4025 Sonate4026 Sonate

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3. Neuausgaben klassischer MusikSÄMTLICHE KLAVIERSONATEN

vonLudwig van Beethoven

Nach Originalen rekonstruiert vonHeinrich Schenker

A. Vierbändige GesamtausgabeU,E.Nr,8a Band I : op. 2 Nr. 1-3; op, 7; op. 10Nr.1-3 . . . . . n . 14*-8b Band o p . 13; op, 14 Nr. 1 und 2;

op, 22; op, 26; op„ 27 Nr.1und 2; op. 28 n . 14*-

op. 2 Nr.1 F mon n . 5 .-op. 2 Nr.2 A dur n . 6 . -op. 2 Nr.3 C dur n . 7.-op. 7 Es dur n . 7 . -op.10 Nr.1 C moll n . 4 ' -01).10 Nr. 2 F dur n . 4.-op.10 Nr. 3 D dur n . 6 ' -012.13 C mon n . 5 * -op.14 Nr, 1 E dur n . 3 ' -013.14 Nr, 2 G dur n . 5 . -012.22 B dur n , 6 . -op. 26 As dur n . 5 .-op. 27 Nr.1 Es dur n .op, 27 Nr.2 Cis mon n• 4 . -op. 28 D dur n • 6 . -op. 31 Nr.1 G dur n . 7 ' -01%31 Nr.2 D mull n . 6 .-

13. Einzelausgaben

G. F. HÄNDEL

Heinrich Schenker

U.E.Nr.9a Band III: op. 31•Nr, 1-3 ; op. 49 Nr.1

und 2; op. 53; op. 54 ; op. 57 n. 14,-

9 b Band IV: 01).78; op.79; 011.81 a ; op. 90;op. 101; op, 106; op. 109;op. 110; op. 111 n 14.-

U.E.Nr.4027 Sonate op.31 Nr.3 As dur n . 6 ' -4028 Sonate op. 49 Nr.1 G moll n . 2'504029 Sonate op. 49 Nr.2 G dur n . 2.504030 Sonate 013,53 C dur n . 8 .-4031 Sonate op. 54 F dur n . 4 .-4032 Sonate op. 57 F molI4033 Sonate op. 78 Fis dur n . 3 ' -4034 Sonate op. 79 G dur n . 3 ' -4035 Sonate op. 81a Es dur n , 5 ' -4036 Sonate op. 90 Emdoulr n . 4 ' -l n . 4 . -4037 Sonate op.101 A4038 Sonate op.106 B dur (Hammer, klavier) n . lg.-4039 Sonate op, 109 E dur4040 Sonate op. 110 As dur n . 5 .-4041 Sonate op.111 C moll n . 6,-

SECHS ORGELKONZERTENach den Originalen für Klavier zu vier Hätiden' bearbeitet von

U .E ,Nr . 936

Druck von Otto Maan• Söhne Ges. in• tz. H., Wien. 1. - 1590 23

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