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Rundbrief 1/11März 2011
„BraWo-Park“auf ehemaligem KZ-GeländeAls im Jahre 2000 die
GedenkstätteSchillstraße eingeweiht wurde, gab esbereits seit
Jahrzehnten keinerlei Spu-ren des gleichnamigen
BraunschweigerKonzentrationslagers mehr, dessen Ge-lände zwar in
unmittelbarer Nachbar-schaft der heutigen Gedenkstätte lag,dessen
Bauten aber in der Nachkriegs-zeit abgerissen wurden. Immerhin
ließsich der damalige Besitzer des Areals, diePost AG, in die
Planungen der Gedenk-stätte einbeziehen: Unübersehbar prangtseither
die rabbinische Weisheit „DieZukunft hat eine lange
Vergangenheit“als blaue Leuchtschrift an der Garage desehemaligen
Post-Betriebshofes; sie istüber ein mehrstufiges Podest auf
demGedenkstättengelände einsehbar undsomit ein Teil der von Sigrid
Sigurdssonentworfenen künstlerischen Installation.Im September des
vergangenen Jahresberichtete die Braunschweiger Zeitungerstmals
über Pläne zum Verkauf desehemaligen Postareals, das inzwischenin
den Besitz eines Investmentfondsübergegangen war und dessen
Gebäudeüberwiegend leer stehen. Die VolksbankBraunschweig Wolfsburg
(BraWo) hatteInteresse an dem Kauf des 75.000 qmgroßen Geländes
gezeigt, um dort – nachAbriss der Postgebäude – ein ca. 30.000qm
großes Fachmarktzentrum („BraWo-Park“ mit Möbelhaus, Warenhaus,
Baby-fachmarkt, Zoofachgeschäft …) zu errich-ten. Lediglich das
„Toblerone“ genanntedreieckige Hochhaus soll erhalten blei-ben und
die Hauptverwaltung der Volks-bank sowie die Braunschweiger
Argeaufnehmen.
Oberbürgermeister Hoffmann erklärtedas Investitionsprojekt – die
Rede ist von100 Millionen Euro – zur Chefsache undräumte in einem
beschleunigten Verfah-ren per Ratsbeschluss alle baurecht-
lichen Hürden (Änderung des Flächen-nutzungs- und
Bebauungsplanes sowiedes Zentrenkonzepts) aus dem Weg.Während über
Planungen bezüglich desProjektes sowie die Sorgen der
Innen-stadtkaufleute über die entstehendeKonkurrenz ausführlich in
der Braun-schweiger Zeitung berichtet wurde,tauchte in der
Berichterstattung an kei-ner Stelle der Hinweis auf, dass das
Ge-lände des ehemaligen BraunschweigerKZ Schillstraße vollständig
auf dem Are-al des geplanten „BraWo-Parks“ liegt.Ebenso wenig wurde
auf die unmittelba-re Nachbarschaft zur Gedenkstätte hin-gewiesen.
Die BZ veröffentlichte immer-hin zwei Leserbriefe von Luzia
Franckund Ernst-August Roloff, die auf die be-sondere Geschichte
des Geländes auf-merksam machen wollten.
Reinhard Bein und Friedrich Wilhelmhaben sich Mitte November in
einem
Brief an die Dezernentin für Kultur undWissenschaft Frau Dr.
Anja Hesse ge-wandt und die Sorgen des Arbeitskreisesbezüglich des
„BraWo-Parks“ artikuliert.Unter anderem wurden folgende
Fragenangesprochen: Inwieweit ist gesichert,dass bei Baumaßnahmen
auf dem Gelän-de erkennbar werdende Informationenzur Geschichte des
Lagers wie z.B. überdie Lage von Baracken, deren Größe
undAusgestaltung fachkundig durch eineBauaufnahme gesichert werden
können?Inwieweit nimmt die Ausgestaltung derBauwerke Rücksicht auf
den Charakterund die Würde des angrenzendenGedenkortes? Welche
Eindrücke vermit-teln sich den Besuchern der Gedenkstät-te,
insbesondere Angehörigen der hierGetöteten, beim Blick auf das
frühereLagergelände? Ist die Beibehaltung derLeuchtschrift in
geeigneter Form abge-sichert? Ist die Nutzung der
Begrenz-ungsmauer, an der die Tafeln angebracht
Eine Leuchtschrift macht auf das frühere Lagergelände
aufmerksam. Foto: Beate Hornack
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2 Rundbrief 1/11
Studienfahrt nach Bremensind, in bisheriger Form weiterhin
mög-lich? Wie sehen die künftigen Nutzer dieNachbarschaft zu einem
Gedenkort?
Im Dezember fand ein Gespräch mitFrau Dr. Hesse statt, an dem
FrankEhrhardt und der Autor dieses Artikelsteilgenommen haben. Die
Dezernentinversicherte uns, dass ungeachtet derbisher fehlenden
öffentlichen Diskussi-on unsere Fragen bei den Gesprächenzwischen
der Stadt und der Volksbanksehr wohl berücksichtigt würden.
Siesagte zu, den Arbeitskreis über die zu-künftige Entwicklung auf
dem Laufen-den zu halten und in die Planungen ein-zubeziehen.Der
Vorstand des Arbeitskreises hatdaraufhin davon abgesehen,
weiterenAktivitäten zu entfalten, wird aber dasAngebot zur
Mitwirkung gerne aufgrei-fen.
Gustav Partington
Auch in diesem Jahr wollen wir unswieder etwas außerhalb von
Braun-schweig umsehen. Wir planen eineWochenendfahrt nach Bremen am
21. /22. Mai 2011. Folgendes Programm istbis jetzt vorgesehen:
- Bei einem Rundgang durch dasOstertor-Viertel wollen wir uns
mit dem„Bremer Haus“ beschäftigen. Dieser fürdas Stadtbild Bremens
so prägenderHäusertyp, ist nicht nur architektonischsondern auch
sozialpolitisch bedeutend.
- Im heutigen Wilhelm WagenfeldHaus, das über 150 Jahre lang
alsGefangenenhaus, Gestapogefängnis, Po-lizeigewahrsam und
schließlich als Ab-schiebehaftanstalt gedient hat, erinnertein
Zellentrakt an diese Geschichtet. Die-se Dokumentationsstätte
Gefangenen-haus Ostertorwache werden wir besu-chen.
- Im Wagenfeld Haus wird heutenicht nur das Erbe des Designer
WilhelmWagenfeld bewahrt, es ist das Design-Zentrum Bremens mit
sehenswertenAusstellungen. Ein Besuch kann einanschließender
Programmpunkt sein.
- Am Abend liest der SchriftstellersSven Regener (bekannt von
„HerrLehmann“ und „Neue Vahr Süd“) ausseinem neuen Buch „Meine
Jahre mitHamburg-Heiner“. Mit dieser Veranstal-tung im
Kulturzentrum Lagerhaus sollder Tag ausklingen.
- Übernachten werden wir im Ho-tel „Ibis“ am Rembertiring.
- Am Sonntag fahren wir nachDelmenhorst, um uns das
Nordwest-deutsche Museum für Industriekultur„Nordwolle“ anzusehen.
Die „Nordwolle“zählt zu den bedeutenden Zeugnissengründerzeitlicher
Fabrikarchitektur undgilt als eines der großen Industrie-denkmale
Europas. Die BremerIndustriellendynastie der Lahusens hat-te hier
das Sagen.
Wir treffen uns am Sonnabend um8.00 Uhr im Braunschweiger
Haupt-bahnhof und werden am Sonntag gegen18.00 Uhr wieder zurück
sein. Bittedaran denken, dass wir viel zu Fußunterwegs sein
werden.
Der TeilnehmerInnenbeitrag wird110,00 Euro betragen. Darin ist
die Un-terbringung im Doppelzimmer (Einzel-zimmer 30,00 Euro
zzgl.), Bahnfahrt undEintritte/Honorare enthalten. Da nochnicht
alles endgültig feststeht, könnensich noch kleine Veränderungen
ergeben.
Ihre Mitreise ist herzlich willkom-men. Bitte melden Sie sich
bis zum15.4.2011 verbindlich an (Tel.: 0531/18957 – nutzen Sie den
Anrufbeantwor-ter, Email:
[email protected], ggfs. bitteauch den
Einzelzimmerwunsch mittei-len. Den TeilnehmerInnenbeitrag bittenwir
nach dem Eintreffen einer Bestäti-gung auf das Vereinskonto zu
überwei-sen.
