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64 Yoga Aktuell August | September 2017
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RZ YA105 SiNi CS6 2 - yoga-pranayama.de · as vierte Chakra ist das körperliche, energetische und emotionale Zentrum unseres Daseins und nimmt somit eine Sonderstellung im Chakra-Modell

Oct 29, 2019

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as vierte Chakra ist das körperliche, energetische und emotionale Zentrum unseres Daseins und nimmt somit eine Sonderstellung im Chakra-Modell ein.

Wir sind in unserer Mitte angekommen, unter und über Anahata befinden sich jeweils

drei weitere Chakras. Die Sicherheit und Stabilität von Muladhara, die Sinnlichkeit und Sexualität von Svadhishthana und die Kraft und Individualität Ma-nipuras sind eine gute und notwendige Basis, um die luftigen Höhen Anahatas zu erklimmen. Die genaue Übersetzung von Anahata ist „nicht angeschlagen“. Damit ist gemeint, dass Chakra 4 nicht wie die Seite einer Gitarre oder wie das Fell einer Trommel von außen aktiviert werden, also angeschlagen werden muss. Ganz im Gegenteil: Die Essenz des Herzchakras zeigt sich aus sich selbst – ohne Motivation von außen.

Fast alle Kulturen verorten die Heimat der Seele im Herzen. Ich mache in meinen Ausbildungsgruppen gerne folgendes Experiment: Ich lasse die Teilnehmer auf alle möglichen Gegenstände im Raum zeigen, um am Schluss zu sagen: „Und nun zeig auf dich.“ Das Re-sultat ist immer dasselbe: Alle Finger landen auf der Mitte des Brustbeins. Das ist präzise der Punkt, hinter

dem das Herzchakra liegt. Hier also sind wir wirklich zuhause, und unsere Sprache drückt sehr deutlich aus, wie wichtig unser Herz in allen Lebenslagen ist und wie es unsere Entscheidungen beeinflusst. Wir tun etwas mit ganzem Herzen, sind herzlich, Worte kommen von Herzen, wir haben ein gutes Herz, ge-winnen andere Herzen, sind weichherzig oder eben auch hartherzig und gar herzlos. Wenn unsere Seele wirklich im Herzen wohnt, dann ist es vielleicht un-sere wichtigste Aufgabe, tief ins Herz hineinzuhören und der Stimme unserer Seele zu lauschen.

Im Herzen ruht unser Dharma, unsere Bestimmung, unser ureigenster Weg, den nur wir gehen können. Carlos Castaneda, der große schamanische Schrift-steller, nennt das „den Weg des Herzens gehen“, und er ist dabei ganz klar: Es ist der einzige Weg, den zu gehen sich lohnt. Alle anderen Wege führen in die Irre.

Aber Anahata kann nicht gezwungen werden, seine Geheimnisse preiszugeben. Wir brauchen also viel Geduld, um die Tiefen des Herzens auszuloten. Yoga bietet uns die wunderbare Technik der Meditation. Wer in die Stille geht, kann sie vielleicht hören, die Stimme des Herzens, denn sie ist nicht sehr laut, und sie drängt sich auch nicht vor, im Gegenteil. Zu oft sind wir verletzt, verlacht oder sogar bestraft worden, wenn wir unsere ureigensten Herzenswünsche formuliert haben. So ist die innere Stimme vielleicht immer leiser geworden, bei manchen ist sie gar ganz verstummt. Anders kann ich mir nicht erklären, warum manche Menschen komplett rücksichtslos nur auf ihren Vorteil bedacht sind und andere dabei verletzen.

Teil 4, Anahata-Chakra: Übungen für das Herzchakra, in dem unsere von Liebe erfüllte Beziehung zu uns selbst und zu anderen ihren Ursprung nimmt

TEXT n RICHARD HACKENBERG FOTOS n CHRISTIAN KRINNINGER MODEL n FRANZISKA AGRAWAL

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Asana a Anahata-Chakra

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Kontakt, Soziales und die Liebe

Das Lebensthema von Anahata ist vor allem der Kontakt, und zwar

zuerst zu sich selbst und dann zu den anderen. Das Herzchakra ist das sozi-alste Chakra: Wir lernen, mit uns und den anderen in Kontakt zu treten, es geht um Beziehungsfähigkeit, Familie, soziale Interaktion, Mitgefühl, Ach-tung und hoffentlich auch um Liebe zu den Menschen.

Natürlich ist die Liebe das zentrale Thema von Anahata, leider ist sie aber schwer belastet von unseren Vorstel-lungen und Erwartungen, und wir warten vielleicht auf die „Liebe un-seres Lebens“. Dabei ist sie ja in uns, und bevor wir sie im Außen suchen, sollten wir sie bei uns selbst finden. Nur wer sich liebt, kann auch andere lieben.

Das Element Anahatas ist die Luft, und das Sprichwort „von Luft und Liebe leben“ bringt das genau auf den Punkt. Sehr passend sind auch das feinstoffliche Element Berührung, das Wahrnehmungsorgan Haut und die Handlungsorgane Arme.