Isolde Saalmann
FreiwilligesSoziales Jahr /Kultur
Die Landesvereinigung KulturelleJugendbildung hat unsere
Bereitschafterfragt, ab September wieder einer/ei-nem Jugendlichen
die Möglichkeit zuschaffen, ein Freiwilliges KulturellesJahr in der
Gedenkstätte zu absolvieren.Der Vereinsvorstand hat das als
sehrwünschenswert bezeichnet. Die Möglich-keit sich dafür zu
bewerben, besteht absofort – beim LKJ sollte die Bewerbungbis zum
31.3. eingetroffen sein.
Vorstellbar ist eine Mitwirkung ander pädagogischen Arbeit mit
Jugendli-chen, an der Vorbereitung von Veranstal-tungen und
Ausstellungen in der Ge-denkstätte und vielleicht auch wieder
dieVorbereitung eines Jugendcamps für denSommer 2012. Dieses bedarf
der Verab-redung – wobei die Wünsche der jungenLeute einbezogen
werden. Auch dasKennenlernen anderer Kulturein-richtungen gehört
zum Programm.
Wer Interesse hat, wende sich bittean die Gedenkstätte, um ein
Gesprächzu vereinbaren. Für das Auswahl-verfahren ist es von
Vorteil, wenn wir vonvorneherein sagen können, wir möchteneine/n
uns schon Bekannte/n. Wir wür-den Bewerber/innen, die schon in
derRegion leben, bevorzugen.
Frank Ehrhardt
Durch das Ostertorviertel und zu Sven Regener - Einla-dung zu
einer Studienfahrt am 21./22.5.2011
Nordwolle inDelmenhorst.EhemaligesTurbinenhaus,die „Kathedra-le
der Arbeit“.Erbaut 1902,ArchitektHenrichDeetjen
Foto: JürgenHowaldt(Wikpedia)
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Rundbrief 1/11 3
Bericht über die Tätigkeit des ArbeitskreisesAndere Geschichte
e.V. im Jahr 2010
Seit 25 Jahren widmet sich derArbeitskreis Andere Geschichte der
Er-forschung und Vermittlung der regiona-len Geschichte
Braunschweigs. Im letz-ten Jahrzehnt stand dabei die Auf-gabeder
Betreuung der städtischen Gedenk-stätte KZ-Außenlager Schillstraße
imMittelpunkt.
2010 feierte der Arbeitskreis das Ju-biläum seiner Gründung mit
einemGeschichtsfest und der Herausgabe ei-ner Festschrift. Beides
waren wichtigeBeiträge zu einer Bestandsaufnahmeund zur
Selbstvergewisserung über dieZielsetzungen und Formen
künftigerVereinsarbeit.
Hervorhebung verdient außerdem,dass es dem Verein möglich war,
durchdie Recherche von Frank Ehrhardt zurVerfolgung der Juden in
Braunschweigwieder einen Beitrag zur Erforschungvon
Regionalgeschichte zu leisten unddurch Verena Haugs Tätigkeit
wichtigeAnstöße zur Weiterentwicklung der pä-dagogischen Arbeit in
der GedenkstätteKZ-Außenlager Schillstraße zu diskutie-ren.
Gedenkstätte KZ-AußenlagerSchillstraße: Offenes Archiv
undinhaltliche Betreuung
Offenes Archiv: Erweiterung desBestandes
Das Offene Archiv „Braunschweig –eine Stadt in Deutschland
erinnert sich“wurde durch die Neuanlage von Kasset-ten erweitert,
so dass nun 100 Kasset-ten vorhanden sind. Das Regal für
dieSammlung wurde durch einen Aufbauergänzt, damit Platz für
weitere Ergän-zungen vorhanden ist. Zur Jahreswende2009/2010 kamen
eine neue Kassette fürdie Sammlung von Helmut Kramer,
eineallgemeine Kassette für kleinere Beiträ-ge der Bürgerinnen und
Bürger und eineKassette für die Ergebnisse der Jugend-camps mit dem
Service Civil Internatio-nal hinzu. Außerdem wurden eine Kas-sette
für Sally Perel und eine für dasVolkswagenwerk Braunschweig
gefer-tigt. Eine weitere Kassette erinnert aufInitiative Helmut
Kramers an den Stadt-verordneten Hermann Bode.
Markus Daume, Anna Gugler und
Marie-Charlotte Berrard brachten ihreFacharbeit und
Materialsammlung überEuthanasie im Raum Braunschweig undUmgebung
1933 – 1945. Diese Aus-arbeitung, die das Archiv um ein bislangnoch
nicht angesprochenes Thema er-gänzt, bildet den Grundstock zu
einerneuen Kassette der BerufsbildendenSchulen V. Frau Banholzer
übergab ihreSammlung zur Versöhnungsarbeit derGesellschaft für
christlich-jüdische Zu-sammenarbeit seit den 1960er Jahren.Aus
privater Hand wurden einige Unter-lagen über einen SS-Mann
übergeben,der die SS-Junkerschule im Schloss ab-solvierte. Ebenso
wie für die Sammlungzu den in Braunschweig verlegten
Stol-persteinen wird in Kürze auch wiedereine neue Kassette für die
fortlaufendeintreffenden Leihgaben der „Bürger-innen und Bürger“
nötig.
Auf Anfrage des Fachbereichs Kulturwurde eine Zusammenstellung
der Pro-jektansprechpartner der in den letztenJahren erstellten
Kassetten weiter-gereicht. Die Stadt beabsichtigt, 2011neue Texte
an der Außenmauer der Ge-denkstätte anzubringen, die auf
Vor-schläge der Bearbeiter zurückgehen.
Betreuung der Nutzer und Besu-cher, Sicherstellung der
Öffnungs-zeiten
Da Gedenkstättenleiter Frank Ehr-hardt über mehrere Monate durch
einForschungsprojekt (siehe unten) in An-spruch genommen war, wurde
in dieserZeit ein Teil der Aufsichten und der da-mit verbundenen
Beratung von Nutzernwährend der Öffnungszeiten von derPädagogin
Verena Haug übernommen.Außerdem engagierten sich Mitgliederdes
Arbeitskreises in ungewöhnlichemAusmaß: An 33 Tagen wurden die
Auf-
sichten von 14 mit dem Archiv vertrau-ten Vereinsmitgliedern
übernommen.
Die Zahl der Teilnehmer öffentlicherVeranstaltungen in der
Gedenkstätte,von Besuchergruppen und von Nutzerndes Offenen Archivs
blieb auf dem Ni-veau der Vorjahre. Da 2010 aber
keineSonderausstellungen in der Gedenkstät-te gezeigt werden
konnten, ergab sichinsgesamt ein Rückgang der Besucher-zahl,
insbesondere durch den Wegfall vonAusstellungsführungen mit
Schulklas-sen.
Durchführung von Veranstaltun-gen und Ausstellungen
Lerntag „Das Offene Archiv‘Braunschweig – eine Stadt
inDeutschland erinnert sich’“
Am 7. Mai 2000 wurde das OffeneArchiv als künstlerische
Installation inder Gedenkstätte eröffnet. Die Hambur-ger Künstlerin
Sigrid Sigurdsson hat die-se Sammlung initiiert und
1997/1998Einzelpersonen und Institutionen inBraunschweig zur
Mitarbeit gewonnen.Der runde Jahrestag gab nun Anlass,über die
Entwicklung des Archivs zu in-formieren. Dazu wurde zu einem
Lern-tag am 23.1.2010 eingeladen.
Im ersten Beitrag wies Dr. UlrikeGutzmann, Mitarbeiterin der
Histori-schen Kommunikation des Volkswagen-werks , auf ein
interessantes Dokumentin der Kassette von Sally Perel hin, derdurch
seine Erinnerungen als „Hitler-junge Salomon“ bekannt ist. In der
2009angefertigten Kassette befindet sich einReplikat der
VW-Personalakte von Perel,der als angeblicher Volksdeutscher
ge-tarnt im damaligen VW-Vorwerk inBraunschweig eine
Lehrlingsausbildung
Besucher Besucher Besucher Besucher
Öffnungstage 162 161 158 166Einzelbesucher 369 505 272
256Öffentliche Veranstaltungen
11 324 10 354 12 424 13 416
Schulklassen 27 503 47 805 20 360 13
260Mehrtages-veranstaltungen 9 90 13 125 2 16
Besuchergruppen 5 83 9 164 10 160 14 187Gesamtzahl 1369 1828
1341 1135
2007 2008 2009 2010
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4 Rundbrief 1/11
absolvierte. Sie bestätigt in vielen Punk-ten die Erinnerungen
des heute in Isra-el lebenden Zeitzeugen.
Mehrere Schülerinnen und Schülerder Jugenddorf
Christophorusschulestellten anschließend ihre Power
PointPräsentation vor, die sie anlässlich derVerlegung von
Stolpersteinen für dieFamilien Gottlieb und Tichauer
erstellthatten, und die jetzt in einer Kassette desOffenen Archivs
als Ausdruck zu findenist. Die Kassette zu den in
Braunschweigverlegten Stolpersteinen ist eine der mo-mentan am
intensivsten bearbeitetenBestandteile der Sammlung.
Der außerdem vorgesehene Beitragder Kunsthistorikerin Dr.
MartinaPottek über die Bedeutung des OffenenArchivs im Gesamtwerk
der Künstlerinmusste wegen einer Erkrankung derReferentin
verschoben werden. Frau Dr.Pottek kam dafür am 5.6. nach
Braun-schweig. Ihr Vortrag „Kunst der Erinne-rung“ lockte
bedauerlicher Weise am ers-ten schönen Sommertag nur sehr weni-ge
Interessierte in die Gedenkstätte.Frau Pottek gelang es
überzeugend, dasBraunschweiger Archiv in den Zusam-menhang der
unterschiedlichen Samm-lungen einzuordnen, die Frau Sigurdssonin
Hagen, Danzig, Frankfurt und Mün-chen entwickelt hat.
Weitere Veranstaltungen
Die im April und Mai im StädtischenMuseum gezeigte Ausstellung
„Für dieFreiheit – gegen Napoleon. Ferdinandvon Schill und die
deutsche Nation“ botAnlass, sich mit der Gedenkstätte als
dem historischen Ort der Braunschwei-ger Schill-Traditionspflege
zu befassen.Frank Ehrhardt und Verena Haug bo-ten deshalb zwei
öffentliche Führungenan diesem Ort der Geschichtsdeutung an,die
einen Bogen von der Entstehung desSchilldenkmals bis zur heutigen
Neu-widmung zogen.
Am 22.4. führte Eyke Isensee, Wis-senschaftlicher Mitarbeiter
der HBKBraunschweig, in den Spielfilm „Kolberg“ein. Der vollständig
gezeigte Film, der imJanuar 1945 uraufgeführt wurde, gilt
alssogenannter „Durchhaltefilm“ und letz-ter großer Propagandafilm
des DrittenReichs. Die historische Figur Ferdinandvon Schills ist
einer der Hauptakteureder Handlung.
Der Hannoveraner Historiker undSchallplattensammler
Christian-Alexan-der Wäldner präsentierte am 15.7. in ei-ner gut
besuchten und ungewöhnlichenSommerveranstaltung Musikkultur
imKontext der Verfolgungsgeschichte Ho-mosexueller. „ Eugen! Ich
will mit dir insHeu geh’n…“ betitelte er den Überblicküber populäre
Musik von den Goldenen20ern bis in die NS-Zeit. Die Veranstal-tung
fand in Rahmen des „Sommerloch-Festivals“ statt.
Im Herbst begann in der Gedenkstät-te eine Vortragsreihe unter
dem Motto„Täter und Tatgehilfen“, die die Vorstel-lung neuer
Erkenntnisse zur Auseinan-dersetzung mit den Verantwortlichen
desNS-Staates zum Ziel hatte. Die Auftakt-veranstaltung am 9.9.
bestritt Dr. HabboKnoch, Geschäftsführer der Stiftung
nds.Gedenkstätten, der unter dem Titel „Un-
heimliche Komplizen“ einen kompeten-ten Überblick über NS-Täter
und die po-litische Kultur der Bundesrepublik gab.Eine lebhafte
Diskussion schloss sich imzahlreichen Auditorium an. Die
Braun-schweiger Zeitung hatte durch ein vorabgeführtes Interview
mit Herrn Dr. Knochauf die Veranstaltung aufmerksam ge-macht.
In einer ebenfalls gut besuchten Ver-anstaltung am 14.10.
berichtete DanielWeßelhöft aus einem von ihm begonne-nen
Forschungsprojekt an der TU Braun-schweig. „Nationalsozialistische
Akti-visten an den Braunschweiger Hochschu-len 1930-1945“ stehen im
Zentrum sei-ner Recherchen. Dabei sind sowohl dieGeschehnisse in
der Frühphase der Eta-blierung nationalsozialistischen Herr-schaft
als auch die Karriereverläufe inder Kriegswirtschaft von
Interesse.
Am 4. November stellte Frank Ehr-hardt erste Ergebnisse seiner
Recherchezur Verfolgung Braunschweiger Judenvor (siehe Erforschung
der Regional-geschichte). Einen besonderen Akzentrichtete er dabei
auf die Beteiligung derBraunschweigischen Staatsregierung ander
Vertreibung und Ausplünderung derjüdischen Bevölkerung. Nach einem
gro-ßen Vorabbericht in der BraunschweigerZeitung hatte auch diese
Veranstaltungstarke Resonanz, so dass ein Teil der In-teressenten
stehend den Ausführungenund der Diskussion folgen mussten.
Trotz schwieriger Verkehrsverhält-nisse konnte am 2.12. ein
Referent ausKiel zum Abschluss der Reihe begrüßtwerden. Malte Klein
hat sich in einem
Frank Ehrhardt und Verena Haug er-öffnen den Lerntag 2010.
Foto: Beate Hornack
Christian-Alexander Wäldner bei seinem auch hörenswerten
Überblick überpopuläre Musik der 1920er. Foto: Beate Hornack
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Rundbrief 1/11 5
Promotionsvorhaben die schriftstelleri-sche Arbeit des
NS-MinisterpräsidentenDietrich Klagges auf dem Gebiet
derGeschichtsdidaktik vorgenommen. Ermachte darauf aufmerksam, dass
Klag-ges nicht nur der Hauptverantwortlichefür das Agieren der
Nationalsozialistenim damaligen Freistaat Braunschweigwar, sondern
durch seine verschiedenenSchriften auch ein einflussreicher
Ideen-geber und Propagandist der NS-Bewe-gung.
Eine Ausstellung konnte in der Ge-denkstätte im Berichtsjahr
nicht präsen-tiert werden. In der ersten Jahreshälfteverhinderten
andere Schwerpunktset-zungen in der Arbeit des
Gedenkstät-tenleiters (siehe Erforschung der Regio-nalgeschichte)
dieses, in der zweitenHälfte mussten zwei Vorhaben auf
2011verschoben werden. Der seit längerembestehenden Absicht, die im
Winter 2008erhobenen Erinnerungen und Fotoüber-lieferungen früherer
Häftlinge des La-gers Schillstraße über ihre Lebensge-schichte nach
der Befreiung unter demTitel „Wege nach Israel“ in einer
Ausstel-lung zu präsentieren, konnte erst zumJahresende näher
getreten werden. Zudiesem Zeitpunkt glückte es, die
StiftungNiedersachsen für eine Förderung diesesVorhabens zu
gewinnen. Ergänzt umschon vorhandene und noch zu erschlie-ßende
Komplementärmittel ist so eineFinanzierung und damit eine
Fertigstel-lung für Herbst 2011 absehbar. Vor-überlegungen zur
Konzeption wurdenbereits in einer im November ins Lebengerufenen
Arbeitsgruppe, an der FrankEhrhardt, Manfred Heider, Beate Hor-
nack, Dr. Thomas Kubetzky, ChristineLinne, Tatjana Stevic und
JonathanVoges beteiligt sind, aufgenommen.
Entwicklung pädagogischerAngebote
Im Oktober 2009 begann in der Ge-denkstätte ein Projekt zur
Entwicklungneuer pädagogischer Angebote. Als in-haltliche
Schwerpunkte der neuen An-gebote für den außerschulischen
Unter-richt waren die Themen „Zwangsarbeitin der Kriegswirtschaft“
und „Verfolgungder Juden in Braunschweig 1933 – 1945“vorgesehen.
Nachdem bereits im Vorjahrdie Stiftung niedersächsische
Gedenk-stätten ihre Bereitschaft zur Förderung
eines solchen Vorhabens erklärte, gelanges 2009, ergänzende
Mittel der StadtBraunschweig im Rahmen eines Ko-operationsvorhabens
zu erhalten. Hinzukamen 2010 Mittel aus der
städtischenKontinuitätsförderung. Die Förderungenerlaubten es, die
Pädagogin Verena Haugmit der Übernahme der Aufgabe zu
be-auftragen.