Wie schön, dass es Ayurveda-Mas-sagen gibt, bei denen die kundigen Hände des Therapeuten unsere Haut berühren und sie mit warmem Öl verwöhnen. Ölmassagen sind im Ayur-veda das Mittel der Wahl, um unser Nervensystem zu beruhigen, das eng mit der Haut korrespondiert. Natür-lich ist es auch immer wunderbar, die Hände eines geliebten Menschen auf unserer Haut zu spüren.

Das Tiersymbol Anahatas ist die Gazelle, ein hochachtsames Tier, das seine Herde bei der geringsten Gefahr warnt, damit alle vor dem Fressfeind fliehen können. Schöner kann man die Sensibilität des Herzens nicht be-schreiben.

Anahata oder Balance

Im Yoga sollte das Herzchakra zum Zentrum unserer Praxis werden.

Eine Praxis, die vom Kopf gesteuert wird, unterliegt dem Ehrgeiz und dem Ego. Wenn wir aus unserer Mitte her-aus praktizieren, dann wird Yoga zur Herzensangelegenheit. Energetisch führt das zur Balance zwischen den drei unteren und den drei oberen Cha-kras. Die Stabilität von Muladhara, die Empfindsamkeit von Svadhishthana und das Feuer von Manipura sorgen für eine solide energetische Grund-lage, damit Anahata sich zeigen kann und unsere Herzensangelegenheiten zum Blühen kommen. Die oberen drei Chakras, Vishuddha, Ajna und Sahasrara, sollten dabei entspannt sein, sie lassen ihre Energie eben-falls dem Herzen zufließen. Diese beiden energetischen Ströme sind im Symbol von Anahata abgebildet: zwei verschränkte Dreiecke, das eine mit der geraden Linie unten zeigt mit der Spitze nach oben, das andere hat die gerade Linie oben und zeigt mit der Spitze nach unten. Sie überlappen sich und sind von 12 Blütenblättern des Lotus umrankt.

In der konkreten Yogapraxis kann man das wunderbar abbilden, indem man die Chakren 1 bis 3 im Asana, beim Pranayama und in der Medita-tion stabil hält. Das erreicht man vor allem durch gut erlerntes Mula- und Uddiyana-Bandha. Zugleich entspannt man Kopf, Sinnesorgane und Kehle, was durch Jalandhara-Bandha einfach zu erreichen ist. Das Resultat ist ein Zusammenfließen der Energie in un-serer Mitte, in Anahata. Die Energie von den Chakren 1 bis 3 steigt auf und fließt dem Herzen zu, die Ener-gie von den Chakren 5 bis 7 sinkt ab und fließt dem Herzen zu. Besonders

schön kann man das in einer Herzme-ditation erleben, die ich weiter unten beschreiben werde.

Yogatools für Anahata

Im Yogaunterricht hören wir oft von „Herzöffnern“. Meist sind es kräftige

Rückbeugen, die den Brustkorb weiten und die Atmung vertiefen sollen. Ich verwende in diesem Zusammenhang den Begriff „Herzöffner“ nicht, denn er ist missverständlich. Mein Herz möchte nicht „geöffnet“ werden, son-dern ruhig im seinem eigenen Rhyth-mus schlagen. Das Wort „Rhythmus“ kommt vom Sanskrit-Wort Hrdaya, das „Herz“ bedeutet. Der Rhythmus des Herzens bestimmt unser Leben, und allzu oft hören wir nicht auf ihn. Es erscheint logisch, dass Herz-Kreislauf-Probleme zu den häufigsten Zivilisa-tionskrankheiten gehören.

Das anatomische Herz sitzt auf dem Zwerchfell, eingebettet von den Lun-genflügeln, und der größte Dienst, den wir ihm tun können, ist, Yoga zu praktizieren und im Alltag tief und gleichmäßig zu atmen. Mit einer acht-samen und ehrgeizlosen Asana-Praxis gelingt uns das am besten. Hektische Vinyasa-Yoga-Stunden mit Rockmusik empfehle ich da weniger.

Von der Anatomie aus betrachtet, sind Drehhaltungen und Rückbeugen am besten geeignet, um den Brustkorb, der unser Atemraum ist und der unser Herz beherbergt, mobil und gesund zu halten. Sowohl anatomisch als auch energetisch muss eine Rückbeuge aber auf stabilem Fundament stehen. Gute Bandhas und gutes Alignment sind die unbedingten Vorraussetzung dafür.

ANAHATA-Das

Chakra

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Brustkorb weiten Unsere Reihe startet mit einem sehr einfachen Asana zum Weiten des Brustkorbs.

Steh in Tadasana mit hüftbreiten Beinen und leg die Finger aufs Brustbein. Mit der Einatmung kommst du auf die Zehenballen und breitest die Arme weit zur Seite aus, hebst den Brustkorb an und blickst schräg nach oben. Mit der Ausatmung kommst du wieder in die Ausgangsposition Tadasana zurück. Ich mache diese Übung neunmal, und jedes Mal hole ich ein wenig weiter aus und gebe mir mehr Raum.