Frau Haug hatte schon im Vorjahrbegonnen, das Offene Archiv in
Hinblickauf die genannten Themenstellungen zusichten, sich in den
Forschungsstand zumThema Zwangsarbeit einzuarbeiten undden Kontakt
zu vergleichbaren Projektenherzustellen. Eine zentrale
Entscheidungwar, sich bei den für die pädagogischeArbeit genutzten
Quellen vorrangig aufdie Sammlung aus den in den 90er Jah-ren
durchgeführten Forschungen von Dr.Karl Liedke über polnische
Zwangs-arbeiter zu stützen. Konzipiert und mitmehreren Klassen
unterschiedlicherSchultypen erprobt wurde ein Projekttag„Überall in
Braunschweig. Zwangsarbeitim Zweiten Weltkrieg“. Dieses auf
vierZeitstunden angelegte Angebot gibt eineneinführenden Überblick
zur Thematikund stellt im Weiteren die Lebensge-schichte von
einzelnen Zwangsarbeiter-innen und -arbeitern, die in Braun-schweig
waren, in den Mittelpunkt. Ge-arbeitet wird methodisch
abwechslungs-reich mit fotografischen Quellen, mit ei-nem
Einführungsfilm, mit rechtlichenBestimmungen und mit
Erinnerungs-berichten. Über die Zeitzeu-genberichtewerden
unterschiedliche Orte in derStadt angesprochen, die ergänzend
mit
Aufmerksame Zuhörer beim Vortrag „Verfolgung der Juden“. Foto:
Beate Hornack
Foto: Beate Hornack
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6 Rundbrief 1/11
Karten lokalisiert oder durch eine Orts-erkundung
veranschau-licht werden kön-nen.
Damit Lehrkräfte den Studientag mitihren Schülerinnen und
Schülern durch-führen können, sind unterschiedlicheMaterialien in
mehreren Arbeitsmappenfür die Gruppenarbeit vorbereitet.
EineLehrerinformation bietet thematischeEinführungen, empfiehlt ein
didakti-sches Vorgehen für den Projekttag undnennt ergänzende
Literatur undInternetseiten. Dieses Material steht
zurVervielfältigung zur Verfügung. Um aufdas Angebot hinzuweisen,
wurde ein pro-fessionell gestaltetes Faltblatt erarbeitetund
verteilt. Verena Haug besuchte au-ßerdem Geschichtsfachkonferenzen
anBraunschweiger Schulen. In Zusammen-arbeit mit der
Lehrerfortbildungsstelleder Landesschulbehörde veranstalteteFrau
Haug am 11. November eine Fort-bildungsveranstaltung in der
Gedenk-stätte, an der dreizehn Pädagogen sowieweitere Interessierte
teilnahmen. Nebender Vorstellung des neuen Angebots derGedenkstätte
wurden durch Dr. CordPagenstecher die Internetzugänge unddie
Lernsoftware des digitalen Archivs„Zwangsarbeit 1939-1945.
Erinnerungund Geschichte“ an der FU Berlin erläu-tert. Die Nutzung
dieses Zeitzeugen-archivs bietet sich als Ergänzungs-
undVertiefungsmöglichkeit zu dem Braun-schweiger Angebot an. Die
Veran-staltung wurde durch die Stiftung „Er-innerung, Verantwortung
und Zukunft“,Berlin, gefördert.
Die Umsetzung des Themenbereichs„Verfolgung der Juden“ in ein
vergleich-bares außerschulisches Unterrichts-modell steht noch aus,
da der Stand dervorbereitenden Recherchearbeiten die-sen
Arbeitsschritt bislang noch nicht zu-ließ. Auch fehlt eine Lösung
für das Pro-blem, dass vermutlich nur wenige Lehr-kräfte das jetzt
ausgearbeiteteUnterrichtsangebot ohne personelle Un-terstützung der
Gedenkstätte nutzenwerden. Hier ist zu überlegen, ob eineGewinnung
und Qualifizierung von Mit-arbeitern auf Honorarbasis
eineLösungsvariante darstellt. Frau Haugwies auch darauf hin, dass
die in derGedenkstätte eingehenden Unter-stützungsgesuche von
Schulen ein vielbreiteres thematisches Spektrum umfas-sen, als mit
zwei Angeboten abzudeckenist. So führte sie mit einer
Oberstufen-klasse des Gymnasiums Kleine Burg ei-nen Projekttag zur
170-jährigen Denk-
malsgeschichte des Gedenkortes Schill-straße durch.
In den bisherigen Überlegungen zurpädagogischen Arbeit in der
Gedenkstät-te – das wurde durch Verenas HaugsArbeit deutlich – ist
bislang noch wenigreflektiert, wie noch besser den sehr
un-terschiedlichen Zugangsweisen und Ge-schichtsbildern bei
heutigen Jugendli-chen in der Migrationsgesellschaft ent-sprochen
werden kann. Frau Haug ent-wickelte deshalb Überlegungen zu
einerProjektfortführung, die Zugänge überFormen kultureller Bildung
und die Be-zugnahme auf das Offene Archiv alsKunstwerk erproben
soll. Es ist ange-strebt, einen weiteren Arbeitsschritt indieser
Richtung mittels einer erneutenFörderung im Jahr 2011
anzugehen.
Erforschung der Regional-geschichte
Recherche „Verfolgung der Judenin Braunschweig 1933 – 1945“
Mit einem ursprünglich auf drei Mo-nate angelegten
Rechercheprojekt beab-sichtigte der Arbeitskreis, erst in
denletzten Jahren zugänglich gewordeneBehördenakten in den hiesigen
Archivenüber die Verfolgung der Juden zu sich-ten. Die Stiftung
Nord/LB-Öffentlichebewilligte 2009 eine Förderung, die
esermöglichte, Frank Ehrhardt ab Dezem-ber vorübergehend für diese
Aufgabe frei-zustellen. Das Projekt soll nicht alleineinen Beitrag
zur weiteren Erforschungder Re-gionalgeschichte des
Nationalso-zialismus leisten. Es dient auch dazu,eine zusätzliche
Kompetenz in der Beur-teilung der Quellenlage zu einem zentra-len
Thema dieser Geschichte zu erwer-ben, die bei der Entwicklung
künftigerVorhaben des Arbeitskreises –insbesondere bei der Arbeit
in der Ge-denkstätte KZ-Außenlager Schillstraße– genutzt werden
kann und Grundlagefür die Beratung von Schulgruppen unddie
Entwicklung pädagogischer Angebo-te ist.
Grundsätzlich ist zuerst festzustellen,dass sich die in den
hiesigen Archivenaufgefundenen Bestände als sehr vielumfänglicher
und ergiebiger als vermu-tet erwiesen. Wäre die Frage nach
derVerfolgung der Braunschweiger Judennoch vor wenigen Jahren mit
dem Hin-weis auf den Mangel an vorhandenenQuellen beantwortet
worden – so sindz.B. keine Akten der für das Verfol-
gungsgeschehen entscheidenden lokalenGestapo bekannt –, so
konnte durch dieRecherche festgestellt werden, dassinzwischen eine
Vielzahl von Vorgängenerschlossen sind, die es erlauben, zu
fastjedem jüdischen Verfolgten Informatio-nen zu gewinnen. In das
Blickfeld rückendabei Behörden, deren Beteiligung – vorallem an der
Ausplünderung der Verfolg-ten – erst in den letzten Jahren
Aufmerk-samkeit fand, wie zum Beispiel Finanz-ämter oder städtische
Immobilienver-waltungen. Der bei ihnen überlieferteSchriftverkehr
gibt auch zahlreiche Hin-weise auf Zwangsmaßnahmen durch
dieVerfolgungsbehörden, deren Akten ver-mutlich vernichtet
wurden.
Recherchen fanden bislang im Stadt-archiv Braunschweig und im
Nieder-sächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttelstatt.
Im Stadtarchiv ist ein neu erschlos-sener Bestand von großem
Interesse. Eshandelt sich um die Akten des städti-schen
Grundstücksamtes. Hierin sindVorgänge enthalten, die die
städtischenBestrebungen zum Ankauf von Grund-stücken vormals
jüdischer Eigner ab1938 dokumentieren. Die Kommunewollte einen
Großteil der Grundstückeerwerben, um Immobilien zum Aus-tausch für
„arische“ Eigner zu haben,deren Häuser für die Anlage eines
vorKriegsausbruch geplanten neuen Haupt-bahnhofs benötigt wurden.
45 Grundstü-cke gerieten in das Blickfeld der städti-schen
Behörden, 13 Grundstücke kamenletztlich für längere Zeit in
städtischenBesitz.
Im Staatsarchiv fielen mehrere Ak-ten auf, die
Staatsangehörigkeitsfragenbetreffen. Diese sind von Bedeutung,
daein erheblicher Teil der jüdischen Ein-wohner Braunschweigs
staatenlos oderpolnischer Nationalität war oder ihnendie in den
20er Jahren zuerkannte deut-sche Staatsangehörigkeit 1933
wiederaberkannt wurde. Die Nationalsozialis-ten, die schon
frühzeitig an der Braun-schweigischen Landesregierung
beteiligtwaren, scheinen schon in der WeimarerRepublik auf die
Ausgrenzung dieserGruppe der Juden hingewirkt zu haben.Ein größerer
Bestand (siehe Signatur 12Neu 13 45300 ff.) enthält Akten der
Ver-waltung staatlicher Grundstücke. Da-runter ist eine Reihe von
Immobilien, dieaus dem Besitz jüdischer Eigner durchdie
Landesverwaltung übernommenwurden. Ein im Staatsarchiv neu
er-schlossener Bestand sind die Akten der
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Rundbrief 1/11 7
Devisenstelle Braunschweig des Ober-finanzpräsidenten Hannover
(18 R Zg.17/2001 ). Die Devisenstelle erhielt abetwa 1938 große
Bedeutung bei der er-zwungenen Auswanderung, in deren Zu-sammenhang
sie sehr weitreichendeSicherstellungen auf die Vermögen
derEmigrierenden verhängen konnte. Einzweiter Bestand aus der
Finanzverwal-tung verdient ebensolche Beachtung: dieBestände des
Finanzamtes Braun-schweig-Stadt, die unter 15 R 2 Zg 16/2003
verzeichnet sind. Mit der Emigra-tion, aber auch mit der
Deportation indie Gettos und Vernichtungslager fielendie
Grundstücke und anderen Vermö-gensbestandteile, die noch im Besitz
derdeutschen Juden waren, an das DeutscheReich. Das Finanzamt
Braunschweig-Stadt bewirtschaftete insofern zahlreicheImmobilien
früherer jüdischer Besitzer,aber auch meist in der Liquidation
be-findliche, nicht „arisierte“ Firmen.
Eine weitere große Bestandsgruppedes Staatsarchivs Wolfenbüttel
sind dieAkten der Entschädigungs- und Wieder-gutmachungsverfahren
der Nachkriegs-jahre. Für die Rekonstruktion der
Verfol-gungsmaßnahmen haben sie große Be-deutung, da sie
Schilderungen der Be-troffenen enthalten und in einer Reihevon
Vorgängen auch Aussagen von Zeu-gen, um die Glaubwürdigkeit der
Anga-ben, die sich nicht aus Behördenakten re-konstruieren ließen,
zu belegen.
Teilweise parallel zur Sichtung dergenannten und zahlreicher
weiterer Ak-tenbestände wurde vom Projektbe-arbeiter im
Sommersemester 2010 eineals Übung durchgeführte Lehrveranstal-tung
am Historischen Seminar der TUBraunschweig angeboten, die mit 25
Stu-dierenden gut besucht war. In vierzehnSitzungen wurden Quellen
vorgestelltund mit den Studierenden besprochen,die die Verfolgung
der BraunschweigerJuden behandeln. Für den Projekt-bearbeiter war
dieses eine produktiveArbeitsform, da er so
Quelleninterpre-tationen in der Diskussion mit den Stu-dierenden
überprüfen konnte.
Die Dokumentation der bisherigenRechercheergebnisse in auch für
fremdeLeser nachvollziehbaren Textdateien bie-tet eine Grundlage
bei der Beratung vonSchulen und anderen Interessierten. Die-ses
wird – neben einer Veröffentlichung,deren inhaltlicher Schwerpunkt
undCharakter noch zu erörtern ist – ein dau-erhafter Gewinn aus dem
Projekt blei-ben.
Vermittlung der Regional-geschichte
Geschichtsfest in der Brunsviga
Am 8. Mai 2010 lud der Arbeitskreiszu einem „Geschichtsfest“ in
das Kultur-zentrum Brunsviga. Kooperations-partner bei der
Durchführung war dieStiftung Leben und Umwelt –
HeinrichBöll-Stiftung Niedersachsen, wesentli-cher Förderer die
Stiftung Braun-schweigischer Kulturbesitz.
Ulrich Ludewig, Sebastian Wertmüller(DGB) und
Gedenkstättenleiterin ElkeZacharias waren hier
Diskussions-partner.
Um 18.00 Uhr eröffneten Grußan-sprachen des
VereinsvorsitzendenReinhard Bein und der
designiertenKulturdezernentin Dr. Anja Hesse dieanschließende
Plenumsveranstaltung.
Dr. Bernd Rother, Prof. Dr. Adelheidvon Saldern und Jonathan
Voges bestrit-ten ein Podiumsgespräch über die bishe-rige Arbeit
und künftige Perspektivender Geschichtswerkstätten. Die Ausfüh-
Den ersten nachmittäglichen Teil derVeranstaltung machten vier
Workshopsaus: Geschichtsdarstellung im Internetwurde durch die
MedienpädagoginChristine Linne an mehreren Terminalsmit den
Teilnehmenden erkundet. Par-allel diskutierte ein gut besuchtes
Teil-plenum zeitgemäße Zugänge zur Ge-schichte einzelner
Stadtteile. Übermigrationsgeschichtliche Ansätze sprachDr. Lars
Amenda, künstlerische Ausei-nandersetzungen mit einem
Stadtviertelerläuterte Pia Kranz am Beispiel einesProjekts des
Braunschweiger Allgem.Konsumvereins. In einem Workshopüber
Regionalgeschichte nach 1945sprach der Dramaturg Gilbert
Holzgangüber den Brauschweiger Remer-Prozessals Theaterinszenierung
und UweHildebrand über journalistische Recher-chen zur örtlichen
Studentenbewegung.Die bei weitem meiste Resonanz hatte einviertes
Angebot über die Aktualität ei-ner Regionalgeschichte des
Nationalso-zialismus. Der Historiker Dr. Hans-
rungen unterstrichen die große Rolle, diediese ab Mitte der 80er
Jahre bundes-weit entstandenen Vereinigungen zurAusprägung
kommunaler Geschichts-kultur hatten. Im Anschluss lud der Ver-ein
zu einem Büffet und einem Konzertmit der Gruppe „Mind the Gap“
ein.
Mit über hundert Teilnehmenden wardie Veranstaltung gut besucht.
Dabeiwar die Resonanz auf die nachmittägli-chen Workshops schon
herausragend.Weitere Interessierte kamen zu Festan-sprachen und
Podiumsdiskussion, einzel-ne auch nur zu Abendessen und Musik.Unter
den Teilnehmenden war etwa dieHälfte Vereinsmitglied. Hinzu
kamenRepräsentanten der Stadt, Fachwissen-schaftler,
Kulturschaffende, Gewerk-schafter und Journalisten.
Die Braunschweiger Zeitung veröf-fentlichte einen ausführlichen
Vorab-bericht.
Unverkennbar ist, dass das„Geschichtsfest“ eine geeignete
Veran-staltung war, um ein starkes ehrenamt-
Vereinsvorsitzender Reinhard Bein begrüßt zum Geschichtsfest am
8.5.2010.Foto: Alexander Gräbner
-
8 Rundbrief 1/11
liches Engagement innerhalb des Ver-eins auszulösen. So gab es
eine zehn-köpfige Vorbereitungsgruppe der Ta-gung, die inhaltliche
und organisatori-sche Aspekte in einer einjährigen
Vor-bereitungsphase klärte. Hinzu kamenweitere Helfer bei der
konkreten Durch-führung (Tagungsbüro, Moderationen,Aufbau von
Ausstellungen…). OhneZweifel wird der Verein auch künftig vondieser
geglückten Zusammenarbeit pro-fitieren.
Veröffentlichungen
Eine anlässlich des Vereinsjubiläumsunter dem Titel
„Braunschweigs andereGeschichte – 25 Jahre gemeinsam for-schen –
vermitteln – präsentieren“ ver-öffentlichte Schrift führt auf 68
SeitenBeiträge zusammen, die die Arbeit desVereins diskutieren oder
die Rahmen-bedingungen der Tätigkeit beschreiben.Die Stiftung
Braunschweigischer Kultur-besitz förderte den Band.Er führt
folgende Aufsätze zusammen:• Dr. Bernd Rother: Der Beitrag
desArbeitskreises zur Erforschung derBraunschweiger Sozial- und
Zeitge-schichte.• Frank Ehrhardt: Geschichte vor Ort.25 Jahre
Vermittlung BraunschweigerRegionalgeschichte.• Dr. Elke Flake: Von
der alternativenGegenkultur zur integrierten Stadt-kultur? 30 Jahre
freie Kultur und kom-munale Kulturpolitik in einer
Durch-schnittsstadt.• Jonathan Voges: Resignation oderAufbruch? Zur
gegenwärtigen Situationder Geschichtswerkstätten.• Dr. Anja Hesse:
Braunschweig – eine
Stadt in Deutschland erinnert sich.• Dr. Habbo Knoch: Ein Ort
andererGeschichte. Die Gedenkstätte Schill-straße als erinnerndes
Archiv.• Verena Haug: Lernort Offenes Archiv– Pädagogische
Perspektiven für die Ge-denkstätte.• Beate Hornack: 25 Jahre – eine
chro-nologische Übersicht.