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Asana a Anahata-Chakra

Drehsitz

Der Drehsitz Ardha Mat-syendrasana dient vor allem dem Mobilisieren der Brustwirbelsäule.

Du sitzt auf der Yogamatte, beugst das linke Bein und nimmst die Ferse nahe ans Gesäß. Das rechte Bein ist aufgestellt, mit dem Fuß außerhalb des linken Knies. Stütz dich mit der rechten Hand auf der Matte ab und nimm die linke Hand von außen an das aufgestellte Knie. Dreh den Brustkorb langsam in Richtung des aufgestellten Knies, heb die Schlüsselbeine und weite den oberen Brustkorb, während du die Schulterblätter an den Rücken ziehst. Bleib mindestens fünf, besser neun Atemzüge in der Drehung und komm mit der Einatmung zurück. Dann wechsle die Seite.

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WORK- SHOP

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Setu-Bandhasana Die Rückbeuge Setu-Bandha-sana bereitet dich für das Pranayama vor.

Du liegst auf dem Rücken, die Beine hüftbreit auf-gestellt und die Schienbeine senkrecht. Aktiviere die Beinmuskeln, auch die Innen- und Außenseiten der Oberschenkel, drück die Fußauflagepunkte in die Matte und heb das Becken mit der Ausatmung vom Boden ab. Halte die Beine aktiv und lass die Knie nicht zur Seite fallen, sondern halte die Oberschenkel parallel. Verschränke die Hände hinter dem Rücken und streck die Arme, während du sie leicht in die Matte drückst. Weite den Brustkorb und heb ihn an, atme ruhig und gleichmäßig. Lass Gesicht und Kehle entspannt und bleib fünf bis zehn Atemzüge in der Haltung, dann komm langsam zurück, indem du die Wirbelsäule Wirbel für Wirbel ablegst. Bleib noch eine Weile mit aufgestellten Beinen liegen und wiederhole die Übung noch ein- oder zweimal.

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Pranayama im Liegen Dieses Pranayama im Liegen ist wunderbar geeignet, um deine Atmung in den Bereich von Anahata zu bringen.

Du liegst mit dem Brustkorb auf einem Yogabolster, die Arme zur Seite abgelegt und die Beine in Baddha Konasana. Schließ die Augen und beginn dich zu entspannen, vor allem Kopf und Sinnesorgane. Dann lass deine Ausatmung tiefer werden und beobachte, wie deine Einat-mung darauf reagiert. Atme tief aus und führe deine Einatmung dann über die Seiten des Brustkorbs langsam bis in den oberen Brustkorb.

Spür, wie die Rippen sich weiten und Raum für deine Atmung schaffen. Atme ohne Anstrengung in deine Fülle und atme dann wieder langsam und tief und vollständig aus.

Wiederhole diese Vollatmung jeweils etwa fünf Atemzüge, um dann wieder eine Pause zu machen und dich zu entspannen. Fünf mal fünf Atemzüge empfehle ich dir, gerne auch länger. Nimm dir Zeit für diese Übung und beobachte die Wirkung. Du sollst dich ruhig und klar fühlen, und es darf keinerlei Druck im Kopf oder Brustkorb entstehen, sonst bist du zu ehrgeizig.

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Asana a Svadhishthana-Chakra

Richard Hackenberg begann 1979 aus gesundheitlichen Gründen mit Hatha-Yoga-Pranayama, Meditation und Asa-nas. Er studierte Naturwissenschaften, war Musiker, Moderator, Kulturredakteur und Reisender zwischen Ost und West.

Zur Jahrtausendwende machte er seine Passion für Yoga zum Beruf. Richards großes Spektrum von Anatomie über Pranayama bis hin zu Psychologie und Philosophie sowie seine Stärke, dieses Wissen praktisch umzusetzen, machen ihn zu einem der profiliertesten Yogalehrer und Yoga-Ausbilder Deutschlands. Zusammen mit seiner Frau

Meret gründete er 2015 das Mahaprana Institut, eine Plattform für hochwertige Yoga-Aus- und Fortbildungen.

www.yoga-pranayama.dewww.trance-yoga.com

Fotos: www.crikri.de

Kleidung und Yoga-Equipment: www.yogistar.com

Asana a Anahata-Chakra

Herz- meditation Zum Abschluss empfehle ich die Herzmeditation.

Setz dich in eine Meditationshaltung deiner Wahl mit geradem Rücken und weitem Brust-korb. Schließ die Augen und lass deine Atmung weich und ruhig werden. Geh mit deiner Auf-merksamkeit in die Mitte der Brust, in deinen Herzensraum. Atme vom Beckenboden sanft bis ins Herz ein, und mit der Ausatmung entspanne Kopf, Augen, Mund und Kehle und atme sanft bis ins Herz aus. Einatmen von unten in deine Mitte, ausatmen von oben in deine Mitte. So führst du die Energie aller Chakras sanft in die Mitte und sammelst sie im Zentrum in Anahata.

Bleib etwa fünf Minuten in dieser Meditation und spür deine Verbindung zum Herzchakra. Sei geduldig – es kann sein, dass es eine Weile dauert, bis du die Stimme deiner Seele hören kannst.

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