Eingeleitet wird die Schrift durch einGrußwort des
Oberbürgermeisters Dr.Gerd Hoffmann und einen Beitrag
desVereinsvorsitzenden Reinhard Bein, denAbschluss bildet ein
Verzeichnis der Ver-öffentlichungen. Durch die graphischeWerkstatt
Hinz und Kunst wurde dieSchrift illustriert und ansprechend
ge-staltet. Von der Veröffentlichung wur-den 500 Exemplare
hergestellt. Etwa 300sind zur Jahreswende 2010/2011 ausge-
liefert. Ein Großteil wurde durch Teil-nehmer der
Jubiläumsveranstaltung, In-teressierte und Vereinsmitglieder
beiVeranstaltungen gegen eine Schutzge-bühr erworben. Ein weiteres
Kontingentwurde Kooperationspartnern, vergleich-baren
Geschichtseinrichtungen undFörderern des Vereins zugeleitet.
Eini-ge Exemplare wurden auf Fachtagungenausgelegt, eine kleine
Menge durch denBuchhandel verkauft.
Im Jahr 2002 war die Veröffentli-chung „Braunschweiger Frauen.
Gesternund heute“ herausgegeben worden, diesechs Spaziergänge zur
GeschichteBraunschweiger Frauen vorstellt. Dieaufgrund des großen
Interesses bereitszweimal nachgedruckte Publikation istseit
längerem vergriffen. Eine Unterstüt-zung der Frauenbeauftragten der
StadtBraunschweig ermöglicht nun eine wei-tere Auflage, die
allerdings um einenSpaziergang zu Lebensstationen
derSchriftstellerin Ricarda Huch (siehe Spa-ziergänge…) erweitert
werden sollte.Sabine Ahrens, Elisabeth Flachowskyund Lena Kreie
erarbeiteten die Ergän-zung und veränderten den Aufbau desBandes.
Anfang 2011 wird der Bandwieder im Buchhandel erhältlich sein.
Eine weitere Veröffentlichung ist inVorbereitung. Seit Sommer
2010 trifftsich eine Arbeitsgruppe, an der ReinhardBein, Regina
Blume, Hans-GüntherHalbeisen, Gudrun Hirschmann, GilbertHolzgang,
Almuth Rohloff und SusanneWeihmann beteiligt sind. Ziel ist die
Ent-wicklung eines weiteren Stadtführers,der den Arbeitstitel
„Berühmte Braun-
TeilnehmerderJubiläums-veranstaltungverfolgendas
Podi-ums-gespräch.
Foto: BeateHornack
Spaziergang „Lebensstationen in Braunschweig – Auf den Spuren
von RicardaHuch“ Foto: Beate Hornack
-
Rundbrief 1/11 9
schweiger des 20. Jahrhunderts“ trägt.Vorgestellt werden sollen
Persönlichkei-ten aus Politik, Kunst, Wissenschaft undLehre,
Architektur, Wirtschaft, Unter-haltung und Sport, die über die
Regionhinaus Bedeutung hatten.
Braunschweiger Spaziergänge zurStadtteil- und
Alltagsgeschichte
Die Arbeitsgruppe zur Frauen-geschichte wirkte an der
Initiative„frauenOrte Niedersachsen“ des Landes-frauenrates mit,
das Leben und Wirkenbedeutender historischer
Frauen-persönlichkeiten lebendig werden zu las-sen. Auf Einladung
der Frauen-beauftragten der Stadt Braunschweigentwickelten Sabine
Ahrens, ElisabethFlachowsky und Lena Kreie Stadtteil-spaziergänge
auf den Spuren vonRicarda Huch. Außerdem waren sie ander Erstellung
eines großformatigenFaltblatts mit Stationen zu Ricarda
Huchbeteiligt, das zum Beginn des Führungs-programms vorlag. Nach
einem gut be-suchten Eröffnungsspaziergang „Lebens-stationen in
Braunschweig – Auf denSpuren von Ricarda Huch“ am 24.4.2010,über
den auch die Braunschweiger Zei-tung berichtete, folgten am 15. und
30.Mai sowie am 12. und 20. Juni weitereFührungen, die entlang von
unterschied-lichen Routen das Leben der Schrift-stellerin
veranschaulichten.
Aufgrund dieses Führungsangebotsbegann die seit 1993 jährlich
durchge-führte öffentliche Reihe „Braunschweiger
Spaziergänge zur Alltags und Stadtteil-geschichte“ diesmal erst
im Herbst. Siewurde von Isolde Saalmann organisiertund umfasste
folgende Führungen:• 14.9. Klaus Hoffmann: Industrie-kultur im
Westlichen Ringgebiet• 2.10. Sabine Ahrens: Ausgestoßen –Frauen am
Rande der Gesellschaft• 16.10. Karl Heinz Löffelsend: Wan-derung
auf den Wallanlagen• 23.10. Sabine Ahrens: Ölper – einDorf im
Wandel
Die zuletzt genannte, von SabineAhrens erstmals angebotene
Führungstieß auf besonders starkes Publikums-interesse. Weitere
Führungen wurdenvon Sabine Ahrens und Frank Ehrhardtaußerhalb des
öffentlichen Programmsfür anfragende Gruppen durchgeführt.
Studienfahrten
Eine Wochenendfahrt des Vereinsführte am 17./18.4. nach Hamburg.
Dasbesondere Interesse der Mitreisendenrichtete sich auf die
Tätigkeit vonGeschichtsinitiativen in der Hafenstadt.So besuchten
die Teilnehmer dieWilhelmsburger Geschichtswerkstatt inder
Honigfabrik und informierte sichüber ein Umnutzungskonzept für
einenLuftschutzbunker. Am Sonntag unter-nahm Wilfried Weinke mit
den Besu-chern einen sehr kompetent geleitetenRundgang zur
jüdischen Geschichte desGrindelviertels. Ein kulturelles High-light
war der abendliche Besuch einerWoyzeck-Aufführung des
Thalia-Thea-
ters mit Musik von Tom Waits.Die jährlich stattfindende
Bildungs-
reise im September führte eine Gruppevon 27 Teilnehmern nach
Erfurt. Schwer-punkte waren thüringische Landesge-schichte,
Volkskunde und Aspekte desWirtschaftslebens, Stationen der
Fahrtwaren Erfurt, Bad Frankenhausen,Arnstadt und Gotha.
Organisiert undmoderiert wurde die Bildungsreise vonReinhard Bein
und Regina Blume.
Sonstiges
Martin Kayser zeichnete für die Er-stellung von zwei
Mitgliederrundbriefenmit insgesamt 24 Seiten verantwortlich,die
neben der Ankündigung von Veran-staltungen und der Wiedergabe von
Ver-einsnachrichten auch eine Reihe von Re-zensionen von
regionalgeschichtlichenNeuerscheinungen enthielten. IsoldeSaalmann
aktualisierte die im Vorjahrentwickelte Internetseite
unterwww.andere-geschichte.de.
Die Grafikagentur Hinz und Kunststellte im November ihre Räume
für diePräsentation einer Auswahl von histori-schen Fotografien aus
bisherigen Ausstel-lungen des Vereins zur Verfügung undmachte so
auf die langjährige Zusammen-arbeit mit dem Arbeitskreis
aufmerksam.
Vereinsgeschäftsführer Frank Ehr-hardt hielt im Berichtsjahr
mehrere Vor-träge, so u.a. auf Einladung der Gesell-schaft für
christlich-jüdische Zusammen-arbeit zu dem 100sten Todestag von
MaxJüdel.
Perspektiven
In einer vereinsöffentlichen Pla-nungssitzung am 30. Oktober
befasstensich Mitglieder und Vorstand im An-schluss an die
Diskussionen des Vereins-jubiläums mit zukünftigen
Vorhabenaußerhalb der Gedenkstätte. Ausführlichwurde über
Spaziergängeprogramm undStudienfahrten gesprochen. Ob darüberhinaus
noch neue regionalgeschichtlicheThemen – wie z.B. die Geschichte
derMigranten in Braunschweig – aufgegrif-fen werden können, bedarf
noch weite-rer Überlegungen.
Frank Ehrhardt Reinhard BeinGeschäftsführer Vorsitzender
Mit Wilfried Weinke im Hamburger Grindelviertel. Foto: Martin
Kayser
-
10 Rundbrief 1/11
Die frühen Nachkriegsjahre botenvielerorts in Westdeutschland
eine be-achtliche Offenheit für gesellschaftlicheReformimpulse.
Unter den aus der Emi-gration Zurückgekehrten und denen, diein der
Nazizeit „überwintert“ hatten,waren einige, die die politischen und
so-zialen Ideale aus der Weimarer Repub-lik noch in sich trugen und
jetzt nachGestaltungsmöglichkeiten suchten. Dasließ sich auch für
Braunschweig beobach-ten. Persönlichkeiten wie Fritz Bauer,Helmut
von Bracken, Georg Eckert,Heinrich Rodenstein, Curt Staff sind
Bei-spiele, die für sehr unterschiedliche poli-tische
Handlungsbereiche stehen. Diemeisten der von diesen engagierten
De-mokraten verfolgten Reformansätze wur-den jedoch bald im
restaurativen Klimader 1950er Jahre wieder ausgebremst.
Wilhelm Pieper hat dieses Thema nunin einem hier vorzustellenden
Buch, daszugleich eine Dissertationsschrift ist, fürden Bereich der
Schulreform aufgearbei-tet. Das Beispiel, das er untersucht, istdie
Niedersächsische Erziehungsstätte,die im Gebäudekomplex des
früherenLuftflottenkommandos auf demFranzschen Feld 1948 ihre
Tätigkeit auf-nahm. Dieses Braunschweiger Modell-projekt hatte
schon aufgrund seiner Grö-ße eine niedersachsenweite Ausstrah-lung.
Es integrierte eine achtstufigeVolksschule für den Stadtteil, mit
derausgebombten Raabeschule ein Gymna-sium, einen Kindergarten,
eine Fach-schule für Kindergärtnerinnen, dieLandeswohlfahrtsschule,
eine Vor-studienanstalt, aus der später dasBraunschweig-Kolleg
entstand, undzeitweise auch Teile des Großen Waisen-hauses. Eine
enge pädagogische Zusam-menarbeit und Verzahnung
dieserBildungseinrichtungen sollten ein Opti-mum an Förderung
individueller Bega-bungen anstreben und die geringe
Durch-lässigkeit des dreigliedrigen Schulsys-tems überwinden
helfen. Die BritischeBesatzungsmacht hatte den gewaltigen– aber
eigentlich für die Zwecke wenigtauglichen –
Militärverwaltungskomplexam Nußberg für den Modellversuch
zurVerfügung gestellt und damit eine in derNachkriegsgesellschaft
schwergewichtigeVoraussetzung geschaffen.
Wilhelm Pieper beschreibt mit biogra-fischen Daten den
Hintergrund der im
niedersächsischen Kultusministeriumtätigen Reformer um Hans
Alfken undKarl Turn, die unter Leitung des Minis-ters Adolf Grimme
mit großer Energiein den ausgehenden 1940er Jahren dieRealisierung
des Modellvorhabens be-trieben. Mit dem Wechsel zum eher
prag-matischen Kultusminister Richard VoigtEnde 1948 sieht der
Autor aber schoneine Veränderung, was die politischeRückendeckung
für das BraunschweigerVorhaben angeht. Die Ausgestaltung
desModellvorhabens habe sich in den 50erJahren auf die
unzureichenden undnicht mehr veränderbaren Rahmen-bedingungen
beschränken müssen. DieImpulse seien dann eher von den Prak-tikern
in der Schule ausgegangen, wo-bei er den Direktor der
RaabeschuleHerbert Langner als die überragendePersönlichkeit
charakterisiert.
te ab der fünften Klasse neben einemStammunterricht für alle
eine Differen-zierung in ein System von Kursan-geboten bei
Sprachen, Mathematik undNaturwissenschaften, die es erfolgrei-chen
Teilnehmern am Ende der 8. Klas-se ermöglichen sollte, in die
Mittel- oderOberschule überzugehen. Dabei wurdendie
Differenzierungskurse durch Lehr-kräfte der oft später
aufnehmendenRaabeschule unterrichtet. Etwa 30 % derAbsolventen des
Mittelbaus nutzten diespätere Eintrittsmöglichkeit in das
wei-terführende Schulwesen, zu etwa glei-chen Teilen auf Realschule
und Gymna-sium verteilt. Mit diesen Übergangs-quoten und dem
beachtlichen Anteil derfrüheren Mittelbauabgänger an den
Ab-solventen der Raabeschule lag derBraunschweiger Schulversuch an
derSpitze aller niedersächsischen Reform-projekte, die eine bessere
Durchlässigkeitzwischen der Volksschule und der höhe-ren
Schulbildung zum Ziel hatten. -
Neben der Beteiligung an diesemSchulversuch zeichnete das
GymnasiumRaabeschule ein koedukativer Unter-richt von Jungen und
Mädchen sowie einKern-Kurs-System aus, das den Schülernbereits die
Auswahl vielfältiger Fächer-kombinationen in der Oberstufe
erlaub-te.
Zurückhaltend versucht Pieper dieQualität der beiden zentralen
Schulen inder Niedersächsischen Erziehungsstättenach den Kriterien
Leistung, Umgangmit Vielfalt, Unterrichtsqualität, Verant-wortung,
Schulklima und Schule als ler-nende Organisation zu bewerten.
Soidentifiziert er neben einem generellenAusschluss von
Qualitätsmängeln her-ausragende Leistungen in musischenFächern,
weist am Beispiel von mehre-ren Fällen darauf hin, wie intensiv
sichSchulleiter und Lehrkräfte um einzelne„auffällig gewordene“
Schüler geküm-mert haben, kann generell ein gutes Ver-hältnis
zwischen Lehrern und Schülernerkennen und hebt das vielseitige
Schul-leben hervor, dessen Höhepunkte die le-gendären
„Treppenfeste“ waren.
Mit der Aufstellung der Bundeswehrwuchs Ende der 50er Jahre das
Interes-se des Bundes an dem Gebäudekomplex,der im Rahmen eines
Vergleichs ab 1963tatsächlich dem Bund zufiel. Der Plan,die
Einzelschulen der Erziehungsstätte
Wilhelm Pieper erinnert an die Niedersächsische
Erziehungsstätte
Schulreform im Luftwaffenkommando
Im Kern reduzierte sich das Reform-vorhaben auf die
Zusammenarbeit zwi-schen Volksschule als damaliger Regel-schule und
Gymnasium, wobei derlandesweite Schulversuch „Differenzier-ter
Mittelbau“ in der Volksschule zwi-schen 1950 und 1965 den
schul-rechtlichen Rahmen bot. Dieser erlaub-
Wilhelm Pieper, NiedersächsischeSchulreform im
Luftflottenkomman-do. Von der Niedersächsischen Er-ziehungsstätte
zur IGS FranzschesFeld. Bad Heilbrunn 2009, 314 Sei-ten, 36,-
Euro.
-
Rundbrief 1/11 11
in einem neuen Schulzentrum auf demHeidberg zu integrieren,
wurde nicht rea-lisiert. Für Pieper steht das Ausscheidenvon
Raabeschuldirektors HerbertLangner symptomatisch für den
weitge-henden Abschied von schulreformer-ischen Ambitionen in
dieser Zeit.Langner, den als Junglehrer die Tätig-keit in der dann
von den Nazis geschlos-senen Karl-Marx-Schule in Berlin-Neukölln
prägte, und der in seinemDienstzimmer in der Raabeschule
eineFotografie des nun in der DDR lebendenSchulreformers Paul
Oestreich ausstell-te, war allein schon deshalb für viele
Zeit-genossen des Kalten Kriegs eine Provo-kation. Eine
Verteidigung seines Vor-bilds Oestreich und eine
grundsätzlicheKritik an der selektiven Wirkung des inder
Bundesrepublik bestehenden Schul-systems in einer Abiturrede 1958
mehr-ten die Vorbehalte der Schulbehörde, sodass die Meldung von
Eltern, Langnerhabe wiederholt Schüler ungebührlichgeschlagen, den
willkommenen Anlassfür sein vorzeitiges Ausscheiden aus derLeitung
der Schule 1961 gab.
Für Pieper sind viele der von Langnerund anderen Schulreformern
der 1950ergeäußerte Kritikpunkte am traditionel-len deutschen
Schulsystem von hoherAktualität. Mit großem Erstaunen muss-te er
bei der Beschäftigung mit der Ge-schichte konstatieren, dass die
Gesamt-schulentwickler der 1970er Jahre keineVorstellung davon
hatten, dass ihre Vor-gänger zwanzig Jahre früher bereits Lö-sungen
für ähnliche Problemstellungengesucht hatten. Seine kompetente
Dar-stellung über die Niedersächsische Er-ziehungsstätte trägt dazu
bei, dass sichein solcher Geschichtsverlust nicht wie-derholt, und
setzt den Reformern derNachkriegszeit ein angemessenes
Denk-mal.
Frank Ehrhardt
Impressum
Herausgeber: Herausgeber: Herausgeber: Herausgeber: Herausgeber:
Arbeitskreis Andere Geschichtee. V., Kramerstr. 25, 38122
BraunschweigTelefon: 0531 - 18957Verantwortlich: Verantwortlich:
Verantwortlich: Verantwortlich: Verantwortlich: Martin
KayserMitarbeiter dieses Rundbriefes:Mitarbeiter dieses
Rundbriefes:Mitarbeiter dieses Rundbriefes:Mitarbeiter dieses
Rundbriefes:Mitarbeiter dieses Rundbriefes: SabineAhrens, Reinhard
Bein, Frank Ehrhardt,Gustav Partington, Isolde Saalmann
Druck:Druck:Druck:Druck:Druck: Reese, BraunschweigBankverbindung
Bankverbindung Bankverbindung Bankverbindung Bankverbindung
undSpendenkonto des Arbeitskreises:Konto 371 203 307 BLZ 250 100
30bei der Postbank Hannover
Pünktlich mit Erscheinen des Früh-lings kommt auch die
Neuauflage desBandes „Braunschweiger Frauen:gestern und heute -:
sechs Spaziergän-ge“ heraus. Da auch nach zehn Jahrennoch immer
eine große Nachfrage be-steht, hat sich der Arbeitskreis
AndereGeschichte dazu entschieden, nun nocheine vierte Auflage
drucken zu lassen.
schweiger Gleichstellungsreferat hat dasTeam der Autorinnen für
das ProjektfrauenORTE Niedersachsen einen Rund-gang
zusammengestellt, der dem Lebens-weg einer der bedeutendsten
Schriftstel-lerinnen des 20. Jahrhunderts folgt:
derBraunschweigerin Ricarda Huch. Siepromovierte als eine der
ersten deut-schen Frauen, was ihr damals nur in derSchweiz möglich
war, bestritt mit derVeröffentlichung ihrer Werke den eige-nen
Lebensunterhalt und löste sich un-geachtet der damit verbundenen
Skan-dale aus zwei gescheiterten Ehen.
Der Rundgang auf den Spuren Ricar-da Huchs ist im vergangenen
Jahr mehr-fach erfolgreich angeboten worden. Wäh-rend des ersten
Spaziergangs wurde eineGedenktafel an ihrem zeitweiligenWohnhaus am
Bruchtorwall angebracht.
Wer zum Osterfest bei (hoffentlich)strahlendem Frühlingwetter
den Lebens-wegen bedeutender und interessanterFrauen folgen möchte,
kann das Buch abApril zu einem Preis von 8,90 Euro imeinschlägigen
Buchhandel oder beimArbeitskreis Andere Geschichte erwer-ben.
Sabine Ahrens
Neuauflage des Frauenbuchserscheint
Vom 23.07. bis 6.8.2011 wird in derGedenkstätte ein
deutsch-polnisch-ukra-inisches Workcamp stattfinden, daswiederum in
Zusammenarbeit mit demService Civil International angebotenwird.
Die Teilnehmerinnen und Teilneh-mer werden sich mit einer
unbekannte-ren Opfergruppe befassen: displacedpersons, kurz DP
genannt. In Folge desKrieges waren Millionen von Menschen,vor allem
aus den osteuropäischen Län-dern, von Zwangsmigration betroffen.Die
Mehrheit kehrte zwar nach 1945 inihre Heimat zurück, aber bis 1949
befan-den sich noch über 100 000 DPs in örtli-chen Lager- und
Barackenunterkünfte.Einige der Betroffenen haben (West-)Deutschland
nie wieder verlassen undihre Nachkommen leben auch heute
hier.Braunschweig war vor allem ein Sam-melbecken für polnische und
ukrainische
Jugendcamp im Sommer 2011Displaced persons und heimatlose
Ausländer imNachkriegsdeutschland
DPs.Unter fachlicher Anleitung von Anne-
Kathrin Topp, die bereits 2009 ein ver-gleichbares Camp
betreute, werden sichjunge Leute auf die Spuren der Lebens-wege
dieser Menschen begeben undanhand persönlicher Gespräche mit
Be-troffenen und deren Familien, Archiv-recherchen, Fotoalben etc.
erfahren, wasmit ihnen nach 1945 geschah. Dabei wer-den sie auf
verschiedene Generationenvon Polen und Ukrainern in
West-deutschland stoßen. Ein Kurzfilm soll amEnde des Workcamps die
Lebenswegeder DPs und die Erfahrungen mit ihnenwiedergeben.
Jugendliche Interessenten (zwischen18 und 25 Jahren) an der
Begegnungsind noch willkommen und melden sicham besten in der
Gedenkstätte.
Frank Ehrhardt
Aus den ursprünglich sechs Spazier-gängen sind inzwischen sieben
gewor-den. In Zusammenarbeit mit dem Braun-
-
12 Rundbrief 1/11
Ich möchte Mitglied im ArbeitskreisAndere Geschichte e.V.
werden.
Der jährliche Mitgliedsbeitrag von
0 50,- Euro (Grundbetrag)0 60,- Euro (oder ein höherer
Förderbetrag von ins-gesamt .............,- Euro)
0 15,- Euro (ermäßigt)
0 wird von mir überwiesen aufdas Konto Nr. 371 203 307bei der
Postbank HannoverBLZ 250 100 300
0 soll von meinem Konto abge-bucht werden
Konto-Nr.:
...............................................................Bankleitzahl:
................................................................Bank
................................................................Ich
ermächtige den Arbeitskreis An-dere Geschichte e.V.
widerruflich,meinen Mitgliedsbeitrag von meinemKonto mittels
Lastschrift einzuziehen.Wenn das Konto nicht die erforderli-che
Deckung aufweist, besteht für daskontoführende Kreditinstitut keine
Ver-pflichtung zur Einlösung.
(Datum) (Unterschrift)
Name, Vorname:
Anschrift
E-Mail:
Bitte ausschneiden undabgeben oder übersenden
Beitrittserklärung
Programm der geplantenStudienfahrt 2011 in die Nordeifel
Freitag 2.9. 2011
1. 8.00 Uhr Abfahrt von der Gedenkstät-te2. Deutsches
Bergbaumuseum inBochum (älteste und größte Schau-An-lage weltweit)
F3. Gedenkstätte Bochum (Friedhofsan-lage aus der NS-Zeit, gedacht
für SS-Grö-ßen, aber seit 1939 Hauptfriedhof mitGräbern von
Bombenopfern und Zwangs-arbeitern) R4. Fahrt nach Rurberg am
Rurstauseezum Hotel PaulushofGemeinsames Abendessen im
Paulushof(Buffet)
Sonnabend 3.9. 2011
1. Ehemalige NS-Ordensburg Vogel-sang am Urftstausee
(unverändert er-halten wegen der bisherigen Nutzung alsbelgische
Kaserne) F2. Heimbach am Rurstausee (Besuchdes größten
Wasserkraftwerkes der Welt
um 1900, heute einziges Wasserkraft-werk im Jugendstil) F3.
Kriegsgräberanlage (2. Weltkrieg)beim Trappistenkloster Mariawald
beiHeimbach, Schicksal von Mönchen in derNS-Zeit R
4. Historische Altstadt von Mon-schau an der Rur (mögliche
Führungdurch das Rote Haus, stattliches Bürger-haus eines
Tuchhändlers F)
Sonntag 4.9. 2011
1. Aachen (Kaiserdom und Domschatz)F2. Mayschoss im Ahrtal
(Besuch der äl-testen genossenschaftlichen Weinkellereider Welt mit
anschließender VerkostungF und möglichem Imbiss)3. Rückfahrt nach
Braunschweig (Rück-kehr gegen 20.00 Uhr)
F Führung durch qualifizierte OrtskräfteR Führung durch die
Reiseleitung
Reisekosten: 185 Euro p.P. im Doppel-zimmer, 210 Euro im
Einzelzimmer.Wir haben 15 DZ und 10 EZ geordert undwüssten gern
recht bald von Euch, ob Ihrmitfahren wollt, damit wir planen
kön-nen (Bus, Führungen usw.).Anmeldungen: Ab sofort beim
Arbeits-kreis Andere Geschichte (Konto:371203307, Postbank BLZ
25010030).Mit einer Anzahlung von 50 Euro gilt dieReise als fest
gebucht. Die Restkostensind ohne besondere Aufforderung bisvier
Wochen vor Beginn der Reise zu zah-len.
Jugendstil-kraftwerkHeimbach
Foto:Reinhard
Bein
Vogelsang: Blick auf eines der Mann-schaftshäuser Foto: Reinhard
Bein